Dein Spiegelbild von Lesemaus (Zwei Brüder vom gleichen Schlag (extra One-Shot von Yoh & Zeke in meiner One-Shot-Sammlung, bitte lesen^^)) ================================================================================ Kapitel 1: Vergangenheit und Zukunft ------------------------------------ Vergangenheit und Zukunft "Mama? Warum habe ich keinen Bruder?", fragte ich sie neugierig. "Warum möchtest du denn einen Bruder?", erwiderte sie lächelnd. "Damit ich nicht mehr einsam bin.", sagte ich. "Aber du bist doch nicht einsam, mein Kleiner." "Doch bin ich.", bestätigte ich. "Keiner mag mit mir spielen, sie verachten mich alle.", sagte ich traurig. Meine Mutter beugte sich zu mir runter. "Dann möchte ich dir eine Geschichte erzählen." Sofort horchte ich auf. "Ist es eine lustige?", fragte ich neugierig. "Nein, eigentlich ist es sogar eine sehr traurige Geschichte.", antwortete sie mit belegter Stimme. "Geht sie denn gut aus?", fragte ich hoffnungsvoll. "Ja." "Na gut.", willigte ich ein. Sie hob mich auf ihren Schoß und fing an zu erzählen. "Vor langer langer Zeit lebte Mal ein kleiner Junge. Er war sehr fröhlich und freundlich zu allen, aber auch einsam. Eines Tages begegnete er der Person, die ihn am meisten brauchte und er sie brauchte." "Wer war das?", unterbrach ich sie. "Hör mir einfach zu.", sagte sie. Ich hörte mit meiner Unterbrechung auf. "Dieser Jemand stellte sich als sein Spiegelbild heraus und seitdem er sein Spiegelbild getroffen hatte, war er nie mehr einsam.", beendete sie die Geschichte. "Werde ich auch nicht einsam sein, wenn ich mein Spiegelbild finde?" Süffisant lächelte mich meine Mutter an. "Nein, dann wirst du niemals mehr einsam sein.", versicherte sie mir. Okay, schlechter Film, schaltete ich mich selbst. Diese Geschichte hatte mir meine Mutter vor Jahren, als ich noch klein war erzählt. Damals glaubte ich noch daran, aber heute? Quatsch! Das doofe war nur, dass der lebende Beweis direkt vor mir stand. Ich blinzelte, um das Bild zu vertreiben. Okay, dass half auch nichts. Ich zwickte mich in den Arm und musste dabei feststellen, dass es wehtat. Es tat weh!, schoss es durch meinen Kopf. Okay, entweder war das gerade ein übler Streich oder... Ich schüttelte sofort den Kopf. Ich werde paranoid. Jetzt ist es soweit. Steckt mich in die Klapse, ich glaub die vermissen dort einen Patienten. Ich stand immer noch in der Tür, bis ich registrierte, dass die Halluzination noch anhielt. Seufzend drehte ich mich um und ging zurück in die Wohnung. Zielstrebig marschierte ich in die Küche und drehte den Wasserhahn auf. Ich füllte meine zwei Hände mit Wasser und klatschte es mir ins Gesicht. Schwer atmend stützte ich mich auf das Spülbecken. Ich werde verrückt. So etwas gibt es nicht. Das war nur eine lächerliche Geschichte meiner Mutter, als ich noch jünger war! In Gedanken war ich schon drauf und dran dabei mich selbst zu erwürgen. Die Haustür schloss sich mit einem lauten Klick, den ich bis in die Küche vernahm. Ich bog um die Küchenecke, ehe ich mich, die Stirn runzelnd, zur Tür umdrehte. Ich hab sie wirklich nicht mehr alle. "Am besten ich werf ne Tablette ein.", murmelte ich vor mich hin. "Wo gegen denn?", fragte eine Person dicht hinter mir. Erschrocken fuhr ich herum, nur um gleich zwei Schritte rückwärts zu gehen. Die Vartamorgana war immer noch nicht verschwunden. Himmel, hatte ich zu viel Koffein im Blut, dass mir meine grauen Zellen Streiche spielten? Mein Gegenüber sah meinem Gemütszustand amüsiert zu. Vorsichtig schlüpfte ich an ihm vorbei in die Küche. Seufzend fuhr ich mir über das Gesicht. War ich jetzt wach oder schlief ich in Wirklichkeit auf dem Sofa? Ich wusste es nicht. Ich sollte wirklich darauf achten, dass ich auch genug Schlaf bekam. Vorsichtig schielte ich um die Ecke und musste leider feststellen, dass der Junge, der mir wie aus dem Gesicht geschnitten war, immer noch mitten im Raum stand und meine Reaktionen begutachtete. Langsam traute ich mich aus der Küche raus, blieb aber im gebührenden Abstand als Fluchtmöglichkeit vor ihm stehen. Ich musterte ihn eindringlich. Seine langen, braunen Haare fielen vereinzelt in sein Gesicht. Er war ein Stück größer als ich und älter, so schien es mir. Was mich aber mehr erschreckte, er trug die Oberstufenuniform aus meiner Schule. "Wer bist du? Und warum siehst du so aus wie ich?", fragte ich ihn nervös. "Weil ich du bin.", antwortete er. "Wir sind zwei Seiten eines Wesens. Teilen dasselbe Schicksal." "Drück dich klarer aus.", forderte ich. Innerlich brodelte ich. Ich war so nervös, dass ich gar nicht wusste, wo mir der Kopf stand. "Wie du willst Yoh." Bei seinem letzten Satz, den er dran hängte, stockte ich. "Ich bin dein Spiegelbild. Dein zweites Ich." Um meine Nervosität über zu spielen, brachte ich meinen Sarkasmus mit ein. "Ja klar, und ich bin Max." "Dann bin ich Moritz.", warf er selbstsicher ein. Moritz war Maxis Bruder. Na toll. Ist der Typ wirklich mein Spiegelbild? Ich glaubte das nicht. "Das war eine dämliche Geschichte meiner Mutter, als ich ein Kind war. Was soll das Ganze?", fragte ich allmählich genervt. Ich war heute nicht fürs Scherzen aufgelegt. "Wenn es eine dumme Geschichte deiner Mutter gewesen wäre, stünde ich dann hier?", fragte er monoton. Meine Augen verengten sich gefährlich. "Raus hier.", zischte ich. "Ich weiß nicht warum Sie gekommen sind, aber ich will Sie hier nicht haben.", sagte ich drohend. "Du hast momentan keine andere Wahl, als mich hier zu behalten. Ich würde dich eh wieder finden." "Raus hier!", erwiderte ich dieses Mal lauter. Auf seinen Lippen bildete sich ein gemeines Grinsen. Mit schlürfenden Schritten ging er zur Haustür, die ich zum Teil versperrte. Neben mir hielt der Fremde an. "Ich werde dich finden. Spätestens Morgen. Denk darüber nach." Er blieb kurz neben mir stehen, um mir über den Bauch zu streichen, ehe er die Tür öffnete und aus meiner Wohnung verschwand. Einen Augenblick musste ich mich fangen. Diese sanfte Berührung hatte mir einen Schauer über den Rücken gejagt, der mich lähmte. Nachdem der merkwürdige Typ verschwunden war, knallte ich die Tür zu. Mit einem lauten Rumps fiel sie ins Schloss. Mit hektischen und zittrigen Fingern schloss ich die Schlösser, die ich gegen Einbrecher an der Tür angebracht hatte. Dann gaben meine Beine unter mir nach. Ohne, dass ich es verhindern konnte, sank ich an meiner Haustür herunter auf den Holzboden. "Scheiße!", flüsterte ich und strich mir eine Strähne meines dunklen Haares aus dem Gesicht. Ich schwitzte Angst und Galle bei diesem Typen. Ohne es zu merken schlief ich an der Tür gelehnt ein. Erst der Wecker aus meinem Zimmer, der laut durch die ganze Wohnung hallte, weckte mich. Der Typ lachte sich ein ins Fäustchen. Er hatte gewusst, dass sein Spiegelbild leicht ein zu schüchtern und aus der Fassung zu bringen war. Aber so...? Das war schon fast ein bisschen zu einfach. An die Launen seines kleinen Lieblings musste er sich noch gewöhnen, aber das würde schon klappen. Zufrieden ging er zu sich nach Hause, die ganze Zeit an eine Person denken. "Ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung, Yoh Asakura." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)