Fuyu no Maboroshi von Ange_de_la_Mort (Zexion/Xigbar) ================================================================================ Fuyu no Maboroshi - Winterillusion ---------------------------------- Fuyu no Maboroshi - Winterillusion Zexion mochte es nicht, berührt zu werden. Oder um es genauer auszudrücken: Er hatte nichts gegen Berührungen per se, sondern vielmehr etwas gegen die Personen, die sie ausführten. Beziehungsweise gegen deren Geruch. Einem jeden Wesen haftete ein ganz eigener Duft an, welcher bei einer Berührung weitergegeben wurde. Das war der Punkt, der Zexion störte, denn allein der Gedanke daran, einen fremden Geruch auf seiner Kleidung oder gar seiner Haut zu tragen – und wenn es sich auch nur um einen Sekundenbruchteil handelte –; zu riechen, wie sich der fremde Geruch mit seinem vermischte, ihm einen Teil seiner Individualität raubte, widerte ihn an. Es erinnerte ihn an Territorialmarkierungen. Und flapsig gesagt … Er wollte nicht der Baum sein, an den andere Leute pinkelten. Die meisten Organisationsmitglieder respektierten seine Abscheu und hielten einen höflichen Sicherheitsabstand ein, wenn sie mit ihm sprachen; schließlich hatten sie alle wiederum ihre eigenen Absonderlichkeiten und wussten, wie unschön es war, wenn Grenzen überschritten wurden. Nicht so Xigbar. Der machte sich immer wieder einen Spaß daraus, Zexion mit seiner Aufdringlichkeit auf den Geist zu gehen; so wie in diesem Augenblick. Er stand hinter Zexion und somit außerhalb dessen Blickfeldes, aber das machte nichts. Zexion hatte ihn schließlich bereits bemerkt, als er den Raum betreten hatte, denn die für ihn typische Mischung aus Rauch, Minze und einem undefinierbaren Rasierwasser machte eine Verwechslung ganz unmöglich. Heute roch er jedoch auch nach Blut. Und zwar nach seinem eigenen. Zexion nahm wahr, wie sich Xigbars rechte Hand – die, in der er normalerweise die Zigarette hielt – nach ihm ausstreckte. Er trat einen Schritt vor, die Hand griff ins Leere. Als er sich Xigbar zuwandte, grinste der Schütze ihn nur an und präsentierte solch blendend weiße Zähne, wie es für jemanden mit seinem Nikotinverbrauch eigentlich vollkommen ausgeschlossen sein sollte. Zexion seufzte. „Was willst du?“ Ein Schulterzucken. Das Grinsen blieb unverändert, auch, wenn einem aufmerksamen Beobachter – wie Zexion es nun einmal war – auffallen mochte, dass es doch ein wenig gequält wirkte. Schließlich gab Xigbar zu, jemanden zu brauchen, der ihn wieder ‚zusammenflickte’. „Warum gehst du dann nicht einfach in Vexens Labor und …“ Er brach ab. Gab ein sardonisches Schnauben von sich. Natürlich nicht! Einfach eine Potion zu trinken, kam für Xigbar überhaupt nicht in Frage. Denn so schlossen sich Wunden, ohne Narben zu hinterlassen, und so etwas konnte der Schütze doch nicht zulassen. Er mochte seine Narben ja. Zumindest behauptete er das. Er behauptete aber auch, dass sie gut bei Frauen ankamen, und Zexion kam nicht umhin, das zu bezweifeln. Der einzige, der sich von ihnen beeindrucken ließ, war Demyx, dem Xigbar wieder und wieder von angeblich bravourös erfüllten Missionen erzählte. ‚Angeblich’ bedeutete in diesem Falle übrigens nicht, dass die Mission nicht absolviert wurde, sondern nur, dass Xigbar ein furchtbarer Aufschneider war. So behauptete er zum Beispiel, ihm wäre eine ganze Armee entgegengetreten, wenn er in Wahrheit gerade mal ein herrenloses Hündchen aus dem Weg hatte schieben müssen. Trotzdem hing Demyx immer wieder an Xigbars Lippen. Trotzdem oder gerade deshalb. Und inzwischen schien Demyx Xigbar in einer Art verquerer Heldenverehrung als sein persönliches Vorbild auserkoren zu haben. Man konnte eigentlich nur hoffen, dass Nummer Neun niemals so werden würde wie der Schütze. Zwei von der Sorte wären zwei zuviel. „Ich möchte dich ja wirklich nicht in deinen Gedankengängen stören; sicher sind sie sehr interessant“, meinte Xigbar mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, „aber darf ich dich daran erinnern, dass ich blute?“ Das tat er auch. Und zwar nicht zu knapp. Zexion legte den Kopf schief und seufzte, wobei sich die Haare vor seinem rechten Auge beinahe unmerklich bewegten, nickte dann nur. Wieso eigentlich nicht? Er hatte im Moment sowieso nichts Besseres zu tun. *** Normalerweise gebot es die Höflichkeit, anzuklopfen, ehe man das Quartier eines der anderen betrat, doch in diesem Falle konnte man wohl eine Ausnahme machen. Außerdem war es nicht so, als würde er Xigbar mit seinem Erscheinen überraschen. „Na endlich“, wurde ihm auch sogleich entgegengeschnarrt und Xigbar holte schon Luft, um weiter zu sprechen, wurde aber durch Zexions kühlen Blick zum Schweigen gebracht. „Dir ist klar, dass ich meine freie Zeit für dich opfere? Also sei still oder du kannst jemand anderen um Hilfe bitten. Zum Beispiel Saix.“ Das hatte gesessen. Wusste doch jeder, dass Xigbar und Saix sich nicht mochten. Es hatte etwas damit zu tun, dass der Berserker als Xemnas’ rechte Hand fungierte und somit die praktische Nummer Zwei der Organisation darstellte, was Xigbar natürlich nicht gerade erfreute. Wie auch immer. Xigbar hielt den Mund – ein durchaus seltener und daher zelebrierenswerter Umstand – und zog das Hemd aus, damit Zexion die drei parallel verlaufenden Wunden auf seiner Brust begutachten konnte. Ein Nicken. Sah zwar sehr schmerzhaft aus, würde Xigbar aber nicht umbringen. Nicht, dass ihn irgendetwas umbringen könnte. Der Mann war wie Unkraut. „Das wird jetzt wehtun“, sagte Zexion knapp und drückte das Tuch, welches er zuvor mit Desinfektionsmittel getränkt hatte, auf Xigbars Brust. „Was du nicht sagst“, kommentierte der Schütze die Augen verdrehend und sog dann scharf die Luft ein. „Au, verdammt! Geh sanfter mit mir um!“ „Du zerbrichst schon nicht.“ Nachdem er sicher sein konnte, dass die Wunden ausreichend gesäubert waren, griff Zexion nach Nadel und Faden. „Wie ist das überhaupt passiert?“ Xigbar gestikulierte wild und begann mit dem obligatorischen ‚Du weißt ja, wie das ist …’ Nun, um genau zu sein, wusste er das nicht. Aber er war sicher, dass es ihm gleich erzählt werden würde – ob er wollte oder nicht. So war es auch. Und wenn man die übertrieben genauen und mit unwichtigen Details gespickten Ausführungen des Schützen auf das Wesentliche zusammenfasste, kam folgendes dabei heraus: Xigbars ursprünglich vollkommen alltägliche Mission wurde einzig dadurch erschwert, dass er mit den Tücken des Dschungels zu kämpfen hatte. Vor Zexions geistigem Auge formte sich sofort das bizarre Bild des Schützens, wie er wilde Urwaldschreie ausstieß und an einer Liane von Punkt A zu Punkt B schwang; und das nur, weil Xigbar jemand war, der mit Sicherheit glaubte, dass so etwas zu einem Dschungeltrip einfach dazugehörte. Er verdrängte den Gedanken, ehe er in einen uncharakteristischen Lachanfall ausbrechen konnte. Weiterhin berichtete Xigbar, wie er sich nicht nur einen Weg durch das ‚beschissene Grünzeug’ bahnte, sondern auch Zeuge einer durchaus seltsamen Szene wurde: Dort, mitten im Nirgendwo, sang und tanzte ein Bär. Daneben saßen ein Junge, der begeistert zuhörte, und ein Panther, der sich verzweifelt die Ohren zuhielt. Normalerweise hätte Xigbar eine solche Szenerie fluchtartig verlassen, doch der Junge interessierte ihn. Ein Kind, das sich mit wilden Tieren verstand, musste ein starkes Herz haben. Und so griff er an. Natürlich tauchten in seiner Schilderung plötzlich zig Bären auf, um seinen Kampf heldenhafter darzustellen und zu vertuschen, dass er einfach nur nicht aufgepasst hatte. So konnte der Panther ihn erwischen. Zexion legte seufzend die Nadel zur Seite und nickte Xigbar zu. „Sei so gut und stürz dich nicht gleich wieder in den nächsten Kampf. Ich habe nicht immer Zeit, um dich-“ Der Rest seines Kommentars blieb ihm im Halse stecken, als sich Xigbars Lippen auf seine eigenen legten. Die Berührung war so kurz, so flüchtig, dass Zexion glaubte, es sich eingebildet zu haben. Doch Xigbar grinste wieder. „So bedankt man sich in dieser Dschungelwelt.“ Natürlich. „Ein handelsüblicher Händedruck wäre mir lieber gewesen.“ Nachdem er alle Utensilien verstaut hatte, erhob sich Zexion und verließ den Raum. Er hatte schließlich noch zu tun. *** Im Allgemeinen gab es zwei Arten von Büchern: Solche, die noch so neu waren, dass einem die Druckerschwärze an den Fingern klebte, und solche, die schon auseinander zu fallen drohten, wenn man sie nur länger betrachtete. In ihrer Bibliothek gab es von beiden Sorten Bücher im Überfluss. In einem von ihnen blätterte Zexion gerade geistesabwesend. Zu sehr beschäftigte ihn die Szene von eben. Seine Kollegen hatten ihn schon häufiger gefragt, weshalb er ausgerechnet Xigbar in seiner Nähe tolerierte. Dafür gab es diverse Gründe, aber der wichtigste war wohl das Wissen, dass eine gemeinsame Geschichte sie miteinander verband. Braig und Ienzo hatten viele Erinnerungen geteilt. Und natürlich auch das Bett. Seit sie jedoch ihre Herzen verloren hatten, war Sexualität für Zexion zu einer Nebensächlichkeit verkommen. Ganz offensichtlich wollte Xigbar diesem Punkt wieder etwas mehr Priorität verleihen. „Du solltest wenigstens noch eine Lampe anmachen“, sagte der Gegenstand seiner Gedanken hinter ihm. „Hier ist’s ja zappenduster!“ „Und du solltest aufhören, mir hinterher zu spionieren.“ „Ich spioniere nicht!“ „Was willst du dann?“ Stille. Zexion überlegte schon, die Frage ein weiteres Mal zu stellen, als der Schütze plötzlich und schneller, als das Auge es hätte registrieren können, vor ihm auf dem Tisch saß und ihn angrinste. „Hast du gesehen, was Demyx mit seinem Mantel gemacht hat?“ Was? Das war alles? Xigbar versuchte Konversation zu betreiben, und ihm fiel nichts Besseres ein als Demyx und dessen verzweifelter Versuch, durch eingenähte Schulterpolster muskulöser zu wirken? „Wer nicht?“ Ein belustigter Zug umspielte Zexions Mundwinkel. „Sicher will er seinem Mentor imponieren.“ Daraufhin schlug Xigbar sich lachend mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. „Wusst’ ich doch, dass der Kurze scharf auf mich ist!“ „Du bist eben unwiderstehlich“, kommentierte Zexion trocken. „Und du sitzt auf meinem Buch.“ „Weiß ich. Nicht sehr bequem, wenn ich das sagen darf.“ „Xigbar, was willst du?“ „Dir sagen, dass ich mich um dich sorge!“, kam es übertrieben mütterlich und im gleichen mokierend besorgten Tonfall fuhr er fort: „Du sitzt ständig irgendwo und arbeitest. Das kann doch nicht gesund sein! Meiner Meinung nach gehörst du dringend in ein Bett!“ Zexion konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Lass mich raten: In deines?“ „Bingo!“ *** Alles, was danach geschah, nahm Zexion ausschließlich als Momentaufnahmen wahr: Wie sie beide in Xigbars Quartier landeten, der Schütze ihm den Mantel von den Schultern schob und ihre Lippen sich trafen, wieder und wieder, so fest, dass es möglicherweise Blutergüsse geben würde. Wie er seine Finger fasziniert über Xigbars Brust und damit über ihm noch unbekannte Narben gleiten ließ. Xigbar, der unter ihm die Beine spreizte. Geräuschvoller Atem, kehliges Stöhnen. Fingernägel, die sich in seinen Nacken gruben. Und über allem der Geruch von schweiß, Ekstase und absoluter Erfüllung. Als Xigbar einige Zeit später schlief und Zexion sich langsam anzog, dachte er daran, welche Überraschungen das Leben doch so für einen bereithielt. Damit meinte er weniger Tatsache, dass er mit Xigbar geschlafen hatte. Das war unvermeidlich gewesen. Vielmehr verwunderte ihn, dass der Geruch des Schützen an ihm haftete, und es ihm überhaupt nichts ausmachte. Wahrscheinlich lag es daran, dass es umgekehrt genauso war. Xigbar roch und schmeckte nach ihm. Und Zexion gefiel das. *** Er hörte erst ein paar Tage später wieder von Xigbar. Genauer gesagt las er von ihm. Ein Dusk überbrachte ihm eine Nachricht, in der nur ein Satz geschrieben stand: Ich will dir was zeigen. ~ Xigbar Er wusste, dass der Schütze sich zurzeit auf einer Mission befand, und traf seine Vorbereitungen, ehe er sich durch ein Portal in diese Welt begab. Klirrende Kälte empfing ihn. Der Geruch von Wind und Schnee lag in der Luft. Seltsamerweise schien keine der Personen, denen er begegnete, zu frieren. Natürlich. In einer Eiswelt gewöhnte man sich an die Kälte. Dass die Leute mehrere Schichten Kleidung und Fellmützen trugen, half natürlich auch. Seufzend wickelte Zexion sich enger in den Schal und stapfte durch den Schnee. Xigbar zu finden, erwies sich als nicht sonderlich schwierig. Wie viele in schwarzes Leder gehüllte und kettenrauchende Niemande gab es hier schon? Er trat zu dem Schützen, der die Kapuze abzog und nickte, als er Zexion sah. „Was wolltest du mir zeigen?“ „Das hier.“ Zexion sah sich um und erblickte nur Schnee und Nebel. „Was?“ „Genau das hier.“ Xigbar grinste und trat die Zigarette aus. „Winter. Schnee. Nebel. Das müsste doch genau dein Element sein.“ Der Blick, den Zexion ihm zuwarf, zeigte deutlich, dass er glaubte, der Schütze hätte jetzt vollkommen den Verstand verloren. Ein Seufzen. „Du bist Illusionist, ja? Und das hier-“ Er breitete die Arme aus. „-ist nichts anderes als die Illusionskunst der Natur. In Schnee und Nebel lauern Gefahren, die man erst viel zu spät sieht. Oder Gefahren, die überhaupt keine sind. Ein einfacherer Wanderer kann im dichten Schneetreiben wie ein furchtbares Monster aussehen.“ Kopfschüttelnd zündete er sich eine weitere Zigarette an. „Die Natur gaukelt einem die schrecklichsten Dinge vor. So, wie du es tust, wenn du kämpfst. Du zeigst deinem Gegner so lange seine größten Ängste, bis er durchdreht und sich selbst das Leben nimmt. Deshalb dachte ich, dass du das hier sehen wolltest …“ Das klang erschreckend logisch. Er hätte nicht gedacht, dass jemand – geschweige denn Xigbar – sich so viele Gedanken über seine Art zu kämpfen machen könnte. Und dann noch mit solchen Parallelen. Als Zexion nicht antwortete, drehte Xigbar den Kopf ein wenig. „Was ist?“ „Ich bin geistreiche Kommentare von dir einfach nicht gewohnt“, gab Zexion zu. Xigbar mochte ein Wissenschaftler gewesen sein und intellektuell mit Zexion auf einer Ebene stehen … doch das war etwas, was Xigbar sehr gut zu verbergen wusste. „Mit irgendwas muss ich mir die Zeit ja vertreiben, während ich mir den Arsch abfriere.“ Das klang schon eher nach Xigbar. Zexion seufzte nur, nahm erst die Kapuze, dann den Schal ab und reichte letzteres weiter. „Tu mir den Gefallen und mach keine Brandflecken rein, ja?“ Zögernd wurde eine Hand ausgestreckt, die noch zögernder nach dem Kleidungsstück griff. Und dann küsste Xigbar ihn wieder. „Sagt man hier auch auf diese Weise ‚Danke’?“, wollte Zexion lächelnd wissen. Xigbar grinste zurück. „Nein. Das ist meine eigene kleine Tradition.“ Wie auch immer. Kopfschüttelnd entfernte sich Zexion, nur, um sich nach einigen Schritten wieder umzudrehen. „Und wasch ihn, bevor du ihn mir wiedergibst!“, rief er über seine Schulter, schritt dann durch ein Portal, das sich vor ihm auftat. Es überraschte ihn, dass Xigbar ihm diese Bitte wirklich erfüllte. Allerdings überraschte ihn noch mehr, dass er sich einige Tage später von ihm mit ausgerechnet diesem Schal an sein eigenes Bett binden ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)