Shiomari von abgemeldet (Waffen, Brüder und andere Probleme) ================================================================================ Kapitel 1: Ein Märchen aus alter Zeit ------------------------------------- Rin hatte Hunger. Und da Sesshōmaru-sama gesagt hatte, wenn sie Hunger habe, müsse sie sich selbst Etwas zu essen suchen, war sie nun dabei genau das zu tun. Auf ihrer Suche gelangte sie schließlich an das Ufer eines schmalen Flusses, in dem eine junge Frau mit geschürztem Yukata stand und vollkommen reglos, konzentriert auf die Wasseroberfläche starrte. Plötzlich bückte sich die Frau blitzschnell und griff nach etwas im Wasser. Im nächsten Moment hielt sie einen zappelnden Fisch in der Hand, den sie mit einem gezielten Schlag auf das Genick tötete. Als sie anschließend zum Ufer zurückkehrte, entdeckte die Frau das kleine Mädchen und lächelte ihr freundlich zu. „Hast du Hunger?“, erkundigte sich die Fremde, als sie am Ufer angekommen war, worauf Rin nickte. „Wenn du willst, teilen wir uns den Fisch“, schlug die Frau daraufhin vor, während sie ihren Yukata richtete. „Aber Sesshōmaru-sama und Jaken-sama warten doch auf mich“, erklärte Rin und warf einen bedauernden Blick auf den Fisch. Die Frau neigte den Kopf leicht zur Seite, maß das Mädchen vor sich mit einem prüfenden Blick und erkundigte sich: „Sind sie weit von hier entfernt?“ Rin schüttelte den Kopf. „Hol sie her, wir können zusammen essen.“ Skeptisch sah Rin auf den Fisch, „Ich glaube nicht, dass der für alle reicht.“ Die Frau lächelte, „lass das meine Sorge sein. Nun lauf.“ Mit einem dankbaren Lächeln und einem weiteren Nicken tat Rin wie ihr geheißen und lief eiligst zu ihren Begleitern zurück. „Rin, wo hast du wieder gesteckt? Was fällt dir ein, einfach zu verschwinden und Sesshōmaru-sama und mich warten zu lassen?!“, zeterte Jaken, als Rin bei ihnen angekommen war. Wie gewohnt achtete das Mädchen nicht auf das Geschimpfe des Kappa, sondern wandte sich direkt an den Hundedämon: „Sesshōmaru-sama, am Fluss ist eine Frau, die uns eingeladen hat, mit ihr zu essen. Können wir zu ihr gehen, bitte?“ Während sie sprach hatte Rin mit der Hand in die entsprechende Richtung gewiesen und einen flehenden Gesichtsausdruck aufgesetzt. Wie üblich antwortete anstelle des Yōkai sein selbsternannter Adjutant. „Rin, du weißt genau, dass Sesshōmaru-sama Menschen nicht leiden kann, wie kannst du es wagen ihm den Vorschlag zu machen, mit einer zusammen zu essen.“ Bereits zu Beginn von Jakens Tirade hatte Sesshōmaru sich mit stoischem Gesichtsausruck in Bewegung gesetzt, nachdem er Rin einen Moment schweigend betrachtet hatte. Er schlug genau die Richtung ein, in die das Mädchen zuvor gewiesen hatte, was Jaken wieder einmal die Sprache verschlug und Rin ein freudestrahlendes „Danke, Sesshōmaru-sama“ entlockte. Jaken trottete den Beiden mit Ah-Un im Schlepptau hinterher, – manchmal hatte er das Gefühl Sesshōmaru-sama hatte Spaß daran das Gegenteil von dem zu tun, was er, Jaken, behauptete. Je näher sie der von Rin angegebenen Stelle kamen, umso stärker wurde der Geruch nach gebratenem Fisch und umso besser wurde Jakens Laune. Sesshōmaru-sama hatte mit seiner Entscheidung wie immer Recht gehabt, es roch einfach unglaublich gut, wenn man bedachte, dass sich die kleine Truppe im Allgemeinen nur von Wurzeln, Pilzen, Blättern und Wassermelonen ernährte. Als sie schließlich den Ursprungsort des Duftes erreichten, kniete die Frau vor einem Feuer über dem an vier Stöcken Fische brieten, während die Unbekannte in einem kleinen, gusseisernen Topf rührte. Mit einem Lächeln sah sie schließlich auf und neigte grüßend den Kopf, bevor sie die Neuankömmlinge bat, sich zu setzen. Während Rin mit freundlicher Dankbarkeit und Jaken mit dem Habitus dessen, der eine Gunst erweist, dieser Aufforderung nachkamen, blieb Sesshōmaru schweigend und unbeeindruckt etwas abseits stehen und beobachtete, wie die Frau je einen Klumpen Reis und einen Fisch auf große Staudenblätter legte und diese an die anderen Beiden weiterreichte, die sich mit Heißhunger und spitzen Fingern, um sich nicht zu verbrennen, über das Essen her machten. Ohne sich von der abweisenden Art des Hundeyōkais abschrecken zu lassen, legte die Frau auf einen der verstreut herumliegenden Felssteine ein Staudenblatt auf dem sich Fisch und Reis für diesen befanden und wandte sich anschließend ihrem eigenen Essen zu. Misstrausich beobachtete Sesshōmaru die Vorgänge, ohne sich etwas von seiner Skepsis gegenüber der Unbekannten anmerken zu lassen. Diese Frau war merkwürdig. Sie roch weder menschlich noch dämonisch, allenfalls war ein leichter Geruch von Lotusöl, Reispapier und Metall wahrzunehmen. Das lose am Kopf aufgesteckte Haar war tiefschwarz und schien jegliches Licht zu schlucken. Die Augen wiesen ein so dunkles Blau auf, dass es schwierig war zwischen Pupille und Iris zu unterscheiden, ihre Haut besaß einen matten Braunton. Ihre Statur war schlank und sehnig, die Bewegungen zeugten von Ruhe und Selbstvertrauen. Sie hatte mit keiner Wimper gezuckt, als sie Jaken und ihn gesehen hatte. Eine unnatürliche Reaktion sowohl für Menschen, die für gewöhnlich schreiend davon liefen, als auch Dämonen, die entweder kämpfen wollten oder angemessen ehrfürchtig zur Seite wichen. Sesshōmaru traute grundsätzlich niemandem außer sich selbst, bei dieser Frau würde er doppelt auf der Hut sein, bis er wusste, was es mit ihr auf sich hatte. Während der Hundedämon in stoischem Schweigen verharrte, sich weder von der Stelle rührte noch von dem angebotenen Essen etwas zu sich nahm, hatte Rin begonnen die Frau auszufragen. „Wie heißt du eigentlich, Onee-san?“ Ein Lächeln glitt über das Gesicht der Gefragten, während sie erwiderte: „Denk dir einen Namen aus, ich werde auf ihn hören.“ Mit großen Augen sah Rin zu der Fremden auf, nickte dann und erwiderte nach kurzem Nachdenken: „Was hältst du von Mitsuki?“ Wieder lächelte die Frau und nickte. „Reist du ganz allein?“, erkundigte Rin sich als nächstes neugierig und erklärte auf die Bestätigung dieser Frage hin besorgt, dass das doch sehr gefährlich sei. Mitsuki jedoch wehrte ruhig ab, dass sie schon zurecht käme, während Jaken Rin zu zischte, dass sie die Frau überhaupt nichts anginge und sie sich auch keine Sorgen um sie machen bräuchten. Rin ließ sich davon jedoch nicht abschrecken und fuhr mit ihrer Befragung fort: „Hast du es noch weit bis zu deinem Ziel?“ „Nein, ich bin in zwei Tagen zu Hause“, erwiderte Mitsuki und nahm damit die Antwort auf Rins nächste Frage gleich vorweg. „Sesshōmaru-sama, da Ihr keinen Hunger zu haben scheint, erkläre ich mich bereit, Eure Portion zu verspeisen. Es wäre doch ein Jammer, wenn es verderben würde“, warf in diesem Moment Jaken ein und schnappte sich das nach wie vor unbeachtete Essen, um es in sich hinein zu stopfen. Inzwischen war es dunkel und merklich kühler geworden, trotz des Feuers fröstelte Rin, und zog die Beine näher an ihren Körper, um sich zu wärmen. Im nächsten Augenblick wurde ihr von Mitsuki ein graublauer, kurzer Yukata mit den Worten entgegengehalten: „Zieh das an, Rin, er wird dich wärmen.“ Erstaunt bedankte sich Rin zunächst und zog den Yukata über, während sie sich erkundigte: „Woher weißt du, wie ich heiße?“ „Jaken hat dich vorhin so angesprochen.“ „Und woher kennst du Jaken-samas Namen?“ „Wer kennt nicht den ehemaligen König der Kappa,…“ – an dieser Stelle schwoll Jakens Brust vor Stolz angesichts seiner Berühmtheit – „…der sein Volk schmählich dem Untergang überließ?“, antwortete Mitsuki und Jaken sackte enttäuscht wieder in sich zusammen, soviel zu seiner Berühmtheit. „Möchtest du eine Geschichte hören, Rin?“, fuhr Mitsuki unterdessen mit der Unterhaltung fort und begann auf Rins begeistertes Nicken hin von der Legende des Schwertes Shiomari zu erzählen. „Zu einer Zeit, als Götter und Menschen noch gemeinsam die Erde bewohnten, lebte auch ein kluger und in den Zauberkünsten bewanderter Schmied, namens Amatsu. Dieser hatte nur einen Sohn, Atami mit Namen, seine Frau war vor langer Zeit gestorben. Amatsu liebte seinen Sohn über alles und verwöhnte ihn maßlos, er war blind gegenüber Atamis Fehlern und schönte die wenigen guten Seiten. Zu Atamis 18. Geburtstag schenkte er ihm ein Tsurugi, damit Atami ein ehrenvoller, mächtiger Krieger werden konnte, der für Gerechtigkeit und Frieden eintrat. Doch Atami gebrauchte dieses Geschenk schlecht und machte sich einen Spaß daraus seine Mitmenschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Auf die inständigen Bitten des Vaters reagierte er nur mit Hohn und Abfälligkeiten. Eines Tages war Atami in der Nähe der Schmiede auf eine Gruppe Reisender gestoßen und da er sich langweilte, hatte er begonnen einen nach dem anderen zu töten. Als sein Vater, von den Schreien der Reisenden herbeigelockt, sah was sein Sohn tat, stellte er sich ihm in den Weg, um zu verhindern, dass er weiter mordete. Doch Atami hatte Geschmack daran gefunden ohne Grund zu töten, dass sich sein Vater ihm nun in den Weg stellte, war mehr als ausreichend für den Undankbaren, Shiomari an seinem Schmied zu erproben. Sterbend erkannte Amatsu wie sehr er sich in seinem Sohn geirrt und wie groß seine eigene Schuld an dem schlechten Charakter seines Sohnes war. Ihm blieb nur noch eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass Atami das Schwert weiter nutzen konnte. Er legte die Hände um den Griff des Schwertes, das in seinem Bauch steckte, und versah es mit dem mächtigsten Bannspruch, den er beherrschte. Kurz darauf starb er. Als Atami Shiomari aus dem Leichnam seines Vaters ziehen wollte, geschah etwas, das selbst die, die es mit eigenen Augen sahen, nicht glaubten: Es gelang Atami nicht das Schwert auch nur einen bu zu bewegen, stattdessen begann er immer schneller zu altern. Mit Mühe nur löste er die Finger schließlich von dem Schwertgriff, starrte fassungslos auf seine zitternden, verrunzelten und mit Altersflecken übersäten Hände und lief schließlich schreiend davon. Die übrig gebliebenen Reisenden machten sich später daran den Körper des toten Schmieds mit Steinen zu bedecken, sie schichteten diese so hoch, bis selbst das Schwert vollkommen verschwunden war. Viele Jahre zogen ins Land, auf Winter folgte Frühling, auf Sommer Herbst, Menschen wurden geboren, wurden alt und starben, die Götter zogen sich von der Erde zurück und das Grab Amatsus geriet in Vergessenheit, verwitterte und war den Naturgewalten ausgesetzt. Eines Tages wanderte der junge Hanyō Jurojin durch einen Wald und gelangte zu einem Haufen bewachsener und in sich verkanteter Felsbrocken, ein Erdbeben schien einige der obersten Steine gelöst zu haben. Als auf das so entstandene Loch ein Sonnenstrahl fiel, entdeckte Jurojin den Griff eines alten Schwertes. Er legte die Hand darum und versuchte es heraus zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Also begann er das Loch zu vergrößern, um besser an das Schwert heranzukommen. Schließlich schaffte er es, das Schwert heraus zu ziehen und betrachtete es nachdenklich, es war angelaufen und stumpf, aber ansonsten noch gut zu gebrauchen. Er beschloss es zu behalten und damit zu trainieren. Jurojin war ein einsamer kleiner Junge, von den Einen gefürchtet, von den Anderen verachtet, von Allen gemieden. Seine Mutter war gestorben als er sechs war, eine grausame Laune des Schicksals hatte ihn am Leben erhalten, nun war er elf und wusste nicht, warum er eigentlich lebte. Da Jurojin niemanden zum Reden hatte, begann er mit dem Schwert, seinem wertvollsten Besitz, zu sprechen, wenn er es reinigte und pflegte. Eines Nachts lag er nach einem Tag anstrengenden Trainings auf einer Lichtung und starrte hinauf zu den Sternen, als sich eine Sternschnuppe löste und über den Himmel glitt. Flüsternd teilte der Junge dem fallenden Stern seinen Wunsch mit und schloss dann die Augen, um zu schlafen. Als er am nächsten Morgen erwachte, hatte das Schwert Gestalt angenommen und Jurojin war nicht mehr allein. Es vergingen Jahrhunderte, in denen Jurojin und Shiomari viele Kämpfe bestanden, Freunde gewannen und verloren, sich Feinde schufen und besiegten und Jurojin große Macht erlangte. Doch irgendwann war Jurojin der Kämpfe und des Lebens müde und er beschloss dafür Sorge zu tragen, dass Shiomari nicht in die falschen Hände geriet. So ging er eines Morgens in den Wald von Sameji und trieb Shiomari bis zum Heft in einen Felsen. Nur wer sich des Schwertes würdig erwies, würde es heraus ziehen können. Jurojin starb bald darauf durch den Pfeil eines Feindes und Shiomari verblieb in dem Felsen, auf einen Krieger wartend, der es heraus ziehen konnte. Es kamen Krieger, Menschen wie Obake. Einigen gelang es, das Schwert aus dem Stein zu ziehen, Anderen nicht. Aber keinem gelang es Shiomari zu beherrschen, keiner war in der Lage es sich dienstbar zu machen und es gegen seine Feinde zu führen. Seitdem ist eine lange Zeit vergangen - und Shiomari wartet noch immer.“ Leise war die Stimme Mistukis verklungen, während Rin in den Yukata gekuschelt und an Ah-Un gelehnt eingeschlafen war. Auch Jaken war beinahe eingeschlafen, nuschelte aber noch leise: „Sameji? Ist das nicht hier in der Gegend?“, bevor er zu schnarchen anfing. Mitsuki lächelte wissend vor sich hin und schwieg. Stille senkte sich auf die kleine Versammlung herab, nur hin und wieder durch ein Seufzen Rins, ein Schmatzen Jakens, ein leises Schnauben Ah-Uns und das Knacken eines verkohlten Zweiges in der Glut unterbrochen. Während der Erzählung hatte sich Sesshōmaru ebenfalls bei der kleinen Gruppe niedergelassen und sah nun nachdenklich schweigend, wie so oft, hoch in den Sternenhimmel, als erwarte er dort Antworten auf seine ungestellten Fragen zu finden. Ein leises Rascheln aus Mitsukis Richtung, ließ ihn den Kopf wenden und er sah, wie die junge Frau aus einer der Ärmelfalten ihres Yukata eine schmale, kleine Flöte hervor holte. Durch ihre Bewegungen klaffte der Ausschnitt des Kleidungsstücks etwas weiter auseinander, sodass die Haut oberhalb ihres Brustansatzes zu sehen war. Der Schein des beinahe vollkommen heruntergebrannten Feuers fing sich im Metall einer filigranen Goldschmiedearbeit, in deren Mitte ein dunkler Schmuckstein prangte. Es wirkte fast, als wäre dieser kunstvolle Anhänger in ihre Haut eingelassen, so fließend waren der Übergang zwischen Haut und Metall. Unterdessen hatte Mistuki die Flöte an den Mund gehoben und zu spielen begonnen. Leise und sanft. Beruhigend, einschläfernd. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)