Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 44: Gespräche in trauter Runde -------------------------------------- Na, gibt es euch noch? Oder sind alle in einem Stress, wie ich in letzter Zeit war? Für mich hat es jetzt zum Glück erst einmal vorbei. Ich muss diese Woche das letzte Physikprotokoll überprüfen, habe Vorlesungen und muss für die Klausur im Juni senden, aber sonst habe ich keine Verpflichtungen außer der Nachbereitung des Workshops, den ich letztes Wochenende gehalten habe. Das heißt, ab jetzt beantworte ich wieder Mails und ENS ^-^ Viel Spaß beim Lesen und eine entspannte Zeit wünsche ich! (Und schaut doch mal unter der Charakterbeschreibung das neue Fanwork an ^.-) _________________________________________________________________________________ „Yami?“, die Zweimetergestalt erhob sich, ordnete dabei die Kreidestücke in die Schachtel zurück, bevor er sich die Hände am Trainingsanzug abklopfte, „Deine Kritzelei ist fertig.“ „Komplett von deinem Kinder-Ich oder hast du nachgeholfen?“, fragte dieser nach und ging direkt zu Seto herüber. „Sehe ich aus wie jemand, der Kinderkritzeleien mit Straßenkreide ergänzt?“, der Brünette rümpfte die Nase über seine verschmutzten Hände, „Und hast du auch nur die leiseste Ahnung, was du meinen Nagelbetten angetan hast? Wenn sie aufplatzen, ist das deine Schuld.“, warnte er und machte sich auf Richtung Haus ohne noch einmal anzuhalten, „N’Abend, Noah.“ „Hi...“, dieser sah abwesend den Kopf schüttelnd seinem Bruder hinterher, während Katsuya zu Yami hinüber ging. „Und, was siehst du?“ „Schwarze Wolken. Eine Sternschnuppe im Gürtel des Orion kündet von Unheil.“, krächzte Yami und streckte die Hand von sich, als wollte er etwas Unsichtbares aus der Luft greifen. „Yami, lass den Scheiß!“, Katsuya erstarrte, warf einen erschrockenen Blick auf seine neben seinem Kopf erhobene Hand – er hatte seinen besten Freund nicht gerade schlagen wollen, oder? Das konnte- nein- scheiße! Verdammt... das konnte doch nicht... Sein Blick traf auf die durchdringenden, in den Tiefen funkelnden violetten Augen. „Es... entschuldige.“, der Arm sank sofort wieder, zuckte an Katsuyas Körper zurück, „Ich habe keine Ahnung, was in mich gefahren ist-“ „Stress.“, unterbrach Yami das Gestammel, „Du stehst unter Stress, bist unsicher und weißt mit der Situation nicht umzugehen. Also reagierst du mit dem, was du am besten kennst. Ganz instinktiv.“, er trat einen Schritt auf Katsuya zu und legte die Arme um ihn, „Tut mir auch Leid. Keine blöden Witze mehr heute.“ „Es tut mir so Leid...“, jammerte dieser, umarmte seinen besten Freund ebenfalls und schloss die Augen, damit nicht noch mehr Tränen daraus rannen. „Ist okay... sssch... ruhig, Kats... ist in Ordnung...“, murmelte Yami vor sich hin und begann ihn mit einer Hand zu kraulen, „Alles in Ordnung... mir ist nichts passiert... und du hast dich viel mehr erschrocken als ich.“, das war von Amüsement begleitet, „Du hast dich doch zurückhalten können. Alles okay.“ „Es tut mir trotzdem Leid...“, Katsuya atmete tief durch und löste sich ein Stück von ihm, „Ich habe dir sicher auch einen Schrecken eingejagt.“ „Ja.“, ein schiefes Lächeln legte sich auf die Lippen seines Gegenübers, „Aber nur kurz.“ „Warum stehe ich denn immer noch unter Stress?“, der Blick des Blonden fiel auf Setos Bild. Die Gerichtsverhandlung war doch vorbei. Er musste keinen seiner Eltern je wiedersehen, wenn er nicht wollte. Er hatte Ferien. Seto hatte Geburtstag. Wo war der Stress? „Ich vermute, dass dich Seto mehr mitnimmt, als du dir eingestehst.“, Yamis Blick wandte sich einen kurzen Moment Noah zu, der einige Schritte von ihnen entfernt stand, „Wie damals, nach jener Nacht... du weißt schon... wo du deine Gefühle so heftig verdrängt hast...“ Jene Nacht, wo er Seto beinahe die Kehle durchgeschnitten hatte, nachdem er den Betrug an sich realisiert hatte. Wo es zwei Tage und Yamis Provokation brauchte, damit er sie wieder hervor holen konnte. „Können wir Dienstag darüber reden?“, fragte er nach einem tiefen Schlucken. „Wenn du dir bis dahin nichts antust...“, Yami packte ihm am Oberarm und drückte einmal fest zu, „Gönn‘ dir was Entspannendes.“ „Okay, wenden wir uns dem Bild zu.“, entschied er, was auch Noah an sie heran treten ließ, „Was seht ihr denn?“ „Ein aufgeschnittenes Haus mit einer Etage und einem Dach.“, antwortete der Älteste, nachdem Katsuya einfach nur schwieg, „Zu sehen sind drei Zimmer. Ganz rechts die Küche mit einer Frau am Herd, in der Mitte ein Kinderzimmer mit einem kleinen Jungen und ein leeres links Zimmer. Links neben dem Haus geht ein Mann mit einem Aktenkoffer in der Hand Richtung Haus.“ „Küche und Frau, ja. Schließlich steht da ein dampfender Topf und sie scheint zu rühren. Aber ist das in der Mitte ein Kinderzimmer? Da hockt ein kleines Männchen, das ist wahr, er hält etwas Viereckiges in der Hand, auch wahr, da steht ein Bett, ja... aber irgendwie wirkt es auf mich nicht wie ein Kinderzimmer. Was ist das, was rechts von dem Kind steht?“ „Ein Schrank?“, schlug Noah vor. „Eine Babykrippe.“, mischte sich Yami in ihre Deutungen ein. „Haben Mokuba und er ein Zimmer geteilt?“ „Ja, haben wir.“ „Uah!“, Katsuya machte einen Satz zur Seite. Warum stand Seto plötzlich hinter ihm? „Hilfe... Seto, musst du einen so erschrecken?“ „Nicht zwingend.“, ein leichtes Lächeln legte sich auf dessen Lippen, während er die Arme vor der Brust verschränkte, „Nicht, wenn man seiner Umgebung auch nur einen Funken Aufmerksamkeit schenkt.“ „Ja ja...“, Katsuya seufzte und umarmte ihn von der Seite, „Großkotz.“ „Und, was bedeutet das?“, wandte sich Noah währenddessen an Yami. „Korrigier mich ruhig, Seto.“, der Rothaarige ging um das Bild herum, „Natürlich stellt das hier Setos Familie dar, wie er sie empfunden hat, auch wenn die Aufgabe sagte, dass er eine Familie malen soll. Es gibt darin verschiedene Schlüsselsymbole. Ein Haus steht praktisch immer für die Zusammengehörigkeit einer Familie, sowie ein Baum für Beständigkeit steht. Hier gibt es keinen Baum.“, er hockte sich mittig über das Bild, „Also keine Beständigkeit und dein Vater ist außerhalb des Hauses, also nicht Teil der Familie. Das sind zwei Traumaanteile.“, Seto atmete tief durch, was Katsuya nur durch die Bewegung seiner Bauchmuskulatur ausmachen konnte, um die seine Arme lagen, „Das Haus selber ist aufgeteilt in Räume – genau genommen ziemlich leere Räume. Bei dir steht die Krippe und ein Bett und in der Küche ein Herd. Das ist alles an Einrichtung. Keine Bilder, keine Lampen, keine weiteren Möbel. Dein Haus, also dein Familiengefühl, ist praktisch leer. Da ist kaum eine emotionale Bindung zu irgendetwas. Erst recht nicht, da du und deine Mutter sich nicht einmal im selben Raum befinden – so es überhaupt deine Mutter ist.“ „Weil Mokuba schon auf der Welt ist und die Frau somit die Haushälterin sein dürfte, weil meine Mutter längst tot war?“, flüsterte Seto. „Bilder sind nicht rational. Es kann auch deine Mutter sein. Auf jeden Fall war die Bindung zur weiblichen Bezugsperson reichlich gestört – wenn auch nicht so sehr wie die zur männlichen.“, Yami deutete auf den komplett leeren Raum, der zwischen dem Eingang des Hauses und dem Kind lag, „Deine einzige emotionale Bindung ist die zu deinem Bruder, der als Säugling dargestellt ist. Als ein völlig hilfsbedürftiges, auf andere angewiesenes Wesen.“ „Meine Verantwortung.“, stimmte Seto der Deutung zu. „Es klärt meine Frage nicht, ob dein emotionales Kind dein gesamtes Trauma oder ein eigenes Trauma trägt, aber es klärt die Frage, ob es ein Trauma trägt. Die ist offensichtlich mit Ja zu beantworten.“, Yamis Blick legte sich auf die Zeichnung, „Das hier spricht von emotionaler Vernachlässigung – und Missbrauch. Es bestätigt meine These, dass deine Mutter emotional bedürftig war und du auf ihre Bedürfnisse eingingst. Du hast ihr die Eltern ersetzt.“ „Ich habe für meinen Bruder die Eltern ersetzt.“, Setos Mimik verzog sich, „Aber doch nicht für meine Mutter.“ „Sie war immer so traurig, ich wollte nicht, dass sie traurig war – das hast du mir mal erzählt. Seitdem hatte ich die Vermutung.“, Yamis Blick hob sich, „Auch die Tatsache, dass du ohne jeglichen Kommentar mit fünf Jahren die Elternrolle für deinen Bruder übernommen hast, spricht dafür. Anscheinend wusstest du schon sehr gut, wie man für jemanden sorgt. Nicht physisch, sondern emotional gemeint.“ Der Größte atmete tief durch – diesmal hörbar – und sah über Katsuyas Kopf hinweg zum Haus. „Eines noch.“, ah, Yami bemerkte doch, dass es Seto zu viel wurde, „Du bist jetzt peritraumatisch gespalten in einen Anteil, der komplett aus den Gefühlen besteht, die du immer verdrängt hast und einen, der ein Kind ist. Das wäre für mich eine logische Reaktion auf einen Missbrauch, der damit begann, dass du nie ein Kind warst und immer nur Gefühle geschluckt hast, um das Idealbild zu erfüllen, dass andere von dir hatten.“, er wartete, wartete, wartete... nach einigen Momenten begann Katsuya die Sekunden zu zählen, bis Seto sich dem Hockenden zuwandte und dieser fortfuhr – es waren vierzehn, „Du zeigst dein Kinder-Ich nur dort, wo du dich sicher fühlst. Anders herum: Wenn du dich sicher fühlst, beginnt deine Psyche brutal die Fürsorge einzufordern, die du als Kind nicht bekamst.“, Yami hob beide Hände, „Das ist zumindest meine These, was hinter deiner peritraumatischen Spaltung steckt.“ Setos blaue Augen lagen auf ihm, doch er schien zu keiner Antwort anzusetzen. „Das heißt, dass er diese Fürsorge auch kriegen soll?“, meinte Katsuya einige Momente später. „Ja.“, der Rothaarige stand auf und trat auf das Bild auf der Straße, um eine Strähne von Setos Haar hinter sein Ohr zu streichen, „Aber eigentlich nicht von dir. Sondern von jemandem, der für ihn einen Elternteil repräsentieren kann.“ „Das kann ich nicht?“, Katsuyas Blick sank zu Boden, während er die linke Seite seines Gesichts gegen Setos Oberarm drückte. „Das kannst du sehr gut, das habe ich schon gesehen. Aber Eltern schlafen nicht mit ihren Kindern, um es mal grob auszudrücken. Du könntest nicht gleichzeitig Setos Freund sein.“ „Würdest du überhaupt jemanden als Bezugsperson akzeptieren?“, unterbrach Noah ihr Gespräch, indem er sich an Seto wandte. Die blauen Augen fokussierten wieder, richteten sich auf diesen, musterten sein auf Katsuya ausdruckslos wirkendes Gesicht einige Momente, bevor Seto antwortete: „Du kennst mich seit knapp zwanzig Jahren. Du hast mir mit siebzehn das erste Mal angeboten diese Verantwortung zu übernehmen, aber ich mit meinen damals fünfzehn war eher ein wildes Tier als alles andere. Es ist ziemlich schief gelaufen. Das nächste Mal war, als ich meinen Zusammenbruch nach der Firmenabgabe hatte. Und dann, als Mokuba starb. Ich kann dich nicht wirklich bitten, nachdem ich dich dreimal zurückgestoßen und verletzt habe, oder?“ „Ich traue es mir immer noch zu.“, erwiderte Noah ruhig, „Mittlerweile habe ich gelernt die Manipulation hinter den Worten gerade zu durchschauen und mich auch von den großen blauen Augen nicht beeinflussen zu lassen. Ich muss noch einiges über deine Erkrankung lernen, aber ich denke, das kriege ich hin. Du willst dem Ganzen ehrlich einen Versuch geben?“ „Darf... ich...?“, Katsuya spürte den Körper in seinen Armen wie Espenlaub zittern. „Komm her.“, Noah hob die Arme und der Blonde ließ seinen Freund gern gehen. Noch mal revue... Seto brauchte jemanden, der für sein inneres Kind eine Elternpersönlichkeit darstellte, ja? Und Noah hatte ihm das schon dreimal angeboten, aber er war jedes Mal noch nicht stabil genug gewesen, um das Angebot anzunehmen? Und jetzt war Seto stabil genug? Ein Grinsen zog quer über Katsuyas Gesicht bei den Worten: „Heißt das, ich habe einen Schwiegervater?“ „Erdbeertorte!“, Yamis Augen funkelten, während er Noahs Mitbringsel auspackte und auf Setos Kaffeeservice anrichtete. „Und Zitronenrolle und Sachertorte und gedeckter Melonen-Pfirsich-Kuchen.“, Noah nahm auf einem der Küchenstühle Platz, „Alles Sorten, die Seto irgendwann mal in Massen zu sich genommen hat.“ „In dem Fall hast du die Sahne-Creme-Torte vergessen.“, jener setzte sich zu seinem Bruder, „Beansprucht jemand außer mir Sacher?“ „Kann ich dann die Zitronenrolle haben?“, fragte Katsuya in Noahs Richtung, während er den Tisch deckte. „Ich bin nicht wählerisch, ich liebe alles aus dieser Konditorei.“, dieser winkte nur ab, „Würde irgendjemand bitte Kaffee anwerfen?“ „Mach‘ ich!“, meldete sich Yami, während er den Kuchen servierte. „Ich glaube, so viele Menschen hat die Küche lange nicht mehr gesehen.“, murmelte Seto leise. „Ausgenommen meiner Geburtstagsparty.“, da waren sie schließlich sogar noch eine Person mehr gewesen – auch wenn nicht alle herumgewuselt waren wie Yami und er jetzt. „Du hattest Geburtstag?“, erkundigte sich Noah, „Herzlichen Glückwunsch nachträglich. Ach ja, Bruder, herzlichen Glückwunsch. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen dir zu gratulieren.“ „Zu was? Dass ich nächstes Jahr dreißig werde?“, Seto verdrehte die Augen, „Katsuyas Definition nach bin ich damit ein Fossil.“ „Gar nicht wahr.“, murrte der. „Wohl wahr. Das war eine unserer ersten Diskussion. Da hast du deine alte Klassenlehrerin als steinalt abgestempelt.“, die blauen Augen wandten sich sehnsüchtig der Kaffeemaschine zu. „Du bist schlimmer als ein Elefant.“, beschwerte sich Katsuya, während er den Sitzplatz Seto gegenüber einnahm – der sich immer noch abwandte, „Ein koffeinsüchtiger Elefant!“ „Erdbeertorte?“, meldete sich Yami leise, die Kuchengabel – oh ja, er hatte europäisch gedeckt – schon über dem begehrten Stück Gebäck schwebend. „Ja, du darfst anfangen.“, meinte Seto abwesend, doch wandte sich wieder dem Tisch zu, „So, liebe versammelte Gäste, vielen Dank für euer zahlreiches Erscheinen zu diesem absolut festlichen Tag...“, seine Stimme zeugte von der Begeisterung einer Biene beim Anblick einer Betonmauer, „...mögen derer noch viele folgen, aber ja nicht allzu bald.“ „Das hört sich an, als wärst du auf Sex- und Kaffeeentzug.“, murmelte Noah und wandte sich seinem Kuchenstück zu. „Kommt hin.“, gab Katsuya zu, „Ich war so dreist die Mittagspause damit zu verbringen sein Geschenk zu kaufen.“ „Armes, vernachlässigtes Seto.“, die beiden tauschten einen Blick aus, „Und, was hast du noch so geschenkt bekommen?“ „Die Kreide, ein Buch und Teddy.“, Seto griff mit den Händen an die Vorderkante seines Stuhls zwischen seinen Beinen und wandte den Blick ab. „Teddy?“, Noah hob eine Augenbraue, während er Seto im Ganzen musterte, „Zeigst du mir deinen Teddy?“ Und schon war er wieder auf und davon... mal sehen, ob man den erwachsenen Seto mit Kaffee zurückkriegen konnte. 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