Shiomari von abgemeldet (Waffen, Brüder und andere Probleme) ================================================================================ Kapitel 4: Angebot und Nachfrage -------------------------------- Es vergingen weitere zwei Tage, in denen Sesshōmaru tagsüber mit Tomoki trainierte und abends zur Hütte zurückkehrte, während sich Rin und Jaken den Tag über selbst beschäftigten oder Gesellschaft von Mitsuki erhielten. Am Abend des dritten Tages befanden sich wider Erwarten nicht nur Rin und Jaken in der Hütte, als Sesshōmaru sie betrat, sondern auch Mitsuki und Tomoki saßen wartend im Raum. Sobald der Yōkai sich niedergelassen hatte, begann Tomoki zu sprechen: „Es hat keinen Sinn das Training fortzusetzen, du wirst mit nur einem Arm nie in der Lage sein Shiomari richtig zu führen.“ Ausdruckslos hörte der Dämon den Ausführungen zu und wollte gerade widersprechen, als Tomoki beschwichtigend eine Hand hob und fortfuhr: „Wir haben deshalb entschieden dir einen zweiten Arm zu beschaffen.“ Angesichts dieses scheinbar großzügigen Angebots klatschte Rin begeistert in die Hände, während Jaken verblüfft versuchte zu erfahren, wie das denn gehen sollte. Nur der eigentliche Adressat dieser Mitteilung schwieg zunächst stoisch und erkundigte sich schließlich: „Was verlangt ihr dafür?“ Belustigt blitzte es in den Augen Tomokis auf, während er erwiderte: „Nichts.“ An der Sache stimmte etwas nicht, niemand würde so ein Angebot machen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Bevor Sesshōmaru dazu kam, eine Entscheidung zu treffen, kniete Mitsuki neben ihm und forderte ihn auf, ihr seinen Armstumpf zu zeigen. Ungehalten starrte er die Frau vor ihm an, konnte jedoch nichts wahrnehmen, das auf Sensationsgier oder Freude an seiner Versehrtheit schließen ließ. Widerwillig schob er schließlich den Ärmel seiner Uwagi soweit zurück, dass Mitsuki einen Blick auf den verbliebenen Ansatz seines linken Oberarms werfen konnte. Sobald Mitsuki mit einem Nicken zu verstehen gegeben hatte, sie habe genug gesehen, ließ er den Ärmel wieder fallen. Ruhig sah Mistuki ihn an, „bevor du dich entscheidest solltest du noch drei Dinge wissen. Es wird einen Monat dauern, den Arm herzustellen. Ich werde Tenseiga benötigen, um dir den Arm anzupassen und der Schmerz, den es verursachen wird, wird den übersteigen, als du deinen Arm verloren hast. – Du wirst für eine Weile den Verstand verlieren.“ Mitsuki klang nicht, als wären die letzte Worte nur eine Möglichkeit, sondern bereits feststehende Tatsache. Mit leicht verengten Augen betrachtete der Dämon die Frau vor sich, bevor er lediglich ruhig erwiderte: „Tenseiga wird dir nichts nützen, es gehorcht nur mir.“ „Mach dir darüber keine Gedanken, es wird sicher tun, worum ich es bitte.“ Noch immer war der intensive Blick Sesshōmarus auf Mitsuki gerichtet, während er über die ganze Sache nachdachte, schließlich zu einer Entscheidung gelangte und erklärte: „Ich bin einverstanden.“ Daraufhin erhob sich Tomoki, streckte sich und äußerte: „Gut, dann steht es dir frei zu gehen oder zu bleiben. Heute in vier Wochen wird der Arm fertig sein. Bist du da, gut; bist du es nicht, wird es uns auch nicht stören.“ Damit drehte er sich um und verließ die Hütte für die Nacht. Auch Mitsuki wollte gerade gehen, als sie von Sesshōmaru mit dem Befehl aufgehalten wurde, ihm von den Fähigkeiten Shiomaris zu berichten. Für einen kurzen Moment zögerte Mitsuki, ließ sich dann jedoch widerspruchslos dem Herrn der westlichen Länder gegenüber nieder und begann zu erklären. „Grundlegend hat Shiomari zwei Fähigkeiten: zu töten und zu schützen. Jurojin hat in der Regel drei Formen dieser Fähigkeiten verwendet, wenn er nicht den reinen Schwertkampf vorgezogen hat. Zum einen ‚Shirayuki’, ungezielt eingesetzt, löscht es alles Leben im Umkreis von zwei se aus, je stärker der Eigentümer Shiomaris ist und je besser in der Lage sich selbst und das Schwert zu kontrollieren, umso gezielter kann Shirayuki eingesetzt werden – oder auch seinen Radius erweitern. Eine andere Form des Angriffs ist ‚Susanoo’, er tötet nicht zwangsläufig, fügt jedoch schwere Verletzungen zu. Im Gegensatz dazu dient ‚Tsukiyomi’ in erster Linie als Verteidigung, indem es gegnerische Angriffe einschließt und auflöst.“ Nachdem Mitsuki geendet hatte, herrschte für einen Moment Schweigen, bevor Sesshōmaru fragte: „Wer hat den Bannkreis um die Lichtungen errichtet?“ „Ich“, erwiderte Mitsuki lediglich, ohne zu erklären, warum sie es für nötig gehalten hatte. Da der Hundedämon keine weiteren Fragen zu haben schien, erhob sich Mitsuki schließlich und verließ nun ebenfalls die Hütte, einen äußerst nachdenklichen Yōkai zurücklassend. Am nächsten Morgen fand sich Sesshōmaru erneut auf der zum Trainingsgrund erklärten Lichtung ein. Er hatte nicht vor den Monat ungenutzt verstreichen zu lassen, ebenso wenig wie er beabsichtigte ein weiteres Mal hinter einem Halbdämon zurückzustehen, wenn es um den Besitz eines Schwertes ging. Wenn es Jurojin gelungen war Shiomari zu beherrschen, sollte das ihm, als vollwertigem Dämon, erst recht gelingen. Hinzu kam, dass er weder Mitsuki noch Tomoki vertraute und wenn sie dumm genug waren, ihm die Möglichkeit zu geben stärker zu werden, dann würde er diese auch nutzen. Auf dem Weg zur Lichtung hatte er geprüft, ob der Bannkreis noch immer existierte. Dieser war an dem Tag entstanden, als er Shiomari zum ersten Mal aus dem Stein gezogen hatte. Es war ohne Zweifel ein hervorragende Arbeit, dazu gemacht alles was sich außerhalb befand fernzuhalten, ohne das, was sich in ihm befand am Verlassen zu hindern, das Einzige, was Sesshōmaru zu Beginn irritiert hatte, war das eingearbeitete Aurensiegel gewesen. Es hatte jedoch nicht lang gedauert bis er begriffen hatte, dass dieses Siegel ebenfalls existierte, um nicht die Aufmerksamkeit Außenstehender zu erregen. Tomoki erwartete ihn bereits auf der Lichtung. Nach dem winzigen Lächeln gemischt aus Anerkennung und Spott zu urteilen, schien er nie auch nur einen Moment daran gezweifelt zu haben, dass der Dämon trotz des Angebots, das ihm gemacht worden war, weiterhin aus eigener Kraft versuchen würde an Shiomari zu gelangen. Dennoch war er über das außerordentliche Selbstbewusstsein des Yōkais mehr als nur ein wenig amüsiert. Was Sesshōmaru nicht wusste, vielleicht jedoch ahnte, war die Tatsache, dass das Angebot eines neuen Armes durchaus nicht nur reine Gefälligkeit, sondern in erster Linie eine Prüfung war. Hätte er das Angebot angenommen ohne zu versuchen aus eigener Kraft, ohne magische Hilfe in den Besitz Shiomaris zu gelangen, wäre er trotz eines zweiten Armes niemals in der Lage gewesen das Tsurugi zufriedenstellend führen zu können. In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Abläufe der ersten drei Tage Routine, deren gleich bleibende Monotonie durch nichts unterbrochen wurde. Zwei Tage bevor die von Mitsuki gesetzte Frist ablief, errichtete die dunkelhaarige Frau etwas abseits von der Hütte einen einfachen Bretterverschlag und begann ihn anschließend mit einem komplizierten Muster aus uralten Schriftzeichen zu versehen. Diese Zeichen erinnerten entfernt an Kanji, ergaben aber bei dem Versuch sie als solche zu lesen keinerlei Sinn, sondern hinterließen lediglich das Gefühl sich die Zunge verknotet zu haben. Am Abend des letzten Tages, bevor der Monat abgelaufen war, waren diese Vorbereitungen abgeschlossen. Wie üblich waren Tomoki und Mitsuki für die Nacht verschwunden, dieses Mal jedoch hatte Mitsuki Sesshōmaru zuvor eine Schale mit sechs Fusoji gereicht, während sie erklärte: „Bevor die Nacht vorbei ist, musst du diese Früchte gegessen haben.“ Ohne die Schüssel anzurühren hatte Sesshōmaru auf die pflaumengroßen, matschgrünen Fusoji gestarrt und alle Selbstbeherrschung gebraucht, um nicht angesichts des starken Verwesungsgeruchs der von diesen Früchten ausging ohnmächtig zu werden oder sich zu übergeben. Selbst für jemanden wie Rin oder Jaken, mit ihrem im Vergleich zu dem des Hundeyōkais völlig unterentwickelten Geruchssinn, war der Gestank nur schwer erträglich und Übelkeit erregend. Zu verlangen diese obstgewordene Widerwärtigkeit zu essen, war keine Zumutung mehr, es war ein glatter Selbstmordversuch. Ohne auf die sich bereits versteifenden Klauen zu achten, hatte Mitsuki angesichts der Weigerung des Dämons, die Schale mit den Früchten auch nur zu berühren, geäußert: „Wenn du sie nicht isst, wirst du den morgigen Tag nicht überleben“, und fügte nach einer kurzen Pause, um ihre Worte besser wirken zu lassen, hinzu: „Wenn du es dir anders überlegt hast, steht es dir noch immer frei zu gehen.“ Anschließend hatte sie sich abgewandt, die Schale Rin übergeben und die Hütte verlassen. Sobald Mitsuki verschwunden war, tat Jaken das einzig Vernünftige, riss Rin die Schale aus den Händen und schaffte diese nach draußen. Es mochte vielleicht für Sesshōmaru keine große Erleichterung darstellen, aber zumindest Rin und er konnten nun in der Hütte wieder einigermaßen normal atmen, ohne den beständigen, Übelkeit erregenden Geruch von Tod und Verwesung einzuatmen. Auch Sesshōmaru hatte die Hütte verlassen, allerdings ohne die Absicht so schnell wie Jaken zurückzukehren. Der Yōkai hatte nicht vor, seine einmal getroffene Entscheidung zu ändern oder rückgängig zu machen. Aber bevor er tatsächlich die Fusoji essen würde, brauchte er dringend Luft, die nicht versuchte mit jedem Atemzug sein Bewusstsein außer Kraft zu setzen und mit jeder Sekunde noch widerwärtiger zu werden schien. Als er sich schließlich weitestgehend von diesem ersten Angriff auf seinen Geruchssinn erholt hatte, kehrte er zu der Hütte zurück und starrte auf den Inhalt der kleinen Schale, die Jaken am Rand der Lichtung auf einen Stein gestellt hatte. Die Früchte waren klein genug, dass zwei auf einmal im Mund Platz haben würden, was die Dauer dieser widerlichen Prozedur doch wenigstens abkürzen würde. Entschlossen griff der Yōkai schließlich nach zwei der Fusoji und steckte sie sich in den Mund, dabei möglichst lang die Luft anhaltend, um nicht mehr als nötig von dem Geruch einatmen zu müssen. Falls er gehofft hatte, dass der Geschmack der Früchte besser als ihr Geruch wäre, hatte er sich geirrt. Sie schmeckten mindestens genauso widerlich wie sie rochen, nichts desto trotz aß er die sechs Früchte zur Gänze, im Nachhinein verwundert, dass er sich nach dem Verzehr nicht übergeben musste und sich auch in sonst keiner Weise unwohler als zuvor fühlte. Hinzu kam, dass der Geschmack der Fusoji zwar widerlich war, jedoch keinerlei Spur zurückließ, sobald er sie hinuntergeschluckt hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)