Wortschlacht von abgemeldet (~*Auf das uns die Worte nie verloren gehen *~) ================================================================================ Kapitel 3: Kleiner Tiger ------------------------ Jill lehnte sich gegen die Wand, grinste und deutete auf ihre Haare. Adren, Niko und King starrten sie fassungslos an. Jill hatte die Lust verspürt, sich die braunen Locken Rot zu färben. Also war das Braun einem auffallendem Rot gewichen. "Heiß, oder?", fragte Jill und grinste. "Na los, fasst mal an!" Die Jungs wechselten verwunderte Blicke und keiner traute sich so wirklich, Jills Locken anzufassen. "Kluge Jungs!" Jill hasste es nämlich, wenn Leute ihre Haare berührten. "Du hättest uns den Arm gebrochen", knurrte King und sah sich um. "Hast du uns nur hier hin gerufen, um uns deine roten Haare zu zeigen?" Jill schüttelte den Kopf. "Nein, du Penner. Ich muss mit euch was besprechen." "Und was?" "Meinen 18. Geburtstag, ihr verdammten Idioten!" "Aha. Muss das aber auf einem Friedhof sein? Hier liegen Leichen." King sah sich besorgt um. "Angst?", grinste Jill und stieß sich von der alten Mauer ab. "Die Ruhe der Toten ist reinigen für das Karma." Niko, Adren und King stöhnten gleichzeitig gequält auf. "Nicht schon wieder dieser Karma-Scheiß!" Jill schnaubte abfällig und deutete auf das Datum, welche sie sich auf die Handfläche geschrieben hatte. "Jungs, wir müssen außerdem den Schwur erneuern." "Jill", flehte Adren genervt. "Wieso müssen wir da immer mitmachen? Wir glauben nicht an Geister, Karma und Nachtwesen." "Ja und? Aber an unsere Freundschaft, oder?" "Ja schon..." "Also! Handflächen her, Jungs!" "Das haben wir doch erst gemacht!" Niko gab sich alle Mühe, die Hände in seiner Hosentasche zu verstecken. "Erst?! ERST?!" Jill stampfte wütend auf. Sie hatte es, wenn man sich ihr widersetzte. "Es ist drei Jahre her! Alle drei Jahre! So ist es abgemacht!" "Du hast uns gezwungen", knurrte Adren leise. Niko und King nickten zustimmend. "Na schön..." Jill hob das Kinn arrogant. "Dann geht, ihr Feiglinge! Dann sind wir keine Freunde mehr! Na los, haut ab!" Keiner der drei Jungs setzte sich in Bewegung. Ich hab es doch gewusst! Jill grinste zufrieden und hob das kleine Messer. Niko wurde Kreidebleich und Adren seufzte geschlagen. King gab sich spürbar Mühe, nicht zusammenzubrechen. Er konnte Blut schon sehen... Aber bei seinem eigenen Blut wurde es meist problematisch. "Jungs..." Jill verdrehte die Augen. "Handflächen her." Niko war der erste, den Jill das aktuelle Datum in die Handfläche schnitt. Das Gesicht des Jungen verzog sich vor Schmerz und Adren zögerte, als er an der Reihe war. "King sollte zuerst", sagte er langsam und wich von Jill zurück. "Du solltest die Reihenfolge nicht durcheinander bringen. So was verärgert die Dämonen, Engel, Untote oder was auch immer bestimmt. Vor drei Jahren war King vor mir. Ich weiß es ganz gen... AU!" Jill hatte die Hand von Adren gepackt und hielt sie fest. "Hör auf! Bitte!" Adren versuchte sich zu befreien. "Hör auf, Jill! Bitte!" Seine Stimme überschlug sich und Jill beeilte sich. Adren zappelte immer mehr und fluchte, als Jill endlich fertig war und ihn los ließ. "Blöde Kuh!" Blut tropfte auf den Boden und Adren betastete seine Handfläche. "Super! Wie soll ich damit bitte morgen zum Training? Mal daran gedacht?!" King kniff die Augen zu und gab keinen laut des Protestes von sich. Etwas, was Jill ihm hoch anrechnete. Wenn King wirklich Schiss hatte, hielt er sein verdammtes Maul. Ganz im Gegensatz zu Adren, der immer rumjammern musste. Schließlich war Jill dran und verzog nicht mal das Gesicht, als das Messer Schnitte auf ihrer Handfläche hinter ließ. "Du bist so was von Krank!", knurrte Adren. Er war beleidigt. "Wir könnten uns das Datum doch auch einfach auf ein Blatt Papier schreiben! Dann wissen wir auch, wann das verdammte Versprechen erneuert wurde. Außerdem kennen wir alle die alte Leier! Ewige Freundschaft, keine Lügen und Geheimnisse, kein Sex... Blablabla..." "Na und? Ist doch gut, wenn wir es alle wissen." Jill wischte das Blut an ihrem Pulli ab. "Und von daher solltet ihr euch langsam mal daran gewöhnt haben. Aber ihr stellt euch immer noch an wie Babys! Kein Wunder, dass ihr keine Freundinnen abbekommt!" Jills Freunde waren auf diesem Thema so herrlich verletzlich. "Ich hab fast eine!", brauste Adren sofort auf. "Ich bin SO nah dran und es wäre schon längst mehr gelaufen, wenn du mich nicht ständig aufhalten würdest, mit so lächerlichen Aktionen wie diese hier!" "Feste Beziehungen sind scheiße." King trat einen kleinen Stein weg. "Für Sex brauchst du keine feste Freundin. Die beanspruchen nur Zeit und machen Ärger." Niko sagte nichts. Er sah auf den Boden und schien nachzudenken. "Ach komm!" Jill lachte. "Du hattest noch nie in deinem Leben Sex, King! Und wenn, dann wüsst ich das. Glaub mir, Schatz." "Du weißt ja auch angeblich alles!", meckerte Adren und Jill nickte. "Natürlich. Können wir jetzt weiter machen? Denn im Gegensatz zu euch, habe ich später wirklich noch eine Verabredung... Danke." Niko bemühte sich wirklich, aber es gelang ihm nicht. Er konnte die Tür der Wohnung nicht öffnen, da er schon im Hausflur die Geräusche gehört hatte. Er sehnte sich fast nach Kings Bett zurück. Zwar war es recht eng gewesen, aber es machte Niko nichts aus, einem seiner Freunde so nah zu sein. Wesentlich schlimmer war die Tatsache, dass ihn in seinem Zimmer nur eine dünne Wand von einem fremden Mann trennte, der sich mit seiner Mutter beschäftigte. Niko versuchte nichts zu hören, als er in die Wohnung eintrat und seine Schuhe auszog. Seine Mutter hatte sich nicht mal nach ihm erkundigt, als er bei King geschlafen hatte. Manchmal hatte Niko das Gefühl, dass seine Mutter ihn kaum noch kannte. Sie beachtete ihn kaum und wenn, dann war es ein kurzes 'Guten Morgen'. Niko vermied es, seiner Mutter körperlich nahe zu kommen. Alleine ihre Hände ekelten ihn an. Er konnte nichts essen, was sie gekocht hatte und Dinge, die sie angefasst hatte, musste er sofort danach putzen. Es wurde Niko immer wieder schlecht, wenn er daran dachte, was seine Mutter mit den Händen schon alles gemacht hatte... Wie viele fremde Männer sie schon berührt hatten... Widerlich. Einfach nur widerlich. Nikos Handflächen brannten immer noch, als er sich in seinem Zimmer schnell umzog und unter die Decke kroch. Das aktuelle Datum war in Form von roten tiefen Kratzern auf seiner Handfläche zu sehen und es beruhigte Niko nicht im geringsten. Jedoch musste er so etwas in Kauf nehmen. Jill war der Meinung, so etwas würde Freundschaft und Seele stärken. Was an Friedhöfen und Messern Stark machen sollte, war Niko bis Heute ein absolutes Rätsel. Sein Handy vibrierte. Niko nahm das Gespräch an und sprach bemüht leise. "Ja?" "He! Stör ich?" Adren. "Nein. Ich kann eh nicht schlafen." "Oh..." Adren seufzte. "Deine Mutter lässt sich mal wieder vögeln, oder?" Niko antwortete nicht. Es war gar keine Antwort von Nöten. "Verdammt, Mann! Würde meine Mutter so was machen... Yeah! Sei froh." Niko konnte nie verstehen, wie Adren sein geregeltes Leben nur so hassen konnte. Adren wurde morgens mit der Gewissheit wach, dass niemand in seiner Familie billiger als eine kostenlose Nutte war. Höchstens seine Katze. Aber das war wirklich noch zu verkraften. "Du..." Adren nahm tief Luft. "Was schenkst du Jill zum Geburtstag? Ich weiß es nicht... Ich weiß es echt nicht!" Niko setzte sich leise in seinem Bett auf. "Armreifen. Da kann man eigentlich nichts Falsch machen. Außerdem sind ihre neuen bereits kaputt." "Ja? Wusst ich gar nicht... Okay. Wenn du ihr Armreifen schenkst, kann ich die Kette übernehmen, oder?" "Aber kein Pentagramm. Davon hat sie genug." "Oh... Fledermaus?" "Davon hat sie glaub ich keine..." "Oder Duftkerzen..." Niko verzog das Gesicht. "Ich bekomme jetzt schon das Duftzeug kaum aus meinen Sachen raus." "Stimmt... Schuhe?" "Sie bringt dich um, wenn du ihr Schuhe kaufst. Sie hat ein paar und kauft sich erst wieder ein neues, wenn die alten auseinander gefallen sind. Mehr als ein paar Schuhe - das behauptet zumindest Jill - ist ein Zeichen von Unsicherheit." "Ja?" Adren klang überrascht. "Scheiße, Mann. Wir sind voll unsicher." "Kauf ihr Bettwäsche." "Bettwäsche? Mit Tiger oder was?" Niko musterte seine Bettwäsche kurz. "Was ist an einem Tiger auszusetzen?" "Ich weiß nicht. Tigerbettwäsche wirkt immer wie ein Hilferuf im Thema Sex." "Tatsächlich?" "Ja." "Du hast selbst Bettwäsche mit einem Tiger drauf, Adren." "Ich weiß. Rate mal wieso." Nikos Mutter stöhnte und der 16jährige seufzte leise. "Du kannst echt froh mit deiner Mutter sein", sagte er leise und Adren schnaubte. "Naja... Gibt besseres. Also, ich schenk ihr einfach einen Kerzenhalter. Sache erledigt. Gute Nacht." "Gute Nacht, Adren." Niko beendete das Gespräch und legte das Handy weg. Paar Minuten später stand er auf, schlich zu seinem Schrank und zog frische Bettwäsche heraus. Die Tigerbettwäsche würde er bei Gelegenheit verschenken... Kings Finger zitterten vor Wut, als er seinen Vater sah. Der junge hübsche Mann von früher sah alt und verschlafen aus. Er war seit vier Tagen nicht mehr auf der Arbeit gewesen und eine Kündigung wäre kein Wunder. Sogar jetzt noch, nachdem sein Vater duschen war, konnte King den Alkohol riechen. Er haftete an seinem Erzeuger wie Jills Parfümbomben aus ihrem Zimmer an Kings Nerven. Pit sah von seinem Teller auf. Seine kurzen braunen Haare standen ihm zerzaust vom Kopf ab und er wirkte angespannt. "Was ist, Giftzwerg?", fauchte King, als sein kleiner Bruder ihn vorsichtig am Arm berührte. "Reg dich nicht auf", flehte Pit leise. "Dad ist zum ersten Mal seit Tagen aus seinem Zimmer gekommen... Das ist doch gut!" Obwohl King Pit Recht geben musste, zumindest innerlich, schüttelte er gereizt den Kopf. "Halt dein Maul!" Pit sah zu seinem Vater, als würde er von diesem Versager erwarten, er würde King anschimpfen. Er würde King verbieten, so mit seinem kleinen Bruder zu reden. Aber ihr Vater sagte nichts. Er starrte den Tisch an und schien seine Söhne gar nicht zu realisieren. "Dad?" Pit stieß seinen Vater einige Male an. "Alles in Ordnung?" Der Mann antwortete nicht, schlug nur Wortlos Pits Hand weg. Nach wenigen Minuten des Schweigens wurde ein "Fass mich nicht an!" geknurrt. Pit wollte seinen Vater am Arm packen, der neben ihm am Tisch saß, jedoch schlug ihm King ins Gesicht. "Du hast ihn gehört!",schrie er seinen Bruder an. "Du sollst ihn nicht anfassen!" "Leck mich! Du hast mir gar nichts zu sagen!", schrie Pit zurück und sprang auf. "Ich hau ab! Weißt du das? Ich hab kein Bock mehr auf dich! Ich zieh zu Mama!" King lachte. Auch wenn sein Lachen gehässig klang, konnte er eine gewisse Hysterie nicht verstecken. "Du willst zu Mom ziehen? Natürlich! Sie liebt dich ja SO sehr! Deswegen hat sie uns mit dem Versager namens Vater allein gelassen! Sie hat kein Bock auf uns! kapier das endlich! Ich bin die einzige verdammte Familie, die du eigentlich noch hast!" In Pits Augen spiegelte sich unendlicher Hass wieder. Er war nur in kleinen Teilen auf King bezogen. Aber es war die Wahrheit. King war der einzige aus der Familie, der Pit überhaupt noch wahrnahm oder sah. Genauso wie Pit der einzige war, den King von der Familie her gesehen noch hatte. Pit war der einzige Grund, wieso er noch hier war. Adren hatte ihm schon öfters angeboten, bei ihm einzuziehen. Adrens Eltern waren eh der Meinung, King würde ein geregeltes Umfeld gut tun. Aber für Pit... Für Pit war da kein Platz. Nikos Leben war selbst eine Ansammlung von Trümmern und Jill... Sie würde Pit nie bei sich Zuhause haben wollen. Außerdem war die Wohnung ihrer Mutter viel zu klein und voll gestopft mit Duftkerzen, Amuletten und noch anderen Gerümpels. "Leck mich!", schrie Pit. "Ich mach was ich will!" Pit trat gegen den Stuhl, auf dem sein Vater saß und brachte ungewollt Leben in diesen. Mit einem schnellen Ruck war der Vater von King und Pit auf den Beinen, packte seinen jüngsten Sohn am Kragen und stieß ihn gegen die Wand. "Sei endlich ruhig!", knurrte er bedrohlich. "Ich hab Kopfweh... Halt endlich deine verdammte Klappe, Lewis!" "Ich bin Pit!", schrie Pit wütend. "Lewis sitzt hinten am Tisch! ICH bin Pit!" King spürte, wie ein unangenehmer Schmerz seinen Arm durchzog. Sein Vater war noch betrunken... Vielleicht nicht mehr ganz so schlimm, jedoch noch voll genug, um seine Umgebung nicht richtig wahr zu nehmen. Vielleicht hatte sich sein Vater schon so oft das Gehirn zugesoffen, dass er gar nicht mehr wusste, dass er zwei Söhne hatte. Als Pit losgelassen wurde und seinen Vater mit seiner kleinen Faust schlug, schlug dieser zurück. Jedoch mit spürbar mehr Gewalt und Kraft. Pit stolperte zurück, starrte seinen Vater an und rannte aus der Küche. King konnte ihn heulen hören. "Toll gemacht!", schrie er seinen Vater an. "Sauf dich lieber zu und sperr dich in deinem Zimmer ein! Da macht du zumindest weniger kaputt!" King verließ die Küche und hämmerte gegen Pits Zimmertür. "Mach die Tür auf, Mann!" "Lass mich in Ruhe!" "mach die Tür auf!" "HAU AB!" King nahm tief Luft. Er wollte zu Jill, sich dort mit seinen Freunden treffen. Aber er konnte und wollte Pit nicht hier alleine lassen. "Mach auf! oder willst du nicht mit zu Jill?!" "Du holst mich eh nicht mit!" "Wenn du meinst! In zehn Minuten an der Haustür! Wenn du dann nicht da bist, geh ich allein!" King stampfte davon und schlug noch einmal gegen die Wand. Sofort schmerzte seine Handfläche. Das gestrige Datum war immer noch als Schnittmuster zu erkennen. Er hasste Jill dafür. King konnte noch nie das Blut von sich selbst sehen. Außerdem schnitt Jill immer in die Handfläche, dessen Hand er eigentlich zum Malen brauchte. Eine Tür am Ende des schmalen und engen Flurs wurde aufgesperrt und King seufzte leise erleichtert. Immerhin wäre Pit für ein paar Stunden hier raus... Adren schaute nicht schlecht, als King MIT Pit vor Jills Haustür stand. Pit sah verheult aus und ein Handabdruck auf seiner rechten Backe ließ darauf schließen, dass Zuhause - wenn man diese Bruchbude überhaupt so nennen konnte - mal wieder die Hölle los sein musste. "He!" Adren wusste nie wirklich, wie er reagieren sollte. King hasste es, wenn man ihm mit Gefühlssprüchen kam. "Ich hab den Giftzwerg mitgebracht. Er treibt meinen Alten Zuhause in den Selbstmord", knurrte King und stampfte an Adren vorbei. Aus der Wohnung erklang orientalische Musik. Jills Mutter war momentan am Putzen und in der ganzen Wohnung hatte sich der Geruch vom Zitronenreiniger mit den Milliarden anderen Gerüchen von Duftkerzen und Parfüms vermischt. "KING!" Jill kam aus ihrem Zimmer und warf die Arme in die Höhe. Sie trug weite Kleidung und hatte Farbe im Gesicht. "Schatz! Du kommst genau richtig! Wir brauchen einen Künstler!" King wurde bleich und Adren versperrte ihm vorsichtshalber den Fluchtweg. Jill war dabei, ihr Zimmer auf der Wandseite mit dem Bett neu zu gestalten. Sie wollte unbedingt einen Chinesischen Drachen mit bestimmten Schriftzeichen auf die Wand. King könnte ihr das ohne Probleme malen... Aber er würde sich trotzdem weigern. Auch wenn Adren ihn gerne mit seiner Liebe zur Kunst aufzog, bewunderte er King nicht selten, für seine unglaubliche Begabung. Jills Augen blieben auf Pit hängen. Es wäre wesentlich taktvolle von ihr gewesen nichts zu sagen, aber es war Jill. Nicht Mrs. Taktvoll. "Was willst du hier?", fragte Jill und hob eine Augenbraue. "Schon wieder von deinem Vater geprügelt worden, was? Lern dich mal zu wehren, kleiner Feigling!" Pit sah Jill böse an. Er sagte jedoch nichts. Adren musste Pit hohe Intelligenz anrechnen. Nur ein absoluter Vollidiot hätte angefangen Jill ebenfalls zu beleidigen. "Pit!" Niko schob sich an Jill vorbei und lächelte den Kleinen an. Er war neben Adren der einzige, der Pit nicht mit Vorliebe quälte. Pits Gesicht entspannte sich sofort und Adren fand es an der Zeit, sich dem kleinen anzunehmen. Niko wurde bei der Operation 'Hilft mir gefälligst bei dem Drachen!' gebraucht. Adren jedoch stand nur dumm im Weg rum, da er weder gut Malen konnte, eine Begabung für ein gutes Auge hatte, noch Jill dabei helfen konnte, wie sie Dinge wo haben wollte. Adren legte Pit vorsichtig eine Hand auf die Schulter. "Ich beschäftige ihn. Da steht er nicht auch noch im Weg rum." Jill schenkte ihm ein 'Guter Junge!'- Lächeln und redete weiter auf King ein. Schließlich gab dieser nach. War ja nicht so, als hätte er je eine andere Wahl gehabt... Adren schob Pit in die kleine Küche, auf dessen Herd das Abendessen fröhlich vor sich hin kochte. "Hast du Hunger?" Pit griff nach dem Topfdeckel und hob ihn an. "Was ist das denn?", fragte er schockiert und Adren zuckte mit den Schultern. "Frag das Jills Mom. Hast du Hunger auf Nutella?" "Ne..." Pit setzte sich auf einen Küchenstuhl und sah die viele Orientalische Kücheneinrichtung an. "Willst du was trinken?" "Cola." "Haben die hier nie..." "Limo?" "Negativ." Pit seufzte und legte seinen Kopf auf den Tisch. "Dann halt Wasser, verdammt." Adren stellte Pit ein Glas mit Wasser auf den Tisch und grinste. "Kopf hoch, gibt schlimmeres als blöde Väter." Pit musterte Adren eine Weile und schien nicht sonderlich überzeugt. "Hast du eine Ahnung", flüsterte Pit und nahm einen Schluck Wasser. Er verzog das Gesicht. Adren verstand ihn nur zu gut. Selbst das Wasser in dieser Wohnung bekam durch die ganze Palette der unterschiedlichen Düfte einen komischen Geschmack. Eine mit vielen Ringen und Ketten geschmückte Frau kam in die die Küche. "Oh!", stieß sie hervor. Jills Mutter. So explosiv wie Dynamit und so zäh wie Milliarden Jahre alter Kaugummi. "Pit, stimmts?", fragte sie laut. Sie war einer dieser Personen, die selbst dann laut sprach, wenn man in der Kirche saß. "Ja", sagte Pit und starrte das Wasser angeekelt an. "Bist groß geworden! Dich sieht man aber auch selten!" Die Frau schlug dem kleinen Jungen auf den Rücken und dieser schnappte nach Luft. "Adren, kannst du mir bei den Kartoffeln helfen?" Adren nickte eilig. "Sofort. Willst du auch helfen, Pit?" Pit nickte vorsichtig. "Wenn ich darf..." "Natürlich!" Die Frau drückte dem Jungen eine Kartoffel in die Hand. "Messer sind da hinten in der Schublade!" Pit stand auf, nahm sich ein Messer und ließ sich von Jills Mutter zeigen, wie man Kartoffeln richtig schälte. Die Vitamine! Alleine darum ging es! Zu viel von der Schale weg und es sind keine Vitamine mehr da! Da Adren als Sportler Vitamine ziemlich positiv fand, hatte er sich diese Regel als Grundsatz für das Schälen der Kartoffeln gesetzt. Pit zeigte unglaubliches Geschick und hatte in wenigen Minuten über die Hälfte alleine gemacht. Es schien dem Jungen richtig Spass zu machen und Jills Mutter pfiff anerkennend. "Schätzchen, du solltest öfters vorbei kommen!", grinste sie und strahlte Adren an. "Ein Naturtalent, unser Pit!" Pit starrte Adren an und dieser grinste. Scheinbar war Pit schon länger nicht mehr gelobt werden. Insgesamt wirkte der Junge eh erschreckend verstört und für seine zarte 13 hatte er definitiv zu viel Wut in sich. So würde es zumindest Adrens Mutter ausdrücken. Adren war der schlichten Meinung, dass Pit einfach nur zu schwach war. Er gehörte nicht in eine solche Familie. King ebenfalls nicht. Nach Adrens Meinung gehörten beide in eine richtige Familie. Aber eine solch perfekte Familie wie es seine war, wünschte er ihnen jedoch auch nicht. So etwas machte einen nur Krank und belastete einen. King und Pit wären bei Jill gut aufgehoben. Jedoch war zu wenig Platz in der Wohnung und Jills Mutter würde den Vogel zeigen, wenn sie jetzt noch zwei weitere Leute regelmässig durchfüttern müsste. "Wenn du willst...", flüsterte Adren Pit leise zu. "Kannst du heute Nacht bei mir schlafen. King wollte eh bei mir pennen." Pit schüttelte den Kopf. "Nein. Ich fahr zu meiner Mutter." Adren hob überrascht eine Augenbraue. "Ja? Wann?" Pit legte das Messer weg, dachte kurz nach und grinste leicht. "Jetzt, Mann!" Jetzt? Adren hatte ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Und auf seine Gefühle konnte er sich immer verlassen. "Lass das lieber. Weiß deine Mutter überhaupt Bescheid? Und wie willst du da hin kommen? Um diese Uhrzeit alleine durch die halbe USA reisen? Nicht sehr sinnvoll, oder?" "Ich fahr jetzt", wiederholte Pit trotzig. "Nicht morgen, verdammt! Sondern jetzt!" Als Adren ins Jills Zimmer stürmte und seinen Freunden erzählte, was Pit vor hatte, hörten die vier bereits die Haustür zu fallen und eilige Schritte im Treppenhaus. Adren hatte Jills Mutter darum gebeten, den kleinen im Auge zu behalten. Aber scheinbar wurde Pit nicht nur immer extremer, sondern immer schneller. "Pit!", rief King genervt aus dem Fenster in Jills Zimmer. "Lass den Scheiß! Du weißt doch gar nicht, wo Mom momentan wohnt!" Doch das schien der kleinen Gestalt egal zu sein, die sich immer schneller von dem Wohnhaus entfernte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)