Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 33: Das andere Monster ------------------------------ Yeah! Ich habe es endlich geschafft durch eine meiner Prüfungen zu fallen! Endlich kickt mich mal jemand in den Arsch dafür, dass ich so faul bin. Und nur ein zweiter Blick auf diesen Test und ich konnte es... Nun, wenigstens bewegt es mich dazu die Sachen jetzt vor- statt nachzuarbeiten (ich könnte auch die Ergebnisse auswendig lernen, aber das passt meinem Stolz nicht). Was mir persönlich allerdings wichtiger ist und was meinen Stolz weit mehr berührt, ist Folgendes: Ich habe endlich die lang ersehnte/geforderte Pastszene aus Setos Sicht geschrieben. Ich gebe zu, sie ging mir an die Nieren. Zwar habe ich selbst das nicht mitgemacht, aber mehrere Menschen meines Bekannten- und Verwandtenkreises haben sich wie Seto aufgeführt (wenn auch nicht so schlimm meistens). Und das zu einer Zeit, als ich die Worte Borderline, DESNOS und peritraumatische Dissoziation noch nie in meinem Leben vernommen hatte. Bitte lest es mit gestärkten Nerven: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/94684/161177/ Und viel Spaß mit diesem Kapitel ^.- Es kommt ganz passend zur Pastszene... _________________________________________________________________________________ Vorbei. Katsuya atmete noch einmal tief durch, ließ die Augen geschlossen und die Lippen zu einem Lächeln gespannt, während er sich einfach bequem im Beifahrersessel zurücklehnte. Seiner Mutter hatte er auch die Hand gegeben, Herrn Sarowski ebenso, dem Richter, dem anderen Kerl, der bei der Verhandlung da gewesen und anscheinend für den Papierkram zuständig war und letztendlich auch Julie, die auch nicht wirklich zu wissen schien, wie sie mit der Situation umgehen sollte – ihre Hand war kalt und sie zitterte. Seine Schwester hatte noch eine lange Umarmung gekriegt, sie hatten Handynummern ausgetauscht und er hatte versprochen Tag und Nacht auf den Anruf zu warten, dass es so weit war, um bei der Geburt dabei zu sein. Die Geburt... echt, er würde Onkel werden. Was machte man als Onkel so? Katsuya runzelte ein wenig die Stirn. Sein Vater hatte einen Bruder, oder? Er konnte sich nicht erinnern den schonmal getroffen zu haben. Hatte seine Mutter Geschwister? Er wusste es nicht einmal... im Endeffekt war es wohl auch egal. Hallo, hier der Sohn ihres Verwandten XY, nein, wir wohnen nicht zusammen – sehr überzeugend. Seto war jetzt seine Familie. Seto und sein Stiefbruder Noah. Und Shizuka, die würde natürlich immer seine Schwester bleiben. „Hast du außer Noah irgendwelche Verwandten?“, wandte er sich an den Fahrer des Wagens. „Nicht, dass ich wüsste.“, antwortete Seto ohne sich auch nur einmal zu ihm zu wenden, „Noahs verstorbene Mutter hatte noch Geschwister, aber mit denen habe ich nichts zu tun.“, er schaltete am Lenkrad die Lautstärke der Musik runter, „Noah allerdings auch nicht, so weit ich weiß.“ „Wir haben beide recht überschauliche Familien...“, bemerkte der Blonde leise. „Ich verstehe unter Familie die Notwendigkeit materieller Spenden und gezwungener Freundlichkeit zu Feiertagen. Dementsprechend wenig stört es mich.“ „Vermisst du deine Eltern nicht?“, dünnes Eis, Katsuya, ganz dünn... Seto war vom Tag schon angestrengt genug. Das hier war nicht der richtige Moment. „Um was es schade ist, ist die verlorene Kindheit. Aber ich würde mir meine Eltern nicht wieder ins Leben wünschen.“, der Andere blieb ruhig, „Mein Vater war eh nie da und an Mutter erinnere ich mich kaum. Da ist niemand, den ich vermissen würde. Ich wüsste auch nicht warum.“, erst der nächste Satz wurde mit tieferer Stimme gesagt, „Mokuba ist da natürlich eine Ausnahme.“ „Natürlich.“, bestätigte Katsuya sofort, „Ich meine nur... hast du nie jemanden vermisst, an den du dich wenden kannst, wenn du nicht weiter wusstest?“ „Möglich. Aber die Rolle hätten meine Eltern eh nicht ausfüllen können.“ „Warum?“, sie hatten zumindest die Lebenserfahrungen gehabt, oder? „Weil sie mit ihren Gedanken woanders waren als bei mir.“, meinte Seto nur, „Diese eben beschriebene Rolle nehmen Noah und Yami ein. Je nachdem, mit was ich nicht weiter weiß, wende ich mich an sie. Und sie würde ich auch vermissen, gäbe es sie nicht.“ „Yami scheint nicht ganz so ersetzbar zu sein, wie du mir mal einreden wolltest.“, neckte Katsuya ihn, um den Stich zu überspielen, dass er nicht Teil dieser Menschengruppe war. „Eine Menge Dinge scheint mir nicht so ersetzbar zu sein, wie ich es bisweilen gern hätte.“, Setos Hand strich Katsuyas Unterarm hinab und schnappte sich die Hand des Jüngeren Okay. Langsam wurde es besorgniserregend. Entweder war Seto seit dem Morgen extrem stabil, sich seiner Gefühle bewusst und sich nicht zu schade diese auszudrücken oder er spielte Katsuya schon den ganzen Tag etwas vor. So sehr es ihn auch freute, aber so viel Gesülze kam einfach nicht aus dem Mund eines Seto Kaibas. „Seto, zieh die Maske ab.“, befahl der Jüngere schon fast kalt – er zuckte ob seiner eigenen Stimme zusammen. „Nein.“, erwiderte der Fahrer nur ruhig und ließ die Hand los, als wäre sie glühendes Eisen, „Wahrscheinlich würde ich uns vor die nächste Laterne setzen.“ „Was ist los mit dir?“, warum klang er so kalt? Warum klang er so wütend? So... enttäuscht? Er wollte Seto nicht so anfahren! Was war denn bloß los mit ihm? „Ich bin am Ende. Ähnlich wie du, denke ich. Aber lass uns das bitte besprechen, wenn wir zuhause sind. Ich will uns nicht gefährden.“ Katsuya presste die Lippen zu einem Strich zusammen. In ihm kochte es und er wusste nicht warum. Er wollte Seto zusammenschreien. Aber warum? Warum war er so sauer? Er schluckte. „Nur eine Frage...“, er ließ eine Pause, damit Seto ihn unterbrechen konnte, wenn er wollte, „Das... das hat... das ist nur Stress, oder? Das ist nichts zwischen uns?“ „Es ist nur Stress.“, bestätigte der Fahrer. Zumindest wollten sie das wohl beide glauben. Unabhängig davon, ob es irgendetwas gab... aber was sollte es schon geben? Der Sex war gut, sie verletzen sich nicht gegenseitig, er hatte genug zu essen, zu trinken, wurde gefördert und gefordert... Katsuyas Körper sackte zur Seite, sodass seine Stirn auf der kalten Fensterscheibe zu liegen kam. Was fehlte, war die Entspannung. Einfach mal zusammen zu sitzen – nicht wegen Besprechungen, wegen Essen oder irgendeinem neuen Anfall. Sie hatten noch nie einfach mal einen Film zusammen gesehen. Hatten noch nie ein Date – wenn man Spaziergänge mitten in der Nacht wegen zu viel Kaffeekonsum abzog. Obwohl genau das es gewesen war. Sie hatten um ein Uhr morgens auf einer Parkbank gelegen und die Sterne angesehen. Eigentlich... waren sie zusammen einkaufen, waren im Restaurant gewesen, hatten stundenlang vor der Couch im Wohnzimmer gelegen. Da war Entspannung. Aber der ganze Stress überlagerte diese Erinnerungen. Wenn das alles jetzt vorbei war, würde er die Ruhe wahrnehmen könnten? Die Sinnlichkeit, die Romantik dieser Beziehung? Bei allen Göttern, jetzt wurde Katsuya definitiv schmalzig. So pathetisch wollte er sich nicht anhören. Aber wie sagten die Kitschfilme? Liebe verarbeitete das Hirn zu Matsch. Wie viele von Setos Sprüchen hatte er heute wohl ehrlich gemeint? „Hey, Seto...“, mit einem leichten Lächeln richtete er sich auf und sah zu seinem Freund – und Vormund, nicht zu vergessen. „Ich verspüre das tiefe Bedürfnis dich anzugiften, bitte gib mir keine Gelegenheit dazu.“, schnitt Seto ein. „Ähm... okay...“, mit einem kaum hörbaren Seufzer ließ Katsuya sich in den Stuhl sinken. „Wir... sind zuhause.“, stellte er fest, nachdem Seto die Tür hinter ihnen geschlossen hatte – und bewegungslos stehen geblieben war, nachdem er das getan hatte. „Ja...“, die Hände des anderen ballten sich zu Fäusten, während seine Schultern kurz erzitterten, „Ich... werde nun versuchen meine Gefühle auszudrücken.“ Katsuya nickte bedächtig, obwohl Seto mit dem Rücken zu ihm stand. „Eine... Seite... möchte sich an dich drücken, dich im Arm halten und küssen.“, sein ganzer Oberkörper bewegte sich mit dem tiefen Atem im Brustkorb, „Die andere... will dich schlagen... sie will – nein – ich will... Blut sehen.“, Setos Kopf legte sich zur Seite, den Blick auf dem Schuhschrank neben sich, sodass Katsuya ihn im Profil sah, „Aber ich will dir nicht weh tun. Ich will dich nicht verletzen.“, die Lider schlossen sich langsam über den blauen Augen, „Ich weiß, ich sollte mich jetzt eigentlich um dich kümmern... aber... meinst du, du könntest mich für eine halbe Stunde entbehren?“ „Sicher...“, flüsterte der Blonde, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Stirn in Falten, „Ich werde einfach... das Abendessen kochen?“ „Ich danke dir.“, der Ältere wandte sich um, schritt ohne ihn zu berühren an ihm vorbei und stoppte am Treppenabsatz, „Dürfte ich... um noch einen Gefallen bitten?“ Katsuya schluckte. Sein Atem stieß zittrig aus seiner Nase, während er die zu Fäusten geballten Hände näher an seine Brust zog. Er wusste, dass Seto diese... Gedanken... hatte, aber er hatte es nie so direkt ausgesprochen. Was war denn bloß los? Natürlich suchte er um Verständnis, aber... seine Schultern verkrampften sich ein wenig. Auf eine gewisse Art und Weise machte diese Ehrlichkeit Katsuya Angst. „Welchen?“ „Ich werde mich im Arbeitszimmer etwas abreagieren. Könntest du bitte... einfach alle Geräusche überhören?“ „Seto...“, seine Stimme war ein Flehen, ein Hauchen. „Bitte.“ „Ich...“, Katsuya atmete tief durch, „Wahrscheinlich ist es besser so. Ich vertraue darauf, dass du weißt, was du tust. Nur...“, er stützte sich selbst am Türrahmen der Küche, „Kannst du mir versichern, dass du dich nicht selbst verletzen wirst?“ Die Antwort für gute fünf Sekunden war Schweigen. Einfach nur Schweigen. Es war also, wie er gedacht hatte – auf sein körperliches Wohlergehen war es Seto hierbei nicht bedacht, um es freundlich auszudrücken. „Nein.“, antwortete der Ältere ehrlich, „Aber ich verspreche, dass ich versuche es zu vermeiden.“ „Gut.“, Katsuyas Stimme brach noch mitten im Wort, „Ich werde in dreißig Minuten nach dir sehen. Also schließ nicht ab.“ Seto setzte seinen Weg fort. Katsuya wusste nicht, ob es schlimmer war, als er bei Setos Worten vermutet hatte. Aber eines konnte man wohl behaupten: Es war sein Vater über und über. Schwere Gegenstände, die Wände und Boden trafen, letzteres Geräusch gedämpft vom Teppich, der im Arbeitszimmer auslag. Brechendes Holz. Ein Reißen – ob Papier oder Stoff, das konnte Katsuya nicht genau sagen. Und hin und wieder traf etwas – möglicherweise Seto selbst – die Tür, was diese fast aus den Angeln springen ließ. Er rührte stur die Sauce Mornay, die er zubereitete. War es für seine Mutter so gewesen? War auch sie so vertieft in ihre Aufgabe gewesen, während ihr Mann neben ihr ihren Sohn gegen den Küchenschrank schubste, wahllos eine der von ihr benötigten Kochutensilien griff und damit auf ihr Kind einschlug? War es dasselbe Geräusch gewesen? Dasselbe Gefühl? Dieser Hauch, diese Spur von Übelkeit, die tief im Magen lag und unter die Zunge stach? Diese Angst den Blick dem Geschehen neben sich zuzuwenden? Dieses stumpfe Wissen, die kleine Stimme im Hinterkopf, die einem sagte, dass das, was man tat, falsch war? Dass man eigentlich einschreiten sollte – aber zu viel Angst um sich selbst hat? Andererseits... Seto hatte Geld genug sein Arbeitszimmer täglich neu einzurichten, wenn er wollte. War es nicht besser als Katsuya zu nehmen? Im Gegensatz zu Herrn Jonouchi konnte er sich beherrschen... meistens. Aber das Wissen darum besiegte nicht die Übelkeit erregende Angst vor dem „Was wäre, wenn...“. Es war die Möglichkeit. Das Wissen um die eigene Hilflosigkeit. Wenn Seto nur wollte, wenn er sich nur einmal nicht beherrschen würde, wenn... wenn Katsuya ihn nur einmal wieder auf die Palme brachte... er schluckte und rührte weiter. Warum hatte er plötzlich Angst vor Schmerzen? Angst verletzt zu werden? Er seufzte. Okay, zumindest das war ihm klar. Weil Seto nicht sein Vater war. Weil Seto ihm etwas bedeutete. Weil Seto bei ihm war und er bei Seto, weil sie das wollten, nicht weil sie mussten – obwohl das jetzt auch nicht mehr wirklich gegeben war... Aber Seto war nicht sein Vater, das war der Punkt. Da war kein Alkohol, dem man die Schuld zuschieben konnte. Keine Frustration wegen eines nicht vorhandenen oder schlechten Jobs. Kein kürzlicher schwerer Verlust. Nichts, was andere Menschen sonst als Ausreden für ein absonderliches Verhalten heran zogen. Seto hatte keine äußerlich sichtbaren Probleme. Er hatte praktisch kein anderes Problem als sich selbst. Und das würde immer da sein. Immer. Katsuya musste akzeptieren, dass das Seto war. Seto war der kleine Junge, der lieb um einen Kuss bat. Er war der Lehrer, der respekteinflößend und souverän eine Schule führte. Er war der leicht sadistisch-masochistische Jugendliche, der sich beim Sex austobte – austoben würde, würde Katsuya es zulassen. Und er war dieses von Wut und Hass erfüllte Wesen, das eine Etage höher ein ganzes Zimmer zerlegte, das sich in Rage an anderen vergriff und in der Besinnung sich selbst verstümmelte. Seto war das alles. Und würde es wahrscheinlich auch immer sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)