Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 96: Prostitution ------------------------ Okay, zwanzig Minuten frei, laden wir schnell Kapitel hoch! Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, so gutes Wetter wie wir hier haben und dass ihr nicht am Flughafen festsitzt. Und ich freue mich sehr auf eure Kommentare ^.^ _________________________________________________________________________________ „Na, wie waren die beiden Schultage?“, Yami servierte ihm einen Becher Kakao und summte vor sich hin, während er ein paar Kochutensilien hin und her räumte. „Och, ganz gut.“, Katsuya zog sich einen weiteren Stuhl heran und legte seine Füße hoch, „Keine Schwierigkeiten. Ryou war über meine Verletzung ja vorgewarnt. Nur Ayumi schien jedes Detail aus mir heraus pressen zu wollen.“ „Was hast du ihr erzählt?“, der Wohnungsbesitzer tanzte durch seine Küche, balancierte Eier und Öl und lächelte vor sich hin. „Die Wahrheit. Ich habe meine Getas ausgezogen, weil ich es Leid war mit ihnen zu laufen und bin auf Kies getreten.“ „Getreten ist gut...“, er schüttelte den Kopf, „Setos Beschreibung zufolge sehen deine Füße so aus, als wären sie von Maden angefressen.“ „Urgh...“, Katsuya schluckte, hob eine Hand zu seinem Mund und schloss die Augen, „Das musste jetzt nich' sein...“ „Hast du das schon mal gesehen?“, der Andere warf einen Blick über die Schulter. „Ja... sie haben einen Mann aus dem fünften Stuck herunter getragen. Außer den Maden lebte da nichts mehr.“, erzählte der Blonde leise. „Packen die solche Menschen nicht vorher ein? In Leichensäcke? Oder legen zumindest ein weißes Tuch darüber? Ich meine... im Fernsehen haben sie das immer getan.“ „Keine Ahnung.“, er seufzte, „Das war die einzige richtige Leiche, die ich je gesehen habe. Und es war ganz sicherlich kein schöner Anblick.“, die Brust hob sich und sank langsam wieder zurück, „Das war... wenn du das siehst, denkst du darüber nach, was Menschenwürde ist. Wo ist die Würde, wenn du bei lebendigem Leibe von Insekten gefressen wirst, weil du nicht auf deinen Körper achtest? Ich war einfach nur so was von angeekelt...“ „Verständlich.“, Yami rührte mit einem Schneebesen in einer Schüssel, „Vielleicht sollten wir das Thema wechseln... wie ist es mit deinem Burnout? Hattest du noch viele Dissoziationen? Weitere Selbstmordgedanken?“ „Nein.“, der Blonde schüttelte den Kopf zur Betonung, „Also, Selbstmord. Dissoziationen hatte ich noch ein paar. Während Mathe zum Beispiel. Ich kann mich an kein Wort erinnern... nun, obwohl man das schon gewissermaßen als normal sehen kann.“ Ihm wurde ein Grinsen über die Schulter zugeworfen. „In Hauswirtschaft hatte ich interessante Dissoziationen. Ich war geistig nicht ganz da, aber ich habe alles gemacht, was Ryou mir gesagt hat. Und das Essen war super lecker! Ich sollte öfters dissoziativ kochen.“ „Es trennt nur deine Gefühle und Gedanken ab. Du handelst auf Ebene des Unterbewusstseins. Und das hat Zugriff aus alles, was du je gelernt hast.“, erklärte Yami ruhig. „Oh, okay... sollte ich meine Arbeiten dissoziativ schreiben?“, Katsuya legte den Kopf zur Seite. „Wenn du es schaffst die Dissoziationen genau so zu halten, dass du nicht aufhörst zu schreiben, sicher...“, der Andere drehte sich um, lehnte gegen den Tresen und hob eine Hand an sein Kinn, „Genau genommen habe ich von vielen gehört, dass sie in Prüfungen in eine Art Trance verfallen. Ich glaube, das ist auch eine Art von Dissoziationen.“ „Na super.“, Katsuya legte den Kopf in den Nacken, „Halt – heißt das nun, dass ich es in Prüfungen leichter oder schwerer habe?“ „Theoretisch leichter.“ „Oh... cool.“ „Ist das eigentlich okay für dich, wenn ich jetzt andauernd hier aufschlage? Ich meine, ich muss nicht immer vorbei kommen, wenn Seto ins Fitnessstudio geht; du musst ja auch arbeiten...“ „Ich arbeite genug, keine Sorge. Seit ich halbwegs an mich selbst denke, arbeite ich ja sogar für meinen eigenen Profit.“, Yami reichte ihm sein Getränk und ließ sich auf dem anderen Teil der zweiflügligen Couch nieder, „Seit ich dich kenne, lerne ich auch für mich selbst zu sorgen und über meine Bedürfnisse nachzudenken. Dich zu sehen gehört dazu.“ „Uhm... danke...“, Katsuya senkte den Blick und trank einen Schluck Eistee, bevor er sich im Raum umsah. „Ist dir das unangenehm, wenn ich so etwas sage?“, fragte der Ältere nach. „Was? Oh nein, nein-nein...“, die braunen Augen studierten das Fenster, „Nun... ein wenig vielleicht. Mir war nie bewusst, wie wichtig ich für dich bin. Ich habe immer gedacht, es sei egal, wenn ich einfach verschwinde. Mir war nie bewusst... wie viele Menschen an mich denken. Wie sehr sie an mich denken.“, er schluckte und leckte über seine Lippen, „Wie sehr... du an mich denkst. Mir wird das erst langsam klar.“ „Hm...“, ein trauriges Lächeln legte sich auf Yamis Lippen und er wandte den Blick ab, „Diese Worte erwecken in mir das starke Bedürfnis dich zu küssen.“ „Warum?“, der Rothaarige sah auf, schweigend und antwortete nicht, „Ich meine nicht, warum du mich küssen willst... sondern warum du nie etwas gesagt hast. Wir sind seit zwei Jahren befreundet. Da war so viel Zeit...“ „Das ist wahr.“, die dunklen, intensiven Augen richteten den Blick wieder zu Boden, „Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits nach und nach erkannt, wie krank ich war und begonnen mich darüber zu informieren. Ich beobachtete mich selbst. Ich hatte gemerkt, dass ich mich immer wieder an Männer hing, die mittellos oder emotional geschädigt waren. Dass ich alles für sie tat, mich vollkommen aufopferte und... dass ich dabei nichts spürte.“, er leckte sich über die Lippen und schluckte, ein verdächtiges Glänzen auf der Wange, „Ich habe mich benutzen lassen. Mein Körper war auch nur ein Gefäß, was ich gebrauchte, damit es anderen besser ging. Das war meine Welt. Das, was ich durch die Prostitution verinnerlicht hatte. Ich habe meine Beziehungen ähnlich behandelt wie meine Freier und mir eingeredet, ich würde lieben und geliebt werden.“, Yami atmete tief durch, „Dass du damals... dass du nicht mit mir schlafen wolltest... dass du keinen Preis haben wolltest dafür, dass du mich von meinen Vergewaltigern befreit hast... das hat mir so vor den Kopf geschlagen.“, er sah auf, „Ich wollte nicht, dass du einer von ihnen wirst. Einer, den mein Körper behandelt wie jeden anderen. Du bist für mich etwas Besonderes. Und ich wusste, dass ich nicht bereit war... nein, dass ich nicht bereit bin das anzunehmen. Dieses Besondere. Ich komme da emotional nicht raus. Ich bin eine Hure mit Körper und Seele. Das ist so tief in mich eingesunken...“, seine Stimme brach, Tränen rannen frei über seine Wangen, „Entschuldige bitte. Damit muss ich selbst fertig werden.“ „Nein, ist okay.“, Katsuya kam herüber, legte die Arme um den Kleineren und zog dessen Kopf an seine Schulter, „Es ist okay zu weinen. Das hast du mir selbst immer und immer wieder gesagt.“ „Jetzt muss ich es nur noch selbst lernen...“, Yami versuchte zu lächeln, doch sein eigenes Schluchzen unterbrach ihn, „Tut mir Leid... ich- ich beginne langsam... ich denke darüber nach und... es tut so weh... tut mir Leid.“ Katsuya schwieg und festigte die Umarmung, nachdem er den anderen auf seinen Schoß gezogen hatte. „Erzählst du mir mehr darüber?“, fragte Katsuya leise, das stille, kleine Bündel noch immer in seinen Armen. „Worüber?“, die Stimme klang heiser. „Was du fühlst.“, mit dem Daumen zog er kleine Kreise über dessen Oberarm, „Und warum du es fühlst, wenn du das weißt.“ „Was ich fühle...“, wiederholte Yami leise und schloss die Lider, „Ich fühle... Wut. Eine Unmenge Wut. Auf alle, die mich ausgenutzt haben, aber vor allem auch auf mich selbst. Dass ich es mit mir habe machen lassen. Dass ich es nie geschafft habe nein zu sagen. Dass ich so viel Angst habe auszusteigen und ein... normales Leben zu führen. Ich suche verzweifelt nach Auswegen- nein, Ausreden.“, er seufzte, „Warum heute nicht. Warum morgen nicht. Ich habe zu viel Angst davor mich meinem eigenem Leben und meinen Gefühlen zu stellen. Ich... kann einfach nicht. Es ist leichter weiter dieses Selbst zu sein, was lächelnd Freiern das Geld aus der Tasche zieht.“ War das wirklich so schwer? Er musste einen Job finden. Das war nicht allzu kompliziert. Aber er musste dabei weg von seinen Freiern, unerreichbar für die Hände, die ihn zurück in den Schmutz zogen. Nicht zu vergessen, dass Yami nur wenig Halt hatte. Keine Familie, kaum Freunde und keinerlei soziale Sicherung. Er hatte Angst diesen Abklatsch einer Existenz zu verlieren, den er selbst aufgebaut hatte. Das Leben, mit dem er versucht hatte sich zu stolz zu machen – auf das er stolz war, solange er sich noch selbst belügen konnte, dass er die Prostitution selbst gewählt hatte und freiwillig ausübte. „Aber es tut weh?“ „Es tut sehr weh.“, bestätigte Yami, „Ich schäme mich. Nein, genau genommen hasse ich mich für das, was ich bin. Ich bin ein billiges Stück Fleisch, das sich von anderen benutzen lässt. Ich will mich übergeben, wenn ich nur darüber nachdenke. Ich bin... ich ekele mich selbst an.“ „Du bist nicht ekelhaft.“, widersprach Katsuya leise, „Ich gebe zu, das, was du tust, empfinde ich als ekelhaft. Aber das macht nicht automatisch dich ekelhaft. Perspektive, erinnerst du dich? Du bist kein Prostituierter, du wirst prostituiert. Das macht einen Unterschied.“ „Ich prostituiere mich. Ja, das macht einen Unterschied. Es macht es schlimmer. Ich könnte jederzeit aufhören. Niemand zwingt mich das hier zu machen. Aber ich höre nicht auf.“, ein Seufzen, „Entschuldige, das hört sich so nach Selbstmitleid an. Ich wollte nicht-“ „Es ist okay auch mal seinen Herz bei anderen auszuschütten statt immer nur der Kummerkasten zu sein.“, unterbrach Katsuya ihn und hob sein Gesicht mit einer Hand, um ihm in die Augen zu sehen, „Und selbst wenn du nur jammern würdest, wäre das auch in Ordnung. Aber in meinen Augen jammerst du nicht. Du hast ernsthafte Probleme.“ „Ja...“, der kleinere Körper erzitterte und rieb sich kurz an dem Anderen, „Ja, ich bin krank...“, eine Hand hob sich, fuhr in das blonde Haar, „Alles, was ich tue, ekelt mich an... auch dies.“ Yami hob seinen Kopf ein Stück und drückte seine Lippen gegen Katsuyas. Katsuyas Lider flatterten überrascht. Doch seine Zunge reagierte zumindest noch reflexartig und presste wie eine Mauer von hinten seine Zähne, um den Eindringling abzuwehren. Er versuchte Yami sanft von sich zu schieben, doch dessen Arme klammerten um seinen Hals, sodass er – vielleicht etwas grob – nach dessen Kiefer griff und mit Druck darauf von sich drückte. Der Körper des Anderen sackte in sich zusammen, die Kopf hing schlapp hinunter, doch die Arme blieben auf Katsuyas Schultern. Ein Moment des Schweigens verging. Der Griff, mit dem er Yamis Kiefer gehalten hatte, lockerte sich. Er fuhr mit der Hand unter dessen Kinn und hob sein Gesicht vorsichtig und ohne viel Druck. Der Blick der violettschwarzen Augen blieb jedoch abgewandt. „Tut mir Leid.“, flüsterte Yami, „Ich bin so... durcheinander.“ „Was willst du wirklich?“, bohrte Katsuya nach. „Ich... ich will dich für mich. Ich will, dass du mich so ansiehst, wie du es bei Seto tust. Mich so berührst. Mir so vertraust. Ich will... Hilfe, ich bin so eifersüchtig. Er ist einfach aufgetaucht und hat dich mir weggenommen. Ich... ich wollte, dass du glücklich bist, aber... dass es so weh tut... zuzusehen, wie er das hat, was ich immer wollte, das ist so... so ungerecht.“, ihre Blicke trafen sich und verharrten ineinander, „Das Schlimme ist, ich kenne dich. Ich kenne dich so gut. Ich weiß genau, was ich sagen müsste, um dich wieder zu haben. Ein paar gezielte Worte und du misstraust ihm und fühlst dich verpflichtet mit mir zusammen zu sein. Aber ich will nicht, dass du zu mir kommst, weil... weil ich dein Vertrauen missbraucht habe. Wenn du zu mir kommst, dann weil du das willst.“, er atmete tief durch, „Wow, das tat gut...“ „Hm...“, Katsuya lehnte sich zurück und betrachtete Yami, der ihm nach ein paar Sekunden fragend entgegen lächelte, jedoch keinerlei Anstalten machte von seinem Schoß wieder herunter zu krabbeln – eher machte er es sich bequem, „Mit großer Macht kommt große Verantwortung. Ich glaube, der Satz wird mir langsam klar. Es stimmt, wahrscheinlich kannst du mich mit wenigen Worten sehr beeinflussen. Dass dir das Angst machen könnte, darüber habe ich nie nachgedacht. Aber es macht schon irgendwie Sinn...“ Trauer mischte sich in das Lächeln und ein müder Schleier legte sich über die Augen. „Andererseits glaube ich, dass ich – auch wenn du mich beeinflusst – noch immer für mich selbst entscheide. So viel habe ich schon gelernt. Ich entscheide, was ich mache und deshalb bin ich auch verantwortlich für das, was ich tue oder nicht tue. Wenn du es schaffst mich mit wenigen Worten davon zu überzeugen Seto zu verlassen, kann meine Liebe nicht sehr weit reichen.“ „Oh doch...“, widersprach der Ältere leise und wandte wieder den Blick ab, „Verführung ist eine oft unterschätzte Macht. Stell dir vor, ich würde sagen, ich höre mit der Prostition auf. Aber ich sage, dass ich Halt brauche, weil mir das so viel Angst macht. Also bitte ich dich immer zu kommen, wenn Seto im Fitnessstudio ist. Das würdest du machen, oder?“ „Sicher.“, erwiderte Katsuya ohne jede Umschweife. „Stell dir vor, ich höre auf. Ich begrüße dich das nächste Mal überfröhlich, umarme dich, küsse dich in meiner Freude. Das würde dich vielleicht kurz verwirren, aber nicht weiter stören. Ich habe dich früher öfters mal geküsst. Einfach so, als Versicherung, aus Freundschaft. Sobald die Freude langsam versiegt, werde ich unsicher und ängstlich. Ich bitte dich mich im Arm zu halten und weine. Natürlich tust du das auch.“ „Uhm... ja? Klar.“, Katsuya zog die Augenbrauen zusammen. „So laufen mehrere Treffen. Enger, intimer Kontakt wird normal. Ich bitte dich manchmal mich zu küssen, weil mich das besser fühlen lässt. Du fühlst dich hilflos, weil es mir nie besser zu gehen scheint, also tust du es. Irgendwann wird auch das Küssen normal. Ich sage, dass ich meinen Körper nicht mehr spüre, das Gefühl habe, mir würde alles entgleiten. Du kennst das von deinen Dissoziationen. Du hast Angst, dass ich mich umbringen werde. Du berührst mich, zunehmend intimer. Siehst du, auf was das hinausläuft?“ „Dass Angst, Hilflosigkeit und Schuld mich mit dir schlafen lassen?“, Katsuyas Stirn lag tief in Falten. „Ja. Das sind keine edlen Motive, nicht? Du betrügst Seto mit mir. Nach und nach lasse ich die Frage aufkommen, ob du ihn wirklich liebst, wenn du das tust. Ein paar geschickte Worte, dein Misstrauen gegen ihn wächst, dein Vertrauen in dich sinkt und du beginnst zu glauben, du würdest aus Liebe mit mir schlafen. Bis du ihn schließlich wegen mir verlässt.“, Yami sah ihm tief in die Augen, ein Hauch von Schmerz in seinem Blick, „Einen geschickten Verführer kostet so etwas zwei bis drei Monate. Und weißt du, was das Schlimme ist?“ Katsuya schüttelte langsam den Kopf, im Gesicht noch immer ein stumpfes Entsetzen – denn ja, das würde er tun, das würde er alles so tun. Auch wenn er es gern verneinen wollte, aber es war, wie Yami sagte – er kannte ihn. „Ich mache das seit acht Jahren. Ich weiß ganz genau, wie es geht. Und es ist mir in Mark und Bein übergegangen. Ich flirte, ich verführe, ich mache die Beine breit und das nicht, weil ich es will, sondern weil ich es tue. Weil ich gelernt habe es zu tun und es mich so vollkommen durchdrungen hat. Es ist wie ein Reflex. Ich kann nicht anders. Oft bemerke ich es nicht einmal. Erst nachher, wenn ich mein Handeln noch einmal bedenke, fällt mir auf wie... nuttig ich mich verhalten habe. Und es lässt mich so unglaublich schlecht fühlen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)