Revolution von Jim ================================================================================ Kapitel 1: Recruit 3 - Line --------------------------- Die Sonne schien mit aller Kraft und Line wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn, welches sie wieder in der Tasche ihrer dunkelblauen Hose verschwinden lies. Dann setzte sie wieder ihr Fernglas an. Sie konnte die Meute schon sehen. Grob geschätzt zweihundert Menschen. Wütende, aufgebrachte und gewaltbereite Menschen. Nach Lines Auffassung hatten sie das Recht wütend zu sein. Der Staat, oder genauer gesagt das Staatsoberhaupt, war kein Mensch unter dem man gerne leben wollte und er regierte seinen Staat so totalitär, wie es nur ging. Redefreiheit gab es nicht, Zensur in Bezug auf gewisse Dinge war an der Tagesordnung. Diese Menschen jedoch hatte es geschafft sich zu organisieren und hatten den Mut gefunden, ihre Stimme zu erheben. Sie waren gemeinsam auf die Straße gegangen mit selbstgemachten Schildern und riefen nach nichts mehr, als nach ein wenig Freiheit. Dennoch waren sie bereits tot. Um ihren Hals lag eine Schlinge die sich schon zugezogen hatte, sie wusste es bloß noch nicht. „Sperre 1 vorbereiten, over.“, sprache sie in ihr Funkgerät. „Sperre 1 ist bereit, over.“, antwortete eine männliche Stimme krächzend. Wenn man es genau nahm war Line diejenige, die ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen würde, wenn der Moment gekommen war. Manche, viele, würden sie als Mörderin bezeichnen – Line jedoch selbst, sah das Ganze realistischer. Wenn sie diese Operation nicht führen würde, würde es jemand anders tun. Sie nutzte nur ihre Gelegenheit am Leben zu bleiben, denn in ihrer Branche konnte man es sich einfach nicht erlauben einen potentiellen Langzeitkunden zu verärgern. Natürlich konnte sie es sich aber erlauben wählerisch zu sein. Sie war die Beste in dem was sie tat. Ihrem strategischen Geschick hatte kaum jemand etwas entgegenzusetzen und diese Sache hier, ein paar Demonstranten einfangen, war nichts weiter als ein Kinderspiel für sie. Einen wütenden aber unbewaffneten Mob in Schach zu halten... selbst ein Anfänger könnte das. Noch dazu liefen sie geradewegs wie Rindviecher zur Schlachtbank. Jede Person mit ein wenig gesundem Menschenverstand hätte bei der ersten Kreuzung, bei der zwei von vier wegen blockiert waren, bemerkt das sie in eine bestimmte Richtung gelenkt wurden... dass sie irgendwohin gehen SOLLTEN, und hätte die Sache auf sich beruhen lassen. Aber stattdessen gingen sie weiter. Sie liefen ihrem Verderben direkt in die Arme. „Sperre 1, over!“, gab Line den Befehl in ihr Funkgerät. Kaum da war der letzte Demonstrant über die Markierung der Kreuzung getreten, schossen drei Meter hohe Stahlzacken aus dem Boden und summten leise, so stark war die elektrische Ladung die durch sie hindurchfloss. Sichtlich erschrocken blieben sie stehen. „Einheit 1, vorgehen wie geplant, over.“, fuhr Line fort. Ein Mann, ein einzelner Mann, gekleidet in die typische Aufruhrausrüstung der Polizei dieses Landes, trat auf die Straße, gute fünfzig Meter vor ihnen. Entgeistert starrten sie ihn an und wussten scheinbar nicht so recht, was sie davon halten sollten. Aber so dumm zu glauben das sich ihnen bloß ein einziger Mann entgegenstellen würde, konnten selbst sie nicht sein – da war sich Line sicher. Der Polizist holte mit seinem Schlagstock aus und schlug gegen seinen Plastikschild. Das Geräusch das dabei entstand war jedoch so laut, dass die Masse zusammenzuckte und selbst Line, obwohl darauf vorbereitet, lief es bei dem Geräusch von mehreren hundert Knüppeln die auf ihr Schild schlugen eiskalt den Rücken herunter. Spätestens jetzt mussten sie wissen, dass der Polizist nicht allein war und das sich unzählige seiner Kollegen, genauso ausgestattet wie er, in den Häusern verbargen die links und rechts die Straße säumten. „Sperre 2, over.“ Genau wie die erste Barrikade, schossen nun die Dornen unmittelbar hinter dem Polizisten aus dem Boden hervor. Line hatte extra darauf bestanden sie unter dem Asphalt zu tarnen sodass sie nicht von vorn herein sichtbar waren. Der Überraschungseffekt war nicht zu unterschätzten und wie sehr die Überraschung den Mob schon verunsichert hatte, war deutlich zu erkennen. Erneut schlug der Polizist auf seinen Schild und das Geräusch hallte hundertfach wieder. Neben der Überraschung war die Einschüchterung ein weiterer Faktor der überaus wichtig war, wenn es darum ging eine große Gruppe von Menschen unter Kontrolle zu bringen. „Einheit 2, vorgehen wie geplant, over.“ Drei Scheiben, zwei auf der linken und eine auf der rechten Seite der Straße, barsten und nahezu zeitgleich flogen mit Dornen bestückten Granaten auf die Straße. Sie blieben, durch die Dornen, in der Straße fest stecken und nach wenigen Augenblicken begannen sie das Tränengas zu verströmen. Nun gerieten die Demonstranten in Panik, aber sie wussten das ein Kontakt mit der Barriere augenblicklich töten würde. Und so taten sie das, was alle aufgeschreckten Tiere taten, wenn man sie in die Enge trieb – sie flohen panisch nach vorn. „Einheit 3, vorgehen wie geplant, over.“ Die Türen der Häuser, welche sich im abgesperrten Bereich befanden, wurden nahezu synchron aufgetreten und wie Wasser strömten die Einheiten auf die Straße, wo sie sich sogleich daran machten den Aufstand niederzuknüppeln. Sie zeigten keine Gnade und störten sich nicht daran ob es Jugendliche, Alte oder Frauen waren. Alles was stand wurde mit dem Schlagstock zu Boden gebracht und alles was am Boden lag, wurde mit Fußtritten außer Gefecht gesetzt. Line rümpfte die Nase. Es war ein widerliches Schauspiel. Der Asphalt färbte sich an zunehmend mehr Stellen tiefrot, getränkt von Blut und Tränen. Plötzlich lies sie ein leises Klatschen hinter ihr herumfahren. Eine Frau stand dort, lehnte an der Tür zum Treppen haus und applaudierte mit ihren behandschuhten Händen. Ein paar Strähnen ihrer braun gelockten, schulterlangen Haare hingen ihr ins Gesicht, doch die Brille mit den kleinen, kreisrunden Gläsern war gut zu erkennen. Der lange, schwarze Mantel wehte ein wenig Wind. „Wer zum Teufel sind sie?“, wollte Line wissen, „Und wie sind sie hier rauf gekommen?“ „Wenn ich mich vorstellen darf Frau K., mein Name ist Gabriele. Und aufgrund ihrer formidablen taktischen Fähigkeiten, würde ich sie gerne anwerben.“ „Ach...?“ Line zog beinahe amüsiert eine Augenbraue in die Höhe, „Wie viel zahlen sie, wie lange soll der Job dauern und über welchen Aktionsrahmen reden wir?“ „So viel sie wollen, bis ans Ende ihres Lebens und wir reden von internationaler Ebene.“ Kurz schwieg Line, lediglich die Geräusche des Aufruhrs unten waren zu hören, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach. „Ein sehr guter Scherz, wirklich.“ „Ich scherze nicht.“, antwortete die Ältere der Beiden, „Ich bin im Begriff für meine Organisation eine Armee aufzubauen und an ihren taktischen Fähigkeiten liegt mir viel... sehr viel.“ „Also soll ich ihre Privatarmee leiten?“ „Exakt. Es gibt niemanden der besser ist als sie, darum habe ich sie ausgesucht. Der Vertrag gilt bis zum Ende der Organisation oder ihres Lebens.“ „... und was springt für mich dabei raus, wenn ich quasi mein Leben verpflichte.“ „Nun...“ Gabriele grinste. „Was wollen sie?“ Line sah über die Schulter, hinab auf die Straße. Die Demonstration war beinahe niedergeschlagen, doch ein paar Leute wehrten sich immer noch verbittert. Ein Großteil der Polizisten war jedoch dazu übergangen die bereits am Boden liegenden Menschen noch übler zusammen zu schlagen. „Den Kopf des Staatsoberhauptes auf einem Spieß.“, seufzte Line ein wenig deprimierend. „Wenn das alles ist wären sie ein ziemliches Schnäppchen.“, gluckste Gabriele, „Was ich ihnen bieten könnte wären nahezu endlose Mittel für Waffenforschung. Wie mir zu Ohren gekommen ist würden sie gerne ihren Plan einer Railgun verwirklichen.“ Entgeistert sah Line sie an. Nur eine Hand voll Leute wussten überhaupt davon das sie sich für Waffenforschung interessierte, noch weniger wussten von ihren Plänen einer Railgun. „Was wissen sie über mich?“, wollte Line wissen. „Alles was wichtig ist.“ Gabriele räusperte sich. „Hören sie, ich will sie nicht drängen, aber meine Zeit ist wirklich knapp bemessen. Was halten sie davon: sie kommen mit und schauen sich an was ich zu bieten habe. Wenn es ihnen nicht gefällt gehen sie wieder. Ich habe kein Interesse daran sie zu irgendetwas zu zwingen, sie müssen freiwillig mit mir zusammenarbeiten wollen – andernfalls hätte es keinen Sinn.“ „Wer garantiert mir das ich nicht mit einer Kugel im Kopf ende, falls ich nicht zustimme?“ „Niemand. Aber ich ziehe keinen Vorteil daraus sie umzubringen. Wenn sie jedoch etwas an dieser Welt ändern wollen...“ Während sie sprach trat Gabriele neben sie und deutete auf die Straße unten, wo der Aufstand, falls man ihn denn so nennen wollte, endgültig niedergeschlagen war und die Polizisten nur noch damit beschäftigt waren, die Leute zu fesseln, zu knebeln oder sie in Säcke zu stecken, wenn es denn nötig war. „... dann folgen sie mir, denn genau das ist unser Ziel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)