Wünsch dir was... von Blue_XD (... oder besser doch nicht?) ================================================================================ Kapitel 1: I - 1 ---------------- An einem Sonntagmorgen, Anfang Frühling, regte sich zwischen den wiegenden Gräsern des begrünten Hinterhofes eine Gestalt, die zu den Baumkronen hinaufblickte und leise vor sich her summte. Die Sonne schien bereits so gnadenlos auf die Erde herab, als wolle sie ihre ganze Kraft beweisen und die von noch einzelnen Eiskristallen besetzte Natur von ihrer Last befreien, das reflexartiges Kopfdrehen mit begleitendem Seufzen immer dann geschah, wenn der Wind drehte und sein grüner Schattenspender sich regte. Für diese Jahreszeit eine verfrühte Hitzewelle, an die er sich erst noch gewöhnen müsse. Ihm war, als schmelze er in der Sonne dahin, so ungewohnt waren die Sonnenstrahlen, nach dieser langen Kältefront. Mit zusammengekniffenen Lidern dem Rauschen des Windes lauschen gepaart mit angeregtem Vogelgezwitscher, erwachte sein schwerer, linker Arm, hob sich träge und deckte sein empfindliches Augenpaar vor der Sonne ab, die, so glaubte er, seine erblasste Haut wieder braun werden lassen wollte. Müsse er also doch Sonnenmilch kaufen. Warum behielt Ruki mit seinen Wetterprognosen nur immer Recht? Hatte er ihm nicht bereits die Kältefront zu verdanken? Wieder ein Seufzen. Ein kleines Lächeln. Doch zum Glück war ihr Sänger so mit Worten überzeugend, das sie sich hatten dazu breitschlagen lassen, sich an einem milden Wintertag, der eher an den Spätherbst erinnerte, dick in Mäntel zu mummeln, um dann feststellen zu müssen, das der Regen ihre Outfits und ihre Frisuren zerstört hätte, noch dazu die nächsten Ferientage ohne Mäntel in aufkommenden Schneestürmen. Ihr Wetterzwerg könne, so hatte er zumindest gemeint, das Wetter schmecken. Das Reita ihn daraufhin mit Schnee beworfen hatte, war, so Reita, ein Test gewesen. Ruki hätte es ja schmecken und sich dann ducken können. Ach... Was würde er nur ohne seine Chaoten machen? Ein zufriedenes Grinsen erstreckte sich von Wange zu Wange auf seinem beschatteten Gesicht. Zaghafte, sich verratende Schritte zerstörten das Flüstern des Windes. Er musste nur lauschen, um zu wissen, wer ihn gefunden hatte. „Hab ich die Zeit vergessen, Uruha? Schon wieder?“ „Was...? Was verrät mich?“ „Deine Schritte. Reita trampelt. Kai geht energisch und Ruki... er tritt stärker auf, sicherer. Deine Schritte sind zaghaft, wie bei einem Rehkitz.“ „So? Wäre ich ein Tier, dann wäre ich es. Träumst du schon wieder?“, wollte Uruha in wenig belustigt wissen, hatte die Hände auf dem Rücken zusammen gefalten und blickte träumerisch lächelnd in den Himmel hinauf. „Schönes Wetter, nicht?“ Ein Lachen erklang leise, ließ die ungestört geglaubten Vögel in seiner Nähe aufschrecken und setzte sich auf. „Ja, aber darüber wollen wir uns nicht wirklich unterhalten, oder? Lass mich raten... Wenn ich nicht langsam im Bandraum erscheine, macht Kai mir die Hölle heiß?“ „Nicht nur Kai.“ Uruha's Blick senkte sich ein wenig besorgt auf das ihm entgegen schauende Gesicht, in welchem sich ein Grinsen abspielte. „Auch du?“ Überrascht klappte dem Blonden die Kinnlade auf. „N-nein!“ „Dann werden die anderen nichts sagen. Es ist ja nicht so, das ich ständig zu spät bin. Danke, das du mich gefunden hast, aber auf die Idee zu kommen, mich anzurufen, das kommt ihnen nicht?“ „Du hast dein Handy liegen lassen, Aoi.“ „Tatsächlich...? Sonst ist Kai immer derjenige... Okay, ein Grund mehr, genervt zu sein. Mist... Auf einer Skala von eins zu zehn?“, wollte Aoi den Ernst ihrer Situation herabspielen, klopfte sich den imaginären Staub von der Hose und trat neben Uruha, um ihn in den Gebäudekomplex zu folgen. „Kai vier, Reita beunruhigt ihn, Ruki eins, aber er schaut traurig aus und Reita...“ „Zehn?“ „Ja.“ „Das hat er oft.“ „Zu oft.“ „Das wird schon.“ „Da bin ich mir nicht so sicher. Er wird wieder schreien.“ „Lass das mal meine Sorge sein, ja?“ Sie waren stehen geblieben, als wollten sie das Gespräch dadurch beenden, und standen einander gegenüber. Aoi's Hand ruhte beruhigend auf Uruha's Schulter, übte kurz einen bestimmenden Druck aus und entfernte sich rasch wieder. „Aus einer Maus macht man keinen Elefanten... „Und aus einem Elefanten keine Maus.“, ergänzte Uruha weniger beruhigt und musterte Aoi bedrückt, dessen Haare im Wind tanzten. Wie schön er doch wieder aussah... „Hey träumst du wieder...?“ „Lass mich die letzten Sekunden meines Lebens noch genießen, Uruha...“, meinte Aoi mit melodramatischer Stimme, zerstörte den Ernst jedoch mit einem belustigten Zwinkern und lachte dunkel auf. Ein angenehmes Schaudern legte sich wie eine zweite Haut auf Uruha's Arme und Nacken und ließ die feinen Härchen erwachen. Rasch strich der Blonde sich über die nackten Unterarme. „Der Wind kommt auf.“, versuchte er von sich abzulenken und blickte wieder, die warmen, rosa Wangen wegdrehend, gen Himmel, folgte einem Vogel in seiner Flugbahn, bis dieser hinter dem Wipfeln mehrerer Bäume verschwand, die das Areal von den ruhelosen Straßen der Stadt abgrenzten. Nervös schluckte er, um seiner trockenen Kehle etwas Flüssigkeit zukommen zu lassen. Er musste etwas zu sich nehmen. Etwas gegen seine Nervosität, die Aoi in ihm vor rief. „Gehen wir rein, bevor Reita endgültig ausrastet und wir keinen Drummer mehr haben.“, schlug Uruha vor und richtete seinen Blick wieder auf Aoi, der ihn seltsam reglos betrachtet zu haben schien. Hatte seine Ablenkung nicht funktioniert?! Hatte er es bemerkt?! Eine Strähne seines honigblonden Haares kitzelte seine Nase. Sein panischer Gedankengang brach ab. Er musste niesen. Fast schon süß, sah es aus, wie er sich verlegen die Nase bedeckt hielt. Unwirsch strich er die Strähne beiseite, die sich in sein Gesicht verirrt hatte, und grinste leicht. „Entschuldigung.“ „Nicht dafür. Findest du die Natur nicht auch bemerkenswert? Anfang Frühling ist sie besonders schön.“, lobte Aoi seine Beobachtung und warf einen kurzen Blick über ihren Schultern, da sie weiter hinein gegangen waren und die Tür sich allmählich hinter ihnen schloss. „Ja, das ist sie.“, stimmte Uruha wahrheitsgemäß zu, worauf der Schwarzhaarige ihn lächelnd von der Seite ansah und zufrieden nickte. „Wir könnten ja mal wieder Picknicken gehen, wenn du möchtest. Dann können wir uns auf Decken legen und den Himmel betrachten. Über alles und jeden reden. Einfach Spaß haben. Das haben wir schon ewig nicht mehr getan. Vielleicht wollen die anderen auch mit?“ Der Blonde war von der Idee so begeistert, das sich sein ausbreitendes Lächeln von Wange zu Wange zog und sogar diese leicht erröteten. Erwartungsvoll und Freudig. „Wir könnten doch auch alleine gehen, Aoi. Wir waren schon seit Ewigkeiten nicht mehr alleine unterwegs.“, bat der Größere begeistert und faltete die Hände freudig vor seiner Brust. „Da hast du Recht.“, lachte der Schwarzhaarige abermals dunkel auf und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie sich Uruha verräterisch von ihm abwandte. „Ist dir immer noch kalt?“, warf er belustigt auf und ließ den kurzweilig, erstarrten Blonden im Flur zurück. Leise auffluchend wandte sich der Gitarrist der sich schließenden Tür ihres Bandraumes zu. Das Aoi ihn immer aufziehen musste! Dann bekam er eben Gänsehaut, wenn der andere so... lachte. Sein Lachen hatte so etwas Verruchtes an sich. Dieser hinterhältige... Kapitel 2: I - 2 ---------------- Rechtschreibfehler sind Gratis +.+ ~+~ Ein gedämpfter Aufschrei war hinter der schalldichten Tür zu hören. „Kami...“ Mit großen Augen hechtete er vor, griff die Türklinke, schluckte noch einmal nervös auf und riss an ihr, um den Hinterraum preiszugeben. „Ich sagte doch, es tut mir Leid, Rei. Hör auf zu brüllen. Ich verstehe dich ganz gut. So alt bin ich noch nicht.“ „Akira...“, grollte nun auch der Drummer und der Bassist, der eben noch ein Wort des Protestes äußern wollte, verstummte schnaubend. „Gut gut... Dann schnapp dir mal deine Gitarre, du Träumer.“, wies Kai ihn lächelnd an und griff nach seine auf der Snare abgelegten Drumsticks. Erleichtert lief Uruha an Aoi vorbei und gesellte sich zu seiner eigenen Gitarre, um sie sich umzuhängen. Seine Nervosität war vergessen. „Das habe ich ihm auch schon gesagt, Kai.“ Grinsend klopfte er Ruki auf die Schulter, der aus seinem Döschen aufschreckte und sich verschlafen die Augen rieb. Er blickte zu dem Blonden auf, verweilte kurz in dessen Gesicht, und sah sich mit einem Lächeln auf den Lippen nach ihrem schwarzhaarigen Gitarristen um. Während Uruha sich wieder entfernte, erhob sich Ruki von der von ihm ausgesuchten Designercouch nahm sein Mikro vom Ständer. „Wir wollten schon eine Vermisstenanzeige aufgeben.“, meinte er scherzhaft zum Ältesten, der inzwischen seine Gitarre schulterte. „So? Hm... Heiß, Gutaussehend, Sexy?“, fragte der Schwarzhaarige interessiert und suchte in seinen Hosentaschen nach seinem Plektrum. „Ich wäre für etwas Schlichteres, zumal diese Begriffe nicht wirklich aussagen, um was es sich nun eigentlich handelt. Wie wäre es mit: Unverschämt gutaussehender junger Mann wird vermisst?“, schnarrte der Sänger und warf unauffällig einen Blick zu Uruha, der versuchte, Aoi möglichst unauffällig zu begaffen. Genervt verdrehte Ruki die Augen und seufzte leise, was niemand zur Kenntnis nahm, da sowohl Aoi als auch Kai lachten. Verlegen fuhr sich der Schwarzhaarige durch die Haare und gab es auf, nach seinem Plektrum zu suchen. „Gefällt mir, aber meinst du nicht, da meldet sich die ganze PSC?“, erwiderte Aoi belustigt ungeachtet dem Ton gegenüber, den Ruki angeschlagen hatte, und kippte den Schalter an seinem Verstärker um. „Es gibt sicher einige unter uns, die so schlau sind, und dem Massenanlauf nicht folgen würden oder jene, die es im Stillen genießen, gut auszusehen, um andere damit nicht zu belästigen...?“ „Ruki, es reicht jetzt.“, meldete sich Reita zu Wort und zupfte scheinbar gelangweilt an den Saiten seines Basses. „Was mache ich denn?“, erwiderte der Sänger genervt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist doch nur Spaß, Rei.“, wollte Aoi schlichten und erhielt einen ausweichenden Blick. „Stimmt doch, oder Ruki?“ Aoi's freundliches Lächeln ließ dessen aufkeimende Worte im Keim ersticken. Jetzt fühlte er sich mies. Er hatte es schon wieder getan und es war ihm nicht einmal bewusst aufgefallen. „Ja, nur Spaß. Tut mir Leid.“, sprach der Sänger ehrlich aus und schloss beide Hände um sein Mikro. Da Kai die umschwenkende Stimmung seiner Freunde bemerkt hatte, entschloss er sich zu einer Spontaneinlage seines Könnens: Ein Schlag auf die Snare und die Jungs zuckten zusammen. „Gut ist jetzt. Keine Streitereien ja? Fangen wir an. Ach und Aoi?“ „Ja?“ „Darunter hätte gestanden: zur Belohnung gibt es ein Date mit dem Gefundenen.“, sagte er bestimmend und zwinkerte Uruha zum, dem die Gesichtszüge entgleist waren und sein Plektrum völlig talentlos über die Saiten schrammen ließ, um es schließlich kraftlos zu Boden fallen zu lassen. Leider mit angeschlossenem Verstärker. Nun war alle Aufmerksamkeit auf Uruha gerichtet, der sich rasch und seine Gitarre fest umklammernd vornüber neigte, um seine rote Gesichtsfarbe zu bedecken. „Kommt nicht wieder vor!“ Wie ungeschickt... Hatte Kai... Nein... Unglauben über das Gesagte ließ seine aufgekommene Freude rasch wieder abflauen. Jetzt bildete er sich schon Sachen ein... „Dann schulde ich dir wohl ein Date, Uruha, hum? Sag mal, hättest du vielleicht ein Plektrum für mich? Ich finde meines nicht mehr und hab keinen Ersatz mit. So was Dummes...“ „Eh... n-na klar...“, antwortete der Blonde, hielt den Kopf aber noch immer gesenkt und tastete nun seine eigenen Taschen ab, bis er eines gefunden hatte. Er hielt es ihm vor die Nase und sah noch immer zu Boden. Verdammt! Warum musste er auch immer rot werden!? „Danke dir.“, sagte Aoi und nahm es sich, wobei er Uruha's Hand ungeschickter Weise berührte und sich schließlich wegdrehte, um seinen Platz einzunehmen. Uruha, der leicht zusammen gezuckt war, nickte hastig. „Gerne doch.“, meinte er etwas lauter als beabsichtigt und versuchte mit Müh und Not seinen Herzschlag unter Kontrolle zu halten. Seine Mundwinkel hatten sich unwillkürlich bei der kleinen Berührung gehoben. Er grinste wohl nun dümmlich vor sich hin, aber da er dies des öfteren tat, durfte wohl das kleine Zucken seiner Mundwinkel niemanden mehr etwas ausmachen. „Uruha!“ Jemand räusperte sich lautstark. Uruha's Kopf ruckte hoch. „Hm?“, erwiderte der Blonde verwirrt und wäre im nächsten Moment am liebsten im Erdboden verschwunden. Sein Gesicht! „Wird wären dann bereit?“, warf Kai belustigt ein und warf einen Seitenblick auf Aoi. Dieser Idiot blickte nicht einmal auf! „Geht es dir gut?“, wollte Ruki an dessen Stelle wissen und stupste den erstarrten Uruha mit einem Finger an. Da dieser jedoch nicht vollständig zur Salzsäule erstarrt war und somit nicht nach hinten kippte, sah dieser ihn nur aus großen Augen fragend an. „W-was?! Natürlich bin ich okay...“, murmelte er beschämt und lächelte ihm kurz überzeugend zu. „Fangen wir an?“ Kurz sah ihn Ruki noch traurig an, bevor auch er nickte und die Probe endlich beginnen konnte. Uruha spielte überraschen gut in den nächsten Stunden und immer wenn man zu ihm sah, erkannte man, das der Blonde wirklich in seiner Rolle aufging. Mochte er noch so schüchtern sein, so bügelte er es mit einem ausgezeichneten Gitarrenspiel wieder aus. Reita hingegen war es, der seit nun fast schon zwei Wochen höchst unkonzentriert spielte. So wie auch heute. Als er es zum wiederholten Male schaffte, sowohl Ruki als auch Kai aus dem Konzept zu bringen, was wiederum Uruha und Aoi aus ihrer Trance riss, was ihr Spielen unterbrach, legte Kai seufzend seine Sticks ab und wandte sich mit ernster Miene an ihren Bassisten, der den Kopf hängen ließ und unruhig von Hand zu Hand blickte. "Rei, was ist denn wieder los mit dir?", wollte Kai mit noch ruhiger Stimme wissen und hielt die Hi-Hat zwischen Daumen und Zeigefinger, um ihren ausklingenden Ton zu unterbrechen. Ruki's Mikro senkte sich, sowie der Gitarristen Gitarren, über die bedrückende Stille. Aller Augen waren nun besorgt auf ihren blonden Bassisten gerichtet. „Es ist nichts.“, schmetterte Reita trotzig ab und verschränkte die Arme in sicherer Entfernung zum Bass vor der Brust. Sein Blick wanderte ruhelos auf. "Gab es wieder Ärger mit einem Mädchen?", fragte Ruki vorsichtig und sah bedrückt zu ihm auf. In den letzten Wochen war es häufiger vorgekommen, das Reita während des Proben angerufen wurde, es ignorierte, bis es die Probe unterbrach, oder Reita wüste Beschimpfungen aussprach, auf die sich die GazettE-Jungs keinen Reim machen konnten. Was tat er nach den Proben...? Tag für Tag schien es, als würde er willige Mädchen abschleppen. Er verschwand mit ihnen in fremden Gebäuden, meist Love-Hotels, nachdem er sie umgarnt hatte, ihnen versprach, die Welt zu Füßen zu legen, vögelte sie dann bis fast zur Bewusstlosigkeit durch und ließ sie danach links liegen. Natürlich ließen seine One-Night-Stands sich das nicht bieten und wenn Reita so schlau war und ihnen auch noch seine Handynummer gegeben hatte, oder die Mädels mit anderen Methoden an seine Nummer kamen, dann war Ärger natürlich vorprogrammiert. Ausreden, wie Beispielsweise, das Reita Vater werden würde wurden erfunden und immer antwortete der Bassist, das er für die Abtreibung persönlich bezahlen würde, jedoch unter der Bedingung, das er vorher von einem Arzt eine Bescheinigung bekommen würde, das eine seiner One-Night-Stands wirklich Schwanger wäre. Reita war vielleicht ein Herzensbrecher, aber pflichtbewusst war er dennoch. Doch da natürlich keine dieser Aussagen jemals gestimmt hatten, musste er weder etwas zahlen, noch meldeten sich diese Frauen jemals wieder bei ihm. Trotz alledem, konnte das nicht länger so weitergehen! Die anderen GazettE-Members hatten zwar geahnt, das sie irgendwann mit Reita darüber reden mussten, aber das er gerade heute sein würde, hatte niemand von ihnen ahnen können. Mit ihm reden als Freunde und besorgte Kollegen. „Es ist nichts.“, brummte der Bassist abermals und gab es auf, Ruki fixieren zu wollen. Er konnte niemanden in die Augen sehen. Niemanden, bis auf einem... „Ich bin nur schlecht drauf und hatte Ärger...“ „Magst du deinen Freunden nicht erzählen, was los ist, Rei?“, schlug Aoi vor und hängte seine Gitarre ab. „Warum sollte ich? Es sind meine Probleme und bleiben es auch.“ „Das ist zwar richtig, aber Aoi hat Recht. Wir sind Freunde und wenn du Probleme hast, kannst du damit jederzeit zu einen von uns gehen oder es in gemeinsamer Runde ansprechen. Das es dir nicht gut geht und Probleme hast, schneidest du seit vielen Tagen immer wieder an, aber du redest nicht mit uns. So funktioniert das nicht.“, stimmte dem Kai zu und trat hinter seinen Drums vor. „Wir machen uns Sorgen, Akira.“, meinte nun auch Ruki und hängte sein Mikro ein. Für heute war die Probe wohl wieder frühzeitig vorbei. „Kann ich eben nicht, okay?! Machen wir nun Musik oder nicht?“ „Wie denn, wenn du dich ständig verspielst? So wird das nichts, Rei... Die Probe ist beendet.“ „Danke, Ruki.“, warf Kai belustigt ein und fixierte erneut den Bassisten. „Magst du wirklich nicht reden? Brauchst du eine Pause? Doch überlege dir gut, was das für alle bedeuten würde.“ „Ich brauche keine Pause! Und ich möchte auch nicht darüber reden, okay?!“, fuhr Reita den Drummer an und hängte seinen Bass ab, nur um seine nun freien Hände unbemerkt zu Fäusten zu ballen. Fassungslos, ja leicht empört, schnappte Kai nach Luft. Warum wollte der andere sein Verhalten nicht erklären? So konnten sie ihm doch niemals helfen! „Bist du ganz sicher...?“, fragte er deshalb mit zittriger Stimme nach, lockerte die verschränkten Arme und ballte sie nun ebenfalls zu Fäusten. Und damit brach das Unwetter aus Kai aus. „Gut, wenn du es deinen FREUNDEN nicht sagen möchtest, dann lass mich mal raten, lieber Akira. Du hast mit jemanden von der ganz hohen Sorte geschlafen und das arme Ding ist jetzt schwanger?! Sie macht dir mächtig Ärger, erpresst dich vielleicht sogar und zwingt dich dazu, bei ihr zu sein?! Dann geh doch zu ihr! Sind ja nur deine FREUNDE, die du zurücklässt! Irgendwann musst du ja mal für deine verschwenderische Art die Rechnung bekommen! Hoffentlich lernst du daraus und hörst auf, jeden Tag mit irgendwelchen anderen Frauen zu schlafen! Verschwendest eigentlich auch einen Gedanken an uns, bevor dir den Plan fasst, jemanden abzuschleppen? Denkst du an die Band?Was verdammt... ist los, hum?“ „Was fällt dir eigentlich ein, so über mich zu urteilen?! Keines dieser Mädchen ist jemals schwanger geworden und das wird auch so bleiben! So leichtsinnig bin ich nicht, denn ich denke sehr wohl an den Ruf der Band. Außerdem geht es dich gar nichts an, was ich in meiner Freizeit mache! Ich brauche einfach nur Zeit zum Nachdenken. Das ist alles. Ich werde jetzt gehen. Viel Spaß noch beim Proben.“ „Aber Reita...?“, machte Uruha unsicher und blickte ihn verständnislos zwischen den Strähnen seines Pony's vorbei an. Gereizt fuhr der Bassist herum. „Was noch?!“ Der Blonde zuckte verschreckt zusammen und versteckte sich hinter Aoi's breitschultrigen und durchtrainierten Rücken. Amüsiert, fast böse, lachte Reita auf. Dabei war er unwillkürlich einige Schritte vorgelaufen, nur um vor Aoi, der ihn warnend aus seinen dunklen Perlen fixierte, zu verharren. Belebt überschlug sich sein Herzschlag. Erleichterung, aber auch Angst, ließen seine Fassade unruhiger werden. Aoi ignorierend, was ihm sichtlich schwer fiel, richtete er seine Wut auf den blonden Gitarristen, der, obwohl er größer wie Aoi war, sehr viel kleiner hinter dem Schwarzhaarigen wirkte. „Ja... verstecke dich nur weiterhin brav hinter Aoi. Ohne ihn wärst du doch gar nichts! Mach endlich deinen Mund auf, oder ich werde es tun! Feigling... Du gehst mir auf die Nerven!“ Der Angeschriene sah den Anderen aus tellergroßen Augen an und wich weiter zurück, nur um gegen die Kante der Couch zu stoßen. „W-warum s-sagst du so was Rei...“, murmelte Uruha mit Trauerkloß im Hals und zitterte merklich. „Akira, es reicht!“, warnte Ruki und hielt den Bassisten an den Schultern fest, da jener im Begriff gewesen war, weiter auf den Blonden zuzugehen und wer weiß was mit ihm anzustellen! Doch der Bassist riss sich los. „Fass mich nicht an!“, brüllte er den Sänger an und wandte sich wieder Uruha zu. „Keinen Schritt weiter, Akira! Bitte lass Kouyou in Ruhe und geh einfach.“, bat ihn Aoi, der noch immer schützend vor dem zitternden Bündel stand. Der Angesprochene zögerte in seiner Bewegung und blickte den Schwarzhaarigen erbost in die Augen. Fehler... Je länger der Blickkontakt währte, desto weicher wurden Reita's Gesichtszüge und die Anspannung seines Körpers, nahm deutlich ab. Sein Herzschlag dröhnte ihn in den Ohren. Er wollte sich festhalten, denn seine weichen Knie wollten dem Halt nicht länger stand geben, doch seine Zunge wollte nicht, wie er wollte. Während Reita's Fassade endgültig den Bach hinunter ging, konnte Aoi Wut, aber auch Schmerz in Reita's Augen erkennen. „Aki, was ist los?“, wollte Aoi mit ruhiger Stimme wissen und hob die Hände, um ihm eine Stütze zu sein, doch der Blonde wich zurück. Niedergeschlagen und verständnislos seufzte der Gitarrist auf und ließ die Arme wieder sinken. Konnte es sein, das... „Aki, ich...“, begann der Schwarzhaarige zerstreut, wurde jedoch von Kai unterbrochen, der an der Tür des Bandraumes stand und sie gerade öffnete. „Es ist besser, wenn du jetzt gehst, Reita. Ich verschaffe uns eine freie Woche. Ich hoffe, das wird reichen, um nachzudenken. Komm bitte wieder zur Vernunft...“ Reita verstand, senkte kraftlos die Lider und wandte sich von Aoi ab, um seinen Bass schulterte und fluchtartig aus dem Bandraum marschierte, „Macht's gut!“ „Das klang fast nach einem Abschied...“, merkte Ruki etwas verängstigt an und erhielt bedrückendes Schweigen. „W-was... ist nur m-mit ihm?“, warf Uruha bedrückt in die Runde und ließ sich auf der Bandcouch sinken. Tränen kullerten ihm über die Wangen und bevor es jemanden auffallen konnte, vergrub er sein Gesicht schnell in den Händen. „Das wüssten wir auch gerne. Mir... gefällt das nicht. Da steckt mehr dahinter. So aufgelöst und zerstreut habe ich ihn noch nie erlebt.“, wisperte Ruki fassungslos in den inzwischen totenstillen Raum. Niemand wagte es sich zu bewegen. Wie erstarrt blickten sie zur Tür, als hofften sie, sie würde sich jeden Moment öffnen und Reita käme gut gelaunt und gelöst durch die Tür. „Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Wir sehen ihn in einer Woche... Dann...“, versuchte Kai unbesorgt zu sprechen, doch unterbrach ihn Aoi's Seufzen. Fast erleichtert über etwas Normalität, beobachtete er, wie Aoi sich besorgt neben Uruha setzte und ihn in seine Arme zog. Seit er die beiden kannte, war das der normale Umgang zwischen den besten Freunden. Etwas Geknickt gesellte er sich zum einsam dastehenden Ruki und legte einen Arm um dessen Schulter. „Aoi kümmert sich schon um ihn... Wollen wir...?“ „Aber... Was soll Uruha sagen...?“, flüsterte der Sänger fragend zurück und hob den Kopf. „Ach Ruki...“, seufzte Kai kopfschüttelnd und lächelte über die Blindheit ihres sonst sehr aufmerksamen Sängers. „Später ja...?“ „Gut.“, beendete Ruki ihre Unterhaltung lächelnd und bedachte die beiden Gitarristen mit einem verständnislosen Blick. ~+~ Beruhigend strich Aoi dem Blonden über den Rücken, während dieser sich an ihn lehnte und verhalten schniefte. Hatten ihn Reita's Worte wirklich so sehr verletzt...? Er nahm Uruha doch gerne in Schutz...? Und was sollte er wem sagen? Ein Schluchzen riss den Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken. Nach mehrmaligen Blinzeln, erkannte er eine Hand, die sich vor seinem Gesicht auf und ab bewegte. Wie automatisch folgte er der Bewegung ein zwei Male, bis er irritiert innehielt. „Aoi, wo bist du mit deinen Gedanken?“ Es war Ruki, der ihn ansprach. Er selbst senkte den Blick auf Uruha. Dieser schien an seiner Brust eingedöst zu sein. Nur ab und zu schluchzte der Blonde noch auf. Seine Hand hatte sich in sein Muskelshirt verkrallt. Der Schwarzhaarige hatte es gar nicht mitbekommen, so sehr war er in Gedanken gewesen. „Irgendwo...“, murmelte Aoi zur Antwort und strich Uruha sanft über den Rücken. Diese kleine Geste brachte den blonden Gitarristen dazu, seine geröteten Augen verschlafen zu öffnen und aufzuschauen. Rasch nahm er seine Hand von Aoi's Brust, sowie er sein Klammern bemerkte, und bekam einen leichten Rotschimmer auf den Wangen. „Hab ich dich geweckt?“, fragte der Ältere und sah den anderen entschuldigend an. „Nein, hast du nicht. War nur kurz... weg.“ „Hm... Du träumst du viel.“, neckte Aoi ihn aufmunternd und stupste dem Blonden mit dem Zeigefinger auf die Nase. „Das sagt der Richtige.“ „Das hab ich jetzt mal überhört. Geht es dir besser?“, wollte Aoi wissen und knuffte den kichernden Uruha in die Seite, der wegzuckte und verspielt nach seiner Hand ausschlug. Als wäre es ihm wieder eingefallen, was ihn bedrückte, senkte Uruha den Blick, sowie seine Mundwinkel. „Ich verstehe nur nicht, warum Reita so ausgerastet ist...“, murmelte er mehr zu sich selbst und schmiegte sich wieder ein wenig mehr Unterstützung und Nähe suchend an Aoi. Wenn Aoi's Beschützerinstinkt geweckt war, ließ er so gerne mit sich kuscheln, ohne sich zu beschweren... Ruki und Kai, die seine Worte sehr wohl verstanden hatten, da ansonsten kein anderes Geräusch die Ruhe störte, nickten zustimmend und ließen hilflos die Schultern sinken. Auch sie wussten keine Antwort darauf. „Was mich eher interessiert, denn das schien seine größte Wut auszumachen, war wohl etwas, was du jemanden nicht sagen kannst...?“, merkte dagegen der Schwarzhaarige fragend an und durchbrach die aufgekommene Stille. „Komm... lass uns unauffällig gehen, Ruki.“, meinte Kai hastig im leisen Ton und schob den gebannten Sänger von den beiden Gitarristen weg. „A-aber jetzt wird es doch spannend!“, erwiderte Ruki im gebrüllten Flüsterton und ließ sich widerwillig zur Tür schieben. Gegenwehr wäre bei Kai's starken Armen im Keim erstickt worden, befürchtete der neuerdings Brünette. „Warte es ab. Später wirst du sicher mehr erfahren. Die beiden brauchen jetzt Zeit für sich.“ „A-aber...“ „Nichts aber, Ruki. Los, komm...“ „Wo wollt ihr denn hin?“, kreuzte Aoi ihren Plan, der vergeblich auf eine Antwort Uruha's gewartet hatte und enttäuscht worden war, denn zu mehr, als sein verlegen, rot gewordenes Gesicht in seine Halsbeuge zu legen und seine zitternde Hand auf seinen Arm, war nichts über die Lippen des Blonden gepurzelt. Nichts... Also ließ Aoi dem anderen Zeit und riet davon ab, ihn weiter bedrängen zu wollen. Er wartete wieder. Er würde der Letzte sein, Uruha zu verunsichern und ihn damit von sich drängen. Käme Uruha nicht von sich aus auf ihn zu, wäre jeder Druck, der auf den Schultern des Schüchternen lastete, eine Bedrohung ihrer Freundschaft. Er kannte dieses Hin und Her doch genügend von früher. Sowohl Kai, als auch Ruki, waren merklich zusammen gezuckt. Während Kai Uruha fragend, aber auch enttäuscht über Ruki's Kopf hinweg fixierte, beäugte dieser zunächst das zitternde Bündel, eher er sich dem Schwarzhaarigen zuwandte. „Was hat er denn?“ „Ruki...!“, zischte Kai hinter ihm und krallte seine Hände mit etwas Druck in dessen Schultern. „Ruki und ich gehen shoppen! Wir würden euch gerne etwas... ehm... Zeit... geben. Alleine.“ „Eher du, Kai.“ Ruki zog eine Schnute. „Aua!“, stieß er kurz daraufhin aus, als der Druck auf seinen Schultern größer wurde. „Eh... Shoppen???!“, lenkte er von sich ab und wandte sich mit begeisterten, großen Augen um. Verwirrt fiel Kai's Blick in Ruki's freudiges Gesicht. Er glaubte doch nicht etwa... „Eh... Meinetwegen.“ Eigentlich hatte er noch andere Dinge zu erledigen, aber wenn Ruki seiner Flunkerei auch noch Glauben schenkte, blieb ihm wohl nichts Anderes übrig, als dieser Farce etwas Wahrheit einzuhauchen. Da nun noch immer Uruha nicht's zu sagen zu haben schien, wandte sich Kai enttäuscht zur Tür ab. „Ich würde nur gerne den Raum abschließen... Sonst müsste einer von euch mir den Schlüssel später bringen. Ich muss Morgen früh hier sein. Schreibkram und solche Sachen und... da ich Reita nun eine Woche versprochen habe, muss ich das abklären, Termine absagen und und und.“ „Dann haben wir frei?“, wollte sich Ruki vergewissern und schaute etwas bedrückt auf. „Ja.“ „Aber... ich habe doch einen neuen Song für uns geschrieben.“ „Ich schau ihn mir später an, okay? Wir wäre es mit einem Eis?“, schlug Kai aufmunternd vor und öffnete die schwere Tür. „Uruha, komm schon...“, hörte er Aoi sagen und warf einen kurzen Blick zurück. „Okay, das ist wohl besser. Erholt euch gut und bleibt erreichbar, wenn sich etwas Neues ergeben sollte.“ „Natürlich, Kai. Pflichtbewusst wie immer.“ „Na ja...“, kommentierte der Drummer Aoi's Worte belustigt und erhielt einen Knuffer, als dieser an ihm vorbei marschierte. An seiner Seite Uruha, der sein noch immer rotes Gesicht nur soweit zu Kai drehte, das dieser ein Auge erspähen konnte. „Sag es ihm.“, formte Kai eindringlich mit den Lippen und tätschelte die Schulter des Angesprochenen. Als Uruha verstand, weiteten sich seine Augen vor Überraschungen. Wie sollte Kai davon wissen...? „Aoi, Uruha? Ich würde euch gerne in der Woche meine Ideen zur Melodie erläutern. Nehmt ihr eure Gitarren mit?“ „Du hast Recht. Wir können unsere Babies doch nicht hier lassen. Wo war ich nur mit meinen Gedanken.“, lachte Aoi kurz auf und wollte sich umwenden, als er gegen Uruha stieß, der noch immer wie in Trance zu sein schien und nicht bemerkt zu haben schien, was Ruki sie gebeten hatte.“ „Uruha, nimmst du Deine?“ „Hä...?“ Nur langsam schien der Blonde aus seiner Erstarrung zu erwachen. „Was nehmen?“ „Deine Gitarre.“ „Uhm... klar.“ Peinlich verlegen löste er seine Klammerung um den warmen Körper Aoi's, wandte sich mit diesem um und liefen getrennt auf ihrer beider Gitarren zu, um sie zu schultern. Dankbar lächelnd, hielt Ruki die Tür des Proberaumes, während Kai einige Schritte tat, um zu erst Aoi und dann Uruha zu umarmen, die ihm lächelnd entgegen gekommen waren. „Meldet euch, wenn etwas ist. Passt auf euch auf. Keine Dummheiten, ja?“ Sein fordernder Blick lag auf Uruha, der seinem Blick schluckend auswich. „Ja.“, seufzte er und ignorierte den fragenden Blick Aoi's. „Versprochen, Kai-chan.“, bekräftigte Aoi Uruha's vorangegangenen Worte, legte ihm noch einmal die Hand auf die Schulter und nahm nun auch Ruki an der Tür kurz in den Arm. Uruha und Kai fixierten sich stumm. „Mach es gut, Kouyou.“ „Mach es besser...“, murmelte der Blonde traurig, fast ein wenig bockig, und ließ sich ein zweites Mal in den Arm nehmen. „Warte nicht noch länger.“, bat Kai ihn leise und ließ Uruha über dessen Schulter hinweg zu Aoi aufschauen, der ihn aufmunternd zu lächelte. Unwillkürlich formten sich auch seine Lippen zu einem Lächeln. „Seit wann...“ „Von Beginn an.“ „Was...?“, endete Uruha verwirrt und sah dem Drummer nach, wie er sich stillschweigend von ihm entfernte, Ruki seinen Arm um die Schulter legte und ihn aus dem Raum führte, nur um vor der Tür auf die beiden Gitarristen zu warten, um abschließen zu können. Am Anfang war er noch nicht mal... „Kai?!“ „Was ist denn los?“, wollte Aoi ruhig wissen und geleitete den aus der Tür hastenden Uruha gemächlich hinterher, der zunächst einen hastigen Blick zurückwarf, ehe er Kai fragend und bettelnd zugleich fixierte. Doch der Drummer schüttelte Uruha's stumme Frage mit einem Lächeln ab. „Nein. Denk nach... Bist doch ein schlaues Kerlchen, hm...?“, warf Kai freundlich gesinnt auf und tätschelte Ruki's Schulter. „Können wir?“, wollte dieser bereits leicht genervt wissen, da er einfach nicht verstehen konnte, um welches Geheimnis es hier offensichtlich ging. „Sonst schnappe ich mir Aoi und -“, begann Ruki mit gespitzten Lippen und grapschte nach dessen Hand. Doch ehe er fortsetzen konnte, was er begonnen hatte, riss Uruha ihn von Aoi los und nahm ihn fest in die Arme. „Wir haben uns noch nicht verabschiedet, Ruki-chan.“ „Ruha...“, knurrte der Sänger und piekste den Blonden beidseitig in die Seiten, was zur Folge hatte, das Uruha's Taille der Bewegung entgegen schwang. Kichernd krallte sich der Größere um Ruki's schmale Schultern und lachte Hin und Wieder auf, wenn ihn dessen Finger doch erwischten. Aoi's belustigtes Lachen, in welches Kai mit einstimmte, ließ die beiden verwirrt innehalten und die Wangen aufplustern. Das Lachen schwoll an. „Wie nett ihr doch seid, euch über uns lustig zu machen.“, merkte Ruki beleidigt an und bedachte Kai mit einem strengen Blick, der sich den Bauch hielt und mit zitternden Händen nach dem Schlüssel in seinen Taschen suchte, um endlich abschließen zu können. Hach wo hatte er ihn denn wieder hinverlegt...? „Suchst du den?“, lachte Aoi und hielt dem Drummer den Raumschlüssel vor die Nase. „Wo lag er denn dieses Mal?“ „In deiner Tasche.“ „Sehr witzig, du Strolch.“ Selbst Uruha und Ruki stimmten nun in Aoi's ansteckendes Lachen mit ein, der nun tröstend einen Arm um Kai's Schultern platzierte, um den Drummer ein wenig zu necken, was dieser mit einem leichten Boxen in die Seite des Schwarzhaarigen auch erkannte und Grinsen ließ. „Warte ab, bis ich es dir mit einer deinen Schwächen heim zahle.“ „Die wäre?“ Während Kai angestrengt über Aoi's Frage nachdachte und dessen Arm noch immer auf seinen Schultern parken ließ, verstummte allmählich das Lachen Ruki's und Uruha's. Verwirrt beobachteten sie die beiden Freunde und verschränkten schon bald die Arme vor der Brust. „Wollt' ihr dort Wurzeln schlagen?“ „Ja, wollt' ihr?“, wiederholte Uruha und löste die überkreuzten Arme, als er Ruki's scharfen Seitenblick bemerkte. Sofort fiel er zurück in seine unsichere Haltung. „Entschuldigung.“ Überfragt bedachte der Sänger ihn, eher er schließlich seufzte und ebenfalls die überkreuzten Arme löste. Doch eher er etwas sagen erwidern konnte, spürte er Aoi's Hand auf seiner Schulter und Blickte auf. Nickend wandte er sich ab. „Kommst du nun, Kai-chan? Ich mag shoppen und wenn du noch länger Wurzeln schlägst, dann wird die Zeit immer knapper.“ „Komm, Uruha.“, bat Aoi ruhig und bedacht leise, fasste nach dessen Hand und zog leicht an ihr, um dem Gitarristen die angestrebte Richtung anzudeuten. „Ja.“, erwiderte der Angesprochene nur kurz und freute sich mit einem sichtlichen Lächeln über die freiwillige Berührung des Anderen. Sofort fühlte er sich sicherer. „Ist-“ „Ruki ist dir nicht böse. Nimm nicht alles immer so ernst, Kou.“ Als wäre der Name eine Bestrafung für ihn, ließ der Blonde den Kopf ein wenig hängen. „A-aber...“ „Du kennst ihn doch. Er schaut vielleicht böse, meint es aber nicht so.“ „Ich weiß doch...“ „Dann mach dir keinen Kopf. Da vorn steht mein Auto.“ „Ich liebe es...“, murmelte Uruha und seufzte lächelnd. Wenn er an die vielen Erinnerungen damit zurück dachte, wurde ihm ganz warm ums Herz. „Was...?“ „I-ich mag es!“ „Ja, ich auch.“ Stillschweigend liefen sie nebeneinander her, winkten Kai und Ruki zum letzten Abschied noch einmal zu und schulterten ihre Gitarren ab, um sie in den Kofferraum des silbrigen Autos zu verfrachten und mit den Gurten zu sichern, die ursprünglich für Hunde gedacht waren. Man musste eben kreativ sein, wolle man seine Babies schützen, die nicht schrien oder bellten, jedoch wundersame Töne von sich geben konnten und gleichviel wertvolle Bedeutung besaßen. Manchmal, wenn Uruha mit Aoi zusammen auf ihnen musizierten und etwas versuchten, etwas einspielten oder etwas neues schufen, konnte er mit der Art, wie Aoi mit den Saiten umging und Töne aus ihnen hervorlockte, Gefühle wie Freude, Ärger oder gar Zuneigung zum Spiel heraushören, wenn nicht sogar mehr... Wenn seine Augen dann über die schlanken Finger seines Gitarrenpartners glitten und er die Augen schloss, erlebte er einen mentalen Gefühlshöhepunkt. Die sanften Töne, die zarten, aber auch härteren Berührungen, gar Verbindungen, den Gefühlen, die überschwappten, Aoi's Sein... Er liebte diese Momente. Beflügelten Sie ihn doch sehr und ließen ihn ermutigt in das wundersame Spiel mit eintauchen, eine zweiseitige Harmonie schaffen, die sich zu meist in ihren Kompositionen zeigt. Fühlte Aoi auch diese Verbundenheit zwischen ihnen? Als wären die Korpusse aus Zwillingsholz geschaffen, die sich in ihren Fehlern ergänzten und ausfüllten... Aoi's Berührung an seinem Knie ließ Uruha aus seinen erregenden Gedanken schrecken. „Träumst du wieder?“ Uruha konnte ihn lächeln sehen. Unbewusst lächelte er mit ihm. „Hm.“, war das einzige, zu dem er jetzt noch fähig war und ließ seinen Blick auf Aoi's Rechte gleiten, die das Lenkrad fest umfassten. Uruha schluckte. Wie war über die Musik nur so so etwas Erregendem gekommen? Hatte... er noch an die Musik gedacht...? Rasch wandte er sein rotes Gesicht ab, besah sich die vorbei schwebende Umgebung und schloss erneut die Lider, in der Hoffnung, seinen eben begonnen Traum fortzusetzen. Dieses zarte Spiel von... „Kou...?“ „Hum?“ Enttäuscht blinzelte der Angesprochene und wandte sich dem auf die Straße achtenden Fahrer zu. „Was wollen wir bei unserem Date machen?“ Fragend legte er den Kopf schief. „Du magst das wirklich machen? Das... war doch nur so eine Idee von Kai gewesen...“ „Und er ist der Leader.“, meinte Aoi bestimmend und zwinkerte ihm kurz zu. „Ob nun offiziell ein Date oder ein Treffen, wir wir es sonst auch haben, ist doch völlig gleich. Wenn du Zeit hast, versteht sich. Morgen steht nichts weiter an und da heute die Probe so spät angesagt war, würde es sich heute nicht mehr lohnen.“ „J-ja! Also Zeit ist reichlich...!“, begann Uruha überschwänglich, stockte jedoch bei Aoi's fragenden Blick, den er ihm kurz zugeworfen hatte. „Ja, ich habe Zeit.“ „Gut. Worauf hast du Lust? Wollen wir uns wieder einen Film ausleihen?“ Landet man nicht gewöhnlich in der Kiste, wenn man beim ersten Date einen Film zusammen schaut...? Zumindest hatte er diese Behauptung einmal in einer Frauenzeitschrift gelesen. Da gab es hilfreiche Beautytipps! „Hum... Zu gewöhnlich.“ „So...? Was haben wir denn noch nicht gemacht?“ Uhhh... diese Frage war gemein! „W-weiß nicht...“, erwiderte Uruha Kleinlaut und starrte konzentriert auf seine im Schoß gefalteten Hände. „Das wird es doch wohl noch was geben!“, lachte Aoi auf und bog in eine Seitenstraße ein. „Ja, aber... hum...“ Uruha dachte nach. Was würde er gerne mit Aoi machen? Uhhh... Die Frage war auch fies und trug nicht gerade dazu bei, seine leichte Erregung zu vermindern. Als seine Gedanken kurz bei seiner Dusche landete, fiel es ihm ein. „Schwimmen! Ja, baden gehen!“ „Schwimmen? Okay, klingt gut. Wenn das Wetter so schön bleibt.“ „Aber am Meer. Da sind weniger Menschen.“ „Das dachte ich mir schon. Gerne. Ich fahre.“ „Mit meinem Motorrad wäre das auch ziemlich unpassend.“, merkte Uruha an und stockte. Wobei... Aoi würde sich festhalten müssen...? Uhhh fiese Vorstellung! Wenn Reita nichts erwähnt hätte, hätte er weiterhin stillschweigend sein Unglück ertragen können, aber... nun hatte er den Salat, wie man so schön sagte. „Machst du neuerdings Gesichtsgymnastik?“, wollte Aoi belustigt wissen und sah aus den Augenwinkeln, wie Uruha peinlich verlegen errötete. „Maaaaan Aoi, schau doch weg!“ „Wie denn?“ „Ganz einfach. Nach links aus dem fenster.“ „Und wer fährt?“ „Du!“ „Fährt man neuerdings Auto, wenn man nicht einmal auf die Straße guckt? Wo kämen wir denn da hin?!“ „Mach dich nicht über mich lustig!“ „Tu ich nicht. Ich lache mit dir.“ „Ich lache nicht.“ Ein Finger strich kitzelnd über seine empfindliche Seite. Aoi's Hand! Wo kam die denn her? „Das ist unfair!“, kicherte Uruha und schlug nach Aoi's Hand aus. „Ist mir neu, das wir Spielregeln im Auto haben.“, lachte Aoi und Uruha wurde ganz komisch dabei, wie er dem Lachen lauschte. Es klang so... dreckig...? Seit wann konnte Aoi so lachen? Da Uruha verstummt war, verstummte auch Aoi recht schnell, während er den Wagen vor dessen Haustür parkte. Der Motor stockte. Aoi's Hände glitten seufzend vom Lenkrad, und während eine Hand durch seine langen, schwarzen Haare fuhr, wandte er sich fragend dem Blonden zu. „Hab ich was Falsches gesagt?“ Verwirrt blinzelte Uruha ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein, ich war nur... in Gedanken.“ „Wir sind schon große Träumer.“, meinte Aoi mit ernster Miene und Stimme und musterte Uruha's Gesicht. War wirklich alles gut? „Ja.“, stimmte Uruha ausweichend zu und lächelte leicht. „Wenn du reden magst... Ich bin für dich da.“ „Das weiß ich zu schätzen... Aoi...“, seufzte Uruha traurig und sehnsüchtig zugleich und ließ den anderen stutzen. „Wirklich.“, bekräftigte der Schwarzhaarige den Ernst seines Angebotes und wandte den Blick ab, um Uruha nicht allzu sehr zu bedrängen. „Ja.“ Nun blickte Uruha verwirrt auf. Natürlich wusste er, das Aoi es tatsächlich so meinte, wie es sagte, doch... ging es ja um ihn. Hatte er sich merkwürdig gegeben? Sich verraten...? „Aoi...?“ „Hm?“ „Ich freue mich schon auf Morgen.“, versuchte Uruha seinen Freund aufzuheitern und legte die Hand an die Tür, um sie zu öffnen. „Ja, ich auch. Uruha?“ Hoffnungsvoll wandte sich der Blonde um, nachdem er ausgestiegen war. „Deine Gitarre.“ „Oh... Ja, danke. Wann wollen wir Morgen los.“ „Gegen Acht?“ „Okay.“ „Bis Morgen, Kou.“ „Ja... Bis dann.“ Nachdem Uruha seine Gitarre dem Kofferraum entnommen und geschultert hatte, verschwand Aoi mitsamt den Wagen nach kurzem um eine Abbiegung. Seufzend fixierte er noch weitere Minuten die Stelle, an er das Auto zuletzt gesehen hatte, bevor er sich endgültig abwandte, den kurzen Weg zu seinem Haus mit wenigen, federnden Schritten nahm und verschaffte sich Zutritt zu seiner Wohnung, bei der ihm Aoi bei tapezieren, Malern, und gestalten geholfen hatte. Aber was hatte Kai damit gemeint, es ginge schon ewig so...? Völliger Unsinn... Aber was er ihm zu verdanken hatte... Er hatte ein Date mit Aoi!! Nicht Ruki, nicht Kai oder Reita, sondern ER! Er ganz allein mit seinem Aoi... //Hoffentlich harkt er Morgen nicht weiter nach. Au man... ich werde heute bestimmt nicht schlafen können.//, dachte Uruha, stellte seine Gitarre liebevoll ab und entblätterte sich zunehmends, um am Ende entkleidet den Duschhahn aufzudrehen und sich von kaltem Wasser abregend zu benässen. Ein Zischen ausstoßend, kippte Uruha's Oberkörper leicht vor. Seine Hand stützte seine plötzliche Schwäche, während das Wasser seine Bahnen auf Uruha's nackter haut zog. Was machte Aoi nur mit ihm, ganz ohne, das er bei ihm war...? Er beherrschte seine Gedanken, sein Leben, sein... Herz. Kapitel 3: I - 3 Wünsche dir nie etwas Halbherziges - Aoi --------------------------------------------------------- Wünsche dir nie etwas Halbherziges und lerne glücklich mit dem zu sein, was du hast. ~+~+~ Irgendwann war Uruha vor Erschöpfung eingeschlafen. Sein stundenlanges Nachdenken, Herumwälzen und alte Erinnerungsvideos durchforsten, hatte ihm den Schlaf geraubt. Er lag nun zusammengerollt, wie ein kleines Kind, auf seinem viel zu großen und leerem Bett. Um ihn herum, lagen zahlreiche Videokassetten und leere Hüllen. Momentaufnahmen ihrer Urlaube, Feiern und Spontanaufnahmen ihrer Erlebnisse. Alles hatte er sich angeschaut. Jedes kleinste Detail herausgesucht, problemlos gefunden, da er die Filme bereits auswendig kannte, geschmachtet und fangirliemäßig – so würde es wohl Ruki bezeichnen – an besonderen Stellen gequietscht und am Bildschirm geklebt. Kai's Worte waren ihm dabei nie aus dem Kopf gegangen. Er soll schon von Anfang an in Aoi... verliebt gewesen sein? Tatsächlich hatte er sich bereits anfangs so gegeben wie heute, nur... weniger Schlimm. War er tatsächlich so anhänglich und abhängig geworden? Und genau so schlimm, wie er Uruha eingeschlafen war, sah es noch am späten Morgen aus, als das Telefon Uruha unsanft aus seinem Schlaf riss. Leise Flüche vor sich her murmelnd, wollte sich der Blonde auf die andere Seite drehen, aber ein Video bohrte sich unsanft in seine Brust. Träge öffnete er ein Auge, fluchte leise auf, als das Licht vom Fenster ihn blendete. Er musste wohl vergessen haben, die Vorhänge zuzuziehen. Gequält aufstöhnend rieb er sich den Schlaf aus den Augen und richtete sich auf. Einzelne Knochen knackten und ließen den Blonden überrascht an sich hinunter sehen. „Mist verdammter...! Falsch gelegen.“, jammerte er stumm und rieb sich die schmerzende Seite. Dann streckte er sich und schob seinen Müden Körper unelegant zur Bettkante, wobei er einige Videokassetten und Hüllen beiseite schieben musste. „Du meine Güte...“, murmelte er erstaunt über sein Sammelsurium und starrte auf den immer noch laufenden Fernseher. Auf diesem lief noch immer der Film, den er sich zuletzt angesehen hat. Demzufolge hatte er wohl nicht sehr lange geschlafen... Sein Blick fiel auf die unzähligen Videokassetten. Bei dem Verschleiß sollte er sich schleunigst darum kümmern, sie auf DVD zu bannen, bevor er für immer seine wertvollen schätze und Erinnerungen verlor. „Uruha...?“ Der Angesprochene schreckte auf und sah sich in seinem Zimmer um. „Aoi?“ „Uruha...?“ Nun klang es etwas eindringlicher. Der Stimme folgend, wankte Uruha auf müden Beinen und wabbeligen Knien zum Fernsehergerät, um sich davor nieder zu lassen und sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. Er erstarrt, sowie er erkannte, welche Szene sich da vor seinen Augen abspielte. Das war der Moment gewesen, als er Aoi in Feierlaune etwas näher gekommen war, als er beabsichtigt hatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Das hatte er völlig vergessen... Hatte er nicht vielleicht danach gesucht...? Nach dem Video, von dem sonst niemand wusste außer ihm selbst...? Zur Feier ihres Major-Debüts hatten sich die nun „The GazettE“-Jungs zum Feiern gegenseitig eingeladen. Das machte fünf Runden Alkohol für jeden. Uruha, der keinen Alkohol zu sich nahm, da er Aoi versprochen hatte, zu fahren, verteilte seine Getränke großzügig an diesen und anderen Willigen weiter. Im Laufe des abends wurden seine Freunde immer ausgelassener und steckten ihn mit seinem Lachen an. Irgendwann gegen Mitternacht, Kai und Ruki waren auf der Tanzfläche verschwunden, unterhielt er sich völlig ausgelassen fern seiner Schüchternheit mit Reita, der vorbeilaufenden Frauen gerne Mal ein anzügliches Wort zubrüllte, sodass er nicht bemerkte, wie unruhig Aoi neben ihm wurde und schließlich an seiner Schulter gelehnt eindöste. Mit seinem Wegdriften, war Uruha's innere Unruhe wieder in ihn gekehrt und als wüsste Reita, das mit ihm nicht viel mehr zu reden war, auch aus Rücksicht, Aoi nicht zu wecken, obwohl der Club vom vibrierenden Beat der Boxen, der Musik und dem sonstigen Lärm nur so überschwoll, verabschiedete sich der Bassist und tauchte in der Menge unter. Viel zu fasziniert von Aoi's friedlichem, fast niedlichem Gesicht, hatte der blonde Gitarrist der letzten Worte Reita's überhört und das Verschwinden schlichtweg nicht wahrgenommen. Doch je länger Uruha ihn beim Schlafen beobachtete, desto mehr schien sich sein Verstand zu verabschieden und auch sein Herz schlug merklich höher. Er hatte dem Alkohol die Schuld gegeben, denn anders hätte er es sich nicht erklären können. Doch was er in diesen Moment wusste und wollte, war es, den Schwarzhaarigen zu küssen. Ob es Neugier oder dieses aufregende, verbotene Gefühl war, was ihn so denken ließ, wusste er nicht einzuordnen und um sich sich den Kopf darüber zu zerbrechen, machte jetzt wenig Sinn. Aoi würde sich eh am nächsten Tag nicht daran erinnern... So hoffte er. Fasziniert die weichen Seidenkissen betrachtend, schob er den Schwarzhaarigen soweit von sich, das er sich ihm zuwenden konnte.Sein Herz hatte nicht aufgehört wie wild zu pochen.Viel mehr schien es ihn dazu ermuntern zu wollen. „Aoi...?“, versuchte er probehalber den Schlafenden zu wecken und fuhr neugierig dessen Kinnlinie entlang. Er hatte solch hübsches Gesicht... Aufgeregt fasste er das Kinn des Kleineren und wandte es ihm durch wenig Druck zu. Tief einatmend schlossen sich seine angemalten Lider, während sich sein Gesicht dem Bekannten befremdlich näherte, durch die Geruchsspur des Alkohols die Lippen seines besten Freundes anvisierte und nach kurzem Zögern zaghaft an ihnen nippte. Und das war der Augenblick gewesen, in dem er seinen Aoi zum ersten Mal geküsst hatte. Diesen wundervollen Moment dachte er, nie vergessen zu können... Wie konnte er diese Gefühle, die sich seitdem in ihm aufgetan haben, nur so erfolgreich verdrängt haben? Zumindest soweit, sich in seiner Gegenwart zwar ungeschickt und verschwiegen zu verhalten, jedoch Tag für Tag dieses Spiel spielen zu können, ohne merklich daran kaputt zu gehen? Hatte er seine Maske des Schweigens schon zu lange getragen...? Hatte er sich tatsächlich damit abgefunden, jeden Tag auf's Neue vor Sehnsucht zu zerbrechen? Warum konnte er nicht mit Aoi darüber sprechen...? So wie bisher über andere Themen? Warum fehlte ihm der nötige Mut, den größten und schönsten Fehler seines Lebens zu begehen? Schlimmer noch, als Musiker zu werden? Er hörte noch heute die abschätzende Stimme seines Vaters. Er hatte nie verstehen können, wie sein einziger Sohn zu dem werden konnte, der er heute ist. Alles Aoi's Schuld... Wie er seinen Vater dafür verachtete so zu denken. Aoi war sein schönster Fehler und er hatte ihn nie bereut. Nur... konnte er nicht dem Mut aufbringen, Aoi davon zu erzählen... Von seinen Gefühlen und dem, was er sich wünschte. Er hatte Angst, einen wirklichen Fehler zu begehen, gar ihn zu verlieren? Das häufigste Problem, das es zu überwinden galt, wenn man den Hang zur Homosexualität besaß. Ganz besonders, wenn man Kouyou hieß. Warum musste an ihm immer Steine in den Weg legen? Konnte er nicht eine Frau sein, wenn Aoi tatsächlich ausschließlich auf Frauen stehen sollte, oder das Selbstbewusstsein Aoi's haben, um diesen ohne große Worte seine Liebe deutlich zu machen? Der Blonde seufzte. Gerne würde er den einseitigen Kuss wiederholen wollen... Nur wie...? Aoi abfüllen? Sein Gesicht mit den Händen bedeckend, drang die Geräuschkulisse des Films fernab seiner verwirrenden Gedanken wieder an seine Ohren. Ein kurzer Blick durch den Spalt zweier Finger, erinnerndes Augenweiten, und die Hände bedeckten wieder vollständig sein Gesicht. „Ruha...?“,kam es zwischen den schüchternden Federküssen von Aoi genuschelt, der verwirrt zu ihm aufschaute, die Lider dabei auf Halbmast gelegt. Auch wenn der Lärm alles Geflüster unkenntlich machte, so vernahm der Blonde doch die trägen Lippenbewegungen und Aoi's ausstoßenden, weniger ruhigen Atem. Mit vor Angst geweiteten Augen musterte er die ein wenig überfragte Mimik dessen, dem er unbewusst näher gerutscht war, als ursprünglich beabsichtigt. Hatte er doch nur einen Kuss auf seine Lippen platzieren wollen... Sich auf die Seinigen beißend, brachte er einen größeren Abstand zwischen Aoi und sich und senkte den Blick. Das Schlamassel hatte er nun von seiner Gier. „Kou...?“ Der Angesprochene zuckte kaum merklich unter diesem Namen zusammen. „Wasch kusst u mia?“ „Was?“, dachte Uruha überrumpelt und blickte prüfend auf. „T'schuldigung... Wasch... hast du gemaaacht?“, nuschelte Aoi versucht deutlich und grinste panne vor sich hin... Vielleicht auch unsicher? Jedenfalls schaute er recht schief. Wie viele Uruha's er wohl sah? „I-ich habe dich wecken wollen! L-Lass uns gehen, Aoi. Du bist vollkommen zu.“, schlug der Blonde ausweichend vor und erhob sich von seinem Sitz, wobei er jemanden, der unweit von ihm gestanden hatte, anrempelte. Ruki's diabolisches Grinsen tauchte hinter ihm auf, als er sich umsah, um Worte der Entschuldigung zu äußern. „Ru-“, begann Uruha überrascht und stutzte aufgrund der Kamera in Ruki's Händen. Seine Augen formten sich zu Schlitzen. „Du hast ihn geküsst!“ Unglaublich wie viel Glück er hatte, das sowohl Aoi als auch Ruki am nächsten Morgen scheinbar keine Ahnung hatten, was geschehen war und auch sonst keine Anstalten machte, zu hinterfragen Mit einem bedrückten Seufzer stellte Uruha den Fernseher aus und den Videorekorder gleich mit. Eine lästige Träne, die sich frecherweise erlaubt hatte, einfach so über seine Wange zu schleichen, strich er genervt mit der Rechten weg. „Gut, das niemand dieses Video kennt...“, dachte er erleichtert und knabberte nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Doch als plötzlich erneut das Telefon klingelte, wurde aus dem Knabbern ein zu schmerzender Biss. Leise auffluchend, und das Gesicht verziehend, da ihm der metallische Geschmack des Blutes anwiderte, erhob er sich endlich vom Bettrand, um dem Klingeln seines Telefons zu folgen, war es, wie er bemerkte, nicht an seinem ursprünglich angestammten Platz. Stirnrunzelnd fand er es unter zwei Couchkissen vergraben. „Wie kommt es denn da hin...?“, wunderte er sich und nahm es an sich, um auf dem Bildschirm Aoi's Namen eingeblendet zu sehen. Unwillkürlich bogen sich seine Mundwinkel nach oben. „Stimmt ja... Vor zwei Tagen hatten sie gute fünf Stunden telefoniert und das am Abend, was bei Uruha gerne mal bedeutete, das Aoi ihn wach brüllen musste. Dann schmollte er immer und man konnte nicht mehr vernünftig mit ihm reden. Aoi hasste es nämlich, wenn man ihn ignorierte...“, erinnerte er sich, gluckste kurz belustigt auf und nahm das Gespräch an. „Guten Morgen, Yuu-chan!“ Ein wenig verschlafen, aber dennoch voller Vorfreude darüber, gleich Aoi's angenehmer Stimme lauschen zu können. „Wie viel Schlaf hattest du, Kou?“, lachte ihm Aoi wieder so angenehm entgegen, das der Blonde ein angenehmes Prickeln auf seiner Haut spüren konnte. „Na ja...“, gluckste Uruha ausweichend, amüsiert und ließ sich auf seiner Couch fallen. Sein Gesicht zierte ein übergroßes Lächeln. „Verstehe schon... Ausgeruht genug für unser Date samt Frühstück?“, wollte der andere wissen und Uruha verschluckte sich beinahe an seiner eigenen Spucke. „Total verplant! Mist... Ich sehe doch echt... unschön aus! Aoi wird vor mir davon laufen!“, dachte der Blonde und war panisch aufgesprungen. „Du hast es vergessen, oder?“, wurde seufzend gefragt und konnte sich Uruha wunderbar in Pyjama, Hauspantoffeln und Augenringen vorstellen. Hatte er ihn schon des öfteren in solch misslicher Lage gesehen. Wenn dem mal so wäre... „N-Nein! … Ja! Ja...? Ja... Und jetzt lach mich aus... Kann doch auch nichts dafür, das ich so bin...“ „Lache ich etwa? Vorschlag meinerseits. Ich gehe Brötchen holen und komme dann zu dir. Das... sollte genügend Zeit sein, um einmal unter die Dusche zu springen und dich etwas hübsch zu machen.“ „Hübsch? Weshalb? Wir gehen doch schwimmen?“ „Für mich.“ Uruha's Gesicht verfärbte sich rot. „Aber du hast wohl recht. Spätestens nach dem erste Sprung ins Wasser ist alles dahin...“ Ein Seufzen. Uruha's Grinsen wurde breiter. „Schmink dich nicht ab.“ „Warum?“ „Für mich?“ Amüsiert lachte Aoi auf und riss Uruha gleich mit sich. „Dann darf ich also auch deine Augenringe betrachten, wenn du auf Schminke verzichtest?“, fragte Aoi irgendwann und Uruha vernahm das Geräusch seines Schlüssels im Hintergrund. „Musstest du denn deine verstecken?“, erwiderte der Blonde frech und suchte eilig nach passender Kleidung aus seinem Kleiderschrank. „Mhm... nein.“ „Nein?“ „Nein.“ „Dann bin ich der einzige, der erbärmlich aussehen wird?“ „Soll ich mich verprügeln lassen, damit ich erbärmlich aussehe? Würdest du dich dann besser fühlen?“, meinte Aoi zweifelnd. „Idiot.“ „Schlafmütze.“ „Depp!“ „Zuspätkommer.“ „Besser als zu früh!“ „Kou... Solche Worte aus deinem Mund?“, gluckste Aoi belustigt und ließ Uruha erneut merklich erröten. „S-so meinte ich das nicht...“ „Das weiß ich doch.“ Ein schweres Seufzen und Uruha's Stirn kippte gegen die Schrankwand direkt neben der Sockenschublade. „Volldepp...“ „Ich mag dich auch. Kommst du nun alleine zurecht?“ „Als ob ich das nicht könnte...?!“ „...“ „Aoi, du könntest jetzt etwas sagen!“ „...“ „Aoi? Heeeeeeey!“ Lachen am anderen Ende der Leitung. „Du bist echt... Argh!“, regte sich Uruha auf und fuchtelte dabei so ausholend mit den Armen herum, das seine eben erwählten Sachen quer durch den Raum flogen. Fluchend ließ er den Oberkörper hängen. Er könnte heulen... „Ich gehe wohl besser noch eine Runde um den Block, bevor ich mich zur dir begebe, hm?“ Woher...?! „Du machst mir Angst, Yuu.“ Ein Seufzen. „Danke.“ „Gerne doch. Magst du noch etwas haben?“ „...“ Wie gerne würde er ihm jetzt antworten wollen, wie sehr er... ihn... haben wollte... „Kou?“ „N-nein, nichts... Danke.“ „Okay, dann bis nachher.“ „Hm.“ „Noch eins...“ „Hm?“, machte Uruha verwirrt und war eben dabei, seine herum geworfenen Kleidungsstücke vom Boden aufzuklauben. „Bist du böse...?“ „Hm warum?“ „Weil ich so bin wie ich bin?“ „Eh... ?! Nein. Deine Neckereien sind ja nicht böse gemeint.“ „Okay. Bis dann.“ „Ja, bis dann...“, verabschiedete sich Uruha ein wenig sehnsuchtsvoll gestimmt und seufzte auf, als Aoi's Stimme endgültig erstarb. „Na dann los!“, spornte er sich an, legte das Telefon beiseite und stolperte über die halb vom Bett gerutschte Bettdecke über die Türschwelle seines Schlafzimmers hinaus in die Wohnstube und dann weiter ins Badezimmer, um sich, wie Aoi es nannte, „hübsch“ zu machen. Abermals zierte ein Lächeln sein Gesicht. „Ach Yuu...“, seufzte er im Stillen und entkleidete sich. „Kann ich es dir heute sagen...?“ +~+ Mit dem Klingeln an der Tür erstarb auch der Strahl aus der Dusche. Fassungslos, mit geweiteten Augen, verweilte Uruha's Blick auf seiner Hand, die am Wasserhahn ruhte. „Hat es wirklich geklingelt? Schon?“, fragte er sich und wäre beinahe auf dem glitschigen Duschwannenboden ausgerutscht, hätte er sich nicht am Vorhang festgehalten. Es knackte gefährlich über seinem Kopf. Abrupt stieß er den Vorhang von sich, ruderte zurück taumelnd mit den Armen und stieß sich schmerzhaft aufjaulend den Kopf an den Fliesen hinten sich, bevor sein restlicher Körper dem nachkam. Unfein fluchte er auf. Erneut klingelte es. „Ja doch...“, maulte der Blonde leicht benommen, stakste vorsichtig vor, während seine Hände fassten, was es zu fassen gab, um ihm eine hilfreiche Stütze sein zu können und grapschte blindlings nach seinem flauschigen Handtuch im pastellenen Flieder. Eine wunderschöne Farbe. Das Handtuch hatte ihm Aoi zum Valentinstag geschenkt, nachdem er stundenlang herum gemault hatte, nichts erhalten zu haben. Im Nachhinein hatte sich dann herausgestellt, das die zuständige Abteilung geschlampt hatte. Als die Fangeschenke nachgereicht worden sind, waren Aoi und er beinahe in den Ansammlungen an Päckchen untergegangen, sowie auch die anderen. Aber dieses Handtuch war das einzige, was ihm von diesem romantischen Tag geblieben war. Aufseufzend, da er wieder einmal mit den Gedanken zu weit abgeschweift war, rubbelte er sich die Haare soweit trocken, das sie nicht mehr tropfen würden, ehe er nach einem weiteren Handtuch griff und es sich um den Unterleib wickelte. Aoi konnte schnell ungeduldig werden und dann... Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Und dann einfach reinplatzen. Ganz toll. Im Schlafzimmer lagen noch die Videokassetten, die er bisher noch nicht hatte wegräumen können. „Uruha, alles okay bei dir?!“, kam aus der Wohnstube gebrüllt und ließ ihn lächeln. Lieb wenn Aoi sich Sorgen machte. „Alles okay!“, brüllte er zurück, rieb seine nassen Füße am Duschvorleger trocken und starrte daraufhin unentschlossen auf die geschlossene Tür. „Kannst du bitte warten? Ich ziehe mich noch eben an!“ „Ja klar! Ich mache uns einen Kaffee!“ „Okay!“ Hastig das Handtuch um die Hüfte ent-wickelnd, rubbelte er sich grob trocken und griff anschließend nach einer Bürste, um seine wild vom Kopf abstehenden Haare zu kämmen. Jetzt musste er bloß noch hübsch aussehen für Aoi... +~+ Freudig vor sich her pfeifend, taktierte Aoi im Takt die Tischplatte, während sein Blick prüfend über den Wasserstand der Kaffeemaschine glitt. Das Pfeifen endete jäh, als der Schwarzhaarige aufsprang, um auf den Kühlschrank zuzusteuern. Er würde den Tisch für sie decken. Da er sich heute Morgen schon denken konnte, das Uruha verschlafen würde, hatte er das Frühstück bisher ausgelassen und sich mit Brötchen bei dem Blonden eingeladen. Zu zweit frühstücken ist geselliger als einsam und lustlos dem morgendlichen Rhythmus zu folgen und mit Uruha gleich noch viel schöner. Der war so schnell in Verlegenheit zu bringen, das es immer etwas zum lachen gab. Unwillkürlich formte sich ein belustigtes Grinsen auf seinen Gesichtszügen. Nur gut, das Uruha ihm da nie sauer mit wurde. In Gedanken an ihr „Date“ versunken, deckte der Schwarzhaarige den Tisch und füllte anschließend zwei Tassen mit Kaffee ein. Bei ihm blieb der Kaffee schwarz, doch bei Uruha führte er dem Gebräu noch einen Schuss Milch und zwei Zuckerwürfel bei. Ein lautes Fluchen drang aus dem Badezimmer und ließ ihn von seinem enthusiastischen Kaffeerühren aufschauen. Aus Sorge um seinen Freund, ließ er die Küche hinter sich und klopfte an der Badezimmertür. „Alles gut bei dir? Brauchst du Hilfe?“ „N-nein! Alles gut!“, kam es von innen und verwundert lauschte Aoi den Geräuschen im Inneren. „Okay, aber beeile dich mit dem Anziehen etwas. Das Frühstück wartet und noch sind Brötchen und Kaffee warm.“ „Bin gleich fertig!“, erwiderte Uruha im hastigen, leicht genervten Ton und brachte Aoi zum Zurücktreten. „Okay, okay...“, murmelte der Schwarzhaarige und sah sich unschlüssig um. Wie er Uruha kannte, würde aus dem Gleich wieder Später werden. Als hätte er es sich nicht denken können, seufzte er augenverdrehend auf und wanderte ziellos durch die etwas chaotische Wohnstube. Verwundert schweifte sein Blick umher und stutzte schließlich, als er einen Haufen Taschentücher auf dem Boden vertreut wahrnehmen konnte. Hatte... Uruha geweint...? Irritiert ruckte sein Kopf in Richtung Badezimmer, als könne er dahinter Uruha ausmachen. Er hatte gar nichts erwähnt...? Sein sonst stets angeheitertes Gesicht verfinsterte sich besorgt, ja leicht säuerlich. Warum sprach Uruha nicht mit ihm, wenn es ihm nicht gut ging? Warum wusste Reita scheinbar mehr als er...? Warum... hatte der Bassist ihn so verzweifelnd, wenn nicht sogar sehnsüchtig, angesehen, bevor er den Proberaum am gestrigen Tag verlassen hatte? Was genau lief da, was er nicht mitbekam? Es war doch zum verrückt werden... Um sich abzulenken, holte er einen Müllbeutel aus der Küche, um die Taschentücher und sonstigen Müll mit spitzen Fingern aufzulesen und zu entsorgen. Diese seltene Unordung war doch auch nicht normal. Einen kurzen Blick ins angrenzende Schlafzimmer zu werfen, um eventuell auch dort tätig zu werden, hielt er verblüfft inne, als er das Chaos an Videokassetten erkannte. Den Beutel in seinen Händen absetzend, war er einen Schritt neugierig vorgetreten, stand nun an der Schwelle zum Schlafzimmer. Seine Vernunft verbot ihm weiter zu gehen, doch seine Neugierde obsiegte. Nur ein kleiner Blick... Schnellen Schrittes war eines der Videos gegriffen. „Urlaub in Mie (Aoi)“, war darauf zu lesen und ließ ihn begeistert ein zweites Video hervorziehen. Ihre Urlaubserinnerungen. Wie schön, das Uruha sie noch hatte! „Urlaub in Hokkaido (Aoi)“ Nun ein wenig verwundert, nahm er noch eine weitere Kassette zur Hand. Das konnten nicht alle ihrer beider Urlaube sein... „Urlaub in Fukuoka (Aoi)“ Okay... Das war zu viel des Zufalls. Erneut griff er nach einer Kassette. „Urlaub in Osaka (Aoi)“ Na ja... der zweitäge Ausflug... Es sah tatsächlich so aus, als hätte sich Uruha ausschließlich ihre Urlaube angesehen. „Warum?“ Eine weitere Kassette fand den Weg in seine Hand. „Kinugawa Onsen (Aoi)“ Ein wenig sprachlos glitt ihm die Kassette aus der Hand und fand wieder ihren Platz neben den vielen Hüllen und anderen Kassetten, auf denen sich auf dem ersten Blick sein Name deutlich hervor hob. Als hätte Uruha nach etwas bestimmten gesucht, aber nicht finden können...? Oder hatte er es gefunden? Angezogen vom Videorekorder wandte er sich ab. Er sollte nicht schnüffeln... Der Klang eines Föns ließ ihn aufhorchen. Andererseits bekäme Uruha davon nichts mit... Die Hände unschlüssig zu Fäusten ballend, seufzte er auf. Nur ein kurzer Blick... Es waren ja auch seine Videos, wenn man es genau nahm... Auf dem Hacken umkehrend, ließ Aoi sich vor dem Fernsehgerät nieder, drückte ein paar Knöpfe und lehnte sich erwartungsvoll, ja leicht aufgeregt, zurück, als das Video im Inneren anlief. „Ruki, gib sie her!“ „Nein!“ Eine Kassette von allen? Etwas erleichtert lockerte sich Aoi's angespannte Oberkörperhaltung. „Bitte, Ru-chan! Bitte!“ „Warum hast du ihn geküsst?“ „Weil... Ach... Gib sie mir, ja?!“ „Uruha hat A-“, wollte Ruki bockig losschreien, da verdeckte Uruha's Hand die Linse der Kamera und der Film war nach kurzem Kampf beendet. Wen soll Uruha geküsst haben? Einen Kerl so wie es sich angehört hatte... Einen Mann? ~+~ Endlich war Uruha menschlich genug, sich Aoi zeigen zu können! Seine Augenringe waren nach erstem Zögern doch überschminkt wurden und seine Haare saßen auch wieder dort, wo sie sitzen sollten. Am Kopf. Ein letztes Mal noch den Sitz seiner Kleidung begutachtend, straffte er die angespannten Schultern, atmete tief ein und trat mit federnden Schritten über die Schwelle zur angrenzenden Wohnstube. „Hey.“, grüßte er Aoi, der sich auf der Couch niederglassen und den Kopf gesenkt hatte, versucht cool, obwohl ein Innerstes gefährlich wankte. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Seine Vermutung wurde bestätigt, als Aoi wortlos ein Video über den kleinen Tisch inmitten des Zimmers schob. Erschrocken musterte Uruha es. Seine Fassade bröckelte, seine Gesichtszüge entgleisten ihm und seine freudig erröteten Wangen erblassten. Das konnte nicht... „Kannst du dich an den Abend erinnern?“, wurde er wenig amüsiert von seinem besten Freund gefragt und ließ ihn schlucken. Sein schlimmster Verdacht hatte sich bestätigt. Es ist tatsächlich DAS Video, von dem niemand es erfahren sollte... „W-wieso schnüffelst du in meinen Sachen herum?“, entgegnete er, den letzten Versuch startend, die Schuld von sich zu weisen, die dieses Video ihm aufbürdete. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem noch ruhig wirkenden Aoi. „Als ob das jetzt wichtig wäre, Kouyou.“ „...“ Uruha schluckte. „Also...? Hast du mir nicht etwas zu erklären?“ „I-ich weiß nicht w-was du m-“ „Kou... Ich werde dir nicht böse sein, wenn du dich nicht erinnern kannst und werde es auch nicht sein... wenn... du es doch kannst... Nur... Warum dann...? Und warum hast du mir nie etwas erzählt?“ „Als ob das so einfach wäre, es zu erklären“, dachte der Blonde geknickt und setzte sich mit Abstand eben Aoi, der ihn etwas verletzt wirkend beobachtete. „Hast du Angst vor mir...? Ist es das...?“ Nervös den Stoff an seinen Knien knubbelnd, wandte Uruha beschämt den Blick ab. „K-keine Angst, Aoi... Nein... Es... Ich...“ Seufzend endete der Versuch des Verunsicherten. Die Blässe war aus seinem Gesicht verschwunden. „Vor meiner Reaktion?“ Der Blonde nickte, traute sich jedoch immer noch nicht, Aoi anzusehen. „Wie soll ich denn deiner Meinung nach reagieren, wenn ich nicht verstehe, was los ist, Kou? Worauf soll ich denn reagieren...? Das du dich von mir wegsetzt? Nicht mit mir sprichst? Und Reita mehr weiß als ich...?“ Zum Protest ansetztend, öffnete Uruha den Mund, jedoch ohne wirklich etwas von sich zu geben, als heiße Luft. „Sag mir, was los ist, Kouyou. Bitte.“, bat Aoi mit weiterhin ruhiger Stimme und fixierte noch immer den Abgewandten. Dessen offensichtliches nicht Kommunkiationsbereites Bild, welches Uruha darstellte, war wieder so typisch..., doch ihm gegenüber umso verletzender. Ihm hatte er bisher alles sagen können. Alles... Am liebsten hätte Aoi über seinen letzten Gedanken aufgelacht, doch schluckte er den bitteren Beigeschmack hinunter und beließ es beim gedämpften Seufzer. „Aoi...“ „Kou?“ „Yuu ich... ich erinnere mich.“ „Deswegen hast du das Video?“ „Ja.“ „Warum hast du es immer noch? War es kein Ausrutscher...?“ „Ich... ich weiß nicht... Es war zwischen den Videos...“ „Die die dir alle in der Nacht angesehen hast, bist du es gefunden hast? Soll ich dir das glauben...?“ „I-ich habe alle angesehen, a-aber ich habe nach nichts gesucht!“, log Uruha und war aufgesprungen. E wollte weg... Hatte Angst... Die Wut staute sich in ihm. Dieser Idiot machte seine Fassade kaputt! Es könnte doch einfach so weitergehen wie es war! „Kou... bitte... Sei ehrlich zu dir und-“ „Und was? WAS?!“, fuhr der Blonde den Fassungslosen an, der nun ebenfalls aufstand und die Hände abwehrend hob. „Hey, ganz ruhig, ja? Ich möchte dieses Sache nur gerne geklärt haben und dann ist gut, ja? Reden können wir immer noch, wenn du bereit dazu bist.“, schlug Aoi sanftmütig vor. Seine angestaute Wut würde dem entstandenen Konflikt reichlich wenig nützen. Er würde warten, wenn es nicht anders ging. „Und wenn ich es nicht sein werde, Aoi?“ Eine steile Falte bildete sich zwischen den zusammengezogenen Brauen des Schwarzhaarigen. „Fein... Das ist deine Entscheidung.“ „Na fein!“, endete Uruha, drehte sich um und ließ die Badezimmertür laut hinter sich ins Schloss fallen, um anschließend an der Tür, schluchzend, herunter zu rutschen. Dieser Idiot hatte alles kaputt gemacht! Mit Uruha's Rückzug hatte Aoi ehrlich nicht gerechnet. Er blockte zwar leicht ab, wenn man ihn bedrängte, aber das er wirklich fliehen würde...? Säuerlich die Tür anstarrend, hinter der Uruha verschwunden war, ballte er seine Hände zu Fäusten. Jetzt konnte er eh nicht mit dem Blonden reden. Nicht so... Dabei hatte er nur wissen wollen, ob Uruha ihn geküsst hatte, um etwas auszutesten oder... weil... Den Kopf über die zweite Möglichkeit schüttelnd, stampfte er enttäuscht an der Badezimmertür vorbei und ging hinaus auf den Balkon, der an die Wohnstube grenzte. Er müsse sich erst einmal selbst beruhigen und was half da Besseres als eine gute Zigarette? Doch so recht wollte sich nicht die erwünschte Nebenwirkung einstellen. Dafür war sein Innerstes wohl zu aufgewühlt. Schwer aufseufzend lehnte Aoi sich über die Brüstung und ließ seinen Blick über dem kleinen Grundstück hinter dem Haus schweifen. Wenn doch alles nur so einfach wäre... Warum konnte Uruha nicht den Mund aufmachen und sagen, was los war...? Das Date konnten sie wohl vergessen. Eigentlich Schade... Darüber grübelnd, was Uruha's Problem sein könnte, und dieser so abgeblockt hatte, verbrannte er sich ungewollt mit der herabfallenden Asche der Zigarette. Das Gesicht kurz schmerzhaft verziehend, zischte er auf und es folgte ein Fluchen. „Ach Mist!“ „Warum nur lief alles so schief...?!“, setzte er in Gedanken hinzu und spürte, wie Wind aufkam und die Blättern der Bäume rascheln ließ, die den Garten bezäunten. Vögel flogen auf. Aoi fixierte sie sehnsüchtig. Ich wünschte, ich wäre ein Vogel, der überall hinfliegen kann, an Orte, an denen ich alles vergessen und alle Probleme hinter mir lassen kann... Aoi wandte sich um. Ja, das wäre momentan ein schöner Gedanke, aber... Seine Gedanken stockten. Die restliche Kippe fiel ihm aus der zitternden Hand. Sein Herzschlag setzte aus. „Was...“, stammelte er holprig. Vorwankend knickte Aoi ein, stolperte zurück, ruderte mit den kürzer und schmaler werdenden Armen, an denen schwarze Federn sprossen und fiel über die Brüstung in das dichte Gras. Sein Herzschlag hatte wieder eingesetzt und schlug nun um das Doppelte in seiner deformierten Brust. Sein Haar wuchs und breitete sich über den bebenden Körper aus. Aoi's Kopf quälte sich hoch. Selbst im Gesicht und an freien Stellen seines Körpers sprossen Federn, welche von seinem Haar bedeckt worden. Die Augen weit aufgerissen, blinzelten Tränen und färbten sich schwarz. Sein Mund, der spitz anwuchs, war zu einem stummen Schrei geöffnet. „Kouyou...“, war sein letzter Gedanke, bevor sein Kopf im Inneren seines viel zu weiten Oberteils verschwand und alles dunkel um ihn herum wurde. ~+~+~ Nicht gebetat. Kapitel 4: I - 4 ---------------- Der Blonde stutzte und starrte für einen Augenblick wie paralysiert in den Spiegel über dem Waschbecken. Nein, dieses seltsame Gefühl eben musste er sich eingebildet haben. Genervt die Stirn runzelnd, rubbelte er ein letztes mal über seine geröteten Augen und verklebten Wimpern, bevor er sich endgültig von seinem Elend seiner selbst abwandte. Er konnte ja nicht ewig hier drin bleiben... Obwohl... Aoi wartete bestimmt auf eine Entschuldigung... Wieder ein Seufzen. Er hätte nicht vor seinem Problem fliehen sollen... Aoi. Doch erst einmal musste er ihm zuhören... Abermals schwer aufseufzend umfasste er seine Ellenbögen. Sein Körper zitterte noch immer leicht. Aoi müsste wissen, das drängen bei ihm nichts brachte... Warum also...? Hatte er genug von ihm...? Schwer bedrückt wankte er einen Moment vor und verharrte erneut unschlüssig. Er wollte doch nur... glücklich werden... „Jetzt mach schon...“, forderte er sich selbst auf und legte die Hand auf die Klinke. „Er wird dir zuhören... Er ist... Yuu. Yuu tut das.“, sprach er sich Mut zu, schloss resigniert die Lider und öffnete die Tür zur Stube, die... leer war. Da kein verräterischer Laut an seine Ohren drang, konnte es nur so sein. Verwundert die Augen öffnend, ließ er seinen Blick schweifen. Kein Aoi...? Ein Blinzeln. Auf leisen Sohlen wanderte er in die Mitte des Raumes. Wenn Aoi ihn hätte erschrecken wollen, wäre er wohl spätestens jetzt aus seinem Versteck gekommen. Unsinn... Warum sollte er ihn erschrecken wollen? Er war sauer auf ihn, das konnte der Blonde sich denken, aber... er würde ihn auch nicht ungeklärt stehen lassen. Nicht Yuu... „Aoi?“ Vogelgezwitscher ließ ihn aufschauen. Die Tür zum Balkon war offen gelassen worden. Natürlich... Aoi und seine Zigaretten. Da wer er ihm nicht ganz unähnlich. Seinen dünnen Mantel enger um sich schlingend, trat er über die Schwelle nach draußen und sah sich auch dort nach dem Schwarzhaarigen um. Doch auch hier weit und breit kein Aoi. Viele weitere Möglichkeiten gab es nicht. Außer... Seine Augen weiteten sich erschrocken über seine eigene Vermutung. Schnell wandte er sich zum Gehen um. Erneut dieses Vogelgezwitscher... Ein wenig genervt in seiner jähen Panik, schloss er die Glastür hinter sich, bevor er sein Schlafzimmer aufsuchte. „Hier auch nicht... aber...“, dachte er und trat an seine Wand im Inneren des Zimmers, die von einem schweren Vorhang bedeckt war, auf dem Geschenke ihrer Fans hingen. Nie war jemand dahinter gekommen, das hinter diesem Vorhang ein weiteres Zimmer steckte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er zögernd den Vorhang zur Seite schob und den Raum. Kein Aoi. Erleichtert fiel Uruha's Anspannung. Wenn Aoi den sehen würde... spätestens dann wusste er, wie vernarrt er in ihn war. Schon fast ein wenig peinlich, wie viele Poster von ihm und ihnen beiden an den Wänden hingen. Alte Erinnerungsstücke sowie Neue. Die Videos gehörten in diese Sammlung. Aufatmend und mit roten Wangen, ließ er den Vorhang zurück gleiten. Dabei bemerkte er den kleinen Vogel am Fenster nicht, der ihn dabei beobachtete. Er besaß ein glänzendes schwarzes Gefieder und wirkte sonst, als wäre er nicht von dieser Welt. Aber wo war Aoi dann? Viele Möglichkeiten gab es nicht mehr. „Aoi?“ Abwarten und Panik schieben? Super. „Aoi?!“, rief er nochmals und ging eiligen Schrittes in die Küche, dem einzigen Ort, an dem er noch nicht nachgesehen hatte. Wie erwartet, fand er den Raum leer vor. Der liebevoll gedeckte Tisch, strahlte etwas hämisches aus. Bedrückt ließ er sich in einen der Stühle daran sinken und vergrub den Kopf in den Händen über seinen angezogenen Knien. „Ich hab es vermasselt... Wirklich... vermasselt...“, schluchzte er leise auf und schüttelte über sich selbst den Kopf. „Warum bist du nur so... Uruha? So schwach und verweichlicht... Ganz anders als Kouyou...“, dachte er verzweifelt und ballte die Hände zu Fäusten. War er schon soweit, sich wünschen zu müssen, wie früher zu sein? Dabei war Aoi doch nur kurz um die Ecke... oder... noch etwas einkaufen! „JA!“, dachte er euphorisch und stand etwas ungelenk auf. „Vielleicht hat er mir eine SMS geschickt, wenn schon kein Zettel zu finden ist.“, versuchte er seine Angst zu verdrängen und hechtete durch seine Wohnung, um sein Handy zu finden. „Das muss doch hier irgendwo... Ah!“, rief er zum Ende hin triumphierend aus und starrte auf den regungslosen Bildschirm. „Ich wusste es... Aoi kann mir nicht lange böse sein.“, meinte er jedoch mit einer Spur Unsicherheit in der Stimme und öffnete den angezeigten Brief für eine angekommene SMS. „Hey Schlafmütze! Vergiss bitte nicht dich zu melden, sobald du Zeit für ein musikalisches Treffen finden kannst. Meine neuen Lyriks wollen vertont werden. Und gib bitte Aoi Bescheid. Ich erreiche ihn nicht. Danke. Ruki.“ Selbst als er die SMS zu Ende gelesen hatte, starrte Uruha noch immer ungläubig auf den Bildschirm. Das war nur Ruki. Nur Ruki hatte ihm geschrieben. Nur er... „Warum sollte Aoi mich stehen lassen...? Er würde den Konflikt beenden wollen. Das war immer so gewesen. Immer, wenn wir uns gestritten haben. Früher.“ Der Blonde schluckte. Dann musste er eben selbst ran. Nervös tippte er Aoi's Nummer ein und legte anschließend das Handy an sein Ohr. Doch wie lange er auch wartete, am Ende erklang nur Aoi's Stimme aus der Mailbox. „Warum geht er nicht ran?!“ Erneut rannen ihm Tränen über die Wangen. „Verzeih mir, Yuu...“, schniefte er leise und sacke in die die Knie. Ein jähes Gewitteraufkommen übertönte die klickenden Geräusche, die ein Vogel scheinbar verängstigt mit seinem Schnabel an der Balkontür verursachte. +~+ "Uruha, ich weiß doch, das du zu Hause bist. Also gehe bitte an dein Telefon.“, erklang Ruki's Stimme über dessen Anrufbeantworter und ließ Uruha genervt aufseufzen. Wieder nur Ruki. Noch dazu ein gut gelaunter Ruki. Das könnte er jetzt nicht ertragen. Eine gefühlte Ewigkeit saß Uruha nun schon zusammengekauert auf dem Teppichausleger vor seiner Couchgarnitur. Ein wiederkehrende Überholung der Minuten, in denen er auf sein Handy gestarrt, mal geflucht und mal geschluchzt, und darauf gelauscht hatte, ob neben dem Donnergrollen noch ein Türklopfen oder Klingeln zu hören sein könnte. „Aoi...“, jammerte er krächzend und fasste sich mit verzerrter Miene an die trockene Kehle, nur um schmerzhaft zu röcheln. Seinen Herzschlag spürte er deutlich hinter der angespannten Haut hervor treten. „Ich bade zu viel im Mitleid.“, dachte er resigniert und versuchte sich aufzusetzen, was ihm nicht recht gelingen wollte, da seine Beine eingeschlafen waren. Hatte er so unbequem gesessen und es nicht einmal gemerkt? Seine Überraschung erübrigte die Antwort. Sich an der Sessellehne hochziehend, wankte Uruha unsicher vor. Ohne Halt und einem unsicherem Ziel entgegenstrebend. „In die Küche...? Bad...? Was... will ich denn...?“ Resigniert seufzte der Blonde auf und presste seine Handballen auf die schmerzenden Lider. Die angenehme Kühlung ließ ihn aufseufzen. Warum konnte nicht Aoi entscheiden...? Nun genervt über sich den Kopf schüttelnd, wankte er weiter vor, der Küche entgegen. „Unsinn, Kou.“ Halt suchend krallte er sich erleichtert in den weißen Türrahmen und ließ seinen Oberkörper für einen kurzen Moment dagegen lehnen, wobei seine geröteten Augen über die Raumutensilien huschten und am Tisch hängen blieben, welcher noch immer gedeckt war. Unwillkürlich die Brauen hebend, setzte er mit inzwischen sicheren Schritten seinen Weg zum Tisch fort, um beim genaueren Mustern am Löffel in seiner Tasse hängen zu bleiben. Schwach bogen sich seine Mundwinkel nach oben. Aoi hatte an ihn gedacht. Bevor er Panik bekam... Seine zitternden Hände schlossen sich um die inzwischen kalten Kaffeetassen und hoben sie an. Unschlüssig den Inhalt betrachtend, senkte er seine Lippen an die des schwarzen Kaffee's, das für ihn untypische Gebräu. Wie erwartet verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse. „Wie kann Yuu nur so etwas trinken...?“, dachte er etwas angewidert und musterte den Rand der Tasse. Vielleicht hatte Aoi schon davon getrunken und er hatte... Erzählte Ruki nicht einmal, auch diese Art von Lippenberührung sei ein Kuss? Augenblicklich seufzte der Blonde verträumt auf. Wenn es nur so wäre... Den Inhalt in die Spüle gießend, stellte er die Tassen dem späteren Abwasch hinzu und nahm stattdessen ein sauberes Glas aus einem der Hängeschränke. Dieses Glas füllte er mit Wasser, welches er im leer wirkenden Kühlschrank in einer Flasche hervorgezogen hatte. Gierig klammerte er sich daran fest und sog das kühlende Nass in sich auf. Noch eine dieser Abhängigkeiten. Nur das er die menschliche Abhängigkeit selbst in diesem Maße hervorgerufen hatte und nun den Boden unter den Füßen verlor... Warum hatte er es nicht eher bemerken können? Hätte es etwas gebracht? Hätte es ihn davon abgehalten, sich in diesen wundervollen Menschen zu verlieben? +~+ Heftig puckerte sein kleines Herz hinter seiner von flauschigen Daunen besetzte Brust. Er hatte zu ihm fliegen wollen... diesem armen Geschöpf... Uruha... Doch nichts hatte dessen Aufmerksamkeit auf sich lenken lassen. Wie hätte er auch reagieren sollen, wenn er ihn so gesehen hätte... Es konnte nur ein schrecklicher Albtraum sein, wie ihm beim jähen Blitzzucken des Himmels bewusst geworden war, das nicht nur seine Perspektive, sondern auch sein Äußeres sich verändert hatten. Vor sich selbst erschreckend hatte er auf den schwarzen Vogel im Spiegel eingehakt und dabei vergessen, das dieses Tier sein Spiegelbild war. Ein schlechter Scherz. Sonst nichts. Lange hatte er seinem besten Freund zugesehen, wie dieser erst panisch, dann verzweifelt in seiner Wohnung herum getigert war. Auch seinen Namen hatte er gehört und sein Handyklingelton hatte ihn aufschrecken lassen. Wenn Uruha ihn suchte, warum sah er nicht zu ihm? Warum sperrte er die Balkontüre mit einem dichten Vorhang? Warum... sah er ihn nicht. Ihn. Aoi. Als auch noch der Regen eingesetzt hatte, hatte er die unbedachte Terrasse verlassen, um sich ein sicheres Versteck zu suchen. Er hatte mehrere Ansätze gebraucht, um die Funktionen seiner neuen Arme zu verstehen und nutzen zu können. Er flog! Und dieser Traum fühlte sich so echt an. So unglaublich real... und doch... so falsch. Wohin sollte er, wenn nicht ins Haus? Uruha hatte keinen sicheren Platz außerhalb des Hauses. Bei ihm sah es auch nicht viel besser aus... Kai...? Kai hatte eine kleine Terrasse. Vielleicht konnte er dort erst einmal Unterschlupf suchen. In den Bäumen zu hocken und darauf zu warten, von einem Blitz gegrillt zu werden, wäre maßlos dumm... oder? Doch je länger er sich um ein Weiterkommen bemühte, desto schwerer wurden ihm seine Glieder. Die Perspektive über den Dächern der Stadt war neu und faszinierend, doch der Regen nahm ihm des öfteren die Sicht und die Konzentration. Keiner seiner jetzigen Artgenossen war noch am Himmel zu sehen. Wo musste er überhaupt lang? Von hier oben sah doch alles anders aus. Immer schwächer werdend, sank sein Körper abwärts, den Dächern entgegen, unter einem er schließlich Zuflucht fand, um das Gewitter abzuwarten und Energie nach zu tanken. Wenn er schon ein Vogel war und sicher träumte, dann... könnte er doch eine Reise unternehmen? Er wollte schon länger mal genügend Zeit für China haben. Die kurzen Abstecher mit der Band waren ihm viel zu kurz vorgekommen und seine Eltern hatten ihn schon oft von so manchen Orten vorgeschwärmt. Blieb nur die Frage, ob er es über den Ozean schaffen würde. Und ob es ihm ohne seine Freunde gefallen würde. Seit Jahren schon hatte er keinen alleinigen Urlaub mehr gemacht. Entweder war die gesamte Band dabei oder Uruha. Traurig piepste er auf. Kaum träumte er etwas Surreales und doch Reizendes, vermisste er seine Freunde. Warum waren sie nicht auch Vögel? Dann könnten sie zu fünft die Welt erkunden...? Und nie wieder Musik machen wie sonst... „Nicht jammern. Es ist nur ein Traum.“, versuchte er sich einzureden und vergrub den Kopf unter dem linken Flügel. Warum nur gefiel ihm dieser Traum immer weniger...? Und warum kam im diesem Traum vor, das Uruha ihm einen Raum in seinem Schlafzimmer verheimlichte? Warum sollte er? Gab es in ihrer Freundschaft etwas zu verheimlichen? So wie dieses Video...? Uruha hatte ihn tatsächlich geküsst... So wie Kou reagiert hatte, musste es so gewesen sein. Doch warum wich er ihm aus? Mal probieren wollen... ist doch in Ordnung...? Eine einfache Erklärung hätte ihnen den Rest erspart. Vielleicht würde er dann nicht träumen? Warum eigentlich...? Schlief er? Nicht einmal zwicken konnte er sich, um aufwachen und zu Uruha gehen zu können, um diesen zu trösten. Vielleicht war er tatsächlich sauer... aber doch nur aus Hilflosigkeit und der Sturheit wegen, mit der Uruha alles abblockte, was ihn in Konflikte bringen könnte. Dabei hatte er nicht mal streiten wollen...! Er hatte nur Ehrlichkeit erwartet. Das konnte kein egoistischer Wunsch sein, oder? Sein schmächtig, gebrechlicher Körper zitterte. Trotz wärmender Daunen war ihm frisch, doch auch der Gedanke an den Zwiespalt in ihm ließ ihn frösteln. +~+ Als es an Uruha's Wohnungstür klingelte, drehte sich der Herr der Wohnung grummelnd auf die andere Seite seines viel zu großen, leeren Bettes. Nicht einmal der Stoffbär, den er zu sich geholt hatte, konnte diesen Umstand nicht ändern. Auch wenn er ihn letztes Jahr auf dem Jahrmarkt von Aoi geschenkt bekommen hatte... Die vergleichbare Wärme von dessen Körper konnte dieses Ding nicht ersetzen. Ein erneutes Klingeln rissen den Nachdenker aus seinem vom Schlag zurückgelassenen Dösen. Murrend rieb er sich über die gereizten Lider und zischte jäh auf. „Das sollte ich vielleicht lassen...“, fiel es ihm wieder ein und es war, als legte sich ein schwerer Stein auf seine Brust. „Es war nicht nur ein schlechter Traum... Wieder allein...“, ließen ihn seine Gedanken aufseufzen und die Beine über dem Bettrand schwingen. Das Klopfen an seiner Haustür ließ ihn aufschrecken. „Wer weckt mich denn gegen...“ Der blonde Schopf richtete sich auf seine Uhr. „Oh... Fast Mittag. Hatte er durchgeschlafen?“ "Uruha!" War das Aoi?! Mit einem lachenden und weinenden Auge richtete er seine müden Knochen auf, streckte sich und lief dann eilends zur Haustür, hinter der noch immer sein Besucher stand und wartete. Was sollte er Aoi sagen?! Tief einatmend, straffte er seine hängenden Schulter, ehe er die Tür aufriss und... Ruki vor sich entdeckte. Ihn für einen Moment irritiert anstarrend, als wäre er eine Erscheinung, fielen seine Schultern wieder zurück in ihre alte Position und sein Blick wurde traurig. Dies blieb auch vom Sänger nicht unbemerkt, der zunächst hatte beleidigt aufmucken wollen, als Uruha so offensichtlich traurig über seine Wenigkeit schaute, aber ließ er seine rasch gekränkte Ader mal außen vor und näherte sich mit geöffneten Armen und schwachen Lächeln dem Größeren. „Was ist los, Großer, hm? Wen hast du erwartet?“ „Hey, Ruki-chan...“, murmelte Uruha noch zur Begrüßung, eher er in sein Haus geschoben wurde. Über die Endung die Augen rollend, schloss dieser die Tür und ließ Pflichtbewusst seine Schuhe an der Garderobe stehen. „Auch dir einen schönen Morgen, Schlafmütze. Lass uns in die Wohnstube gehen. Du siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammen klappen. Schon etwas gegessen?“, wollte der Sänger wissen und warf einen Blick in die Küche, als sie an dieser vorbeiliefen. Irritiert hielt er inne. „Hab ich dich beim Frühstücken gestört? Ist noch jemand da?“, hakte er nach, als er das zweite Geschirr bemerkte. „Hm? Nein, das ist noch von Gestern. Gefrühstückt habe ich noch nicht.“ „Was? Gestern? Und du lässt die Sachen draußen stehen? Setze dich mal... Ich stell die Butter und die anderen Sachen erst einmal in den Kühlschrank. Das isst sich später besser.“ „Okay... Nein, du bist mein Gast, Ruki. I-ich... Ich mach das schon...“, widersprach Uruha und legte seine Hände auf dessen Schulter, um seine unsicheren Worte zu bekräftigen. Verwundert blickte der Rotschwarzhaarige zu ihm auf. „Okay, dann setze ich mich und warte.“ „Danke.“ Etwas unschlüssig der Gestalt Ruki's mit Blicken folgend, zwang sich Uruha in Bewegung. Wenn er eines begriffen hatte, war es, sein Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen. Vielleicht war Aoi deshalb auch vor ihm geflohen? Eine der vielen Möglichkeiten. Er hatte so vieles so falsch begangen. Schnell stellte er alles weg, was noch von dem am Vortag gedeckten Tisch übrig geblieben war und verharrte verwundert, als ihm eine Schachtel Zigaretten an einem Tischbein ins Auge fiel, an der ein kleiner Zettel klebte. Mit geweiteten Augen ging er blitzschnell in die Hocke, griff danach und stieß sich beim Hochkommen den Hinterkopf. Er fluchte kurz, ehe er sich dem viel wichtigeren Zettel zu wandte. „Uruha.“ Das waren Zigaretten für ihn? Seine Marke. Aoi hatte ihm welche mitgebracht? Augenblicklich erschien ein freudiges Lächeln auf seinem Gesicht, welches jedoch rasch wieder aus diesem verschwand, als er daran dachte, Aoi für diese Geste nicht danken zu können. Abweisend schob er die Schachtel über den Tisch von sich. Später vielleicht... „Ruki, magst du einen Tee haben?“ „Ja, gerne. Vielen Dank.“ Erleichtert darüber, das Gespräch mit Ruki ein wenig hinauszögern zu können, suchte er Tasse, Teebeutel und Zucker zusammen, ehe er den Wasserstand im Wasserkocher auffüllte. Das Klicken des Kippschalters beendete seine Arbeit in der Küche, was ihn zunächst unschlüssig verharren, dann aufseufzen ließ. „Also dann...“, wollte er sich Mut zureden, doch sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als Ruki am Türrahmen auftauchte. „Wenn ich unpassend hier hereinspaziert bin, hättest du was sagen können, Ruha...“ Überrascht wandte der Angesprochene seinen blonden Schopf, der sich schüttelte. „Nein, Ruki. Es liegt an mir. Ich bin froh, das du... da bist.“ Der Sänger trat misstrauisch näher, brachte Uruha zum zurück weichen. „Was...?“, flüsterte der Größere verwundert und spürte plötzlich zwei Arme, die sich um ihn schlangen und einen Kopf, der an seiner Brust gebettet lag. „Was ist los, Großer...? Du kannst mir doch alles erzählen... Nicht wahr...?“ Uruha schluckte. Unsicher fand seine Recht platz auf Ruki's Kopf, die andere legte sich beruhigend auf dessen rechten Arm. „Ich habe mich mit Aoi gestritten... Deshalb bin ich so neben mir... Tut mir Leid...“, erwiderte der Blonde nun unsicher und strich Ruki etwas hilflos über den Hinterkopf, der sich nun von seiner Brust löste, damit dieser zu ihm aufsehen konnte. Verwirrung spiegelte sich in Ruki's Augen wider. „Ihr... habt gestritten?“ Traurig lächelnd bejahte Uruha mit einem Nicken. „Lass uns in die Wohnstube...“, erwiderte Ruki fast etwas hastig, löste sich von Uruha, packte dessen Hand und zog ihn mit sich. Der Wasserkocher war vergessen. Der Sänger bugsierte den Gitarristen neben sich. „Jetzt musste ich mich setzen. Wie... Wie das? In all den Jahren nicht und jetzt...?“ „Oh... Früher haben wir schon...“ „Früher ist früher, aber seit Gazette...“ „Ja... ich bin dran Schuld.“ „Hast du es ihm gesagt...?“ „Was meinst du...?“, wollte Uruha irritiert wissen und runzelte die Stirn. „Na ja... Das du ihn... magst...?“ Jetzt wirkte Ruki ein wenig verlegen, Uruha umso irritierter. „Du weißt es also auch?“ Das war mehr eine Feststellung, als eine Frage, die Ruki nicken lies. „Kai hat es mir Gestern erzählt, nachdem ich ihn Stundenlang bequatscht habe... Wenn ich das nicht wissen sollte-“ „N-nein, nein! Das ist okay. So oder so wird es jeder erfahren, der es noch nicht weiß... Es bemerkt ja doch jeder... nur... er nicht.“ „Warum hast du nicht eher was gesagt, hm? Ich hätte dich unterstützen können.“, schlug Ruki mit einem freundschaftlichen Lächeln vor und stupste seinen Nebenmann leicht mit dem Ellenbogen an. „Ich... habe selbst erst zu spät gemerkt, aber... Danke, Ruki.“, erwiderte Uruha traurig lächeln und wuschelte dem Sänger die Frisur zu Nichte. „Hey! Ich wollte noch zu Kai!“, motzte Ruki sofort los, schlug halbherzig nach Uruha's Hand und zupfte anschließend seine Haare schmollend zurecht. „Also warum habt ihr...?“ „Deswegen nicht. Ich... konnte es ihm nicht sagen.“ „Noch immer nicht?“ „I-ich hab zu viel Angst!“, versuchte Uruha sich zu verteidigen und erhielt einen schiefen Blick. „Angst vor Aoi? Gerade DU brauchst keine Angst vor ihm zu haben, richtig?“ „W-was i-ich-“ „Richtig?“ Schuldbewusst senkte der Blonde den Blick. „Ja... Ja, verdammt...!“ Über Uruha's Einsicht lächelnd, stockte der Sänger jäh, als hinter dem Haarvorhang des Gitarristen eine Träne auf dessen Oberschenkel fiel und an der Hose zerschellte. Ruki's Augen weiteten sich entsetzt. Hatte er es zu weit getrieben? Seine halbwegs gerettete Frisur außer Acht lassend, rutschte er dem Gitarristen entgegen und nahm ihn in wenigen Minuten abermals in die Arme. Er war eher nicht der Kuscheltyp, aber Uruha... war eben Uruha. Der brauchte das. „Hey... Tut mir Leid.“ „Du kannst nichts dafür, das ich so jämmerlich bin, wie ich bin...“, erwiderte Uruha schniefend und wischte sich die Augen trocken. „Du bist nicht jämmerlich!“ Über diesen kleinen Ausbruch Ruki's erschreckend, stoppte sein Zittern und sein fragendes Gesicht wandte sich dem Kürzeren unsicher zu. „Nicht?“ „Nein!“ Sich wieder von Uruha lösend, um diesen ansehen zu können, schüttelte er den Kopf, um seine Meinung zu bekräftigen. „Unselbstständig, aber nicht jämmerlich. Schau doch mal, was DU geschafft hast, Uruha!“ Der Gitarrist senkte den Blick auf seine Hände, die gefaltet, aber kräftig auf seinem Schoß ruhten. Er konnte Gitarre spielen... „Da magst du Recht haben, Ruki. Ja, ich bin nicht gänzlich jämmerlich.“ Der Sänger stöhnte genervt auf. Uruha's Kopf senkte sich nach dieser Reaktion um ein Weiteres. „Tut mir L-“, murmelte er sogleich, stieß jedoch einen überraschten Schmerzenslaut aus, der ihn in seiner Rede unterbrach, als Ruki mit der Faust auf seine Schädeldecke traf. Nicht hart, aber doch bestimmend. „Idiot!“ Die Augen des Blonden weiteten sich unwillkürlich. Aoi's Worte... „Mach dich nicht schlechter als du bist.“ Auch Aoi, doch... es war anders mit... Ruki. Ganz anders. Ihm fehlten die Umarmungen... die Berührungen... Seufzend fielen dem Blonden die schweren Lider zu. Er war nicht Aoi... „Es tut mir so Leid... Auch dafür, das ich so anstrengend bin.“ „Dummerchen... meinst du, ich bin einfach? Oder Kai...? Reita...? Aoi? Ich hab jeden so lieb, wie er ist und damit meine ich auch dich. Würde ich eure Macken nicht akzeptieren, würdet ihr dann meine akzeptieren? Wären wir dann noch, was wir sind?“ Songschreiber durch und durch... Lächelnd wandte er seinen Kopf dem Sänger zu. Seine Hand nach ihm ausstreckend, um ihn an seine Schulter zu ziehen. „So gefällst du mir schon besser, Prinzesschen.“, meinte Ruki aufmunternd vor sich her lächelnd etwas belustigt, ehe er den Kopf hob, als er zunächst an den Gitarristen gedrückt wurde und dann dessen Körper plötzlich merklich neben ihm erstarrte. „Kou, was ist los...?“ ~Rückblick~ „Hey, siehst du die?“ „Sexy.“ „Yeah... Lass deine Hände ja bei dir... Die schnappe ich mir.“ „Du könntest ruhig einmal teilen, Shino!“ „Dann komm halt mit, kleiner Bruder, aber ich will zuerst ran!“ Unbemerkt seines Umfeldes, verträumt die Augen geschlossen haltend, tupfte der Frischblondierte seinen Nacken mit einem vom kalten Nass durchzogenen Lappen ab. Endlich war er dieses einheitliche Schwarz los. Wie sehr es ihn doch gestört hatte. Nun hatte er sich endlich seinen Traum erfüllt und es mit seinem Charme und den Zureden seiner Schwestern tatsächlich geschafft, seine Mutter besänftigen zu können, damit diese ihm den Schulausflug ins naheliegende Badehaus und den anderen Sehenswürdigkeiten des Kirschblütenfestes erlaubte. Es war noch nicht einmal Mittag, und dennoch strahlte die Sonne schon jetzt eine wunderbare Wärme aus. Seufzend den Kopf vornüber gleitend, versuchte er mit dem Lappen an seine Schulterblätter zu gelangen. Er war der Letzte aus seiner Klasse, der noch mit dem Vorwaschen beschäftigt war und auch sonst schien niemand im Waschraum zu sein. „Hallo, Prinzesschen. Darf ich behilflich sein?“, kam es auf einmal von hinten, ehe ihm der Lappen aus der Hand gerissen und dieser nass auf seinen Rücken zurück geklatscht wurde. Erschrocken richtete sich sein Oberkörper auf. „Welcher Tollpatsch...?“, fragte er sich und wollte einen Blick zurück riskieren, als Hände seine Gesicht umfassten und ein nackter Körper sich von hinten an ihn drängte. Angewidert und erschrocken zugleich, wollte der Blonde zur Wehr ansetzen, wurde jedoch von jemand Kleineren an den Händen gepackt. Seine Hilferufe wurden derweil von einer großen, starken Hand abgedämpft, die sich auf seinen Mund presste. „Was wollten diese Jungs von ihm?!“, fragte er sich und blinzelte verzweifelt Tränen der Angst. „Du bist so schön, Prinzesschen.“, wurde nah an seinem Ohr ausgesprochen, bevor eine freche Zunge aus dem fremden Mund glitt und seine Ohrmuschel umfuhr.Vor Entsetzen erstarrte er. „Ich bin nicht...“ „Lass dich ansehen, hm?“, wurde er in seinen Gedanken unterbrochen und sah erblassend, wie die zweite Hand des Stärkeren dich an seiner Kehle vorbei streichend nach dem Handtuch fasste. „Nein!“, brüllte er verzweifelt, jedoch weiterhin gedämpft, los und versuchte sich frei zu winden. Doch leicht wurde es ihm nicht gemacht. Als er einen unsanften Stoß erhielt und vornüber fiel, dabei mit dem Gesicht ungeschickt über dem Boden schrammte, seufzte der Fremde genervt über sein Wehren auf. “Du willst es nicht anders, Prinzesschen, hm? Schau doch...“, forderte der Größere gelassen auf und umfasste sein steifes Glied. Panisch richtete sich das 'Prinzesschen' auf, als er seinen Hintermann aufstöhnen hörte, und krabbelte so weit, wie es ihm möglich war, von den beiden wegzukommen. Jedoch löste sich der Knoten seines Handtuches und gab damit mehr preis, als er gewollt hatte. Die plötzlich, angespannte Stille ließ ihn schneller über dem Boden robben. Die Schrammen, die ihm der ungleiche Boden zuteilte, waren ihm gleich. Er musste weg! Die Augen zusammenkneifend, die Zähne zusammenbeißend, schluchzend, kippte sein Körper vornüber, als er das Gleichgewicht verlor. „Nein!“, dachte er abermals, kühlte unwillkürlich seine aufgeschrammte Wange auf dem kalten Boden und wollte sich erneut aufrichten, um fliehen zu können, als ein Paar Füße dicht an seinem Kopf mit festem Schritt an ihm vorbei marschierten. Der Saum eines blauen Yukatas schwenkte in der Bewegung des Eingetretenen mit. „Eh! Hast du gesehen ,Shino!“ „Ja, ja! Hey! Was willst du?!“ „Das ihr IHN in Ruhe lässt!“ „Wieso? Kennst du ihn etwa?“Der Mutige ließ die Knochen seiner Hand knacken. „Kennst du ihn etwa, das du so mit ihm umspringen kannst? Der Lehrer dieses Jungen ist auf dem Weg hier her.“, meinte der Fremde lässig. „Lehrer? Ach...! Du willst ihn doch nur selbst-“, wollte der Größere wieder aufmucken und trat näher, hatte jedoch, bevor er weiter sprechen konnte, eine Faust in seinem Gesicht. Es knackte. „Hascht du schie nicht mehr alle?! Meine Nasche!“ „Willst du nochmal? Ich dachte, du stehst auf Schmerzen, wenn du dem Jungen weh tust?“ „Na warte!“, rief der Kleinere der beiden, die sich an dem Blonden vergehen wollten, und boxte dem Schwarzhaarigen – soviel konnte das 'Prinzesschen' inzwischen erkennen – in die Magengrube. Tatsächlich keuchte sein Retter auf, was den anderen dazu ermutigte, trotz gebrochener Nase und Blutverlust, zum Schlag auszuholen und noch ehe der Schwarzhaarige zur Wehr ansetzen konnte, schlug der Kerl tatsächlich zu, schrammte jedoch nur die Wange des Kleineren, der noch rechtzeitig ausweichen konnte, den Gürtel des Yukata öffnete, um beim Aufgleiten des Stoffvorhangs, gezielt dem Größeren einen Tritt zu verpassen. „Was ist hier los?“, erklang es jäh hinter ihnen und die Vermutung des Schwarzhaarigen bejahte sich. Sein Lehrer. „Kouyou, was machst du da unten? Du... Du liebe Güte... Was hast du denn gemacht? Bist du ausgerutscht?“ Der Blonde verkniff sich jeden weiteren Gefühlsausbruch, nickte mit starrem Nacken und setzte sich unsicher auf, wobei er seine Hände so platzierte, das nichts von ihm gesehen werden konnte. Sein Gesicht war rot angelaufen vor Scham. So vor seinem Lehrer... Die beiden Übeltäter waren inzwischen verschwunden. Nur der Schwarzhaarige, der ihn gerettet hatte, war noch anwesend und band sich eben den Yukata wieder zu. Am liebsten würde er zu ihm und sich dafür bedanken, ihn vor dem Schlimmsten bewahrt zu haben, aber... Während sein Lehrer ihm sein Handtuch besorgte, sah Kouyou, wie der Fremde den gestreckten Daumen in die Höhe hielt und dann mit etwas hängendem Kopf aus seinem Sichtfeld verschwand. „Idiot.“, betitelte er ihn leise und lächelte. „Wie soll ich dir danken, wenn du aus meinem Leben so schnell verschwindest, wie du gekommen bist?“, setzte er in Gedanken nach und bedankte sich bei seinem Lehrer, der sich abwandte, damit Kouyou sich aufsetzen und das Handtuch umbinden konnte. „Kouyou, ich möchte, das du zu der Frau dort drüben gehst und ihr die Schrammen zeigst.“ „Ja, Sensei.“ „Gut, bis später und pass etwas besser auf. Wenn etwas ist, weißt du, was du zu tun hast?“ „Ja, Sensei.“ „Gut, du bist entlassen.“ Sich verneigend, murmelte Uruha Worte des Abschieds und ging mit weichen Knien los, wie sein Sensei ihm aufgetragen hatte, sich verarzten. Das war schnell erledigt und so konnte er die letzten Minuten der bezahlten Stunde noch das langersehnte heiße Bad nehmen. Wie erwartet hatten die meisten seiner Kameraden das Bad bereits verlassen. Waren die Außenstände des Festes viel interessanter als ein traditionelles Badehaus. Das traf sich jedoch für ihn ganz gut. Er war gerne alleine. Vor allem... jetzt. Verunsichert blickte er sich um. Kaum jemand beachtete ihn. Erleichtert ließ er das Handtuch über seinen Körper gleite, während er in das alleinige Becken stieg. Warmes Wasser begrüßte ihn sprudelnd. Entspannt lösten sich seine angespannten Schultern und Kouyou glitt tiefer. Die Augen erleichtert schießen, kamen die Bilder wieder in ihm hoch und das Gefühl dieses fremden Körpers... Ekel kroch in ihm hoch und ließ ihn leise würgen. Verlegen sank er noch ein Stück tiefer in das warme Nass, um weitere Geräusche zu meiden. „Schalte ab... Es ist vorbei... Es ist nichts...“, wollte er sich beruhigend zureden, als das Wasser neben ihm in Wallung geriet und er erschrocken zur Seite wich. Sein ängstlicher Blick schweifte hoch, musterte den fremden Körper unverständlich begierig, der gerade zu ihm einstieg, und wandte sich abrupt ab, als er bemerkte, wie genau er den Schwarzhaarigen... Irritiert blinzelte Kouyou und fuhr rum. Ein breites, freundlich gestimmtes Lächeln, begrüßte ihn. „Tut mir Leid, wenn ich hier so rein platze... Aber... Ich konnte nicht anders... Wie geht es dir...? Alles gut? Hat er dich angefasst?“ Sprachlos starrte der Blonde den anderen über die Wellen hinweg an. Fixierte die Schramme an dessen Wange, aus der noch immer vereinzelt frisches Blut quoll. „Tut mir Leid... Ich hatte kein Pflaster... Das hört gleich wieder auf.“ „Idiot.“, war das erste, was er deutlich zu ihm sprach und den Unbekannten verstummen ließ. Seine Sorgen vergessend, schwamm er neben den anderen und griff nach seinem eigenen Handtuch. Erwartungsvoll und mit gehobenen Brauen blickte er seinen Nebenmann an, der ihm verständnislos das hübsche Gesicht zugewandt hatte. Lächelnd mit der einen dessen Kinn umfassend, tupfte Kouyou das Blut mit dem Handtuch weg und hielt es dann gedrückt auf die Schramme. „Danke.“, sprach er ehrlich gemeint aus und fixierte nach kurzem, verlegendem Wegsehen die schönen Augen des Unbekannten, bevor er seine senkte. „Naivling.“ „Hä...?“, machte Kouyou verwirrt und legte den Kopf schief, sah dabei wieder auf. „Jemand Hübsches wie du, sollte aufpassen, wo er hingeht.“ Der Angesprochene errötete. „Unsinn...“ „Du hattest Glück.“ „Ja...“, murmelte Kouyou zum Ende hin bedrückt, legte das Handtuch weg und ließ sich wieder mehr im Wasser sinken, um sein errötetes Gesicht zu verstecken. So etwas war ihm ja noch nie passiert. Wie peinlich... Scheinbar nicht peinlich genug, als der Schwarzhaarige auch noch seinen Arm um ihn legte, um ihn an seine Schulter zu ziehen. Nur kurz war er erstarrt, doch das Gefühl einer ihm unbekannten Vertrautheit, hatte ihn schließlich seinen Kopf auf die fremde Schulter platzieren lassen. Der andere hatte ihn schließlich gerettet... Seine Tränen nahm stumm ihren Lauf... „Ich bin Yuu.“ Das waren die einzigen Worte, die der ihm nun Bekannte in den letzten Bademinuten verkündete, ehe er rücksichtsvoll mit ihm schwieg. ~Rückblick Ende~ Den Kopf in den Händen vergrabend, drang ein erstes verhaltenes Schluchzen an Ruki's Ohren. „Hey, Großer... Man, sag schon was los ist... Hab ich was Falsches gesagt?“ „I-ich bin keine Prinzessin!“ „J-ja!“, erwiderte Ruki verwirrt und rutschte unschlüssig näher. Was würde Aoi an seiner Stelle tun? „Na komm her, hm?“, bot er dem Gitarristen an zu kuscheln, doch der Blonde schluchzte nur um ein weiteres auf. Was hatte er nun falsch gemacht...? „Es tut mir Leid, Kouyou...?“ Der Angesprochene winkte zitternd ab. „W-wird gleich wieder...“, versicherte ihm der Blonde und ignorierte Ruki's fragendes Gesicht. Also wartete der Sänger. „...“ „Tut mir Leid für den Ausbruch. Ist schon wieder gut“, versicherte Uruha ihm nach wenigen Warteminuten, rieb sich die Augen trocken und blickte daraufhin stur auf seine gefalteten Hände zwischen seinen Knien. „Ich verbinde mit der Bezeichnung nichts Gutes. Ist nicht dein Fehler.“ „Okay...“, erwiderte der Sänger erleichtert, aber doch etwas enttäuscht, da er sich nicht erklären konnte, was genau Uruha damit meinte. Er wusste von Anfang an, das zwischen ihnen und Aoi und Uruha gewisse Geheimnisse über ihre Vergangenheit bestanden, was ihn anfangs auch nicht gestört hatte, aber... wie lange waren sie schon befreundet...? „Also fein...“, räusperte sich Ruki unsicher und setzte sich zurecht. „Ihr... habt euch also gestritten. Warum... klärt ihr das nicht und alles ist wieder gut?“ „Das würde ich gerne, aber Aoi ist verschwunden...“ „Wie... verschwunden?“, wollte Ruki irritiert wissen und rutschte etwas unangenehm auf der Couch herum. Er mochte es nicht, etwas nicht zu verstehen und Uruha war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln, die wohl nur Aoi brechen konnte. „Verschwunden eben. Er geht nicht an sein Handy... Er ist nicht da und normalerweise verschwindet er nicht, auch nicht, wenn wir gestritten haben.“ „Vielleicht ist er noch einkaufen...?“, versuchte Ruki Uruha's Sorge herunter zu spielen. Aoi ist ein erwachsener Mann. Er hatte nicht zu verschwinden. „Er hätte wenigstens einen Zettel oder eine SMS geschrieben.“ „Und kurz die Beine vertreten?“ „Er ist seit Gestern verschwunden.“, erwiderte Uruha seufzend und ließ den Kopf hängen. „W-was? Okay..., das ist merkwürdig, aber vielleicht braucht er Zeit zum Nachdenken?“ „Worüber...? Das ich anstrengend bin? Das weiß er nur zu gut.“ „Also wirklich, Kou! Er-“, wollte Ruki zur Verteidigung ansetzen und Uruha's pessimistischen Vorstellungen ein Ende bereiten, verstummte jedoch bei dessen Angesicht. +~+ „Wo bin ich denn hier? Ich fliege und fliege... Ich muss Kai's Wohnung verpasst haben. Wenn mich nicht alles täuscht... waren wir schon mal hier gewesen? Tokio ist das nicht mehr... Au man... Wo ich doch so ein Geografie-Ass bin... Immer der Nase nach, sagte meine Mutter immer. Hm? Wenn ich nach Osten fliege, komme ich zum Meer... In der Hoffnung, dann in China anzukommen und nicht in Amerika. Das würde ich doch nie schaffen! Warum trifft man hier auf keinen passablen Passanten?! Ach ja... Sehr sinnfrei, aber lustige Vorstellung. Immerhin.“, lachte sich Aoi eins und spürte eine Welle der Schwäche. Musste er schon wieder ruhen? Er war das Fliegen einfach nicht gewöhnt... Lautes Geschrei näherte sich hinterrücks. Doch um mitten im Flur wenden zu können, um nach zu schauen, was los war, dafür fehlte ihn das Können. Wie sollte er sich in der Luft halten, wenn er auf einer Stelle verharren wollte? Aufgebracht scheinende Vögel rasten an ihm vorbei, trafen ihn mit ihren Flügeln, da sie wirr umher flogen und ließen ihn leicht benommen und orientierungslos im Fall kreiseln. Was war nur los...? Was sagten sie? +~+ „Du meinst es tatsächlich ernst?", wollte Ruki vorsichtig nachhaken und zückte sein Handy. „Ja.“ „Aber warum sollte Aoi verschwinden?“ „Er hatte am Balkon gestanden... zumindest war die Tür offen, was ich nicht gewesen war, und dann war er weg. Wenn er gehen würde, würde er die Vordertür nehmen. So viel Stolz hat er. Er wurde sicher entführt!“ „Entführung? Weißt du, was du da sagst?“ „Ja!“ „Aber wie kannst du dir da so sicher sein? Klar, ich würde Aoi auch so einschätzen, das er die Vordertür nehmen würde, aber vielleicht hatte er es eilig?“ „Wir hätten gestern unser Date gehabt.“ „Hm... und wo warst du, als Aoi noch da war, bevor er verschwand?“ „Im Bad.“ „Na siehst du. Er wollte ganz sicher nicht an der Badetür vorbei, weil er sauer war und hat den kürzeren... also einen anderen Weg genommen.“, korrigierte sich Ruki in seinem Überlegungen und tigerte nun auf und ab. „Das ist auch Unsinn. Nicht Aoi.“ „Fein... Wenn du ihn besser kennst... Wo kann er hin sein?“, wollte der Sänger nun leicht genervt wissen. Ungläubig blickte Uruha zu ihm auf. „Da gibt es sehr viele Möglichkeiten...“ „Okay, dann würde ich sagen... Schreib du diese Möglichkeiten auf, ich rufe die anderen an... und wir suchen ihn. Vielleicht machen die Jungs von der PSC mit.“ Uruha's Augen funkelten voll neuem Tatendrang und Hoffnung auf. „Meinst du wirklich, Ruki?!“ „Natürlich. Wir sind doch Freunde.“, erwiderte der Rotschwarzhaarige gelassen und zweifelte ein wenig an seinen Worten. Nicht, das sie nicht Freunde seien, aber jetzt nach den vielen vergangenen Jahren hatte er mehr Vertrauen erwartet. Er hatte nur ein Geheimnis, das eines bleiben sollte. Aoi und Uruha hatten ihre ganze Vergangenheit. Doch fern dieser Heimlichtuerei glaubte er nicht an eine Entführung... Das könnte lustig werden. Ach Aoi, wo versteckst du dich? Sein Handy nun endlich aufklappend, wählte er die Schnellruftaste und legte das Gerät an sein Ohr. „Hey? Ruki, was gibt es für ein Problem?“ Kai's direktes Vorwegnehmen irritierte ihn doch immer wieder. „Es ist nicht so, als wäre jeder meine Anrufe mit einem Problem verbunden, oder?“, erwiderte er leicht genervt und schob die Unterlippe unterbewusst vor. „Tut mir Leid, Ruki-chan. Was möchtest du?“ Die Verniedlichung ließ ihn erröten, während seine Stirn sich verfinsterte. „Kai... Wir haben eine Krisensitzung bei Uruha. Kannst du Reita erreichen oder soll ich...?“ „Hm? Was ist los? Rei...? Der brauchte doch eine Pause, Ruki. Ich weiß nicht, ob das so gut wäre...“ „Ja, aber... Aoi ist weg.“ „Wie weg?“ „Na weg eben. Nicht erreichbar. Uruha und ich würden ihn suchen wollen.“ „... Der wird seine Eltern besuchen oder... noch schlafen?“, versuchte Kai zu beschwichtigen und konnte sich Aoi's Verhalten nicht vorstellen. „Ja, gut... Da würden wir zuerst suchen, aber falls er dort nicht ist, dann suchen wir alles ab, wo er sein könnte.“ „Du hilfst Uruha, nich'?“ „Ja.“ „Also gut, wenn Aoi nicht bei seinen Eltern ist, nicht zu Hause oder bei jemand anderen ist und schläft und auch weiterhin nicht an sein Handy geht, dann sollten wir sein Verschwinden wohl ernst nehmen... Wie geht es ihm?“ „Überzeuge dich selbst.“ „Hm... Okay, ich versuche Reita zu erreichen. Dann fahre ich zu euch.“ „Danke, Kai.“ „Nichts zu danken.“ Ein Klicken und Kai hatte aufgelegt. Hach... „Kai wird bald hier sein.“ „Mhm...“, machte Uruha nachdenklich und kritzelte weiter auf einem Bogen Papier weiter. +~+ „Ach je... Kaum ist die freie Woche genehmigt und schon passiert wieder was.“, dachte Kai und seufzte genervt auf. Zu allem übel hatte er sich auch noch freiwillig gemeldet, Reita anzurufen... Warum war er nochmal Leader? Das monotone Klingeln nervte ihm noch den letzten Nerv. Reita hatte sein Handy an, warum also ging er nicht ran? Als schließlich doch Reita's Stimme ertönte, redete er wasserfallartig los, um seiner Nervosität einen Strich durch die Rechnung zu machen und das Schlimmste zu vermeiden. "Gut, das du doch noch ran gegangen bist, Reita. Wir haben ein Problem. Aoi ist verschwunden und Uruha am Boden zerstört. Wir treffen uns bei ihm, hast du gehört?!" "... können sie ihre Nachricht nach dem Piepton hinterlassen. Vielleicht werde ich sie zurück rufen... Piep..." Ärgerlich sprang Kai die Treppenstufen hinunter. „Toll... war nur die Mailbox.“, merkte der Brünette kopfschüttelnd und trat aus der Haustür. „Und nochmal...“, dachte er erneut unsicher werdend und blickte unschlüssig hinauf in den klaren Himmel. "Hi, Reita, Kai hier. Um es kurz zu machen. Aoi ist verschwunden. Wie wahr das ist, werden wir noch feststellen, aber ich bitte dich, komm zu unserem Treffen bei Uruha. Dem geht’s nicht so gut... Wir wollen Aoi suchen. Ich denke mal, du bist dabei...?", klang ein wenig Hoffnung in seiner Stimme mit, und senkte seufzend die Lider. „Hilf deinen Freunden, aber... tue nichts Dummes... Bitte... Dann... bis gleich...?“ Und schon schnitt ihm das Piepen das Wort ab. Erleichtert atmete Kai auf. „Geschafft.“, dachte er triumphierend und umklammerte dabei unbewusst das unschuldige Gerät. +~+ Ein Schuss durchbrach die Stille und ließ den verzauberten Vogel vor Schreck zur Seite wirbeln. Was war das...? Hektisch suchten seine schwarzen Knopfaugen die Umgebung ab. Kein Vogel weit und breit. Waren sie geflohen? Vor wem? Wenn doch nur ein Windstoß kommen würde, um ihn wieder himmelwärts zu tragen... Hier zwischen den Dachspitzen konnte er noch weniger ausmachen, wohin er flog. Ziellos vor sich her treibend, bemerkte er unruhig, wie ihm die Kraft immer mehr aus den Zügeln glitt. Er musste landen... nur... wo? Wo war er?! Wieder ein Schuss und Aoi spürte einen gewaltigen Schmerz in seinem rechten Flügel, der ihn schmerzhaft klagend aufschreien ließ. Ihm wurde schwarz vor Augen, während sein Körper wie eine leblose Puppe zu Boden glitt und den offenen Händen der Jäger näher kam. Wie konnten sie nur...? ~+~ "Kai, Endlich bist du da. Kommt Reita noch?", wollte der Sänger von ihm wissen und war sichtlich erleichtert den Drummer zu sehen. Grinsend packte er ihn am Handgelenk und zog ihn in die Wohnung. Kaum hatte er die Tür hinter ihm geschlossen, umarmte er seinen muskulösen Freund. „Nicht so stürmisch!“, lachte der Brünette und wuschelte dem Kürzeren die Frisur kaputt. „Moah nicht du auch noch!“, murrte Ruki genervt auf, löste sich von Kai und ließ zwischen ihm und sich einen Sicherheitsabstand. Gespielt böse funkelte er den anderen an, während er versuchte seine Haare wieder zu richten. „Ihr wisst doch, ich mag das nicht!“ „Ja, das wissen wir. Deswegen machen wir es doch.“ Scheinbar verwundert über Ruki's Ärger zuckte Kai mit den Schultern und schritt dann mit einem Grinsen an ihm vorbei. „Na warte du...!“, zischte der Sänger ungehalten, ließ von seinen Haaren ab und eilte Kai nach, um diesen ohne Vorwarnung an den Rücken zu springen. Vor taumelnd lachte der Brünette auf, während seine Hände blitzschnell unter Ruki's Oberschenkel glitten, um den Kleineren zu halten. Sich bewusst werdend, was Ruki damit provoziert hatte, vergaß er für einen kurzen Moment, das er Kai zur Strafe hatte kitzeln wollen. Sein errötetes Gesicht an Kai's Rücken pressend, und stumm lächelnd den linken Arm um Kai's breite Schultern, während die Rechte dessen empfindliche Seite abtastete. „Nein, Ruki! Aus!“ „Bin ich ein Hund?“ Wie zur Bestätigung knurrte Kai erschrocken darüber auf, das Ruki ihn tatsächlich an seiner Schwachstelle kitzelte. Er taumelte seitlich vor... „Nein, hör auf! Ruki! Wir-“, lachte Kai Tränen, sah sich stolpern und fiel mit Ruki arme rudernd zu Boden. „Was ist denn hier los?“, wollte Uruha verwirrt wissen, der nur kurz neuen Tee aufgegossen hatte und deshalb nicht mitbekommen hatte, warum Kai mit dem Rücken auf seinem flauschigen Teppich lag und über ihm Ruki. Das... Mit großen Augen wandte er sich um. „I-ich gehe schon!“, winkte der Blonde verlegen und wollte sich umwenden, bevor eine unsichere Stimme ihn jedoch davon abhielt. „R-Ruha... I-Ich hab... I-ich habe Kai zerquetscht...“, murmelte Ruki deutlich stammelnd, richtete sich mühsam auf, wobei Kai's Hände von seinem Rücken glitten, und betrachtete ängstlich das angespannte Gesicht des Drummers, der mit geschlossenen Augen unter ihm lag. Jäh erblassend, riss der Rotschwarzhaarige panisch an Kai's Hemd, um es über der Brust so weit öffnen zu können, das er sein Ohr ungehindert auf diese pressen konnte. Kai's Herz schlug noch. „Ru...?“, erklang Kai's verwirrte Stimme und starrte etwas neben der Spur auf den bunten Schopf direkt vor ihm, spürte die kühlen Ohrringe an seiner warmen Brust und die kitzelnden Haarsträhnen. „Warum hast du dich gedreht...?“, erklang es mit brüchiger Stimme von dem Angesprochenen, löste sich möglichst gelassen, jedoch mit roten Wangen, die er geschickt mit seinen Haaren verbergen konnte und schloss widerstrebend die Bluse des Gestürzten. „Hm...? Um dich aufzufangen? Du hättest dir deine Beine und Arme verletzen können.“, schlug Kai mit ernster Miene vor und hob Ruki's Gesicht misstrauisch an, doch der Sänger wich dem forschenden Blick aus. „Alles okay?“, hakte Kai nach und erhielt zunächst ein Nicken, dann eine tiefe Verbeugung aus dem Knien. „Danke... Yutaka. Ich wollte nicht, das du fällst. Es tut mir Leid. Aufrichtig Leid.“, entschuldigte sich Ruki für sein kindisches Spiel und war dankbar für Kai's fehlende Wut. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, hätten seine Beine unter Kai's Körper geklemmt... „Das weiß ich doch, Ruki. Schon gut. Der Spaß ging eben nach hinten los. Das passiert.“, beruhigte der Brünette seinen Freund und schloss den Unsicheren in die Arme, nachdem er mühelos die steife Verbeugung aufgelöst hatte. „Mir geht es gut. Wirklich. Mach dir keine Sorgen. So ein kleiner Sturz in Uruha's flauschigen Teppich bringt mich nicht um.“ „Dir hätte aber was passieren können!“ „Hätte...“, dachte Kai nur und seufzte auf. „Du schreist ja förmlich danach, das ich wütend sein soll.“ „Verdient hätte ich es. Nicht... Nicht auszudenken, was hätte geschehen können...“, faselte Ruki schockiert und schüttelte heftig den Kopf. „Okay... Jetzt wird es melodramatisch. Ruki, das ist lieb, aber... mir geht es gut, ja? Jetzt heule doch nicht herum.“, lachte der Brünette kurz auf und erwartete ein Lächeln in Ruki's Gesicht, doch stattdessen blickte ihn dieser mit einer Mischung aus schlechtem Gewissen und Sorge an. „Och Ruki-chan...“ Nicht einmal die Verniedlichung bewirkte eine Veränderung in dessen Gesicht, was den Drummer stutzen ließ. „Nehme ich die Situation vielleicht selbst viel zu leicht hin?“, zweifelte er stumm an seiner Reaktion und legte seine Hand auf Ruki's Schopf. „Ach... Taka... Jetzt schau nicht so...“ Als Ruki's schimmernde Augen noch immer nichts von ihrer Traurigkeit abgeben wollten, blickte sich Kai hilfesuchend nach Uruha um, der jedoch nicht aufzufinden war. Stattdessen hörte er es arbeitswütig in der Küche klappern. Seufzend wandte er sich wieder dem Sänger zu, der unschlüssig und verunsichert näher gerutscht war und nun dicht neben ihm hockte, mit dem Gesicht dem Boden zugewandt. „Kai ich... ich...“ Da klingelte es, begleitet von einem Fluchen aus der Küche. „Ich kann gerade nicht!“, kam es von Uruha gerufen und da Ruki aller Anschein nach, nicht vor hatte, aufzustehen, setzte sich Kai in Bewegung. Ruki's Hand stoppte ihm am Unterarm. Fragend richtete ich sein Blick auf den noch immer gesenkten Schopf. „Kai... bitte... Ich...l-“ Von der Haustür erklang ein langgezogenes, lautes Läuten. Es wurde sturmgeklingelt. „Kai! Ruki! Bitte!“, erklang erneut Uruha's inzwischen genervte Stimme und erneut schepperte es. „Nicht vergessen, was du mir sagen möchtest, Ruki. Ich bin gleich wieder da.“, versicherte der Brünette, löste sich aus dem festen Griff des Schweigsamen und eilte an die Haustür, um diese zu öffnen. Leise auffluchend erhob sich der Rotschwarzhaarige mit einem schweren Seufzen, erhaschte beim Gang in die Küche einen Blick auf Tora und Shou, die lächelnd von ihrem Leader herein gebeten wurden, schlüpfte missmutigen Schrittes in die Küche. Mussten sie... jetzt... auftauchen...? Warum nicht in zwei... drei... Minuten...? Nur für drei Worte... +~+ „Wo bin ich hier...? Was... sind das für Gitter?“, flimmerten Aoi schwach die ersten Eindrücke seit seiner Ohnmacht durch den Kopf, der sich ruckartig kreisend von links nach rechts schwang. Noch halb am träumen und nicht wissend, was mit ihm geschehen war, rappelte er sich auf, wobei er den Schmerz in seinem Flügel erwachen ließ. Ein schmerzhafter Schrei verließ seine Kehle. „Bring den Vogel zur Ruhe!“, keifte ein dreckig Blondierter seinem Kameraden zu und bog an einer Kreuzung mit dem voll bepackten Lader ab. Grummelnd setzte sich dieser in Bewegung. „So gib Ruhe, Schätzchen. Du brauchst dein hübsches Stimmchen noch, wenn du deine Herrin glücklich machen und ins Fernsehen möchtest und ich rate es dir wohl. Sonst...“, beendete der Fremde seinen Satz mit einer eindeutigen Kopf-ab-Geste und lachte jäh auf. „Was reden die da? Fernsehen? Diese Stimme... Verdammt... mein Kopf... Warum schrie der Kerl so furchtbar?“, fragte sich der Schwarzvogel und schrie auf. „lasst mich gehen! Bitte! Das muss eine Verwechslung ein! Ich bin Gitarrist!“ „Shhhhhttt! Kleines... Halt deinen bezaubernden Schnabel. So etwas wie dich, habe ich hier noch nie gesehen. Goldvögelchen... Du bist bezaubernd schön..." "Du sollst das Vieh zum Schweigen bringen und nicht anhimmeln! Jetzt binde ihr schon den Schnabel zu, oder willst du Ärger bekommen? Seit ihrem Höhrsturz ist die Alte ziemlich mies gelaunt, wenn die Tierchen Rabautz machen.“ „Ich bin ein erwachsener Mann, du komischer Vogel!“, erwiderte Aoi zur Verteidigung und erschrak, als eine Hand in den Käfig glitt und ihn packte, dabei darauf achtend, unter seinen verletzten Flügel zu fassen. In dem Moment erfasste ihn so etwas wie Dankbarkeit, doch wurde dieses Gefühl rasch zerschmettert, als der schwarzhaarige, verzückt dreinschauende Mann etwas hervorzog, was wie ein Draht aussah. „Draht?!“ Wieder schrie er auf. „Humpf... Ist noch eine Binde da?“ „Schau im Versorgungskoffer nach!“ „Besser wäre es! Das ist Tierschänderei! Nein, Menschen...?“ Verwirrt piepste der Schwarzvogel in der Hand des Jägers. Zumindest vermittelte dies ihm seine Aufmachung, das er von dieser Sorte wäre. Grummelnd fischte der Kerl nach einer Gabel, aus der die mittlere Zacke herausgebrochen worden war. Misstrauisch beobachtete Aoi die Handbewegungen des zig-Mal Größeren. Erwartungsvoll war der Schwarzvogel verstummt, der nun Bekanntschaft mit einem schmalen Baumstamm machte. Unter seinem dünnen Federkleid spürte er den festen, rauen Untergrund, ruckte mit den Kopf dem Jäger zuwendend und riss den Schnabel auf, als er diese Gabel von eben auf sich zu rasen sah. „Himmel, nein!“, dachte Aoi in seiner Todesangst und kniff die schwarzen Knopfaugen zusammen. Das laute Einschlagen von Metall in Holz und das bersten der Holzzusammensetzung dicht neben seinen Gehörgängen, ließen Aoi zusammenfahren. Ein Schrei entwich seiner Kehle, als wolle er beweisen, das er noch lebte. Und ja, er tat es. Die verbliebenen Zacken der Gabel hatten sich links und rechts von ihm ins Holz gebohrt. Zielsicher und gekonnt hatte der Jäger den Stamm getroffen. Mit noch immer geweiteten Schnabel und schnell puckerndem Herzschlag, bleib Aoi wie erstarrt liegen. Kein Laut verließ mehr seinen Schnabel. Zu keiner Bewegung war er mehr fähig. Viel zu erschrocken über die plötzlich dagewesene Gefahr. ~+~ „Uruha, Tora und Shou sind gekommen, um uns zu helfen.“, verkündete Kai freudig und betrat mit den Genannten die sich füllende Küche. „Ein Beweis dafür, dass das PSC-Netzwerk funktioniert. Nao hat auch versprochen zu kommen und Hiroto ist am telefonieren. Er informiert die anderen Bands. Isshi, der Nao angerufen hatte, musste leider absagen, da die Band gerade außerhalb der Stadt ist.“, begann Tora ungefragt zu erklären und verschränkte abwartend die Arme vor der Brust. „Unhöflich wie immer. Guten Morgen Ruki-san, Uruha-kun.“ Eine kurze Verneigung in deren Richtungen folgte. Erleichtert schloss Uruha zunächst Shou, dann Tora in die Arme. „Schön, dass ihr gekommen seid.“ Erwartungsvoll sahen sie nach der kurzen Begrüßung auf Ruki, der sich inzwischen zu ihnen umgewandt hatte. „Danke, dass ihr helft.“ Mit dem Kopf eine dankbare Verneigung andeutend, zwang sich der Rotschwarzhaarige zu einem Lächeln. Verzückt grinste Shou zurück. „Ihr würdet das Selbige für uns tun.“ „Nun ist gut... Wir sind hier privat. Lassen wir dieses-“, begann Tora ein wenig genervt und verstummte jäh mit schmerzverzehrtem Gesicht, als er einen Fuß auf den Seinigen spürte. „Locker, Jungs. Setzt euch erst einmal. Uruha, soll ich dir mit dem Tee helfen? Ihr mögt doch sicher auch welchen?“, mischte sich Kai sogleich ein, schob die beiden Gäste an den Küchentisch und wandte sich Uruha zu, der fluchend in den Topf vor sich blickte. „Jetzt hab ich das ganze Wasser verdunsten lassen...“, murrte der Blonde und sah verlegen auf seine Finger, wie er neben sich sah, dass Kai sich neugierig über den Topf beugte und seufzte. „Setz dich bitte, Uruha. Ich mach das schon.“ „Danke.“, murmelte der Verlegende Kleinlaut und gesellte sich zu seinen Gästen, zu denen sich nun auch Ruki gesetzt hatte und zu Shou's Freude, direkt neben ihn. „Nochmals... Vielen Dank, Jungs.“, dankte Uruha den Alice nine.-Musikern und nickte ihnen aufrichtig lächelnd zu. „Hast du die Liste fertig?“, mischte sich Ruki ein, bevor Shou wieder in verlegende Diskussionen verfiel und damit auch Tora's gute Laune untergrab. Kurz überlegend blinzelnd, nickte der blonde Gitarrist und holte aus seiner Hosentasche ein etwas zerknautschtes Papier hervor. „Habt ihr... eigentlich schon bei ihm angerufen?“, wagte Tora mit gehobenen Brauen, während Uruha die Blätter auseinander faltete. „Auf dem Weg hierher, habe ich versucht, ihn zu erreichen. Zu Hause scheint er nicht zu sein oder schläft.“, meldete sich Kai zu Wort und suchte die oberen Schränke nach Teebeuteln ab. Das Uruha aber auch immer alles umstellen musste! Unbewusst lächelte Kai in sich hinein. „Lass mal schauen.“, bat Ruki nachdenklich und beugte sich, sowie auch Shou und Tora, über den Zettel. „Au man... Das sind viele Orte...“, staunte Shou beeindruckt und sah auf, um Uruha's verlegendes Gesicht zu fixieren. „Das sind alles seine Lieblingsorte?“ „N-na ja... i-ich habe auch meine hinzu gesetzt... V-vielleicht ist er... dort...?“ „Aber warum...?“, wollte Shou neugierig wissen und sah auf, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Lächelnd beugte sich Kai zu ihm hinunter und stellte ihm eine dampfende Tasse vor die Nase. „Weil Aoi eben so ist, wenn er nachdenken muss.“ Uruha warf ihm dankbar ein Lächeln zu. So konnte man es auch umschreiben. „Dann ruf ich mal Kra an und die Frischlinge SuG und Screw.“, warf Tora grinsend ein und suchte seine Taschen nach dem Handy ab. „Und ich klingel zu Hause durch in Mie und schau mal, ob er nicht vielleicht doch zu Hause ist. Uruha, du schaust mal bei der PSC vorbei und sagst uns die Adressen und Orte nach der Reihenfolge durch.“, fügte dem nickend Kai bei und beglückte nun auch Ruki und Tora mit einem Tee. „Abgemacht?“ Ruki grinste. „Abgemacht!“ ~+~ "Wir schaffen heute niemals alle Orte. Vielleicht ist er heute an einem Ort, den wir heute nicht mehr besuchen können und morgen, wenn wir weiter suchen, könnte er dann dort sein, wo wir schon einmal waren. Wir suchen eine Nadel im Heuhaufen..." „Hey, Aoi ist nicht nur eine Nadel...“, widersprach Uruha zum Ende hin immer leiser werdend, bewusst über seinen Ausbruch. „Schon gut, dann eben eine heiße, begehrenswerte, schwarzhaarige Schönheit im Heuhaufen?“, witzelte Ruki und lachte auf, als Uruha ihm nicht widersprach. „Warum bist du überhaupt mitgekommen...?“, murrte der Gitarrist verlegen und sah abermals auf sein Handy. „Um dir zu helfen, wenn du zusammenbrechen solltest.“ „Wirklich sehr aufbauend...“, schnaubte Uruha und stutzte, als sein Magen plötzlich knurrte. „Hast du schon was gegessen.?“, fiel Ruki misstrauisch auf und verharrte. „Ja.“, log Uruha schnell und abermals knurrte sein Magen. „Lügner.“ „Entschuldige bitte...“, erwiderte der Größere mit gesenktem Kopf und fuhr erschrocken zusammen, als eine ihm wohlbekannte Stimme seinen Namen brüllte... +~+ „Uruha, ich will zurück zu dir...! Und den Jungs!“, dachte Aoi traurig und wurde beim Hin- und Her schaukeln einige Male gegen die Gitter gestoßen. Stumm musste er die Schmerzen ertragen, die ihm körperlich angetan wurden. Von weitem konnte man eine markante Frauenstimme vernehmen. "Und? haben sie ihn?" „Wen?“, fragte sich Aoi. „Nein, Ma'am, aber dafür etwas Besseres.“, grunzte einer der Jäger. „Was Besser ist, entscheide noch immer ich, ihr Idioten! Ist er wenigstens hübsch?“ „Ja, ist er.“, meinte der andere und wieder wurde er im Käfig herum geschubst, als er der Frau mit der langen Nase präsentiert wurde. „Nicht das, was ich suchte, aber faszinierend... Wirklich...“, murmelte die Frau und musterte Aoi eingehend, der sich von ihr abwandte. Er würde sie mit Ignoranz strafen, dafür, dass sie offensichtlich eine Vielzahl an Vögeln gefangen hielt. Etwas, was ihm überhaupt nicht gefiel. “Wann hört dieser Spuk nur auf? Ich will kein Vogel mehr sein! Werde ich meine Familie und meine Freunde wiedersehen können, wenn diese Frau mich in ihre Sammlung aufnimmt?“ ~+~ "Uruha!“ „Ach auch mal da...?“, giftete Ruki sogleich, der die Spannung zwischen dem heranbrausenden Reita und Uruha bemerkt hatte, die nach Streit schrie. „Ging eben nicht eher.“, erwiderte der Bassist genervt, würdigte Ruki jedoch keines Blickes. „Was hast du getan, das Aoi weg ist?“ „I-ich?!“, stieß Uruha mit etwas erhöhter Stimme aus und senkte den Blick, da er den Reita's nicht standhalten konnte. „...“ „Hast du es ihm endlich gesagt?“ Stumm schüttelte der Blonde den Kopf. „Du Idiot!“ „I-ich kann das eben n-nicht so... leicht...“, murrte der Idiot und ballte die Hände zu Fäusten. „Aber dich an ihn ran schmeißen kannst du jeder Zeit?! Du denkst nur an dich!“ „D-das stimmt n-nicht...“, wehrte Uruha ab und schloss resignierend die Augen. „Nein... Du hast Recht... Es tut mir Leid. Ich bin ein Egoist, aber auch blind.“, gestand er sich ein und neigte den Oberkörper vor, Seine am Körper gehaltenen Hände zitterten. „Hör auf...“ „W-was...?“, verwundert aufblickend, bemerkte er das Zitternd des Bassisten. „Aki...?“ „Sei nicht so verständnisvoll! Du verstehst gar nichts! Du weißt nicht, wie sehr mich das quält!“ Irritiert beobachtete Ruki die beiden Diskutierenden und zog sich stummen Wortes wenige Schritte zurück. Hatte ihm Kai etwas verschwiegen? Reita litt? „Denkst du, mir fällt das leicht? Ständig quäle ich mich mit der Frage, ob ich ihn verlieren würde...Wenn ich gewusst hätte, das du... Das...“ „Du bist nicht der einzige, der sich diese Frage stellt.“ „Es wird sich nichts an der Situation bessern, wenn du weiter auf meine Wunden einstichst! Wenn er wieder da ist, sage ich es ihm.“ „Deine Wunden?! DEINE Wunden?! Du weißt doch nicht einmal, was Leid wirklich ist, weil Aoi dich so betüttelt! Ohne ihn bist du doch nichts!“ Klatsch Mit ungläubig aufgerissenen Augen starrte Ruki auf das Bild, welches sich vor ihm abzeichnete. Seine Kinnlade war heruntergeklappt. Bewundernd funkelte er den Gitarristen an. Reita hatte es verdient! Ha! „Wie kannst du nur so etwas sagen, Aki?!“ „Ich...“, murmelte der Geohrfeigte sprachlos und strich über die zwirbelnde Wange. Doch eine Antwort blieb er dem von Wut Ergriffenen schuldig, da Reita sich jäh mit zusammengebissenen Zähnen abdrehte und vom Platz stürmte. Fassungslos dem kleiner werdenden Umriss nach starrend, trat Ruki näher an den inzwischen bebenden Körper. „Das... wow...“, murmelte er vor Überraschung und blickte auf. Uruha schien genau wie er fassungslos über sich selbst zu sein, denn irritiert starrte er seine Hand an, die Reita verletzt hatte. „Oh Gott... Was hab ich nur... Ich...“, murmelte Uruha ergriffen und sackte in die Knie. „Was war das? Wer...?“ „Das warst du, Kouyou...“, antwortete ihm Ruki lächelnd und strich dem Blonden durch sein Haar. ~+~ „Jetzt suche ich hier... Uruha geht nach Hause. Das mit Reita war wohl zu viel. Wo könnte Aoi sich herum treiben?“, fragte sich Ruki, wandte sich vom blonden Gitarristen ab, der das Gelände schon fast verlassen hatte, und spazierte grübelnd über das PSC Gelände. „Huch...? Takeru?“ Der Angesprochene wandte sich erschrocken um. „Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“, meinte der Rotschwarzhaarige und hob die Hand zum Gruß. „Guten Tag, Ruki-sama. Es ist alles okay.“ „Gut gut... Was machst du hier?“ „Nach Aoi suchen, denke ich.“ „Bist du nicht woanders eingeteilt?“ Der Weißblonde legte nachdenklich den Kopf schief. „Ich wurde nicht eingeteilt. Ich habe eine SMS erhalten, das ich Aoi suchen soll.“ „Oh wie... informiert?“ Ruki seufzte auf. „Eigentlich müsste Uruha dir sagen, wo du hin musst. Dem geht eben nach Hause. Du könntest ihm nach oder... Du könntest mir auch einen Gefallen tun.“ Der andere Sänger verzog nachdenklich die Stirn kraus. „Was für einen?“ „Könntest du bitte Reita verfolgen? Der ist eben in diese Richtung verschwunden. Er müsste noch zu sehen sein, wenn du mit deinem Roller hinterher fährst. Ich bin zu Fuß.“, nahm er seiner Ausrede hervor und deutete in die gemeinte Richtung. Verwirrt musterte Takeru den Sänger. Er hatte ihn geduzt... „W-Warum soll er denn verfolgt werden?“ „Och... Ich würde gerne wissen wollen, wo er hingeht? Er ist etwas... distanziert in letzter Zeit und... wir machen uns Sorgen.“ „Hört sich nicht sehr lustig an. Wenn meine Jungs so wären... puh... Aber meinst d-du, er wäre damit einverstanden? Ich... möchte keinen Ärger.“ „Wird es schon nicht geben. Wir wären dir sehr dankbar.“ „Wenn das so ist... Also...“, murmelte Takeru noch immer unsicher und sah irritiert in die Richtung, in die Ruki jäh erneut zeigte. „Also in diese Richtung ist er gegangen. Beeile dich bitte. Sag Bescheid, wenn du was hast... Hier ist meine Karte.“ Überrascht und freudig starrte Takeru die stilvolle Karte Ruki's an, welcher sich abwandte und mit erhobener Hand davon ging. „Danke!“ „H-hey, Ru-Ruki-san!“ Kapitel 5: I - 5 Ruki --------------------- „Hier ist er auch nicht... Dann gehe ich jetzt zu Uruha. Ich würde gerne wissen, warum er auf einmal handgreiflich geworden ist. Was Reita sagte, war wirklich unter der Gürtellinie, aber sonst hat er doch auch nie...“, grübelte Ruki vor sich hin und steckte sich eine Kippe zwischen die Lippen. „Aoi, wenn du das gesehen hättest...“ +~+ „Mach doch dein Schnäbelchen für die Tante auf, Liebling. Du hast doch sicherlich Hunger, oder?“, fragte die Vogelsammlerin rhetorisch und drängte Aoi mit einem noch lebenden Wurm in die hinterste Ecke seines Käfigs. “Igitt! Lieber verhungere ich, als diesen Wurm zu essen!“, dachte der schwarzgefiederte Vogel und stieß einen entsetzten Schrei aus. „Oh, vielleicht magst du keine Würmer...? Wenn ich nur wüsste, was du für eine Art bist, dann könnte ich dir das geben, was du gerne isst, aber ich habe noch nie zuvor solch schönen Vogel gesehen. Ich muss dich unbedingt bei der Vogelschau vorführen. Das Publikum wird begeistert sein. Kannst du irgendwelche Kunststücke? Loopings? Bist du vielleicht ein Singvogel?“, fragte sie und griff mit ihrer ringbesetzten Hand in den Käfig, um sich ihren Liebling zu schnappen. //Ich bin Gitarrist!! Und ich picke dir in den Finger, wenn du sie nicht bei dir behältst!//, dachte Aoi und versuchte der Hand auszuweichen. Da der Käfig jedoch viel zu klein war, um fliehen zu können, konnte er der Hand unmöglich entkommen und so begnügte er sich damit, seine Meinung ihr gegenüber auszudrücken, in dem er ihr, wie versprochen, in die Hand pickte. Entgegen seiner Hoffnungen, vor Schreck losgelassen zu werden, gab die Vogelfängerin nur einen schmerzhaften Laut von sich, behielt Aoi aber weiterhin in der Hand. „Hörst du wohl auf?! Wenn du so weiter machst, bekommst du eine Sonderbehandlung, die du nicht so schnell vergessen wirst! Und ich möchte dich ungern an einem Stromschlag verlieren. Mal sehen... ich möchte viele deiner Art haben, nur... weiß ich nicht, welche dir am Ähnlichstes ist. Einen weiblichen Vogel deiner Art werde ich bestimmt nicht bekommen. Die Vogelfänger meinten, du würdest von weit, weit her kommen. Hach... woher du wohl kommst?“, fragte sie sich lächelnd und strich über Aoi's Köpfchen, während sie die unzähligen Vögel abschritt und überlegte, mit wem sie ihren neuen Liebling paaren könnte. „Stromschlag? Paaren?! Die Frau spinnt doch! Ich paare mich nicht mit irgend jemanden!//, dachte Aoi wieder und schrie verärgert auf. Andere Vögel antworteten ihm. „Sie hat ein neues Opfer gefunden!“ „Wer bist du?“ „Mein Beileid. Du bist ihr neuer Liebling.“ „Sie wird dich nicht in Ruhe lassen, bis du zu ihrer Puppe geworden bist.“ „Sie hat unsere Freunde auf dem Gewissen! Durch Stromschläge getötet, die sie richten sollten!“ „Woher kommst du?“ „Du bist wirklich schön...“ Ungläubig blickte der Schwarzgefiederte in die viel zu kleinen Käfige. Konnte er jetzt auch noch mit anderen Vögeln sprechen? „Cool, vielleicht können die mir hier raus helfen.“, hoffte Aoi und versuchte sein Glück. „Hallo! Mein Name ist Aoi! Ich bin ein Mensch, der in einen Vogel verwandelt wurde! Ich komme aus Mie, aber ich wohne in Tokyo. Könnt ihr mir vielleicht hier raus helfen? Ich will nicht der neue Liebling dieser Frau werden und paaren will ich mich schon gar nicht! Bitte!“, piepste er aufgeregt und sah zwischen den vielen Käfigen hin und her. „Was redet der da...?“ „Du bist verrückt!“ „Ein Mensch? Klar und ich bin ein Elefant. Jetzt mal im Ernst, was bist du für eine Art? So einen wie dich habe ich noch nie gesehen und deine Aussprache klingt auch irgendwie... seltsam. Bist du ein Ausländer? Woher kommst du?“ „Ach lass ihn, der ist schon ganz wirr im Kopf.“ „Der will uns nur verarschen.“ „Nein, wirklich nicht! Ich sage die Wahrheit! Bitte glaubt mir doch. Heute Morgen war ich noch ein Mensch und jetzt... jetzt bin ich ein Vogel.“, meinte der Schwarzgefiederte traurig und fühlte sich missverstanden. Wie sollten die anderen ihn auch verstehen. „So etwas ist bestimmt noch niemanden passiert. Warum dann mir...?!“ „Gebt Ruhe!!!“, schrie die Vogelsammlerin genervt aufgrund des angeschwollenen Lärms, welchen die Vögel veranstaltet haben. Dann hob sie Aoi in Augenhöhe und musterte ihn prüfend. „Na hast du jemanden gefunden, der dir gefällt?“, fragte sie und grinste. „Die Frau soll mich endlich in Ruhe lassen!“, dachte Aoi wütend und pickte der Frau in die Nase. Und tatsächlich ließ die überraschte Vogelsammlerin ihn los und mühsam versuchte Aoi davonzufliegen, wobei ihm schmerzlich bewusst wurde, das er ein Loch in seinem Flügel hatte. //Auuu, verdammt!//, jammerte er und näherte sich dem Boden mit rasender Geschwindigkeit. Dunkler Nebel breitete sich vor seinen inneren Augen aus. „Dummkopf! Du kannst nicht fliehen!“, rief ihm einer der Vögel zu, bevor er am Boden aufkam und das Bewusstsein verlor. ~+~ Abermals landete ein Teller auf dem Boden der Küche. Verschreckt über das berstende Keramik, machte der Besitzer einen Satz zurück und stieß beim Anblick des Scherbenhaufens einen verzweifelten Schrei aus. "Verdammt! Will denn Heute gar nichts gelingen?!" Wieder nahm er den Besen in die Hand, den er in weiser Vorraussicht in der Küche hatte stehen lassen, und kehrte alle Scherben zusammen, um diese zu den anderen in den Mülleimer zu befördern. Wenn er so weiter machte, hatte er bald keine Teller mehr. Und dabei wollte er sie doch eigentlich nur abwaschen, um sich abzulenken. Geknickter als zuvor, ließ er das dreckige Wasser aus der Spüle, die unabgewaschenen Teller neben der Spüle stehen und das Küchentuch, welches er zuvor noch auf seiner Schulter platziert hatte, kraftlos auf den Boden fallen. Schon im nächsten Moment konnte er es nicht mehr verhindern. Zum wiederholten Male schossen Tränen aus seinen geröteten Augen. Fast zeitgleich rutschte er kraftlos am Unterschrank zu Boden. Seine unbrauchbaren Hände vergruben sein tränennasses Gesicht. „War ich wirklich so egoistisch? Aber... Ich... Aoi... Hatten er und Reita nicht auch Zeit für sich...?“ In seinen Grübeleien, in denen die Tränen allmählich versiegten, bemerkte er nicht, wie sich jemand Zugang zu seiner Wohnung machte und so schreckte er auf, wie er aus den Augenwinkeln sah, das drei Paar seiner Besucherpantoffeln im Türrahmen zur Küche erschienen. „Uruha, was-“, begann der eine schockiert und ließ den Blonden aufschauen. „Machst du da?“, setzte Tora zweifelnd fort und checkte die Situation. „Sind noch Teller ganz? Au!“, stieß der Schwarzhaarige zum Ende hin schmerzhaft aus und rieb die schmerzende Stelle am Hinterkopf. Sein zorniger Blick galt dabei Shou, der ihn wütend zurück anfunkelte. „Nimm etwas mehr Rücksicht, mein Lieber!“, nörgelte der Sänger unbewirrt und wandte sich kopfschüttelnd ab, um ein paar Schritte in die Küche zu wagen. „Au weh, Großer... Komm, ich helfe dir hoch.“, bot Shou fürsorglich an und fasste, wie auch Kai, den blonden Gitarristen jeweils unter einem Arm, um den kraftlosen Körper aus einer zusammengebrochenen Stellung zu hieven. Das Gesicht verziehend, krallte Uruha sich fest, was sowohl Kai, als auch Shou wortlos hinnahmen. Tora, der es Leid war, den Raum mit einem Anstandswauwau zu teilen, zog sich gemächlichen Schrittes auf den Balkon zurück. Die beiden kamen schon ohne ihn zurecht. Konnte er in der Zeit ihre Helfer abtelefonieren. „Hey... Großer, was ist los?“ Tora's Abwesenheit ignorierend, setzten Kai und Shou den Unbeteiligten auf einem der Stühle ab. „Gib doch die Hoffnung nicht auf, hm?“, fügte dem Kai hinzu und tätschelte Uruha's Rücken. Der Blonde drückte sich augenblicklich an die Brust des Drummers und schniefte geräuschvoll. „T'schuldigung...“, nuschelte er undeutlich, aber für seine Gäste dennoch verständlich. „Hier. Nimm eines.“, bot Shou ihm ein Taschentuch an und lächelte aufmunternd. „Hey... Uru... Sprich mit mir...“, bat Kai und nachdem selbst nach seiner Bitte kein Wort über dessen Lippen drang, nur ein dankbares Nicken an Shou, nickte der Letztere verständnisvoll und zog sich wie Tora ebenfalls zurück, um den beiden Freunden etwas Zeit füreinander zu geben. „Du... Kai...?“, brummte Uruha an dessen Brust und das Vibrieren seiner Worte ließen den Drummer kurz erzittern. Um eventuelle Peinlichkeiten zu vermeiden, schob er den Gitarristen soweit von sich, dass er ihm in sein Gesicht sehen konnte. „Was hast du?“ „Hab ich euch Aoi weggenommen?“ Der Drummer erstarrte. Sein Mund klappte auf, doch verließen diesen nur heiße Luft. „Also doch...“, murmelte Uruha benommen und schloss resigniert die Lider. Kai schluckte. „Hast du Reita getroffen?“ „Hm?“, verwundert blickte Uruha auf. „Ja.“ Dann senkte sich sein Haupt wieder und seine zitternden Hände ballten sich zu Fäusten. „Das dachte ich mir... Uruha, er... Hm magst du wirklich meine Meinung-“, fragte der Brünette unsicher und setzte sich auf den nebenstehenden Stuhl. Nun ebenfalls verunsichert, nickte der Gitarrist. „Okay. Aoi kann selbst entscheiden, wie viel Zeit er mit wem verbringt und er hat viel Zeit mit dir verbracht und tut das noch, da du sein bester Freund bist. Diese Freundschaft wurde irgendwann zur Abhängigkeit, aber es ist nicht so, das er, wenn man ihn fragt, ob er Zeit hätte, nein sagt. Man ist selten mit ihm alleine, aber dennoch immer für einen da. Weißt du... manchmal kommt er spontan vorbei und wir reden die Ganze Nacht durch, nachdem er sicher gegangen ist, das du schläfst. Sein Gesicht, wenn er das sagt, ist immer recht herrlich... und vor allem meines. Wenn er wieder da ist, dann klärt eure Probleme und... vielleicht ist dir aufgefallen, das du eigenständiger werden musst, hm? Der Rest löst sich dann von allein. Wenn du ihm zu viel wärst, hätte er es sicher geäußert.“ „A-aber er ist weg, Kai!“ „Das... muss einen anderen Grund haben. Er würde nicht einfach gehen, ohne eine Wort. Würde er doch nicht...?“ „Nein.“ Kai's vertrautes Lächeln war ihm Antwort genug. Er war Aoi nicht genug. Kai hatte außerdem Recht. Er war abhängig und musste loslassen. Aoi's Entscheidung würde dann über Weiteres losen. Was sicher bleiben würde, wäre ihre wertvolle Freundschaft. „Danke, Kai.“ „So...? Was denn?“ Das Lächelnd des Blonden, welches Kai in sein Gesicht gezaubert hatte mit seiner Art, wandelte sich in Neugierde um. „Wie schaut Aoi denn...?“ „Hm na so halt.“, meinte Kai, setzte ein fürsorgliche Maske auf und nickte bedeutungsvoll zur Betonung seiner Worte. Die sich kreuzenden Blicke verharrten nicht lange mit begleitender Stille. Sie lachten. Ja, das war Aoi... ~+~ Nur langsam erwachte der Schwarzgefiederte aus seiner Bewusstlosigkeit. Ungeheurer Lärm herrschte um ihn herum. „Er wacht auf!“ „Flieh!“ „Mach das du wegkommst, Junge!“ „Sie wird dich so lange richten, bist du dir wünschen würdest, sterben zu können.“ Noch immer benommen richtete Aoi sich auf. Ein schmerzliches Pochen ließ ihn erzittern, aufschreien und jäh wieder zu Boden gleiten. „Wenn dieser verdammte Schmerz nicht wäre!“, fluchte er im Stillen und sah sich mit ruckenden Kopf um. „Huch...?“ Verwundert versuchte Aoi das Rucken seines Kopfes zu stoppen. „Was ist denn jetzt mit diesem Körper?“ In diesem Moment der Unachtsamkeit, legten sich fünf knochige Finger um seinen gesamten Körper. Einer dieser lästigen Finger drückte schmerzhaft auf seine Wunde, sodass Aoi Sterne sah. Laut bemerkte er seinen Unmut mit Gezeter. „Freunde!“, rief der Vogel nach seinen menschlichen Freunden und hätte geweint, wenn er es könnte. Jemand Weiteres war scheinbar hinzu gekommen, an den er nun übergeben wurde. Erleichtert spreizte er seine pochenden Flügel. Der Schmerz durchzog gänzlich seinen Körper und ließ ihn des öfteren Schwarz sehen. Doch mit der Freiheit seiner Flügel, legte sich etwas kaltes, beengendes um seinen Hals. „Sie hat ihn dir angelegt!“ „Herzliches Beileid, Kleiner.“ „Was hat sie mir angelegt?“, wollte der Schwarzgefiederte überrascht wissend und gab einen schmerzhaften Laut von sich, als ihn eine kleine Portion Strom durchfloss. Das erwartende Antworten der Vögel wurde ihnen von der Sammlerin selbst abgenommen. „Jetzt hast du gesehen, was ich kann, kleiner Vogel. Tu besser, was ich dir sage, oder ich werde es wieder tun. Und es wäre echt Schade um dich. Wo du doch so hübsch bist.“ „Das gebe ich dir ungerne zurück!“, erwiderte Aoi und piekte der Frau vor Wut über den Schmerz, den sie ihm beifügte, in den Finger. Wenige Sekunden später musste er auch schon mit der Antwort rechnen. Abermals wurde ihm Schwarz vor Augen und wieder wurde er in die Bewusstlosigkeit mitgerissen. Nun lachte die Frau auf. „Na siehst du, so ist es doch besser. Ich hoffe, du hast nun gelernt, mit wem du es zu tun hast.“ +~+ „Hey...“, begrüßte Uruha seinen nie eingetretenen Gast und schloss die Tür sanft hinter ihm. „Hey, Großer. Wie geht es dir?“, wollte der Kleinere wissen und wechselte seine Schuhe. „Ich bin... verwirrt, glaube ich...“, gestand der Gitarrist und drückte den anderen an sich. „Tut mir Leid, dass du das mit ansehen musstest. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren war.“, entschuldigte er sich und ließ wieder von Ruki ab. „Ich bin darüber auch verwirrt, aber hätte ich wahrscheinlich nicht anders gehandelt, wenn er das zu mir gesagt hätte.“, meinte der Sänger achselzuckend und betrat zusammen mit Uruha die Wohnstube. „Was hat wer gesagt und wer hat wie gehandelt?“, wollte Kai verwirrt wissen und hob die Hand zum Gruße Ruki's, welcher abrupt im Türrahmen verharrte. Kai's fragendes Gesicht wandelte sich in ein Verwirrtes um. „Noch nie einen Kai gesehen?“, lachte er belustigt über die Schreckhaftigkeit des Kleineren und verwuschelte ihm wie gewohnt die Haare. „Könnt ihr euch mal einen anderen Kopf zum wühlen aussuchen?“, zickte Ruki genervt zurück und wandte sein verlegendes Gesicht ab. „Was sucht ihr da drin eigentlich?“ „Och... Kommt darauf an, was du in deinen Frisuren versteckst. Du weißt, ich bin eine Naschkatze.“, bemerkte Kai belustigt an und bemerkte Ruki's Unwohlsein nicht. „Als hätte ich Süßigkeiten in meinen Haaren.“, schnaubte der Sänger und zwang sich ein Grinsen auf. „Deine Frage kann Uruha am besten erklären.“ „Eh... Ich?“ „Haben wir noch einen Uruha in der Band?“ Abwartend fixierte ihr Leader den kleiner werdenden Gitarristen. „Okay, Schon gut. Wie du sicherlich mitbekommen hattest, Kai, wollten Ruki und ich die PSC nach Aoi absuchen. Doch anstatt ihn zu finden, erschien Reita. Er war wohl auf dem Weg zum Treffpunkt, welcher sich bereits zu dem Zeitpunkt aufgelöst hatte. Er warf mir... Dinge an den Kopf, die weh taten und ich wahrscheinlich sagte auch ich Dinge, die ihn verletzten, aber als er meinte, mir sagen zu müssen, ohne Aoi ein Nichts zu sein, hab ich ihm eine gescheuert. Dann ist er verschwunden und ich wieder hier her. Kai... jetzt... schau doch nicht so... Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren war... Es tut mir auch Leid, aber Reita wollte es nicht anders.“ Scheinbar hingerissen zwischen Sorge und Wut, lehnte sich der Drummer zurück. Es war gut, das er sich gesetzt hatte, denn Uruha's Worte hatten ihm wortwörtlich den Boden vor den Füßen weggerissen. „Das... wow... Uruha, du machst Fortschritte!“, stieß Kai immer noch verwundert aus und verdrängte den Schmerz über Reita's offensichtliches Leid. „Und... du hast nicht einmal gestottert!“, fügte dem Ruki bei und runzelte verwirrt die Stirn. „Aber... sagt mal... ist Reita in... Aoi... verliebt?“ Zunächst etwas dümmlich aus der Wäsche schauend, das es doch offensichtlich war, schlugen sowohl Drummer, als auch Gitarrist sich die Hand vor die Stirn. „Moah Ruki...“ „Was? Sagt nicht, ihr wusstet davon?“ „Also manchmal frage ich mich wirklich, wo du mit deinen Gedanken bei den Proben eigentlich bist.“, erwiderte Kai nickend und hob fragend die Brauen. „N-na bei den Songs!“ „Jetzt hat Ruki gestottert!“, lachte Uruha auf und verstummte jäh, als dessen strenger Blick den seinen kreuzte. Die Unterlippe vorschiebend seufzte der Blonde auf. „Ich gehe raus zu den anderen. Mal hören, ob unserer Freunde etwas oder ihn gefunden haben. Obwohl sie dann sicher längst reingekommen wären...“, murmelte er und wandte sich von den Sitzenden ab, die zunächst ihn fragend taktierten, dann einander fragende Blicke zuwerfen. „Ruki... Du-“, begann Kai, wurde jedoch von einem aufspringenden Ruki unterbrochen. „Ich bin auch draußen!“ „Ruki!“, rief Kai dem Sänger nach und stand nun ebenfalls auf. Hatte Ruki ihm nicht etwas sagen wollen, als sie unter sich waren...? Warum floh der andere nun? +~+ „Na endlich bist du wieder wach, du hübsche Kreatur. Hat dir mein Spiel gefallen?“, wollte die Vogelsammlerin rhetorisch wissen und lachte auf. Benommen wagte Aoi aufzustehen. Trotzig, jedoch unwillig den Schnabel haltend, wandte er ihr den gefiederten Rücken zu. „Och magst du mich nicht mehr, hm?“, setzte sie abermals auflachend nach, öffnete die Käfigtür und schnappte sich den sich nicht regenden Vogelkörper. Kraftlos, ja sogar ängstlich, ließ der Schwarzgefiederte die schreckliche Frau machen. Solange es seine Freunde gab, zu denen er zurück konnte... irgendwann... ließ er sich nicht töten. Solange es seine Familie gab... war er vorsichtig. Zu sehr hang er an ihnen, die er liebte, und an seinem Leben selbst. Kai, der er oft am Abend überraschte, bei der Arbeit half, sich stundenlang mit ihm unterhielt oder ihm beim malern half, wenn der kreative Drummer die alte Wandfarbe nicht mehr gefiel. Ruki, mit dem er sich stundenlang über Kompositionen unterhalten konnte, über längst vergangene und kommende Auftritte, über andere... ja manchmal ein wenig lästern, mehr zum Spaß, als wirklich ernst, über Mode, auch wenn eher Ruki sprach, als er selbst, über dessen Haushälterin mit fiesen Akzent, die ihm seine Sachen bügelte und selbst bei den Unterhosen keinen Halt fand. Reita, mit der stundenlang Filme schauen oder Konsolenspiele zocken konnte, obwohl diese vergangenen Tage eher eine Erinnerung waren, als eine regelmäßige Tatsache. Irgendwann... hatte er einfach den Draht zu dem Bassisten verloren. Seinem Kumpel. Uruha, der... ja so vieles für ihn war. Bester Freund, Leidgenosse, Gitarrenbruder,... Er war immer für ihn da und anders war es genauso. Aoi könnte sich kein Leben ohne seine Liebsten vorstellen. „Los, los! Zeig mir ein paar Kunststückchen“ Zu irgendetwas musst du doch gut sein! Wenn nicht, bist du uninteressant für mich und ich entledige dich...“, erklärte die Sammlerin nüchtern und grinste dümmlich, als Aoi ihm seine schwarzen Knopfaugen zuwandte. „Verstehst wohl, Kleine?“, zischte sie angeregt und ließ ihn über einer Tischplatte aus ihrer knochigen Hand gleiten. „Spielt die mit meinem Leben...?“ Verzweifelt blickte sich der Schwarzgefiederte um. „Überlege dir was Gutes, Kleine. Ich hab so viele verschiedene Talente. Mir wird schnell langweilig.“ „Wann schnallt die endlich, das ich ein Kerl bin? Kann die nicht gucken?!“, fragte sich Aoi und zwang die Wut über diese Frau nieder, um einen klaren Kopf zum Grübeln zu haben. „Lass dir was einfallen!“, riefen die Vögel ihm zu, doch Aoi ignorierte sie. „Kommt noch was...?“, murrte die Frau und wandte sich genervt ab, bis sie überraschende Laute vernahm und neugierig über die Schulter zurück blickte. Den Finger, den sie über die Fernbedienung für Aoi's Halsband hatte wandern lassen wollte, nahm sie vorerst zurück. Was hörten ihre Ohren da für schöne Klänge? Dann sah sie genauer hin. Der schöne schwarzgefiederte Vogel musizierte! Und wie machte Aoi das, wo er doch keine Finger mehr zum Zupfen seiner Gitarre hatte? Das steigende Desinteresse dieser Frau und die quälende Angst, die seinen schwachen Körper zittern ließ, hatte Aoi panisch vorlaufen lassen, in der Hoffnung, der Tisch beherbergte Interessantes, dass ihm das Leben schenken könnte, wankte seitwärts und stieß sich kraftlos an einem mit Würmern gefülltem Glas. Und obwohl ekel ihn erfasste und ihn zurück stolpern ließ, ruckte sein Kopf widerwillig vor und ließ den Schnabel fast begierig gegen das Glas picken. Der Ton, der daraufhin erklang, brachte ihm die Lebensrettende Idee, denn nicht nur Würmer befanden sich in unzähligen Gläsern nebeneinander gereiht. Das Schrammen des Stuhles, auf dem sich die Sammlerin hatte fallen lassen, und von ihrem Aufstehen zeugte, hatte ihm den Energieschub aus Angst zur Tat verholfen, mit dem Schnabel gegen die unterschiedlich gefüllten Gläser zu stoßen. Zu seinem Glück. Es glückte. Verzückt war die Sammlerin näher getreten. „Du bist ja ein richtiges Musiktalent, Kleine. Durch dich wird meine Vogelshow wieder im neuen Glanz erstrahlen!“, rief sie erfreut aus und klatschte begeistert in die Hände. Etwas überrumpelt hielt Aoi in seiner Aktion inne. „Sie hat eine Vogelshow?“, wiederholte er verwirrt und fiel zurück, als die Hand dieser schrecklichen Frau ihn zu packen versuchte. „Vielleicht kann ich dann fliehen?“ +~+ „Habt ihr etwas herausfinden können?“ „Nein, Uruha, tut mir Leid.“, erwiderte Shou seufzend und überlegte, wen sie noch nicht angerufen hatten. „Mir auch.“, setzte Tora schnell nach, bevor Shou wieder handgreiflich wurde. Das er in Ruki's Gegenwart immer so durchdrehte, wie Saga und er es gerne hinter seinem Rücken nannten, war ja nicht auszuhalten. War doch nur Ruki. Der, der auf Feiern gerne mal über den Durst trank, wenn er nicht beachtet wurde... von wem auch immer oder zu viel beachtet wurde von Shou. Was ganz lustig werden konnte. Mit viel intus ließ sich bekanntlich viel Unsinn treiben, hatte man Shou erst Mal ausgenockt oder eher auf dem Klo eingesperrt. Die ungefährlichere Variante. Zumindest solange die Tür wirklich geschlossen blieb. „Hm das dachte ich mir schon. Bleiben uns noch Orte? Wo... ist die Liste?“ „Hier.“, erwiderte der schwarzhaarige Gitarrist und schob einen deutlich geknitterten Zettelhaufen über den kleinen Tisch, an dem sein Sänger und er auf Uruha's Balkon hockten. Nach einem kurzen Blick auf die Liste, machte Shou ein wissendes Gesicht. „Wir haben noch nicht die Neuen angerufen!“ „Du meinst SuG?“ „Natürlich! Wer denn sonst, hm?“, seufzte Shou, schenkte Tora einen kritischen blick, den dieser kalt abservierte und anstatt eines bissigen Kommentars Rauch in das Gesicht des anderen qualmte. Er liebte es, den anderen zu ärgern. „Tora du...!“ „Aus, Sitz, Platz... Ich weiß. Ich bin jetzt ein braver Tiger.“, brummte der Schwarzhaarige etwas genervt und wandte sich ab, damit der Qualm in einer andere Richtung abzog. „Du weißt genau, ich versuche aufzuhören...“, hörte er den Sänger verlegen jammern und linste seitlich zu ihm. Sein Gesicht war göttlich! Eine Mischung aus „Ich darf nicht, verdammt noch mal!“ und „Scheiße noch eins, Tora, gib mir eine verdammte Zigarette, du Egoist!“ Prustend auf die Schenkel schlagend, wippte er amüsiert vor. Dabei die Kippe zwischen die Lippen klemmend. Eindeutig Suchtverhalten. „Wie schön, das du mich unterstützt, Tora...!“ „W-Wa-?!“ Nun war es Tora, der sehnsüchtig seiner Zigarette nach schaute, die direkt vor seinen Augen im Aschenbecher ausgedrückt wurde. „Du bist gemein.“, grollte der Kleinere patzig und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, knurr nur, Tiger. Würdest du Masato übernehmen? Ich rufe eben bei Takeru an. Der müsste bei-“, war Shou am erklären und erschauderte, als plötzlich neben ihm Ruki stand und nach seinem Handy griff, auf dem seine Hand bereits lag. „Lass mich ihn anrufen. Bitte. Ich... möchte nicht nur dumm rumstehen.“ „Dann ruf Yuji an, Ruki. Ich übernehme Chiyu.“, schlug Uruha vor und zückte sein eigenes Handy. „Und ich rufe Mitsuru an. Unter Drummern kennt man die Nummer.“, erklärte Kai aufglucksend, nachdem er auf den Balkon getreten und das letzte Gespräch mitbekommen hatte und hob den Blick von seinem Handy, als er Shou Ruki's Namen stammeln hörte. „Bitte...!“ „Na von mir aus...“, nuschelte Shou verwundert und seufzte auf, als der Kleinere seine Hand von der Eigenen nahm. „Ruki? Was ist mit Takeru?“, fragte Kai, der misstrauisch geworden war und steckte sein Handy vorläufig wieder ein. „Was soll schon sein...? Okay... Schau nicht so, Kai-chan... Ich... habe Takeru gebeten, Reita zu folgen, kurz nachdem Uruha gegangen war. Dürfte ich also anrufen?“ „Du solltest ihn doch in Ruhe lassen, Ru... Das ist Reita's Privatsphäre. Er würde es sicherlich nicht begrüßen, einen neugierigen Sänger an den Versen zu haben und das wegen dir. Auch wenn selbst ich in letzter Zeit etwas misstrauisch geworden bin, sollten wir ihm vertrauen, nichts Dummes zu tun.“, seufzte Kai und setzte sich nun ebenfalls. „Aber wissen wir es? Ich habe es satt, zu warten.“ „Und warum bist du ihm nicht gefolgt?“ „Ich hab die PSC noch nach Aoi abgesucht und wollte dann lieber zu Uruha. Ich wusste ja nicht, das ihr zu ihm kommt.“ „Dir ist schon klar, das Takeru minderjährig ist?“, warf Tora ein und blickte nachdenklich über die stützenden, ineinander verhakten Finger hinweg. „Wird schon nichts passieren.“, verwarf Ruki schnell, doch die steile Falte, die sich zwischen Kai's Brauen auftat, ließ ihn unsicher werden. „Shou, ruf Yuji statt meiner an. Niemand sagt etwas, solange nicht klar ist, was mit ihm ist, okay? Bitte.“ +~+ Erschrocken schreckte Takeru aus seiner Erstarrung, als sein Handy plötzlich in seiner Hosentasche zu vibrieren begann. Schnell linste er über die Mülltonne hinweg, hinter der er sich versteckt hielt, damit Reita nicht auf ihn aufmerksam werden würde und öffnete überrascht den Mund, als eben jener nicht mehr zu sehen war. „Mist!“, fluchte er im Stillen und beugte sich über die Tonne hinweg, um an der Hausecke nach Links und Rechts zu spähen. Erneut wurde er auf das Vibrieren aufmerksam und fast wie in Trance, zog er aus der Tasche, während er den weißblonden Haarschopf zurück in die Dunkelheit der unbenutzten Seitenstraße zog. „Takeru?“ Abermals erschrocken richtete jener sich auf und blickte sich um. „Takeru? Hey? Noch da?“ „Ach...“, machte der Genannte und linste auf den leuchtenden Handybildschirm. „Ruki-san, ich höre.“, zischte Takeru leise und blickte sich aufmerksam um. „Kannst du nicht normal sprechen?“ Überrascht blinzelnd formte sich ein Lächeln auf den Lippen des Gepiercten. Ruki hatte wieder 'du' gesagt. DER Ruki. „I-ich bin in Harajuka.“ „Sagte ich nicht, du sollst Reita folgen? Du bist noch nicht einmal volljährig!“ „Also wenn man es genau nimmt, hast du mich nur gefragt, ob ich ihm folgen würde, aber das habe ich. “ „...“ „Ruki-san?“ „Was macht Reita in Harajuka?“ „Er ist offensichtlich in eines der B-Bordelle gegangen.“ „...!“ „Gerade eben habe ich ihn noch gesehen, dann... war er weg! Auf der anderen Straßenseite ist keine weitere Seitenstraße. Er muss in diesem... „Pink Tropic“ Lokal sein. Noch nie von gehört.“, murmelte Takeru nachdenklich und erstarrte, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, die nicht dort blieb. „Mit deinen 18 Jahren auch nicht ungewöhnlich und ganz gut so. Scheiß... Tut mir Leid, Takeru. Wenn ich gewusst hätte, wo es hingeht, hätte ich dich dort niemals hingeschickt! Ehrlich! Verschwinde so schnell wie möglich von dort! Und pass auf!“ Ein Scheppern ließ Ruki das Handy vom Ohr halten. „Was... war das?! Takeru?! Hey?!“, brüllte Ruki in sein Handy und klammerte sich panisch an dem Teil fest. „Was habe ich da getan?!“, setzte er fragend im Stillen nach und stieß sich hektisch von der Wand ab, an der er gelehnt hatte. Die verwunderten, teils fassungslosen Gesichter seiner Freunde ruhten auf ihm. „Es gibt da ein Problem mit Takeru.“, hieß es knapp und die Gespräche verstummten. „Ruki, was ist mit ihm?“, richtete Uruha sogleich sein Wort an ihm, nachdem Chiyu ihm versichert hatte, ihm die Bude einzurennen. „Erzähl schon!“, forderte nun auch Kai und hielt nickende Unterstützung von den Alice nine.-Membern. „Ihr habt es doch gehört! Takeru ist in Harajuka! Und er geht nicht mehr an sein Handy ran, obwohl das Signal noch da ist! Irgendetwas muss geschehen sein. Verdammt! Das habe ich nicht gewollt!“ „Es konnte ja nur schief gehen. Immerhin sprechen wir hier von Reita.“, meinte Uruha und strich sich die einzelnen Strähnen seines Ponys zurück. „Pff... Als hätten wir nicht genug Probleme. Es sind nun fast alle Orte abgesucht worden und niemand hat Aoi gefunden. Und jetzt ist auch noch Takeru verschwunden. Das wird mir echt zu viel...“ Die Augen schließend, lehnte er sich zurück. „Vielleicht würde ein Schläfchen ganz gut tun? Wir werden... Nein, Moment mal. Eigentlich ist ja Ruki Schuld. Ruki wird Takeru suchen.“, beschloss Tora und wünschte sich, die Zeit zurück drehen zu können, denn eben genau für diesen Kommentar, wurde die Bildung seines Plattfußes unterstützt. „Shou...“, brummte er gereizt und verzog schmerzhaft das Gesicht. Warum immer auf den selben Fuß?! „Also zum einen hat Tora Recht, aber da es Ruki eigentlich nur gut meinte, wir Freunde sind und ihm etwas passieren könnte, werde ich gehen.“ „Als ob dir nichts passieren könnte!“, warf Shou verwundert ein, aber freute sich insgeheim über dessen Opferung. „Ich bin stärker als er.“ „Kai!“ „Ja, du stehst neben mir. Dennoch, wer könnte sich eher verteidigen? Vor allem, wenn Reita in der Nähe ist?“ „Dann lass mich mitkommen!“ „A-aber-“, wollte Shou einfügen und stand abrupt auf. „Ruki, kümmere dich um Uruha. Lenk ihn ab... mach irgendwas. Wenn er sich schlafen legen sollte, könntest du Aoi empfangen, wenn er wieder kommen sollte. Andernfalls würde Shou wohl Amok laufen.“ „N-naaaaaaaa gar nicht wahr!“, verteidigte dieser sich sofort mit roten Wangen und wich Ruki's irritierten Blick aus. „Hab ich was verpasst?“ „Klonk.“ „Deine Birne klingt ziemlich hohl, Tora.“, kommentierte Uruha trocken und grinste schwach über den Anblick. Tora's Stirn hatte Bekanntschaft mit der Tischplatte gemacht. Ein göttlicher Anblick. „Klick.“ „Uruha... Lösch das Foto...!“, knurrte Tora genervt und blickte auf. Seine Stirn hatte einen roten Abdruck angenommen. „Tut mir Leid, aber das ist ein Bild für die Götter!“, prustete Uruha und stand jäh auf, als Tora es auch tat. Kai seufze und legte eine Hand auf Ruki's Schulter. „Dafür bist du noch zu jung, Ruki...“, stieß er melodramatisch aus und legte sich eine Hand auf die Stirn. „Tze... Zieh mich ruhig auf, Kai. Ich werde der sein, der zuletzt lacht.“ „Eh... Jungs...?“ Doch Shou's eher belustigter Zwischenruf ging unter, da es an der Tür klingelte. „Whoa ich!“, rief Uruha hastig und eilte mit klopfendem Herzen an die Haustür. Hinter ihm trottete Kai und hinter diesem wiederum Ruki. „Aoi?!“, stieß Uruha mit dem Aufreißen seiner Haustür aus und stockte jäh, als er sah, wen er stattdessen vor sich hatte. Wider erwarten nicht Aoi. „Tut mir Leid, Uruha-san. Kein Aoi.“, erwiderte Masato entschuldigend und verneigte sich leicht. Auch Chiyu und Yuji taten es ihm gleich. „Oh weh...“, murmelte Ruki und trat augenblicklich zurück. „Du bleibst hier, Ruki.“, forderte Kai bestimmend und machte den Gang frei. „Kommt bitte herein.“, kam es auch sogleich von Uruha, der den drei Gästen enttäuscht nachblickte, als sie eintraten und die Tür leise ins Schloss fallen ließ. Stumm die Schuhe mit den Hauspantoffeln tauschend, die allmählich knapp zu werden schienen, begaben sich alle im Anschluss in die Wohnstube. „Scheinbar wisst ihr schon, das etwas nicht stimmt.“, leitete Kai ein und sah in die Gesichter der drei SuG-Mitglieder. „Wo ist Takeru?“, warf Chiyu sogleich ein und sah Kai eindringlich an. „In Harajuka.“, erwiderte stattdessen Ruki und trat vor. Kai traf keine Schuld. „Ich hatte ihn gebeten, Reita zu verfolgen. Das dieser nach Harajuka geht, konnte ich nicht wissen. Es tut mir Leid.“ Tief aus Reue verneigte er sich vor den Dreien, die ihn überrascht ansahen. „Harajuka...? und... warum ist dann sein Handy dauernd besetzt?“, zweifelte Yuji und Panik machte sich in ihm breit. Er hörte Masato und Chiyu neben sich leise fluchen. „Ihm wird doch hoffentlich nichts zugestoßen sein...? Wer hat als letztes mit ihm gesprochen? Ruki-san?“ „Ja, das war ich. Er sagte mir, wohin er Reita gefolgt war und dann antwortete er mir nicht mehr. Es hatte sich angehört, als fiel ihm sein Handy runter. Es schepperte ganz schön, aber gehört habe ich nichts, außer den üblichen Lärm, den man sich in Harajuka vorstellen konnte.“ Zunächst fassungslos, dann in heller Aufregung, stürmten die Drei die Garderobe, um wieder Schuhe gegen Schuhe auszutauschen. „Wir müssen da sofort hin!“ „Kleinen Moment noch! Jungs, ganz ruhig. Beruhigt euch, okay? Ich werde Reita die Situation erklären. Er müsste in der Nähe sein. Ich werde gehen. Ihr... Lasst gut sein. Ihr seid minderjährig. Nicht das euch auch noch etwas geschieht und dann eure Eltern zur Verantwortung gezogen werden. Das wollt ich sicher nicht, oder?“ Unsicher blickte zunächst Chiyu auf. „Na ja...“ „Nicht unbedingt.“, ergänzte Masato und blickte auf. „Ich möchte meine Schwestern nicht beunruhigen und meine Mutter schon gar nicht. Sie konnte es schon nicht ertragen, das ich Musiker werden wollte... Das...“ „Das muss nicht sein.“, nahm Yuji ihm die Worte aus dem Mund und ballte die Hände zu Fäusten. „Kann ich trotzdem mitkommen? Takeru ist mein bester Freund.“ „Ich kann nicht auf Takeru und dich aufpassen.“ „Ich kann mich sehr wohl verteidigen!“ „Ich noch viel eher als du, Yuji. Lass ihn gehen.“, bat Chiyu und musterte Kai. Der Drummer würde es schon schaffen und wenn Reita mit dabei war, war Takeru sicher. „Aber-“ „Yuji, er wird okay sein. Du kennst ihn doch. Takeru ist ein schlaues Kerlchen.“, versuchte nun auch Masato den Brünetten davon abzubringen und legte eine Hand auf dessen Schulter. Verzweifelt auf den Boden starrend, atmete Yuji aus. „Okay...“ ~+~ „So sie sind weg, Uruha. Magst du dich hinlegen?“, bot Ruki an, nachdem er wieder in die Wohnstube eingetreten war und verdrängte seine Sorge um Kai. „Ich kann doch nicht schlafen, wenn Aoi noch da draußen ist! Er könnte jeden Moment zurück kommen?“, erwiderte der Blonde verständnislos und suchte fieberhaft in den Ritzen seiner Couch nach seinem Handy. Wo hatte er es denn nur wieder hingelegt? „Was suchst du denn?“ „Mein Handy.“ „Meinst du, er könnte dir geschrieben haben?“ „Er muss einfach... Ich gehe noch kaputt, wenn er mich noch länger alleine lässt...", gestand Uruha sich beschämt ein und schlug die Augen nieder. „Freunde tun sich das nicht an.“ „Aoi tut dir mit Sicherheit nicht mit Absicht weh. Und auch uns nicht...“, warf Ruki ein und sah ihm bei der Suche zu. „Hab es!“, rief Uruha triumphierend aus und starrte mit ausdrucksloser Miene auf den Bildschirm. „Nichts, richtig?“ Stumm nickte der Blonde und seufzte gequält auf. „Versuch ihn noch einmal an zu rufen.“, ermutigte ihn Ruki und ließ sich neben ihn fallen. „Nur nicht aufgeben.“, bat er und strich dem Gitarristen beruhigend über den zitternden Rücken. Nickend bestätigte der Blonde die Erfüllung seiner Bitte, drückte die Kurzwahltaste #1 und lauschte dem Suchsignal und dem anschließenden Tuten. Bedrückt vor sich her lächelnd, erhob Ruki sich wieder von der Sitzgelegenheit und nahm rücksichtsvollen Abstand. Wenn Aoi abnehmen würde, wäre Uruha sicher allein mit seinem Kummer und den Vorwürfen, die er aus Liebe machte. Er selbst ließ seine Gedanken abwandern. In das Gebiet Harajuka's wandern, indem seine schlimmsten Erwartungen sich füllen konnten. Hätte er es Kai doch nur gesagt und wäre nicht geflohen. Gerne würde er jetzt bei ihm sein, um ihn zu halten, für ihn da zu sein, wenn kommt, was kommen würde. Stumm das Schicksal verfluchend, lehnte er seine pochende Stirn gegen die kühle Fensterfront. Der Sturm hatte nachgelassen und inzwischen wehte ein lauer Frühlingswind durch die offene Balkontür, begleitet von einem klingelnden Geräusch. „Uruha hat kein Windspiel aufgehangen. Woher...?“, fragte Ruki sich und wandte dem Balkon neugierig seine Aufmerksamkeit zu. "Sag mal... Uruha...? Hörst du das auch oder bilde ich mir Geräusch nur ein?" "Mhm...?", murmelte Uruha geistesabwesend und knabberte nervös an seinen Fingernägeln. „Aoi bitte... Jetzt geh schon ran!“, bat er stumm und fluchte auf, als die Mailbox ran ging und er auflegte. Verwundert lauschte Ruki. Das Klingeln war verschwunden. „Uruha? Ruf Aoi nochmal an.“ „Das macht doch keinen Sinn! Er geht nicht ran! Er... will einfach nicht...“, flüsterte der Blonde zum Ende hin und vergrub sein Gesicht in den Händen. Tränen waren ihm erneut aus den Augen getreten. „Bitte.“, bat Ruki eindringlich und näherte sich schließlich, nachdem Uruha sich selbst dann nicht regte, dem Verzweifelten, um ihm sein Handy abzunehmen, bevor er noch zu Boden fiel. Den Bildschirm fixierend, runzelte Ruki die Stirn. Das hatte sich verdächtig nach einem Handyklingeln angehört und es kam ihm vertraut vor. So vertraut, das es nicht möglich war, das... Die ihm bekannte Kurzwahltaste für Aoi drückend, setzte er sich in Bewegung. Dem Balkon einen kurzen Besuch abstattend. „Ruha, hatte Aoi bei seinem letzten Besuch sein Handy vielleicht liegen gelassen? Weißt du was?“ „Hm...?“ Der Blonde regte sich. „Nein. Ich habe nichts dergleichen bemerkt.“ „Vielleicht hast du nicht genau hingesehen? Sein Handy antwortet, wenn man ihn anruft.“ „Was...?“ Rasch war Uruha bei ihm und sah sich hektisch um. „Ich höre nichts.“ „Warte.“ Wieder wählte Ruki Aoi's Nummer. Nur kurze Zeit später klingelte es. „Das ist Aoi's Klingelton! Warum habe ich das nicht eher bemerkt?!“ Dem Klingeln folgend suchte er die Sitzbänke ab. „Vielleicht war die Tür zum Balkon die ganzen Versuche über zu gewesen?“ „Ja, das wäre möglich! Wo... ist es denn?!“ „Nicht hier auf dem Balkon. Im Garten vielleicht?“, schlug Ruki vor und trat nun, wie auch Uruha, an die Brüstung, um sich umzusehen. „Mein Gott... nein... Da!“, stieß Uruha erschrocken aus und sprang, ungeachtet seiner körperlichen Schwäche, über die Brüstung. Zum Glück lag sein Balkon nicht sehr hoch, das er sich bei dem Sprung hätte verletzen können. Fassungslos strich er über die Klamotten, die Aoi noch am gestrigen Morgen getragen hatte und recht durchweicht wirkten. Es hatte ja auch geregnet. Wie hätten sie auch wissen sollen, das der Beweis Aoi's Verschwinden direkt vor seinen Füßen lag?! Sprachlos fischte er das aufleuchtende Handy aus der Hose und wischte es mit seinen Ärmeln trocken. „Was haben sie nur mit dir gemacht, Aoi...?“, murmelte Uruha schluchzend und klaubte die Klamotten vom Boden, um sie sich, nass wie sie waren, an seine Brust zu drücken. „Meinst du, wir könnten jetzt eine Vermisstenanzeige aufgeben? Eine Entführung ist wohl offensichtlich!“, meinte Ruki, taumelte und ließ sich kraftlos in einem der Stühle nieder. „Wehrt man sich nicht, wenn man merkt, entführt zu werden? Hier sind Federn, aber keine Kampfspuren. Er muss den oder diejenige gekannt haben.“, mutmaßte Uruha und suchte sich durch die zahlreichen verpassten Anrufe, die Aoi's Handy zu verzeichnen hatte. „Vor... Vor seinem Verschwinden... Da... Da...“ Unglauben, Wut und Verzweiflung ließ Uruha stocken. „Was? Uruha?“ „R-Reita hatte ihn angerufen... Vor seinem Verschwinden... Meinst du...? Das... Das er...? Vielleicht?“ „Unsinn! Warum sollte Reita so etwas tun! Er lief uns doch an der PSC über den Weg!“ „Ich könnte ihm vieles zutrauen. Er war seit Jahren hinter ihm her und jetzt bekommt er es mit der Angst und...“ „Selbst jetzt nicht, würde Reita so etwas tun. Niemals.“ Fassungslos über Uruha's Vermutung, beugte sich Ruki erneut über die Brüstung. „Jetzt komm schon rauf. Es ist alles nass dort.“ „Ich gehe rum...“, hörte er Uruha murmeln und mit den Sachen an seiner Brust und ausdrucksloser Miene durch die aufgeweichte Erde schreiten. Fluchend ließ Ruki sich erneut fallen. Ich wünschte, wir würden Aoi finden, sodass er zu uns zurück käme. Die Augen schließend, seufzte er auf. „Und wir begrüßen Sie, meine Damen und Herren, zu einer weiteren Sendung...“ Die Augen ungläubig weitend, setzte der Sänger sich auf. War Uruha gerannt und hatte den Fernseher angemacht? Unsinn. Verwirrt trat er ein. Uruha's Handy beinahe kraftlos in der Hand haltend. Mit hängenden Mundwinkeln schlurfte er träg voran. Es klingelte. Erschrocken ließ er Uruha's Handy fallen und fluchte jäh auf, dann stockte er. Wenn Uruha tatsächlich hinter der Wohnungstür stand... Wie war dann der Fernseher angesprungen? Es klopfte. Erinnernd die Augen weitend, eilte Ruki in den Flur, um die Tür für den Besitzer des Hauses zu öffnen, der ihn fragend musterte. „Was...?“ „Komm rein...“ „Hm?“ Nachdem Uruha seine dreckigen Schuhe gegen andere getauscht hatte, trat er, noch immer die nassen Sachen Aoi's auf dem Arm haltend, in die Wohnstube und verharrte dicht hinter Ruki, der zweifelnd den Fernsehbildschirm fixierte. „Was schaust du denn?“, wollte der Blonde verwirrt wissen und brachte die Sachen zum Wäschekorb. Er würde Aoi's Sachen waschen. „Wenn er wieder kommt, braucht er sicher etwas zum anziehen...“ Den Gedanken abschüttelnd, warf er seinem Spiegelbild einen kritischen Blick zu. Unsinn. „Ich habe den Fernseher nicht eingeschalten.“, meinte Ruki nun und ließ den Ungläubigen in seiner Bewegung stocken. „Unsinn... Ruki. Ruki...?“ „Nein, wirklich...!“ „Aber...“ „Ich weiß... Das ist Unsinn, aber es ist wahr!“ Schweigend sahen sie, was auf dem Kanal lief. Eine Tiersendung. Die verschiedensten Vögel wurden beleuchtet und inmitten dieser zahlreichen Tiere, eine abgemagerte, streng wirkende Frau mit hochgeschlossenen Kragen und Steckfrisur. Seufzend schloss Ruki die Lider. „Ich brauch was Starkes... Kaffee?“ „Ja, danke.“, erwiderte Uruha noch immer etwas neben der Spur und trat unsicher auf den Bildschirm zu. Er wusste nicht, wie das möglich war, aber er hatte es satt, das hier Dinge geschahen, die ihn verwirrten. Insofern war er Ruki dankbar, hier zu sein. So fühlte er sich nicht einzig verarscht. Gerade präsentierte die selbsternannte Vogelsammlerin ihr neuesten Sammlerstück. Ausdruckslos folgte er dem Fingerzeig der Frau auf einen schwarzen Vogel mit blaustichig schimmernden Flügeln und silbernden Punkt am Kopf des Tieres. Das war nun wirklich ein bisher nie gesehener Vogel in dieser Art, aber immer noch ein Vogel... Seufzend wandte sich Uruha ab. Sollte die Show eben im Hintegrund laufen. Ein paar Stimmen im Hintergrund könnten der gedrückten Stimmung nicht schaden. „Ru-“, wollte er den Sänger rufen, als eine ihm bekannte Melodie erklang, die nicht aus seiner Anlage kam und ihn abrupt innehalten ließ. „Wakaremichi.“, murmelte Uruha verwundert und wandte sich um. Er hatte ja keine Ahnung, das diese Tiershow als Musikunterstützung eines ihrer Lieder nahm. Wusste Kai davon...? Unglauben stand ihm ins Gesicht geschrieben, als selbst Ruki aufgrund der Klänge aus der Küche trat. „Entweder du lässt den Fernseher an oder die Anlage. Beides ist-“ „Ruki, das kommt daher!“ Der Sänger folgte Uruha's Fingerzeig und stutzte. „Dressiert die Sammlerin nun ihre Tiere schon so, das die unsere Lieder musizieren können? Die spinnt doch... Das arme Tier.“ Die lauschten der Melodie durch das Gläser klingen, bis der Vogel jäh in seinem Spiel inne hielt und fern ab jeglicher Angst zur Technik auf die Kamera zuflog. Rufe wurden laut. „Haltet ihn!“, hörten sie eine Frau schreien und erschraken, als ein blendendes Aufleuchten direkt von der Kamera aufgenommen wurde, dann der Bildschirm schwarz wurde und sich im nächsten Moment herausstellte, das der Vogel die Linse bedeckt hatte und nun an dieser herabrutschte, wobei der Kopf des Kleinen seitlich gegen die Linse gedrückt war. „Oh mein... Gott...“ „Tierquälerei!“, stieß Ruki angewidert aus und bedeckte sein Gesicht mit der Hand. „Sieh dir die schönen Knopfaugen an!“, rief Uruha fasziniert und verschlang förmlich die weitere Show, bis sie in einem Standbild endete. „Uruha, bitte. Es gibt wichtigeres als-“ „Das war doch unglaublich oder? Wakaremichi! Aoi's Song!“ „Ja, aber-“ „Ich kaufe ihn frei!“ „Spinnst du jetzt?!“, fuhr Ruki den zusammen zuckenden Gitarristen an und wandte sich schnaubend ab. „Glaubst du, der kleine wird lange leben? Hast du nicht gesehen, was die Frau mit ihm macht? Würde mich nicht wundern, wenn das ein Stromhalsband war. Das gibt es für Tiere, die dressiert werden sollen. Allerdings bei Vögeln ist dieses Halsband nicht erlaubt. Wie hast du vor, an diesen Vogel heran zu kommen und wozu? Nur weil er dieses Lied musizieren kann? Ich bitte dich... Uruha... Unsinn.“ Die Augen verdrehend, verschränkte der Angesprochene die Arme vor der Brust. „Immerhin tue ich etwas. Ich rette ihn und wenn Aoi wieder da ist, wird er sich freuen, von diesem kleinen Geschöpf etwas so wundervolles zu hören. Meinst du nicht auch, Aoi würde das selbe für mich tun? Der Kleine ist etwas Besonderes.“ „Wie kannst du jetzt nur an... einen Vogel denken? Wir müssen der Polizei Bescheid geben, das Aoi entführt wurde!“ „Das kannst auch du tun, oder?“ „Du spinnst... Du spinnst!“ „Dann lass mich spinnen!“, brüllte Uruha gereizt und stampfte zur Tür. „Uruha? Uruha?!“, rief Ruki dem anderen nach kurzem, widerwilligen Zögern hinterher, doch da fiel die Tür bereits ins Schloss. +~+ Mit düsterer Miene verließ Uruha sein Haus und wählte die Auskunft mit Hilfe seines Handys. Seien Hände zitterten vor Wut. „Ja, hallo? Wie kann ich Ihnen helfen?“ „Leiten Sie mich bitte zur Vogelsammlerin weiter.“, meinte Uruha sofort und schloss den Reißverschluss seiner Jacke. „Nuriko Satoru?“ „Keine Ahnung wie sie heißt! Ich weiß nur, das sie Vogelsammlerin ist und eine eigene Vogelshow hat.“ „Ich leite Sie weiter. Warten Sie bitte einen Moment.“ Und das tat Uruha. Er wartete... und wartete... bis sich plötzlich jemand am anderen Ende der Leitung meldete. Die Stimme klang sehr aufgebracht, wie Uruha besorgt bemerkte. „Guten Tag, Takeshima mein Name. Ich würde gerne Ihren Vogel aus der gerade gelaufenen Show kaufen.“ Kapitel 6: I - 6 Uruha ----------------------- „Ein musikalischer Vogel bist du, mein Bester, aber ein unkontrolliertes Biest! Du kannst von Glück reden, das dich mir jemand abkauft... Ich weiß nicht, wie lange ich mir den Ärger noch erlaubt hätte. Ich finde schon einen anderen Vogel, der ähnlich aussieht, aber sich leichter dressieren lässt.“ Ein strafender Blick genügte, und Aoi blieb der Laut der Entrüstung im Halse stecken, der ihm unangenehm brannte und auch so roch. Gut, das er sein Abbild nicht im Spiegel sehen konnte. Erbärmliches Überbleibsel eines stolzen Mu- Vogels! Wenn er könnte, würde er ihr den Hals umdrehen! Oder ihr solch einen Band um den Hals wickeln und abdrücken. Sie beben, erzittern und qualvoll... Nein, nein du bist ein lieber Mu- Vogel! Argh!! „Jetzt hör endlich auf zu Piepsen, oder ich klebe dir den Schnabel zu!“, donnerte die Vogelsammlerin und schlug gegen den Käfig, was diesen durch den Stoß angetrieben, abrupt in Bewegung setzte und Aoi in seinem Käfig gegen die Gitter schlug. Er war zu schwach, um sich zu balancieren, geschweige denn aufzustehen. „Wir hatten dich gewarnt, kleiner Mann.“, piepste eine junge Elster und lachte lauthals. „Armer Junge...“ „Dein Mitleid ist hier fehl am Platze, alte Amsel. Ihr habt gehört, er ist bald befreit. Sie wird ihn nicht töten, wenn es um Geld geht.“ „Raffgrierige...“ „Gerade dieses Wort aus deinem Schnabel!?“ „Ruhe ihr unbrauchbaren Biester! Ich kann euer nicht aufhören wollendes Meckern nicht mehr hören! Ihr habt es hier viel zu gut!“, kreischte die Frau schrill auf und schlug mit einem metallenen Stab gegen eine Reihe eng aneinander stehenden, kleinen Käfigen. Die Vögel darin verstummten, als wüssten sie, was nun kommen würde. Doch bevor sie tun konnte, was sich bereits vor ihrem geistigen Auge auftat und ihre Augen böse funkeln ließ, betrat ihr Angestellter und Mittäter die Lagerhalle, in der sie ihre Sammlung hielt. „Herrin...?“ Zögerliches Wispern. „WAS?!“ Der Mann, der sie eingeschüchtert angesprochen hatte, zuckte erschrocken zusammen. „D-da möchte Sie jemand sprechen, M-Miss? Takahima oder... Taka... eh... Soll ich ihn wegschicken?“ „Nein, nein! Er nimmt mir dieses ungestüme Biest ab. Erspart mir reichlich Ärger. Die Show lief nicht wie geplant. Meine Nerven sind nicht mehr die besten. Trotz meiner guten Erziehung jammern diese Biester mir die Ohren voll. Schade eigentlich mit dem Kleinen... Nie hatte ich solch ein widerspenstiges, schmächtiges, und doch so einzigartiges Biest...“ „Jetzt schwärmt sie wieder diese Hexe! Hoffentlich schaffst du es hier wirklich raus, Kleiner.“, ließ die alte Amsel fallen und Getuschel wurde laut. „Ich glaube nicht.“ „Doch, doch! Geld ist mächtig! Wer weiß schon, wie viel der Neuling wert ist?“ Waren diese Vögel eigentlich dumm...? Die müssten doch inzwischen verstanden haben, das die Hexe schlecht gelaunt war wegen ihnen und seiner Wenigkeit. War die Meinung eines jeden etwa wichtig unter ihnen? „Haltet lieber den Schnabel!“, warnte Aoi und war sogleich wieder still, zog den Kopf ein. Die pochende Stirn der Vogelsammlerin verfinsterte sich währenddessen über ihren dunkel geschminkten Augen und ihr rot leuchtender, zum fahlen und blassem Gesicht unpassender, Mund vollzog sich zu einem dünnen Strich. Der Lärm der vielen Gefangenen hatten Aoi's hilfreiche Worte übertönt. Mit Schrecken erkannte er, wie die Hexe nach einem metallene Stab griff und den Kippschalter eines rechteckigen Blechkastens betätigte, hinter dem nun ein dumpfes Rumoren erklang. Doch viel mehr beunruhigte ihn der Ladungsaustausch der Pole am oberen Rande des Kastens. Das konnte nur ein kleiner Generator sein! Sie wollte doch nicht etwa... „Nein, tu mir nichts!“, bat ein kleiner, etwas pummelig aussehender Grauvogel und sprang wie ein Flummi auf und ab. „Nimm sie! Ich bin viel hübscher.“, schrie dagegen die eingebildete Elster und flog in ihrem viel zu kleinen Käfig auf und ab, um die Schönheit ihres Gefieders zu präsentieren, was schon längst nicht mehr schön war. Gerupft hatte sie ihre Schönheit, um die Aufmerksamkeit der Sammlerin auf sie zu schmälern. Doch bewusst schien es ihr in ihrer Angst nicht zu werden. Der Lärmpegelanstieg schien der Vogelnärrin nur um ein Weiteres mehr zu reizen. „Ich war wohl zu nachlässig mit euch! Hackt ihr euch nun auch noch gegenseitig das Gefieder aus?! Ich sollte-“, spuckte sie voll Zorn über die Hässlichkeit ihrer Sammelstücke und hob den Stab an, um ihn in einen der Käfige gleiten zu lassen. Das Geschrei wurde noch lauter, panischer. Wenn Aoi könnte, würde er sich liebend gern die Flügel auf seine Vogelaugen pressen und den Gehörgang gleich noch mit dazu. Ohrmuscheln besaß er keine. Wenn er den Mund dieser Hexe so betrachtete, schienen die Worte sogar verzögert bei ihm anzukommen. Warum nur...? War das Vogel-typisch? Oder schrie sie immer verzerrt? Unsinn! „Dein Vogelhirn schenkt dir unsinnige Gedanken, Aoi...“ „Herrin!“ Selbst ihr unbedeutsamer Angestellte schien protestieren zu wollen. Warum hörte sie nicht auf! Dieses Geschrei! Sein Kopf ruckte, schmerzte. Schritte. Eindeutig Schritte! „Was ist hier los?“ Wieder ruckte sein Kopf. Konnte er nicht damit aufhören!? Nun hoben sich die Schritte noch deutlicher hervor. „Ich wiederhole mich ungerne, aber was tun sie da?“ Wieder ruckte Aoi's Kopf. Nach links, rechts, vor, zur Seite, zurück. Aufschreiend brachte er seinen linken Flügel zum Schwingen. „Hier, hier! Uruha!“ Er hatte ihn erkannt. Das Rucken des Kopfes hatte die Wellen seiner Stimme deutlicher gemacht. Das konnte nur Uruha sein! Diese Stimme! Diese wunderbare Stimme!“ Doch Uruha fiel die schwache Schwingbewegung seines Flügels weder auf, noch haftete sein Blick auf ihn. „Uruha, schau mich an! Hier unten! Pieps!“ Erschrocken hielt Aoi inne. Nein, das Pieps hatte er sich nur eingebildet... Das konnte nicht... Durfte nicht! Er war Musiker! Kein Vogel! Während die Folgen der Wandlung über Aoi's wirren Kopf zusammenbrachen, war die Vogelsammlerin in ihrem Tun verharrt und zog nun den zuckenden Stab aus dem Käfig des Grauvogels. Keine überflüssigen Flummibewegungen mehr. Kein Geschrei, kein Herzschlag. „Mörderin!“, schrie die Amsel und ihre fremdartigen Mitgefangenen stimmten in das klagende Geschrei mit ein. Das Herz der Kleinen hatte die Angst nicht überstanden. Der Strom hatte ihr nicht die Federn versenkt. Wenig tröstend, das ihr so wenigstens noch die letzte Würde eines Vogels blieb. Das Klagen ließ auch Aoi aufschreien. Ließ ihn in den Chor des Klagens miteinstimmen. „Das arme Mövchen!“ „Nur eine kleine Lehre für meine Schätze. Für Disziplin und Gehorsam... Gehen wir in mein Büro. Hier wäre das Besiegeln eines Geschäfts unangebracht. Man versteht kaum die Worte eines anderen.“, meinte die Vogelsammlerin, kippte den Schalter des Generators um und drückte den Käfig in ihren Händen ihrem Angestellten auf. „Mach, das es still wird, Tatsu! Sie sollen ihre Schnäbel halten.“, zischte sie ihm zu und setzte ein freundliches Lächeln auf, als ihr Blick weiter reichte. „Folgen Sie mir, Herr...“ „Takashima.“ „Richtig.“ Aoi's Vogelaugen fixierten den hilflos dreinschauenden Tatsu, während Uruha samt der Hexe die Halle verließen. Ihn alleine mit diesem... ja, diesen Kerl ließen... Als das Öffnen des Gitters an seine Ohren drang, erhob sich sein protestierendes Geschrei. „Uruha!“ Doch blieben diesem die hektischen Flügelschläge, das Gepiepse und das Fluchen Tatsu's verwehrt, sobald sich die Schalldichte Tür hinter ihm schloss. „Hach... Ruhe...“ „Bitte?“, bat Uruha verwirrt um Wiederholung und sah sich kritisch um. Keine Foto von ihren Vögeln. Keine. Hatte sie genug? Warum dann noch sammeln und die Tiere quälen? „Hm? Kommen wir zum Geschäft, Herr Takashima. Sie sind sich sicher mit dem musizierenden Vogel aus der letzten Show?“ Verwundert betrachtete Uruha ihr blasses Gesicht. Hatte sie die Herkunft des Vogels noch immer nicht herausgefunden? „Ja, das bin ich.“ „Dürfte ich erfahren warum?“ Um den Wert einzuschätzen. Einzuschätzen, wie weit sie gehen konnte...? Für einen Vogel? Uruha zögerte. „Nun... Damals hatte ich solch einen ähnlich ausschauenden Vogel. Ich sehne mich nach den alten Zeiten.“ „Verstehe... Was für eine Art?“ „Da ich kein Sammler bin, müssten sie die Antwort eher wissen als ich. Ich hege privates Interesse.“ „Dann kann ich wohl davon ausgehen, das sie meinen finanziellen Ansprüchen entsprechen. Wie-“ Uruha unterbrach die Frau, deren Mund sich bitter zusammenzog. „Humanen Ansprüchen. Es ist nur ein Vogel, kein Sammelobjekt. Eher ein Unterhaltungsobjekt. Nicht mehr.“ Was stellte sich diese Frau bitte vor? Für einen Vogel immense Summen beanspruchen wollen und nicht einmal die Herkunft wissen? „Außerdem berechne ich ihnen die äußerlichen Schäden, die sie dem Kleinen angerichtet haben. Ich bezahle nicht für verbrannte Federn.“ Uruha spielte mit dem Feuer. Zog sie ihr Angebot zurück? Das durfte sie nicht. Er wollte diesen Vogel... Darüber nachzudenken, warum dies so war, hatte er längst aufgegeben. Vielleicht hatte er damals tatsächlich einen ähnlich aussehenden Vogel gehabt und konnte sich nicht mehr daran erinnern? Nur instinktiv...? Entrüstung blitzte ihm entgegen. „Wie können Sie mir vorwerfen, meinen Liebsten etwas anzuhaben?! Er ist völlig gesund.“ Nette Lüge... Seufzend schlossen sich Uruha's Lider. „Fein, das wird der Tierschützerverbund dann sicherlich auch feststellen können. Die würden sicher mit Freude Ihre Sammlung sehen und für mich ein Auge auf den Kleinen werfen können, um mir Ihre Aussage zu bestätigen. Ich zahle nicht über Wert.“ „S-Soll das... Das ist Erpressung!“, rief die Sammlerin erbleicht aus und schlug mit der flachen Hand ungewohnt hart auf dem Tisch auf. Die Schmerzen darüber zuckten Sekundenlang in ihrem Gesicht auf. Uruha's rechter Mundwinkel bog sich belustigt nach oben, bevor sich die Wangen der Frau in einen rosafarbenem Ton erwärmten. „Es ist eine Vorwarnung. Lassen Sie den Kleinen frei.“ „Nicht unter Wert!“, schrie die Frau aus und stemmte ihre Hände in die Seiten, um ihr nervöses Zittern zu verbergen. Zögernd senkte der blonde Mann den Blick, erblickte nun deutlich das Zittern seiner eigenen Hände und den rasenden Herzschlag in seiner Brust, der ihn in den Ohren lag und die Stille durchbrach. „Ganz ruhig... Sei Aoi.“, versuchte er sich zu beruhigen und versuchte sich vorzustellen, was Aoi an seiner Stelle getan hätte... Wenn er denn auch unbedingt einen Vogel haben wollte... „Hm... In den nächsten Tierladen gehen... Das hilft mir nun auch nicht weiter! Erinnere dich!“, mahnte er sich und konzentrierte sich auf alte Geschichten... ~ Rückblick Uruha ~ „Musst du ständig an meinen Fersen kleben?“, brüllte Kouyou gereizt. Man hatte in dem Club Mühe seine eigenen Worte zu verstehen. Vielleicht brüllte er aber auch so Laut, damit er Abstand von ihm nahm... Yuu's Worte verstand er jedoch ohne Mühe. Wie nah war er ihm denn wieder gekommen?! Mit großen Augen wandte er sich um, erstarrte aufgrund der tatsächlichen Nähe. „Irgendwer muss doch auf dich aufpassen, hm? Jetzt mal im Ernst. Was kann bitte ich dafür, das wir uns ständig über den Weg laufen? Jetzt schau nicht so verletzt und lass bitte mich durch. Ich gebe den Jungs heute was aus. Hab Geburtstag, weißt du?“ Das Lächeln, das nun in Yuu's Gesicht trat, war ungewohnt, aber irgendwie entwaffnend... Ohne Worte schwankte sein Körper zur Seite. Er schaute verletzt? Pah! Sein Blick folgte dem schmalen Umriss des Schwarzhaarigen. Nicht ein positives Wort hatte er je für ihn übrig... Tze... Er hatte Geburtstag? Sollen er und seine Jungs sich die Birne wegsaufen! Er konnte auch alleine Spaß haben. Hier waren wenigstens keine lästigen Stalkerinnen! Wenn er ganz ehrlich war, hatte er sogar seit Tagen keine mehr gesehen... und aus irgendeinem Grund behagte es ihm gar nicht. Heckten die Mädchen etwas aus? Manchmal erwischte er sich sogar dabei, wie er den Weg zur Schultoilette anstrebte oder länger als nötig die Klinke hielt, bis die Schulglocke ihn aus den Gedanken riss. Sicherlich nur aus Gewohnheit. Sonst war er jede Pause auf die Toilette gestürzt, um dann Yuu über den Weg zu laufen. Dieser eingebildete Schönling! Gerade dieser zog soeben mit mehreren Biergläsern an ihm vorbei. Konnte er keinen Umweg laufen?! Die Augen verdrehend wandte Kouyou sich ab. Also dann, ab in die Menge! Diesen Schnösel vergessen. Diesen... „Hey hey, Schönheit!“, brüllte ihn jemand von der Seite an und ließ Kouyou von diesen zunächst weghechten, bevor sich seine aufgerissenen Augen auf den Sprecher richteten. Na hallo... Schwarze Haare, durchtrainierter Körper, hübsche Augen,... Okay die Nummer wurde langsam peinlich. „Kou, stell dich gerade hin, hör auf zu sabbern und sei ganz cool!“, redete er sich zu und kam Schritt eins und zwei nach. „H-hi!“, brachte er stotternd hervor und hob die Hand. „Ja jetzt noch peinlich winken, obwohl der Herr direkt vor dir steht... Idiot!“, beschimpfte er sich und ließ sie rasch sinken. „Das Schnittchen wird ja ganz rot!“, lachte der Unbekannte, packte den irritierten Kouyou um die Taille und dirigierte ihn auf die Tanzfläche. In den nächsten Minuten starb Kouyou Tausend Tode. Der heiße Typ tanzte ihn an! Ihn! Er hatte das Gefühl, seine Hände überall zu haben! „Der Typ ist doch betrunken! Er soll seine Hände von mir nehmen!“ dachte Kouyou und zitterte merklich am ganzen Körper. Der Typ schien nicht mal zu merken, das er überhaupt nicht tanzte... Heißer Typ Hin oder Her! „Hey! Verschwinde!“, sagte plötzlich jemand und stieß den ihm noch immer Unbekannten von Kouyou, der sogleich die Arme um sich schlang und den am Boden Liegenden mit großen Augen betrachtete. Plötzlich wurde ihm die Sicht auf den Mann versperrt. Jemand war vor ihm getreten! Oder zwischen sie? „W-was soll das? Such dir selbst jemanden!“ Der Kerl rappelte sich auf und schritt auf Kouyou zu, der über die Schulter seines Retters blickte und instinktiv zurück stolperte. Den Arm, der sich nach ihm ausstreckte, wurde am Unterarm gepackt und somit gestoppt. Die Zwei fixierten sich. Kouyou konnte nur den einen von ihnen erkennen. Sie schienen kämpfen zu wollen! Wegen ihm kämpfen? Warum? War er denn besonders? „Ich würde vorschlagen, du verlässt den Club? Jetzt! Du dürftest gar nicht hier drin sein.“ Ein Rivalitätskampf? Er verstand nicht... „Was ich darf und was ich nicht darf, das entscheide noch immer ich! Wer bist du überhaupt?“ „Der Besitzer des Clubs.“ „Ist nicht wahr...!“ „Ach hast du ihn schon einmal gesehen? Hm... ich glaube nicht, dich schon einmal gesehen zu haben. Ich bin erst seit wenigen Tagen wieder in der Stadt. Ich rate dir, lass die Hände von meinen Gästen. Heute ist Schülerabend. Erwachsene haben keinen Zutritt. Ein falsches Wort, eine falsche Tat, und du kannst dir einen neuen Club suchen. Hier dein Eintritt.“ Ein Yen-Schein tänzelte schwingend und sich drehend zu Boden. Die beiden verharrten abwartend. „Ich wiederhole mich ungerne!“ „Schon weg. Verzeihen Sie mir.“ „Wer bereits betrunken in den Club kommt, kann die Worte am Eingang wohl nicht lesen. Ich verdränge den Moment aus meinem Gedächtnis, wenn Sie sich beeilen.“ „Danke.“ Eine schnelle Verbeugung, das Geld wurde geschnappt und der Mann eilte plötzlich weniger schwankend aus dem Club. Dankbar trat Uruha aus dem Schatten des Unbekannten. „Danke!“, rief er und sein Lächeln erstarrte, als der Beanzugte sich ihm zuwandte. „Yuu?!“ „Alles okay?“ Erleichterung durchflutete den Blonden. „Ja, dank dir.“ „Ein Schülersprecher setzt sich für seine Schüler ein.“ Kouyou's Stirn verfinsterte sich. „Kannst du nicht einmal etwas Nettes sagen?!“, motzte er aufgebracht und blies die Wangen auf. „Und auch mal etwas tun, was nichts mit deinem 'Amt' zu tun hat?!“, dachte er noch, schlang erneut die Arme um sich und wich Yuu's forschenden Blick aus. Yuu, der eben noch gehen und Kouyou stehen lassen wollte, war verharrt. „Gerade von dir? Wenn du es unbedingt wissen möchtest – ich habe euch gesehen. Er hat dich angefasst und ich habe deine Angst gesehen. Ich habe eingegriffen, okay? Bild dir nichts darauf ein.“ „Arsch...“ Kouyou's Stimme zitterte. Kopfschüttelnd wandte Yuu den Kopf ab und setzte sich in Bewegung. „Happy Birthday du Idiot!“, brüllte Kouyou ihm nach und schloss lächelnd die Augen, war wieder umgeben von tanzenden Jugendlichen, die ihn keine Angst verspüren ließen. ~ Rückblick Uruha Ende ~ Uruha blinzelte. Sein früheres Ich war nicht mehr mit seinem jetzigen Ich vergleichbar. Es hatte sich so viel geändert. Sie hatten sich verändert. Und Aoi's Verschwinden machte ihm deutlich, wie abhängig und verletzbar er noch war. Er musste sein Leben mehr selbst in die Hand nehmen! Konnte er das noch schaffen...? Nach all den Jahren der Abhängigkeit? Doch nur so könnte es ihm gelingen, glücklich zu werden... Oder? Passend zum Gedanken, suchten seine Hände ihre Wege in seine Hosentaschen und wurden von einem Seufzen begleitet. Vielleicht vermochten sie das Zittern zu bändigen, welches seinen Körper durchfuhr und in heftiger Konkurrenz mit dem erhöhten Herzschlag wetteiferte. Warum Hoffnung machen? Er war ein Weichei. Kein Aoi... Wenn er doch nur wie er sein... Moment. Er stoppte seinen halb ausgesprochenen Wunsch und ertastete den Gegenstand in seiner Hosentasche erneut. Seine Brieftasche! Fast erleichtert klammerte er sich an das kalte Leder, welches ihm einst Aoi – wer sonst? - geschenkt hatte und grinste zurückhaltend. Damit ließ sich etwas machen. Weniger zögerlich in seinem Tun, richtete er den Blick auf und nestelte die Brieftasche aus dem ein wenig eng anliegenden Versteck. Der Blick der Frau haftete begierig auf ihr. „Hier, das reicht. Ein Wort und ihre Tarnung wird auffliegen. Geben Sie sich mit dem zufrieden, was Sie hier praktisch aus Mitleid zur Ihrer Person von mir geschenkt bekommen und wagen Sie es nicht an meiner Autorität und Stellung zu zweifeln. Das wenige an Freundlichkeit Ihnen gegenüber ist Ihrem kleinen Vogel zu verdanken. Doch glauben Sie nicht, ich könnte die öffentlichen Interessenten lange fernhalten.“ „Sie sind von der Yakuza?“ Ihre Stimme klang brüchig, ihr Gesicht war inzwischen kalkweiß. „... Ich bediene mich ungerne der Bezeichnung. Ich habe viele Namen.“ „Auch Kouyou Takashima...?“ „Ein unbrauchbarer Kerl … Nein.“ „Verstehe... Nehmen Sie ihn!“ Wenn dies nicht total unprofessionell für ein Yakuza Mitglied und Fehl am Platze wäre, würde er nun in die Luft springen vor Freude. Er hatte ihn! Ganz ohne Aoi's Hilfe, sah man vom Festklammern an der Brieftasche ab. Wenn die nicht gewesen wäre... Nein! ER hatte es geschafft! Er sollte aufhören, den eigenen Stolz auf andere abzuladen. Er hatte im Leben auch einiges geleistet! Er wäre nicht Gitarrist geworden, würde er dies nicht unter Beweis stellen! Das allein Aoi es zu verdanken war, das er sich für Gitarren interessierte sei mal außer Acht gelassen... ~ Uruha Rückblick ~ „Kou, hörst du mir überhaupt zu?“ „Hm...“ „Kou?“ „Hm...“ Kouyou's träumerischer Blick war noch immer auf die Luftbläschen in seinem Kakao fixiert, die nacheinander platzen oder neue bildeten. „Kou, sieh mal, da ist Yuu!“ Kouyou's imaginäre Luftblase platzte und ließ ihn beinahe das Glas voller Kakao umstoßen. „Was?“ „Also wie ich dir eben mitteilen wollte, gibt es einen neuen Kurs an unserer Schule.“ War da nicht was...? „Aha.“, machte Kouyou bloß und beäugte sein inzwischen kaltes Essen misstrauisch, bevor er es von sich schob. Minamoto seufzte demonstrativ. „Kein Wunder, warum du immer dünner wirst. In einer Tour am Seufzen und Träumen. Komm mal wieder runter, ja?“ „Wovon denn runter?“, fragte sich Kouyou und blickte sich unauffällig um. „Das Schulessen kann man eh nicht genießen. Zu viel Fett.“ „Wie du meinst. Also jedenfalls... Das ist ein Gitarrenkurs und ich dachte... Kou, hör mir doch mal zu!“ „Hm?“ „Ohhh...“ Laut aufstöhnend vergrub Minamoto das Gesicht in den Händen. „Du bist echt nicht mehr auszuhalten. Du kannst froh sein, mit mir verwandt zu sein. Jeder andere wäre an deiner Seite längst geflohen. Wenn du mich suchst... Ich melde mich für den Kurs an, was ich dir auch vorschlagen würde. Ein Hobby täte dir gut.“ „Wenn du meinst, Mina-kun.“ Ein böser Blick und Minamoto wandte sich ab. „Yuu nimmt auch dran teil.“ Na das war doch mal ein Grund dem Schönling auf die Finger zu schauen und ihm den Spaß zu vermiesen. Kouyou's Grinsen wurde breiter. Niemand verriet den Fangirlies sein Versteck, ohne Rache zu schmecken. „Ich trag dich mit ein.“ „Danke, Mina-kun!“, rief Kouyou dem anderen neckend hinterher und rieb sich die Hände. Jetzt brauchte er nur noch eine Gitarre... ~ Rückblick Uruha Ende ~ Da aus Rache der Drang wuchs, besser als Aoi zu werden, wurde aus ihm das, was er heute war. Mit Minamoto pflegte er noch heute den Kontakt, doch hatte sein Cousin das Land verlassen, um seinen amerikanischen Traum zu leben. Nichts für ihn, aber da Minamoto ihn selbst auch nie hatte verstehen können, waren sie sich darüber einig, nicht über die Geschmäcker des anderen zu diskutieren, was durchaus Vorteilhaft war. Er hatte es sofort hingenommen, als für ihn feststand, das Frauen langweilig seien und er keine Enkelkinder bekommen würde. Als hätte Minamoto es Jahre lang geahnt und es nun nur bestätigt bekommen. Wie man das ahnen konnte, war ihm noch heute schleierhaft, aber er wäre nicht Uruha, wenn er hinterfragen würde. „O-oh gut, ich gehe ihn holen!“, riss ihn die Sammlerin aus seinen Gedanken und ließ ihn aufschauen. Wie lange stand er denn schon reglos da? Ein schwaches Nicken nur, und die Frau hechtete an ihm vorbei. Mit dem Öffnen der Tür, drang... kein Laut an seine Ohren...? Alarmiert wandte Uruha sich um und folgte der stehen gebliebenen Frau. „Tatsu, was hast du getan?!“ „Ich hab sie ruhig gestellt. Wie Sie gewünscht haben, Miss.“ Sowohl Uruha's als auch die Augen der Sammlerin wurden Tellergroß. „Du Idiot!“ „A-aber Miss...?“ Verwirrt hob Tatsu die Schultern und gestikulierte stumm mit der freien Hand sein Unverständnis. In der Anderen hielt er einen zerbrechlichen Vogel, dessen Schnabel allein aus seinen Händen heraus lugte. Während die Sammlerin zu den Käfigen hechtete, um nach ihrer Sammlung zu schauen, schritt Uruha zielstrebig den Mann an, der Dummerweise den Anweisungen seiner Chefin gefolgt war. Doch Mitleid empfand er für diesen Mann nicht. Hätte er ein Gewissen, hätte er sie längst verpfiffen oder wäre freiwillig gegangen. „Welcher Vogel ist das?“, wollte er mit zittriger Stimme wissen und hielt die Stimme gesenkt, um seine Tarnung nicht auffliegen zu lassen. „Hm? Oh...“ Erst jetzt schien dem Kerl wieder einzufallen, einen zerbrechlichen Leib zwischen seinen Fingern zu haben, lockerte die Umklammerung und ließ den Kopf des Vogels frei. „Scheiße... Noch mal Glück gehabt! Gib ihn mir, Tierquäler!“, zischte Uruha leise. „Miss...?“ „Was auch immer er sagt, tu es! Wo ist dieser verdammte... Das es nur die Schnäbel sind, ist dein Glück, Tatsu!“ „Schnäbel?“, wiederholte Uruha fragend, nahm sich den Vogel an, dessen starken Herzschlag er deutlich über seine Finger spüren konnte, die den Vogel nur mit wenig Druck daran hinderten, ihm über die Handfläche zu fallen, und blickte sich nach weiteren Vögeln um. „Wo ist der Vogel aus dem Fernsehen?“, erkundigte er sich, denn dieser war es nicht, den er gerettet hatte. „Ja, nur die Schnäbel habe ich zugeklebt, Miss. Nun sind sie ruhig.“ „Und können nichts mehr essen, du Idiot!“ „Wo ist der Vogel?“, wiederholte Uruha mit ruhiger Stimme, aber panischem Herzschlag. Er hatte Angst um den Kleinen. Auch wenn es nur ein Vogel war... Er hatte Angst. Doch sein Herz zu hinterfragen würden ihm keine Antworten bringen. Er hatte nie einen Vogel besessen. Es gab keinen Grund... Nicht das er einen wüsste... Nun wandte sich Tatsu zögernd an ihn. „Der hat mir die Hände zerstochen, dieses Biest! Er müsste hier irgendwo sein... Hm...“ „Gut gemacht, Kleiner.“, dachte Uruha schadenfroh grinsend und wandte sich ab, damit es diesem Mann verborgen blieb. Suchte er eben selbst. Beiläufig fiel sein Blick auf die Uhr. Eile war geboten. „Wo bist du, Kleiner?“, rief er leise, um die Vögel, die ihm in viel zu kleinen Käfigen jämmerlich begegneten, nicht zu verschrecken. Ein rhytmisches Klicken erhob sich aus der Stille und ließ Uruha wissend lächeln. Er hörte ihn – hörte er ihn auch? - aber sah ihn nicht. In welchem kleinen Käfig war er versteckt? Das metallische Klicken hielt an, schien jedoch schwächer zu werden. Die Augen schließend, lauschte Uruha der Melody, die dieses Klicken ergab. Schon wieder erinnerte es ihn an ihn... ihn... Aoi... Sollte er den Kleinen Aoi nennen? Nein, kein Ersatz würde Aoi je ersetzen können. Es war nur ein Vogel... Die wirren Gedanken aus seinem Kopf wischend, trat er nun vor, zwischen den Käfigen hindurch, und folgte dem Klicken, bis er vor einem kleinen Käfig zum Stehen kam. Als er genauer hinsah, und das Klicken verstummte, erschrak Uruha über den blutgefärbten Verband am Flügel des am Käfigboden liegenden Vogels und die Striemen am Schnabel des Kleinen. Ihm war, als schaute ihn der Vogel traurig aus seinen Kulleraugen entgegen oder vielleicht erleichtert...? Unsinn! Was interessierten ihn auch jetzt die möglichen Emotionen eines Tieres? Er musste ihn hier raus schaffen. Schnell. „Ich hole dich hier raus.“, meinte er, mehr um sich zu ermutigen und griff nach der Halterung an der Spitze des Käfigs. Als könnte ihn dieser Vogel auch verstehen. Belustigt den Kopf schüttelnd, wandte sich mit dem Käfig an der Brust um und marschierte zielstrebig durch das Gewirr an weiteren Käfigen. Diese armen Geschöpfe würden bald frei sein. Erleichterung durchflutete ihn mit dem Einbruch von Licht in der Halle, welches sich durch das äußere Öffnen der metallischen Schiebetüren ergab. Das Quietschen bestätigte die Geringfinanzierung, die sich schon an den Käfigen gezeigt hatte. Eine diebische Elster diese Frau. Nichts für niemanden, aber alles für sich. „Polizei, bleiben Sie wo Sie sind!“ „A-aber...!“, begann die Vogelsammlerin Nahe eines Ohnmachtsanfalls und warf Uruha einen bittenden Blick zu. Doch Uruha wäre nicht Uruha, wenn er der Frau nur einen belustigen Blick schenken würde. Glaubte sie tatsächlich, er würde Mitleid empfinden? Dumme Frau. „Ha!“, dachte er amüsiert, zog seinen Ausweiß aus der Tasche und streckte den eingetretenden Männern diesen entgegen. „Wir hatten telefoniert, Officer.“ „Tatsächlich. Hm... und das ist der Vogel, dem Sie ein neues Heim schenken wollten?“ „Ja, bitte.“ „Zeigen Sie ihn den Ärzten. Man wird Sie später noch einmal wegen dem Vorfall kontaktieren.“ Leicht verneigend marschierte Uruha weiter zu den ausgewiesenen Ärzten, die der Polizei-Eskorte gefolgt waren. Den Ausweis wieder in die Tasche stopfend, beobachtete er vertrauensvoll, wie einer der Tierärzte den Käfig öffnete und langsam in diesen hinein fasste. Als wüsste der Vogel, was auf ihn zukam, blieb er reglos liegen und ließ sich mühelos anheben und aus dem Käfig nehmen. „Entweder ist dieser Vogel sehr stark verletzt, in seiner Wahrnehmung gestört oder sehr schlau.“, meinte der zweite Arzt begeistert und übernahm das zarte Festhalten des Kopfes, damit sein Kollege den Tesafilm um den Schnabel zerschneiden kann, ohne den Schnabel selber zu verletzen. Abwartend, was das Tier nun tun würde, warteten die Ärzte ab. Doch es öffnete und schloss nur instinktiv den Schnabel. Der ausgewiesene Kobato-san strich versuchshalber über die Federn am Rücken des Kleinen, der nicht verletzt zu sein schien. „Männlich.“ „Außergewöhnlicher Vögel. Schön gefärbt wie ein Weibchen und doch... Was er wohl ist?“ „Das kann ich dir nicht sagen...“ Mit großen Augen betrachteten sie den ihnen fremden Vogel aufmerksam. „Es ist nur der Flügel, der verletzt ist. Er wird nicht fliegen können.“, richtete sich Kobato-san's Kollege an Uruha, der sich nun zu ihnen gesellt hatte, um das Vögelchen selbst auch betrachten zu können. „Können Sie ihm helfen? Er hat Schmerzen.“, erwiderte Uruha besorgt und fasste allen Mut zusammen, den er brauchte, diesem fremden Tier über den Kopf zu streichen. Ganz vorsichtig und zart. Augenblicklich bogen sich seine Mundwinkel zu einem traurigen Lächeln. „Was haben sie dir nun angetan, Kleiner?“ „Ni klein. Ihr groß! Uru... ha.“, stieß Aoi schwach aus. Er war so müde, doch sein puckerndes Herz ließ ihn keine Ruhe. Schlug es aus Angst so schnell? Er hatte keine Angst. Das waren zwei Ärzte und Uruha. Er war an Rampenlicht gewöhnt... ja... auch wenn es drei ziemlich große Menschen waren, war er immer noch ein Gi... Vogel! Nein... Gitarrist... Nicht nur, das sein Verstand allmählich an seiner Identität zu zweifeln schien, sein Wortschatz reduzierte sich stetig. War geschah nur? Uruha's Finger war mit den Lauten des Vogels zurück gezuckt. Er wusste nicht, ob es aus Mitleid geschah, aber dieses schwache Piepsen des schönen Vogels, trieb ihm Tränen in die Augen. Ungläubig blinzelte der Blonde. „K-Könnten Sie... Sie sich bitte beeilen? Ich möchte ihn nach Hause bringen. In sein neues zu Hause. Zu mir...“, stotterte Uruha eingeschüchtert aufgrund seines Verhaltens und fixierte dabei weiterhin die glänzenden schwarzen Augen des kleinen Vogels. Er kam sich wieder so schwach und verletzend vor. Er hatte es doch geschafft! Warum nun so schwach...? „Wenn der Flügel weitestgehend wieder verheilt ist, bitten wir sie, den Vogel noch einmal untersuchen zu lassen. Gerne würden auch wir das übernehmen. Das ist ein besonderer Vogel. Wir gehen davon aus, das es ein wildes Tier ist. Wenn Sie ihn tatsächlich langfristig halten wollen, sind Impfungen unerlässlich.“ „Verstehe.“ „N-nein! I-ich b-b-b... kein Vo!“, protestierte Aoi und schlug mit dem gesunden Flügel nach den Fingern der Ärzte. „Was hat er?“, wollte Uruha sofort wissen und erhielt Schweigen. Der Gitarrist hielt seine zitternden Finger fest umklammernd, während er dabei zusah, wie dem Vogel der Verband gewechselt wurde und schloss die Augen, sobald die blutigen Federn oder auch Haut zum Vorschein kam. „Der Kleine wurde angeschossen.“, meinte auf einmal Kobato und Uruha war kurz davor, die Augen schockiert aufzureißen, um es selbst sehen zu können, als ein schmerzvoller Laut ihn zusammen zucken ließ. Wieder füllten sich seine Augen mit Tränen, die er hinter seinen Händen versteckt hielt. Der arme Vogel... +~+ „Ruki wird nicht begeistert sein, wenn er dich sieht, kleiner Mann. Er verstand nicht, warum ausgerechnet ich dich retten musste. Nicht einmal ich kann ihm diese Frage beantworten. Vielleicht weil Aoi es auch getan hätte? Weißt du, er liebt Tiere und er schaut immer so sehnsüchtig den Vögeln beim Fliegen zu. Er glaubt wohl, mir entgeht das.“, druckste Uruha und krallte sich schwer einatmend in das Lenkrad. „Vielleicht wollte ich ihm etwas beweisen, mir beweisen. Wieder hat mir diese Situation deutlich gemacht, wie abhängig ich doch von ihm bin, aber ich habe es geschafft!“, stieß Uruha stolz hervor und schlug unsanft auf das unschuldige Lenkrad. Er schnaubte. „Nicht ein mal ein eigenes Auto besitze ich. Als wäre Aoi's Auto mein Eigentum. Das... kann nicht so weiter gehen.“, beschloss er unsicher und hielt an einer roten Ampel. „Ich vermisse ihn, kleiner Mann. Kennst du das? Hast du ein Weibchen? Ich verspreche dir, ich lass dich gehen, sobald du wieder genesen bist, damit du zu ihr kannst. Sicher hast du auch Kinder? Also kleine Vögelchen...? So schön, wie du bist, kannst du sicher jede haben.“ Der Blonde seufzte. „Aoi kann auch jede oder... jeden... haben...“ Abermals seufzte der Fahrer und fuhr weiter. Der kleine Vogel neben ihm piepste. Er lag in seinem viel zu kleinem Käfig, festgeschnallt auf dem Beifahrersitz und hob den Kopf soweit, um über den Käfigbodenrand zu schauen. Wenn Uruha zu ihm blickte, schien es, als sahen ihn diese kleinen Knopfaugen direkt an. Wie Ruki sagen würde: „Unsinn.“ „Es ist schön jemanden zum Reden zu haben, der einfach nur zuhört und da ist.“, meinte er und warf dem Vogel ein Lächeln zu, welcher abermals piepste. „Was hast du, Kleiner? Hunger?“ Noch immer lächelte der Gitarrist. Es war schön, für jemanden, wenn es auch nur ein Tier war, verantwortlich zu sein. Fühlte Aoi auch so, wenn er für ihn da war? Oder war er eine Last? Nachdenklich runzelte Uruha die Stirn. Dabei fiel ihm doch was ein... „Aoi's Auto hatte direkt vor meiner Haustür gestanden.“, schoss es ihm durch den Kopf und ließen ihn schlucken. Dann hatte man ihn also wirklich entführt... „Hat Ruki schon die Polizei informiert? War er... noch da...?“ Bedrückt atmete Uruha aus. „Wie gut du es doch hast, die Probleme der Menschen nicht zu kennen, kleiner Mann.“ Er bog in die langersehnte Abzweigung zu seinem Haus. „Ja, vielleicht beneide ich dich auch darum... Etwas... ich wün-“, begann Uruha, der seine Unmut freien Lauf machen wollte, wurde jedoch vom anschwellenden, plötzlichen Lärm, den der Vogel veranstaltete, unterbrochen. „Was hast du denn nun, hm? Du sollst dich doch schonen. Bitte, sonst bekomme ich nur Ärger.“, flehte der Blonde, schnallte sich ab, nachdem er eingeparkt hatte, und beugte sich zum Käfig hinüber. Und siehe da... die Laute verebbten. Überrascht musterte er den Kleinen. „Danke.“ Kurz zögerte er, bevor er fort fuhr zu sprechen, während er den Gurt löste, der den Käfig fest an den Sitz presste. „Als würdest du mich verstehen würden. Du bist schon komisch, Kleiner. Hum... Ich brauche einen Namen für dich. Wie wäre es mit Shiro?“ Da der Schwarzgefiderte nicht piepste, runzelte Uruha nachdenklich die Stirn. „Nicht begeistert? Hm... Gibt es denn typische Vogelnamen?““, fragte er mehr für sich, griff nach dem Ring, der an der Käfigdecke befestigt war und hob ihn mitsamt dem Vogel aus dem Auto, um Letzteres zu schließen. Schnellen Schrittes verschaffte er sich Zugang zu seinem Haus. Die Nachbarn mussten ja nicht alles sehen. „Willkommen in deinem neuen, vorläufigen, zu Hause!“, rief der Blonde begeistert und kickte die Tür hinter sich zu. „Uruha?“, erwiderte jemand überrascht aus der Wohnstube und ließ den Blonden für einen kurzen Moment stocken. Wenn er hinter der Stimme nicht Ruki erkannt hätte, dann wäre ihm Aoi's eventuelle Rückkehr wohl wie ein Traum vorgekommen. Verunsichert warf er dem Kleinen einen Blick zu und seufzte. „Ruki wird nicht begeistert sein.“, erinnerte er den kleinen Vogel und stellte den Käfig vorerst auf dem Boden ab, um seine Schuhe an der Garderobe zu tauschen. Erschrocken zuckte er zusammen, wie der Vogel plötzlich in aufgeregtes Piepsen überging. Sich aufrichtend, fixierte Uruha den Sänger im Türrahmen zum Flur, beobachtete seine sich verändernde Mimik, bevor er seinen Kopf etwas beschämt sinken ließ, als der ungläubige Blick Ruki's auf ihn fiel. Etwas mutiger, als die Stimme des Vogels verebbte, beugte er sich zu ihm hinunter und griff lächelnd nach dem Ring am Käfig. „Du hast es tatsächlich getan.“, erklang die trockene Stimme des Rotschwarzhaarigen und trat zurück, um den vorbei schreitenden Uruha in die Stube zu lassen. „Ich musste ihn retten! Die Frau hat ihn gequält! Aoi hätte ihn gerettet. Schau dir den Kleinen doch an! Ein Loch im Flügel von einer Kugel. Die haben ihn gewaltsam vom Himmel geholt! Das wäre, als würde ich mir den linken Arm brechen und nicht mehr spielen können! Kai könnte nur noch mit einer Hand spielen und Reita-“, steigerte Uruha sich und fühlte wieder, das es richtig war, was er getan hatte. „Du bist in den Dingen wie Aoi, hm?“, unterbrach Ruki den anderen und musterte ihn eingehend. „Geht es dir jetzt besser?“ „Ja!“, stieß Uruha hörbar ausatmend aus und zögerte einen Moment, weiter zu sprechen. „Ruki? Ist es okay für dich, wenn ich... na die Sache mit Aoi... Du weißt schon...?“ Unsicher blickte der Blonde drein und stellte den Käfig vorerst auf dem Wohnzimmertisch ab. Der Vogel war wieder seltsam ruhig. Überrumpelt blinzelte der Angesprochene und fasste sich schmunzelnd an die Stirn. Worte musste gut überlegt sein. „Da ich sicher ganz ehrlich sein soll, muss ich dir gestehen, es bis Gestern nicht einmal gewusst zu haben, aber... auch mal ein blinder Sänger findet mal einen Kai, der ihn einweiht.“, waren zunächst Ruki's Worte und ließen sowohl Gitarrist als auch Sänger auflachen. „Aber auf deine Frage genau... Es ist kein Problem für mich.“ Das er sich im Stillen lieber wünschen würde, das Reita und Aoi... damit er Kai für sich...? War das egoistisch? Und aufgrund dieses Gedankens, nickte Ruki zusätzlich, um seine Aussage zu untermauern. Reita hätte bei Aoi sicher nie eine Chance. „Danke, Nori. Ich war auch blind, weißt du...?“, lächelte er über seine eigenen Worte und schüttelte schmunzelnd sein blondes Haar. „Dann kannst du nun dazu stehen?“ Ruki war vielleicht etwas blind, aber er war gut im kombinieren und diese Fähigkeit in Worte zu binden. „Ja, das kann ich nun. Dank euch.“ „Dann lass unsere Bemühungen nicht unnütz und sag es ihm, wenn er wieder da ist.“ „Hast du die Polizei verständigt?“, fiel Uruha ein, nickte und setzte sich hinter dem Tisch auf die Couch. „Spuren nehmen wäre nach dem Regen sinnlos und Aoi wäre doch Erwachsen genug, selbst zu entscheiden, wo und wann er hingeht und wie lange.“, schnaubte Ruki zur Antwort, umrundete den Tisch und setzte sich ebenfalls. „Das ist nicht deren Ernst oder?!“, fuhr Uruha sofort auf und ließ Ruki abwinken. „Alles was Arbeit ist, ist zu viel Arbeit. Ich soll mich Morgen noch mal bei ihnen melden weiter versuchen, ihn zu erreichen. Wie nur, wenn wir das Handy und das Auto habe, wie die inzwischen wohl auch aufgefallen ist, er zu Hause nicht ist und nirgendwo, wo man ihn hätte finde können. Darauf konnte ich mir sehr gut das ratlose Schulterzucken des Beamten vorstellen. Jetzt ist es schon zu spät. Morgen früh werde ich hoffentlich jemand anderen an der Leitung haben, der kompetenter ist.“ „Hm... Am liebsten würden ihnen die Bude einrennen! Haben die noch auf?“ „Nur das in der Stadt und jetzt ist Feierabendverkehr.“ Deutlich hörbar seufzte der Blonde auf. „Als wolle uns jemand Steine bei unserem Vorhaben in den Weg legen, ihn zu finden.“, meinte er und erschrak, als das aufgeregte Piepsen des kleines Vogel erneut anschwoll. „Och der kleine ist so ruhig, da vergisst man glatt, das er im Raum ist. Diese Monster an Frau hat ihn ganz schön gequält... Hast du Hunger Shiro?“ „Shiro?“, wiederholte Ruki und legte den Kopf grinsend schief. „Hum...“ Errötend wich Uruha den Blick des anderen aus und lenkte sich stattdessen damit ab, den Vogel aus seinem Käfig zu holen. „Shiro-yama...“, antworte er dann doch zögerlich und seufzte melancholisch auf. „Schöner Einfall. Der Name passt zu ihm und die Farben zu Aoi.“ „Ja, er ist voll schön!“, erwiderte Uruha schwärmend und vergaß seine Verlegenheit. „Wenn Aoi ein Vogel wäre, dann würde er sicherlich so aussehen.“ Lächelnd lehnte der Sänger sich zurück. „Hast du überhaupt Vogelfutter da? Shiro hat sicher Hunger.“ „Ich hab von einem der Tierärzte, die die Polizisten zu dieser Sammlerin bei ihrer 'Vogel'-Razzia begleitet hatten, einen Riegel erhalten. Ich werde Morgen früh losgehen und was kaufen. „ „Wenn Reita wieder nüchtern ist und mit sich sprechen lässt, kannst du ihm fragen, ob er noch den alten Käfig von seinem verstorbenen Wellensittich hat.“ „Meinst du er findet das gut? Schließlich hing er ganz schön an dem Tier.“ „Reita ist erwachsen genug, das nicht auf den Käfig selbst zu projizieren, oder?“ „Ja.“ Unsicher nickend betrachtete Uruha den inzwischen verstummten Vogel, der Mühe hatte, sich auf der weichen Hand aufzurichten. „So unbeholfen... Wie süß!“, kicherte der Blonde und musste sich erst einmal auf das ungewohnte Gefühl dieser schuppigen, gummiartigen Füße gewöhnen. Der Vogel fiel vornüber. „Oh...“, machte Ruki überrascht und lachte auf. „Er hat dich gehört!“ „Unsinn.“, nörgelte Uruha schmollend und suchte mit der freien Hand nach dem Riegel. „Das ist mein Wort.“ „Gar nicht!“ „Doch!“ Die Unterlippe vorschiebend, drückte der Größere dem Sänger den Riegel in die Hand. „Du kannst ihn gerne füttern.“, bot Uruha auf Frieden gesinnt an und half dem Schwarzgefiederten sich aufzurichten, was gar nicht so einfach war, wenn der eine Flügel verletzt war. „Der ist ganz schön zahm. Ein Hausvogel?“, wollte Ruki verwundert wissen, robbte ganz vor zur Sitzkante und packte den Riegel aus. „Er soll ein Wildvogel sein. Deswegen werde ich ihn freilassen müssen, wenn er wieder gesund ist. Er hat sicher eine Familie...“, seufzte Uruha wieder erneut mit melancholischem Ton und brachte Ruki zum Schmunzeln. „Das hätte Aoi an deiner Stelle auch getan.“ „Es ist auch richtig so.“ „Wenn du ihn nicht zu sehr an dich gewöhnst. Sei vorsichtig. Wenn Wildtiere nach Mensch riechen, werden sie von ihrer Familie nicht mehr angenommen.“ „Was?!“, fuhr Uruha schockiert auf, bewegte dabei leider seine Hand so ungeschickt, das der Vogel den Halt verlor und über den Rand seiner Handfläche stolperte. So schnell hatte er der Gitarristen wohl seit langem nicht hechten sehen. Wie er vor sprang, um den Kleinen zu fangen... Ungewohnt. Überhaupt war es ungewohnt, das Uruha es war, der sich um jemanden kümmern wollte oder auch musste. Beide Hände wie eine Kugel übereinander faltend, lag Uruha halb stöhnend auf der Tischkante, der aufgrund seines Gewichts seitlich gekippt war und den Käfig hatte runterrutschen lassen, und halb auf dem Boden. „Uh...“ Mit geweiteten Augen und panisch schlagendem Herzen – obwohl es nur ein Vogel war, den er hatte retten wollen – hob er die obere Hand an, um hinein zu sehen. Ein verhaltenes Jubeln ausstoßend zog er die rechte Hand zu sich, in der der Vogel lag und piepste, wahrscheinlich vor Schmerzen, da er unglücklich gefallen war und linste auf seine nun schwarze Handfläche. Mit der linken Hand – er lag noch immer in dieser seltsamen Pose - den kleinen Shiro aufrecht stubsend, blickte Uruha fasziniert über die Daumenkuppe in die gänzlich schwarzen Knopfaugen. Sicher überrascht – war sein Kopf im Gegensatz zum kleinen Vogelkörper doch recht groß – sich von einem Riesen neugierig anstarren zu lassen, piepste der Kleine jäh erschrocken auf, sprang zurück und versuchte mit einem funktionierenden Flügel vorwärts zu kommen. Jedoch hüpfte er mehr, als das er flog. Sich über diesen Anblick amüsierend, richtete Uruha sich stöhnend auf, was mit einem heftigen Rums des Tisches begleitet wurde. Beinahe hysterisch aufkreischend, nahm Shiro nun noch den zweiten Flügel, der ihn wirbelnd durch die Luft manövrieren ließ. „Oh je.“, kommentierte der Blonde und eilte dem Vogel nach. Er wurde wohl zu sehr erschreckt. „Er soll sich doch schonen! „Pass auf, das er nicht gegen die Glastüren knallt! Du hast keine Aufkleber für die Vögel dran!“, erinnerte ihn Ruki und sprang nun selbst auf, nachdem er den Riegel blindlings auf die Couch geworfen hatte, um Uruha zu helfen, den kleinen Ausreißer zu fangen. Allerdings hielt ihn ein Handyklingeln davon ab. „Geh ran!“, schnaufte Uruha und fluchte leise auf. Wie sollte er Shiro fangen, ohne dessen Flügel zu erhaschen? „Ruki hier.“ „Ich bin es.“ „Kai?!“,stieß Ruki überrascht und glücklich zugleich aus. „Geht es dir gut? Ist alles okay?! Hat Reita dich verletzt?!“ Ein dunkles Lachen, welches Ruki in Hintergrund deutlich ausmachen konnte, erhob sich. +~+ „Der ist so zu, der tut keiner Fliege was.“, erwiderte Kai etwas genervt und zog den Bassisten, der eben wieder entwischen wollte, zu sich ran. „Hey maaaan ey!“, nörgelte Reita lallend und hatte Mühe, die schweren Lieder zu heben, um Kai einen undeutlichen, aber wütenden Blick zu schenken. „Mir geht es gut. Uruha?“ „Der... Ach später! Wo bist du?“, wollte Ruki besorgt wissen und klammerte sich an seinem Handy fest. „In einem Hinterraum des Clubs. Hab Reita etwas gestört.“, erklärte Kai und gluckste zufrieden. „Und Takeru?“ „Der ist schon auf dem Weg zu seinen Freunden. Wenn du gesehen hättest, was die mit ihm anstellen wollten... Und das, obwohl ihr nur Volljährige rein sollten. Die Kontrolle ist unter aller Sau!“, schnaubte der Drummer wütend, seufzte und zog Reita am Arm zurück. „Lass misch!“, nölte dieser gereizt und versuchte nach Kai's Arm zu schlagen, traf jedoch den falschen Arm. Den, der nur in seinen Vorstellungen existierte. Abermals seufzte Kai. „Ich wollte euch nur Bescheid geben, das alles okay ist. Ich bringe Reita gleich nach Hause und bleibe vorsichtshalber bei ihm.“ „A-aber-!“, wollte Ruki sogleich protestieren, unterbrach sich jedoch selbst, bevor er noch in Erklärungsnot kam. „Hm? Alles okay bei euch?“ „Mehr oder minder... Kommt da bloß heil wieder raus. Sei vorsichtig, Kai. Bitte.“ „Bin ich doch immer. Dann bis Morgen, Ruki. Ich verlasse mich auf dich, das du mir ja auf Uruha aufpasst.“ „Hum.“ Kai legte auf. Reita riss nun schon seit gefühlten Minuten an seinem freien Arm. „Was?“, zischte der Brünette genervt und riss seinen Arm los. „Magscht mir noch?“ „Das überlege ich mir noch. Komm, Reita, wir gehen.“ „Isch mag aber nisch!“ „Rei, wir-“ „Isch mag aber nisch!“, wiederholte Reita und riss erneut an Kai's Arm. „Fein, Rei... Dann bohre dir den Dolch noch tiefer in dein Herz, in dem du dir Typen aussuchst, die Aoi gleichen mögen, sie bewusstlos vögelst und am Ende doch nicht das bekommst, was du dir wünschst!“, stieß Kai wütend aus und stieß Reita von sich. Mit Tränen in den Augen wandte er sich ab. Er konnte Reita nicht länger in die Augen blicken. Der Schmerz saß tief, denn bohrte Reita nicht nur sich selbst den Dolch in der Wunde... Es war still geworden. Seltsam still. Tief einatmend, zögernd, drehte der Brünette den Kopf... … und stieß jäh einen überraschten Laut aus, als er erneut gepackt, zurück gerissen und auf das im Zimmer stehende Bett gedrückt wurde. „Soll ich mir dich aussuchen, Uke...?“ Das Lallen war aus Reita's Aussprache verschwunden. Nicht gänzlich, aber der recht deutliche Satz, jagte ihm einen Schauer nach dem anderen prickelnd über die Haut und ließ sein Herz vor Aufregung schlagen. „...“ „Nein, Rei! Du bist betrunken!“ Rums. Schwer atmend, fassungslos über das Gesagte und seiner Reaktion, starrte Kai hinauf zur Spiegelbehangenen Decke und sah aus den Augenwinkeln, wie Reita benommen versuchte, sich vom Boden aufzurichten, auf den er ihn geschubst hatte. Das konnte ja noch heiter werden... +~+ „Juhuu! Kai geht es gut!“, rief Ruki erleichtert und folgte dem vorbei hechtenden Uruha mit hüpfenden Schritten. „Hum! Takeru?!“, schnaufte der Blonde und war erleichtert, das Shiro offensichtlich etwas an Panik verloren und nun auf der Stelle fliegend inne hielt. „Auch gu- Wah!“, stieß Ruki in seiner Heiterkeit panisch aus, war gestolpert und riss die Augen weit auf, als seine Hände den Sturz abfangen wollten und stattdessen Uruha vorstießen, der rudernd sein Gleichgewicht suchte. Laute Laute ausstoßend, setzte sich Shiro erneut in Bewegung – war ein mit den Armen rudernder Riese doch auf ihn zu gekommen – und suchte Schutz im nächstbesten Raum, dem Schlafzimmer. Gerade noch hatte Uruha sich an der Wand abstoßen und zum Stillstand kommen können. Glück im Unglück gehabt, wie man so schön sagte. „Ruki, du Tollpatsch!“, seufzte der beinahe Gefallene genervt und sah sich um. „Lass mal lieber... Ich fange ihn selbst.“ „Tut mir Leid, Großer!“ „Schon gut, Kleiner.“, stichelte dagegen Uruha, klopfte Ruki auf die Schulter und lief eilig den Lauten des Vogels nach, um zunächst die Tür des Schlafzimmers hinter sich ins Schloss fallen zu entlassen. Hier entkam er ihm nicht. Beinahe schon bösartig grinsend, ging Uruha in Kampfstellung, was von dem Schwarzgefiederten keine Beachtung erhielt. „Na gut, dann eben wie zuvor, wenn du nicht freiwillig aufgeben willst.“, drohte der Blonde, dem das Spiel allmählich zu Gefallen schien, lief vor und haschte wie zuvor auch nach dem Tier. Zu spät bemerkend, das er den Vorhang seiner versteckten Kammer nicht gänzlich hinter die kleine, schiebbare Kommode verstaut hatte, entwischte ihm Shiro durch einen schmalen Spalt. Die laute verebbten abrupt. Unruhig werdend schob Uruha die Kommode und den Vorhang weg und trat ein, nur um dann fest zu stellen, wie Shiro fiel und nicht mehr mit den Flügeln schlug. Es kam ihm vor wie ein Deja-vú, wie er erneut vor hechtete, auf die Knie ging, die schmerzlich an seiner Hose rieben, und die Hände nach dem Kleinen ausstreckte. Knapp über dem Boden hatte er ihn. Doch zum Jubeln blieb keine Zeit. Der Kleine regte sich nicht. Hatte ihn der Anblick seines Schreines, der er für die Band und vor allem Aoi in seiner Sammlerwut angelegt hatte, so die Luft geraubt? So zumindest, könnte Uruha sich erklären, warum der Brustkorb Shiro's sich nicht mehr regte. War es vielleicht die Aufregung?! Fluchend legte er den Kleinen am Boden ab. „Hey...! Lass mich jetzt nicht im Stich! Du bist doch der Erste, um den ich mich kümmere! Du kannst nicht vor meinen Augen sterben, kleiner Mann!“ Sich verzweifelt über den kleinen Körper beugend, die gläsernen Knopfaugen betrachtend, zögerte Uruha nicht lange, ehe er sich weiter hinab beugte und selbst die Augen schloss. Es kam ihm wie ein seltsamer Traum vor. Dieser Vogel erinnerte ihn so sehr an Aoi... „Ich wünschte, es wäre wie in diesem Märchen... Das der Prinz Uruha seinen verwünschten Prinzen Aoi mit einem Kuss errettet und der Zauber verfliegt.“ Eben noch die spitz zulaufend geformten Lippen über die Schnabelspitze stülpend, und Luft in den kleinen Körper pustend, um mit einem Finger den Brustkorb Shiro's zu pumpen, nun ein weiches Gegenpaar weicher Kissen spürend, riss Uruha ungläubig die Augen auf und sprang zurück, als er mit Schrecken erkannte, wessen Gesicht sich mehr und mehr zwischen ausfallenden Federn hervor hob. Sich zwickend, krabbelte der Blonde zurück gegen die Wand und stieß sich am noch vorhandenen Türrahmen den Kopf. Das konnte kein Traum sein! Dafür schmerzte die Realität zu sehr! „A-Aoi?!“ Wiese hatte Aoi überall Federn?! Waren das Flügel...? Und das Blut...?! Überfordert zog er die Beine an. Ein schlechter Scherz... oder?! Aoi konnte nicht der Vogel gewesen sein! Unsinn! Die Augen aufreißend, klappte ihm der Mund auf. Der Brustkorb dieses Mannes hatte sich erhoben, fiel dann abrupt zurück und hob und senkte sich stetig, als wäre dies das Normalste! Das konnte nicht normal sein! An seiner Stelle war eben noch Shiro gewesen! Er schluckte. Diese nackte Brust kannte er... Inzwischen war auch das Gesicht des Mannes entblößt von Federn. Das konnte nicht Aoi sein... Nein! „Kou...“ Uruha verschluckte sich an seinem Speichel. Hustend fiel er nach vorn auf die Knie und blickte zaghaft in die Augen von... ... Aoi?! „Oh Gott... Das kann nicht...“ Ungläubig, inzwischen tränend, stürzte er vor, die Verwandlung der Hüfte abwärts verlegen ignorierend, und fasste nach Aoi's Gesicht. „Mein Prinz.“, lächelte Aoi und ließ Uruha zurück zucken, als als dessen Hand nach seinem Gesicht fasste und sanft über seine Wange strich. Das war zu viel des Zufalls... „Spiel nicht mit mir, Aoi! Wo kommst du her?! Was... Was ist mit Shiro?!“ „Shiro?“, verwirrt blinzelnd, wich die Hand des Schwarzhaarigen von seiner Wange. Nein... Nein! Aoi's Hand wieder an seine Wange pressend, strich der Blonde ungläubig durch dessen weiches Haar, aus dem sich vereinzelt noch Federn lösten. „Das kann nur ein schrecklicher Traum sein...“, schluchzte Uruha und strich zögernd über den zerkratzten Mund des halb unter ihm Liegenden. Deutlich spürte er den Herzschlag des anderen. „Aber ich bin doch hier... Kou...?“ Tränen, die auf seiner Haut aufschlugen, ließen Aoi allmählich aus seiner Benommenheit erwachen. Besorgt fuhren seine zitternden Finger über die weiche, aber errötete Haut unter Uruha's Augen. „Sei doch nicht traurig.“ „Aoi...“ Beinahe wimmernd kuschelte der Größere sich an den anderen. Wie gewöhnlich Schutz suchend. Und wie gewöhnlich, schloss sich Aoi's Arm um seinen Körper und verringerte so den Abstand ihrer Oberkörper bis auf ein Minimum. „Ich liebe dich, Yuu...“, entfloh es Uruha verzweifelt, ob nun wirklich real oder doch Traum und bemerkte deutlich die Versteifung des Kleineren. Als sein Körper auch noch seitlich auf unzählige, schwarze Federn gekippt wurde und der starke, unverletzte Arm seines Freundes ihn frei ließ, war sich Uruha sicher, wieder alles verloren zu haben. Sein Körper bebte. Er konnte nicht mehr... Er... „Sag, wie kann ich dir deine Traurigkeit nehmen, Kou...? So... vielleicht?“ Uruha blieb keine Zeit, um angemessen zu reagieren, da wieder dieses Kratzen... jedoch der Schorf der zerkratzten Lippen, seine Wangen berührten und leichte Küsse auf der aufflammenden Haut hinterließen. Sprachlos versuchte er eine Erklärung hinter den selten dunklen Augen zu erkennen. Es musste ein Traum sein. Es... konnte gar nicht anders sein! Und doch legten sich die Arme des Träumers um den nackten Oberkörper Aoi's. „Bitte... Lass das kein Traum sein.“ „Dir bleibt keine Zeit zum träumen. Ich habe dich vermisst, mein Prinz... Ich liebe dich auch, Kou.“ Überrascht nach Luft schnappend, wurde Uruha's aufkeimender Protest durch Lippen unterbrochen. Eine einzelne Träne quoll hinter geschlossenen Lidern hervor. Ein wirklich faszinierender Traum... Kapitel 7: II - 1 ----------------- Kein Herzschlag ~ Reita's Sicht ~ Allein das Rascheln hinter mir zeugte von der Anwesenheit meines beinahe täglichen Bettgefährten und Freundes. Die Bilder der vergangenen Minuten verdrängend, seufzte ich auf. Zu schnell war mein Herz wieder stumm. Er war nicht ER... Bedrückt die Lider schließend, lehnte ich meinen schweren Kopf noch ein wenig mehr gegen meine stützende Faust, was meine Wange nur wohl noch mehr deformierte. Nun erklang auch aus meinem erkaltenden Bett heraus ein Seufzen, in dem Enttäuschung mitschwang, die mein Herz nur noch schwerer werden ließ. Stets wiederholte sich die morgendliche Prozedur. Mal ließ ich ihn länger bei mir, mal schiss ich ihn eher raus. Da es bereits wenige Male vorgekommen war, das wir zusammen zur Bandprobe gehen mussten, hatte er eine Zahnbürste mit zu mir genommen und jedes mal wenn mein Blick auf diese fiel, wusste ich nicht, ob ich nun träumte oder nicht. Egal wie schlecht ich ihn behandelte, er kam immer wieder zu mir zurück... Warum? Weil sein Herz nicht aufhören wollte, zu schlagen? Wie schön es doch wäre, wenn es bei mir ebenso wäre... IHN verdrängend... und durch ihn ersetzend...? Eine zu einfache Vorstellung. Hatte ich mein Herz doch schon lange an IHN verloren. So schmerzlich lange, das mein Herz mir den Tod vorgaukelte. Alles nur wegen IHM. „Du solltest gehen, Kai.“, verpackte ich meine Aufforderung mit einer Bitte und spürte abermals, wie die Decke in Bewegung kam und neben mir zwei nackte Beine unter Dieser hervor schlüpften. Zwei schlanke, aber doch trainierte, feste Beine. Wieder tauchten Bilder in meinem Kopf auf, wie meine Hände sehnsüchtig über die heißen Schenkel geglitten waren, die mir nun auffordernd entgegen zu blitzen schienen. Wieder hatten wir in unserer Lust vergessen, die Rollläden herunter zu ziehen. Noch länger auf dieses harte Fleisch schielend, spürte ich, wie sich die Leere in mir mit einem bloßen Herzschlag löste. Schwach, aber doch schaffte die Lust, was sonst nur ER konnte. Mich leben lassen. „Wie sehr wünsche ich mir doch, du würdest ein mal an mich denken, wenn wir zusammen aufwachen.“, verkündete der Freund neben mir. Nicht mein Freund, nur... Bettgefährte. Fehlte mir das passende Klangbild meines Herzens. Die Schläge der Liebe. „Tut mir Leid, Uke.“ Ein kurzes Zögern schien den Angesprochenen zurück zu halten, doch schwang er kurz darauf, mit ausweichendem Blick, den Rest seines Körpers aus meinem Bett und ließ zu, das mein Blick musternd über die nackte Rückfront glitt. Ein angenehmes, erregendes Schaudern ließ mich erzittern und zwanghaft den Blick abwenden. Kai war nicht ER, aber dennoch... „Du hast jemand Besseren verdient, wie mich.“, meinte ich, riss meinen Blick von Kai's wohlgeformten Hintern und sah zu diesem auf. „Für mich gibt es leider keinen Besseren wie dich, Reita.“ Diese Worte nicht hören wollend, wandte ich den Kopf ab und schloss seufzend meine Lider. „Das habe ich nicht verdient...“ „Ich konnte es mir nicht aussuchen. Lass gut sein. Ich gehe besser.“ „Hum... Tut mir Leid.“ „Schon gut.“, meinte Kai weitaus abweisender als zuvor und klaubte seine wild umher geschmissenen Klamotten vom Boden. „Danke.“ Wieder schien Kai zu zögern. Sein Haupt jedoch senkte sich und ich bemerkte das Beben, welches durch seinen Körper ging. Ich tat ihm weh... „Uke... Bitte... Lass uns das ganze verg-“ „Nein, Aki. Ich lasse dich nicht wie zu Anfang mit irgendwelchen Fremden schlafen auf der Suche nach Liebe. Ich weiß, meine Liebe reicht dir nicht, aber ER...“, begann der Drummer und hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Nein, sag es nicht...“, bat ich flehend und vergrub meinen Kopf in den Händen. „Du solltest ihn vergessen.“ „...“ „Aki...“ Versöhnlicher klingend, senkte sich die Matratze neben mir und starke Arme, die sich um meinen Oberkörper zu verschlingen versuchten. „Hör doch auf, dir weh zu tun... Es ist...“ „Sag nicht, das es sinnlos ist.. Bitte...“, hauchte ich schwach und lehnte mich in Kai's Arme. „Vielleicht wird ER mich irgendwann doch... lieben...?“, sprach ich hoffnungsvoll aus und sowie ich in Kai's Augen sah, erkannte ich den Schmerz, den ich ihn zufügte, indem ich das Messer über seinem Herzen Stück für Stück tiefer in ihn rammte. Seine Liebe machte es komplizierter. Er war nicht mehr nur Freund, er liebte mich... Ich musste aufhören, von meinem Leid zu sprechen. „Tut mir Leid. Das... ist mir so raus gerutscht...“ Kai hatte die Augen geschlossen und wieder spürte ich das Zittern, das von ihm ausging. „Hey wirklich... Tut mir Leid. Sieh mich bitte an, Kai.“ Mich aus seinen Armen windend, bewegte ich mich nun in den Schneidersitz und zog Kai mit einem kräftigen Ruck auf meinem Schoß, um nun meine Arme um ihn zu schlingen. Ich spürte nichts. Keinen Herzschlag. Mich verängstigt an den warmen Körper drückend, fing ich seine rotgeküsste Lippen auf. Nur zögerlich erwiderte der andere meinen Kuss, trennte sich jedoch rasch von mir, als hätte ihn eine Tarantel gestochen. „Mist... Heute ist die Besprechung in der Firma. Ich komme zu spät.“ Nun zögerte ich. Überlegte. „Soll... ich dich vielleicht hinfahren...?“ Kai, der sich inzwischen frische Sachen aus meinem Schrank zog, schien irritiert genug, um sein Tun zu unterbrechen. „Ehm... Das würdest du...?“ Unschlüssig nickend, richtete nun auch mich auf und bemerkte grinsend, wie der Blick meines Lovers über meinen Körper glitt. „Du solltest dich anziehen, Kai.“ Ertappt, obwohl es doch so offensichtlich war, wandte sich der Gemeinte ab und schlüpfte in Unterhose und Socken. Seine Wangen glühten. „Ich mach uns etwas zu essen.“ „Zieh dir auch was an! So gehe ich nicht mit dir los!“, rief Kai mir nach und ließ mich kurz auflachen. Als würde ich... Hm... Dann würde ER sehen, was er verpasst... Leider würde es dann nicht nur ER sehen, sondern auch der, der meine Liebe besaß. 'Besitzen' war so ein unschönes Wort, aber so wie die beiden aufeinander hockten und sich küssten, konnte ich es nur so nennen und am liebsten meinen Unmut vor ihre Füße kotzen. Ihr Leadgitarrist wusste doch, wie sehr ich seinem Freund verfallen war... Kopfschüttelnd machte ich mich, wie Gott mich schuf, an die Vorbereitung des Frühstücks. ~+~ Abgehetzt, aber deutlich zu spät erreichten Kai und ich den Proberaum. Der Meetingraum war verschlossen gewesen. „Mist...!“, fluchte Kai mit roten Wangen und stützte den Oberkörper auf den Knien ab. „Verdammt noch mal... Wir hätten nicht...“, schnaufte ich und verfluchte mich, Kai's Liebe und damit unweigerlich die Gier nach Sex mit meinem unüberlegten Nacktsein, sehe man von der Schürze ab, die ich mir umgeschlungen hatte, am Frühstückstisch unterschätzt zu haben. Das mein Magen noch immer knurrte, war wohl auch selbst meine Schuld gewesen. „Was hättet ihr nicht?“ Ich erstarrte schaudernd, als ich die Stimme erkannte, aufsah und IHM in die fragenden, leicht verärgert drein blickenden Augen zu sehen. In diese wunderschönen... „Aoi... Tut mir Leid. Ich war zu spät!“, mischte sich Kai ein und richtete sich noch immer schnaufend auf. Der Verärgerte Blick wandelte sich rasch in Belustigung um. „Das habe ich gemerkt. Die Chefetage meldete sich heute Früh bei mir. Sie konnten dich nicht erreichen. Also war ich beim Meeting und auch wenn ich des öfteren sehe, was hinter unserem Rücken für uns beschlossen wird, wenn ich dir unter die Arme greife, ich habe nur die Hälfte von dem verstehen können, was mir gesagt wurde. Wenn es dir allerdings hilft... Ich habe fleißig mitgeschrieben.“ „Du bist ein Schatz!“, rief Kai erleichtert aus und umarmte MEINEN Aoi. Die Unterlippe vorschiebend, seufzte ich auf. Möglichst unbemerkt, glitt mein Blick über die seitliche Silhouette Aoi's, über den wohlgeformten Hintern, die unter der Hose hervor scheinenden, heißen Schenkel und... Jemand räusperte sich unweit von ihnen. „Mein Schatz, Kai-chan.“ Die Augen verdrehend schnaubte ich auf und widmete mich lieber, um meine Händen eine andere Ablenkung zu geben, als sie verräterisch zu Fäusten zu ballen, meinem heißgeliebten Bass zu. „Ich weiß doch, Uruha. Danke, Aoi. Das ist... verdammt viel.“ Überrascht wendete Kai die Notizen Aoi's in seinen Händen und lachte kurz dabei auf. „Die Zeichnung da...“ „Oh...!“ Nach der Notiz schnappend, machte Aoi sich lang, um das Papier zu erhaschen. „Nur eine kleine, unbedeutende Zeichnung!“ „Soll das unser Manager sein?“ „Kai!“ „Schon gut. Ich... werde darüber hinweg sehen.“, lachte der Drummer auf und rollte die Notizen in seiner Hand. „Kommt nicht wieder vor.“ Das Kai's Blick dabei offensichtlich mir galt, versuchte ich zu ignorieren, wandte ihm weiter meinen Rücken zu und schloss meinen Bass an. Doch als ich endlich aufsah, schien auch Aoi mich verwundert zu mustern. „Ist was?“ Das mein Herz dabei höher schlug und mein Innerstes mit Freude füllte, versuchte ich in meiner Mimik möglichst zu vertuschen, doch anscheinend, schien das Zucken meiner Mundwinkel verräterisch genug zu sein, um Aoi dreckig grinsen zu lassen. Ich schluckte. „Und wieder Spaß gehabt die Nacht?“ „D-das geht dich nichts an!“ Beruhigend die Hände hebend, entfernte sich Aoi zu seiner Gitarre. Uruha folgte mit unwilligen Abstand. Als die ersten Klänge erklangen, schien nun auch Ruki die Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu wollen, denn er erhob sich aus seinem Versteck und bewegte sich auf sein Mikro zu. „Huch, Ruki?“, machte Kai und strich sich verlegen die Haare aus der Stirn, wo sie sogleich wieder hinfielen. „Hab dich gar nicht bemerkt.“ „Ist ja nichts Neues. Können wir also...?“ „Warum so bissig, Ru-chan?“, wollte Uruha wissen, bekam jedoch nichts weiter als einen verwunderten, fast verwirrten Blick von seinem Freund. Uruha hatte mal wieder gar nichts verstanden. ~+~ „Wie lange willst du dieses Blatt noch anstarren, Reita? Es ist nur eine Zeichnung.“ „...“ „Aki?“ „Lass mich doch, Kai!“ „Was badest du denn wieder im Selbstmitleid? Die beiden haben sich doch zusammengerissen. Wenn du eine Ablenkung suchst, liegt diese Ablenkung direkt neben dir. Außerdem brauche ich Aoi's Aufzeichnungen, denn wie du weißt, war ich heute Morgen nicht bei der Besprechung, woran du wohl auch Schuld dran bist, lieber Reita.“ „Whoa du kannst einen nerven, Kai. Hier und werde glücklich.“ Ich überreichte ihm widerwillig Aoi's Aufzeichnungen. „Lass den Sarkasmus. Der steht dir nicht.“ „Ich kann sarkastisch sein, wie ich will, ob du nun wi-“, begann ich gereizt zu protestieren, wurde jedoch von einem bekannten Lippenpaar unterbrochen. Doch der Kuss wehrte nicht lang. „Aki... Je länger du dich an diese Hoffnungslosigkeit klammerst, desto tiefer stößt dieses Messer in deinem Inneren in dein Herz. Ich habe deinen Schmerz gespürt und glaubst du... mich lässt das Kalt? Du zerbrichst daran, wenn du weiter hoffst und ich zerbreche mit dir Stück für Stück. Du kannst es nicht ändern, dass die beiden ein Herz sind. Bitte A-“ „Welches Herz, Kai?“, unterbrach ich ihn murmelnd. Meine Stimme zitterte. Seine Worte waren wie Messerstiche. Dieser schluckte seine Wort hinunter und schien kurz zu überlegen. Dann machte sich ein deutliches Lächeln auf seinem sonst so betrübten Gesicht breit, doch die Hand, die sich auf meine Brust legen wollte, fing ich reflexartig in der Luft ab, zögerte, sie wegzuschlagen, schloss resigniert die Lider und legte sie von mir aus auf meine stumme Brust. „Dieses hier.“ Aus seinen Worten hörte ich noch immer das Lächeln heraus, welches jedoch rasch aus seinem Gesicht verschwand. Ich musste nicht lange warten, bis ich hörte, wie Kai verwundert die Luft zwischen den Zähnen einsog und nun auch die zweite Hand dazu nahm, um sie auf meine andere Brust zu legen. Nein, kein Genfehler. Nur kein Herzschlag... Die Lider öffnend, empfing ich seinen verwirrten, fast panischen Blick, mit meinem Traurigen. „I-immer wenn ich dich dort berührt habe, habe ich deutlich dein Herz gehört. Warum so stumm?“ Kai schien nach Worten zu ringen. Jetzt ersetzte er seine Hände, indem er sein Ohr an meine Brust hielt. Seine Hände wanderten dabei blind zu Handgelenk und Halsschlagader. „Kai... Mein Herz ist stumm. Aoi, Sex und Musik sind die Dinge, die mein Herz wieder schlagen lassen. Innerlich bin ich tot. Ich bin immer der Erste, der wach ist, damit du nicht glaubst, ich sei tot. Jetzt weißt du, warum ich so besessen darauf war, zu spielen, in Aoi's Nähe sein zu können und mir jeden Abend jemanden für's Bett holte. Dieses Dinge lassen mich wirklich leben.“ Meine Stimme versagte. „Das ist ein Scherz oder...?“ Kai's Stimme klang kühl. Er hatte sich von mir entfernt. Etwas, was ich alle die Monate vermeiden wollte, in denen ich mit mir zu kämpfen hatte. Um mein Leben zu kämpfen hatte. War ich ein Monster? „Wenn es nur das wäre... Kai...“, murmelte ich und spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. Wie oft hatte ich vergangene Monate geweint...? „Bitte... Ich bin immer noch ich.“ Die Hände nach Kai ausstreckend, erstarrte ich, als dieser sie unsicher weg schlug. „Wenn du mir damit indirekt sagen möchtest, das dein Herz nie für mich schlagen wird, wäre es schmerzfreier gewesen, du hättest mich durch diese Worte abgewiesen. Ich weiß nicht, wie du das schaffst, aber... das ist echt krank!“ „Kai, so-“ „Ich gehe. Anfangs bestand für mich die Hoffnung, du würdest dich einmal mir zuwenden. Ich habe gewartet und ich hätte noch länger gewartet, aber... so... macht es keinen Sinn noch länger dein Betthäschen zu sein! Ich würde ja doch nur mit Aoi verglichen werden und ich wäre es, der zu erst daran zerbricht, wie dumm dein Herz ist. Du kannst nicht länger mit meinem Herzen spielen. Das lasse ich nicht länger zu!“ „So hör mir doch zu, Kai! So ist es nicht! Ich würde mir wünschen, dich zu lieben, aber... es ist nicht so! Bitte... Ich... Ich brauche dich doch!“ Wie Kai, war auch ich nun aufgestanden und versuchte den Schlagzeuger davon abzuhalten, seine persönlichen Sachen und Aoi's Notizen in seine Tasche zu packen. Doch Aoi war nun nicht wichtig. Ich würde Kai verlieren, wenn ich nichts tat! „Mich oder Aoi?“ Ich stockte. Sollte ich eine Entscheidung treffen? Doch mein Zögern war Kai wohl Antwort genug. Schnaubend drehte er ab und klaubte nun seine wolle Tasche vom Boden. Doch den nächsten Schritt, der zur Haustür, ließ ich ihn nicht gehen. Mit all meiner Kraft fing ich den Drummer in meinen Armen auf, machte seine Bemühungen zu Nichte, aus meiner Umklammerung zu kommen und küsste ihn schlussendlich, bis Kai's Widerstand brach. Er liebte mich also immer noch. Fast ein wenig froh darüber, lockerte ich die feste Umklammerung auf, nahm seinen Kopf mit der einen und seinen Rucksack mit der anderen Hand, um Letzteren zu Boden gleiten zu lassen. „Lass mich mich erklären, Uke. Ich möchte dich nicht verlieren.“, bat ich und war erleichtert, ihn noch immer bei mir zu haben, wie er sein Gesicht an meine Brust presste. „...“ Ein gedämpftes Schluchzen drang an meine Ohren und ließ mich traurig seufzen. „Nach unserer letzten großen Tour hatte ich mich in ihn verliebt. Einfach so... Ein ganz schöner Schock. Ich und Kerle? Doch es wurde schlimmer. Von Tag zu Tag. Von Woche zu Woche. Aber... ich konnte es ihm nicht sagen! Uruha liebte ihn auch! Selbst wenn er es sich nicht eingestehen konnte. Vielleicht sogar länger als ich, aber ich... konnte nicht. Ich wollte ihn niemanden wegnehmen! Aoi sollte entscheiden. Aber dieser Uruha war unfähig! So unglaublich naiv! Er machte mich wütend. Und dann... habe ich ich mir gewünscht, das mein Herz aufhören sollte, zu schlagen. Ich wollte nicht mehr lieben. Nicht ihn lieben. Ich hatte den Schmerz nicht mehr ertragen können. Dann... weiß ich nicht genau, was passiert ist. Ich wurde in einem fremden Bett wach. Wusste nicht, wie ich dort hinkam oder wer der Junge war, der sich nackt an mich kuschelte. Es war offensichtlich, was geschehen sein musste, konnte mir jedoch nicht erklären, warum ich mich nicht erinnern konnte. Doch der Anblick dieses Körper ließ mich mein Herz spüren. Ich bin gegangen. Ohne ein Wort. Und mein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Ich hatte Angst, tot zu sein. Doch ihr habt mir gezeigt, dass ich lebe. Es hatte sich nichts geändert. Aoi und die Musik hatten mir mein Wissen um Leben, um meine Existenz, gezeigt. Mein Herz schlug. Nicht viel, aber ich wusste wieder, das ich nicht tot war. Und dann... fing ich an, mir alle paar Tage jemanden zu suchen, mit dem ich Sex hatte. Dann waren es alle drei Tage, zwei Tage... Jeden Tag. Zunächst gab ich Aoi die Schuld für meinen Schmerz, doch wie...? Und von einem auf den anderen Tag hatte sich alles verändert. Die beiden waren zusammen. Du hast mich aus dem Bordell geholt und wir hatten Sex. Dieser Wunsch war Schuld an meinem Leid. Es kann nur so sein! Doch hat er uns zusammen geführt, sie zusammen geführt... Aber ich habe Angst, nicht lieben zu können. Das du umsonst wartest. Denn wenn nicht zwei Herzen im Einklang schlagen, dann ist Liebe unmöglich oder? Wie kitschig... ,das ich daran glaube... “ Kapitel 8: II - 2 Heartbeat stopp - Reita ----------------------------------------- Danke für eure Geduld Privat hat sich bei mir wieder einiges getan, aber jetzt sind ja zum Glück Ferien ^o^ Ich wünsche euch allen schöne Feiertage Die Jungs gehören nicht mir & viel Spaß beim Lesen ;D ~Reitas Sicht~ Seit dem Abend waren einige Tage vergangen. Tage, in denen du nicht das Bett mit mir teiltest, es nicht konntest und immer wieder, wenn ich alleine und verzweifelt an die wenige Wärme, die mir die Decke schenkte, klammernd und an all das Schöne, was wir dort zusammen erlebt hatten, zurück denkend, hallten wieder und wieder deine Worte in meinem Kopf nach, als würdest du neben mir stehen und sie mir Stich für Stich in mein Herz rammen. Ich fühlte mich so verlassen... Doch ich konnte auch nicht zurück! Gesagt war gesagt und lieber Wahrheit als Trug. „Weißt du, was du da sagst?“ Natürlich wusste ich, wovon ich sprach. Es war mir nicht leicht gefallen, die alles zu erzählen. Wenn ich so darüber nachdenke, fand ich es selbst ein wenig verrückt. Aber ich wollte dich nicht länger belügen. „Warum erzählst du mir Schauermärchen? Ich glaube nicht an solch einen Irrsinn! Herzen hören nicht auf zu schlagen! Ich-“ Wie verzweifelt du ausgesehen hast... Hätte ich mein Herz spüren können, hätte ich den Stich darin ganz sicher gespürt. Warum sollte man mir diese 'Geschichte' auch glauben? Wie Kai schon sagte, es ist Irrsinn. Nur leider sind wir hier in keiner Geschichte. Ich hatte dich an mich gedrückt und dein Ohr direkt an meine Brust gelegt. Ich hatte gespürt, wie Kai mit sich rang, bis schlussendlich seine Fassade brach und er forschend zu mir aufsah. „Meinst du... Ich meine... Würde es reichen, wenn mein Herz für uns beide schlägt...?“ Wie kitschig. Doch Kai kannte mich gut genug und wusste, das mir der Vorschlag gefiel, jedoch... Und seitdem ging er mir aus dem Weg. Vielleicht weil er nicht wusste, wie er mir gegenüber reagieren sollte, ob er mir wirklich glauben schenken oder es bei einer Geschichte belassen sollte, vielleicht aber hatte ich ihn auch verletzt, indem ich geschwiegen habe? Sein Ausweichen schmerzte. Ich war wieder auf mich allein gestellt. Niemand war mehr, der sich für mich interessierte. Wirklich niemand...? „Saga, jetzt nicht...“ „Aber Rei! Jetzt komm endlich aus deinem stickigen Versteck gekrochen und lass dir die neue Disco zeigen, die sie neu geöffnet haben!“, murrte der Größere im Gegenzug und stemmte sich gegen die Haustür, damit sie nicht zuschlug. „Ich mag aber nicht... ich sehe scheußlich aus!“ „Schon vergessen, wer vor deiner Tür steht? Als ob das Aussehen ein Problem wäre.“ „Erstens: du stehst nicht vor meiner Tür, sondern du lehnst dagegen. Zweitens: deine geblümtem Hemden kannst du für dich behalten!“ „Okay , so nicht!“ Mit einem kräftigen Ruck hatte Saga die Tür soweit gegen meinen Widerstand bewegen können, das er durch den entstandenen Spalt schlüpfen und zusehen konnte, wie ich mit samt der Tür ins Schloss fiel. „So Kleiner, sehe ich so aus, als hätte ich ein geblümtes Hemd an? Sicher nicht. Wir wollen doch nicht die heißen Feger verjagen.“, erklärte Saga gestikulierend und schnippste knapp vor meinem Gesicht, das ich zuvor von der Tür gelöst hatte, sodass ich es ihm erschrocken zuwandte. „Und ja, du siehst scheußlich aus. Dachte nicht, du meinst das ernst. Kein Wunder, wenn du hier versauerst und vor dir hin schmollst. Los, komm schon. Ins Bad mit dir.“ Augen verdrehend schnaubte ich auf. „Was soll das bitte für ein Laden sein?“ Möglichst desinteressiert schlurfte ich voran. Saga dicht hinter mir. Der Gedanke an Alkohol machte mir die Trockenheit in meiner Kehle bewusst. Kein Tropfen mehr! Ich hatte es Kai versprochen. Mir hatte ich es versprochen. Die Filmrisse in den letzten Wochen sollten genug Strafe sein. „Eine Disco, mein Freund, die dir deine Probleme aus dem Hirn katapultiert!“ Dramatisch gestikulierend, schritt Saga neben mir voran. „Übersetzen?“ „Spaß?“ „Ah...“ Nun war er es, der die Augen verdrehte und mich die letzten Meter in mein eigenes Bad schubste. „Du machst dich schick, ich schaue mir dein Schlachtfeld hier an.“ Nun wurde ich also in meiner eigenen Wohnung herum gescheucht. Typisch Saga. Grinsend den Kopf schüttelnd wollte ich die Tür hinter mir schließen, als mir etwas Entschiedenes einfiel und mich in meine Wohnstube hechten ließ. „Sa-“ „Ahhhh!“, stöhnte jemand und hätte mich fast auflachen lassen. Typisch Saga eben! „Woah du hast mir nicht erzählt, das du neue Pornos hast!“ „Weil ich wusste, du würdest sie früher oder später finden. Außerdem habe ich es satt, das nicht ich die Filme zuerst sehe, wenn ICH sie mir kaufe!“ „Wir können sie auch zusammen anschauen, wenn dir das lieber wäre.“ „Ehm... Nee.“ Überzeugt den Kopf schüttelnd drehte ich ab. „... Jetzt kenne ich endlich dein Geheimnis.“ Ich erstarrte. Von was sprach Saga da? „Du stehst auf Kerle, hum? Keine Sorge, das ist okay.“ Ach das... „Eh...“, war meine intelligente Reaktion und wandte mich um. Doch bevor ich ihn fragen konnte, was mich verraten hatte, hielt er mehrere Hüllen meiner neuesten Schwulenpornos hoch. Upps. Deswegen wollte ich sie unbedingt weglegen, bevor Saga sie findet. Mir mit der Hand gegen die Stirn klatschend, zog ich mein Gesicht lang und senkte den Blick. „Tut mir Leid.“ „Warum? Ich sagte doch, das ist okay. Los, nun dusche und zieh dir was ordentliches an. Die anderen warten schon.“ Grinsend streckte Saga den Daumen hoch. „Ich sag's auch niemanden. Das ist deine Aufgabe.“ „Hum...“, brummte ich, machte jedoch erneut vor der Badtür halt. „Danke.“ Mit einem Lächeln auf den Lippen, tat ich nun endlich, was ich die letzten Tage längst hätte tun sollen: mich nicht mehr so gehen lassen und etwas für mein Äußeres zu tun. Dabei schwirrte mir immer wieder die Frage im Kopf, wer in dieser Disco auf ihn wartete. ~+~ „Nun komm schon, Uruha. Du siehst heiß aus! Los, sonst kommen wir zu spät.“ „Seit wann kommt man zu einem Discobesuch zu spät? Außerdem erwartet uns dort niemand.“ „Das nicht, aber... hum... Die Party kann doch nicht ohne uns steigen, oder?“ „Jetzt suchst du nach Ausreden. Gib doch zu, das du Spaß haben willst.“ „Ich gebe zu, mit dir tanzen zu wollen. Doch das geht nicht, wenn du stundenlang vor dem Spiegel stehst. Wen möchtest du heute eigentlich aufreißen, hum?“, klang Aoi's Stimme belustigt und wippte anzüglich mit den Brauen. „Hm... Weiß nicht...? Eine schwarze Schönheit? Mit Piercing und starken Armen?“ „Pass auf, vielleicht findest du so jemanden. Den musst du mir unbedingt zeigen.“ „Warum?“ Ein anzügliches Grinsen von Uruha. „Ich muss doch meine Prinzessin beschützen.“ Der Blonde lachte auf. „Fang nicht damit wieder an. Ich bin ja schon fertig.“ ~+~ „Schau mal, Rei, wie voll es hier ist!“, staunte Saga neben mir nicht schlecht und schritt ungehemmt durch die Menge. Etwas widerwillig trottete ich hinterher. Gerne hätte ich mich schon jetzt in die Menge geworfen und mein Herz zum schlagen gebracht. Adrenalin war wie eine Droge für meinen innerlich kalten Körper. „Sieh mal, da ist ein Platz frei! Nein, jetzt nicht mehr. Wir sind wohl zu spät.“ „Humpf...“ „Jetzt brumm nicht. Was müssen wir auch sitzen? Wir sind hier um Spaß zu haben, also komm.“ Grinsend packte er meine Handgelenk und zog mich in die ersehnte Richtung der Tanzfläche. Fast ein wenig dankbar über die besetzten Plätze und Saga's spontanes Einlenken, überholte ich ihn rasch und verschaffte mir etwas Platz. Bevor Saga ein neckendes Kommentar über die Lippen purzelte, brachte ich ihn mit einem Blick zum Schweigen. Ich brauchte das jetzt. Spaß, Action, Adrenalin! Die Augen schließend, ließ ich mich rasch von der Musik mitreißen, um meinen Körper in Schwingungen zu versetzen. Meine Hand verkrampfte sich über meiner Brust. Schlag endlich! Eine mir bekannte Hand riss meine Hand von meiner Brust los und hielt sie fest. Ja beinahe beängstigt hob ich meinen Blick, konnte jedoch nur Saga's fragendes Gesicht ausmachen. „Geht es dir gut?!“, brüllte er mir zu und ich nickte nach kurzem Zögern. Saga wusste gar nichts und es war besser so. Bevor ich entgültig alleine da stand, behielt ich mein Geheimnis, dass gar nicht mehr so geheim war, lieber in Zukunft für mich. Wie es Kai wohl damit ging? Hastig den Gedanken aus meinen Kopf schüttelnd, drehte ich mich um die eigene Achse und hielt nach einem geeigneten Objekt der Lust Ausschau. Wenn Tanzen meinem Herz nicht genügte, musste es eben mehr sein, egal was andere davon halten mochten. Es ging um mich! Von Beginn an, ging es immer nur um mich... Nein, nicht gänzlich. Dann würde Aoi wohl mir gehören, hätte ich Uruha's Gefühle ignoriert! Ich wollte schreien. Warum blockierten diese Vorwürfe meine Gedanken? Warum jetzt?! Mir wurde schwindelig. Die Menge kreiste zu schnell und inmitten dieser schlagenden, rhythmischen Herzen, taumelte mein schweigendes, mir unausstehlich erscheinendes Innerstes. Waren Kai's Bemühungen wirklich umsonst gewesen? War ich wirklich so egoistisch? Meine Knie schlugen auf. Doch bevor ich vornüber kippen konnte, drangen ferne Rufe und Schreie an mein Ohr und ich spürte Arme, die sich hastig um meinen Oberkörper schlangen. „Saga...?“, hauchte ich schwach und mein Kopf kippte auf die Schultern des Größeren. Verschwommen linste ich über die Schulter meines Freundes. Herz, warum schlägst du nicht? „Nein, ich bin es.“, erklang es eingeschüchtert neben mir und ich erkannte deutlich die Stimme Kai's. Warum war er hier? „Komm, ich helfe dir. Aki, bitte.“ Sein Flehen wurde dringlicher. Die Hand des Drummers legte sich über meine Brust. Ich spürte das ängstliches Zittern seines Körpers. Sein Herz schlug unregelmäßig im erhöhten Takt. Warum hatte er Angst? Ich lebte doch... oder? Dann spürte ich plötzlich zwei weitere Hände hinter mir, die sich unter meine Achseln schoben. Meine weichen Knie verloren den Kontakt mit dem Boden. Blinzelnd atmete ich auf. Die Musik drang wieder an meine Ohren. Die Schneise, die ich geschlagen hatte, füllte sich hinter mich, als wäre nichts gewesen. Als wäre ich nicht gewesen. „Mensch, Rei. Jag mir doch nicht solche Angst ein.“, erklang es tadelnd hinter mir und dieses mal war ich mir sicher, das es nur Saga sein konnte. „Warum hast du gelogen, als ich fragte, ob es dir gut ginge?“ „Uh...“, gab ich überrascht von mir, als ich auf einer Sitzbank abgesetzt wurde und rieb mir über die Augen. „Mir ging es gut, aber... ich weiß auch nicht...“,versuchte ich verwirrt zu erklären, fasste mir abermals an meine Brust und sah auf. Kai's besorgtes Gesicht dicht vor Meinem ließ mich zurück zucken. „Ich lasse euch zwei mal allein, hm? Hole euch nur schnell was zu trinken. Dann kommt ihr sicherlich alleine klar, aber ich bleib in der Nähe.“ „Danke, Saga.“ „Klar.“ Der Bassist winkte meine Dankbarkeit ab und verschwand. Seufzend ließ ich meine kalte Stirn auf die Tischplatte vor mir sinken. „Was tust du hier...?“, wollte ich von Kai wissen und fluchte im Stillen über meinen Ton, den ich angeschlagen hatte. Ich sollte dankbar sein. „Ich habe mir Sorgen gemacht... Es... es tut mir Leid, das ich Abstand gesucht habe. Das war du-“ „Das war okay. Ich hätte nicht anders reagiert. Den jenigen für bescheuert erklärt, der mir weis machen wolle, kein schlagendes Herz in der Brust zu haben.“ „Ich hatte Angst, dich zu verlieren.“, gestand der Brünette nach kurzem Schweigen und rückte näher an mich heran. „Du bist nicht verrückt... Es ist viel mehr... Ich verstehe das nicht.“ „Ich ebenso wenig. Ich... ebenso wenig...“, wiederholte ich mit bedrückender Stimme und lehnte mich nun mehr zurück. Mein Körper fühlte sich ungewohnt schwer an. „Ich hatte auch das Gefühl, zu verlieren. Zu fallen... verstehst du?“ „Aber ist das möglich...?“ „Na ja... ohne Herzschlag... Wäre man dann nicht für gewöhnlich tot?“ „Sag das nicht.“, bat Kai schluckend, legte seinen Arm um meinen Bauch, seinen Kopf auf meine Brust und schmiegte den Rest seines Körpers an mich. Seine Wärme war sehr angenehm. Vielleicht mochte sie die Kälte aus Meinem vertreiben? „Hätte ich dich nicht rechtzeitig gefunden, hätte man dich für tot erklärt, wärst du ohnmächtig geworden.“ Ich verstummte augenblicklich, blinzelte auftreibende Tränen fort. Soweit hatte ich nicht ein mal gedacht. Ein unangenehmes Schaudern ließ meinen Körper erzittern. „Aki...?“ Kleinlaut linste Kai zu mir auf. „Danke. Wirklich. Es tut mir ehrlich Leid, das ich auch nur an die Möglichkeit gedacht habe, wieder mit Fremden ins Bett zu steigen. Ich hatte Angst. Mein Herz wollte nicht-“ „Psssht. Reden wir nicht mehr darüber. Bitte... Das ganze macht mir Angst. Was ist, wenn ich mal nicht bei dir bin...?“ „Dann bleib bei mir, Kai. Ich bitte dich.“ +~+ „Meinst du wirklich, das war nicht Reita?“ Verwirrt nippte Aoi an seinem Drink. Jedes mal jedoch, wenn er nach diesem Ausschau halten wollte, lenkten Uruha's Lippen ihn ab und fesselten ihn. „Nein, ganz sicher nicht. Was sollte er hier?“ „Spaß haben. So wie wir.“ „Wenn es Reita gewesen wäre, dann hätte er Spaß. Den, den du gesehen zu haben glaubst, hatte es offensichtlich nicht und er ist jetzt nach Hause oder so.“ „Hm... Ich werde trotzdem nicht dieses Gefühl los, das hier irgendwas nicht stimmt.“ „Unsinn... Ach Aoi, schau nicht so besorgt drein. Du bist doch mit mir hier, hm? Vergiss diesen Jungen. Er hatte ganz sicher zu viel getrunken und ihm ist schlecht geworden. Mehr nicht. Wolltest du nicht den heißen Kerl kennen lernen, den ich heute verführen möchte.“, versuchte Uruha seinen Freund von der Tanzfläche abzulenken und überschlug sein Bein so, das es halb über Aoi's Schoß lag. Dessen Blick wanderte Uruha's Schenkel entlang. „Hm... Aber sei schnell wieder zurück.“, bat er grinsend und ging ruhigeren Gewissens auf sein Spiel ein. Uruha musste wohl Recht haben. Von der Seite könnten viele aussehen, wie Reita, wenn er sein Band um die Nase nicht trug. Und viel mehr hatte er nicht sehen können, da zu viele um ihn herum gestanden oder sich viel mehr bewegt und damit nur wenig von ihm preisgegeben hatten. „Hallo, Süßer.“, säuselte ihm eine bekannte Stimme ins Ohr und ließ ihn grinsend die Augen schließen. „Hallo, Unbekannter.“ +~+ „Kai, es ist gut... Wirklich!“ Möglichst überzeugt verdrängte ich meine Angst über das Geschehniss auf der Tanzfläche und den Brünetten Schopf an meiner Brust. Etwas Unbeschreibliches ließ mich unruhig meinen Blick im Club umherschweifen. „Lüg doch nicht... Nichts ist hier okay. Es ist, als kreist diese... Wahrheit um einen und die Angst darum schnürt einem die Kehle zu. Ich konnte keine Sekunde länger still herum setzen und dich dort draußen allein lassen. Warum erzählst du Saga nichts? Er ist dein bester Freund und...“ „Es ist schon unglaublich, das du zu mir zurück gekehrt bist. Saga ist... anders. Er würde denken, ich scherze, hätte Drogen genommen, damit... das passiert. Ich kann ihn nicht verlieren.“ Nun blickte Kai auf und sah mich mit seinen großen, voll von Tränen schimmernden Augen an. „Warum dann... i-ich? Ich konnte die Nächte nicht ruhig schlafen, hatte Albträume, Angst...“ „Ich hätte dich verloren...“ Kai's zu Fragen aussprechender, offender Mund, schloss sich. Die Augen zusammen kneifend wandte ich mein zu einer traurigen Grimasse verzogendes Gesicht ab. Doch die Stille zwischen uns wehrte nicht lang. „Was war mit deinem Herz? Also dem... ähm...“ Unschlüssig, beinahe flüsternd, was in dem Lärm des Clubs beinahe untergegangen wäre, wenn er nicht zeitgleich seine Hand auf meine kalte Brust gelegt hätte. „Ich weiß es nicht. Ich habe mich umgesehen und dann verschwomm meine Sicht. Vielleicht...“ Doch meine Vermutung blieb unausgesprochen. Ich wollte nicht wieder von IHM sprechen. Nicht vor Kai. Gerade als dieser etwas sagen zu wollen schien, stieß Saga wieder zu unserer kleinen Gruppe, in den Händen drei Gläser haltend. „Ihr seht so aus, als würde ich den Rest des Abends alleine meinen Spaß haben müssen.“ „Es tut mir Leid, Saga...“ „Ach das...“ Saga wollte abwinken, jedoch verstummte er bei meiner ernster Miene. „Heeey jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht. Ihr werdet Spaß haben und ich meinen. So kann ich mich wenigstens voll auf die heißen Frauen stürzen und muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich euch alleine lasse.“ Ein Lachen umrahmte seine Worte und wenn wir unter uns wären, hätte ich wohl ihn umarmt. Einfach so. So einen Freund musste man festhalten. Etwas gerührt, schnappte ich mir mein Glas und reichte das Andere an Kai weiter. „Aber mal so am Rande und bevor ihr mich zurück lasst, geht es dir besser?“ Für andere klangen Saga's Worte desinteressiert, was auch an seinem wegschweifenden Blick in die Menge liegen könnte, aber täuschte es nur über seine Herzlichkeit hinweg, denn in Wahrheit machte er sich große Sorgen um mich. Umso mehr wollte ich, das er für mich da ist, ohne ES zu wissen. Es reichte, wenn Kai davon sprach. Das machte die Leere in mir nicht wett. Eher wuchs die Angst, die Seine nicht tilgen zu können. Das hatte Kai nicht verdient. Niemand hätte es. Hatte ich...? Hatte ich es verdient? War ein von Seufzen begleiteter Wunsch, der von Träumen zeugte, es nicht wert, ausgesprochen zu werden? Und wenn ich mir ein Herz wünschte? Ich fühlte, also hatte ich eines... Was war nur falsch an meinem? „Uke...“ Ich hoffte, nicht allzu hämmerlich geklungen zu haben, doch schien dieses Loch in mir, mich tiefer und tiefer in die Dunkelheit zu ziehen. Zitternd hängte ich mich bei ihm ein und glich meine Gleichgewichtsstörungen an ihm aus. „Saga, wir sehen uns. Ich bringe ihn heil nach Haus. Versprochen.“ „Davon bin ich überzeugt. Also dann... Da hinten ist eine heiße Schnitte. Also los, geht schon!“ „Ich...“ Mir schwirrte der Kopf. Etwas stimmte hier nicht. Nicht mit mir. „Ich liebe dich auch. Und jetzt hau schon ab, sonst kante ich dich höchstpersönlich aus dem Club.“ Seufzend nickte ich zum Abschied und ließ mich von Kai in die überwältigende Kälte ziehen. Mit jedem Schritt in die Freiheit fühlte ich mich von Mal zu Mal wohler. Die Treppe in die Finsternis meines Inneren verlor an Tiefe und Kälte. Neben mir ging Uke. Er wurde mein Geländer hinaus in die Freiheit. „Aki, du bist ganz weiß im Gesicht. Musst du dich hinsetzen? Hinlegen? Dort drüben ist eine Bank.“ „Geht schon.“ Kai seufzte. „Meintest du deine Worte vorhin... eigentlich ernst? Oder bist du abhängig...?“ „Beides. Allein deine Anwesenheit beruhigt mich ein wenig, auch wenn es nicht die Lösung meines Probl... Entschulige...“ „Deine unbedachten Sticheleien überlebe ich schon, Aki. Ich bin nicht aus Zucker.“ „Aber dennoch so zerbrechlich, wie ein Schneemann im Sommer.“ Ein viel zu seltenes und kurzes Aufglucksen zerbrach die gedrückte Stimmung. „Dann zerbrich mich nicht.“ „Du bleibst also?“ „Soll ich tatenlos zuschauen, wie du zu Grabe getragen wirst...?“ Kai's Worte erstickten. „Verzeih mir bitte.“ „Es ist doch wahr...“ „Nein, Aki, du wirst leben. Du bist noch immer du. Es ist da, das weiß ich. Wir müssen nur herausfinden, wie wir dein Herz aus dem Winterschlaf holen.“ „Wir?“ Verlegen senkte Kai den Kopf und schwenkte ihn absichtlich in eine andere Richtung. Nur ein zustimmendes Grunzen erklang. Meine Freude über seine Liebe verblieb jedoch nicht lange, so wie er es vielleicht hoffte. Jetzt steckte Kai auch noch in meinen Problemen mit drin. Wie sollte ich ihn bitten, mich Aoi lieben zu lassen? Sein Herz reichte für Meines. Wusste sein Herz von meinen Ansprüchen? Wenn ich es doch nur einmal... hören könnte... Einmal... ohne süchtig zu werden... „Woran denkst du...? An... wen?“ Als ahnte Kai, was in meinem Kopf vor sich ging. „An meinen Wunsch.“, log ich, ließ meine Gedanken jedoch zu diesem Tag zurück schweifen. Ein verfluchter Tag. Ein gebrochenes Herz war mit einem Fingerschnipsen nicht zu reparieren, da sollte ein unbedeutender Wunsch kein Loch in das Leben eines bereits Gebeutelten reißen. Wo blieb da die Gerechtigkeit? „Würdest du ihn gerne zurücknehmen?“ „Jederzeit. Lieber rund um ein schlagendes Herz haben, sich peinlich benehmen und Schwärmereien unterdrücken, als nichts von all den Gefühlen zu haben. Das... war nie der Plan.“ „Was ist im Leben schon ein fester Plan?“ „Die Band und...“ „Nein, nicht DIE Band. Eine Band. Egal mit welchen Mitgliedern und egal wann. Hätte wir es nicht zusammen vor Jahren geschafft, wäre ich heute wohl noch immer Koch und würde Kochläffel schwingen.“ „Und ich würde nicht lieben...“ Kai seufzte. „Saga meinte, wir sollten Spaß haben. Also nach was hast du Lust?“, versuchte mein brünetter Begleiter das Thema zu wechseln. „Hum... Zocken?“ Kai lachte auf. „Du bist noch der Alte. Gibst du mir nun Recht?“ „Fast, okay?“ „Okay, das reicht mir.“ Wie hielt Kai mich aus, wenn ich nur jammern konnte...? +~+ Dunkel aufgrollend, lehnte der Unbekannte an Aoi's Rückfront und ließ seine Rechte dessen Oberkörper über die Schultern hinabfahren, unter dessen lockeres Hemd. „Du wirst mein sein.“, schwor er begleitend und zog aufreizend an Aoi's linkem Ohrläppchen. „Als hätte ich eine Wahl... Mein Herz schlägt mir bis zum Halse, obwohl ich doch einen Freund habe. Wie kann mir mein Herz nur fremdgehen...?“, Das Gesicht vor Scham senkend, erstarben Aoi's verzweifelte Worte im Beat der Musik. „Nun, ich bin ein Herzdieb.“ „Warum vertraut mein Herz auf einen Herzdieb?“ „Da wir uns seit vielen Jahren kennen und uns doch so fremd sind.“ „Habe ich dich früher gekannt?“ „Gekannt, aber nicht als das erkannt, was wir sein werden.“ „Schande... Dann müsst ich meinem Freund das Herz nicht zerreißen müssen...“ „In Namen der Liebe, wird er verzeihen können. Tanzt du mit einem Herzdieb?“ „Ich führe.“ Aoi's Grinsen wandte sich nun seinem Hintermann zu und erhob er sich von seinem Barhocker. „Nur ein Herzdieb führt.“, widersprach der Fremde und schob die Unterlippe schmollend vor. „Nun vielleicht hat ein listiger Fuchs dein Herz gestohlen, bevor du ein anderes stahlst? Sind der listige Fuchs und der Herzdieb dann nicht quitt?“ „Ein Team vielleicht?“ „Ein Team.“ Mit einem Ruck zog Aoi die zierliche Gestalt des Diebes an sich und platzierte eine Hand an dessen schmalen Taille. „Aoi...“, keuchte der Dieb erregt. „Heiße ich so, ja...? Dann gebe ich dir auch einen Namen, meine Schönheit. Wie wäre es mit Uruha...?“ „Angenommen.“, gurrte der blonde Dieb angeregt und fasste den schwarzhaarigen Fuchs an Schulter und Hand. Ihre rauen Finger umwoben einander. „Mein Herz gehört dir, Fuchsprinz.“ „Und meines dir, Prinzessin.“ Kapitel 9: II - Die Hoffnung auf Liebe - Reita,Kai -------------------------------------------------- Hi :) wieder musstet ihr warten, aber ich hoffe, es wird sich lohnen. Viel Spaß beim Lesen und auch über Kritik würde ich mich freuen. ~+~+~+~ „Ich habe schon wieder gewonnen! Du bist nicht konzentriert, Reita!“, maulte Kai schmollend, obwohl er abermals gewonnen hatte, und legte seinen Controller ab, um nun nach meinem zu greifen. „Lassen wir es für heute. Wir müssen Morgen früh raus. Der neue Song probt sich nicht von selbst.“ Aufstöhnend streckte ich meine müden Glieder. „Du hast ja Recht. Mein Bass wird mich ablenken.“ „Und mein Schlagzeug hoffentlich auch. Wenn du dich nur auf deinen Bass konzentrierst, klappt das Zusammenspiel zwischen uns nicht.“ Dieses Wortspiel hatte etwas von Ironie. „Ich werde mich schon auf dich konzentrieren.“ „Gut.“ Mit einem zufriedenen Lächeln setzt mir Kai einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und verschwindet dann in Richtung Bad. „Du weißt ja, wo du mein Schlafzeug findest!“, rief er noch, bevor die Tür hinter ihm zufiel und damit mein Blick auf seine muskulöse Rückenpartie. Jetzt schlief ich also hier, ohne gefragt zu werden. Seufzend erhob ich mich, um am Bad vorbei in Kais Schlafzimmer zu schlurfen. Warum auch nicht. Zuhause wäre ich nur allein. Schulterzuckend, hielt ich vor seinem Kleiderschrank inne, betrachtete müde mein Antlitz im Spiegel, und griff beherzt nach den Türgriff, um mein Spiegelbild abzuwenden und mir ein Schlafzeug rauszusuchen. Eine Aktion, die mir beinahe sämtliche Nerven kostete. Ich wollte nichts mit Kochlöffeldruck oder Tomaten, die sich Reihenweise übereinander türmten. Bei Gelegenheit musste ich Kai wenigstens ein neutrales Schlafzeug besorgen oder lieber eines meiner in seinem Schrank bunkern. Herrje. Fing ich jetzt auch schon damit an? Grimmig schnappte ich mir blindlings eine Hose aus dem Haufen Wäsche und erwischte ausgerechnet eine mit Teddybären. Immerhin besser als Gemüse, aber genau so schlimm. Abermals folgte ein schweres Seufzen. Dann gab ich nach. Ich war zu müde, um mich über Teddybären aufzuregen, im Grunde genommen waren sie eigentlich ganz süß, und spätestens unter der Bettdecke wäre es eh egal, was ich an hatte. Wenig später hörte ich, wie sich die Badtür öffnete und Kai dümmlich grinsend in den Raum schlenderte. Zeit für mich ins Bad zu gehen. „Aiii nein, wie süß!“ Shit. „Bin gleich zurück...“, murmelte ich peinlich berührt, begab mich aus meiner Stocksteife und hechtete ins Bad. „Die Hose steht dir!“ Hinter mir knallte die Tür ins Schloss. Ich hätte die Hose einfach aus lassen sollen. Grunmelnd betrachtete ich Kai's Chaos an Pflegeprodukten und stellte überraschend fest, das neben seiner Zahnbürste eine weitere aufgetaucht war. „Schlitzohr“, dachte ich grinsend. Ich griff also danach und putze mir die Zähne, bis ich schließlich meinen Mund ausspülen und das Bad wieder verlassen konnte. Mit gehobener Braue, jedoch ein amüsiertes Grinsen aufsetzend, schloss ich die Schlafzimmertür hinter mir und trat auf das Bett zu, von dem aus Kai mich fragend musterte. „Hast du geplant, das ich hier übernachte?“, wollte ich scherzhaft wissen und setzte mich zu ihm auf das weiche Bett. „Nicht heute, aber ja. Bist du sauer? Bei dir habe ich doch auch eine.“ Das mich diese Tatsache noch immer verwirrte, sprach ich lieber nicht aus. „Ich bin nicht sauer. Ich wollte sichergehen, das sie wirklich für mich ist.“, winkte ich an und wuschelte dem Brünetten grinsend durch die Haare, durch die er mich, nachdem ich endlich von ihm abgelassen hatte, mich mit großen Augen ansah. „Nur dir, Aki. Denkst du etwa, ich bin dir untreu?“ „Wir sind nicht zusammen, oder?“ Verwirrt legte ich den Kopf schief. „Dachte er etwa...“, begann ich zu grübeln. Ein bitteres Lächeln lag auf Kais traurigen Zügen. „Ja, sind wir nicht...“, murmelte er, wandte den Blick ab und schlag seine Arme um die angewinkelten Knie. Seufzend rutschte ich neben ihn und legte meinen Arm um seine Schulter, drückte ihn leicht, um ihn etwas aufzumuntern. Zumindest hoffte ich, dies zu bewirken. „Ich werde neben dir niemand anderen haben.“, setzte Kai nach kurzem Schweigen nach und es klang nach einem Versprechen, das ich nicht annehmen konnte... wollte... „Das macht mir ja Sorgen, Uke.“, erwiderte ich daher leise, jedoch verständlich genug, um erhört zu werden. „Und warum hörst du nicht auf, dir ständig sorgen darum zu machen, wem ich mein Herz schenke, und akzeptierst es?“ Seine Stimme klang frustriert. „Ich... Ich versuche es ja.“, log ich daher schnell, um den Drummer zu beruhigen, scheinbar gelang es mir damit allerdings nicht, denn er drückte mich soweit von sich, das er zu mir aufschauen konnte. Sein Gesicht war dem meinem so nah, das ich mein Spiegelbild in seinen Augen erkennen konnte. Man sah ich beschissen aus. Und sein trauriger Blick machte es nicht besser. „Nur versuchen reicht nicht, Aki! Ich glaube nämlich, du versuchst es nicht einmal. Du klammerst dich weiterhin verzweifelt an ihn, obwohl du doch weißt, das du keine Chance bei ihm hast. Er kennt Uruha schon seit Jahren! Das, was die beiden haben, kannst du nicht aufholen. Was soll ich denn noch tun, damit du ihn vergisst?!“ Mit einem Anflug von Wut starrte ich ihn an. „Bei mir bleiben?“, hauchte ich versucht hoffnungsvoll und verbarg meine gaballten Fäuste vor ihm. Ich musste mich zügeln. „Ich werde mir mehr Mühe geben. Ich verspreche es. Du bist mir doch wichtig...“ „Wie wichtig?“, erwiderte Kai ohne Pause und Beklemmung erfüllte mich. Mir wurde warm, mein Hals trocken. Ich schluckte, um meinen Hals mit Speichel zu füllen und musste augenblicklich husten. Mit Tränen in den Augenwinkeln, blinzelte ich den Abwartenden verzweifelt an. „Genug um abhängig zu sein.“ „Ich hoffe, das sagst du nicht nur, weil ich dein Geheimnis kenne?“ Kai war erbarmungslos. „Nein, deshalb hast du erst davon erfahren. Ich brauche dich. Ob nun ohne diesen Fluch oder mit.“, versicherte ich ihm und zu meiner Erleichterung, sträubte sich mein Gewissen nicht gegen diese Äußerung. Ich meinte es ernst. Ich hoffte, Kai würde es erkennen. Sein Schweigen verriet sein Zögern. Seufzend legte ich meine Stirn auf seiner starken Schulter ab. Meine Wange schmiegte sich an seine. Ich konnte ihm nicht weiter in die Augen sehen. Mein Herz war von einer unsichtbaren Hand umschlossen, die kaum spürbar ihren Druck erhöhte, je mehr ich mich von meinen Sorgen, Schmerzen und Gedanken in die Tiefe reißen ließ. Kai, kannst du nicht schweigend bei mir bleiben? Vielleicht war auch ich verflucht? Zusammen mit dem Verschwinden meines Herzens war auch die Hoffnung verschwunden. Nur wegen dieses Wunsches! Dieses belanglosen, nicht ernst gemeinten Wunsches, die Herzschmerz zu vergessen! Lieber hätte ich den Schmerz weiter ertragen, als nun so leben zu müssen! Verdammt Aoi... Gib mir mein Herz zurück! „Aki... Hey Aki! Weinst du?“ Kai's Stimme riss mich zurück in die Realität. „W-wie...?“, stammelte ich trunken von meinem Kopf-Wirrwarr, räusperte mich schließlich verlegen und wischte mir hastig und genervt über meine Weichheit die Tränen von den rosigen Wangen. „Weißt du, manchmal wünschte ich mir...“, begann Kai seufzend, legte seine Hände an meine Wangen und seine Stirn an meine. Doch ohne Interesse an diesen liebevoll gemeinten Zärtlichkeiten, weitete ich erschrocken meine Augen und riss seine Hände von mir. „Kai! Nicht! Bitte!“ „Was denn? Ist... doch nicht wirklich... Es wäre nur so viel einfacher, wenn ich deine Gedanken lesen könnte. Woran du denkst, wenn du weg bist, obwohl du doch bei mir bist. Ja, das wäre toll.“, äußerte er unbekümmert und sah mich fragend an. „Du bist ganz blass. Alles in Ordnung?“ „Nein natürlich nicht! Bitte lass es nicht wahr sein! Bitte lass diesen Wunsch nicht Wahrheit werden! Es war doch kein Wunsch, oder?!“ Wie von einer Tarantel gestochen fiel Kai zurück und sah mich mit einer Mischung aus Schreck und Verwirrung an. Ich selbst konnte meinen anklagenden Blick nicht zügeln. „D-du hast die Lippen nicht bewegt!“ Nun war ich es, der verwirrt drein blickte, doch rasch holte mich die Erkenntnis ein, das der Albtraum wahr geworden sein muss. „Verdammt Kai!“, fluchte ich lauthals und rutschte zum Bettrand. Wie als wüsste Kai sofort, wie er seine neue Macht über mich nutzen konnte, krabbelte er von sich aus auf mich zu. Nun war ich es, der nach hinten fiel. Allerdings landete ich dagegen eher unsanft auf dem Boden. Jaulend versuchte ich mich aufzurappen. Kais Kopf erschien über dem Bettrand hinaus und seien Hand streckte sich mir zur Hilfe entgegen. „Wie kann ich dir helfen, Aki?“, wollte der Drummer wissen und fasste mein Handgelenk, welches ich ihm entriss, um von ihm fortzukommen. „Nein, keine Fragen! Ich... I.ich... verdammt denk nicht nach! D-du kannst mir nicht helfen! Nein!“, ich verfluchte mich für meine Schwäche und robbte rückwärts aus der Greifweite meines doch eigentlich guten Freundes. „Hör bitte auf!“, bat ich ihn flehend und glaubte, meine schmerzenden Glieder vom Sturz aufrichten zu können. Wollte es glauben. „Aber Aki, ich will dir doch nur helfen! Ich wusste ja nicht, dass das Wünschen auch für mich gilt!“ „Dann denk über die Konsequenzen nach und hör auf damit! Wünsch es dir weg!“, forderte ich weiter, hielt mich an Tisch und Stuhl fest, um mich hochzuziehen. „Als ob es was bringen würde! Es ist hoffnungslos!“, dachte ich und verfluchte mich erneut, als Kais Blick mir abermals verriet, das er eben genau das gehört hatte. „Es ist nicht hoffnungslos, Aki. Sag mir, wie kann ich dir helfen?“ Kai war inzwischen aufgestanden und versuchte sich mir mit offenen Armen zu nähern. „Ich will nicht! Nur Aoi kann mir helfen! Versteh doch endlich! Mein Herz liegt in seiner Hand!“, schossen mir die Gedanken nur so heraus und ließen mich wanken, kaum das ich stand. Kai, der die Hände erstarrt sinken ließ, ließ mich ungehindert an ihm vorbei stolpern. Seinen verletzten Ausdruck versuchte ich zu ignorieren. Sollte er doch aufhören zu fragen! „Aki... Wirst du mich jemals lieben? Glaubst du daran?“ Seine Stimme zitterte. Meine Schritte wurden langsamer, mein Griff um die Türklinke jedoch fester. Ich wollte einen Blick zurückwerfen. Nur einen Blick auf den auf eine andere Art geliebten Menschen., bevor ich ihn womöglich für immer verliere. „Ich hab dich lieb, Uke...“ Eine Hand über meinen Mund stülpend, obwohl diese Worte nicht über meine Lippen gekommen waren, riss ich die Tür auf und floh, bevor weitere Worte ihn verletzen konnten. „Das reicht mir schon...“, sagte Kai noch, was ich jedoch nicht mehr verstehen konnte, bevor die Haustür hinter mir zufiel und ich in seinem Schlafzeug davon rannte. Mein eigener Tränenschleier vernebelte mir die Sicht. Mein Kopf war leer. Ich stolperte die Treppen hinab, spürte das Gras an meinen nackten Sohlen, die Kälte, die sich durch den dünnen Stoff fraß und den Regen, der meine Haut aufweichen ließ, hörte hupende Autos, Rufe und Gelächter. Ich mag wohl wahrlich lächerlich aussehen, aber das ist mir egal. Der Schlafanzug würde mich wenigstens an Kai erinnern, den ich verloren in seiner Wohnung zurückgelassen habe und meinetwegen traurig war. Den ich meinetwegen verloren hatte, verloren, weil die Wahrheit schmerzt. Geheimnisse, die Geheimnisse hätten bleiben sollen, wurden ungewollt preisgegeben und alles, wie es war, war zerstört. Ich spürte keine Erleichterung, nur Schmerz. Mein Schluchzen begleitete meinen ziellosen Weg. Wo war ich? Fluchend wischte ich mir über die Augen, um den Tränenschleier fortzuwischen. Dabei stieß ich mit dem Fuß gegen einen Stein und fiel mit einem lauten Ausruf zu Boden. Jaulend winkelte ich das Bein an und rieb mir über die schmerzende Stelle, mit der ich den Stein berührt hatte. Der Schmerz durchzuckte meinen Körper. Verdammt! Stöhnend rappelte ich mich auf. Schon der zweite Fall in wenigen Minuten. Meine Tränen waren versiegt. Überwog der Schmerz doch über der Trauer. Zumindest in diesem Moment, denn als ich aufsah und das Haus vor mir erkannte, vor dem ich zu Boden gegangen war, stockte mir der Atem und eine erneute Welle der Trauer und verlorener Sehnsucht überkam mich. Ich kniete vor Aois Haus. Und Uruhas Wagen stand unweit vom Hauseingang entfernt. +~+ Kai hob den Kopf zur Decke. Eine bekannte Stimme erfüllte die Stille, wurde schwächer, aber doch hörbar und erkennbar Reitas Stimme. Konnte er seine Gedanken noch immer hören? War er... noch immer bei ihm? Er fasste sich ans Herz. „Aki... Ich kann dich nicht verlieren...“ +~+ Mein Körper war wie versteinert. Hin und Hergerissen starrte ich die Außenfassade an und spähte durch jedes Fenster, doch erkannte nur hinter einem einen Schatten, der wieder verschwand, kaum das ich ihn entdeckt hatte. Oder vielleicht war es nur die Bewegung der Gardine? Es brannte Licht. Die beiden waren noch auf. Was sie wohl taten? Die Frage und die damit aufkeimenden Gedanken und Bilder schnürten mir die Kehle zu. Doch mein Wissensdurst war unersättlich. Ich musste näher heran. Auch wenn der Stein auf meinem Herzen nur noch schwerer werden würde. Ich musste ihn sehen. „Aoi.“, dachte ich sehnsüchtig, stemmte mich auf meine schmerzenden Füße und lief in geduckter Haltung zum Haus, nur um neben dem Fenster, wo ich den Schatten erblickt hatte, zum Stillstand zu kommen. Es war still. Zu still. Ich atmete aus. Dumpfe Musik drang an meine Ohren. Sollte ich einen Blick riskieren? Nun… wenn ich schon mal hier war, wie auch immer meine Füße mich hierher tragen konnten, dann würde ich es auch wagen. Nichts geschah ohne Grund. Langsam tastete ich mich vor, auf der Suche nach einem Schlitz zwischen den Vorhängen. Und dann sah ich sie. Sie tanzten zur Musik, sich umarmend und verliebte Blicke austauschend. Überkeit kroch in mir hoch. Uruha sagte etwas und auch wenn ich ihn nicht hören konnte, so konnte ich von seinen Lippen die Worte ablesen, die auf meinem stummen Herzen lagen und ich Aoi wieder und wieder sagen würde, wäre ich nicht wie Luft für ihn. Verflucht sollte dieser Uruha sein! Meine inzwischen vor Kälte und nässe zitternden Hände umfassten meinen brennenden Hals, während Magensäure in mir aufbrodelte, was mich das Gesicht angewiedert verziehen ließ. Ich hasste ihn für sein unverdientes Glück! Aois stumme Lippenbewegungen ließen mich aufjaulen. „Nein, nein, nein!“ Schnell ließ ich mich zur Seite kippen, um von den beiden nicht gesehen zu werden, hätten sie etwas von dem mitgehört. Meine Hände lagen verkrampft über meinem Herzen. „Wenn ich noch nur eine Chance hätte. So wie Uruha. Wenn ich Aoi früher schon gekannt hätte, wäre es vielleicht anders herum. Dann würde sich Kai vielleicht auch nicht in mich verlieben. Dann wäre alles anders. Ja... +~+ „Verzeih mir... Aki... ich liebe dich....“ +~+ Ich sah in den sternenbedeckten Himmel, blinzelte, wenn Regentropfen mir in den Augen stachen und hatte die Arme weit von mir gestreckt. Auf meinem Gesicht lag ein breites Lächeln, die sich zu Worten formten. „Ich wünschte, Uruha und Aoi wären sich damals nicht begegnet und Aoi würde mich lieben, würde nur mir gehören. Bitte, das wünsche ich mir.“ Das Nachhall meiner Worte endete. Meine Lider schlossen sich erschöpft und die Geräusche um mich herum verebbten. +~+ „Ich wünsche mir, Akira Suzuki nicht zu verlieren, denn ich liebe ihn und nur ihn. Er soll glücklich werden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)