Die Sache mit der ruhigen Zukunft von Ne-chan1988 ================================================================================ Kapitel 2: 2.Kapitel: Vom Fliegen und Fallen, oder „Er hat alles verbrannt.“ ---------------------------------------------------------------------------- Und er wusste, dass er nicht seinen neuen Kollegen sondern einen wieder siebzehnjährigen enttäuschten Jungen zurückließ. Genau wie damals… Es war alles wieder auf Anfang. ********* 2.Kapitel: Vom Fliegen und Fallen, oder „Er hat alles verbrannt.“ Der erste Tag nach den Ferien war generell katastrophal. Langweilig, zeitraubend und nervenaufreibend. Oder schlicht gesagt, die Hölle. Vielleicht waren diese Gedanken der Grund dafür, dass er sich noch einmal zurück in sein weiches Bett sinken ließ, obwohl es schon viertel nach sieben war. Er hatte ohnehin vorgehabt das Frühstück schlichtweg ausfallen zu lassen (denn, wer brauchte schon geregelte Mahlzeiten…) und er ging nicht davon aus, dass Dumbledore ihn, nach dem unschönen Ende des gestrigen Abends, dort erwarten würde. Die irrsinnige Hoffnung, dass das alles nur ein Albtraum gewesen war, hatte er schon letzte Nacht aufgegeben, als er sich wieder einmal von einer Seite auf die Andere gewälzt und unzählige Arten, auf die Potter (zufälliger Weise, natürlich) zu Tode kommen könnte, ersonnen hatte. Jedoch musste er sich eingestehen, dass jede dieser Arten sofort auf ihn hindeuten würde … (was natürlich keine Option war. Er meisterte alle Bereiche seines Lebens mit unverkennbarem Stil und wäre nicht so stümperhaft Spuren zu hinterlassen…) Möglicherweise sollte er einfach kündigen und auswandern. Irgendwohin, wo Potter ihn nicht finden würde… So verlockend diese Vorstellung auch sein mochte, so unerreichbar war sie auch. Er würde es nicht lange an einem anderen Ort, außer Hogwarts aushalten… Halb acht. Wenn er nicht langsam aufstand würde er nicht nur das Frühstück verpassen. Kurz vor der Badezimmertür ( er hatte es nach einigem gedanklichen Hin und Her endlich geschafft sein warmes Bett zu verlassen, nur um festzustellen, dass es Morgens in den Kerkern wirklich sehr, sehr kalt sein konnte…) überkam ihn wieder der Gedanke an den heutigen Tag. Zuallererst an diesem Morgen würde er sich mit den inkompetenten Schwachköpfen des 7. Jahrgangs aus Gryffindor und Slytherin herumärgern müssen, nur um sich anschließend von ein paar halbwüchsigen, pubertierenden Viertklässlern endgültig die Laune verderben zu lassen. Und dann beim Mittagessen… Potter… Er war kein Mensch der leichthin oder ohne Grund der Verzweiflung anheim fiel, doch Harry Potters Anwesenheit in diesem Schloss schien ihm als Grund völlig ausreichend um wenigstens ein bisschen die Fassung zu verlieren (was soviel bedeutete, dass er sich nur mit enormer Willenskraft davon abhalten konnte, alles, was in erreichbarer Nähe war, auf brachiale Weise zu zerstören ). Der Gedanke ans Auswandern wurde mit jeder Minute verlockender… Nach einer viertel Stunde nur, nachdem er es endlich ins Badezimmer geschafft hatte, stand er frisch geduscht vor dem geräumigen Schrank in seinem Schlafzimmer und war gerade dabei das weiße Hemd, das er blind aus seinem Schrank geangelt hatte ( Ordnung war das halbe Leben!) überzuziehen, als sein Blick an seiner eigenen Gestalt in dem mannshohen Spiegel, der direkt neben dem Schrank stand, hängen blieb. Er musste die unzähligen Narben, die sich quer über seinen Körper zogen, nicht sehen, um zu wissen, dass sie da waren, doch der Anblick dieser Mahnmahle an den Schmerz und das Leid während der langen Jahre des Krieges, ließen ihn immer noch unangenehm erschaudern. Mit jeder dieser Narben verband er, auch trotz der ganzen Zeit, die seit damals vergangen war, Erinnerungen und Gefühle, die so lebendig waren, dass sie ihn manchmal heute noch glauben ließen den Schmerz nach wie vor zu spüren. Als wären die Wunden gerade erst geschlagen worden… Behutsam tastete er eine der längsten Narben entlang, die sich von dem Punkt, an dem Hals und Schulter sich trafen, über das Schlüsselbein bis hin zur linken Hälfte seiner Brust erstreckte und dort in eine noch größere, allerdings eher flächige Narbe überging. Genau dort, wo Dumbledore sein „gutes“ Herz vermutete… Diese flächige Narbe, wie willkürlich auf seinen Körper gezeichnet, mit ihren ausgefransten Enden, der dünnen, viel zu weißen Haut die sich darüber spannte und sich in einem scharfen Kontrast von der Haut darum abhob, war das Zeichen für den fatalen Fehler, den er vor sieben Jahren begangen hatte. Das Zeichen, dass ihn immer an Potter erinnern würde, egal, wie weit sie voneinander entfernt waren. Das Zeichen, dass Potter ebenso wie er auf seiner Brust mit sich herumtrug. Das Zeichen, dass sie miteinander verband… Ungewollt kamen die Gedanken an den vergangenen Abend zurück. An Potters vor Lebendigkeit glühende Augen, die ihn für einen Moment gefangen, die ihm die Luft zum atmen genommen hatten. An den verletzten Ausdruck in seinem Gesicht, als er ihn allein in dem weiten Korridor vor der großen Halle zurückgelassen hatte. Er hatte so schrecklich verloren und enttäuscht ausgesehen… Sein Ich aus dem Spiegel lächelte ihn gequält an, ohne, dass er es verhindern konnte. „Ist das etwa so etwas wie Reue, alter Narr?“ Beängstigen laut brach sich seine raue Stimme durch die eisige Wand des Schweigens, die für gewöhnlich seine Räume dominierte und er hatte nicht das Bedürfnis über eine mögliche Antwort auf diese Frage nachzudenken ( es wäre immerhin denkbar, dass diese Antwort nicht zu seinen Gunsten ausfiel…), und auch sein Spiegelbild blieb ihm eine Antwort schuldig. Stattdessen konnte er sich selbst im Spiegel dabei beobachten, wie er vorsichtig mit den Fingerspitzen über die Narbe fuhr und auch die Gewissheit über das, was kommen würde konnte ihn nicht davon abhalten langsam seine rechte Hand flach auf diese, seinen Körper entstellende Narbe zu legen. Augenblicklich schossen Erinnerungsfetzten in beängstigenden wilden, bunten Wirbeln durch seine Gedanken und er schloss übermannt die Augen. Stechender Rauch, beißender Gestank… Leblose Körper auf totem, verbranntem Gras… Vor Entsetzten geweitete grüne Augen… Blutbeschmierte Wangen… Unerträgliche Angst. Nackte, hilflose Angst… Der beginnende, pochende Schmerz hinter seinen Schläfen ließ ihn wieder zur Besinnung kommen. Sofort zog er die Hand zurück und öffnete überwältigt die Augen. Es war jedesmal dasselbe. Egal wie oft er diese Stelle schon berührt hatte, immer kehrten die Erinnerungen an jenen verhängnisvollen Tag, als sie den dunklen Lord endgültig vernichtet hatten, in sein Gedächtnis zurück, verbunden mit allen Emotionen die er empfunden hatte. Madame Pomfrey war damals mit diesem Problem völlig überfordert gewesen und auch Dumbledores scheinbar unermessliche Weisheit hatte hier ihre Grenzen gehabt. Was auch immer diesem Mal seine Kraft verlieh, es war Magie, die sie nicht begreifen konnten. Immerhin wusste er, dass Potter genau das gleiche Schicksal teilte, auch wenn ihn diese Tatsache nicht unbedingt besänftigte. Damals hatte er sich das Alles ganz anders vorgestellt… Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Jetzt mussten Potter und er damit leben, was sie angerichtet hatten… Flüchtig fuhr er sich mit der Hand über die Augen, um auch den letzten Rest der furchteinflößenden Bilder aus seinen Gedanken zu wischen, und erkannte erst in diesem Moment, dass seine Hände zitterten. Ungehalten griff er nach der Knopfleiste des Hemdes, das er trug, um sich endlich fertig anzukleiden. Es machte ihn so ungemein wütend, dass er sich nicht von diesen Ereignissen lösen konnte und sie ihn immer noch auf diese beunruhigende Weise beherrschten. Für gewöhnlich war er es, der beherrschte… Sowie er den letzten Knopf seiner Robe geschlossen hatte, war er für sich zu dem Schluss gekommen, dass er zurzeit weitaus größere Probleme als ein paar unschöne Erinnerungen an die Vergangenheit hatte. Seine größte Sorge würde in den kommenden Wochen dem „Problem Potter“ ( wie er es inzwischen liebevoll nannte ) gelten, und er musste sich irgendetwas einfallen lassen um Potter mit möglichst unauffälligen Mitteln aus Hogwarts zu vertreiben. Am besten ohne das Dumbledore etwas davon mitbekam. So in seine Überlegungen über, in Erwägung zu ziehende, Vertreibungsmaßnahmen für Potter vertieft, betrat er seine Wohnräume um von dort direkt in sein angrenzendes Büro zu gelangen. Dort angekommen wollte er sich gerade die Aufsätze, die er den (damals 6.) 7.Jahrgang noch kurz vor den Ferien hatte schreiben lassen, als Strafarbeit für ein eigentlich völlig nichtiges Vergehen (er wusste, dass er sich damit nur noch mehr zu einem sadistischen Mistkerl für die Schüler machte, aber es war einfach zu verlockend gewesen die kleinen Gören noch einmal frustriert und gequält ächzen zu hören, besonders, da sie erst ein paar Tage zuvor ihre Jahresabschlussprüfungen abgelegt hatten und nichts Böses mehr erwarteten…), von seinem ( im Normalfall sehr sortierten) Schreibtisch nehmen, als seine Hand ins Leere griff. Überrascht sah er einen Augenblick auf die völlig leere Stelle seines Schreibtisches auf der er für gewöhnlich die fertig korrigierten Aufsätze ablegte, um sie nicht zu vergessen, wenn er sich zur nächsten Unterrichtsstunde aufmachte. Angestrengt dachte er einige Sekunden darüber nach, wo er die Aufsätze liegen gelassen haben könnte, bis ihm eine erschreckende Ahnung kam… Verdammt! Das durfte doch Alles nicht wahr sein! So viel Pech konnte doch niemand auf einmal haben. Er hatte die Aufsätze ausgerechnet im Lehrerzimmer liegen lassen, wo er einige Arbeiten während einer Konferenz berichtigt hatte. Es wurde ihm jetzt erst richtig bewusst. Nach dieser unglaublich überflüssigen und langwierigen Konferenz hatte er völlig entnervt so schnell wie möglich den Raum verlassen. Bedauerlicherweise ohne die Aufsätze… Dieser Tag konnte eigentlich nicht mehr schlimmer werden… Zehn Minuten später wurde ihm auf schmerzhafte Weise bewusst, dass es für einen Mann seines Alters nicht sehr ratsam war, den Weg aus den Kerkern bis hinauf in den dritten Stock, in dem sich das Lehrerzimmer befand, in großer Eile und sehr strammen Schrittes zurückzulegen. Seine Lungen brannten wie Feuer und er hatte das Gefühl niemals in seinem Leben solches Seitenstechen verspürt zu haben (hatte er eigentlich schon erwähnt, dass er alt wurde und es abgrundtief hasste…?). Das Einzige, was ihn jetzt noch von seinen Aufsätzen trennte, war die massive und schwere Ebenholztür mit ihren aufwendigen Schnitzereien, die als letzte Instanz zwischen Lehrerzimmer und dem übrigen Schloss fungierte. Es kostete ihn fast unmenschliche geistige Überwindung dieses Zimmer zu betreten, auch in diesem Fall, da es unbedingt notwendig und unumgänglich war (er hatte das Lehrerzimmer schon zu seiner eigenen Schulzeit verabscheut, allerdings eher aus dem Grund, dass es mehr oder weniger immer einen saftigen Vortrag und Unmengen an Strafarbeiten gehagelt hatte, wenn er, oft in Begleitung von Potter und Black, dorthin bestellt worden war…). Widerwillig knirschend gab die Türklinke unter dem Druck seiner Hand nach und mit einem gewissen Kraftaufwand öffnete er die wuchtige Tür, was ein leise schabendes Geräusch auf dem holzgetäfelten Boden verursachte. Gedämpfte, durcheinanderredende Stimmen machten ihn schon in dem schmalen Flur, der mit dem großen, in die Länge gezogenen, rechteckigen Raum verbunden war, darauf aufmerksam, dass er an diesem Morgen nicht der Einzige sein würde, der wahrscheinlich zu spät zum Unterricht erschien. Je mehr er von dem kurzen Flur zurückließ, umso deutlicher konnte er die einzelnen Stimmen auseinanderhalten. Eine der Stimmen gehörte ohne jeden Zweifel Pomona Sprout, die in ihrer mütterlich anmutenden, sanften und beruhigenden Art ( als Hauslehrerin von Hufflepuff musste sie wahrscheinlich ein überaus ruhiges und sanftmütiges Wesen besitzen, denn ihre kleinen, verweichlichten Schützlinge brachen meistens schon in Tränen aus, wenn er sie in seinem Unterricht nur einmal scharf ansah…) beherzt auf jemanden einzureden schien. Die andere, deutlich genervter und ungehaltener klingende Stimme hätte er aus Tausenden als die von Minerva McGonagall wiedererkannt. „… sich zusammen!“ Auch wenn es nur ein Satzfetzen war, so hätte er doch beinahe schadenfroh aufgelacht. Minervas schneidender, scharfer Tonfall konnte nur bedeuten, dass sie irgendjemandem gerade ziemlich unsanft ins Gewissen redete (was sie für gewöhnlich nur bei Schülern, Dumbledore oder ihm tat…) und er fragte sich, welcher seiner werten Kollegen dumm genug gewesen war den Zorn der alten Dame auf sich zu ziehen…. Als er den Flur hinter sich gelassen und endlich freie Sicht auf das Geschehen hatte, wäre er am liebsten rückwärts wieder aus dem verdammten Zimmer verschwunden. Am Kopfende des ausladenden Holztisches, der den Raum auf verschwenderische Weise dominierte, saßen Minerva McGonagall und Pomona Sprout und flankierten zwischen sich Potter, auf den sie, wie auf einen kranken Hippogreif einredeten. Nebenbei bemerkt einen auffallend blassen und kränklich anmutenden Potter… Offensichtlich und dankenswerterweise hatte noch niemand sein Erscheinen bemerkt (die langen Jahre als Spion schienen sich doch noch auszuzahlen…) und er hoffte inständig, dass dieser Zustand so lange anhielt, bis er sich seine Aufsätze genommen und zu seinem Unterricht in den Kerkern verschwunden war. Aus dem Augenwinkel konnte er den, durchaus beachtlichen, Stapel der Arbeiten schon sehen, der ein gutes Stück entfernt von der kleinen Gruppe auf einer abgelegenen Ecke des Tisches lag, sodass er keine Schwierigkeiten haben sollte unbehelligt von hier verschwinden zu können… „Ich glaube, ich kann das wirklich nicht…“ Er hatte gerade erst gut einen Meter zurückgelegt, als Potters herzzerreißend weinerliche Stimme ihn hellhörig werden ließ (nicht, dass es ihn in irgendeiner Weise berührt hätte, aber er fragte sich, wie jemand in diesem Alter so einen Tonfall Zustande bringen konnte…). Das hörte sich ganz und gar nicht nach dem Potter an, den er sieben lange, entbehrliche und qualvolle Jahre im Unterricht erlebt hatte… „Harry, hören Sie zu, denn ich werde das nicht noch einmal wiederholen! Sie werden jetzt in diesen Klassenraum gehen und nicht vor ein paar halbwüchsigen Viertklässlern die Flucht ergreifen! Haben Sie mich verstanden!“ Minerva hatte energisch und bestimmt nach Potters Händen gegriffen und versuchte ihn so aus seiner sitzenden in eine aufrechte Position zu ziehen, mit dem durchschlagenden Ergebnis, dass dieser nur noch mehr auf seinem Stuhl in sich zusammensank. Es wunderte ihn ernsthaft, dass Potter in dieser Haltung noch nicht dem Gesetzt der Schwerkraft gefolgt und einfach vom Stuhl gefallen war… Genau in diesem Moment erhob sich Pomona aus ihrem Stuhl nur um hinter Potter zu treten und fürsorglich nach seinen Schultern zu greifen. Er konnte es zwar nicht sehen aber er ahnte, dass sie ihm gerade aufmuntert die Schultern tätschelte und einen um Verständnis bittenden Blick zu McGonagall warf. „Aber Minerva, du schüchterst den Jungen noch ein. Harry, Schatz, atmen Sie einfach einige Male tief durch und danach sieht die Welt schon wieder ganz anders aus, hm? Da gibt es nichts, weswegen Sie nervös oder aufgeregt sein müssten. Obwohl ein wenig Aufregung wahrscheinlich immer dazugehört.“ Das trockene Würgen, das sich bei den Worten „Harry, Schatz“ unweigerlich einen Weg nach draußen bahnen wollte, konnte er nur mit großer Mühe zurückdrängen. Diese Situation war so unglaublich bizarr, dass er daran zweifelte heute Morgen in dem Hogwarts aufgewacht zu sein, in dem vor nicht einmal zwei Tagen noch Alles in bester Ordnung schien. Er wollte sich gerade abwenden um sich endlich wieder den Aufsätzen zu widmen und nicht mehr unfreiwillig diesem ungewöhnlichen Schauspiel beiwohnen zu müssen, als er ungalant mit jemandem zusammenstieß, den er beim Betreten des Raumes nicht einmal ansatzweise wahrgenommen hatte. Für einen kurzen Moment war er milde überrascht, da er nicht sofort erkannte, wen er da beinahe zu Boden geschickt hätte, bis sein Blick eine Etage tiefer glitt und er den wohl kleinsten Lehrer, den diese Schule zu bieten hatte, keinen Meter von sich entfernt stehen sah. Filius Flitwick, der es offenbar gewohnt war von Zeit zu Zeit übersehen zu werden, hatte sich bemerkenswert schnell von ihrem Zusammenstoß erholt und ließ ihm nun ein zwar verhaltenes aber mit formvollendeter Höflichkeit und einem zurückhaltenden Lächeln untermauertes „Guten Morgen, Severus.“ zukommen, das er mit einem knappen Kopfnicken zur Kenntnis nahm. Im selben Moment richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die kleine Gruppe, nur um sicher zu gehen, dass niemand der anderen Anwesenden diesen Zwischenfall bemerkt und er immer noch die Chance hatte sich ungesehen davon zu machen. Minerva nahm gerade schlicht, aber nicht minder elegant wieder auf ihrem Stuhl Platz und er konnte erahnen, wie sie die Hände in ihrem Schoß aufeinanderlegte und eine so steife und aufrechte Sitzposition einnahm, dass es jedem Anderen schon größte körperliche Schmerzen bereitet hätte. Die alte Dame schien langsam mit ihren Nerven am Ende zu sein, aber auch trotz alledem war sie offensichtlich nicht bereit in blinde Wut oder Raserei zu verfallen. Er selbst hatte Minerva McGogangall in all der Zeit, die er sie kannte nur ein einziges Mal ihre Contenance verlieren sehen… „Das geht schon seit einer knappen Stunde so.“ Von seiner in den letzten Minuten angestachelten Neugierde getrieben ( da er ohnehin zu spät zu seinem Unterricht erscheinen würde spielte es jetzt auch keine Rolle mehr um wie viel er sich verspätete…), blickte er zu Flitwick zurück und warf ihm einen skeptisch fragenden Blick zu, der eigentlich keiner weiteren verbalen Untermalung bedurfte, doch der leicht nervöse Ausdruck in der Mimik des kleinen Professors sagte ihm, dass einige klärende Worte wohl durchaus angebracht wären. „Was genau?“ Vielleicht lag es an dem Funken Interesse, den er nicht ganz aus seiner Stimme verbannen konnte, oder einfach an der Tatsache, dass seine Worte weder einen sarkastischen noch scharfen Unterton hatten. Was er jedoch mit Sicherheit sagen konnte war, dass plötzlich eine immense Anspannung von Filius abzufallen schien und er sich in einer fast schon… nun ja… kameradschaftlich anmutenden Geste zu ihm hinüberlehnte und seine Ausführungen über diese bizarre Szene in ein verschwörerisches Flüstern verwandelte (Potters Anwesenheit schien sich in ungesunder Weise auf die geistige Verfassung einiger Lehrer auszuwirken…). „Unser junger Freund Harry hat scheinbar ein Problem die Aufregung vor seiner ersten Stunde zu überwinden und war schon ein Nervenbündel, als er vorhin hereinkam. Der arme Junge hat wahrscheinlich kein Auge zu gemacht letze Nacht.“ Ein nachsichtiges Lächeln zupfte kurz an Flitwicks Mundwinkeln, bevor er noch ein wenig leiser weitersprach. „Minerva und Pomona haben sich natürlich sofort des Jungen angenommen, aber wie Sie sehen mit recht wenig Erfolg. Pomona war schon kurz davor ihm einen ihrer berüchtigten Beruhigungstränke zu bringen, was Minerva, Merlin sei Dank, noch verhindern konnte. Der arme Harry wäre vor dem nächsten Frühling sicherlich nicht mehr zu sich gekommen…“ Ein resigniertes Seufzen, das er als das von Minerva erkannte, veranlasste Filius dazu in seiner Erklärung innezuhalten und ihn selbst erneut einen Blick auf Potter zu werfen. An der Situation hatte sich nicht viel geändert. Potter saß immer noch völlig in sich zusammen gesunken auf seinem Stuhl (und widersprach mit seiner Haltung allen ihm bekannten physikalischen Gesetzten…), sein Gesicht hatte inzwischen die Farbe von frisch gefallenem Schnee angenommen und seine Augen sagten deutlich, dass er in diesem Augenblick überall lieber wäre als hier. Pomona während dessen hatte ihren Standpunkt seitlich neben Potter verlegt, energisch die Hände in die üppigen Hüften gestemmt und machte einen insgesamt unzufriedenen Eindruck. Nebenbei bemerkt stand sie in einem äußerst ungünstigen Winkel zu ihm und Flitwick und er wusste, dass sie nur leicht den Kopf in ihre Richtung wenden musste um… „Oh, na so was, Severus, ich habe Sie ja gar nicht bemerkt!“ … ihn zu sehen. Er konnte sich der Annahme nicht erwehren, dass, sollte es tatsächlich eine Form von höherer Macht geben, sie ihn abgrundtief hasste…, oder einfach einen schlechten Sinn für Humor besaß. Das Desaster war perfekt: Sprout, nach wie vor die Hände in die Hüften gestemmt, trug ein so unbesonnenes Lächeln zur Schau, dass ihm auf Anhieb ein paar wirklich üble Flüche einfielen, die er schon immer einmal an jemandem hatte testen wollen (er wollte nicht näher auf die Flüche eingehen, aber es sei soviel gesagt, dass sie für Pomona unter Garantie ein Bett im Krankenflügel bedeutet hätten …). Potter allerdings hatte seine Augen in atemberaubender Geschwindigkeit auf in gerichtet und sah ihn wie ein völlig verschrecktes Tier an, dass kurz davor stand vom großen bösen Wolf verspeist zu werden. Er hatte den Eindruck, dass Potter jeden Moment ohnmächtig zu Boden sinken würde, wenn sich nicht schnell jemand erbarmte und ihn aufrecht hielt (Die Vorstellung eines ohnmächtigen Harry Potter auf dem Fußboden des Lehrerzimmers ließ sein Stimmungsbarometer fast schon wieder in positive Bereiche steigen). Minerva hingegen zog es vor sich in ihrer unnachahmlich schottisch, steifen Art von ihrem Platz zu erheben und ihn mit einem über die Maßen abschätzenden Blick zu strafen. Sie sah wirklich alles andere als hoch erfreut aus ihn hier zu sehen, gerade in dieser Situation, was er durchaus nachvollziehen konnte. Es war recht unwahrscheinlich, dass seine Anwesenheit Minervas Vorhaben, Potter mental wieder auf die Beine zu helfen, in irgendeiner Weise behilflich sein würde. Eher im Gegenteil… Augenscheinlich dachte Sie gerade dasselbe, denn ihr säuerlicher Ausdruck schien ihn geradezu anzuschreien, was um Himmels Willen er ausgerechnet jetzt hier zu suchen hatte. Er neigte leicht den Kopf in Richtung der Aufsätze um ihr sein ungewöhnliches Erscheinen zu erklären. Minervas Blick folgte unverzüglich seiner Bewegung, und er konnte den Anflug von Erkenntnis in ihren Augen sehen. Einen kurzen Moment wurden ihre Augen etwas milder, bevor sich Minervas Mimik in einer Art veränderte, die er nur als `überrascht´ beschreiben konnte (offensichtlich von ihren eigenen Gedanken), und ihre Augen hefteten sich auf so äußert beunruhigende Weise an ihn, dass er sich zum ersten mal inständig wünschte man könnte mit Legilimentik tatsächlich Gedanken lesen. Der Anflug eines diabolischen Halblächelns auf ihren schmalen Lippen trug nicht unbedingt zu seiner Beruhigung bei… „Wissen Sie Harry, wo ich Severus hier gerade so sehe, fällt mir eine äußerst amüsante Geschichte wieder ein, die Ihnen bestimmt gefallen wird.“ Was hatte diese verrückte alte Frau bloß vor? Er hätte fast einen Schritt zurück gemacht in Anbetracht ihres, inzwischen zu einem beängstigenden und unheilvollen Grinsen, verzerrten Mundes. Kurz rückte Sie ihre filigrane Brille wieder an ihren angestammten Platz, knapp oberhalb der Nasenspitze und das herausfordernde Funkeln ihrer Augen hinter den dünnen Gläsern ließ ihn erkennen, dass er nicht mit heiler Haut aus dieser Sache herauskommen würde. „Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag. Es müsste der 1. September 1983 gewesen sein, wenn ich mich nicht ganz irre…“ Moment, der 1. September 1983? Was, bei allen Zauberern und Hexen, könnte an diesem Tag gewesen sein, dass es wert wäre sich daran zu erinnern? Ihm wollte beim besten Willen nicht einfallen was… Oh, verdammt…! Sein Herz schlug ihm eine Sekunde bis zum Hals, ehe es sich geradewegs zu seinen Knien verabschiedete. Nein, Minerva würde niemals…das sähe ihr nicht ähnlich… Sie würde nicht… „Sie müssen wissen Harry, das war Severus erster Tag als neuer Lehrer für Zaubertränke an dieser Schule.“ Und ob Sie würde… „Wie alt warst du damals noch gleich, Severus? So 22, 23 …“ „23!“ Er schloss resigniert die Augen. Jetzt hatte sich offenbar auch Flitwick Minervas kleinem `Folterspaß´ angeschlossen. Fehlte nur noch… „Oh ja, natürlich! Der arme Severus war damals ganz durch den Wind, auch wenn er selbstverständlich jedem versucht hat weiß zu machen, dass alles in bester Ordnung wäre.“ ..Sprout. Ihr amüsiertes Lachen würde ihn wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit verfolgen. Was ihn jedoch am meisten ärgerte war, dass Potter sich, seit Minerva begonnen hatte einen der schrecklichsten Tage seines Lebens breit zu treten, auf seinem Stuhl in eine Position manövriert hatte, die die Bezeichnung `aufrecht´ schon beinahe wieder verdiente, und unverhohlenes Interesse an der Geschichte zeigte. „Im… im Ernst…?“ Es klang so ungemein hoffnungsvoll, dass es wahrscheinlich jeder Mutter die Tränen in die Augen getrieben hätte. Energisch schob er den unpassenden Gedanken beiseite, dass Potter mit seiner Art wohl der Traum aller Schwiegermütter sein musste… Er versucht Minerva mit einem schon fast flehentlichen Blick von ihrer weiteren Folter abzubringen, doch sie sah nicht so aus, als würde es sie sonderlich beeindrucken. „Glauben Sie mir Harry, Severus war mit den Nerven völlig am Ende. Er hat vor lauter Aufregung nächtelang nicht geschlafen (woher wusste sie das nun wieder…?) und jegliche Mahlzeit verschmäht. Es war, um es schmeichelhaft auszudrücken, eine Katastrophe!“ Zum ersten Mal seit sehr, sehr vielen Jahren konnte er wieder spüren wie unangenehme Hitze seinen Hals hinaufkroch und sich hartnäckig in seinem Gesicht festsetzte. Mit blankem Entsetzten erkannte er, was ihm seit seiner Schulzeit nicht mehr in diesem Ausmaß passiert war: Seine Wangen brannten feuerrot. Potter hingegen hatte inzwischen eine mehr oder weniger gesunde Farbe angenommen und für einen Moment flackerte sein Blick zu ihm hinüber, nur um sich auf direktem Weg erneut auf Minerva zu richten. Nahezu so, als hätte er bemerkt, wie außerordentlich peinlich und demütigend diese Geschichte für ihn war… Minerva war Potters Blick gefolgt und sah ihn nun ihrerseits an. Scheinbar war ihr sein Anblick mehr als genug. „Sie sehen also Harry, dass es ganz normal ist sich vor neuen Herausforderungen zu fürchten, aber Sie waren doch nie jemand, der die Gefahr scheute, oder irre ich mich?“ Sie hielt ihm ihre Hand hin und verband die Geste mit einem schmalen aber nicht weniger aufmunternden Lächeln. Auf Anhieb erwiderte Potter das Lächel, reichte ihr seinerseits die Hand, ließ sich von ihr aufhelfen und erweckte den Eindruck als hätte er zu seiner alten Form zurückgefunden. Ähnlich musste er während seiner Schulzeit ausgesehen haben, wenn ihm bewusst gewesen war, dass er mit seinem nächsten Schritt ein halbes Dutzend der Schulregeln brechen würde… Seine ganze Haltung, die von purer Entschlossenheit zeugte und ein Blick so fest und klar auf das vor ihm liegende Ziel gerichtet, dass es offenbar nichts Wichtigeres in seinem Leben zu geben schien, als dieses Ziel mit aller Macht zu erreichen. Das vor ihm war wieder der Harry Potter, den er kannte… „Na also! Ich denke Sie sind jetzt bereit für ihren ersten Unterricht. Filius, Pomona wärt ihr wohl so gut und begleitet Harry noch ein Stück zu seinem Klassenraum?“ Minervas erleichtertes Seufzen ging beinahe in Flitwicks Feuereifer, zu Potter zu gelangen und sich bei ihm unterzuhaken, unter und auch Sprout war augenblicklich zur Stelle, nahm sich seinen anderen Arm vor und sie verabschiedeten sich unversehens mit dem zwischen sich eingekeilten, ein wenig überrumpelten Jungen aus dem Lehrerzimmer. „Machen Sie sich überhaupt keine Sorgen Harry! Die Schüler haben ohnehin schon einen Narren an ihnen gefressen…!“ Er konnte Filius heitere Stimme noch quer durch den langen Flur hören, bis das laute klicken des Türschlosses seine Worte abreißen ließ. Damit waren nur noch Minerva und er in dem großen Raum übrig. Die alte Dame war flink um den wuchtigen Tisch herumgetreten, so dass sie ihm nun gegenüberstand und klaubte geschäftig einige Blätter, die in Unordnung geraten waren, penibel zusammen. Die unerträgliche Hitze auf seinen Wangen hatte noch immer nicht vollständig ihren Rückzug angetreten und er beschloss seine Wut sinnvoll zu nutzen…zum Beispiel um Minerva gehörig den Kopf zurecht zu rücken. „Ich hoffe du hattest deinen Spaß!“ Er war schon immer ein Meister der abfälligen Kommentare gewesen, doch in diesem Augenblick klang seine Stimme nur halb so wütend, wie sie es eigentlich sollte. Und er war wütend! Ausdruckslos musterte Minerva ihn von oben bis unten und es war für ihn mehr als ersichtlich, dass sie sich in keinster Weise schulbewusst fühlte. „Nur ein wenig“ Das belustigte Schmunzeln, das sich auf ihren schlanken Lippen festzusetzen versuchte, hätte ihm fast die Sprache verschlagen. Diese miese, kleine… „Garstige alte Sabberhexe!“ „Hinterhältiger Giftmischer!“ Sein mörderisch, giftiger Blick traf bei ihr nur auf spöttisch, abwehrend gehobene Hände. „Ich bitte dich Severus! Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen? Du hast doch selbst gesehen wie aufgelöst der Junge war.“ „Oh, und du glaubst also, das gibt dir das Recht mein Leben vor ihm auszubreiten? Deine Logik ist wirklich bestechend!“ Enerviert verschränkte er die Arme vor der Brust. Minerva sollte sich bloß nicht einbilden, dass sie mit so einer schäbigen Ausrede davon kam. Allerdings stieß er gerade sichtlich an das Ende ihres Geduldsfadens. „Bleiben wir doch bitte bei den Tatsachen! Als hätte ich aus dem Nähkästchen deines Lebens geplaudert! Es war lediglich eine kleine Anekdote und…“ „Eine kleine…Anekdote…!?“ unterbrach er sie scharf, doch sie hob nur resolut eine Hand um ihn zum Schweigen zu bringen. Es war erstaunlich. Er war seit 22 Jahren Lehrer in Hogwarts und gestattete für gewöhnlich niemandem ihm den Mund zu verbieten. Einzig Minerva schaffte es nach wie vor, dass er sich manchmal wie ein getadelter Schuljunge vorkam… Den Blick streng auf ihn gerichtet, die zierlichen Schultern gestrafft und den Körper gespannt wie einen Bogen hatte sie ihr Auftreten innerhalb weniger Sekunden von `Minerva´ zu `Professor McGonagall´ gewandelt. „Du verstehst es nicht, oder? …Nein, es ist wohl eher so, dass du es nicht verstehen willst! Nichts von dem, was ich hätte sagen können wäre in irgendeiner Weise hilfreich für ihn gewesen. Wann wist du endlich begreifen, dass Harry dich und auch deine Meinung in den letzten Jahren mehr zu schätzen gelernt hat, als du es dir eingestehen willst? Und ich frage mich zeitweise wirklich, wie er das geschafft hat, wo du es ihm doch alles andere als leicht gemacht hast. Ganz davon zu schweigen, dass du teilweise ein widerlich spitzzüngiger und unausstehlich grantiger Mistkerl sein kannst.“ Autsch… Das hatte gesessen. Missmutig sah er auf die Aufsätze in seinen Händen hinunter, die er während Minervas Zurechtweisung behutsam vom Tisch genommen hatte. Das war jetzt schon die zweite Beleidigung innerhalb eines Tages (die Erste hatte er gestern Abend von Potter kassiert und der Inhalt ähnelte sich in erschreckender Weise…). Sein Schnitt von einer Beleidigung pro Woche (was bei seinem Umgang mit anderen Menschen durchaus vertretbar war, wie er fand) hatte sich innerhalb der letzten zwei Tage sprunghaft erhöht. Es war nicht so, dass es eine größere Bedeutung hätte, aber allein die Tatsache, dass Minerva diese Worte aussprach, brachte den Klumpen heißer Wut in seinem Magen dazu sich innerhalb kürzester Zeit aufzulösen. Stattdessen zog sich Alles in seinem Innern zusammen und seine Kehle fühlte sich schlagartig staubtrocken und zugeschnürt an. Ihre Worte hallten auf unangenehme Weise in seinem Kopf wider. Das Letzte was er wollte war darüber nachzudenken, aber sein unausgeruhter Geist war da offenkundig anderer Meinung… Die warme Hand, die sich sachte auf seine rechte Schulter legte, wollte ihn instinktiv ein Stück zurückweichen lassen, doch das unausgesprochene Gefühl in dieser Geste hielt ihn davon ab. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er Minerva nicht einmal hatte herüber kommen hören (abgesehen davon, dass sie sich eigentlich immer sehr leise fortbewegte…) und als er seinen Blick hob und auf ihren traf wurde ihm bewusst, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte. Minerva McGonagall war kein Mensch großer Worte, genauso wenig wie er, verteilte ihr Lob nur spärlich und erwartete von Anderen dieselbe konsequente Disziplin, die sie sich selbst abverlangte. Doch ihre Berührung enthielt, im Widerspruch zu alledem, soviel mehr Bestätigung, als er sie jemals in Worten hatte aussprechen hören und zu seinem Erstaunen begann sie auch noch leise aber trotzdem bestimmt zu reden. „Ich weiß, dass du davon überzeugt bist, du seist kein netter Mensch. Und auch, wenn das in einigen Fällen durchaus zutrifft (er verdrehte nur die Augen, sie ignorierte es), bin ich, dessen ungeachtet, davon überzeugt, dass du kein schlechter Mensch bist, Severus. Wenn ich Eines von Albus Dumbledore gelernt habe, dann, dass nur unsere Entscheidungen zeigen wer wir wirklich sind.“ Minerva drückte einmal kräftig seine Schulter, bevor sie die Hand bedächtig zurück zog und flüchtig mit ihren Fingerspitzen seine Wange streifte. „Du hast mehr als jeder andere bewiesen wer du wirklich bist und ich hoffe du weißt, wie stolz ich deshalb auf dich bin.“ Das wohlig, zufriedene Kribbeln, das sich bei ihren Worten in ihm ausbreitete hätte er mit nichts auf der Welt aufhalten können. Und eigentlich wollte er das auch gar nicht… Sie hatte sich von ihm weggedreht und war schon halb aus der Tür, als ihm wieder etwas einfiel. „Eines würde mich noch interessieren.“ Die losen Blätter in der Einen, den Türknauf schon in der anderen Hand blickte sie noch einmal auffordernd zu ihm zurück. „Woher wusstest du, dass ich damals nächtelang nicht richtig schlafen konnte?“ Es war eine Herausforderung, eine Provokation. Allerdings war er sich irgendwie sicher, dass sie darauf eingehen würde. Als sich ihr Gesicht aufhellte und sie plötzlich zehn Jahre jünger wirkte als noch vor wenigen Minuten (sie musste in ihrer Jugend eine wahre Schönheit gewesen sein), wusste er, dass seine Vermutung richtig war… „Oh ja, dass…“ Für einen Moment lag ihr Blick in weiter Ferne. „Erinnerst du dich noch an die Katze, die damals jede Nacht in dein Zimmer kam?“ Natürlich erinnerte er sich. Das war der Grund seiner Frage gewesen. Er hatte nie ernsthaft darüber nachgedacht, aber jetzt machte alles Sinn. Die auffällige Fellmusterung um die Augen, der wissende, strenge Blick… „Du warst es also tatsächlich…verfluchter Animagus…hast deine Fähigkeit einfach schamlos ausgenutzt…“ Sie lachte hell auf und es war ein Geräusch wie sanfter Regen, so ungewohnt aus ihrem Mund, dass er für einen Augenblick vollkommen von dem Klang gefangen genommen wurde. Er sah ihr hinterher, wie sie auf den Korridor außerhalb des Lehrerzimmers trat, die Tür noch nicht ganz hinter sich zuzog und stattdessen nochmals inne hielt. „Ach, Severus…?“ Ein gewinnendes, schalkhaftes Schmunzeln trat auf ihre Lippen und er zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. „Rot steht dir wirklich ganz ausgezeichnet!“ Die einzelnen Blätter der Aufsätze, die er Minerva an die geschlossene Tür hinterher warf, stoben in wilden Wirbeln in alle Himmelsrichtungen auseinander, als er daran dachte, dass sie eine tolle Mutter gewesen wäre, wenn sie jemals Kinder gehabt hätte… ******** Zwei entscheidende Dinge hatte er an diesem Vormittag gelernt. Zum Einen, dass man Schüler des 7. Jahrgangs in einen verunsicherten und lethargischen Haufen verwandeln konnte, wenn man, wie er, als (immer noch) meist gefürchtetster Lehrer Hogwarts gut eine Stunde zu spät zu seinem Unterricht erschien und die Plagen schließlich, nachdem man ihnen ihre unglaublich miserablen Aufsätze zurückgegeben hatte, unter Androhung von immensem Leid und einem unüberschaubaren Berg von Strafarbeiten, unumwunden aus dem Klassenraum warf. Zum Anderen, dass 14. jährige pubertierende, schwärmerisch kichernde Mädchen die perfekten Opfer für seine miserablen Launen waren. Sollte der Tag so weiter gehen, wie er begonnen hatte, könnte er immerhin von dieser, durchaus befriedigenden, Erinnerung zehren: ´´Für gewöhnlich betraten seine Schüler in eisernem Schweigen das Klassenzimmer, um möglichst wenig Angriffsfläche für irgendwelche Strafarbeiten zu bieten (selbst die neuen Erstklässler hatten spätestens nach einer Woche begriffen, dass in seinem Unterricht Ruhe, Ordnung und Disziplin herrschten), aber da der heutige Tag völlig aus der Kategorie „normal“ herausfiel, wunderte es ihn auch nicht mehr, dass seine Schüler des 4. Jahrgangs (allesamt Gryffindor und Slytherin…an sich schon eine hochexplosive Mischung…) tuschelnd und fröhlich schwatzend den Raum betraten. Es war kaum zu übersehen, dass sie zuvor als Erste in den Genuss von Potters Unterricht gekommen waren (Zumindest schloss er das aus Sätzen wie „Er ist soo cool!“, „Sein Lächeln war total süß!“, oder auch „Er hat tatsächlich diese niedliche Narbe!“ einiger völlig entrückter Mädchen). Als ihnen nach geraumer Zeit doch noch bewusst wurden wo sie sich befanden und sich endlich auf ihren Plätzen niederließen (die Gryffindors geschlossen auf der rechten, die Slytherins auf der linken Seite des Raumes… Einiges würde sich wohl nie ändern), musste er erst barsch nach Ruhe und Konzentration verlangen, da das Tuscheln und Kichern einfach kein Ende nehmen wollte. Kurz darauf nahm das Ganze seinen Lauf. „Professor Snape, Sir? “ „Ja, Miss Hughes?“ Er hatte gerade das Rezept eines simplen Heiltrankes, über den er vorher gesprochen hatte, an der Tafel erscheinen lassen, als ihn seine Schülerin unterbrach. Noch während er sich zu ihr umwand wusste er schon, dass ihre Frage nichts mit dem Trank zu tun haben würde. Eigentlich war Charlotte Hughes eine gute Schülerin. Immer ordentlich und höflich, vielleicht ein wenig zurückhalten, aber auf jede Stunde gewissenhaft vorbereitet (obwohl sie eine Gryffindor war). Es war nicht so, dass er sie mochte, aber sie war weniger unfähig als die anderen aus ihrem Jahrgang und zeigte manchmal sogar ein gewisses Talent für das Brauen von Tränken. Andererseits sagten ihm ihre hektisch geröteten Wangen und das ständige unterdrückte Kichern, dass sie sich gleich ziemlich unbeliebt bei ihm machen würde… „Ähm… also…naja…“ Ihre Banknachbarin stieß ihr ungehalten den Ellenbogen in die Seite und flüsterte ein leises „Nun mach schon, Charlie!“. Das konnte nichts Gutes bedeuten… „Ähm, in Ordnung. Also, Professor Snape, Sir, Sie kennen Professor Potter doch sehr gut, nicht wahr?“ Sie hatte dermaßen schnell gesprochen, dass er sie fast nicht verstanden hätte. Ihre Hände wrangen unkontrolliert nervös miteinander und ihr Blick haftete an einem besonders großen Fleck auf ihrem Tisch. „Ein wenig.“ bestätigte er gedehnt. Es wurde langsam interessant. Abwartend verschränkte er die Arme und lehnte sich zurück gegen sein Pult. „Nun…ich…also wir haben uns gefragt…wissen Sie ob Professor Potter eine Freundin hat?“ Da sie mitten im Satz beschämt das Gesicht hinter ihren Händen verborgen hatte, waren ihre Worte nur stark gedämpft zu ihm durchgedrungen. Die Frage war nicht unbedingt unerwartet gekommen. Mädchen in diesem Alter waren nicht gerade für ihren Einfallsreichtum bekannt, besonders, wenn es um ihren heimlichen Schwarm ging. Aber er war durchaus überrascht, dass sie augerechnet ihm diese Frage stellten. Eine wirkliche Rolle spielte es natürlich nicht… Er würde weitere Fragen einfach von vorne herein im Keim ersticken, indem er dieser vehement einen Riegel vorschob (das Hogwarts interne Klatsch- und Traschsystem würde den Rest übernehmen). „Miss Hughes?“ wandte er sich direkt an sie. Seine Position war unverändert geblieben, aber er wollte, dass sie ihn ansah, wenn er zu seinem vernichtenden Schlag ausholte (er war ein Sadist, aber er hatte auch nie etwas Anderes behauptet…). Ihr Blick hob sich nur langsam und als sie ihm wieder in die Augen sehen konnte, sprach er sanft weiter. „Können sie ein Geheimnis für sich behalten?“ Sie sah ihn fassungslos an, ihr Mund stand einen Spalt offen, und ihre Augen hingen gebannt an seinen Lippen, genauso wie die der anderen Damen in der Runde (den Jungs schien das Ganze hingegen eher unangenehm zu sein). „J…ja, Sir“ bestätigte sie nachdrücklich nickend. Die Naivität ihrer Worte ließ ihn schmallippig lächeln. „Wunderbar, ich nämlich auch.“ erwiderte er samtig. Die anfängliche Begeisterung in ihren Augen brach wie morsches Holz. Das war der Moment für das große Finale… Geschmeidig stieß er sich von seinem Pult ab, ging gemächlich zu ihr hinüber, stütze sich mit den Händen auf ihrem Tisch ab und lehnte sich soweit zu ihr vor, dass es noch nicht anstößig wirkte. Der Schemel auf dem sie saß gab ein knirschendes Geräusch von sich, als sie sich einige Zentimeter zurücklehnte und ihn erschrocken anstarrte. „Ach und, Miss Hughes?“ Seine Stimmte hüllte sie ein wie schwerer Brokat und er konnte Gänsehaut ihre Arme hinaufkriechen sehen. „Nachsitzen. Heute Abend. Acht Uhr. Bei Mister Filch.“ `` Die aufkommenden Proteste hatten sich erstaunlich schnell gelegt (vermutlich hatten sie befürchtet die nächsten zu sein, die bei Filch antreten durften. Nichts war so abschreckend wie ein zwielichtiger Hausmeister) überlegte er, während er einen der unzähligen zugigen Gänge entlang schlenderte. Das Mittagessen, zu dem er sich widerwillig selbst gezwungen hatte (schließlich benötigte auch er ein gewisses Mindestmaß an Nahrung), war seit einer halben Stunde vorbei und es bereitete ihm großes Unbehagen, dass weder Potter noch Dumbledore anwesend gewesen waren. Eigentlich konnte das nur bedeuten, dass sie irgendwo beisammen saßen und die Köpfe zusammen steckten, woraus sich für ihn unweigerlich eine nahende Katastrophe ergab. Möglicherweise sollte er versuchen den Schulleiter von etwaigen fragwürdigen Bestrebungen abzuhalten, immerhin hatte Dumbledore ihn schon dezent darauf hingewiesen (der `dezente´ Hinweis bestand aus einem, auf seinem Teller platzierten Zettel, der sich, nachdem er ihn gelesen hatte, unter einigem Getöse in einem bunten Blumenregen auflöste. Der alte Mann wollte offensichtlich unter allen Umständen sein Image ruinieren), dass er ihn unverzüglich in seinem Büro erwartete und ihm damit eine ideale Gelegenheit bot. Andererseits war Dumbledore zurzeit der Letzte mit dem er reden wollte… Der abstoßende Gargoyle vor dem Aufgang zum Schulleiterbüro lag schon in seiner Sichtweite, als selbiger sich schwerfällig zur Seite bewegte um die abenteuerlich schmale Wendeltreppe freizugeben, auf der er schon von weitem den alten Mann, dicht gefolgt von Potter, erkennen konnte. Genau betrachtet, waren sie in eine angeregte Unterhaltung vertieft, was Dumbledore jedoch nicht davon abhielt ihn, der nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war, sofort zu bemerken. „Ah, Severus, mein Junge, du hast die Nachricht also gefunden!“ Dumbledores widerlich gute Laune machte es ihm ungemein schwer die gute Miene zum bösen Spiel zu wahren, aber er wollte auch nicht zwingend einen Streit vom Zaun brechen, besonders nicht in Potters unmittelbarer Gegenwart. Die beste Strategie wäre wohl Ruhe bewahren… „Offensichtlich. Du wolltest mich sprechen?“ Potter, der ein Stück hinter Dumbledore zurückblieb, als dieser sich auf den Weg zu ihm herüber machte, sah irritiert zwischen ihm und dem Direktor, ob seiner ruppigen Erwiderung, hin und her. Augenscheinlich war Potter nicht gerade vertraut mit dem Umgang der zwischen ihm und dem alten Mann herrschte. Für Außenstehende musste es tatsächlich so aussehen, als wäre er dem Schulleiter gegenüber unverschämt respektlos. Dumbledore indessen ignorierte wie immer gekonnt die angespannte Stimmung und fuhr in einem ausgelassenen Plauderton fort: „Ja in der Tat, dass wollte ich. Hab nur noch einen kleinen Moment Geduld, mein Junge. Weißt du, ich konnte meine Neugierde einfach nicht zügeln und habe Harry schon fast dazu genötigt mir alles von seinem, wirklich sehr erfolgreichem, wie ich jetzt weiß, Unterricht heute Morgen zu berichten (Potter machte bei diesen Worten einen dermaßen impertinent selbstzufriedenen Eindruck, dass es ihm die Galle hochtrieb). Es ist wirklich erstaunlich wie schnell Harry sich eingelebt hat, findest du nicht, Severus? Fast so, als wäre er nie fort gewe…“ „ONKEL HARRY, OPA ALBUS!“ Unmerklich fuhr er ein Stück zusammen, doch noch bevor er sich ganz von seinem Schreck erholt hatte oder die Quelle dieses infernalischen Lärms ausmachen konnte flitzte auch schon ein wilder Berg kupferfarbener Locken an ihm vorbei und warf sich schwungvoll in Potters Arme, der das Bündel nur mit großer Mühe sicher auffangen konnte. Perplex sah Potter auf den Lockenberg, der wohl zu einem Kind gehören musste, in seinen Armen hinab, während Dumbledore daneben trat und dem Zwerg mit der Hand gutmütig lachend durch die widerspenstige Mähne fuhr (seltsamerweise schien der alte Mann nicht im Geringsten überrascht über das Auftauchen dieses lärmenden Monsters). „Aber Rose, nicht so stürmisch! Deine Mutter findet es sicher gar nicht gut, dass du schon wieder alleine vorgelaufen bist.“ Aha. Der Lockenberg war also allem Anschein nach tatsächlich ein Mensch. Ein kleines Mädchen um genau zu sein. Und von weitem konnte er auch schon die stolzen Eltern nahen sehen… „Rose Weasley!“ Hermine Granger, inzwischen Weasley und seit zwei Jahren Leiterin der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit im Ministerium (Wer hatte dieser Besserwisserin bloß einen führenden Posten gegeben? Er konnte das Leid ihrer Angestellten körperlich nachempfinden…), schien in der Tat nicht besonders angetan von dem Verhalten ihrer stürmischen Tochter, als sie zielstrebig auf ihre gesellige Runde zusteuerte. Ihr angetrauter Gatte Ronald Weasley, seines Zeichens Auror (für ihn war es bis heute unverständlich wie Weasley mit seinen Fähigkeiten Auror werden konnte), war scheinbar nicht sehr erpicht darauf seine aufgebrachte Frau in irgendeiner Form zu beruhigen. Man musste nicht raten, wer in dieser Beziehung das Sagen hatte… Granger (er würde den Teufel tun und sie Weasley nennen) stoppte ihren wütenden Marsch etwa einen halben Meter von Potter und ihrer Tochter entfernt. Jedoch anstatt den Zwerg ordentlich zurechtzuweisen (was sie anscheinend vorgehabt hatte) fiel sie Potter freudig quietschend um den Hals ohne dabei Rücksicht auf das kleine Monster in seinen Armen zu nehmen, das postwendend Protest einlegte. „Mom, du erdrückst mich!“ Ihr trotziger Versuch ihre Mutter ein Stück von sich zu schieben um wenigstens wieder ungehindert atmen zu können wurde von Potter unterstützt, indem er seinen linken Arm so unter das Mädchen schob, dass er sie ohne Probleme auf einem Arm tragen konnte, vorausgesetzt , dass der Zwerg weiterhin seine dürren Ärmchen um seinen Hals schlang, und Granger mit seiner nun freien Rechten behutsam von sich schob. Was ihm allerdings eigenartig vorkam war, dass sich in Potters Gesicht neben der offensichtlichen Überraschung nur wenig Begeisterung über den unangekündigten Besuch seiner beiden Freunde zeigte. Das war wahrscheinlich auch der Grund für das etwas steife Lächeln (selbst in seinen Augen wirkte es irgendwie gekünstelt), als er Granger und Weasley (der es auch endlich zu der kleinen Versammlung geschafft hatte) nicht ganz so überschwänglich begrüßte wie er es erwartet hätte. „Mine, Ron, was macht ihr denn hier? Ich dachte ihr hättet so viel Arbeit im Ministerium?“ Weasley, der Potter gegenüber stand, tat die Bemerkung mit einer wegwerfenden Handbewegung ab und setzte ein schiefes Grinsen auf. „Ach was, Kumpel, das kann warten. Wir wollten nur sichergehen, dass alles bei dir in Ordnung ist.“ „Das wäre nicht nötig gewesen.“ erwiderte Potter sichtlich angefressen. Oh-oh. Bildete er sich das nur ein oder brannte hier gerade die Luft? „Außerdem wollte Rose dich unbedingt noch einmal sehen. Immerhin sind es bis Weihnachten jetzt noch vier Monate und davor haben wir schließlich kaum Gelegenheit dich zu treffen.“ warf Granger lachend ein. Es klang kein bisschen fröhlich. Das, was sich hier vor ihm abspielte war Vieles, nur kein freudiges Widersehen… Am Ende war Dumbledore derjenige der rettete, was noch zu retten war und fließend das Thema wechselte. „Das ist wirklich wunderbar! Aber davon abgesehen, hast du nicht bald Geburtstag Rose?“ Der alte Mann konnte von Glück reden, dass der Zwerg sofort auf das strahlende Großvaterlächeln ansprang. „Jaaa Opa Albus, im Oktober!“ Das Mädchen begann aufgeregt zu zappeln und wurde zu guter Letzt so hibbelig, dass Potter sie nicht mehr gefahrlos in seinen Armen halten konnte und sie vorsichtig auf den Boden stellte. Dumbledores Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Kannst du mir denn auch schon sagen, wie alt du wirst Rose?“ Eine durchaus berechtigte Frage. Wenn er sich den Zwerg so ansah würde er sie auf vier, höchstens fünf Jahre schätzen. Die Kleine dagegen zog die Nase kraus, sah angestrengt zu Dumbledore, ganz so, als müsse sie äußerst gründlich über die Antwort nachdenken. Letztendlich nahm sie ihre winzige Hand (in seinen Augen war sie tatsächlich winzig…) zu Hilfe und zählte stumm an ihren Finger die richtige Zahl ab. Einige Sekunden später hielt sie dem alten Mann strahlend vier ausgestreckte Finger vor die Nase. „So alt!“ Verdammt. Er überschlug seine Chancen, bis zu ihrem Schulbeginn in Rente zu sein… Es würde nicht einmal für eine Frühpensionierung reichen. Scheinbar war er aber der Einzige, den das zu interessieren schien, denn sowohl Weasley als auch Granger hatten ihn schlichtweg übersehen. Oder sie ignorierten ihn ganz einfach. Beides wäre maßlos unverschämt. Nebenbei bemerkt hatte offensichtlich auch Dumbledore ihn vergessen, und Potters ohnehin schon nachlässige Konzentration galt vollständig seinen Freunden. Ihm wurde klar, dass das der perfekte Moment war um sich zurückzuziehen (selbstverständlich war das keine Flucht. Er nannte so etwas einen strategischen Rückzug…) und dem alten Mann, wenn es sich einrichten ließ, für den Rest des Tages nicht mehr über den Weg zu laufen. Leise und unbemerkt wie es seine Art war machte er sich zurück auf den Weg in die Kerker. Immerhin hatte er noch andere Dinge um die er sich kümmern musste und wenn es sich bei dem, was der Schulleiter mit ihm hatte bereden wollen, um etwas wichtiges handelte, würde er spätestens heute Abend nach dem Unterricht wieder vor seiner Tür stehen. Er war erst ein paar Schritte vorangekommen, als ein leichtes Ziehen an seinem linken Robenärmel ihn aus seinen Gedanken holte. Es war bei weitem nicht kraftvoll genug um ihn aufzuhalten, aber trotzdem so hartnäckig, dass es ihn innehalten ließ. Genervt drehte er sich um und fand sich Auge in Auge mit dem kleinen Weasley Gör (bildlich gesprochen natürlich, denn in Wahrheit reicht ihm der Zwerg gerade einmal bis zur Hüfte…), das ihn aufmerksam musterte. Der höhnische Kommentar, den er auf der Zunge hatte wurde von ihrem frechen Grinsen schon zunichte gemacht noch bevor er ihn in Gedanken zu Ende formulieren konnte. „Hallo, ich bin Rose und wer bist du?“ „In spätestens sieben Jahren dein schlimmster Albtraum.“ schnarrte er verdrießlich. Ausgerechnet die kleine Nervensäge musste ihn bemerken. Und sie machte nicht den Eindruck, als ließe sie sich schnellstmöglich von ihm abwimmeln. Er maß den Zwerg abschätzig von oben bis unten und hatte dadurch die Gelegenheit sich ein Bild von der Kleinen zu machen: Sie war mager wie ein Flüchtlingskind; hatte feurig-kupferfarbene, buschige Locken, die unbändig um ihr schmales Gesicht fielen; klare, wache Augen deren Farbe ihn an flüssigen Honig erinnerte; eine zierliche Nase, von unzähligen Sommersprossen übersät und einen rosigen Kindermund mit einem lückenhaften Lächeln, das sie ihm bis eben noch ausgiebig präsentiert hatte. Jetzt hingegen war ihr Mund in Unverständnis verzogen, ihre feinen Augenbrauen unschön zusammengezogen und ihr Blick hing hilflos an ihm (in diesem Augenblick hätte niemand die Verwandtschaft zu ihrem Vater leugnen können. Er hatte den gleichen tumben Ausdruck lange Jahre bei Ronald Weasley in seinem Unterricht bewundern dürfen…). Der Griff ihrer zarten Finger in seinem Ärmel wurde noch ein wenig fester. „Es ist sehr unhöflich sich nicht vorzustellen.“ näselte sie besserwisserisch. Wunderbar. Zu allem Überfluss war sie auch noch eine vierjährige Granger-Version. Sein giftiger Blick, der bei ihrer Mutter wahre Wunder bewirkt hatte, ließ den Zwerg erschreckend kalt. In dem aussichtslosen Versuch die Nervensäge doch noch los zu werden beugte er sich ein Stück zu ihr hinunter, streckte seine rechte Hand aus und schnippte ihr mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn. „Hör zu Zwerg, hast du nicht irgendetwas anderes zu tun? Zum Beispiel Potter auf die Nerven gehen oder auch wahlweise deinen Eltern und Dumbledore?“ Zugegeben, dass war vielleicht nicht sehr diplomatisch, aber was hatte er schon zu verlieren? Die Kleine rieb sich schmollend die Stirn und blitzte ihn böse an. „Du bist nicht sehr nett.“ Er gratulierte ihr innerlich zu dieser bahnbrechenden Erkenntnis. „Und ein Zwerg bin ich auch nicht!“ Spöttisch lächelte er mit hochgezogener Augenbraue auf sie hinab. „Doch, genau das bist du, ein Zwerg.“ „Bin ich nicht!“ giftete sie ungehalten. „Und ob.“ „Nein!“ Frustriert fuhr er sich mit der freien Hand über sein Gesicht. Was tat er hier eigentlich? Er diskutierte allen Ernstes mit einer Vierjährigen… Beleidigt hob sie die Nase und reckte ihm rebellisch ihr Kinn entgegen. „Schön! Wenn ich ein Zwerg bin bist du ein…eine… eine Fledermaus!“ polterte sie triumphierend. Einen Augenblick konnte er nicht anders als sie konsterniert anzustarren. Was bildete dieser Rotzlöffel sich ein? Die gehässige Erwiderung war schon fast halb hinaus, als ihm klar wurde, dass es völlig albern und äußerst kindisch wäre es ihr mit gleicher Münze heim zu zahlen. Ein schneller Blick zurück auf Dumbledore, Potter und seine Freunde sagte ihm, dass er sich von Granger und Weasley nicht allzu viel Hilfe versprechen sollte. Dafür waren sie zu sehr mit Potter beschäftigt. Im Endeffekt blieb ihm nur eine einzige Möglichkeit um den Zwerg loszuwerden. Er würde ihre dämliche Frage beantworten müssen. Es gab nur ein Problem. Wie zum Teufel stellte man sich einer Vierjährigen vor? Sein Professorentitel würde ihr wenig sagen und sie erst recht nicht zufriedenstellen. Blieb also nur noch Eines. Außergewöhnliche Situationen erforderten eben manchmal außergewöhnliche Maßnahmen… „Severus…“ knurrte er schließlich ergeben. „Hä?“ Ihr unintelligenter Kommentar brachte ihn dazu gereizt seine Brauen zusammenzuziehen, wodurch sich der feste Griff ihrer Hand in seinem Ärmel etwas lockerte und sie eingeschüchtert von unten zu ihm hinauf blinzelte. „Mein Name. Severus.“ Obgleich er seine Worte unwirsch und ärgerlich gebrummt hatte hellte sich ihr Gesicht schlagartig auf, ganz so als wäre sie vor wenigen Minuten nicht noch ernsthaft beleidigt gewesen. Das lückenhafte, freche Lächeln war ebenfalls zurück. „Sevrus.“ wiederholte sie stolz. Hervorragend. Der Zwerg nuschelte. Und entstellte damit seinen Namen. Er wollte gerade dazu ansetzten ihr die korrekte Aussprache seines Namens einzubläuen, als von unerwarteter Seite Hilfe hinzukam. „Rose, was soll denn das? Habe ich dir nicht schon hundertmal gesagt, dass du nicht mit Fremden sprechen sollst?“ Granger schlang schützend die Arme um den Zwerg und hob sie erbarmungslos vom Boden, während die Kleine einen hilflos quietschenden Laut von sich gab und durch den plötzlichen Höhenunterschied dazu gezwungen war seinen Robenärmel freizugeben. Entschuldigend sah Granger zu ihm hinüber. „Guten Tag, Professor Snape. Ich hoffe sie hat Sie nicht allzu sehr belästigt. Sie ist manchmal etwas…übermütig.“ Er nahm es mit einem knappen Nicken zur Kenntnis. Man konnte ihm vieles nachsagen, aber Unhöflichkeit gehört nicht dazu. „Guten Tag, Miss Granger.“ „Mrs. Weasley!“ korrigierte sie sofort spitz. Ihre Empörung überging er mit einem gelangweiltem Augenrollen. Es hatte sich nicht viel an ihr geändert. Sie war nach wie vor eine unausstehliche Besserwisserin (wie sie gerade eindrucksvoll demonstriert hatte), von zierlich kleiner Statur, resolut in ihrem Auftreten und denselben buschigen braunen Locken, die noch nie einen Kamm zu Gesicht bekommen haben konnten. Heute allerdings hatte sie die wilde Pracht ordentlich hochgesteckt, sodass nur zwei vorwitzige lose Strähnen sanft ihr Gesicht umspielten. Soviel Aufwand hatte sie sicher nicht nur betrieben um ihren besten Freund zu besuchen. Als hätte er seinen Einwand laut geäußert, begann Granger eifrig in ihrer Handtasche nach Etwas zu suchen (die Tasche musste magisch vergrößert sein…), zog nach einigem Wühlen einen dünnen Brief heraus und reichte ihn, in einer geschäftlich anmutenden Geste, zu ihm hinüber (was sich mit einem zappelnden Kind auf dem Arm als recht schwierig erwies). „Es trifft sich gut, dass ich sie jetzt schon sehe, Sir. Das hier ist die offizielle Einladung zum Tränkemeisterkongress im November. Man bat mich ihnen auszurichten, dass ihre Anwesenheit sehr erwünscht wäre, Professor Snape.“ teilte sie ihm in dieser grässlich rechthaberischen Stimme mit, die er schon während ihrer Schulzeit verabscheut hatte. Ohne Granger eines weiteren Blickes zu würdigen nahm er ihr den Brief aus der Hand. Der Brief war leicht, das griffige, pergamentfarbene Kuvert fühlte sich rau in seinen Fingern an und auf der Rückseite sprang ihm sofort das rote Wachsiegel ins Auge, in das jemand das Symbol der Tränkemeisterinnung gedrückt hatte. Ein einfacher Doppelkreis mit einem geschwungenem `T´. Alles andere als einfallsreich. „Vielen Dank für ihre Mühe Mrs. Weasley, aber sie war überflüssig. Ich hatte ohnehin vor zu dem Kongress zu erscheinen. Sie können Tränkemeister Benett also beruhigen, der sie zweifelsfrei um diese kleine Gefälligkeit gebeten hat.“ Falls er sie mit seiner Bemerkung aus dem Konzept gebracht haben sollte ließ sie sich nichts davon anmerken. Granger war wohl doch nicht mehr ganz so unreif, wie er angenommen hatte, denn sie umging nonchalant seine kleine Anspielung. „Werden Sie auf dem Kongress auch über ihre neusten Forschungen sprechen, Sir? Ich hatte die Gelegenheit ihren Artikel über ihre wissenschaftliche Arbeit, den Sie der Tränkemeisterinnung vorgelegt haben, einzusehen. Sie beschreiben darin wirklich außergewöhnliche Ergebnisse, Professor.“ Der wissbegierige Glanz ihrer Augen machte ihm klar, dass sie tatsächlich großes Interesse daran hatte und er wollte sich gar nicht ausmalen, wie sie an seinen Artikel herangekommen war (man sollte nie die Entschlossenheit einer Frau unterschätzen…). Seine Antwort blieb ihm im Hals stecken, als er zufällig zurück auf Potter sah, der einen ähnlich schmalen Brief in der Hand hielt und angeregt mit Weasley darüber diskutierte. Für einen Moment war da der irrwitzige Gedanke in seinem Kopf, dass Potter ebenfalls eine Einladung zum Tränkemeisterkongress erhalten haben könnte, bis sich sein Verstand wieder in geregelten Bahnen bewegte und ihm höhnisch mitteilte, dass Harry Potter weder ein Tränkemeister sein konnte, noch eine ausgeprägte Begabung in diesem Fachbereich besaß (wobei diese Umschreibung äußerst schmeichelhaft war…). Irritiert war Granger seinem Blick gefolgt und hatte die Situation innerhalb von Sekunden erfasst (er gab es nur ungern zu, aber sie war bei weitem die klügste Hexe, die er seit langer Zeit getroffen hatte). „Die Meister der Verteidigung gegen die dunklen Künste halten ihren Kongress dieses Jahr ebenso in London ab. Sie haben darauf bestanden auch Harry daran teilhaben zu lassen, deshalb die Einladung. Ihnen dürfte klar sein warum. Öffentliche Beweihräucherung unseres Helden.“ flüsterte sie ärgerlich. Das Wort „Held“ klang aus ihrem Mund wie ein übler Fluch und hinterließ einen schalen Beigeschmack, der einige Zeit anhaften würde. Er konnte es verstehen. Es war nicht so, dass Granger Potter als den Bezwinger des Dunklen Lords anzweifelte, ganz im Gegenteil. Aber ein Wort wie „Held“ war schon immer mit vielen Erwartungen und Konventionen verbunden worden, daran hatte sich bis heute nichts geändert. Worte waren bedeutungslastig. Und Granger hatte ganz offensichtlich Angst, Potter würde von diesen Erwartungen irgendwann erdrückt werden. Wenn er nicht schon längst tief unter ihnen begraben war… Grangers Blick haftete noch an Potter, über ihr Gesicht zog sich nach und nach ein besorgter Ausdruck und ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund und ihre Augen. Beruhigend strich sie dem Zwerg immer wieder über den Rücken, obwohl die Kleine sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben schien und ruhig in ihren Armen lag. Diese Geste sollte wohl mehr sie selbst beruhigen als den Zwerg… Die ehrliche Sorge, die ihr deutlich ins Gesicht geschrieben stand, hielt ihn davon ab einen bissigen Kommentar abzugeben oder sich auf den Weg in die Kerker zu machen, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte. Zögerlich leise begann Granger schließlich zu sprechen, und er wusste, egal was sie sagen würde, es wäre ihm unmöglich sie dafür zu verspotten… „Ich weiß, dass es mir nicht zusteht darum zu bitten. Erst recht nicht Sie, aber… Bitte passen Sie gut auf Harry auf, Professor Snape…“ Und er konnte nichts Anderes tun, außer nicken. Er hasste sich für seine Hilflosigkeit. ******** Zeit ist ein seltsames Konstrukt. Manchmal vergehen Tage wie Stunden. Oder Minuten ziehen sich zu einer gefühlten Ewigkeit. Und dieser mehr als verkorkste Tag hatte offenbar vor, einer der längsten seines Lebens zu werden. Die große Ader an seinem Hals pulsierte unangenehm unter seiner Haut, die Position in der er sich niedergelassen hatte war hochgradig unbequem und auch das kühle Kristallglas in seiner Hand konnte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass ihm Lucius Malfoy gegenüber saß. Uneingeladen, versteht sich. Schon vor zehn Minuten hatte Lucius dort in seinem Lieblingsledersesslel gesessen, als er selbst mit den Nerven am Ende in seine Räume gestürmt kam, nachdem Granger, ohne weiter auf ihre Bitte einzugehen, zurück zu ihrem Mann und ihrem besten Freund gegangen war und er den restlichen Unterricht des Tages hinter sich gebracht hatte, während er lässig mit elegant übereinander geschlagenen Beinen und perfekt sitzenden Bügelfalten in einem seiner privaten Notizbücher las und gelegentlich an seinem nur noch halbvollen Weinglas nippte. Schweigend, ohne sich seine Verwunderung anmerken zu lassen, hatte er sich zu ihm gesetzt. Seitdem hatten sie kein Wort miteinander gesprochen und Lucius ließ sich auch von seiner unüberhörbaren Anwesenheit nicht davon abhalte, weiter in dem kleinen Notizbuch zu blättern. Das Pulsieren in seinem Hals wurde noch ein wenig stärker. „Die gesamte magische Hälfte der britischen Bevölkerung feiert überschwänglich die Rückkehr ihres großen Helden. Nunja, alle bis auf dich.“ spöttelte Lucius nach geraumer Zeit, musterte ihn über den Rand des Buches hinweg und nahm einen großzügigen Schluck Wein aus seinem Glas. „Du siehst angespannt aus, mein Freund.“ Lucius war wahrlich ein Meister darin in offenen Wunden zu bohren. Er presste seine Kiefer so fest aufeinander, dass ein hässlich knirschendes Geräusch entstand. „Hast du nichts Besseres zu tun Lucius? Hochrangige Ministeriumsmitglieder bestechen, oder etwas in der Art?“ grollte er mit nur schlecht unterdrückter Wut. Dezent auflachend schlug Lucius geräuschvoll das ledergebundene Büchlein zu, legte es auf der Armlehne des Sessels ab, auf der er seinen Arm aufgestützt hatte um besser lesen zu können und sah tadelnd zu ihm hinüber. „Aber, aber, Severus. Das war selbst für deine Verhältnisse zu weit unter der Gürtellinie.“ „Was willst du, Lucius?“ „Brauche ich etwa einen Grund, wenn ich meinen besten Freund sehen möchte?“ „Jeder andere nicht, aber du schon.“ „Du bist wirklich unbarmherzig Severus.“ Langsam aber sicher überkam ihn das unbeherrschte Verlangen Lucius Schmerzen zuzufügen. Große Schmerzen. Sein Freund erkannte wohl, auf welch dünnem Eis er sich bewegte, griff zielstrebig in die Innentasche seines penibel geglätteten Umhangs und förderte einen beachtlichen, magisch verkleinerten, Stapel Blätter zu Tage, den er noch in derselben Bewegung in seine ursprüngliche Form zurückverwandelte. „Die hier hat Draco mir zusammen mit seinem letzten Brief geschickt und mich gebeten sie dir unverzüglich zukommen zu lassen. Nicht, dass ich davon auch nur annähernd etwas verstehen würde, aber es sieht ziemlich wichtig aus.“ Der Stolz war deutlich aus Lucius Stimme herauszuhören, wie eigentlich immer, wenn er in den letzten Jahren von seinem Sohn gesprochen hatte. Draco hatte sich nach seinem Abschluss in Hogwarts dafür entschieden das schwierige und zeitaufwändige Studium der Zaubertrankbrauerei auf sich zu nehmen und war zu diesem Zweck in die vereinigten Staaten gegangen, um dort an einer der renommiertesten Universitäten diese diffizile Kunst zu erlernen. Vor drei Jahren dann, als er sein Hauptstudium abgeschlossen hatte, war Draco nicht von der Idee abzubringen gewesen die Ausbildung zum Tränkemeister zu beginnen und er hatte sich dazu bereit erklärt dem Jungen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen sofern er seine Hilfe benötigen würde. Inzwischen war Draco auf dem besten Weg seine Ausbildung mit Auszeichnung zu bestehen und Lucius hätte stolzer nicht sein könne, als er davon erfuhr. Besonders, da der Junge sich dazu entschlossen hatte alle finanziellen Lasten, die die Ausbildung mit sich bringen würde, selbst zu übernehmen. Er nahm den schweren Stapel von Lucius entgegen, überflog kurz die erste Seite und legte ihn auf dem kleinen Tisch vor sich ab. Das würde Zeit bis später haben… „Wie geht es dem Jungen?“ Die Frage hatte so beiläufig wie möglich klingen sollen, aber einem Mann von Lucius geistigem Format, der ihn darüber hinaus auch noch so gut kannte, konnte er nichts vormachen. „Wenn das deine verstockte Art ist danach zu fragen, ob er über Weihnachten nach Hause kommt, dann ja, er wird über Weihnachten daheim sein. Und du bist natürlich herzlich eingeladen uns über die Feiertage Gesellschaft zu leisten“ ätzte Lucius wenig charmant. Sein Freund konnte ein verdammter Mistkerl sein. Aber in dieser Hinsicht nahmen sie sich wahrscheinlich nicht viel… „Übrigens bin ich unterwegs zufällig Lupin über den Weg gelaufen. Mich würde ja brennend interessieren ob ihr sein kleines pelziges Problem in den Griff bekommen habt.“ wechselte Lucius unerwartet die Richtung ihres Gesprächs und ließ den Wein durch eine schwungvolle Bewegung seines Handgelenkes in dem filigranen Glas kreisen. Verärgert zog er die Augenbrauen zusammen. Das war eine Sache über die er kein Wort verlieren würde und Lucius wusste das. Aber Lucius wäre nicht Lucius, wenn er nicht irgendetwas damit bezwecken wollte… „Das du Lupin über den Weg gelaufen bist ist kein Zufall. Er hat heute Abend noch einen Termin bei mir. Aber ich wüsste nicht, was dich das angeht und ich rate dir, dich aus diesen Angelegenheiten herauszuhalten, sonst werde ich Lupin zu meinem neuen besten Freund machen müssen.“ drohte er nur halbherzig. Aus Lucius amüsiertem Lachen schloss er, dass sein Freund das auch bemerkt haben musste. „Touché, mein Freund. Aber leere Drohungen werden dir nichts nützen. Wir wissen beide, dass du es nicht lange mit Lupin aushalten würdest.“ „Was macht dich da so sicher? Immerhin hat er mich in den letzten drei Monaten öfter besucht, als du in den letzten zwei Jahren.“ Selbstgefällig hob sein Freund die Schultern. „Es ist simpel. Einen krankhaft naiven Gutmenschen, wie Lupin zweifelfrei einer ist, würdestdu schon nach einer Woche vor die Tür setzten. Wenn er Glück hat vielleicht sogar lebend.“ Lucius ließ eine bedeutungsvolle Pause entstehen, nahm den letzten Schluck Wein aus seinem Glas und fuhr sachte mit dem Zeigefinger über den hauchdünnen Rand des fragilen Gefäßes. Er sah ihn nicht an, als er weitersprach. „Außerdem schuldest du mir noch etwas für den kleinen Gefallen von vor sieben Jahren. Das Ganze hätte ohne mich wirklich katastrophal schief gehen können.“ Noch nie hatte er eine Stille als so laut empfunden, wie die, die sich gerade zwischen ihnen ausbreitete. Sie hatten zwar niemals darüber gesprochen, aber es war wie ein stillschweigendes Abkommen gewesen kein Wort über diese Angelegenheit zu verlieren. Ihm wurde plötzlich unangenehm bewusst, wie ungelenk er auf seinem Sofa saß, sein Blut rauschte in Höchstgeschwindigkeit durch seinen Körper, sodass er den dumpfen Klang seines eigenen Herzschlages in seinen Ohren hören konnte, seine Gliedmaßen schienen sich langsam aufzulösen, als das Gefühl von Taubheit seine Arme und Beine hinaufkroch und das brennende Kribbeln aus seinen Fingerspitzen verdrängte. Das immer noch volle Weinglas in seinen Händen begann bedrohlich zu zittern. „Es ist katastrophal schief gegangen, wenn ich dich daran erinnern darf.“ erwiderte er tonlos. Ein weiteres Schulterzucken von Lucius. „Haarspalterei. Der dunkle Lord ist tot und Potter lebt. War das nicht das Ziel deines `genialen´ Plans? Der Rest ist Kollateralschaden. Wenn ich mich recht erinnere, warst du sogar bereit gewisse Opfer in Kauf zu nehmen…“ „Hör auf!“ Seine Stimme war wie ein Donnern, das sich durch den ganzen Raum wand, von den Wänden und Allem, was sich ihm in den Weg stellte, abprallte und erneut auf sie einstürzte. Immer und immer wieder. Lucius schwieg. Er ebenfalls. Das Gefühl in sich zusammenzufallen war eines der schlimmsten, das er kannte. Jegliche Farbe kroch aus seiner Haut, sein Körper wollte nicht mehr recht zu ihm gehören, der aufkommende Schmerz in seinem Rücken fühlte sich unendlich weit weg an, als würde nicht er dieses bohrende Stechen spüren und der kalte Nebel, der sich in seinem Kopf ausbreitete machte jegliches klare Denken unmöglich. Alles in ihm war matt, ausgebrannt und leer. Feiner Stoff strich raschelnd über brüchiges Leder, als Lucius sich erhob und bedächtig sein leeres Weinglas auf dem niedrigen Cafétisch abstellte. „Ich denke, ich sollte jetzt gehen.“ flüsterte sein Freund in die erdrückende Stille hinein und klang dabei genauso erschöpft, wie er sich fühlte. Er antwortete nicht darauf. Zwischen gehen und bleiben unentschlossen stand Lucius noch einen Moment vor ihm, ehe er ihn eindringlich ansah. Er sah nicht zurück. „Ich weiß, dass es mich nichts angeht. Und ich bin auch nicht in Potters persönlichen Fanclub eingetreten. Aber du solltest mit dem Jungen reden. Es wird euch beide krank machen hier zusammen eingepfercht zu sein. Dich, weil du seine Nähe in diesem Zustand einfach nicht ertragen kannst. Und ihn, weil er ständig von dieser nagenden Ungewissheit begleitet wird.“ Wenn er es nicht besser gewusst hätte, läge ihm die Vermutung nahe, dass Lucius sich ernsthafte Sorgen machte. Sowohl um ihn als auch um Potter. An diesen wirren Gedanken war bestimmt das Gefühl schuld, sein Verstand sei in eine dicke Schicht Watte gepackt. Lucius Worte drangen nur in zähen Tropfen zu ihm durch und irgendwie fand er tatsächlich die Kraft sich ein wenig aufzurichten und sein Glas neben das seines Freundes auf den Tisch zu stellen. Er betrachtete es eine Weile. Es war noch voll. Wie immer. Und trotzdem würde Lucius auch bei ihrem nächsten Treffen ein Glas von seinem besten Wein für ihn bereitstellen. Wie immer. Und er würde den Wein, sobald Lucius gegangen wäre, mit einem Zauber verschwinden lassen. Wie immer. Sie wussten das beide… „Du hast recht…“ brachte er mit einer Stimme knisternd wie sprödes Papier hervor. Wann war reden eigentlich so schwer geworden? Erstaunen lag in Lucius Augen. Dann…bittere Erkenntnis… „…das geht dich wirklich nichts an.“ Schweigen. Ein humorloses Auflachen, ein Nicken. Nicht mehr. Es war nie mehr. Lucius nannte das `Akzeptanz´. Er nannte es `Aufgeben´. Das zaghafte Klopfen an seiner Tür brachte endlich ein wenig Spannung in seinen Körper zurück. Lupin hatte er fast vergessen. Er wäre lieber allein gewesen… Auf sein gemurrtes „Herein“ geschah einige Zeit gar nichts und er dachte schon, er hätte sich das Klopfen nur eingebildet, bis sich die rostige Türklinke knirschend nach unten senkte und die schwere Holztür aufgeschoben wurde. In seiner Tür stand Lupin mit dem augenscheinlich schlafenden Zwerg auf dem Arm und blickte unschlüssig zu Lucius und ihm, als hätte er etwas Verbotenes getan. „Oh…Entschuldigung…ich störe wohl…“ murmelte Lupin verlegen und zeigte mit einem mal großes Interesse für den dunklen, holzgetäfelten Boden auf dem er stand. Lucius kam ihm galant zu Hilfe. „Keineswegs Mr. Lupin. Ich war ohnehin gerade im Begriff zu gehen. Entschuldigen Sie mein unerwartetes Erscheinen, immerhin ist das hier ihr Termin.“ „Oh nein…Bitte…das macht doch nichts…“ haspelte Lupin unbeholfen und stolperte beinahe in dem eiligen Bestreben den Weg durch die Tür für Lucius freizugeben. Es sprach sehr für seinen Freund, dass er keinen geringschätzigen Kommentar über Lupin abgab und stattdessen gleichmütig aus der Tür trat und sie mit einem höflichen „Guten Abend, Mr. Lupin“ leise hinter sich schloss. Einen Augenblick lag Lupins Blick erleichtert auf der geschlossenen Tür ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. Er war dabei sich vollständig aufzurichten, nachdem er es endlich geschafft hatte sich steif von seinem Sofa zu erheben. Sofort spiegelte sich Sorge in Lupins schmalem Gesicht. „Ich könnte Morgen wiederkommen, wenn du möchtest“ bot er hilfsbereit an, während er gleichzeitig die Kleine auf seinem Arm in eine andere Position bugsierte. Das war so typisch für Lupin, dass er es nicht einmal in Erwägung zog eine bissige Bemerkung abzugeben („krankhaft naiver Gutmensch“ kam es ihm in den Sinn. Lucius fand wirklich treffende Beschreibungen für andere Menschen…). „Mach dich nicht lächerlich. Es ist alles in Ordnung.“ murmelte er mehr zu sich selbst und ging einige Schritte auf Lupin zu. Es war ihm zwar ein Rätsel wieso, aber seitdem Lupin mit Tonks verheiratet und Vater eines inzwischen siebenjährigen Jungen war sah er um einiges gesünder aus, als noch während ihrer Schulzeit. Die kränkliche Blässe und die tiefen Schatten um seine Augen waren fast völlig verschwunden und seine Kleidung machte einen ordentlich sauberen Eindruck, vielleicht deshalb, weil sie nicht mehr von unzähligen Flicken zusammengehalten wurde. Allerdings gingen auch an Lupin die ersten Spuren der Zeit nicht vorbei. Die kleinen Falten um Augen und Mund waren tiefer geworden, die vielen Narben überall in seinem Gesicht hoben sich jetzt deutlicher ab und auch bei ihm blitzten einzelne weiße Strähnen zwischen den übrigen braun-blonden hervor. Der Zwerg auf Lupins Arm gab ein schmatzendes Geräusch von sich, als sie sich enger an seine Schulter schmiegte und er starrte grimmig zu dem Mädchen hinunter. Er hatte ihre Begegnung vom Nachmittag noch in lebhafter Erinnerung. Lupin hingegen verstand seinen Blick offenbar falsch, denn neuer Eifer erschien auf seinen gutmütigen Zügen, während er mit dem Feuer im Kamin um die Wette strahlte. „Dieser kleine Sonnenschein hier ist Rose. Ich hoffe es stört dich nicht, dass ich sie mitgebracht habe, aber sie ist einfach eingeschlafen, als ich sie im Arm hatte. Wenn du sie kurz halten könntest suche ich ihr schnell eine Decke. Du wirst sie gar nicht bemerken.“ plauderte Lupin gutherzig und war schon auf dem besten Weg ihm den Zwerg in die Arme zu legen. „Lupin, ich denke nicht, dass…“ wollte er im Angesicht dessen, was Lupin vorhatte, beträchtlich überfordert einwenden, doch sein Einwand wurde durch das unerwartete Gewicht auf seinen Armen jäh abgewürgt. Seine Muskeln spannten sich augenblicklich an, aus Angst der Zwerg könnte ihm wieder aus den Händen gleiten, doch nichts dergleichen geschah, die Kleine murmelte kurz etwas Unverständliches nur um anschließend ihre Nase in seiner Halsbeuge zu vergraben und sich mit ihren Finger im Stoff seiner Robe festzukrallen. Hervorragend. Er stand hier mit einem Kind auf dem Arm, das er nicht einmal richtig leiden konnte, während Lupin mit schlafwandlerischer Sicherheit zu der massiven, hellen Holztruhe hinüber ging, die den Raum optisch teilte und an dem kurzen Stück Wand stand, dass zwischen den Türen zu seinem Schlaf- und Arbeitszimmer lag (er hatte sich angewöhnt immer ein paar Decken griffbereit zu halten, da Lupin oft nach ihren Versuchen fror). Lupin kannte sich eindeutig zu gut in seiner Wohnung aus…. Tief über die Truhe gebeugt war Lupin dabei die einzelnen Decken, die sich darin befanden, auf ihre Weichheit und Wärmetauglichkeit zu überprüfen, was ihn jedoch nicht daran hinderte aus der Truhe heraus, ohne ihn anzusehen weiter mit ihm zu sprechen. „Kannst du dir vorstellen, dass sie Hermines und Rons Tochter ist? Wirklich beeindrucken, dass sich die beiden schon so früh für ein Kind entschieden haben.“ Er verdrehte die Augen und bereute es gleich, da Lupin es ohnehin nicht sehen konnte. „Ja, in der Tat. Als ich sie heute Nachmittag getroffen habe fand ich es unverantwortlich von Granger mit jemandem wie Weasley ein Kind in die Welt zu setzten.“ brummte er stattdessen durch zusammengebissene Zähne. Sein Rücken begann unaufhaltsam gegen das ungewohnte Gewicht in seinen Armen zu protestieren. Die Kleine war schwerer, als er zunächst angenommen hatte. Irritiert, aber dafür mit einer weich aussehenden, braunen Wolldecke in den Händen, drehte Lupin sich zurück zu ihm und verzog zweifelnd das Gesicht. „Du hast sie getroffen? Heute Nachmittag schon?“ „Sagte ich das nicht gerade?“ seufzte er launisch und schob den Zwerg an seiner Schulter unerheblich höher. Ihr dichtes Haar kitzelte ihn mittlerweile am Kinn und warmer Atem stieß in sanften Wellen gegen seinen Hals, während sie sich so eng an ihn schmiegte, als wolle sie in ihn hineinkriechen. Es war fremd einen warmen, weichen und so lebendigen Körper auf diese Weise an seinem zu spüren. Normalerweise duldete er keinen Körperkontakt. Schon gar nicht solch übermäßigen. Aber ihr gleichmäßiger Atem und die Art, wie biegsam sie ihren kleinen Körper werden ließ um sich nahezu perfekt an seinen anzupassen, machte ihm deutlich, dass es für sie etwas Selbstverständliches sein musste. Sie war ihm tatsächlich so nah, dass er sie sogar riechen konnte. Es war ein eigentümlicher Geruch für ein Kind. Irgendwie süßlich-herb. Ein bisschen wie dunkle Schokolade und Milch. Warme Milch mit süßem Honig… Auf einmal empfand er es als nicht mehr ganz so schrecklich die Kleine auf dem Arm zu halten. Ein heiseres Lachen machte diesen Gedanken jedoch unmittelbar zunichte. Er sah auf (und fragte sich, wann er dazu übergegangen war den Zwerg zu beobachten), nur um direkt in Lupins feixendes Gesicht zu blicken. Sein scheinbar mörderischer blick reichte aus, damit Lupin beschwichtigend die Hände, mitsamt der Decke, hob. „Schon gut, schon gut. Es ist nur, wenn ich gewusst hätte, dass du so gut mit Kindern umgehen kannst hätte ich dich öfter auf Ted aufpassen lassen.“ lachte Lupin ungerührt. Es musste sicher ein komisches Bild sein, wie er hier unbeholfen, ein Kind auf dem Arm mitten in seinem Wohnzimmer stand und sich von Lupin dafür auslachen ließ. „Sehr witzig, Lupin. Könntest du jetzt bitte die verdammte Decke hinlegen, damit ich diesen Zwerg wieder los werde?“ schnarrte er in bester Manier, obwohl er sich mit einem Kind, dass sich immer enger an ihn presste ziemlich lächerlich dabei vorkam. Immer noch schmunzelnd ging Lupin hinüber zu seinem Sessel um die Decke sorgfältig darauf auszubreiten. Erleichtert folgte er ihm und legte die Kleine behutsam (natürlich war er nur so vorsichtig, weil er nicht riskieren wollte sie zu wecken…) auf der Sitzfläche ab. Allerdings gestaltete sich das schwieriger als erwartet, denn der Zwerg klammerte sich weiterhin mit festem Griff in seine Robe. Verdrießlich schnaubend packte er umsichtig ihre Hände und versuchte so sanft wie es ihm möglich war ihre zarten Finger aus dem Stoff zu lösen und als er ihre kleinen Hände schließlich in seinen hielt war er einen Augenblick fasziniert von dem Anblick, der sich ihm bot. Davon, wie ihre zierlichen Hände beinahe völlig in seinen verschwanden, von der Nachgiebigkeit der hellen, weichen Haut und der sehnigen Muskeln darunter, als er sie mit leichtem Druck auf der warmen Decke ablegte, direkt vor ihrem Gesicht. Deutlich hatte er die feinen Knochen unter seinen Fingern spüren können und war erschrocken von dem Wissen, das es nur unbedeutend mehr Kraft erfordern würde jeden einzelnen dieser Knochen brechen zu lassen… Rasch zog er seine Hände zurück. Er konnte Kinder nicht leiden. Hatte es nie gekonnt. Sie waren nervig, laut, dreckig und es mangelte ihnen nicht selten an jeglichem Respekt. Aber insbesondere waren sie furchtbar zerbrechlich. Und er war in seinem Leben nie besonders feinfühlig gewesen… „Gib´s zu, sie ist gar nicht so schrecklich.“ scherzte Lupin hinter ihm in dem plumpen Versuch die Stimmung zu lockern. Mit verschränkten Armen, um seine Hände zu beschäftigen, sah er ungläubig zu ihm zurück. „Vielleicht solltest du daran denken, dass ich sie in sieben Jahren noch unterrichten muss.“ warf er Lupin, wenig amüsiert, vor. Reichlich schief grinsend hob Lupin die Schultern und ließ sich nach einem knappen Nicken seinerseits müde auf das Sofa sinken. Was folgte war reine Routine. Er nahm sich eines seiner vielen Notizbücher, einen schon etwas in die Jahre gekommenen aber nach wie vor gepflegten Federkiel, legte beides beiläufig auf dem Tisch ab, als er hinüber zum Sofa ging und Lupin schon von sich aus den Kopf anhob, damit er seine Augen auf mögliche Schäden, Blutungen und Rötungen untersuchen konnte. „Irgendwelche Schmerzen von denen ich wissen sollte?“ erkundigte er sich vage und straffte gleichzeitig, nur soweit über ihn gebeugt wie unbedingt nötig, Lupins Augenlieder. „Keine, die nicht auszuhalten oder unüblich wären.“ murmelte Lupin als er von ihm abließ und sowohl Notizbuch als auch Federkiel zur Hand nahm um einige Notizen zum Fortschritt ihrer Versuche zu machen. Aus Mangel an anderen Sitzgelegenheiten, da sein Sessel (schon wieder!) in Beschlag genommen worden war, ließ er sich neben Lupin auf dem Sofa nieder. Selbstverständlich mit dem größtmöglichen Abstand. Es waren nur wenige Sätze die er schrieb. Sie machten gute Fortschritte… Sein Blick glitt wie von selbst zurück zu dem Zwerg. Wie sie dort lag, zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, die Decke seltsam um sich geschlungen und gleichmäßig tief atmend… „Warum hast du sie mitgebracht?“ Die Frage war so unvermittelt, dass Lupin ihn im ersten Moment vollends überrumpelt anstarrte. Er bedauerte es jetzt schon den Mund aufgemacht zu haben. „Wie ich schon sagte, sie ist einfach eingeschlafen, als ich sie…“ „Und du dachtest wirklich, dass ich dir das glaube, ja?“ unterbrach er barsch Lupins aufgesetzte Fröhlichkeit. Ertappt sah Lupin auf seine Hände, an deren dünner Haut er jetzt unruhig herum zupfte und stieß ein tiefes, resigniertes Seufzen aus, als er sich weiter in die Polster sinken ließ. „Bevor ich hier runter in die Kerker kam, war ich noch bei Harry. In seinem neuen Büro. Aber das kannst du dir sicher denken.“ Er nickte vorsichtig, obwohl er nicht glaubte, dass Lupin das, in seiner aufkommenden Rage, wirklich zur Kenntnis nahm. „Sie stritten schon, als ich herein kam. Und das ziemlich lautstark. Ich konnte Harry nicht einmal Begrüßen.“ Aufgeregt strich Lupin sich über den Nacken. „Offenbar ging ihr Streit schon länger. Ron war völlig außer sich und ich habe Harry selten so wütend erlebt. Hermine konnte mit Rose nur hilflos daneben stehen und selbst Albus schaffte es nicht die beiden zu beruhigen. Ich tat das, was ich für das Richtige hielt, als ich Hermine Rose abnahm und ohne Umwege in die Kerker kam.“ Bedächtig sah Lupin wieder hinüber zu der Kleinen. „Kein Kind sollte so einen Streit miterleben müssen…“ Es war zwar eine Seltenheit, aber in dieser Beziehung gab er Lupin ausnahmslos Recht. Das zittrige Seufzen, das Lupin daraufhin ausstieß sorgte dafür, dass sich die feinen Haare in seinem Nacken aufrichteten. „Ich weiß, dass du das wahrscheinlich nicht hören willst, aber…ich mache mir große Sorgen um Harry. Nicht nur wegen dem Streit mit Ron. Wobei ich Rons Wut durchaus nachvollziehen kann. Immerhin hat Harry nicht einmal ihm und Hermine gesagt, dass er zurück nach England kommt.“ Lupins Blick irrte einen Moment rastlos durch sein Wohnzimmer, bis er an dem Bild seiner Mutter auf dem Kamin hängen blieb. „Harry…er…er entgleitet mir, irgendwie. Früher kam er von sich aus zu mir um mit mir über seine Probleme zu reden…aber seit damals…er redet kaum noch mit jemandem. Macht alles mit sich selbst aus…und ich habe das Gefühl keinen Zugang mehr zu ihm zu finden…“ Er stand auf. So abrupt, dass Lupin auf der anderen Seite des Sofas beinahe das Gleichgewicht verlor. Das, worüber Lupin sprach, waren Dinge, die er nicht hören wollte… Deutlich konnte er Lupins erschrockenen Blick in seinem Rücken spüren, als er sich schwer mit beiden Händen auf dem schmalen Sims des Kamins abstützte und auf seine Fingerknöchel hinabsah, die kalkweiß aus der ohne schon hellen Haut seiner Hände herausstachen. „Severus, ich…“ murmelte Lupin heiser und der flehende Ton seiner Stimme ließ ihn fast schwindelig werden vor Wut. „Lass es, Lupin! Ich will davon nichts hören. Damit habe ich nichts mehr zu tun…“ Die Hitze des Feuers im Kamin fraß sich allmählich durch seine schweren Roben. Ihm war nicht warm… Knirschend gab das raue Leder unter der Last von Lupins Körper nach, als dieser sich hastig mit beiden Armen hochstemmte. „Severus…Bitte!“ „Nein, Lupin! Ich will davon nichts wi…“ „Hör mir doch wenigstens zu!“ polterte Lupin jetzt sichtlich aufgebracht, riss sich jedoch sofort wieder zusammen, als die Kleine auf dem Sessel unwillig brummte und sich fester in die Decke einrollte. Er konnte ihn schwer hinter sich atmen hören. „Lass es mich bitte erklären! Ich weiß nicht mit wem ich sonst darüber reden soll. Und es macht mir einfach zu viel Angst, um davor die Augen zu verschließen…“ Sein Schweigen war für Lupin wohl stumme Zustimmung, als er zittrig Luft zwischen den Zähnen einzog und stockend fortfuhr. „Es…es war vor ein paar Wochen… kurz nachdem Harry zurück kam. Natürlich hatte ich keine Ahnung davon und es war purer Zufall, dass ich gerade an diesem Abend im Haus am Grimmauldplatz war, aber…“ In dem Moment der verging, während Lupin mit den richtigen Worten rang, sah er stur auf seine Hände, mit denen er krampfhaft versuchte an dem schmalen Sims ein wenig Halt zu finden. „…Er stand dort vor diesem riesigen Kamin im alten Salon und hielt das aufgeschlagene Fotoalbum mit den Aufnahmen von Lilly und James in den Händen. Hagrid hatte es ihm nach seinem ersten Jahr hier auf Hogwarts geschenkt. Es war nicht besonders schön oder gepflegt und die meisten Fotos waren schief eingeklebt worden, aber für ihn war es immer etwas Besonderes gewesen. Eine Art Schatz, den er niemals aus der Hand gegeben hätte…“ Er schloss gequält die Augen und doch konnte er Lupin nicht davon abhalten weiter zu reden, so sehr er es auch wollte. „Er stand dort, völlig starr und teilnahmslos, sah sich ein Foto nach dem anderen an nur um sie schließlich nacheinander im Feuer zu verbrennen. Er sah einfach zu wie sie verbrannten, so, als würde es ihn gar nicht berühren.“ ächzte Lupin heiser und wurde zum Ende hin immer leiser. „Er…er hat alles verbrannt, Severus…“ Das trockene Schluchzen hinter ihm machte ihm ganz deutlich, wie sehr Lupin sich um Potter sorgte und das er vielleicht sogar eine Antwort oder einen Rat von ihm erwartete. Irgendetwas , was er ihm nicht geben konnte, nicht geben wollte. Einfach aus dem Grund, weil er nicht mehr das Recht dazu hatte sich weiter in Potters Leben einzumischen. Er hatte Entscheidungen getroffen, von denen er gehofft hatte, es wären die Richtigen und das das Ergebnis dieser Entscheidungen die unlauteren Methoden, derer er sich bediente, rechtfertigen würde. Bis ihm letztendlich klar geworden war, dass alles von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war. Und Weasley würde ihn ganz sicher umbringen, wenn er wüsste, dass er schuld daran war, dass Potter damals Hals über Kopf England verließ. Das war ihre Geschichte vom Fliegen und Fallen. Tbc. Ich bedankte mich herzlichst bei allen, die diese Geschichte bei ihren Favoriten aufgenommen und einen Kommentar hinterlassen haben. Es ist sehr aufbauend zu sehen, dass es Leute gibt, die Gefallen an dem finden, was ich schreibe. Vielen Dank dafür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)