Was sind wir? von Vauvenal (VladXDanny) ================================================================================ Kapitel 1 - Ängste ------------------ Blut lief den Arm des Jungen hinab und tropfte auf den Boden. Rotes Blut. Rot. Wie das Blut der Menschen. Melancholisch starrte Danny auf den tiefen, kurzen Schnitt in seinem Unterarm. Ein ironisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als ihm auffiel, dass er doch Geist UND Mensch zugleich war. Heute hatte er zum ersten Mal den Drang verspürt, sich Schmerzen zuzufügen. Er sog das Gefühl in sich auf, das Gefühl zu leben, das Gefühl, dass ihm, dem Halbgeist, seit ein paar Jahren verwehrt gewesen war. Nur in den harten, manchmal fast tödlichen Kämpfen gegen seine Widersacher, wenn er sich verletzte, Blut spuckte oder sich den Arm verstauchte, nur dann, wenn der Schmerz seinen Körper durchraste, fühlte er, dass er lebte. Er ließ sich in die weißen Bettlaken fallen, der blutende Arm hing über der Kante und versaute weiterhin den Boden. Doch Danny war das egal. Er schloss die Augen und sog den süßen Schmerz in sich auf, der Schmerz, der ihm sagte, dass er nicht ganz tot war. Irgendwann übermannte ihn der Schlaf und er döste ein. Als Danny die Augen öffnete, blickte er in die besorgten Gesichter von Sam, Tucker und seinen Eltern. Er blinzelte, es fiel ihm schwer die Augen offen zu halten. Als seine Wahrnehmung halbwegs wiederhergestellt war, stellte er fest, dass er sich nicht mehr in seinem eigenen Bett befand, sondern in einem anderen, das härter war und nach Desinfektionsmittel stank. „Wo.. bin ich?“, murmelte er. Seine Mutter legte ihm eine Hand auf die Brust. „Im Krankenhaus, mein Schatz. Als wir in dein Zimmer kamen, lagst du blutend und bewusstlos auf dem Bett und dein Taschenmesser lag auf dem Nachttisch. Was hast du bloß gemacht, Liebling…?“ Tränen traten in ihre Augen, sie schluchzte und nahm Danny vorsichtig in die Arme. Auch Jack schaute besorgt auf seinen Sohn hinab, wusste nicht genau, was er sagen sollte. Sam streichelte Dannys Hand und flüsterte, mehr zu sich selbst: „Was ist nur los mit dir… du warst doch sonst nie so…“ Tucker holte den Arzt herbei, der sogleich ans Bett trat. „Tja, Daniel. Da hast du gerade noch einmal Glück gehabt. Deine Situation war äußerst kritisch. Aber wie es aussieht, wirst du in drei Tagen wieder nach Hause können. Es ist fast schon ein Wunder, wie schnell du aufgewacht bist, fast, als hättest du magische Kräfte.“ Danny seufzte kaum hörbar und verkniff sich ein sarkastisches Lachen. Genau das war sein Problem, diese andere Hälfte, die ihn zu einem anderen Wesen machte, die ihn nicht ganz tötete, aber auch nicht ganz am Leben erhielt. Sein wahres Ich waberte irgendwo zwischen Leben und Tod herum und konnte sich nicht für einen Weg entscheiden. Eigentlich hatte er ja auch gar keine Möglichkeit, sich zu entscheiden. Sein anderes Ich war längst Teil seiner Persönlichkeit geworden, daran konnten auch Zeitreisen von Clockwork oder der GhostCatcher seines Vaters nichts ändern. Er war zu einem ewigen Leben… nein, Dasein zwischen Leben und Tod verdammt. Seine Geisterhälfte ließ ihn nicht sterben, aber gleichzeitig verhinderte sie, dass er richtig lebte. Müde schloss er wieder die Augen, hoffte irgendwie, dass er einfach nur ewig schlafen könnte. Dann würde er sich nie wieder Sorgen machen müssen. ~*~*~*~*~ In der Nacht, als Dannys Freunde und Eltern auf Wunsch des Doktors nach Hause gegangen waren, kam ein Schatten durch das Glas des Fensters geschwebt. Vorsichtig hob er Daniels Körper aus dem Bett, wickelte ihn warm in das Betttuch ein und machte sich aus dem Staub. ~*~*~*~*~ Am nächsten Tag standen Dannys Eltern mit dem Arzt auf dem Krankenhausflur, ins Gespräch vertieft. „Mr. Und Mrs. Fenton…“, der Arzt druckste herum und suchte nach Worten. Jack packte ihn nahezu panisch an den Schultern. „Was ist mit Danny, Doktor?! Was ist mit meinem Sohn?!!“ Maddie zog ihren Ehemann beiseite und sah den Arzt besorgt und traurig an. „Was ist passiert?“, flüsterte sie. Der Doktor seufzte. „Ihr Sohn… er ist verschwunden. Die Tür und das Fenster des Krankenzimmers sind abgeschlossen gewesen und waren es auch immernoch, als wir heute Morgen nach dem Jungen sehen wollten. Es gibt keine Spuren, dass ihn irgendjemand entführt hat, aber wie er in seinem Zustand selbst fliehen könnte, wissen wir auch nicht.“ Der Schrecken stand den besorgten Eltern ins Gesicht geschrieben. Nach scheinbar endlosem Schweigen wisperte Jack: „Geister…“ Der Arzt nickte. „Ja. Das scheint die einzig logische Erklärung zu sein.“ Jack zitterte vor Wut. „Diese widerlichen Ecto-Kreaturen! Was bilden die sich eigentlich ein!“, er schimpfte, war völlig außer sich. „Maddie, komm, wir müssen unseren Sohn retten, wo auch immer er ist!“ ~*~*~*~*~ Als Danny erwachte, fühlte er sich viel wohler. Ihm war warm, die Matratze war weich, die Decke seidig und frisch duftend. Sein Arm war frisch verbunden worden. Er war nicht mehr im Krankenhaus. Niemand mehr stand um ihn herum und fragte ihn aus. Wer auch immer ihn hierher gebracht hatte, er verdiente Dank. Vorsichtig setzte der Junge sich auf. Er befand sich in einem kleinen, aber edel eingerichteten Zimmer, neben ihm stand auf einem hölzernen Nachttischchen eine Tasse Tee. Sie war erstaunlicherweise noch warm. Danny lächelte. Diesmal nicht sarkastisch oder verächtlich, sondern dankbar. Jemand sorgte sich um ihn. Dank der Umgebung war ihm auch ziemlich klar, wer für ihn sorgte. Aber ausnahmsweise hatte er nicht vor, vor dieser Person davonzulaufen. In tiefen Schlucken trank er von dem warmen Tee. Schwarzer Tee mit wenig Zucker. Genauso mochte er es. Und da er zuhause nie Tee trank, gab es nur eine Person, die von seinen Teevorlieben wusste. Nachdem er den Tee getrunken hatte, versuchte er, aufzustehen. Erfreut stellte der junge Halbgeist fest, dass er zwar noch ein wenig taumelte, aber relativ gut laufen konnte. Kurz sah er an sich herunter. Er trug immernoch den Krankenhauspyjama, aber an einem Haken an der Zimmertür hing ein waldgrüner Morgenmantel. Danny warf ihn sich über die Schulter und ging hinaus auf den Flur. Seine Zehen gruben sich in den seidigen Läufer, der den Flur entlang am Boden lag. Rechts ging der Flur noch ein wenig weiter, links führte eine Treppe nach unten. Danny entschied sich für die Treppe. Er tappte die kühlen Marmorstufen hinunter und kam in ein hell erleuchtetes, großes Wohnzimmer. Der Boden bestand aus hellem Parkett und die Wände waren sehr edel holzgetäfelt. In der Mitte des Zimmers stand auf einem dunkelroten Teppich ein großer Ebenholztisch. An diesem saß Vladimir Masters, trank Tee und las Zeitung. Danny lächelte leicht. „Guten Morgen Vlad.“ ~*~*~*~*~ Das Fenton-Mobil mit Maddie und Jack raste unterdessen quer durch Amity Park, Long Island und die übrigen Teile von New York. Keine Spur von Danny. ~*~*~*~*~ Wie sollten sie Danny auch finden, war er doch in Wisconsin, mehrere hundert Meilen von Amity Park entfernt. Vlad blickte von seiner Zeitung auf. „Oh, guten Morgen Daniel. Hat dir der Tee geschmeckt?“ Danny trat näher zum Tisch. „Ja, vielen Dank. Es geht mir schon viel besser.“ Einen Moment lang sahen sich die beiden stumm an. Normalerweise hätte mindestens einer der beiden jetzt versucht, den Anderen zu zerfleischen, aber keiner hatte wirklich das Verlangen oder einen Grund zu kämpfen. Schließlich brach Vlad das Schweigen. „Setz dich doch und frühstücke erstmal ordentlich.“ Er deutete auf einen Stuhl ihm gegenüber. Der Jüngere setzte sich hin und schmierte sich ein Brötchen. Währenddessen faltete Vlad seine Zeitung zusammen, seufzte und sagte: „Nun… Daniel… Ich hörte, du versuchst neuerdings, dich umzubringen?“ Der Multimillionär zog eine Augenbraue in die Höhe. Danny stoppte in seiner Bewegung. Auf diese Frage war er gefasst gewesen. “Hör zu Vlad. Es gibt zwei Gründe, wieso ich mich freue, dass du mich mal wieder entführt hast. Warum auch immer. Erstens: Ich bin meine Eltern und meine Möchtegern-Freunde los. Zweitens:“, er holte tief Luft, „Weil du die einzige Person bist, mit der ich mein Problem bereden kann.“ „Also Daniel. Dazu habe ich jetzt auch was zu sagen: Nennen wir es nicht Entführung, nennen wir es Rettung. Wenn du noch länger zur Untersuchung im Krankenhaus geblieben wärst, wäre früher oder später deine Identität herausgekommen. Das wiederum hätte zu verstärktem Misstrauen unter den Menschen geführt. Die Folgen wären neue Techniken zum Aufspüren von Wesen wie du und ich. Früher oder später hätte es mich auch erwischt. Ich habe also nicht ganz uneigennützig gehandelt.“ Vlad verzog sein Gesicht zu einem gezwungenen Lächeln. „Und genau darüber muss ich mit dir reden.“, antwortete Danny, „Dieser Selbstmordversuch… Ich halte es nicht mehr aus. Dieses ewige Wabern zwischen Leben und Tod, die ständige Kämpfe… du hast schon mal zu mir gesagt, solange ich Jack Fenton’s Sohn bin, werde ich nie ein normaler Junge in einer normalen Familie sein. Sicher, Superkräfte, Fliegen, hab ich nichts dagegen. Aber ich halte es nicht mehr aus. Vor allem…“, der Junge senkte die Stimme und starrte beunruhigt zu Boden, „…seitdem Phantom anfängt, in Gedanken mit mir zu reden… ich kann ihn zwar mittlerweile ganz gut ignorieren, aber er ist sich so oft uneinig mit mir und dann bekomme ich Kopfschmerzen.. Jetzt übrigens auch gerade.“ Danny blinzelte gepeinigt und hielt sich den Kopf. Vlad nickte verständnisvoll. „Ich glaube, ich kann das erklären. Bei mir war es nicht ganz so schlimm, da ich schon erwachsen war, als ich zum Halfa wurde. Aber trotzdem war es schrecklich. Ständig plärrte Plasmius in meine Gedanken hinein. Es dauerte allerdings nicht lange, da wurden sich meine und seine Seele endlich einig. Wir sind eins geworden, Plasmius und ich, obwohl wir anfangs sehr verschieden waren. Da du noch in der Pubertät bist, ist es wahrscheinlich noch schwieriger.“ „Schon möglich…“, murmelte Danny. Dann hob er den Kopf und fragte: „Sag mal Vlad… Ich kann ja nachvollziehen, wieso du mich aus dem Krankenhaus geholt hast, aber wieso ich noch lebe, geschweige denn, wieso ich so gut behandelt werde… das ist mir unbegreiflich.“ Der Ältere schwieg einen Moment. Dann seufzte er und begann sehr ruhig zu sprechen: „Hör zu Daniel. Auch ich habe in letzter Zeit viel über unsere… Persönlichkeiten nachgedacht. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass keine menschliche und auch keine geistige Psyche stabil genug ist um den Druck dieser zweiten Hälfte auszuhalten. Jedenfalls nicht allein.“ Danny blickte auf. Er hatte zwar irgendwie gehofft, dass Vlad das sagen würde, hatte aber nie ernsthaft daran geglaubt. Der Ältere hielt ihm die Hand hin. „Du kannst bei mir bleiben Daniel. Du wirst nie wieder allein sein.“ Danny schaute Vlad an und las in dessen Augen nicht die übliche Boshaftigkeit, sondern eine Ehrlichkeit, die er sonst von noch niemandem bekommen hatte. Entschlossen ergriff er die Hand. ~*~*~*~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)