Shiomari von abgemeldet (Waffen, Brüder und andere Probleme) ================================================================================ Kapitel 23: Die Ersten töten die Hunde -------------------------------------- In schweigender Übereinkunft hatten Haru und InuYasha so selten wie möglich Rast eingelegt, um möglichst schnell zum Palast des Herrn der westlichen Länder zu gelangen, wo sie den Puppenersatz Sesshōmarus zu finden hofften. Haru hatte beabsichtigt auch die folgende Nacht durchzureisen, war in diesem Fall jedoch auf InuYashas Widerstand gestoßen, der darauf bestand, dass sie sich für die kommende Nacht einen sicheren Platz zum Rasten suchten. „Bist du so schwach, dass du schon wieder eine Pause brauchst?“, erkundigte sich Haru mit kühler Herablassung, erhielt darauf jedoch nur ein wegwerfendes „Keh“ des Hanyō als Erwiderung, ohne dass dieser auf die offensichtliche Provokation einging, sondern stattdessen nur mit leichter Unruhe zum Horizont sah, wo langsam die Sonne unterging. Erstaunlich kompromissbereit und friedfertig erklärte InuYasha anschließend: „Du kannst ja vorausreiten, ich hol euch morgen schon irgendwie ein“, ohne eine Antwort abzuwarten ließ er gleich darauf seine Reisebegleiter stehen und verschwand zwischen den Bäumen eines nahegelegenen Waldes. Mit leicht verengten Augen hatte Haru für einen Moment dem Hanyō nachgesehen, bevor er an Jaken gewandt knapp erklärte: „Wir reisen weiter.“ „Vergebt, Sesshōmaru-sama“, äußerte der Kappa mit zögerlicher Besorgnis und tiefer Ergebenheit in der Stimme, aber heute Nacht ist Neumond.“ Ungerührt sah Haru den Krötenyōkai an, darauf wartend, dass dieser seine Bemerkung genauer erklärte. „InuYasha ist ein Halbdämon“, versuchte Jaken seinem Herrn die Sachlage mit Hinweisen zu verdeutlichen, bemüht dessen Stolz angesichts seiner Ahnungslosigkeit nicht zu verletzen, da dies in der Vergangenheit hin und wieder schmerzhafte Konsequenzen für Jaken zur Folge hatte. Haru mochte sein Gedächtnis verloren haben, sein Verstand jedoch funktionierte noch immer hervorragend und so erwiderte er auf die Äußerungen seines krötenähnlichen Begleiters feststellend: „Er verändert sich also in Neumondnächten.“ Jaken nickte und berichtete kurz was er auf der Reise mit dem Hanyō herausgefunden hatte und in Erinnerung an die erste Auseinandersetzung der Brüder um Tessaiga im Grab ihres Vaters geschlussfolgert hatte: „Er wird ein Mensch und kann Tessaiga in dieser Zeit ebenso wenig benutzen wie seine Menschenfreundin.“ „Es ist nicht die erste Nacht, die er auf diese Weise verbringt“, lehnte Haru den unausgesprochen mitklingenden Vorschlag Jakens ab, ergriff die Zügel Ah-Uns und wollte diesen gerade antreiben die Reise fortzusetzen, als Jaken den Einwand vorbrachte: „Vergebt, Sesshōmaru-sama, aber wenn er in dieser Nacht von den Tonkriegern angegriffen wird, werden sie keine Mühe haben, Tessaiga in ihre Gewalt zu bringen.“ Jaken wusste, dass er sich gerade auf sehr dünnem Eis bewegte, hatte es seinem Herrn doch nie gefallen, wenn er nachlässig oder unachtsam gewesen war und dies in irgendeiner Form von Anderen mitgeteilt bekam. Aber in diesem Fall war es notwendig Haru darauf hinzuweisen, dass er etwas übersehen hatte, denn ohne InuYasha und dessen Schwert würde es ihnen nicht möglich sein Ōjidai und Sōunga aufzuhalten. Der dunkelhaarige Krieger gab mit keiner Silbe zu verstehen, ob er aus Jakens Bemerkungen die entsprechenden Schlussfolgerungen gezogen hatte, sondern trieb lediglich endgültig Ah-Un an, ihn dabei jedoch in die Richtung lenkend, in der kurz zuvor InuYasha verschwunden war. Da Haru in seinem menschlichen Zustand nicht über die Möglichkeiten eines Hundedämon verfügte eine bestimmte Person ausfindig zu machen, überließ er es in diesem Fall dem Reitdrachen den freiwillig verloren gegangenen Hanyō ausfindig zu machen. Dieser hatte sie offenbar bereits gewittert, denn er machte es Haru, Jaken und Ah-Un erfreulich einfach ihn zu finden, auch wenn er keineswegs erfreut wirkte sie so bald wiederzusehen. Stattdessen wirkte er vielmehr äußerst skeptisch, als traue er diesem plötzlichen Sinneswandel seines Bruders nicht recht. „Was ist los?“, verlangte er umgehend zu wissen, als die Drei nah genug herangekommen waren, „Ich denke, du wolltest die Nacht durchreisen. Glaubst du vielleicht, ich wäre nicht in der Lage ohne dich auszukommen oder hast du dir überlegt, dass du mit mir besser dran bist, als ohne mich?“ Die erste Möglichkeit schien InuYasha sehr viel weniger Vergnügen zu bereiten, als die zweite, wie die Veränderung seiner Stimmlang von misstrauisch-schlechtgelaunt zu spöttisch-überheblich bewies. Haru schien die Bemerkungen des Hanyō nicht zur Kenntnis genommen zu haben, denn seine gesamte Reaktion bestand lediglich in der neutral hervorgebrachten Bemerkung: „Wir werden heute Nacht hier rasten.“ Wie so oft gab InuYasha darauf nur ein wegwerfendes „Keh“ von sich, fügte sich jedoch widerspruchslos, war im nächsten Moment an Harus Seite und lief schweigend neben ihm her. Kurze Zeit später fanden sie einen Platz, der ihnen als Rastplatz für die Nacht geeignet schien, da er ihnen zum einen die Möglichkeit bot sich nähernde Wesen schon aus einiger Entfernung zu bemerken und ihnen zugleich massiver Stein in ihrem Rücken Schutz bot. Als die Sonne unterging begann InuYasha sich zu verändern: Die Krallen an seinen Händen und Füßen bildeten sich zurück, wurden zu normalen, menschlichen Fuß- und Fingernägeln, seine Augen und Haare verloren ihr ungewöhnliches Aussehen und nahmen einen braunen beziehungsweise schwarzen Farbton an. Ungewollt fasziniert hatte Haru diese Veränderungen verfolgt, während Jaken zwischen den beiden Brüdern hin und hersah, feststellend, dass ihre Verwandtschaft auf irritierende Art noch offensichtlicher wurde, als wenn Beide über ihr dämonisches Erbe verfügten. Derweil versuchte InuYasha seinen Bruder mit giftigen Blicken in Grund und Boden zu starren, während er schlechtgelaunt feststellte: „Jetzt weißt du es also. Aber glaub bloß nicht, dass du mich in der nächsten Neumondnacht einfach umbringen kannst, wenn du dein Yōki wieder hast.“ Kurz verengten sich Harus Augen bei dieser beleidigenden Provokation, bevor er mit eisiger Beherrschung erwiderte: „Spar dir deine infantilen Beleidigungen, ich habe es nicht nötig hilflose Narren anzugreifen.“ InuYasha konnte darauf nicht mehr als ein Knurren äußern, denn Haru fuhr, das Thema wechselnd, in analytisch kühlem Tonfall fort: „Wie lang hält diese Verwandlung an?“ „Nur die Nacht über“, gab InuYasha widerwillig Auskunft, sich instinktiv der Autorität des Älteren beugend. „Geschieht diese Verwandlung ausschließlich in Neumondnächten oder ist damit zu rechnen, dass du plötzlich während eines Kampfes zu einem Menschen wirst?“ „Keh, bin ich vielleicht schon mal während einem unserer Kämpfe zu einem Menschen geworden?“, konterte der Hanyō auf die Frage Harus missgelaunt und erhielt dafür nur einen durchdringenden Blick als Antwort, der eindeutig klarstellte, was der dunkelhaarige Krieger von dieser Bemerkung hielt, dennoch beließ er es für den Moment bei diesem Schlagabtausch, sodass zwischen den Brüdern wieder angespanntes Schweigen herrschte. Entgegen Jakens Befürchtungen schien es eine ruhige Nacht zu werden, in der es keinen Angriff von Ōjidais Tonkriegern geben würde, dennoch war eine gewisse Anspannung sowohl bei Inuyasha als auch Haru zu spüren, während sie mit größter Aufmerksamkeit abwechselnd Wache hielten. Es war bereits nach Mitternacht, als sich erwies, dass sie mit ihrer Vorsicht Recht behalten hatten. Die Tonkrieger gaben sich dieses Mal nicht die geringste Mühe leise zu sein, sondern schienen im Gegenteil so viel Lärm wie möglich zu machen, um die Sinne ihrer Opfer darüber zu täuschen, aus welcher Richtung genau sie nun kamen und eine Schätzung zu erschweren wie viele sie sein mochten. Allerdings hatte sich derjenige, der den Tonkriegern die Befehle erteilte, schwer im Charakter seiner Gegner getäuscht, wenn er denn überhaupt einen Gedanken an diese verschwendet hatte. Denn statt verängstigt und kopflos zu reagieren, behielt die kleine Gruppe um Haru einen kühlen Kopf und traf ihre Vorbereitungen für den bevorstehenden Kampf, indem Ah-Un die Maulkörbe abgenommen wurden, Jaken am Rand des Rastplatzes mit Hilfe seines Jintōjō mehrere Feuerstellen in Brand setzte, um das Gelände besser übersehen zu können und die vier anschließend in Kampfhaltung ruhig auf ihre Angreifer warteten, die kurz darauf auch schon wie ein hungriger Schwarm aggressiver Moskitos über sie her fielen. Nur um im nächsten Moment umgehend und ohne Zögern von Haru mit Hilfe von Shiomari zurückgeschlagen zu werden. Nach diesem ersten, vergeblichen Versuch in den Besitz der begehrten Schwerter zu gelangen, zogen sich die wenigen, überlebenden Tonkrieger schleunigst zurück, ohne dass Haru und InuYasha den Fehler begingen sie zu verfolgen, und angespannte Stille senkte sich über den Wald. Eine zeitlang schien es, als hätten die verbliebenen Tonkrieger nach dieser ersten vernichtenden Niederlage bereits aufgegeben. Doch dann trat mit majestätischer Ruhe eine hochgewachsene, weißhaarige Gestalt aus den Schatten der Bäume hervor und betrachtete die kleine Gruppe aus Menschen, Kappa und Reitdrachen mit emotionsloser Gelassenheit, ohne sich zu bewegen. Nach einem langen Moment des Schweigens, in dem sich die Atmosphäre spürbar anspannte, bewegte sich der Neuankömmling plötzlich mit beeindruckender Schnelligkeit auf Haru zu und griff ihn an. Es bestand kein Zweifel, dass der Doppelgänger Sesshōmarus in der Zeit, die seit der letzten Begegnung mit InuYasha vergangen war, an Übung im Kampf gewonnen hatte. Offenbar hatte der Doppelgänger seine Zeit nicht nur mit dem Einkaufen von Schwertern verbracht, sondern auch den Umgang mit einem solchen trainiert. Haru konnte zunächst nichts anderes tun, als die Angriffe des weißhaarigen Dämons zu parieren, vor dessen Yōki durch die dunkelblaue Energie Shiomaris geschützt. Allerdings war das nur eine geringe Erleichterung. Mochte der Doppelgänger auch nicht über so viel Erfahrung verfügen, wie sein Original, war er dem beachtlichen Können Harus dennoch überlegen, da er im Gegensatz zu diesem auf die Fähigkeiten eines Dämons zurückgreifen konnte, während Haru nur über rein menschliches Talent verfügte. Dennoch dachte der zum Mensch gewordene Dämon nicht eine Sekunde daran, sich von seinem Gegner so einfach besiegen zu lassen. Wenn er verlieren würde, dann würde er seinem Gegner den Sieg so schwer wie möglich machen. Während die beiden Männer mit einander kämpften, entfernten sie sich allmählich von dem Lagerplatz der kleinen Reisegruppe, sodass in deren Verteidigungslinie eine Lücke zurückblieb, deren Gefährlichkeit den zurückgebliebenen Reisegefährten nur allzu schnell schmerzlich bewusst gemacht wurde, als die Tonkrieger in zurückgewonnener Stärke erneut angriffen. Ebenso wie Haru gegenüber dem Dämon, befand sich auch InuYasha im Nachteil gegenüber seinen Gegnern, konnte er dieses Mal doch nicht auf die magischen Fähigkeiten Tessaigas zurückgreifen, sondern sich nur mit Klinge und der zu Hilfe genommenen Schwertscheide gegen seine Angreifer zur Wehr setzen, während Jaken und Ah-Un wie schon damals beim Wald von Amaterasu effektiv gegen die Tonkrieger vorgingen. Trotz der sowohl zahlen- als auch kräftemäßigen Unterlegenheit von Haru und seinen Gefährten, erwiesen sich diese vier als erstaunlich zäh und widerstandsfähig gegenüber ihren Angreifern und so dauerten die Kämpfe an, ohne dass eine Seite einen entscheidenden Vorteil oder den Sieg für sich gewinnen konnte. Geredet wurde während dieser Kämpfe nicht ein Wort, zu sehr waren die aufeinandertreffenden Parteien darauf konzentriert ihren Gegner entweder zu töten oder sich dessen zu erwehren. Haru atmete schwer, während seine Arme allmählich von dem langen Kampf ermüdeten und er fühlte, wie ihm vor Anstrengung begann der Schweiß über den Körper zu rinnen und sich zunehmend seine älteren, noch nicht vollständig verheilten Verletzungen aus den Begegnungen mit dem Mantikor und den Tatzelwürmern bemerkbar machten, ohne dass er bisher den tödlichen Schwachpunkt des Dämons hatte ausmachen können. Die direkten Schwertangriffe waren mühelos gekontert worden, den Magieangriffen Shiomaris war sein Gegner mit der dämoneneigenen, übermenschlichen Leichtigkeit ausgewichen. Eine Tatsache, die Haru verwunderte, da InuYasha berichtet hatte, dass dieses Wesen ebenfalls über Mak Ba’el verfügte. Er vermutete jedoch, dass dessen Stärke nicht gegen die Shiomaris ankam, vielleicht weil Ōjidai zur Zeit in der Hölle weilte, vielleicht weil der Doppelgänger von Anfang an nicht über ein sonderlich großes Maß an Mak Ba’el verfügt hatte, da sonst das Yōki und damit die Täuschung verloren gegangen wären. Letztendlich war das Warum nebensächlich, solang es Haru nur irgendwie gelang seinen Gegner zu besiegen. Anders als bei dem Mantikor würde ein Vortäuschen von Schwäche nichts nützen, um den Dämon angreifbar zu machen, da dieser lediglich mit Hilfe Tōkejins eine tödliche Energieklinge aus sicherer Entfernung seine Richtung zu senden brauchte, ohne sich ihm nähern zu müssen. Er musste also eine andere Möglichkeit finden. Und dann bemerkte Haru es, die eine, an sich unbedeutende Eigenheit, die den Dämon seinen Sieg kosten würde. Trotz seiner Erschöpfung glitt ein zufriedenes Lächeln über Harus Gesicht, während er ein weiteres Mal Susanoo auf seinen Gegner zu rasen ließ, der wie die Male zuvor nach links auswich, bevor er selbst zum Angriff überging. Aber Haru ließ ihm dazu keine Zeit, sondern zwang ihn immer wieder aufs Neue nach links auszuweichen, während er Susanoo um Susanoo in Richtung des Dämons schickte, sodass der Wald um sie herum bald nur noch als Bruchholz existierte. Schließlich hatte der menschliche Krieger seinen Gegner da, wo er ihn haben wollte: In die Ecke gedrängt, zwischen umgestürzten Bäumen. Ihm war klar, dass das den Dämon nicht beeindrucken, noch sonderlich lang aufhalten würde, aber auf diese Weise blieb ihm nur ein Ausweg, der nach oben. Und so schickte Haru ein letztes Mal Susanoo los, sorgte dafür, dass der Dämon in die Luft springen musste und gerade als dieser sich in die Luft erhoben hatte, äußerte Haru „Shirayuki“, während er die Schwertspitze auf einen Punkt in der Luft gerichtet hielt, an dem sich wenige Sekunden später der Dämon befinden würde. Wieder breitete sich fächerartig ein schlohweißes Leichentuch aus gleißender Energie aus, dieses Mal etwas über Kopfhöhe des Dämons, der erschrocken aufkeuchte, im letzten Moment seine Aufwärtsbewegung stoppte und wieder auf dem Boden ankam, wo er bereits von Haru erwartet wurde, der zu der Stelle gerannt war, an der der Dämon wieder zu Boden kommen würde. Dem Doppelgänger blieb gerade noch Zeit unwillig die Augen zu verengen und Tōkejin in dem Bestreben sich zu verteidigen zu heben, als ihm Haru auch schon Shiomari unterhalb des Brustpanzers in den Körper stieß und es anschließend mühelos aufwärts zog, als glitte es durch Reisschleim, sodass der Dämon im nächsten Moment vom Bauchnabel aufwärts in zwei Hälften auseinanderklappte, wie eine geschälte Frucht. Gleichzeitig mit dem Tod des Doppelgängers erlosch der Zauber Ōjidais und der Dämon verwandelte sich wieder in das, was er zu Beginn gewesen war: Ein tönernes Gefäß zur Aufbewahrung von Magie und Erinnerungen. Sowohl Yōki als auch Erinnerungen befreiten sich in einem wild strudelnden Wirbel aus dem Körper der Tonpuppe und begannen sich in der Luft zu einer aus unzähligen dünnen, um sich selbst rotierenden Fäden bestehenden Masse aufzutürmen, um schließlich, einer riesigen Meereswoge gleich, mit ungehinderter Wucht auf Haru nieder zu stürzen, als wollte sie diesen unter sich begraben. Stattdessen jedoch sog Harus Körper diese ungebändigte Masse an Yōki und Erinnerungen in sich auf, wie ein trockener Schwamm Wasser. Entgegen dem, was Haru beim Anblick dieser ungezügelten, starken Energie erwartet hatte, schmerzte es nicht, als diese auf ihn herabsauste und von seinem Körper aufgesogen wurde. Es war allerdings auch nicht angenehm, sondern es war einfach etwas, das geschehen musste, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Sobald Magie und Erinnerungen vollständig im Körper des Kriegers verschwunden waren, konnte Haru spüren, wie sich ein warmes Prickeln in seinem Körper ausbreitete, wie sich Macht und eine Vielzahl neuer und doch altvertrauter Möglichkeiten die Wege zu ihren angestammten Plätzen bahnten und ihm immer schneller werdend sein dämonisches Aussehen wiedergaben. Es erzeugte ein merkwürdiges Gefühl aus Kitzeln und Ziehen, als seine Krallen wieder wuchsen und seine Ohren ihre Spitze Form zurück erhielten. Ein kurzes Brennen bestätigte das Wiedererscheinen seiner Körperzeichnungen und als er an seinem Gesichtsfeld etwas Silbriges aufblitzen sah, fing er es ein und stellte fest, dass auch seine Haare wieder die ursprüngliche Farbe aufwiesen. Im nächsten Augenblick allerdings wäre er beinahe in die Knie gegangen und konnte sich nur leicht taumelnd auf den Beinen halten, während er sich mit einer Hand an die Stirn griff, als mit einem Schlag alle verlorenen Erinnerungen auf einmal zurückkehrten, inklusive derer, die die Tonpuppe in ihrer Zeit als Sesshōmaru gesammelt hatte. Es war eine Flut von Informationen, die in ihrer Unmenge und Heftigkeit für ein an menschliche Dimensionen gewöhntes Gehirn nur schwer zu verarbeiten waren. Aber so schnell und plötzlich die wiederkehrenden Erinnerungen Schmerzen verursachten, so schnell gewöhnte sich sein Gehirn wieder an das altbekannte dämonische Dasein, verging der Schmerz und wurde der erneute Besitz seiner Erinnerungen normal. Nur die Tatsache, dass er für die Zeit seines Menschseins von nun an über doppelte Erinnerungen verfügte, einmal über die Harus und einmal über die des Ersatz-Sesshōmarus, war irritierend. Zumal ihm einige der Erinnerungen seines Doppelgängers keineswegs zusagten. Es schien nicht nur, dass dieser sich unverfroren an seinem Besitz vergriffen hatte, um damit Unmengen von Schwertern zu erwerben, sondern dass er auf höchst beleidigende Weise versucht hatte, InuYasha zu töten. Sesshōmaru gestand sich nur widerwillig ein, dass er wohl oder übel in der Schuld seines Halbbruders stand. Ein Gedanke der ihm keineswegs behagte, auch wenn er dem Hanyō zugestehen musste, dass dieser sich anscheinend recht gut behauptet hatte. Unterdessen war der Kampf zwischen den übriggebliebenen Tonkriegern auf der einen und InuYasha, Jaken sowie Ah-Un auf der anderen Seite noch längst nicht zu Ende. Auf der Seite der Verteidiger machte mehr sich und mehr die Erschöpfung bemerkbar, während die Zahl der in einem Angriff zerstörten Tonkrieger merklich schrumpfte und zugleich die Zahl der Verletzungen auf Seiten InuYashas, Jakens und Ah-Uns immer mehr wurden. Zu sagen, dass es langsam brenzlig würde, wäre stark untertrieben gewesen. Jaken hoffte im Stillen, dass Sesshōmaru-sama seinen Gegner möglichst bald besiegen möge, um ihnen zu Hilfe zu kommen, während InuYasha ungeduldig darauf wartete, dass die Sonne aufging, damit er endlich wieder Tessaiga in seiner vollen Stärke benutzen konnte. Es sah bereits so aus, als würde InuYasha den Sonnenaufgang nicht mehr erleben, als der Hanyō plötzlich das vertraute Kribbeln in seinem Körper verspürte, das jedes Mal mit seiner Verwandlung einher ging und ihm so im allerletzten Moment zu verstehen gab, dass er wieder über seine normale Stärke verfügte. Diese Stärke demonstrierte er umgehend an den verbliebenen Tonkriegern, während er mit einem zufriedenen Grinsen beobachtete, wie jede der Puppen von der freigesetzten Energie der Windnarbe in Staub verwandelt wurde. Sobald auch die letzte der Puppen zerstört worden war, stützte InuYasha zufrieden Tessaiga an seiner Schulter ab, während er prüfend die Luft durch die Nase einsog, um heraus zu finden, ob er etwas über den Verbleib Harus in Erfahrung bringen konnte. Wie sich zeigte, erübrigte sich dieses Bemühen von selbst, denn genau in diesem Moment trat Sesshōmaru zwischen den Resten des Waldes hervor, noch immer in der Kleidung Harus, jedoch trug er nun wieder die Fellstola über der Schulter und neben Shiomari Tōkejin an seiner Hüfte. „So, du hast ihn also platt gemacht“, stellte InuYasha in neutralem Tonfall fest, während die Formulierung ein minimales Augenbrauenzucken bei seinem Bruder verursachte, er aber in ebenso gleichmütigem Ton bestätigte: „Wie du siehst.“ „Und, hast du jetzt gleich vor gegen mich anzutreten oder warten wir bis die Sache mit Ōjidai erledigt ist?“, nun klang InuYashas Stimme wieder herausfordernd und ein wenig großspurig. Sesshōmaru blickte seinen jüngeren Bruder einen Moment in gleichmütigem Schweigen an und erwiderte schließlich lediglich: „Seit in vier Tagen am Nikkō-Futarasan-Schrein.“ Er hatte diesen Satz kaum ausgesprochen, als er sich auch schon abwandte, seine Begleiter ohne weitere Erklärung zurücklassend und innerhalb eines Wimpernschlags in einem grellen Aufleuchten reinen Yōkis verschwand. Verblüfft hatten ihm Jaken und InuYasha nachgesehen und während Jaken von den Vorgängen noch etwas überrumpelt nur hilflos den Namen seines Herrn halb flüstern, halb stammeln konnte, knurrte InuYasha nur unmutig etwas über dämliche, eingebildete Halbbrüder vor sich hin, bevor er sich auf den Boden fallen ließ und die letzten Reste des Essens plünderte, das ihnen Ayako und Inochiyume mitgegeben hatten. Am Chūzenji-ko hatte die Nacht für Hinagiku und Inochiyume ohne weitere Aufregungen geendet. Als Inochiyume am Morgen für die Prinzessin Wasser holen gegangen war, war es Kaoru gelungen unbemerkt von Hinagiku kurz mit deren Dienerin zu sprechen und mit ihr die weitere Reiseroute zu klären. Ihr Weg führte die beiden Frauen zunächst um den See herum, bevor sie weiter nach Westen wandern konnten. Kaoru folgte ihnen, noch immer unbemerkt von der Prinzessin. Wenn sich eine Möglichkeit bot, überholte er sie unbemerkt, um den Weg zu prüfen und gelegentlich einen Hinweis für Inochiyume da lassend, welchen Weg zu nehmen ratsamer wäre. Er war gerade auf dem Rückweg von einem seiner Erkundungsritte, zu dem er aufgebrochen war, nachdem Hinagiku erklärt hatte, dass sie dringend eine Rast benötige, um sich von den vergangenen Strapazen zu erholen, als er zunächst die wütende Stimme Hinagikus hörte, die offenbar sehr energisch ihre Meinung zum Ausdruck brachte und gleich darauf das Geräusch von Metall, das auf Metall traf. Ernsthaft besorgt, dass den beiden Frauen etwas oder besser jemand zugestoßen war, trieb Kaoru sein Pferd an und kam kurz darauf zu dem kleinen Rastplatz, an dem sich nicht mehr nur Hinagiku und Inochiyume befanden, sondern auch sechs leicht verwahrlost aussehende Rōnin, die es augenscheinlich nicht nur auf etwas zu Essen abgesehen hatten, sondern auf so Einiges mehr. Es wirkte allerdings nicht, als wäre Hinagiku bereit ihnen irgendetwas zu überlassen, was ihr gehörte. Stattdessen hielt sie ein Schwert in der Hand, von dem Kaoru sich verblüfft fragte, wo sie es bisher versteckt haben mochte und bei dem er sich bei näherem Hinsehen beinahe sicher war, dass es sich um das zurückgelassene Katana Harus handelte. Das metallische Geräusch, das Kaoru zuvor gehört hatte, war offenbar die Folge eines Aufeinandertreffens des gusseisernen, kleinen Topfes, den Inochiyume für gewöhnlich zum Kochen von Reis oder Wasser verwendete, und dem metallbewehrten Speer eines der Rōnin gewesen. Anders war die Lage des Kessels nicht zu erklären, ebenso wenig wie die offensichtlich neue Scharte im vom Feuer geschwärzten Metall des Kessels. Kaoru konnte nur vermuten, warum Inochiyume es für nötig gehalten hatte ein Kochutensil durch die Gegend zu werfen, aber offenbar hatte sie auf diese Weise erfolgreich den Speerträger davon abgehalten, sich der Prinzessin zu nähern. Allerdings war diese Ablenkung nur von kurzer Dauer gewesen und es nicht nur einer, sondern sechs Krieger, die alle nicht den Eindruck erweckten, als würden sie Gnade walten lassen, wenn dies bedeutete, dass sie auf ihr Vergnügen verzichten müssten. Die sechs Männer hatten sich unterdessen aufgeteilt, jeweils drei näherten sich einer der beiden Frauen, untereinander feilschend, wer von ihnen zuerst an der Reihe wäre sein Vergnügen mit einer von ihnen zu haben. Kaoru wartete nicht darauf, dass sie zu einer Einigung kamen, sondern nahm den Bogen von seinem Rücken, zog einen Pfeil aus dem Köcher, legte an, zielte kurz und traf den ersten der Krieger, die sich der Prinzessin näherten, in den Hals. Ohne zu zögern oder sich zu versichern ob er tatsächlich getroffen hatte, legte Kaoru bereits den nächsten Pfeil an, kaum dass er den ersten abgeschossen hatte, wieder traf der Pfeil einen der Rōnin, während auch schon der dritte Pfeil von der Sehne schnellte, als die Rōnin endlich reagierten und sich diesem unerwarteten Angreifer zuwandten, sich mit vereinten Kräften und in blinder Wut auf ihn stürzend. Schnell ließ Kaoru den Bogen fallen, griff zu seinem Schwert und stieß gleichzeitig die Fersen in die Flanken seines Pferdes, sodass dieses mit einem heftigen Satz vorwärts sprang, mitten zwischen die heran rennenden Rōnin. Während nun ein heftiger Kampf zwischen Kaoru und den Rōnin entbrannte, lief Inochiyume die wenigen Schritte zu Hinagiku hinüber. Die Prinzessin hielt noch immer das Katana in der Hand, das sie in eine Decke gewickelt auf dem Rücken ihres Pferdes verstaut gehabt und nur in letzter Sekunde hatte hervorholen können, während sie auf einen der von einem Pfeil getroffenen und anscheinend tot am Boden liegenden Angreifer zuging. Neugierig starrte Hinagiku auf den Rōnin vor sich herab, ohne ihn jedoch zu berühren, da sie nicht mit etwas Unreinem in Berührung kommen wollte. Stattdessen verlangte sie von ihrer Dienerin, sobald diese neben ihr stand: „Sieh nach, ob er tot ist und sorg dafür, dass mein Haori verbrannt wird.“ Inochiyume wagte weder der Prinzessin zu widersprechen, zumal ihr dies ohnehin nichts gebracht hätte, noch anzumerken, dass der kostbare Haori wieder völlig in Ordnung wäre, wenn man ihn reinigen würde. Gehorsam beugte sie sich lediglich zögernd zu dem Rōnin hinunter und streckte vorsichtig die Hand aus, um zu prüfen, ob der Mann noch atmete oder am Hals die pulsende Bewegung von Blut zu spüren war. Doch das Mädchen konnte nichts anderes wahrnehmen als ihren eigenen sich plötzlich verdoppelnden Herzschlag, das Rauschen ihres Blutes in den Ohren und nervöses Kribbeln in Magen und Fingerspitzen, als würden ihr tausende von emsigen Ameisen über die Haut krabbeln. Nur eine Sekunde später zuckte die Dienerin erschrocken zurück, als der Todgeglaubte sich jäh aufsetzte und im nächsten Moment Inochiyume mit einem zufriedenen Grunzen als Schutzschild an sich presste, während er sich erhob. Im ersten Moment war Inochiyume zu überrascht von den Vorgängen gewesen, als dass sie hätte reagieren können, nun jedoch kam wieder Leben in sie und sie biss den Rōnin in den ungeschützten Unterarm, während sie ihm zugleich auf den Fuß trat und versuchte ihren Ellebogen in seinen Magen zu stoßen. Letzteres war wenig erfolgreich, da der Mann durch eine Lederpanzer geschützt war und auch der Fußtritt zeigte angesichts Inochiyumes bloßer Füße keine große Wirkung, allerdings handelte sie sich für den Biss in den Unterarm einen heftigen Schlag ins Gesicht ein. Während sich das Mädchen ungeachtet dessen versuchte weiter zur Wehr zu setzen, wandte sich der Rōnin an Hinagiku und erklärte mit einem schmutzigen Grinsen: „Eine richtige Wildkatze, deine Freundin, es wird sicher Spaß machen, sie zu zähmen. Jetzt gib mir deine Wertsachen, dann werde ich euch Beide vielleicht am Leben lassen.“ Hinagiku schnaubte undamenhaft vor Empörung, bevor sie dem Mann vor sich kategorisch erklärte: „Was du mit meiner Dienerin machst, ist deine Sache. Aber das, was mit gehört, werde ich auch behalten. Und wenn du mir auch nur ein Haar krümmst, wirst du es bereuen. Mein Verlobter wird dich töten.“ Der Rōnin lachte, „dein Verlobter, meine Schöne, scheint mir gerade viel zu beschäftigt, um sich mit mir zu befassen, aber wenn ihm so viel an dir liegt, dass er für dich töten würde, sollte ich dich wohl besser mitnehmen und ein hübsches Lösegeld für dich verlangen.“ „Was fällt dir ein, du ungehobelter Klotz!“, Hinagiku war nun ernstlich wütend, wie die Lautstärke ihrer Stimme verriet, „ich rede doch nicht von dem Kerl da drüben, mein Verlobter ist der Erbe von Kinai!“ Inochiyume hatte in ihrer Gegenwehr innegehalten und ungläubig ihre Herrin angestarrt, sie konnte einfach nicht glauben, dass diese so unbesonnen war eine derartige Information einfach einem Kerl ins Gesicht zu schreien, der damit drohte sie zu entführen. Der Rōnin lachte auch nur wenig beeindruckt und erwiderte lediglich: „Umso besser, dann kann ich die Summe ordentlich in die Höhe treiben.“ „Gar nichts wirst du“, erklärte Hinagiku energisch und hob das Katana, um anzugreifen. Sie hatte so häufig bei den Übungsstunden der Palastwache zugesehen, dass sie überzeugt war, mit dieser Waffe nun ebenfalls umgehen zu können. Mit einem überlegenen Grinsen und ohne sich zu bewegen sah der Rōnin zu, wie die Prinzessin mit zum Angriff erhobenem Schwert auf ihn zu kam, schließlich war sein Angreifer nur eine Frau und hatte er noch dazu einen lebenden Schutzschild vor sich, was sollte ihm da schon geschehen? Wie sich herausstellte, geschah ihm der Tod. Da er so völlig von den beiden Frauen in Anspruch genommen worden war, hatte er vollkommen vergessen an seinen ungeschützten Rücken zu denken. Dieser war genau in dem Moment, als Hinagiku ihr Schwert in ihren Gegner bohren wollte, dabei völlig außer Acht lassend, dass sie auch ihre Dienerin schwer verletzen würde, von Kaorus Katana getroffen worden. Der Mann brüllte schmerzerfüllt auf, ließ Inochiyume los, fuhr herum, um seinen zweiten Angreifer sehen zu können, während er gleichzeitig seine eigene Waffe zog und war gerade noch in der Lage ein überraschtes Gurgeln von sich zu geben, als ihm auch schon sauber der Kopf von den Schultern getrennt wurde. „Vergebt, Hime-sma, ich hätte das erste Mal besser zielen sollen“, erklärte Kaoru ruhig und stieg von seinem Pferd, nachdem er auch den letzten der Rōnin getötet hatte. Die beiden Frauen starrten unterdessen mit blassen Gesichtern auf die kopflose Leiche des Mannes vor ihnen, dessen Blut noch immer schwallweise durch die letzten Bewegungen des Herzens aus dem Körper gepumpt wurde. Im nächsten Moment hatten Hinagiku und Inochiyume es äußerst eilig zwischen einigen Büschen zu verschwinden, wo sie sich heftig übergeben mussten. Sobald die schlimmste Übelkeit vorbei war, wurden in stillem Einverständnis hastig die Sachen zusammengepackt und die Drei reisten schleunigst weiter, bemüht so viel Abstand zwischen sich und die Toten wie möglich zu bringen. Schließlich legten sie an einem schmalen Bachlauf erneut Rast ein. Sobald sich Hinagiku erfrischt und von ihrer ersten Begegnung mit einem Toten erholt hatte, thronte sie hoheitsvoll auf einem Felsbrocken, betrachtete Inochiyume und Kaoru, als wären sie widerwärtige, lästige Insekten und verlangte von Inochiyume eisig Rechenschaft darüber, warum Kaoru sich bei ihnen befand. Statt der Gefragten antwortete jedoch Kaoru mit ruhiger Höflichkeit, ohne allzu ergeben zu wirken, „wir waren ausschließlich um Eure Sicherheit besorgt, Hime-sama, deshalb schien es am vernünftigsten, wenn jemand von der Palastwache Euch begleiten würde.“ „Euch habe ich nicht gefragt, Fukutaishō“, kanzelte die Prinzessin ihren Leibwächter mit kalter Herablassung ab, bevor sie hinzufügte: „Ich bin sehr gut in der Lage, mich selbst zu verteidigen!“ Keiner der Anderen wagte darauf eine Miene zu verziehen, was angesichts der Tatsache, dass Hinagiku nie zuvor aus dem Schloss herausgekommen war und sich in einem Kampf hätte bewähren müssen, nicht gerade einfach war. Hinagiku nahm das Schweigen ihrer beiden Diener als Zustimmung zu ihrer Ansicht und so kehrte sich nach einem kurzen Moment des Schweigens zum eigentlichen Thema zurück, indem sie sich erkundigte: „Wer im Palast weiß alles von meiner Reise?“ „Niemand außer dem Heiler und Eurer Zofe, Hime-sama“, erwiderte Inochiyume und bekam darauf zu hören: „Ich soll dir glauben, dass du zu niemandem sonst ein Wort gesagt hast, nachdem ich den Beweis des Gegenteils vor mir stehen habe?“ Inochiyume biss sich auf die Lippen, um ihren Ärger zu unterdrücken und der Prinzessin keine Widerworte zu geben. Kaoru schien in dieser Hinsicht weniger Bedenken zu haben: „Ihr könnt Euch auf das Wort Inochiyumes verlassen, sie hat nur mir gegenüber von Eurer Absicht gesprochen, falls es sonst noch jemand im Palast erfahren hat, dann ist es sicher nicht ihre Schuld.“ Mit leicht verengten Augen betrachtete die Prinzessin den Mann vor sich: „Ist das so“, es klang nicht, als würde Hinagiku auch nur den kleinsten Zweifel daran hegen, dass Kaoru die Wahrheit zurechtbog. „Was ist mit Euch, Fukutaishō, wem habt ihr die Gründe Eurer Reise mitgeteilt?“ „Niemandem, Hime-sama, der Taishō vertraut mir genug, um mich ohne Angaben gehen zu lassen. Es gefällt mich jedoch nicht, dass ich gezwungen war, auf diese Weise vorzugehen.“ Bei diesen Worten, die schon einen unverhüllten Tadel an die Prinzessin darstellten, hielt Inochiyume die Luft an und wartete nervös auf Hinagikus Reaktion. Kaoru war jedoch noch nicht fertig, sondern fügte seinen Worten noch den Rat hinzu: „Lasst uns umkehren, Hime, bevor jemand Eure Abwesenheit bemerkt und nicht wieder gut zu machender Schaden entsteht.“ „Du wagst es mich zu kritisieren und mir dann auch noch Ratschläge erteilen zu wollen?!“, Hinagikus Augen sprühten vor Wut, während sie sich ruckartig erhob und einige Schritte ging, um etwas Abstand zu ihren Begleitern zu erhalten und sich zugleich bemühte ihre Beherrschung nicht vollkommen zu verlieren. Dann wandte sie sich abrupt wieder zu ihnen um und befahl mit herrischer Stimme: „Wir reisen weiter. Ihr, Fukutaishō, werdet uns begleiten. Sobald wir in das Schloss meines Vaters zurückgekehrt sein werden, werdet ihr für eure Dreistigkeit bestraft.“ Schweigend hatten Inochiyume und Kaoru die Worte Hinagikus zur Kenntnis genommen, jeder für sich einen kurzen Augenblick versucht, diese verwöhnte Person einfach sich selbst zu überlassen, dann jedoch siegte die von Kindesbeinen an eingebläute Gehorsamspflicht und sie setzten doch zusammen mit der Prinzessin die Reise fort. P.S. Sowohl der Chūzenji-ko als auch der Nikkō-Futarasan-Schrein sind keine Erfindungen von mir, sondern existieren tatsächlich. Sie befinden sich in der heutigen Präfektur Tochigi und gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Kinai ist übrigens eine alte Bezeichnung für die Kansai-Region, was übersetzt nichts anderes bedeutet als "westlich der Grenze" (Kansai) bzw. "Hauptstadtinneres" (Kinai). Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)