Mondfinsternis von moonlight_005 ([SasuSaku]) ================================================================================ Kapitel 1: Spiegel der Seele ---------------------------- - ~ ♥ ~ - »Ich war wie in einem Bann, als ich in seine Augen sah, doch ich wusste nicht, was sich hinter seinem Blick verbarg ...« - ~ ♥ ~ - Ein leises Geräusch drang durch die Stille. Schlanke Finger huschten über die straff gespannten Saiten der Shamisen. Eine junge Frau saß auf der Terrasse und entlockte dem Instrument eine betörende Melodie. Sanft schien das Dämmerlicht auf ihre Silhouette, die fast völlig mit der Umgebung verschmolz. Sie trug einen schweren Kimono mit einem Obi aus Brokatstoff und kniete aufrecht auf den Dielen. Ihr Rücken war durchgestreckt und in ihrem Gesicht erkannte man eine bemerkenswerte Selbstbeherrschung. Die Frau bewegte sich so sparsam, so dass man sich unwillkürlich nach dem Ursprung der Musik umschaute, ohne sie sofort zu bemerken. Sie hatte etwas an sich, was sie zugleich anziehend und abweisend machte. Es umgab sie eine Aura der spirituellen Stärke, die ein Gefühl des vollständigen Durchschauens auslöste. Die Melodie verstummte. Mit dem Geräusch von aufeinanderprallenden Hölzern legte sie das Instrument auf die glatten Dielen. Es war die Stunde zwischen Abend und Tag, die einzige Zeit, die ihr allein gehörte. Es war die Zeit zwischen dem hektischen Leben des Tages und der Stille der Nacht, die für sie jedoch nie wirklich still war. Sie mochte diese Zeit, niemand störte sie und sie kam endlich einmal zur Ruhe. Sie, die eigentlich ruhelos war. In der Dämmerung war sie sie selbst, während dieser Zeit war sie durchschaubar. Und verletzlich... Vor der Terrasse hörte sie ein paar Blätter rascheln. Bis auf das war es still. Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ sich den erfrischenden, leichten Windhauch darüber streichen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, denn wie immer hatte sie ihr Gesicht weiß bemalt und die traditionelle weiße Schminke der Maikos und Geishas aufgelegt. Ihr Gesicht hatte eine schöne, herzförmige Form und sie besaß volle sanfte Lippen, die in dem blassen Teint durch ihre weinrote Farbe noch mehr hervorstachen. Die Frau hatte ihre Augen geschlossen und die langen, schwarzen Wimpern lagen leicht geschwungen auf ihrer Haut. Der Wind strich ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Die Frau tastete danach und steckte sie vorsichtig wider in ihre Hochsteckfrisur fest, die ansonsten straff gespannt an ihrem Hinterkopf frisiert war. Ihr Haar hatte eine seltsame Farbe, es war roséfarben und mit drei Haarnadeln aus dunklem, gemaserten Holz, die mit geschwungenen Linien verziert waren, fixiert. Selbst für eine so junge Maiko war sie von auffallender Schönheit. Mit einem Lächeln, das sowohl betörend wie nichtssagend sein konnte, eleganten Bewegungen denen jeder Blick folgte und einer Stimme, die sowohl von Verzweiflung singen konnte als auch von Liebe. In ihren Augen brach sich das Licht und enthüllte so viele verschiedene Nuancen von Grün, dass man sich auf ewig darin verlieren konnte. Ihr Name war Sakura Haruno. Ein Tropfen Wasser fiel auf ihre Haut, er rann ihre Wange hinunter und malte eine Spur auf ihr weißes Gesicht. Ein feiner Sprühregen setzte an und Sakura wich elegant unter das niedrige Dach zurück. Schon nach kurzer Zeit prasselte der Regen rhythmisch auf die Erde. Das Wasser schien ein Lied zu spielen, dachte sie. Sie ließ ihren linken Fuß ein wenig nach hinten gleiten und stand dann in einer fließenden Bewegung auf. In der Stadt, die sie von der Terrasse aus sehen konnte, entzündete man langsam die Lichter. Lampions und Laternen erhellten die dunklen Straßen, auf denen vereinzelt Menschen gingen. Mal mit einem Ziel und mal in eine Richtung, die sie selbst noch nicht genau zu kennen schienen. Es war ein Schauspiel, das sich jeden Tag aufs Neue wiederholte. Ein ewiger Kreislauf, der nie abbrach. Bald würde sie auch Teil eines solchen Kreislaufs sein, denn bald war sie eine Geisha. Ihre Onee-San Yugao hatte ihr gesagt, was sie tun musste. Ihre Schwester wusste, wie eine Mizuage-Zeremonie ablief und hatte sie auf die ihrige vorbereitet. Aber anders als Yugao glaubte, wusste Sakura, was mit ihr geschehen würde. Sie zweifelte nicht daran, dass Yugao ihr Wissen erahnen konnte. Sie war eine starke, schöne Frau, eine Geisha, die von allen Männern begehrt wurde. Yugao Uzuki war wahrlich schlau und ihre Fähigkeit Intrigen zu durchschauen hatte sie schon oft gerettet. Es war nicht leicht etwas vor ihr zu verheimlichen und so war es das erste Mal, das Sakura ihr etwas vorenthielt und so gegen ihr unausgesprochenes Gesetz verstieß. Aber dieses Wissen, das sie besaß, lähmte sie und löste ein ihr bis dahin unbekanntes Gefühl aus. Zum ersten Mal hatte sie Angst. Irgendwo in der Stadt schlug ein Gong. Mittlerweile war es dunkel geworden und die Straßen hatten sich merklich gefüllt. In den Teehäusern würde bald volle Betriebsamkeit herrschen, Gäste und Geishas würden sich versammeln und gemeinsam schöne Stunden verbringen. Der Regen war jetzt stärker geworden und ging in harten Tropfen auf dem Boden nieder. Sakura wandte sich um, aus der nachdenklichen Frau wurde eine Maiko und ihr Gesicht verschwand hinter einer nichtssagenden Maske. Es war Zeit. ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ Es war noch nicht dunkel, als sie in Begleitung Yugaos in der Gaststätte Chiyos ankam. Die alte Frau hatte sie bei sich aufgenommen, als ihre Mutter, ebenfalls eine Geisha, die kurz nach ihrer Geburt gestorben war. Für sie hatte es immer nur einen Weg gegeben. Es war fast, wie eine Vorhersehung, dass sie die Laufbahn einer Geisha einschlagen würde. Sanft glitt die schwere Holztür auf, als sie hindurchtraten. Die schöne Yugao klappte auf anmutige Weise ihren Schirm zusammen, der sie vor dem Regen geschützt hatte und schlug ihn ein paar Mal elegant zusammen, so dass ein Tropfenschauer auf die Terrasse nieder ging. Sakura tat es ihr nach. Ein Diener verneigte sich respektvoll und nahm dann ihre Schirme in Empfang. Die Tür schloss sich und sie befanden sich im Inneren des Gasthauses Zur stillen Harmonie. Beide Frauen streiften ihre Getas ab und ließen sie dort zurück, wo schon einige Holzsandalen lagen. „Du weißt, was ich von dir erwarte?“, wandte sich Yugao leise an Sakura. „Ja“, sagte Sakura ebenso leise. „Gut. Heute werden bedeutende Persönlichkeiten anwesend sein, ich erwarte, dass du dein Bestes gibst. Ich will, dass sich deine Mizuage so teuer, wie möglich verkauft.“ „Natürlich Onee-San.“ Die schwarzhaarige Frau nickte zufrieden und deutete ihr mit einer Geste, ihr zu folgen. Die beiden Frauen gingen einen Gang entlang, auf dem jeder ihrer Schritte gedämpft klang. Die Wände waren zwar aus schönem dunklen Holz, aber ansonsten schmucklos. Chiyo-San hatte nie besonders viel Wert auf Kostspielereien gelegt, die alte Frau mochte es lieber schlicht. Sakura hatte nie wirklich erfahren, wie alt sie genau war. Ihre Kraft schien ungebrochen und ihr Lebenswille war ebenso stark, wie der eines erfahrenen Kriegers. Sie war listig, wie eine Schlange und manchmal äußerst launisch. Die Alte hatte die Gaststätte und die angrenzende Okiya gegründet, als sie etwas älter als dreißig gewesen war. Dann war ihr Mann gestorben und sie hatte alles geerbt. Vielleicht war das und die vielen Kriege, die sie erlebt hatte, der Grund, warum sie so verbittert war. Aber genau konnte das niemand sagen. Und Sakura hatte sich schlicht einfach nie getraut, sie zu fragen. Zu groß war ihre Dankbarkeit, dass sie ihr nach dem Tod ihrer Mutter ein neues Leben gewährt hatte. Es folgte eine Biegung und der Gang teilte sich in verschiedene Räume auf, die mit Schiebetüren geschlossen waren. Gedämpft konnte man Stimmen und Gelächter hören. Yugao streckte grazil einen Arm aus und hielt Sakura davon ab weiter zu gehen. „In diesem Raum sind deine Adoptivmutter Chiyo, Shino Aburame, Hayate Geko, Ibiki Morino und Iruka Umino.“ Sakura verneigte sich leicht. „Ich will, dass du Shino unauffällig das hier gibst.“ Der Gang wurde zwar nur spärlich beleuchtet, aber Sakura erkannte trotzdem das Ikubo, das Yugao in der offenen Hand hielt. Sie starrte auf den Reiskuchen, der in der Mitte einen roten Punkt hatte. Ein kalter Schauer rann Sakura den Rücken herunter, als sie daran dachte, was es zu bedeuten hatte. Aber sie nickte gehorsam und nahm es widerstandslos an. Die Geisha sah sie noch einmal durchdringend an, dann schritt sie ihr voran zur Tür. „Komm“, formten ihre Lippen und Sakura folgte ihr. Die Tür glitt fast geräuschlos auf und sogleich hallten Yugao Begrüßungsrufe zu. Die junge Maiko betrat ebenfalls das Zimmer und schloss dann die Tür hinter sich. Die betreffenden Personen knieten allesamt um einen kleinen Tisch herum und begrüßten sie. Der dunkle Bass von Ibiki Morino, dessen Gesicht von unzähligen Narben entstellt war, übertrumpfte alle anderen. Aber er wandte sich dabei fast hauptsächlich an Yugao, wenn es auch ziemlich kurzangebunden war. Neben ihm saß der freundliche Iruka Umino, ein Botschafter, mit dem es ihr leicht fiel ein Gespräch anzufangen. Er hatte ein sonnengebräuntes Gesicht und seine Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. Die verbliebenen Männer waren beide etwas seltsam. Hayate war seit jeher ein Kunde von Yugao, weshalb Sakura nicht recht verstand, warum ausgerechnet er immer dann anwesend war, wenn ihre Schwester sie abends zu den Treffen ihrer Kunden mitnahm. Er schien ziemlich oft krank zu sein und auch heute hustete er wieder. Shino war etwas älter als sie, wirkte aber schon viel erwachsener und reifer. Er hatte schwarze Haare, die sich ein wenig kräuselten und einen Blick, der nichts offenbarte. Ihn umgab so etwas wie eine Aura der Unantastbarkeit. Sie hatte nie mehr als ein paar Worte mit ihm gewechselt. Es gab nur zwei Dinge, die sie mit Gewissheit über ihn wusste. Erstens, er stammte aus einer angesehenen Samuraifamilie und zweitens, er galt als außerordentlich fähiger, skrupelloser Krieger. Warum ausgerechnet er hier jeden Abend aufkreuzte war Sakura schleierhaft. Nie hatte sie herausgefunden, was wirklich in seinem Kopf herum ging. Was machte ein so junger Mann in Gesellschaft älterer und erfahrener Männer? Yugao setzte sich zwischen Hayate und Ibiki. Sakura war sich unsicher und schloss sich erst dann der Runde an, als Iruka ihr aufmerksam zulächelte. Chiyo warf ihr einen Blick zu und begrüßte alle freundlich: „Yugao-San! Sakura-San! Wie schön, dass ihr doch noch Zeit gefunden habt!“ Yugao lächelte freundlich. Die Maiko konnte nicht sagen, was in jenem Moment in ihrem Kopf vorgehen mochte. Schließlich war das hier alles andere, als nur ein Freundschaftsbesuch. Und die Sache, dass auch Chiyo davon wusste, machte es noch verwirrender. Die beiden schauspielerten perfekt. „Für einen Besuch meiner lieben Freundin und ihrer Gäste habe ich doch immer Zeit. Nicht wahr Sakura-San?“ Sakura lächelte sanft, verneigte sich und sagte dann mit angenehm weicher Stimme: „Ich freue mich jedes Mal auf diese Treffen, Onee-San.“ „Wie geht es mit deiner Ausbildung voran, Sakura-San?“, fragte Iruka. „Ich lerne sehr viel von Yugao-San. Sie ist eine sehr gute Lehrerin.“ „Das glaube ich auch“, unterbrach sie Ibiki, „hab ich nicht recht Hayate?“ Der kränkliche Mann warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, bevor er leicht nickte. „Wie immer sind alle von deiner Schönheit geblendet Yugao“, warf Chiyo ein, „wie lange dauert es wohl noch, bis Sakura dich eingeholt hat?“ Die Geisha nickte ihr leicht zu und lächelte grazil. „Alles wird zu seinem geeigneten Zeitpunkt geschehen. Meine kleine Schwester hatte gerade erst ihr Debüt. Sie ist sowohl in der Lage mich einzuholen, als auch noch erfolgreicher als ich zu werden.“ Die Männer lachten wohlwollend und Sakuras Wangen glühten vor Stolz. „Habt Ihr ihr Debüt gesehen Aburame-San?“, fragte Iruka. „Es war einfach unglaublich, ich habe noch nie eine Frau so singen und tanzen gesehen.“ Durch die plötzliche Ansprache aufgeschreckt war Shino Aburame einen Moment lang zusammengezuckt, aber sofort war sein Ausdruck wieder undurchdringlich. „Ich habe sie gesehen. Wisst Ihr Iruka-San, mein Vater meint es wäre vorteilhaft für den Ruf meiner Familie, wenn ich mich auf solchen Veranstaltungen sehen lasse.“ „Und wie fandet Ihr sie?“, bohrte nun Ibiki weiter, „für so einen jungen Burschen muss das doch wahrlich wunderbar gewesen sein, was?“ Es wurde urplötzlich still im Raum, denn Aburame antwortete nicht sofort. Wie immer ließ er sich damit Zeit, aber diesmal hatte Sakura das Gefühl er würde seine Antwort hinauszögern wollen. „Ein Krieger bewahrt stets seine Objektivität. Von solchen Dingen lasse ich mich nicht ablenken.“ Sakura hatte eine Gänsehaut, sie konnte sich ziemlich gut vorstellen, warum Shino Aburame Samurai geworden war. Selbst mit so jungen Jahren war er den Gesetzen seiner Familie, die momentan neben den Uchihas die einflussreichste Samuraifamilie war, stets treu ergeben. Unerwartet mischte sich Hayate ein: „Wenn ihr euch damals nicht überzeugen ließet, wie wäre es dann jetzt mit einer Kostprobe. Sakura-San, nur wenn es keine Umstände bereitet, natürlich." Die junge Frau konnte förmlich Yugaos Blick auf sich spüren und sie wusste sofort, was diese von ihr erwartete. Sie musste sowohl die älteren Männer als auch Shino von sich und ihren Künsten überzeugen. „Ich habe hier eine bezaubernde Flöte, Sakura-San, wie wäre es damit?“, bot Chiyo großzügig an. Zögernd stand Sakura auf. „Danke ... Mutter.“ Sie nahm das kleine Instrument entgegen. Die junge Frau setzte den kleinen Gegenstand an die Lippen und brachte zögernd den ersten Ton hervor. Obwohl sie die Augen geschlossen hatte, bemerkte sie, dass alle Blicke auf ihr lagen. Ein weiterer Ton verließ das Instrument, dieses Mal kräftiger und bald wurde aus dem schüchternen Anfang einn kraftvolles Spiel, das alle in ihren Bann zu ziehen schien. Sakura öffnete vorsichtig ihre Augen und suchte in den Gesichtern nach etwas, wie Anerkennung. Sie zuckte zurück, als sie Shinos ablehnende Miene sah. Fast sah es so aus, als ob es ihm völlig gleichgültig zu sein schien. Sakura verhaspelte sich in ihrem Atemrythmus. Der nächste Ton war krumm und unterbrach die Melodie. Hastig brach sie ab und schaute schuldbewusst zu Boden. Dafür würde Yugao sie später noch Rede und Antwort stehen müssen. Diese setzte nämlich voraus, dass sie das simple Instrument längst beherrschen sollte. Sakura gab Chiyo die Flöte zurück. „Es tut mir leid, ich wollte nicht ...“ „Schon gut, Sakura-San, wir wissen doch alle, wie begabt du bist“, unterbrach sie Iruka. „Sie müssen entschuldigen, meine Herren“, mischte sich jetzt auch Sakura ältere Schwester ein, „sie hat heute einen anstrengenden Tag gehabt.“ Ihre Stimme war so lieblich wie sonst auch, aber Sakura konnte deutlich ihren kalten Blick auf sich spüren. „Möchten Sie vielleicht etwas Sake?“, fragte Chiyo in die Runde. Ibiki grinste dankend und dabei spannten sich sämtliche Narben auf seinem Gesicht. „Geben Sie schon her, Chiyo-San, sie wissen doch ganz genau, weswegen ich hierher komme. Nirgendwo gibt es Besseren als den ausgemachten von ihrem Gasthaus.“ „Jetzt übertreiben Sie aber Ibiki-San“, sagte die Alte. Sie warf Sakura einen Blick zu, die möglichst elegant ihre Hand nach der Sakeflasche austreckte und zuerst Irukas Schälchen voll goss. Dann folgte Ibiki, der ihr eine besonders große Schale reichte und schließlich Hayate und Shino, die nur etwa eine halbe Schale trinken wollten. Shino warf ihr nicht mal einen Blick zu, als sie ihm eingoss. Schon nach wenigen Schlucken hatte Ibiki seine Schale geleert und verlangte nach einer weiteren. Die anderen nippten nur an ihren und Shinos war komplett unberührt geblieben. Zur Auflockerung begann Yugao eine Geschichte zu erzählen und die Männer hingen fasziniert an ihren Lippen. Der Abend war schon weit fortgeschritten und die Gespräche handelten sich nun um Politik, wobei Frauen normalerweise nicht mitreden durften. Doch Chiyo hatte sich noch nie um die Meinung anderer geschert und Yugao warf immer wieder schlaue Kommentare ein, die Männer bewundernd in ihre Diskussionen einbrachten. Sakura schwieg. Sie kannte sich nicht so recht damit aus und für die nächsten Besuche war es vor allem erst mal besser, sich einen Überblick zu verschaffen. „Wussten Sie schon, dass Mao-Chéng-Sama jetzt eine Offensiv-Aktion gegen die Aufständischen gestartet hat, Hayate-San?“ „Ja, aber meiner Meinung nach sollte man zuerst einmal vernünftig mit ihnen verhandeln“, entgegnete er Iruka. „Ach was, die sollte man doch alle umbringen“, knurrte Ibiki. „Wie könnt Ihr das sagen, ohne Hintergründe zu kennen, Ibiki-San?“, warf Yugao ein. „Ganz einfach, weil so ziemlich alles was schiefläuft auf ihre Kosten geht. Habt ihr nicht von den Angriffen gehört, Yugao?“„Niemand weiß, wer dahinter steckt oder wie weit das Führen wird“, sagte Yugao besänftigend. „Was ist, wenn es längst zu spät ist?“ „Zu spät? Wofür?“, stellte sie die Gegenfrage. „Dafür, um die Dinge aufzuhalten, die ins Rollen gekommen sind." „Lasst uns doch heute nicht über so ernste Dinge reden. Nehmen Sie noch einen Schluck Sake.“ Es sah so aus, als ob Ibiki noch etwas sagen wollte, allerdings schluckte er seine Antwort herunter und verschränkte die Arme. „Danke, für heute reicht es mir.“ Der Blick der anderen lag zuerst schweigend auf Yugao und Ibiki, aber dann nahmen sie ihre Gespräche wieder auf. Bald war die Stimmung gelöster. Es musste jetzt schon später Abend sein und alle Beteiligten wirkten nicht mehr so ernst, wie am Anfang. Mit Ausnahme von Shino, den man nie so recht einschätzen konnte. Sakura interdessen blieb auch nichts anderes übrig als ihre Aufgaben, die ihr als Maiko übertragen waren, auszuführen. Es bedeutete, dass sie sich mit ihren Besuchern über Belangloses unterhielt und darauf achtete, nie ihre eigene Meinung preiszugeben. Eine Geisha hatte keine eigene Meinung, sie hatte sich keine Gedanken zu machen. Vertrat ihr gegenüber seine Meinung, musste sie entweder zustimmen oder ihre Antwort so verschlüsseln, dass man daraus nichts entnehmen konnte. Perfekte Lügnerinnen waren sie. Unbemerkt erhob sich Shino Aburame. Sein Schatten fiel auf Sakuras Gesicht, die überrascht aufblickte. „Wohin geht Ihr Aburame-San?“ Der junge Mann raffte seine dunkle Kleidung und streckte seinen Körper. Er sah sie an, aber Sakura war sich sicher, dass er auch zuvor schon bemerkt hatte, dass sie ihn beobachtet hatte. Sein Blick schweifte im Raum umher und wanderte dann zur Tür. „Es ist Zeit“, sagte er. Sakura konnte Yugaos Blick förmlich auf sich spüren. Ihr lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. Es war die einzige Chance und sie wusste, was es zu bedeuten hatte. Die Geste ihrer älteren Schwester war mehr als eindeutig gewesen. Sakura stand ebenfalls auf. „Darf ich Euch begleiten?“ Er warf ihr einen Blick zu und nickte unmerklich, so dass Sakura fast meinte, es sich nur eingebildet zu haben. Der Samurai schenkte ihr keine weitere Aufmerksamkeit sondern schritt schweigend durch den Raum. Den anderen nickte er nur kurz zu, aber das waren sie von ihm ja schon gewohnt. Er war niemand vieler Worte, fast schon unheimlich, da man nie wusste, was in seinem Kopf vorging. Sie war diesen Gang unzählige Male entlang gegangen, sie kannte ihn so gut, als wäre dies hier ihr zu Hause. Vermutlich hätte sie sogar blind hindurch gefunden. Aber jetzt war er dunkel und kalt. Ganz anders als sie ihn kannte – unheimlich und finster. Ihre Schritte strichen über den glatten Boden. Kein Geräusch. Sie war wahrlich gut darin unsichtbar zu sein. Wenn sie es wollte, war sie unsichtbar, wenn sie es wollte, konnte sie das verbergen, was sie nicht preisgeben wollte. Die dunkle Gestalt Shinos ging mit federnden, starken Schritten vor ihr. Sein Umhang flatterte ihm um den hochgewachsenen Körper herum und seine Hand lag auf dem Schwertgriff seines Katanas. Sein Wakizashi, das Kurzschwert, hing nur ein Stückchen weiter unten an seiner Hüfte. Seine Haltung verriet nichts. Sie begegneten niemanden. Das ganze Gasthaus schien bereits zu schlafen und in der Umgebung von Chiyos Teestube war es sowieso meistens ruhig um die Gäste nicht zu stören. Sakura hielt erst an, als Shino sich zum Boden beugte und nach seinen Getas griff. Sie waren jetzt fast beim Ausgang und der Samurai machte Anstalten hindurch zu gehen ohne sie noch einmal zu beachten. „Es war sehr schön heute“, sagte sie leise. Der junge Mann drehte sich um, blickte sie an. Ausdruckslos. Wachsam? „In gewisser Weise“, sagte er langsam. Sakura lächelte. „Ich freue mich immer, wenn jemand möchte, dass ich ihm Gesellschaft leiste.“ Keine Antwort. Er drehte sich zur Tür, als hätte er sie nicht gehört. „Ich freue mich besonders, wenn Ihr da seid“, machte sie ihr Anliegen deutlicher. Shino hielt inne, sein Rücken war durchgestreckt wie zum Sprung bereit ... Durch die Tür wehte ein eisiger Luftzug und sie konnte den Regen hören, der jetzt noch stärker auf die Erde niederging. Ein endloses Geprassel fallender Regentropfen. „Was willst du von mir?“ Seine Stimme klang misstrauisch, als wittere er Gefahr. Sakura trat näher auf ihn zu. Es war ihr vollkommen bewusst, dass er ein Stück zurückwich. Sie wusste, wie sie ihre Reize und ihr Auftreten einzusetzen hatte, um einen Mann zu verunsichern. Nur war es bei Shino eindeutig viel schwieriger. Schweigen bedeutete meist ein viel tieferes Verständnis, als unbedachte Worte. Die Maiko streckte ihre Hand nach seiner aus und legte etwas hinein. Schloss seine Finger darum. „Was ich will?“, flüsterte sie, „das ist ein Geheimnis.“ Er sah sie nicht an, er öffnete seine Hand auch nicht. Nicht mal mehr einen letzten Blick gönnte er ihr. Noch ein letztes Zögern, ein letztes Zucken seines Körpers. Dann verschwand er in den verregneten Gassen der kleinen Stadt. - ~ ♥ ~ - Als sie zurückkam hatte sich der Raum bereits geleert. Iruka war fort und Chiyo schien etwas holen gegangen zu sein. Ibiki saß auf seinem Kissen und beobachtete Hayate und Yugao. Diese saß noch genauso gerade und grazil auf ihrem Platz wie zu Anfang. Die Geisha hatte sich zu Hayate vorgebeugt und schien ihm flüsternd eine Geschichte aus ihrer Jugend zu erzählen. Sein Gesichtsausdruck war ruhig und gelassen, er machte den Eindruck, als höre er ihr gern zu. Aber was Yugao davon hielt, konnte sie nicht sagen. Sakura wusste nie, woran sie bei ihr war. Einen Moment überlegte sie, was sie tun sollte. Unsicher verharrte sie auf der Stelle, wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Zögernd schloss sie die Tür hinter sich und setzte sich auf ihr Sitzkissen. Sie sahen auf, Yugao warf ihr einen fragenden Blick zu und Hayate versuchte die Andeutung eines Lächeln. Die Geisha hatte sie noch immer fixiert und Sakura nickte zur Bestätigung ihrer ungestellten Frage. Yugao lachte. Es klang so hell und wohlklingend wie Vogelgezwitscher. „Was machst du für ein ernstes Gesicht, kleine Schwester?“ Sofort lagen alle Blicke auf ihr. Zögerlich breitete sich ein leichtes Lächeln auf Sakuras Zügen aus. „Es tut mir leid, Schwester, ich war ein wenig in Gedanken.“ „Wie sieht es denn draußen aus, irgendwelche Veränderungen?“, wandte Ibiki sich an Sakura. Sakura schüttelte sacht den Kopf. „Es ist, als hätten die Götter die Tore des Himmels geöffnet und wollten die Erde überfluten.“ Ärgerlich spannte der großgewachsene Mann die Muskeln an. „Das darf doch nicht wahr sein. Ich wollte trocken zu Hause ankommen.“ „Wir können Ihnen einen Schirm mitgeben, Morino – San“, sagte Yugao. „Na, so verweichlicht bin ich dann auch wieder nicht. Ist gut, Yugao.“, winkte er ab. Ein Donnergrollen unterbrach ihn. Yugao lächelte amüsiert. „Nun gut, das müsst Ihr selbst entscheiden, Morino – San, aber ich habe Euch gewarnt.“ „Das habe ich bereits“, sagte er ruppig, „das ist ein ungeschriebenes Gesetz, man muss immer bereit sein. Ich habe mir nie Zeit genommen, mich auf irgendetwas vorzubereiten.“ Ein Geräusch unterbrach ihn ein zweites Mal, als Chiyo die Tür aufschob. „Oh, Sakura-San. Das ging ja schnell. Tut mir leid für die Verspätung, meine Herren-“, sie stutzte. „Sind Aburame-San und Umino - San schon gegangen?“ „Schon seit einer Viertelstunde“, sagte Hayate. „Bei dem Unwetter?“ Sie schüttelte den Kopf. Ein Krachen durchbrach die Stille. Ein Lichtblitz erhellte die verregneten Straßen, so dass man ihn sogar durch das kleine Fenster im Gang gegenüber sehen konnte. Dann folgten mehrere Dinge zugleich. Jemand polterte den Gang entlang, dann hörte man wütende Stimmen. „Gehen Sie wieder, wir haben genug Gäste.“ „Wollen Sie uns bei dem Wetter etwa draußen lassen, guter Mann?“ Der erste Mann schien zuerst verunsichert, wiederholte dann aber noch einmal: „Wir haben nichts frei.“ „Soll ich uns ein Quartier besorgen, Meister?“, fragte eine dritte Stimme mit eisigem Nachdruck. „Lass gut sein, sagen Sie Chiyo-San, ein alter Freund ist hier. Wir warten.“ Der erste Mann schien zwar noch zu zögern, aber dann hörte man Schritte, die eilig über den Boden liefen. Jemand hastete durch den Gang und kam nur mit Mühe zum Stehen. Chiyo runzelte die Stirn. „Was ist Ebiso? Soll ich dir mal zeigen, wie man ungebetene Gäste abwimmelt?“ „Nichts gegen Euch, Chiyo-San, aber dieser hier meint, er wäre ein alter Freund“, sagte der Mann. Die alte Frau runzelte die Stirn. Sakura konnte sich gut vorstellen, dass sie darüber nachdachte, wer um die Uhrzeit vor ihrer Tür stand. Soweit sie wusste, hatte ihre Stiefmutter nicht sehr viele Freunde gehabt, was es darum nur umso seltsamer machte. Chiyo wandte sich an ihre Gäste: „Entschuldigen Sie bitte die Umstände.“ „Sagen Sie Bescheid, wenn ich mich der Sache annehmen soll“, antworte Ibiki, dessen Stimme den ganzen Raum auszufüllen schien. Hayate nickte nur und Yugao lächelte, wie immer nichtssagend. Chiyo drehte sich um und verschwand mit Ebiso um die Ecke. Die Tür blieb halb offen stehen. Schweigend starrten die Anwesenden auf den Flur, konnten aber natürlich nichts sehen. „Derjenige, der Chiyo-San zu so einer Zeit stört, muss wirklich jemand besonderes sein“, durchbrach Yugao schließlich die Stille. „Viele kommen da nicht in Frage“, erwiderte Hayate. Wieder war es still und die Anwesenden lauschten auf Stimmen, anhand derer sie vielleicht erkennen könnten, was vorfiel. „Du!?“, konnte man Chiyo plötzlich aufgebracht von der Eingangstür hören. Sakura zuckte zusammen. Doch dieser Aussetzer war nur von kurzer Dauer und im nächsten Moment drückte sie auch schon wieder den Rücken durch und saß aufrecht auf ihrem Sitzkissen. „Das hört sich wahrlich nach einer Überraschung an“, hüstelte Hayate. „Wir werden sehen, wir werden sehen...“ Yugao klang ein wenig verunsichert, was Sakura bei ihr noch nie aufgefallen war. Vielleicht nahm der Abend eine Wendung, die sie nicht beabsichtigt hatte. Das gedämpfte Gespräch verstummte und man konnte deutlich die Schritte mehrerer Personen auf dem Flur hören. Sakuras Augen huschten zur Tür. Nichts. Eine Minute verstrich. Nicht ein Geräusch drang durch die Stille. Chiyo musste lange mit den Fremden reden. Sie warf Yugao einen fragenden Blick zu, aber die hatte ihre Aufmerksamkeit auf die hübsche Blüte, die in einer Schale mit Wasser auf dem Tisch stand, gerichtet. Schritte waren zu hören und Sakura horchte auf. Im Licht der Papierlaternen bewegten sich Schatten, die an den Wänden vorbeihuschten. Dann stand Chiyo plötzlich in der Tür. Mit ihr Ebisu und zwei Gestalten, die sich im Hintergrund hielten. „Ich denke, ihr werdet euch noch an Kakashi-San erinnern, Ibiki-San“, sagte sie gepresst. Der großgewachsene Mann stand auf. „Kakashi?“ Hinter Chiyo trat ein mittelälterlicher Mann hervor. „Oh Ibiki, ich wusste gar nicht, dass du hier bist.“ „Lebst du also immer noch?“, gab Ibiki zurück. Kakashi beachtete ihn nicht. „Würdet ihr mich den Herrschaften vielleicht vorstellen Chiyo-San?“ Diese runzelte die Stirn und kniff die Lippen zusammen. So wie es aussah ... mochte sie ihn nicht besonders. Die alte Frau drehte sich zu dem schlanken Mann um. Sakura betrachtete ihn genauer, er war recht groß und hatte silbergraues Haar, dass ihm nass ins Gesicht fiel. Sein linkes Auge war von einer Narbe durchzogen und er trug einen schlichten Kimono, der klitschnass an ihm klebte. Aus den Augenwinkeln fiel ihr Chiyos Blick auf mit dem sie missbilligend die Wasserspur auf dem Boden betrachtete. Ihr Blick glitt auf die beiden Schwerter, die er an der Hüfte trug. Sakura erschrak und wich unwillkürlich ein Stück zurück. Ein Samurai! Ein Mörder, ein Unterdrücker, ein Krieger! Sie spürte, wie ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmerte. Außer Shino hatte sie noch nie einen gesehen, allerdings nahm sie an, dass nicht alle so ruhig und berechnend waren wie er. Aber ... er wirkte nicht so blutrünstig, wie man ihr Samurai immer beschrieben hatte. Oder war das nur eine Täuschung? Ein freundliches Gesicht hinter dem sich sein wahres Wesen verbarg? Chiyo unterbrach ihre Gedanken. „Nun, Ibiki-San kennt Ihr ja schon, das ist Hayate Gekko.“ Betreffender nickte ihm kurz zu, „ Yugao Uzuki -“ die schöne Geisha schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln „-und Sakura Haruno, sie ist meine Tochter und Erbin. Sie wird ebenfalls eine Geisha.“ Kakashi sah sie an und Sakura konnte rein gar nichts aus seinem Blick herauslesen. „Eine Geisha?“ „Ja, Kakashi-San.“ Sie merkte selbst, wie ihre Stimme zitterte. Der Samurai wollte noch etwas sagen, aber er wurde unterbrochen. „Können wir nicht endlich unser Quartier aufsuchen, Meister? Wir können morgen immer noch Bekanntschaften schließen.“ Aus dem Hintergrund trat ein junger Mann. Das Licht der Laterne, die hinter ihm hing, beleuchtete nur spärlich sein blasses Gesicht und malte gespenstische Schatten in seine Züge. Er war etwa mittelgroß und schlank, außerdem trug er einen dunkelblauen, fast schwarzen Kimono. An seiner Hüfte hingen ein kurzes und ein länglicheres Schwert, ein pechschwarzes Katana und ein kleineres Wakizashi. Der fremde, junge Mann war ebenfalls unverkennbar ein Samurai. Er neigte ein wenig den Kopf um Kakashi seine Aufmerksamkeit zu schenken, aber gleichzeitig nahm er noch sämtliche Bewegungen der Menschen vor ihm wahr. Seine kinnlangen, schwarzen Haare klebten ihm nass in der Stirn, aber seine Haltung war tadellos, aufrecht und mit einer Note von Stolz versehen. Der Samurai sah alle Menschen vor ihm prüfend an. Schließlich verharrte sein Blick bei ihr. Sakuras Herzschlag beschleunigte sich und die Nervosität zuckte, wie ein elektrischer Blitz durch ihren Körper bis in ihre Fingerspitzen. Seine Augen waren onyxschwarz und so kalt, wie sie es noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Sakura konnte nichts in seinem Blick erkennen, keine Freude, keine Überraschung oder Wut. Da war nichts ... nur Leere. Und trotzdem waren die Augen des Fremden so mysteriös, dass sie sich nicht abwenden konnte. Was war es, dass sie so sehr verwirrte? Wie konnte er sie so völlig in seinen Bann ziehen? – Sie war eine Maiko, niemand konnte eine Geisha oder eine Maiko so verunsichern. So jemanden durfte es nicht geben. Sie war eine Täuschung, wie durfte es da jemanden geben, den sie nicht durchschauen zu vermochte? Schließlich wandte er sich ab, doch Sakuras Blick war nach wie vor auf ihn gerichtet. Sie bemerkte nicht, wie ein erschrockener Ausdruck eine Winzigkeit lang in Yugaos Augen aufflackerte, nicht wie sich ihre Hände verkrampften ... Es war fast, als würde etwas in diesem Blick sie wachrütteln, aus einem tauben Schlaf erwecken und sie unbarmherzig in die Wirklichkeit zurückzerren. Sakura hatte sich noch nie in ihrem Leben so lebendig gefühlt, so ... voller Anspannung in ihrem Körper. Oder war das nur ein Ausdruck in den Augen eines Kriegers? Oder war das nur bei ihm so? Tausende Fragen schwirrten auf sie ein. Und sie fand zu keiner eine Antwort. Sagte man nicht, die Augen eines Menschen wären die Spiegel seiner Seele? Falls es stimmte, dann war er der einzige dessen Blick sie nicht entschlüsseln konnte. Sie, die sich damit gebrüstet hatte, das Wesen der Menschen auf einen Blick durchschauen zu können. Ein leichtes Lächeln trat auf seine Züge. Die kleinen Härchen auf ihren Armen stellten sich auf, Sakura spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Kakashi nickte dem jungen Samurai zu und wandte sich dann an die Anwesenden: „Entschuldigt bitte, dies ist mein Schüler, Sasuke Uchiha.“ ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ 29.09.08 Willkommen zu meiner neuen Fanfiction Mondfinsternis. Ob nun lang erwartet oder nicht, ich freue mich, dass ihr hierher gefunden habt. Wie ich bereits den Samurai - lesern angekündigt habe, entsteht auf besonderen Wunsch jetzt eine Nebengeschichte, die sich hauptsächlich um Sasuke X Sakura handelt. Allerdings kann ich auch schon von vornherein bekannt geben, dass diese Fanfiction mit 7 Kapiteln abgeschlossen sein wird. Außerdem kann es durch diverse Projekte, Schule und Ausbildungssuche zu längeren Pausen und Verzögerungen kommen. Doch ich hoffe, es entsteht ein Ausgleich, da meine Kapitel normalerweise die durchschnittliche Länge überschreiten. So nun ein wenig zum Inhalt. Solche Gedanken in der Ich-Perspektive von Sakura wird es in jedem Kapitel am Anfang geben. Sie zeigen ihren heutigen Blick auf die Vergangenheit und sind hoffe ich, ein Anspruch weiterzulesen. Die gesamte Fanfiction widme ich & , die mich beide sehr unterstützt haben und große SasukeXSakura - fans sind. Desweiteren zählen sie zu meinen treuesten Lesern und auf ihren Wunsch hin, entstand mein Konzept für diese FF. Ich hoffe, sie wird euch gefallen. Desweiteren bedanke ich mich bei , die so freundlich ist, für diese FF meine Betaleserin zu sein. Dankeschön. Wer eine ENS möchte, wenn es weitergeht, kann sich per Kommentar oder ENS bei mir melden. Über Kommentare, Lob und Kritik freue ich mich natürlich wie jeder Schreiberling. lg moonlight_005 Kapitel 2: Das Herz aus Eis --------------------------- - ~ ♥ ~ - Spiegelndes Wasser, tief und undurchdringlich, wie das Meer. Voller Facetten und Geheimnisse, die niemand zu entschlüsseln vermag. Mal aufgewühlt und zornig, dann glatt und rein, als wäre nichts geschehen. Grausam und sanft. Mutig und feige. Jung und alt. Tag und Nacht. Ein Spiegelbild voller Gegensätze. Das war es, wie ich ihn beschrieb. - ~ ♥ ~ - Am nächsten Tag hatte Sakura die merkwürdige Begegnung mit den Samurai am Abend zuvor, weitgehend aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Es war nichts Besonderes, dass Samurai in der Herberge ihrer Ziehmutter übernachteten. Einzig die Tatsache, dass sie dem bohrenden Blick Sasuke Uchihas nicht standhalten konnte, hatte sie aufgewühlt. Eine Geisha durfte nichts aus der Bahn werfen. Eine Geisha war schön und erhaben; in jeder Situation hatte sie ihre Gefühle unter Kontrolle. Sakura scheuchte die unerwünschten Gedanken beiseite und breitete die Arme aus, als Ebisu um sie herum ging und prüfend mehrere Stoffe um ihre Taille wickelte. Sie trug bereits einen lindgrünen Kimono, doch der Kimonoschneider war noch immer nicht mit der Farbwahl ihres Obis zufrieden. Eine Geisha war immer perfekt. Sie zeigte nicht einen einzigen Augenblick lang etwas anderes, als unvergleichliche Schönheit. Ebisu hob eine Augenbraue und kniff dann die Lippen zusammen. Resignierend schüttelte er den Kopf und griff nach einem dunkelbraunen Obi mit roséfarbenen Blüten. Sakura drehte sich elegant auf den Fußballen und der Mann band den Kimono geschickt zusammen. Nachdem Sakura der alltäglichen Prozedur schon überdrüssig geworden war, hellten sich endlich Ebisus Augen auf und er nickte anerkennend. „Sehr hübsch, Sakura-San. Es steht Ihnen ausgezeichnet.“ Sakura neigte leicht den Kopf und lächelte ihn höflich an. „Vielen Dank, Ebisu-San.“ Der Mann ging um sie herum und dann in Richtung Tür. Er legte die Hand an den Türrahmen und drehte sich dann noch einmal um. „Yugao-San hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass sie Euch sprechen möchte. Geht am besten gleich zu ihr, wenn Ihr fertig seid, Sakura-San.“ „Ja, das werde ich.“ Ebisu nickte und verbeugte sich leicht vor ihr. Dann verließ er den Raum. Es war unerwartet still, als er den Raum verlassen hatte. Das Zimmer war in warmen Farben gehalten und reich möbliert. Auf manchen Kästchen standen Räucherstäbchen und in der Ecke war ein Vorhang hinter dem sie sich ankleiden konnte. Davor lag ein Stapel mit den herrlichsten Stoffen, die wunderschöne Muster aufwiesen. Durch die Fenster drang Licht herein und tauchte den Raum in warmes Licht. Langsam drehte Sakura sich um, ging zu einem Kästchen, das auf einem kleinen Tisch mitten im Raum stand. Wie in Zeitlupe ließ sie sich zu Boden gleiten. Nicht einmal das geschah mit Eile. In Sakuras Leben folgten alle Dinge einer leisen Harmonie. Nicht laut, aber so bestimmt, so dass alles im Gleichgewicht blieb. Die Ruhe erfüllte sie zu jedem Moment, niemals würde sie die Fassung verlieren. Die junge Frau öffnete das Kästchen und nahm einen breiten Pinsel heraus, den sie in eine Dose mit weißer Schminke tauchte. Die Farbe hatte einen Geruch, der an Öl erinnerte und sofort in der Nase stach. Doch als sie den Pinsel über ihre Wange strich, merkte sie nichts mehr davon. Es gehörte zu ihr, wie sie ihre Augen zum Sehen brauchte und ihre Füße zum Gehen. Es war ein Teil von ihr. Ihr Gesicht wurde weiß, so hell, so dass es fast ein wenig an vollkommene Unschuld erinnerte. Sakura spürte, wie die Borsten über ihre Wange fuhren, wie sie über ihr Ohrläppchen strichen. Langsam wurde sie zu Sakura Haruno, der Frau, die sie in der Öffentlichkeit war. Sie legte den Pinsel weg und nahm sich einen neuen, dünneren. Sanft strich sie über ihre Lippen und bemalte sie mit einem satten Weinrot. Zuletzt nahm sie einen Kohlestift und zog ihre Augenbrauen nach, die sie dem Schönheitsideal gleich ein wenig höher als üblich ansetzte. Sakura blickte in den Spiegel, den sie ebenfalls aus dem Kästchen genommen hatte. Jemand anderes, dachte sie. Das war nicht mehr ihr wirkliches Ich, das war nicht mehr Naoko. Sakura. Ein lieblicher Name, der die Menschen an Frühling und Reinheit erinnerte. Sie war wie ein Schmetterling, der langsam aus seiner Metamorphose erwachte. Aber war das richtig? War jetzt Sakura oder Naoko ihr wahres Ich? Wurde sie zu jemand anderen, wenn sie eine Geisha war oder blieb sie tief in ihrem Herzen immer noch dieselbe? ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Yugao hatte diesen starren Blick aufgesetzt, der auf der Stelle in der Lage war jemanden zu durchbohren, so hart und unnachgiebig, wie es Sakura noch bei keinen anderem Menschen erlebt hatte. Die Geisha entzündete ein Räucherstäbchen, das auf den Tisch zwischen ihnen stand. Der Rauch stieg auf und tauchte die Luft zeitweise in einen grauen Dunst. „Ich habe dir etwas zu sagen, Sakura.“ Sakura blickte sie an und an der Art, wie es die ältere Frau sagte, merkte sie, dass es sich um etwas Ernsteres handelte. „Gestern hast du Shino Aburame das Angebot gemacht dein Mizuage-Danna zu werden. Du hast Hayate Gekko dieselbe Aufmachung gemacht, aber irgendetwas in mir weckte Zweifel. Beide sind rechtschaffene Männer, doch fehlt es ihnen an der nötigen Verbissenheit, die ein Mann aufbringen sollte, wenn er der Mizuage-Danna einer so vielversprechenden Geisha werden möchte.“ Die schwarzen Augen Yugaos schienen Sakura zu durchbohren, als wäre es ihr Verschulden, das alles einen anderen Lauf nahm, als sie erwartet hatte. „Das brachte mich zu einer weiteren Option, einer Möglichkeit, die vielleicht gefährlich sein könnte. Sowohl für mich, als auch für deine Karriere. Doch wenn sie gelingt, wird dein Leben gesichert sein.“ Es folgte eine Weile, in der niemand etwas sagte. Für einen Moment verspürte Sakura Angst. Yugao war in wichtigen Dingen unerbittlich, ließ nur ihre eigene Meinung gelten und verbot ihr den Mund sobald sie auch nur einen winzigen Einwand erhob. Sie spürte, wie ihre Lippe zitterte, wie ein elektrischer Impuls durch ihren Körper jagte. „Wo...Worin besteht diese Möglichkeit, Onee-San?“ Lange sah Yugao sie an, eine winzige Sekunde lag so etwas wie Unsicherheit in ihrem Blick. Die dunkelblauen Augen waren starr auf die ihren gerichtet und ihr Körper war wie versteinert. Sie regte nicht einen einzigen Muskel, sah sie nur unverwandt an. In diesem Augenblick begriff Sakura, was ihren Erfolg ausmachte. Vollkommene Beherrschung. Undurchschaubarkeit … Schließlich seufzte die Geisha. „Du wirst Hatake Kakashi ebenfalls in den Kreis deiner Bewerber aufnehmen. Er ist ein Mann von Kämpfernatur, er hasst es zu verlieren. Er wird die anderen anspornen, ebenfalls sehr hoch zu bieten. Wenn du zu einem ruhigen Pol einen stürmischen akzentuierst, erlangst du ein Gleichgewicht. Beide Seiten werden versuchen sich auszuschalten und in diesem Kampf wird es zu einer Ausgeglichenheit kommen, die dir vorteilhaft ist.“ „Was bedeutet das, Onee-San? Kakashi-San wird nicht lange hier bleiben.“ „Doch das wird er.“, widersprach Yugao, „Aus verlässlicher Quelle weiß ich, dass er seinen Schüler, Sasuke Uchiha, so lange wie möglich vom Einfluss seiner Familie fern halten will.“ Sakura schwieg. Sie hatte Kakashi nur ein einziges Mal gesehen und nun sollte diese Begegnung ihr Leben bestimmen? Er war viel älter als sie … „Er ist ein ehrbarer Mann, Sakura. Ein geachteter Samurai und ein gerechter Mensch“, sagte Yugao, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. Sakura sagte immer noch nichts, starrte aus dem Fenster. Zum ersten Mal wagte sie so etwas wie einen leichten Einwand, einen schweigenden Protest, wenngleich kein einziges Wort über ihre Lippen kam. Yugaos Blick wurde sanft, verständnisvoller. „Wir sind Geishas, Sakura. Niemand fragt, ob wir etwas wollen oder nicht. Wir sind keine normalen Frauen, die sich das aussuchen können, was sie möchten. Wir leben und sind gleichzeitig tot. Wir erblühen für diejenigen, die wir in unsere Welt verführen wollen und verwelken, wenn die Zeit gekommen ist, Abschied zu nehmen. In unserer Welt haben wir keinen eigenen Willen, sei dankbar, dass du Glück in der Auswahl deines Mizuage-Dannas hast.“ Sakuras Blick wurde wieder klarer und zugleich wusste sie, dass sie nie eine Wahl gehabt hatte. Yugao hatte recht. Eine Geisha zu sein bedeutete, sich vollkommen hinzugeben. Für sie würde es niemals einen Ausbruch aus diesem Leben geben. Gehorsam nickte die junge Frau. Sie durfte nicht mehr zweifeln. Sie hatte eine Aufgabe, die sie erfüllen musste. „Ich werde Euch nicht enttäuschen, Onee-San.“ Yugao streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus und fuhr ihr zärtlich über die Wange. „Ich weiß, Sakura, ich weiß.“ Doch zugleich war ihr Blick ein wenig traurig. „Heute Abend, wenn die Sonne im Zenit steht, gehst du zu ihm.“ ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Die lauwarme Abendluft fuhr durch die Blätter der Bäume. Blätter wirbelten durch die Luft und aus der Ferne konnte sie das Gelächter von Kindern hören. Der Wind umschmeichelte sanft ihre zierliche Gestalt, wehte leicht ihren Kimono auf. Die Straßen waren eigenartig ruhig oder bildete sie sich das nur ein, weil sie Zeit zum Nachdenken brauchte und nun selbst in ein inneres Schweigen verfallen war? Sakura schloss kurz die Augen und hielt ihr Gesicht der untergehenden Sonne entgegen. Mit den Händen hielt sie einen hübschen Papierschirm umklammert, auf dessen Oberfläche hübsche Blüten gedruckt waren. Sie ging durch eine beiderseits von Bäumen gesäumte Allee, die menschenleer war. In ihr war etwas angebrochen, Fragen, die sie früher nicht einmal zu denken gewagt hätte. Ihre Welt war ins Wanken geraten. War es denn nicht richtig, dass sie zur Geisha werden würde? Es war ihre Bestimmung, dass was sie sein würde. Ging es jedem Mädchen so, wenn sie unwiderruflich ihr Schicksal bestimmte? Sakura dachte an Zwangsehen und Prostitution. Wenn sie sich mit ihnen verglich, hatte sie wirklich viel Glück gehabt. Chiyo-San hatte sie aufgenommen, ohne einen Grund. Ohne irgendetwas zu haben, außer ein reines Gewissen. Sakura hielt inne, klappte den Schirm zusammen. Dann ließ sie sich elegant auf einer Bank nieder, die am Rande der gepflasterten Straße stand. Was wollte sie? Niemals zuvor hatte sie sich erlaubt, diese Frage zu stellen. Niemals auch nur, um darüber nachzudenken. Eigene Gedanken und Philosophien blieben ihr versagt. Sie hatte ihr Leben so zu gestalten, wie man es von ihr erwartete. War sie schwach geworden, weil sie zweifelte oder war sie im Recht und man verbot ihr darüber nachzudenken? Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie unsicher. Ob der Weg einer Geisha passend für sie war, ob es richtig war? Ein Sonnenstrahl durchbrach die Wipfel der Bäume und fiel auf ihr weißes Gesicht. Warum dachte sie eigentlich darüber nach, wenn ihre Entscheidung doch schon längst gefallen war? Sie würde sich nicht gegen Yugao wenden. Niemand wandte sich gegen Yugao. Sie musste perfekt sein. Immer und immer wieder wurde von ihr erwartet, perfekt zu sein. Nichts durfte sie aus der Fassung bringen. Sakura legte den Schirm neben sich und nahm stattdessen das Kästchen in die Hände, das sie bei sich getragen hatte. Sie öffnete den Deckel und betrachtete das Ikubo. Das dritte Mal … Lange saß sie so da und dachte nach. Erst als die Sonne den Horizont berührte, kehrte das Leben in ihr zurück. Sie erwachte aus ihrem Innehalten. Sie kam zurück aus einer gedanklichen Welt, in die nur sie eindringen konnte. Ein Schatten fiel auf ihre Gestalt, verdunkelte den Himmel und nahm ihr die wunderschönen orangefarbenen Lichtstrahlen des Abends. „Guten Abend, Sakura-San.“ Die junge Maiko schrak auf und sah erschrocken in die Augen eines älteren Mannes, den sie von einigen Besuchen im Teehaus her kannte. Sie hatte … seine Schritte nicht bemerkt … Sakura blieb stumm. „Erinnert Ihr Euch an mich?“, fragte er. Verwirrt schüttelte sie leicht den Kopf. Wer war dieser Mann? Sie erinnerte sich nicht mehr an seinen Namen. „Yoroi Akado.“ Er lachte. „Na ja, ich habe auch nicht erwartet, dass Ihr euch ausgerechnet an mich erinnern würdet. Bei einer Geisha weiß man schließlich nie, was sie denkt.“ „Ich bin eine Maiko“, sagte Sakura leise. „Dann sind die Gerüchte also wahr? Ihr seid auf der Suche nach einem Mizuage-Danna.“ „Die Leute reden viel“, antwortete sie. „Ihr sprecht in Rätseln. Ihr gebt mir weder ein Nein, noch ein Ja. Ihr denkt bereits, wie eine wahre Geisha.“ Der Mann lächelte und Sakura schoss ein Schauer über den Rücken. Dann setzte er sich dicht neben sie auf die Bank. Yoroi Akado war ein mittelgroßer Mann, der kurzes, schwarzes Haar hatte und wässrige Augen. Seine Finger waren schmutzig und auch sein Kimono schien schon bessere Zeiten gesehen zu haben. Er drehte ihr Kinn zu sich herum und flüsterte ihr etwas zu. Was, wenn ich … Sakura zuckte zurück, wollte aufstehen und davonlaufen, doch als sie aufstand, hielt er ihr Handgelenk umklammert. Er zog es zurück, streifte den langen Ärmel weg und roch an der Unterseite ihres Armes. „So schön“, flüsterte er anzüglich, „ich beneide den Mann, der das bekommen wird. Aburame oder Gekko. Habt Ihr gewisse Vorlieben, Sakura-San?“ Verzweifelt versuchte Sakura sich zu befreien, zog und zerrte an seinem Griff, der sie nicht freigab. „Bitte lasst mich gehen Akado-San“, flüsterte sie. „Ihr habt es sehr eilig, Sakura-San.“ „Lasst mich gehen!“ „Habt ihr etwa Angst vor mir?“ Spöttisch musterte er die junge Frau. Plötzlich hörte Sakura, wie sich jemand näherte. Die Schritte waren fast lautlos, aber so bestimmt, wie der Gang eines Soldaten. Ihre Augen folgten dem Geräusch und auch Yoroi hielt für einen Augenblick inne. Ein dunkler Schatten ging ihm die Straße voraus. Sasuke Uchiha betrachtete ausdruckslos das Schauspiel vor sich. Ohne eine Reaktion sah er sie an, als würde er sie stumm fragen, wie sie in diese Situation geraten war. Yoroi musterte er mit einer Mischung aus Arroganz und Überlegenheit. „Es gehört sich nicht, eine Frau anzufassen, wenn sie es nicht will“, sagte er. „Wer sagt, dass sie es nicht will?!“, entgegnete Yoroi. „Es ist offensichtlich.“ Wütend musterte der Mann den Samurai. „Euch hat niemand nach Eurer Meinung gefragt.“, fuhr er ihn an. „Und Euch ebenso wenig“, sagte der Samurai. Yoroi stand auf und stieß Sakura von sich. Als sie ihr Handgelenk betrachtete, sah sie, dass es von roten Striemen übersäht war. Ihr Demütiger hatte seine Macht über sie in vollen Zügen ausnutzen wollen. „Wollt Ihr mich etwa herausfordern?“, fragte Yoroi gefährlich leise. „Nur, wenn Ihr mich zuerst herausfordert.“, entgegnete der Samurai. „Diese Arroganz wird Euch teuer zu stehen kommen!“, knurrte er, zückte ein langes Messer, was er in seinem Gewandt verborgen gehalten hatte und ging langsam auf ihn zu. Sasuke Uchiha bewegte sich nicht und Sakura, die auf der Erde kauerte, hielt den Atem an. Sasuke Uchiha hatte die Augen geschlossen. Yoroi war nur noch wenige Meter von ihm entfernt und blinzelte ihn zornig an. Langsam fuhr die Hand des Samurai zu seinem Schwert. Ohne die Augen zu öffnen, zog er es in einer fließenden Bewegung halb aus der Scheide. Die Klinge war so schwarz wie seine Augen und so scharf, dass Sakura allein der Anblick in Angst versetzte. Dann hob er langsam die Lider. „Ihr könnt noch zurück.“, sagte er gefährlich leise, „Ich habe mein Schwert nicht gezogen, also muss ich es nicht gegen Euch einsetzen.“ „Ich verabscheue Euch und Eure Prinzipien, Samurai, damit schüchterst du mich nicht ein!“ Und mit einem wilden Schrei stürzte er sich auf ihn. Im gleichen Moment schlug Sakura sich die Hände vor die Augen und der Samurai zog die schwarze Klinge vollständig aus der Scheide und blockte den halbherzigen Hieb des Dolches. Ihre Gesichter waren sich näher, als sie es beabsichtig hatten. Dass von Yorois war von Zorn verzogen, Sasukes völlig ausgeglichen. Das Metall erzeugte ein grässliches Kreischen und im selben Moment beugte Sasuke sich vor. „Dein Leben gehört mir“, flüsterte er. Die beiden Waffen stießen auseinander und Yoroi taumelte ein paar Meter zurück. Yoroi brach der Angstschweiß aus und als er sich aufrappelte stand Sasuke Uchiha kurz vor ihm. Vollkommen beherrscht. „Wer… wer seid Ihr?“, flüsterte er, als er zu ihm aufblickte. Der Samurai bewegte sich nicht. Sasukes ganzes Auftreten war von Macht erfüllt, jede Bewegung, jedes Wort war so machtvoll, dass Sakura wie erstarrt war. Verachtend blickte Sasuke Uchiha auf den Mann herab. „Sasuke Uchiha, Erbe der mächtigsten Samuraifamilie, die es gibt. Ihr seid kein Gegner für mich.“ Yoroi starrte Sasuke Uchiha an, war bewegungslos. Plötzlich, als hätte er einen Geistesblitz gehabt, rappelte er sich auf und rannte mit gezückten Dolch auf den Samurai zu. Schneller als mit den Augen zu sehen, wich Sasuke nach links aus. Im nächsten Moment führte er einen Schwerthieb in einem mittleren Bogen an und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Er machte eine komplizierte Drehung, drehte sich einmal um die eigene Achse und rammte ihm die schwarze Klinge in die Brust. Yorois Augen weiteten sich, als er registrierte, was mit ihm geschah. Der Samurai zog die Klinge aus seinem Körper und Yoroi sackte hustend am Boden zusammen. Das Blut durchweichte seine Kleidung und ein weinroter Fleck breitete sich auf seiner Brust aus. „Was tut Ihr da?!“ Trotz ihres Widerwillens hatte Sakura jedes Detail des Kampfes mit angesehen. Ganz langsam drehte sich Sasuke zu ihr um, mit eiskaltem Blick fixierte er sie. „Ich verteidige meine Ehre", sagte er. Sein Blick huschte zu ihrem Handgelenk. „Und die Eure…“ Auf einmal brach ein Laut durch die Stille. Yoroi stemmte sich mit aller Kraft hoch. Sein Gesicht war schweißnass und sein Atem ging schwer. Mit glasigem Blick fixierte er beide. „Bitte … helft mir!“, flehte er. „Ich … ich kenne Euch an!“, sagte er zu Sasuke, „und Euch“ Er wandte sich an Sakura. „Ich werde Euch nie wieder belästigen, bitte …“ Der Samurai blickte voller Verachtung auf ihn herab: „Ihr habt keinen Funken Ehre im Leib.“ Er hob sein Schwert, das in der Sonne aufblitzte. Sakura registrierte nicht. Die schwarze Klinge schien von einer unheimlichen Schönheit umgeben zu sein. Sieben Sekunden verstrichen. Die Maiko riss die Augen auf. „Nein!“ Ungeachtet ihrer Stellung rappelte sie sich auf und schob sich zwischen den Samurai und sein Opfer. „Bitte…“, flehte sie, „Tötet ihn nicht!“ Sasukes schwarze Augen blieben unbewegt. „Geht zur Seite.“ Sakura antwortete nicht, sah ihn nur unverwandt an. Auf einmal flackerte etwas in seinem Blick auf. Er zog das Schwert zurück und berührte ganz vorsichtig ihre Wange, wischte eine Träne weg. „Jemand wie Ihr werdet mich nie verstehen. Geishas… Samurai… Wir sind uns gar nicht unähnlich. Wir alle leben nach strikten Regeln. Nur, dass der Unterschied zwischen uns darin besteht, dass ich mein Leben einsetze zu jedem Zeitpunkt.“ Ein grausames Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, dann neigte er sich dicht an sie heran, so dass seine Haare ihre Wange kitzelten. Sakura durchfuhr ein elektrischer Impuls und eine Welle der Angst überkam sie. Sasuke Uchiha war erbarmungslos. Er kannte keine Gnade. Das war es, was es bedeutete ein Samurai zu sein. „Seht weg“, flüsterte er. Dann wirbelte er herum und schlitzte Yoroi die Kehle auf. Sakura hörte ihren Schrei nicht, sah nur das Blut und die Leiche, die auf einmal auf der Straße lag. Der Samurai wischte sein Schwert an den Kleidern des Toten ab und steckte es dann zurück in die Scheide. Sie konnte nicht glauben, was geschehen war. Die Tränen rannen ihr übers Gesicht und sie wusste nicht einmal wieso. War es Sasukes Grausamkeit, die sie erschütterte oder war es immer noch die Angst vor Yoroi? Plötzlich berührte jemand ihre Hand. Reflexartig zog sie sie weg und sah gerade heraus in Sasuke kalte Augen. „Ich wollte nicht, dass Ihr das seht“, sagte er leise. Sakura antwortete nicht, weinte stumm. Vergessen war der Grund, warum sie her gekommen war. Da war nur der Tod, der so plötzlich in ihrem Leben auftauchte. „Es ist besser, wenn Ihr jetzt geht.“, sagte der Samurai, „Es ist genug.“ Und er sagte es in einer Art und Weise, die keinen Widerspruch duldete, nicht von ihr oder sonst jemandem. Er sah sie nicht als das an, was sie war. Für ihn war sie nur eine Frau, die er ein oder zweimal gesehen hatte und die auf einmal Gegenstand eines Kampfes geworden war. Zeugin seines Mordes. Sakura starrte in die schwarzen Augen und sie hasste es ihm so nah zu sein. Sie hasste ihn. Mörder... Sie drehte sich um und rannte. Rannte und rannte immer weiter, bis der Samurai hinter ihr nicht mehr zu sehen war. Sie vergaß das Kästchen, das für Kakashi bestimmt war und sie vergaß ihre Gedanken, die sie innerlich zerrissen hatten. Sie rannte, ohne auf die Menschen zu achten und hielt erst an, als sie glaubte in Sicherheit zu sein. Zu einer einzigen Erkenntnis gelangte sie: Sein Herz war so kalt wie Eis. ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * [24.12.2008] Willkommen zu Kapitel 2 ^^ Nach einer halben Ewigkeit, wie es euch vorkommen müsste, habe ich es in Rekordzeit geschafft dieses Kapitel zu schreiben. Ein Tag ^^ Ich habe mich selbst über mich gewundert. Hinzu kommt, dass es nicht ganz so lang ist wie sonst, aber ich denke es ist ebenso aussagekräftig wie eins meiner längeren. Und seit langem ist es mal wieder etwas, womit ich ziemlich zufrieden bin. Ich möchte mich außerdem für die Kommentare und Favoritenlisten-eintragungen bedanken. Immerhin schreibe ich über ein Pairing, womit ich mich jetzt so noch nicht auseinander gesetzt habe. Es ist mir daher wichtig konstruktive Kritik und natürlich auch Lob zu erhalten XD Danke auch an Deryanfürs Betalesen, das war echt lieb von dir ^^ *knuddel* Dieses Kapitel zielte vor allem darauf ab, Sasukes Grausamkeit darzustellen (Yoroi Akado war im Manga ein Oto-nin gegen den Sasuke bei der Chunin-Auswahl gekämpft hat -> Die meisten Charaktere habe ich ja in Samurai verbraten, sodass ich ein bisschen suchen musste ^^) und Sakura langsam Zweifel aufkommen zu lassen. Letztes Mal kam die Frage nach dem Ikubo, Reiskuchen, auf. Das ist ein Zeichen, dass eine Maiko einem Mann die Aufmachung macht ihr Mizuage-Danna zu sein, in dessen Mizuage-Zeremonie sie zu einer wahren Geisha wird. Das heißt ihre Jungfräulichkeit an diesen Mann verliert. (habe ich jetzt Hoffnungen in euch geweckt? XDD) Aber ich habe bewusst Kakashi ausgewählt... Einem aufmerksamen Leser wird allerdings nicht entfallen sein, dass sie das Kästchen liegen lässt ... Über Kommentare würde ich mich sehr freuen, auch von denen, die beim letzten Mal noch nichts geschrieben haben. In diesem Sinne wünsche ich euch noch: Frohe Weihnachten !!! hel moony Kapitel 3: Objekt der Begierde ------------------------------ - ~ ♥ ~ - Damals gab es eine Zeit, in der ich anders war. Ich war nicht länger nur eine Maiko; ich war Sakura Haruno, die Frau, der alle Blicke folgten. In dieser Zeit war ich der Mittelpunkt der Welt, unantastbar, schön, begehrt. … Vielleicht hat damals der Wandel in mir begonnen… - ~ ♥ ~ - In dieser Nacht konnte sie keinen Schlaf finden. Sakura lag wach und ihre Augen waren auf die Zimmerdecke aus dunklem Holz gerichtet. Der Mond schien in ihr Zimmer und seine Strahlen berührten sanft ihr Gesicht. Es war ein Zustand völligen Stillstandes und doch war sie aufgewühlter als jemals zuvor. Immer und immer wieder sah sie diesen unnachgiebigen Blick. Er war kein Mann, er war wie ein Dämon… Niemals zuvor hatte sie in den Augen eines Menschen so viel Hass gesehen. Die Maiko wusste zwar, dass dieser Hass nicht gegen sie gerichtet war, aber sie spürte noch immer die Energie seines Blickes, der sie innerlich verbrannte. War sie schwach, da sie ihm unterlegen gewesen war, oder weil sie nicht aufhören konnte darüber nachzudenken? Sakura drehte sich auf die Seite und ließ ihre Beine von ihrer Schlafmatte gleiten. Dann spannte sie die Muskeln an und richtete sich in einer einzigen Bewegung auf. Ihre nackten Beine glänzten silbern im Licht des Mondes, aber sie bemerkte es nicht, denn sie griff fast im selben Moment nach dem bronzenen Handspiegel, der neben ihrem Nachtlager lag. Sie atmete ein und stieß die Luft in einem einzigen Atemzug wieder heraus. Dann starrte sie auf die bronzene Rückseite des Spiegels und drehte ihn langsam herum. Die Zeit selbst schien stillzustehen, als sie in ihr Gesicht blickte. Sie war schön, vielleicht attraktiver, als sie es sich selbst gegenüber je eingestanden hätte, doch dann erinnerte sie sich an den Samurai, der eine solche Angst in ihr gesät hatte, dass sie vergessen hatte, wer sie war. In diesem Moment war er irgendwo im Haus, denn die Gaststätte war von nun an auch sein Zufluchtsort. Der Spiegel fiel ihr aus der Hand und zersprang in tausend Teile. Die Splitter verteilten sich auf dem ganzen Fußboden und Sakura blickte in hunderte winzige Spiegelungen ihrer selbst. In ihren Augen stand Angst… und noch etwas anderes… ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Das Teehaus war bereits voller Menschen, als Yugao und Sakura den Raum betraten. Doch die Gespräche hörten augenblicklich auf, als die Besucher Yugao erkannten und sie ehrfurchtsvoll betrachteten. Dann fiel den Meisten auch ihre Anwesenheit auf und die Leute begannen miteinander zu flüstern und mit dem Finger auf sie zu deuten. Sakura schauderte. Sie mochte es nicht, von allen beobachtet zu werden, vor allem nicht, da sie nicht wusste, was sie dachten. Yugao selbst schien die ihr gebotene Aufmerksamkeit nicht aufzufallen. Als ob es eine Selbstverständlichkeit war, schwebte sie durch den Raum und verlangte dann mit leiser Stimme, den Raum zu erfahren, wo sie Shino Aburame und dessen Vater Shibi Aburame, den Daimyo der westlichen Provinz und Oberhaupt der Aburame-Familie treffen würden. Sakura hatte Shinos Vater noch nie getroffen, aber Yugao hatte ihn schon oft unterhalten und unter ihrem Einfluss hatte er es schließlich für notwendig erachtet, auch seinen Sohn mit ihr in Kontakt zu bringen. Das sicherte zum einen Teil, dass Shino auch die Welt außerhalb der Kämpfe der Samurai kennen lernte und zum anderen das Ansehen und die Macht des Clans stärkte, denn Yugao gab sich nicht mit jedem ab. „Es ist uns eine Ehre, Euch hier wieder einmal zu begrüßen, Yugao-San“, riss sie die Stimme des Teehausbesitzers aus ihren Gedanken. Der Mann war klein, gedrungen und starrte Yugao mit so offener Bewunderung an, dass Sakura sich fragte, wie sie es schaffte, trotz allem so bemerkenswert gelassen zu bleiben. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Aoi-San“, erwiderte Yugao und schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln. „Und Sakura-san haben Sie auch mit gebracht“, fuhr er fort, wobei er sich ehrerbietend vor ihr verneigte und Sakura wie zur Bestätigung ebenfalls lächelte. „Es ist meine Pflicht als ihre große Schwester“, sagte Yugao und senkte in endloser Perfektion ihre Wimpern, wie um den Mann noch mehr in die Traumwelt der Geishas hinabzuziehen. Aoi strahlte übers ganze Gesicht, rückte dann seinen dunkelblauen Kimono zurecht und knetete seine Hände. „Wunderbar, wunderbar“, murmelte er, „wenn Ihr mir dann bitte folgen würdet?“ Yugao nickte und gab Sakura ein Zeichen, dem Mann zu folgen, der bereits vorausgegangen war und ihnen den Weg zu dem bestellten Zimmer zeigte. Das Teehaus war nicht sehr groß, dafür aber äußerst geschmackvoll eingerichtet. Es war weder mit Schönheiten überladen, noch so leer, dass es einem unangenehm vorkam. Das Gebäude war mit Licht durchflutet, sodass eine helle, angenehme Atmosphäre entstand. Schließlich hielt Aoi an einer schlichten Tür an, klopfte und öffnete die Tür. „Yugao-san, sowie Sakura-san sind eingetroffen, Aburame-sama.“ Von drinnen kam eine tiefe Stimme, der eine gewisse Schwere anhaftete: „Schick sie herein.“ Aoi verneigte sich tief vor dem mächtigen Daimyo und trat dann zurück, um sie beide einzulassen. Ein letztes Mal warf Yugao ihr einen ermahnenden Blick zu, dann betrat sie den Raum und begrüßte Shibi Aburame, als wäre er ein alter Freund, den sie zufällig wieder getroffen hatte. Zögernd folgte Sakura ihr und als die Tür hinter ihr zu fiel, herrschte Stille. Anders als sie erwartet hatte, waren nicht nur Shino Aburame und sein Vater, sondern auch noch ein anderer Mann anwesend. „Sie ist noch schöner, als gesagt wird, Aburame-sama“, erwiderte der Mann, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu lassen. Shinos Vater blickte von seiner Teeschale auf und musterte sie. Er war ein Mann Mitte vierzig mit einer dunklen Ausstrahlung, die ihr klar machte, dass er viel mehr gesehen hatte, als sie vielleicht jemals sehen würde. Jetzt blickte er zu dem anderen Mann, dem ihr Anblick augenscheinlich den Atem verschlagen hatte. Ein winziges Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er sie wieder ansah. „Ohne Zweifel“, sagte der Daimyo, tauschte dann einen Blick mit seinem Sohn und deutete ihr dann, sich neben Shino zu setzen. Sakura ging mit langsamen eleganten Schritten durch den Raum und ließ sich wie befohlen neben dem jungen Samurai nieder. Für einen kurzen Moment huschte ihr Blick durch das Zimmer und es fiel ihr auf, dass beide, Shino und sein Vater, ihre Schwerter abgelegt hatten und nur noch der dunkelgrüne Kimono mit dem Wappen der Aburame auf ihre Zugehörigkeit zur Kriegerklasse hinwies. „Dies ist mein Berater Minoru Aburame. Er ist ein entfernter Cousin von mir, aber ich schätze seine Meinung, deswegen habe ich ihn hinzugezogen“, erklärte Shibi Aburame Yugao. Die Geisha nickte und schenkte Minoru eines ihrer strahlenden Lächeln. Dieser erwiderte die üblichen Höflichkeitsfloskeln und fragte sie nach ihrem Befinden, was Yugao mit vielen ausgeschmückten Schilderungen vor ihm ausbreitete. Offensichtlich beeindruckt warf Minoru Shibi einen verheißungsvollen Blick zu, der auf irgendeine Weise auch sie einschloss. „So lernen wir uns also auch einmal kennen, Sakura-san“, sagte Shibi Aburame schließlich, worauf Sakura ihn zum ersten Mal direkt ansah und ihn vorsichtig anlächelte. Der Daimyo hatte sehr breite Schultern, dunkles volles Haar trotz seines Alters und eine längliche Narbe auf der Hand, wie ihr dann auffiel. „Es ist mir eine Ehre, Aburame-sama“, hauchte sie. Der Daimyo betrachtete sie eine Weile, dann sagte er: „Ich muss sagen, Ihr seid genauso, wie Shino Euch beschrieben hat. Schön, ja und mit etwas Zauberhaftem, das es selbst mir nicht leicht macht, Euch zu durchschauen.“ Kurz warf Sakura Shino einen Blick zu, der jedoch weiter schwieg. „Die Wirklichkeit sieht immer anders aus, als das, was erzählt wird, Aburame-sama“, sagte Sakura, „doch ich freue mich, dass Ihr so über mich denkt.“ - „Was könnte ich anderes denken“, erwiderte Aburame, „Ihr seid das Ebenbild Eurer Schwester.“ „Ihr müsst scherzen, Aburame-sama“, warf Yugao ein, „Sakura ist viel talentierter als ich.“ Shibi Aburame warf ihr einen belustigten Blick zu, Minoru schien bestürzt und Shino sah sie zum ersten Mal richtig an. Yugao lächelte unberechenbar und blieb allen Anwesenden eine Erklärung schuldig. Sakura war sich zwar sicher, dass Minoru oder Aburame gerade dazu angesetzt hatten etwas zu erwidern, doch beide schluckten das hinunter, was sie gerade sagen wollten. „Ich denke, Yugao-san hat Recht“, sagte Shino unerwartet, „Sakura-san ist ganz anders, aber nicht weniger faszinierend als sie.“ Überrascht blickte ihn sein Vater an. „Du hast viel beobachtet, Shino, das habe ich nicht bemerkt, aber-“ „Kein Aber, Aburame-Sama“, unterbrach ihn Yugao sanft, „die Dinge sind so wie sie sind. Jetzt lasst uns ein wenig Tee trinken.“ Der Daimyo blickte sie an und seufzte schließlich. „In Ordnung.“ „Gieß den Herren ein, Sakura“, forderte Yugao ihre Schülerin auf, woraufhin Sakura mit einer fliegend leichten Handbewegung die Teekanne nahm, wie in einem bestimmten Rhythmus die Finger um den Henkel schloss und wie ihr befohlen den Männern eingoss. Sofort duftete es im ganzen Raum nach Yasmin. Wie oft sie diesen Moment geübt hatte! Als sie gerade acht Jahre alt gewesen war, hatte sie beinahe jede Sekunde ihrer Freizeit mit der Tätigkeit verschwendet, die Teezeremonie zur Perfektion zu bringen. Nun… war sie hier. „Bitte, Aburame-sama“, sie stellte die Teekanne auf den Tisch, „trinkt, bevor der Tee kalt wird“, sagte sie mit leiser bedächtiger Stimme. Der Daimyo schloss seine Hände um die noch warme Schale, setzte sie dann an die Lippen und trank mit Genuss den ersten Schluck. Als er die Schale wieder auf dem kleinen Tisch abstellte, nahmen auch die Anderen ihre Schalen auf und tranken. Es war ein Zeichen der Höflichkeit, dem Ranghöchsten zuerst den Tee anzubieten und in diesem Moment fühlte Sakura sich Jahre zurückversetzt, als Chiyo ihr erklärt hatte, was sie alles beachten musste, wenn sie jemandem Tee einschenkte. Ja, damals hätte sie nicht gedacht, dass sie das mal bei einem Daimyo beachten musste. Damals war alles anders gewesen, fast schien es ihr wie eine Vorbereitung auf ihr eigentliches Leben. Sie verbrachten fast den gesamten Vormittag im kleinen Teehaus, das an der winzigen Brücke am Fluss lag. Im Vergleich mit der Hauptstadt war die Stadt nicht besonders bemerkenswert, sie war nicht so groß oder eindrucksvoll, aber dennoch berühmt für seine Architektur, Teehäuser und Gaststätten. Der Vormittag zog sich langsam dahin, doch ihren Gästen schien dies gar nicht aufzufallen. Aus Vormittag wurde Mittag und mit der Zeit gewann die junge Maiko an Selbstvertrauen, warf in passenden Momenten Anekdoten ein und schaffte es sowohl den Daimyo, wie seinen Berater und Sohn in Gespräche zu verwickeln, die sie ganz augenscheinlich interessant fanden. „Nun müssen wir Euch leider verlassen, Aburame-sama“, sagte Yugao, wobei ihre Miene zwischen Bedauern und Anspielung hin und her wechselte. Der Daimyo schien auf diese Worte gefasst und gab den anderen mit einem Blick zu verstehen, dass er noch allein mit der Geisha sprechen wollte. Yugao indes hatte sich erhoben und die anderen taten es ihr gleich. Sakura war die Atmosphäre keineswegs entgangen und so bot sie an, Shino und Minoru zur Tür zu begleiten. Yugao und Shibi Aburame blieben allein zurück. Sakura spürte, wie ihr Herz schneller schlug, aber sie verbot sich zurückzusehen. Eine Geisha hatte viele Pflichten und noch mehr Vorschriften, die es zu beachten gab. Selbst, wenn sie mit der Zeit mehr und mehr Angst verspüren würde – Niemals würde sie es jemanden merken lassen. Jetzt hatte es wirklich begonnen. Das Treffen, das Yugao arrangiert hatte, diente dazu sie vorzustellen, bekannt zu machen, sowie Shibi Aburame und seinen Sohn von ihr zu überzeugen. Yugao musste in diesem Moment mit dem Daimyo über ihre Mizuage sprechen. Wieder fühlte sie, wie das Unbehagen in ihr aufkeimte, die Furcht vor dem Mann, der sie bekommen sollte und die Hilflosigkeit, als sie begriff, dass ihr Leben nicht länger nur in ihrer Hand lag. „Es war mir eine Ehre, Euch kennen gelernt zu haben, Sakura-san“, sagte Minoru gerade, als er sich ein schwarzes Gewand übergezogen hatte und wehmütig zurück in Richtung Teezimmer blickte, als wolle er die Zeit zurückdrehen. „Wir sehen uns sicher mal wieder, Aburame-san“, erwiderte sie, worauf er ein verzweifeltes Seufzen ausstieß und theatralisch die Augen schloss. „Ich wünschte, dieser Moment würde nicht so weit in der Ferne liegen.“ Dann öffnete er die Tür und trat ins Freie. „Kommt Ihr nicht, Shino-san?“, rief er von draußen, doch der Sprössling der Aburame tat die Aufforderung mit einer simplen Erwiderung ab. „Geh schon mal vor, Minoru, ich begleite Vater.“ Minoru murmelte noch etwas, machte sich aber dann auf den Weg. Sakura war unschlüssig. Shino war so schweigsam wie immer, undurchschaubar und still; sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie ein Gespräch anfangen sollte. Der Samurai nahm ihr die Entscheidung ab, da er zum Teehausbesitzer ging und seine Schwerter zurückverlangte, die er und sein Vater hatten abgeben müssen. Als er schließlich zu ihr zurückkehrte, war von Yugao und Shibi Aburame noch immer nichts zu sehen, sodass sie schweigend den Samurai betrachtete. Seine Hand war noch immer an dem Griff seines Katanas und er selbst starrte aus dem Fenster des Teehauses. „Ihr fragt Euch, ob ich es bereits benutzt habe, nicht wahr?“, sagte Shino plötzlich. Alle Farbe wich aus Sakuras Gesicht, als sie bemerkte, dass es ihm nicht entgangen war, wie sie sein Schwert angestarrt hatte. „Ich … ich habe seine Schönheit bewundert“, sagte sie nach einer halben Ewigkeit. Shino schwieg lange, bevor er antworte und es überraschte sie fast, als er doch noch etwas sagte. „Schönheit ist ein zweischneidiges Schwert.“ Sakura spürte, wie ihr die Worte durch Mark und Bein gingen, doch sie konnte ihre Augen nicht abwenden. „Ihr würdest sie nicht mehr schön finden, wenn die Waffe mit Blut besudelt wäre.“ Die Zeit schien stillzustehen, als die Bilder zu ihr zurückkehrten: Die Welt schien stehen zu bleiben. Ihr Rufen war umsonst, ihr Flehen war umsonst, ja selbst ihre Angst war bedeutungslos. Da war nur er und sein gnadenloser Blick. Sein Haar kitzelte ihre Wange und dann hörte sie wie in Trance die samtweiche Stimme, die seinen Mord ankündigte. Die schwarze Klinge zeigte gen Himmel und blitzte ein letztes Mal auf, bis… „Sakura-san?“ Die junge Frau spürte, wie das Blut in ihren Adern pochte. Verwirrt blinzelte Sakura, musste sich mehrmals orientieren und wäre beinahe gestürzt, hätte der Samurai nicht noch rechtzeitig reagiert und sie gestützt. Eben war sie doch noch… Die schwarzen Augen bohrten sich unabwendbar in ihre. Sein Blick fesselte sie an Ort und Stelle… Sie nahm wie durch einen Schleier das Gesicht des Samurais wahr, doch sie konnte sich nicht von dem losreißen, was ihre Erinnerung sie sehen ließ. Ihr Herz raste, stand still und am Ende wusste sie nicht einmal mehr, ob dies Wirklichkeit war oder ob sie träumte. Aus der Ferne nahm sie die sonst so beherrschte Stimme des Samurais wahr. Jetzt klang sie, als ob er nicht recht wusste, was er tun sollte. Seine Augen fixierten sie. Mit all ihrer Willenskraft riss sie sich aus der Erinnerung los. Sakura keuchte und atmete schwer. Shino machte eine unwirsche Geste, als wolle er ihr helfen, doch sie rappelte sich hoch und machte ein Eingreifen seinerseits unnötig. Der Augenblick verstrich. „Es geht schon“, brachte sie nach einigen Minuten heraus, als Shino Aburame sie weiter fragend musterte. Es schien, als wolle er noch etwas sagen, doch er schwieg. „Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe“, fuhr sie schließlich fort. Es war ihr bewusst, dass es eine überstürzte Handlung war, dass es töricht war, aber für den Moment war es ihr egal. Später würde Yugao sie die Konsequenzen spüren lassen. „Ich erlaube nicht, dass Ihr ohne Begleitung geht“, machte der Samurai ihre Hoffnungen zunichte. Wollte er…? In diesem Moment rief Yugao ihren Namen. Fast erleichtert drehte sich Sakura zu ihr um und nickte dem Samurai entschuldigend zu, als sie zu ihrer Schwester ging und mit ihr durch die Tür verschwand. Es fühlte sich an wie eine Flucht… Sakura spürte Yugaos strafenden Blick auf sich und wusste sofort, dass der Geisha ihr Verhalten nicht entgangen war. Yugaos Gesicht war beherrscht und schön wie immer, aber diesmal hatte sie einen ernsten Zug um den Mund, der Sakura schaudern ließ. Yugao spürte, dass etwas nicht mit ihr stimmte. ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Die nächsten Tage waren hektisch und von einem genau strukturierten Zeitplan bestimmt, den Yugao eigens aufgestellt hatte, um Sakura bekannt zu machen. Nicht, dass sie das nicht ohnehin schon war – als Yugao-sans kleine Schwester – doch die Geisha bereitete das Bieten auf ihre Mizuage vor und das nahm sie todernst. Bald konnte Sakura nicht mal mehr durch eine Straße gehen, ohne dass ihr nicht ein Bekannter entgegen kam, der sie grüßte oder sich vor ihr verneigte. Sie war schön, sie war unantastbar, sie war eine Illusion in den Augen der Menschen und wenn sie sie ansahen, dann begehrten sie sie. Noch drei Tage. Es war ein ungewöhnliches Gefühl, so gemustert zu werden und die junge Maiko fühlte sich dabei nicht ganz wohl, aber langsam begann sie ihre Rolle zu spielen. Aus der kleinen, schüchternen Naoko wurde Sakura und mit der Zeit begann sie Gefallen daran zu finden. Vergessen war das bevorstehende Ereignis, das ihr Leben für immer verändern würde, verdrängt der Mord an Yoroi Akado, den man am nächsten Tag tot auf der Straße gefunden hatte. Und auch Sasuke Uchiha hatte sie aus ihren Gedanken verbannt. Was zählte, war der Moment und die Illusion, die sie gemeinsam mit Yugao erzeugte. Vielleicht war es dumm, nicht weiter nachzudenken, vielleicht war es aber auch der einzige Weg, um zu akzeptieren, dass mit ihrer Geishawerdung ein neuer, anderer, fremdartiger Lebensabschnitt seinen Anfang nahm. Es war wie ein nie endender Tanz, gemächlich und schnell, erhaben und voller Wildheit. Um sie herum entstand die Welt neu. Sie, Sakura, war die Tänzerin in dieser Welt und die Farben, die sie ausstrahlte, übertünchten das Grau des Alltags und brachten ihr die Bewunderung der Menschen um sie herum. Sie war und war nicht. Sie schaute sie an und sah doch nicht hin. In ihr begann ein Wandel, den sie sich nicht erklären konnte. Etliche Treffen in Teehäusern und im Theater folgten, aber Sakura nahm sie doch jedes Mal so wahr, als würde ein anderer all das erleben. Hayate, Kakashi und Shino traf sie fast täglich, mal auf der Straße, mal abends in Chiyos Gasthaus, am anderen Tag im Theater oder im Teehaus. Nur Sasuke Uchiha sah sie seit dem verhängnisvollen Nachmittag nie wieder. Sakura war sich bewusst, dass sie vor ihm flüchtete, aber sie bereute nichts. Sie … fürchtete ihn. Und so führte sie ihren Tanz fort, die Tatsache überdeckend, dass sie nie mehr mit ihm geredet hatte, als an jenem Abend, da er zusammen mit Kakashi gekommen war. . . . „Du bist nicht richtig bei der Sache, Sakura“, durchbrach Yugao die Stille, was die junge Maiko dazu veranlasste, die Teekanne mit zittrigen Händen wieder auf dem Tablett abzustellen. „Es tut mir leid, Onee-san“, erwiderte Sakura. Forschend sah die Geisha sie an. Sakura und Yugao waren allein und entgegen dessen, was Yugao sonst für Prinzipien setzte, hatte sie ihrer kleinen Schwester heute erlaubt, den letzten Nachmittag vor dem Bieten auf ihre Mizuage mit ihr zu verbringen. Sie befanden sich in einem Raum in Chiyos Gaststätte, der an den Garten angrenzte und als Aufenthaltsraum diente. „Du bist seltsam in letzter Zeit, Sakura.“ Yugaos Blick war durchdringend, fast hypnotisierend auf sie gerichtet. „Was ist los?“ Diesmal klang ihre Stimme fest und bestimmend, sodass Sakura sich sicher war, dass sie solange warten würde, bis sie eine zufrieden stellende Antwort erhalten hatte. „Ich… ich“, begann sie. Yugao setzte sich gerade auf. „Du hast Angst“, mutmaßte die Geisha. „Nein, das ist es nicht, ich… es ist eine große Ehre, dass Männer wie Aburame-san, Hayate-san und Kakashi-san für meine Mizuage bieten werden. Ich kann sie nicht enttäuschen.“ Yugaos Gesichtsausdruck wurde weicher und die Geisha strich sich eine schwarze Strähne aus dem Gesicht. Dann nahm sie ihre Teeschale und nippte leicht daran. Als sie sie wieder hinstellte, sagte sie: „Die Mizuage ist das wichtigste Erlebnis im Leben einer Geisha. Es ist die Zeit vollkommener Schönheit und Zerbrechlichkeit zugleich, verwechsle das nie, Sakura. Jeder, der sich einer so schönen Maiko gegenübersieht wie du es bist, bewundert dich. Aber vergiss nicht: deine Mizuage dient nicht nur dazu, Bewunderung zu bekommen, sie dient dazu, dich finanziell abzusichern, sodass du Chiyo zurückzahlen kannst, was sie in dich investiert hat.“ Sakura schwieg. Sie hatte diese Worte schon so oft gehört, dass sie die vielen Male fast nicht mehr zählen konnte. Du musst… Ehre… Schulden zurückzahlen… Sie hatte es schon so oft gehört… Doch auch diesmal wagte sie nicht, irgendetwas zu entgegnen. Schließlich hatte sie sich selbst dazu entschlossen, eine Geisha zu werden, auch wenn ihr kaum eine andere Wahl geblieben war. „Ich weiß“, antwortete sie schließlich. „Wovor fürchtest du dich dann?“, fuhr Yugao fort. Sakura zuckte zusammen. Sie wusste es. Yugao hatte es die ganze Zeit gewusst. Die Geisha streckte die Hand aus und berührte sacht ihre Wange. Ihre Finger waren kalt. Sakura wich vor ihr zurück, doch Yugaos Blick machte es ihr unmöglich wegzulaufen. Die Geisha beobachtete ihre Reaktion und dann blitzte plötzlich etwas in ihren Augen auf. Auf einmal war da eine fast greifbare Spannung und die Luft war gefüllt mit ihrer Angst. Yugao zog ihre Hand zurück und legte sie schließlich in ihren Schoß. Ihre Stimme war leise und eiskalt, als sie die Stille zerschnitt. „Du kennst das Geheimnis, nicht wahr?“ Sakura war wie erstarrt, konnte sich nicht bewegen, nicht atmen oder denken. „Du weißt, was bei der Mizuage zwischen einem Mann und einer Frau geschieht.“ Auf einmal lachte sie tonlos. „Oh ja, du warst noch nie naiv, Sakura-chan. Ist es das, was dir Angst macht?“ „Nein.“ Ihre Stimme war so dünn, dass sie sich wunderte, dass man sie überhaupt hören konnte. „Ich fürchte mich, weil ich diesen Zeitpunkt nicht selbst bestimmen kann.“ - „Im Leben einer Geisha gibt es nichts, das man selbst bestimmen könnte!“ Mit einem Schlag war Yugao zornig und funkelte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Es war wie eine Ohrfeige ins Gesicht. „Du hast Angst!“, spuckte Yugao aus, „Deshalb verhältst du dich so merkwürdig gegenüber Aburame, Hayate und Kakashi!“ Sie war so wütend, dass sie die Männer jeweils ohne Suffix betitelte. Noch nie zuvor hatte Sakura Yugao so völlig außer sich gesehen. Eine Minute verging, in der keiner etwas sagte. Dann kniff die ältere Frau die Lippen zusammen und entspannte sich merklich. Ihre Züge wurden wieder glatt und warmherzig wie immer, doch ihre Stimme war immer noch hart und zornig. „Geh!“ Sakura rührte sich nicht. „Geh! Geh in dein Zimmer oder ins Badehaus, ich will dich heute nicht mehr sehen. In zwei Tagen nehme ich die Gebote deiner Mizuage entgegen. Du wirst jeden annehmen, dem die Gunst zufallen wird, dein Mizuage-Danna zu sein.“ Sakura sprang schlagartig auf, stieß dabei fast die Teeschale um und verließ beinahe fluchtartig den Raum. Yugao blieb allein zurück. Sie nippte an ihrem Tee und war mit ihren Gedanken doch ganz woanders. Sakura, nein… Naoko, würde ihre Mizuage durchstehen… genau wie sie es zu ihrer Zeit getan hatte. ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Sakura hatte sich entschieden, ihren letzten Nachmittag im Badehaus zu verbringen. Sie wusste, dass sie in ihrem Zimmer fast wahnsinnig werden würde und so befolgte sie den Befehl ihrer großen Schwester. Wenngleich sie sonst nie allein aus dem Haus ging, hatte sie nach der plötzlichen Auseinandersetzung ohne zu überlegen ein paar Sachen und ein paar Münzen genommen und war auf die Straße geflohen. Die Sonne war gerade dabei unterzugehen und war in orangefarbenen bis roten Schein gehüllt. Sakura atmete tief durch, streckte ihren Körper durch und bemühte sich, nichts von ihrer momentanen Gefühlslage nach außen dringen zu lassen. Sie war eine Maiko. Sie war schön. Sie war geheimnisvoll. Sie war begehrt. Sie verachtete sich selbst dafür, so zu sein. „Ah, Sakura-san.“ Eine männliche Stimme ließ sie innehalten und als sie sich umdrehte, war da Hayate Gekko, der sie freundlich anlächelte und die Hand wie zum Gruß erhoben hatte. „Hayate-san“, erwiderte Sakura, als sie sich leicht verbeugte. Der Samurai trug einen olivgrünen Kimono und das Schwerterpaar der Samurai an der Seite. Soweit sie wusste, stand er noch nicht sehr lange im Dienst Mao-Chéngs, dem Fürsten von Konoha, aber er hatte sich bereits den Respekt vieler Krieger eingehandelt. „Seid Ihr ganz allein unterwegs?“, fragte er dann, „Wo ist denn Yugao-san?“ Auf einmal stand in seinem Gesicht so etwas wie unerträgliche Sehnsucht und er sprach den Namen Yugaos mit einer Zärtlichkeit aus, die sie zuvor noch nie bei ihm bemerkt hatte. Sakura sah auf, doch der Samurai lächelte weiterhin freundlich zu ihr. Verwirrt blinzelte sie, doch konnte sich gerade so schnell fangen, dass es nicht als unverschämtes Anstarren gegolten hätte. „Sie… ich bin allein, ich wollte noch ins Badehaus, Hayate-san.“ Sie verneigte sich abermals. „Dann bestellt ihr doch einen schönen Gruß von mir.“ Jetzt klang seine Stimme wieder normal, höflich und angepasst, wie es von ihm erwartet wurde. „Ja“, hauchte sie und versuchte ein Lächeln, als der Samurai sich schließlich umdrehte und seines Weges ging. Sakura starrte auf seinen Rücken, der hinter der nächsten Straßenecke verschwand. In diesem Moment wusste sie, dass er nicht für ihre Mizuage bieten würde. . . . Leichter Dampf stieg von dem grünlich erwärmten Wasser der heißen Quelle auf. In der flimmernden Luft wirkte es fast wie Nebel, der über Reisfelder hinweg zog. Sakura hatte kaum je etwas von der Welt außerhalb des Vergnügungsviertels, ja außerhalb der Stadt gesehen, in der sie aufgewachsen war, doch sie kannte diese Beschreibung aus Erzählungen der betrunkenen Gäste, die sie verbotener Weise belauscht hatte, als Chiyo es nicht bemerkt hatte. Sie hatte die Welt sehen wollen, das Einzige, das ihr immer verboten gewesen war. Sakura wollte den Wind auf ihrem Gesicht fühlen, die tausend verschiedenen Gerüche wahrnehmen und mit eigenen Augen sehen, woraus Legenden, Menschen, ja die ganze Welt gemacht war. Wunschdenken. Sie würde niemals die Freiheit haben, so etwas selbst zu entscheiden. Das Onsen, das öffentliche Badehaus, das mit einer nahegelegenen heißen Quelle verbunden war, war leer. Vermutlich lag es an dem Wochentag, dass kaum jemand hier war, oder sie hatte einfach einen jener Momente getroffen, da niemand hier war. Um das dampfende Wasser herum war ein dünner Zaun aus Bambus aufgestellt worden, der die Blicke der anderen Besucher unterbinden sollte. Sie war zwar allein, aber es hätte ihr trotz allem nicht behagt, in einem der Bereiche zu sein, in dem Männer und Frauen gemeinsam baden konnten. Die Maiko stellte den Korb mit Handtuch und Seife, den sie bekommen hatte, an den Rand des Wassers. Dann ließ sie vorsichtig das Handtuch zu Boden gleiten, das ihren nackten Körper bedeckte. Der Stoff sank zu ihren Füßen zu Boden und sie machte sich nicht die Mühe ihn zusammenzulegen, sondern machte einen Schritt zur Seite, sodass sie direkt vor dem tiefer gelegenen Eingang des Beckens stand. Dann griff sie in ihr Haar. Es dauerte einen Moment, bis sie Spangen und Kamm herausgezogen hatte und ihre hochgesteckte Frisur sich löste. Schließlich legte sie ihre Utensilien auf das Handtuch und ihre Haare fielen ihr bis zur Hüfte den Rücken herunter. Sakura testete kurz die Temperatur des Wassers und stieg dann hinein. Die Flüssigkeit hüllte ihren ganzen Körper in wohlige Wärme, als sie schließlich vollständig im Wasser war. Die Hitze war eine Wohltat für ihren angestrengten Körper, für ihre innere Unruhe und auch die Müdigkeit, die ihr mit der Zeit immer mehr angehaftet hatte. Sie formte die Hände wie eine Schale und spritze sich Wasser ins Gesicht. Nach einer Weile war die weiße Schminke fast völlig abgewaschen. Jetzt war sie nichts mehr als eine Frau. Sie lehnte sich zurück und ihr Haar schien im Wasser zu schweben. Wie einem unsichtbaren Rhythmus folgend streckte Sakura ihre Arme nach hinten und strich vorsichtig durch das lange Haar. Sanft glitten ihre Finger hindurch. Es war beinahe das gleiche Gefühl, als wenn sie über Seide strich. Flüssige Seide… Sie musste nicht denken. In diesem Moment ließ sie die verbitterten Gedanken nicht zu. Heute Nacht würden sie kommen – mit aller Macht und an ihr zerren, sodass sie bis zum Morgen nicht eine Sekunde schlafen würde. Heute Nacht… jetzt dachte sie nicht daran… zwei Tage. Zwei Tage bis zu dem wichtigsten Tag in ihrem Leben, wo sich entscheiden würde, wer ihr Mizuage-Danna sein würde. Sakura wusste beim besten Willen nicht… wer. Sie ging ein paar Schritte, wobei es das Wasser anstrengend machte, vorwärts zu kommen und griff nach der Seife, um sich damit einzureiben. Der Schaum auf ihrer Haut war sanft, ganz anders als sie erwartet hatte. Es war schwer, an Seife zu kommen und selbst die war oft körnig und schrubbte eher den Körper, als dass sie ein angenehmes Gefühl bereitete. Sakura verteilte den Schaum auf Arme, Beine, Körper und Gesicht. Schließlich rieb sie sich die Haare ein. Das Wasser ging ihr etwa bis zu ihrem Bauchnabel und kitzelte sie ein wenig an ihrem Bauch, wenn sie sich bewegte. Plötzlich war draußen auf dem Gang ein schwerer Gang zu hören. Schwerer, als er eigentlich sein durfte. Sie verharrte in der Bewegung, als sie Schritte hörte. Dann wurde auf einmal die hölzerne Tür aufgeschoben, die zur heißen Quelle führte. Sakura ließ die Seife sinken und drehte sich kaum merklich. Dann erstarrte sie. Sasuke Uchiha stand im Türrahmen und schien genauso überrascht wie sie. Bis auf ein Handtuch, das er um die Hüfte gewickelt hatte und eines, das er sich um den Hals gelegt hatte, war auch er nackt. Sie konnte nichts sagen, sie konnte nicht atmen. Ihr Herz stand still. Sein Blick huschte über ihr herabgelassenes Haar, über ihre nackten Arme, über die Brust und bis zu ihrem Schambereich. Er sagte kein Wort. Einige wenige Tropfen rannen ihren Körper herunter und prickelten auf ihrer Haut. Das Haar, feucht vom Wasser, klebte ihr an Gesicht, Schultern und Brüsten. Sie war vollkommen nackt. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er sich wieder rührte. Vielleicht war er durch die falsche Tür gegangen oder er hatte nicht erwartet, sie hier anzutreffen. Sakura war es egal. Alle Gedanken waren wie weggefegt. Sie hatte ihre Mizuage zwar gefürchtet, aber das, was in jenem Moment passierte, war nichts dagegen. Der Blick eines Mörders haftete auf ihrem Körper. Sie spürte, wie ihr die Röte in den Kopf stieg. Niemals hatte ein Mann auch nur ihren Knöchel entblößt gesehen und er… Noch immer hatte er nicht einen Muskel bewegt. Der Samurai stand da, als wenn er aus Stein gemeißelt wäre. Seine Brust glänzte fast weiß in der Sonne und wurde durch den dunklen Kontrast seiner schwarzen Haare noch verstärkt. In ihrem ganzen Leben hatte sich Sakura noch nie so unbehaglich gefühlt. Die Sonne ging unter. Dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz um, schloss geräuschvoll die Tür und sie war wieder allein. Die Stille danach schien ihr fast unerträglich. Noch immer war die Intimität fast greifbar und es war ihr, als würde der Samurai sie noch immer beobachten. Er war immer noch genauso kalt wie vor einigen Tagen, als er Yoroi Akado umgebracht hatte, aber damals war sein Blick unnachgiebig, grausam. Sakura atmete schnell, ließ sich verspätet ins Wasser gleiten und starrte vor sich hin. Diesmal war da noch etwas anderes in seinem Blick gewesen und sie wagte nicht mal das Wort zu denken. Begierde… ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * [14.04.09] Hallo ^-^ Ich hoffe mal, dass immer noch Interesse an dieser im Verhältnis gesehen eher kurzen Fanfiction besteht, da ich so unregelmäßig update. Ich muss leider sagen, dass ich auch in Zukunft nicht 'regelmäßig' Kapitel hochladen kann. Deswegen entschuldige ich mich schon mal für die langen Wartezeiten. *verbeug* Dann wollte ich mich noch für die Kommentare das letzte Mal bedanken. Es freut mich wirklich, dass es euch bis jetzt gefällt ^-^ Ich gebe mein Bestes *yeah* Dann noch ein besonderes Dankeschön an Knispell, die dieses Mal meine Betaleserin gespielt hat und das Ganze total flott erledigt hat ^^ Thank you so much *knuddel* Dieses Kapitel finde ich so na ja~ Es ist wichtig für die weitere Entwicklung und einige Charaktere, besonders Shino, Yugao, Sakura und Sasuke. Aber haltet mich bitte nicht für pervers... wegen der letzten Szene... Ich fand es irgendwie passend, weil so etwas ja auch irgendwie ein Tabu ist/war. Ich musste allerdings auch ein bisschen umstrukturieren, damit meine Storyline in meine Kapitel passt. Daher ist eine Szene, die eigentlich noch in dieses Kapitel sollte ins nächste gerutscht, wo sie meiner Meinung nach besser passt. Das nächste Kapitel beschäftigt sich eingehender mit Sasuke und Sakura und ist mit mein Lieblingskapitel ^^ Also bis dahin *grins* lg moonlight_005 Kapitel 4: Etwas, das die Welt verändert ---------------------------------------- ~ - ♥ ~ - »Was muss man tun um die Welt zu verändern? Was, um etwas von sich selbst zurückzulassen? War es nun wahrhaft mein Schicksal geworden eine Geisha zu sein? Gab es nichts anderes mehr? Etwas, das ich noch nicht entdeckt hatte… Oder übersehen? Ich verlor mich so sehr in meinen Fragen, dass ich es erst bemerkte, als es schon da war. So unscheinbar wie ein zarter Geruch im Wind. So unbemerkt wie ein Blick, den niemand sah. Etwas war anders geworden, doch es machte mir Angst…« - ~ ♥ ~ - Sakura fand den Schirm vor der Tür ihres Zimmers. Er sah noch genauso aus wie sie ihn zuletzt gesehen hatte. Das Papier war von der Sonne ein wenig ausgebleicht, doch trotzdem waren die aufgemalten Muster – Sakurablüten – noch genauso schön wie zuvor. Nichts deutete daraufhin, dass es derselbe Schirm war, den sie vor wenigen Tagen dabei gehabt hatte an jenem Tag, an dem sie Zeugin eines grauenvollen Mordes geworden war. Das Material war nicht einmal mit Blut besudelt, doch gerade diese Reinheit erschreckte sie bis ins Mark. Und es gab nur eine Sache, die noch schlimmer war: Es gab nur einen einzigen Menschen, der von diesem Schirm gewusst hatte, nur einen, der wusste, dass sie ihn verloren hatte. Nur einen einzigen, der ihn hätte zurückbringen können. Warum hatte er das getan? Den ganzen Tag stellte sie sich diese Frage. Es gab keinen Grund für ihn, keinerlei Motiv. Welches Interesse könnte er schon daran haben, dass sie einen verlorenen Schirm zurück erhielt? Doch trotz allem war er da. Es verwirrte und ängstigte sie gleichermaßen – und es machte Sasuke Uchiha noch unheimlicher als er ohnehin schon war. Wieso war ein Mörder zu einer solch zärtlichen Geste fähig? Warum kümmerte es ihn überhaupt? Es gab nur eine mögliche Erklärung… Wider Willen erinnerte sich Sakura an ihr letztes Treffen zurück und an den Blick mit dem er sie angesehen hatte. War das etwa seine Art ihr den Hof zu machen? Oder machte es ihm einfach nur Spaß sie zu erschrecken? Aber selbst, wenn es so war – er hatte sie unterschätzt. Sie war eine Maiko, so mysteriös und geheimnisvoll und nichtssagend, sodass er ihre Fassade nie durchschauen würde. Der Tag verging schleppend langsam. Gemächlich wie eine alte Frau, die auf ihrem Krückstock humpelnd nur langsam vorankam. Sakura und Yugao verbrachten den Nachmittag in vier verschiedenen Teehäusern. Die junge Maiko trug einen blassgrünen Kimono mit einem Muster aus verschiedenen Ranken und Frühlingsknospen. Der Stoff war so schwer, dass sie nur langsam gehen und auf ihren Getas Yugao kaum folgen konnte, die ihren Kimono genauso leichtfertig trug wie ein leichtes Gewand. Die Geisha schien das zusätzliche Gewicht in keinerlei Hinsicht zu beeinträchtigen. Womit Sakura noch Probleme hatte, war für Yugao längst zum Alltag geworden. Der Unterschied zwischen ihr und Yugao war kleiner geworden, doch Sakura wusste auch, dass sie bei weitem noch nicht an die wunderschöne Geisha heranreichte. War ihre Mutter genauso gewesen? Die Frage kam so plötzlich, dass Sakura fast über ihre eigenen Gedanken erschrak. Sie hatte lange nicht mehr an ihre Mutter gedacht. Chiyo hatte ihr nicht viel von ihrer Mutter erzählt und Yugao schien um dieses Thema immer einen großen Bogen zu machen, aber sie, Sakura, stellte sich trotzdem die Fragen. War sie so wie Yugao gewesen? Schön und unwiderstehlich wie keine zweite Frau? Oder hatte sie ihr etwas von sich mitgegeben, das sich ab und zu in ihrem Handeln, in ihrem Denken widerspiegelte? Sakura wusste nicht warum niemand sie je erwähnte, aber sie ahnte es. Ihre Mutter war eine Geisha gewesen -und eine liebende Frau. Eine Geisha durfte nicht lieben, eine Geisha durfte nicht empfinden, sie sollte einfach nur da sein und andere glücklich machen. Aber wo war dann ihr Glück? Hatte sie keinerlei Anrecht darauf? War es richtig, dass sie so dachte? War es falsch? Das einzige, das sie tun konnte war den alten Strukturen zu folgen, die man ihr vorgezeichnet hatte… „Sakura-onee-san!“, Yugaos Stimme war glockenhell. Sakura sah auf und begegnete dem leicht ungeduldigen Blick ihrer älteren Schwester. Augenblicklich fand sie in die Gegenwart der kleinen Teestube mit ihren vielen aromatischen Düften zurück. Innerlich kurz orientierungslos war Sakura nach außen die Ruhe selbst. „Es tut mir leid“, murmelte sie und verbeugte sich leicht. Die übrigen Gäste betrachteten sie nachsichtig und setzten dann ihre Gespräche fort. Kurz spürte Sakura, wie Yugao sie wütend anfunkelte. „Sakura-san, ich frage mich, ob Ihr uns vielleicht etwas vorsingen könntet.“, verwickelte sie auf einmal Minoru Aburame auf ihrer linken Seite in ein Gespräch. Der ältere Mann strahlte sie an, als wenn er sich die Erlösung selbst von ihr versprach. Er war hingerissen von ihr, das hatte Yugao ihr erzählt und die Geisha hatte es mit so einer Genugtuung gesagt, dass Sakura wusste, dass noch mehr dahinter steckte. Wenn Shibi Aburames Verwandter in solch hohen Tönen von ihr sprach, würde er auch den Daimyo selbst in die Gespräche dazugezogen haben. Und mit ihm Shino. Und der hatte seinem Vater von dem Ikubo erzählen müssen. Alles lief nach Yugaos sorgfältig ausgeklügelten Plan. „Es wird gesagt Eure Stimme käme der einer Göttin gleich…“, fuhr Minoru fort, „aber ich will mich lieber selbst davon überzeugen.“ Er klang aufgeregt und erwartungsvoll. Er betrachtete sie mit einer Mischung aus Ungeduld und Erregtheit und etwas, das sie auf eine eigenartige Weise gefangen nahm. Zaghaft lächelte sie ihn an. „Es wird viel gesagt, Aburame-san.“ „Unsinn“, er klatschte einmal in die Hände und verkündete: „Bis jetzt habt Ihr meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Was meinst du, Shibi? Es wäre doch sehr erfrischend, wenn Sakura-san für uns singen würde.“ Der Daimyo wandte sich von seinem Gesprächspartner ab und sah sie eindringlich an, dann wandte er sich an seinen Sohn: „Was meinst du, Shino?“ Sakuras Blick huschte zu dem jungen Samurai, der für sein Alter ungewöhnlich verschlossen war. Warum machte Shibi Aburame eine solche Entscheidung von seinem Sohn abhängig? Wenn er wünschte, dass sie ihm etwas vorsang, dann könnte er dies einfach verlangen. Für jeden anderen hätte dieses Gespräch einfach nur einen belanglosen Inhalt gehabt, doch Sakura sah ihren Verdacht bestätigt. Shino hatte den Daimyo von ihrem Angebot unterrichtet und er sah sie mit diesem berechnenden Blick an, als wolle er abwägen, was ihn eine solche Investition kosten würde. „Ich würde Euch gerne singen hören“, riss Shinos Stimme sie aus den Gedanken. Für einen kurzen Moment konnte sie ihren Unglauben nicht so richtig verdrängen. Der Samurai hatte noch nie nach ihren Diensten verlangt. Hatte er ihrem stillen Angebot bereits zugestimmt, oder interessierte es ihn einfach nur so? Aber, wenn sie eins gelernt hatte, dann war es, dass ein Angehöriger der Kriegerklasse so etwas nie nur so sagte. Das Netz zog sich immer dichter um sie zu und obwohl sie eigentlich über den Verlauf der Ereignisse glücklich sein sollte, erschreckte es sie immer noch. Nicht, weil sie es nicht tun konnte, sondern, weil wieder über ihren Kopf entschieden wurde und sie, Sakura, keinerlei Mitsprachrecht hatte. „Sakura würde liebend gern für Euch singen, Aburame-san.“ Yugao schenkte Shino einen so koketten Augenaufschlag, dass Sakura sich wunderte wie er dabei immer noch unbeeindruckt blieb. „Warten sie, meine Herren, ich hole schnell meine Fue –ein wunderbares Einzelstück, das den Fürst selbst schon erfreut hat.“ Yugao verschwand. „Es wird von nicht vielen Geishas gesagt, dass sie singen wie eine Göttin“, sprach der Daimyo sie unvermutet an, „Ihr müsst Yugao-san sehr viel bedeuten, Sakura-san.“ Sakura senkte den Blick. „Yugao-onee-san verdanke ich mehr als ich sagen kann.“ „Vergesst das nie“, unterbrach sie der Daimyo, „nichts ist vergesslicher als Dankbarkeit.“ Er sah sie auf eine Weise an, die sie zu durchleuchten schien. Sein Blick war stark, durchdringend und selbstbewusst. Alles Eigenschaften, die einen wahren Anführer auszeichneten. Shibi Aburame war ohne Zweifel eine der beeindruckensten Personen, denen Sakura je begegnet war. Im Stillen fragte sie sich, ob Shino irgendwann wohl auch einmal so sein würde: Einer der mächtigsten Daimyos des ganzen Landes über denen nur noch der Fürst Konohas, Mao-Chéng, stand. „Wir können beginnen, Sakura-san“, unterbrach Yugao Sakuras Gedanken. Sie trat in den Raum und augenblicklich breitete sich eine ungewohnte Leichtigkeit aus. Yugao hatte die Macht die Menschen mitzureißen, eine Gabe, die viel zu selten gewürdigt wurde, und die der Grund für ihr außergewöhnliches Ansehen als Geisha war. Sie hatte im Augenblick ihres Eintretens die gesamte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Geisha lächelte geheimnisvoll, kniete sich dann neben Shibi Aburame, der ihr ein schlichtes Lächeln schenkte und sie wohlwollend betrachtete. Dann legte sie ein Kästchen neben sich, öffnete es und holte eine mit schwarzem Lack polierte Fue – eine japanische Flöte – heraus. Yugao setzte sie an die Lippen, sah Sakura einmal an und begann zu spielen. Der Klang war glasklar und drang bis ins Mark. Die Melodie begann leise, fast vorsichtig, doch von solcher Bestimmtheit, dass kein Zweifel am Können Yugaos blieb. Die Anwesenden lauschten verzückt und eine Aura vollkommener Zufriedenheit breitete sich aus. Es waren diese Momente, die Sakura zeigten, was es bedeutete eine Geisha zu sein. Eine Geisha erschuf ihre eigene Welt, in der es keine Gewalt, keine Sorgen mehr gab. Nur Geheimnisse, die sich leicht vergessen ließen, doch gleichzeitig den Reiz ausmachten. Die Musik schwoll an und Sakura stand unbemerkt auf. Niemand schien etwas bemerkt zu haben, da noch immer alle nur Yugao ansahen und so keiner ihre Bewegung wahrgenommen hatte. Sakura blickte einmal nervös in die Runde und dann entwich ihr der erste Ton. Der Raum verschwand vor ihren Augen. Es gab nur noch die leise Flötenmusik wie aus weiter Ferne und ihre eigene Stimme, die eine Geschichte erzählte. Sie war so alt, wie die Welt selbst. Aus einer Zeit in der noch die Götter regierten und die Welt der Menschen noch nicht existiert hatte. Es war die Geschichte, wie sich Amaterasu, die Sonnengöttin, tief verletzt über das Verhalten ihres Bruders Susano-O, des Sturmgottes, in eine Höhle zurückzieht. Durch diesen Schritt verdunkelt sich das Universum und alles verschwindet in tiefster Finsternis. Sakuras Stimme verdunkelte sich eine Oktave während auch Yugaos Flöte für einen Augenblick dunkel klang. Irgendwo am Rande ihres Bewusstseins merkte Sakura, dass ihre Hände auf einmal merkwürdig ruhig waren … und, dass Shino Aburame sie ansah. Auf eine eigenartige, fast abschätzende Weise mit einem winzigen Gefühl von Unsicherheit. Die Musik frischte auf, die Töne der Flöte wurden heller und Sakura hob ihre Stimme an. Die übrigen Götter jedoch wollen nicht immer in ewiger Finsternis leben und so denken sie sich allerlei Dinge aus um die trotzige Göttin aus ihrem Versteck zu locken: Sie lassen Hähne krähen, obwohl es noch nicht Morgen ist, sie hängen Spiegel an heilige Bäume und feiern letztlich ein Fest bei dem sich die attraktive Göttin des Theaters, Ame-no-uzume, komplett entkleidet, was den Effekt auf die übrigen Götter nicht verliert. Durch den Tumult neugierig geworden riskiert Amaterasu einen Blick und erblickt schließlich ihr selbst in den Spiegeln der heiligen Bäume. Sie kommt noch mehr heraus. Da nimmt einer der Götter sie bei der Hand und führt sie ganz hinaus. Die Götter verschließen die Höhle damit Amaterasu nicht zurückkehren kann und die Welt hat wieder Licht. Der letzte Ton verebbte und Sakura fand langsam wieder in die Realität zurück. Es herrschte vollkommene Stimme und zu ihrer Unsicherheit starrten sie alle an. Noch nie hatte sich Sakura so eingeschüchtert gefühlt. Schon als kleines Mädchen hatte sie gerne gesungen und mit der Zeit war sie sehr gut darin geworden. Selbst Yugao fand selten einen Fehler, doch vor so vielen mächtigen Persönlichkeiten zu singen ging ihr auf eine eigenartige Weise viel tiefer als es sonst ein Gespräch je gekonnt hätte. Dies war für ihre Mizuage, es war ihre Pflicht es perfekt zu machen, aber… Jemand klatschte. Sakura schrak augenblicklich aus ihrer Trance. Keiner der Anwesenden hatte sich gerührt. Die Geräusche kamen von der Tür und als sie ihren Blick hob, sah sie sich einem lächelnden Kakashi Hatake gegenüber. Mit einem Mal fielen die anderen mit ein. Yugao legte die Flöte in das Kästchen zurück und nickte ihr zu. Doch Sakura achtete nicht auf den Applaus, nicht mal, als der Daimyo lauter als alle anderen einstimmte. Hinter Kakashi Hatake stand jemand, den zu treffen sie mit all ihren Möglichkeiten vermieden hatte. Und wieder dachte sie an den Schirm, der mysteriös vor ihrer Tür gelehnt hatte. Er erwiderte ihren Blick und hielt ihm mit so einer Leichtigkeit stand, die Sakura an noch keinem anderen Menschen gesehen hatte. Noch immer hatte sich nichts geändert – es war ihr unmöglich irgendeine Emotion in den Augen Sasuke Uchihas zu lesen. „Das war einfach großartig, Sakura-san“, gratulierte Minoru Aburame ihr umgehend, während sie den Daimyo murmeln hörte: „Eine Stimme wie die einer Göttin … in der Tat.“ Kakashi Hatake trat vollständig in den Raum, Sasuke Uchiha folgte ihm. Beide trugen keine Waffen, wie immer, wenn Samurai ein Teehaus besuchten. Yugao erhob sich und Kakashi verbeugte sich als Zeichen des Respekts zuerst vor ihr. Die Geisha tat es ihm nach. „Möchtet Ihr uns Gesellschaft leisten, Kakashi-san?“, fragte Yugao und zwinkerte ihm einmal kokett zu. „Eigentlich hatten Sasuke und ich nur vor einige Sehenswürdigkeiten zu besichtigen, aber dann haben wir die Musik gehört. Ich wusste, dass nur ihr etwas damit zu tun haben konntet.“ „Nicht mit mir“, sie drehte sich zu ihr um und lächelte Sakura an. Kakashi schenkte nun wieder ihr seine Aufmerksamkeit. „Yugao-san hat nicht untertrieben, als sie mir von Euch erzählt hat, Sakura-san.“, sagte Kakashi. Sakura lächelte vorsichtig, nickte ihm dann zu und ließ sich wieder auf ihren Platz gleiten. „Nun, was ist jetzt? Wollt ihr euch uns anschließen? Ich bin sicher, dass sich die Herren eine Menge zu erzählen haben.“ Die Geisha machte eine Handbewegung zu den übrigen Gästen. „Ich bin mir sicher Ihr kennt Shibi Aburame.“ Der Samurai nickte und verbeugte sich tief von der dem Daimyo. „Es ist mir eine Ehre, Aburame-sama“, murmelte Kakashi. „Ich habe von Euch gehört, Kakashi Hatake“, erwiderte der Daimyo, „Ihr seid ein meisterhafter Schwertkämpfer und Stratege, wenn meine Informationen korrekt sind?“ Er ließ es wie eine Frage klingen, die Kakashi sofort beantwortete. „Im Augenblick stehe ich in den Diensten des Fürsten Mao-Chéngs und momentan bilde ich meinen Schüler aus.“ Shibi Aburames Augen huschten zu dem jungen Samurai, der bis dahin nur still hinter Kakashi gestanden hatte. „Sasuke Uchiha“, stellte er sich vor, verbeugte sich leicht und richtete sich dann wieder auf. „Ein Uchiha? Ich dachte sie bilden ihre Kinder selbst aus.“ Ein leichtes Lächeln breitete sich auf Kakashis Gesicht aus. „Sasuke ist Fugaku Uchihas jüngerer Sohn, der Fürst persönlich hat mir den Auftrag gegeben seine Fähigkeiten zu schärfen.“ „Fugakus Sohn!“, entfuhr es Minoru. Sasuke nahm die Unterhaltung ohne mit der Wimper zu zucken hin, doch etwas fing Sakuras Aufmerksamkeit. Der jüngere Sohn? Sobald sie wusste war Fugaku Uchiha gegenwärtig Daimyo der nördlichen Provinzen und er führte eine der mächtigsten Samuraifamilien, was ihm fast uneingeschränkte Macht verlieh. Wenn Sasuke einen älteren Bruder hatte, bedeutete das, dass er wohl die Ehre erhielt, die seinem Status gebührte, aber niemals Erbe werden würde. „Wir sollten diese Unterhaltung im Sitzen führen, nicht?“, unterbrach Yugao auf einmal das Gespräch der beiden Männer. Jede andere hätte für diese Unverfrorenheit, sie zu unterbrechen, bezahlt, doch bei Yugao lagen die Dinge anders. Shibi Aburame lächelte nachsichtig und Kakashi folgte sogleich Yugaos Aufforderung und setzte sich neben Minoru. Yugao ließ sich auf ihren Platz zurück gleiten, sodass Sasuke Uchiha der einzige war, der noch stand. Er ließ seinen Blick einmal über die Gesellschaft schweifen und dann geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Der junge Samurai sah sie an und setzte sich dann neben sie. Sakura wusste nicht, was sie tun sollte. Zu ihrer Linken saß Sasuke Uchiha, zu ihrer Rechten Shino Aburame. Beides Samurai, die zwei der mächtigsten Clans des ganzen Landes. Wie sollte sie sich verhalten? Yugao hatte ihr genaue Anweisungen bezüglich ihrer Mizuage gegeben, aber es war schlicht unhöflich sich nur dem einen zuzuwenden. Sie konnte nicht einfach so tun, als würde nichts zwischen Sasuke Uchiha und ihr vorgefallen sein. „Shino Aburame“, riss sie plötzlich eine ruhige Stimme aus ihren Gedanken. Dann realisierte Sakura, dass Shino selbst gesprochen hatte. Niemand anderes als Sasuke Uchiha erwiderte seinen Blick nickte ihm kurz zu und stellte sich ebenfalls vor. Doch es war kein einfaches Kennenlernen. Die beiden Samurai fixierten einander und schienen in dem jeweils anderen ein Zeichen von Schwäche zu suchen. Auf einmal wurde sich Sakura bewusst wie schwer die Luft wog, langsam auf ihre Lungen drückte und sie sich aufgrund von der Elektrizität, die sie plötzlich umgab, kaum mehr rühren konnte. „Ich habe nicht erwartet hier jemals einen Uchiha zu treffen. Den Gerüchten nach ist zuletzt Euer Großvater hier in Tanzakugai gewesen. Anscheinend mögt ihr keine Vergnügungen.“ Sasuke Uchiha nippte an seiner Teeschale, die man ihm unverzüglich bereit gestellt hatte. „Wer sagt Euch, dass die Uchihas nie hierher kommen? Mein Bruder Itachi war letzten Sommer hier. Vielleicht mögen die Aburames auch einfach nur andere Vergnügungen als mein Clan…“ Aus den Augenwinkeln warf er Sakura einen Blick zu, bei dem ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter rann. Spielte er mit ihr? „Nicht mehr als ihr auch“, parierte Shino geschickt, „mich würde interessieren, welchen der drei Wege der Samurai Ihr gewählt habt.“ Für einen Moment schien Sasuke irritiert. Vielleicht hatte er nicht mit einer solchen Direktheit des Aburame gerechnet. Shino hatte in diesem Gespräch ohnehin schon mehr gesagt, als sie ihn je hatte reden hören. Oder er nutzte die Gelegenheit um seinerseits Informationen über die Uchiha zu sammeln. Die drei Wege, auf die Shino anspielte, waren die drei Arten, die drei Philosophien nach denen sich ein Samurai zeit seines Lebens richtete. Die Aburame ihrerseits waren berühmt dafür Kyudo, den Weg des Bogens zu wählen, während der Clan der Nara seit geraumer Zeit eine Mischung zwischen Kyudo und Kendo – dem Weg des Schwertes – bevorzugte. Die Uchiha hatten in den letzten Generationen allesamt den Weg des Schwertes gewählt, was ihnen in der Bevölkerung als die kriegerischste Samuraifamilie den Respekt des Volkes, zugleich aber auch dessen Furcht, eingetragen hatte. Früher hatte es noch drei andere mächtige Clans gegeben: Die Sabakunos, die Hyugas und einen letzten, dessen Name niemand mehr kannte. Die Familie der Sabakuno gab es schon lange nicht mehr. Einst waren sie bei einer blutigen Schlacht untergegangen, wusste Sakura, sie waren ihres Landes, ihres Status und ihrer Macht beraubt worden und die wenigen, die heute noch existieren mochten, lebten in immer währender Furcht. Die Hyugas… waren ein anderes Thema. Als einzige hatten sie immer nur den Weg des Judo, den Weg der Sanftheit, gewählt, der besagte, dass sie niemals selbst angriffen, sondern die Energie ihres Gegners gegen ihn wendeten. Sie alle waren meisterliche Kämpfer gewesen, doch seit ein paar Jahren, nach jenem schrecklichen Vorfall, der das Land ins Chaos gestürzt hatte, waren sie vollständig vernichtet worden. Niemand blieb mehr übrig, der ihre Traditionen hätte fortsetzen können. „Ich habe mich noch nicht entschieden“, sagte Sasuke gerade und veranlasste Sakura ihm erneute seine Aufmerksamkeit zu schenken. Der Samurai lehnte sich leicht vor und zum ersten Mal wurde Sakura bewusst, dass sie sich fast berührten. Das Gefühl kam so plötzlich, dass es sie vollkommen bewegungslos machte. In ihr keimte etwas auf, das Angst und Erstarren zugleich hätte sein können und sie hasste es, dass sie sich nicht aus dieser Situation befreien konnte. Sie atmete tief durch und erschrak bis ins Mark, als sie Yugaos Blick auf sich spürte, der ihr deutlicher als je zuvor zeigte, dass sie sich an dem Gespräch beteiligen sollte. Sakura war solcherlei Mahnungen nicht gewöhnt, war sie doch gewohnt immer alles richtig zu machen. „Seid Ihr denn so ein talentierter Bogenschütze, Aburame-san?“, mischte sie sich endlich ein und sicherte sich damit die ungeteilte Aufmerksamkeit der beiden Männer. Shino schien ein wenig verlegen, als hätte sie ihn in seiner eigenen Falle gefangen. Ein feines Grinsen schlich sich auf das ansonsten emotionslose Gesicht des Uchiha. Shino betrachtete sie verunsichert, bevor er schließlich zu einer neutralen Erklärung ansetzte: „Mein Vater lehrt mich alles, was ich wissen muss: Kendo, Kyudo und Judo.“ Damit hatte er sich geschickt aus der Affäre gezogen ohne etwas preiszugeben, doch Sakura wusste, dass sich zwischen den beiden Männern erste Anzeichen von Misstrauen regten. Es war, als würde die Luft vor der Intensität ihrer Ausstrahlung knistern und auf einmal wusste Sakura, dass zwischen den beiden Samurai eine nicht zu erklärende Abneigung aufkeimte. „Ihr habt schön gesungen, Sakura-san“, sagte Shino plötzlich. Sakura hatte mit so einer Aussage nicht gerechnet. Natürlich hatte auch Shino applaudiert, als sie geendet hatte, aber es war nicht nötig, das noch mal zu erwähnen, wenn selbst sein Vater, der Daimyo, schon ihr Talent gewürdigt hatte. Beinahe schien es so, als wollte er vor dem Uchiha etwas klären… Etwas, das zeigte, dass er kein Anrecht auf ihre Gesellschaft hatte… Sasuke hob lediglich eine Augenbraue und das schwarze Haar fiel ihm lässig ins Gesicht. „Vielen Dank, Shino-san“, murmelte Sakura verspätet, „ich bin froh, dass es Euch gefallen hat und ich-“ „Die Herren müssen entschuldigen“, vernahm sie plötzlich Yugaos Stimme, „Sakura-san und ich haben noch ein anderes Treffen zu dem wir uns nicht verspäten dürfen.“ Die Geisha erhob sich geschmeidig und Sakura tat es ihr erleichtert nach. Yugao hatte ihr soeben eine äußerst unschöne Situation erspart… Die Maiko glitt in einer fließenden Bewegung von ihrem Platz, verbeugte sich einmal vor den Gästen und folgte Yugao aus dem Teehaus. Doch kaum, dass sie den Raum verlassen hatte, spürte sie zwei Blicke in ihrem Rücken. In diesem Moment wusste Sakura, dass sie Feindschaft zwischen Shino Aburame und Sasuke Uchiha gesät hatte… - ~ ♥ ~ - Sakura spielte die Shamisen ohne nachzudenken. Ihre Finger schienen ihren eigenen Willen zu haben und die Musik war klar, ohne Fehler. Sie war das was eine Geisha sein sollte. Schön anzusehen, wie jemand aus einer anderen Welt. Ohne Gefühle. Nicht mehr. Doch Sakuras Inneres entsprach nicht dem Bild einer Geisha. Sie war viel zu abgelenkt, um einen Gedanken daran verschwenden zu können. Die Sonne war gesunken und berührte fast den Horizont. Zumindest soweit sie es von der kleinen Terrasse erkennen konnte. Aber so viel sie auch versuchte sich abzulenken, Sakura konnte die Ereignisse im Teehaus nicht aus ihrem Kopf verdrängen. War es wirklich erst ein paar Tage her, seitdem sie hier gesessen hatte und nichts gefühlt hatte als Leere und Freude über die wenige Zeit, die ihr gehörte? Die letzten Tage hatten all das zunichte gemachte. Die Maiko hatte keinen Blick mehr für den hübschen Garten draußen, die komplizierte Fertigung der Tatamimatten interessierte sie nicht und die Musik, die sie spielte, klang nur hohl. Nichts weiter. Da war etwas und sie konnte nicht sagen was es war. Etwas bahnte sich an und sie fürchtete es… Alles war ganz still und trotzdem wusste sie, dass ihre Intuition sie nicht täuschte. Eine Saite der Shamisen erzeugte einen schrillen Ton, der ihr in den Ohren klirrte. Sakura ließ das Instrument fallen, das polternd auf dem Holz auf kam. Sie konnte von Glück reden, dass niemand da war, der ihr Missgeschick beobachtet hatte. Als sie die Shamisen näher untersuchte, stellte sie fest, dass eine Saite gerissen war. Es würde schwer werden, das Yugao zu erklären. Sie verspielte sich nicht. Sie hatte sich nicht zu verspielen. Die Schatten wanderten an den Wänden entlang und Sakura gab es auf sich ihrer Gedanken zu wehren. Irgendetwas in ihr war ruhelos geworden und so starrte sie nur abwesend vor sich hin. Das Geräusch von Holz auf Holz brachte sie wieder in die Realität zurück. Jemand schob die Tür auf und schloss sie wieder. Plötzlich begann ihr Herz zu rasen. Dieser jemand wollte nicht bemerkt werden. Und er war nah. Die Atmosphäre wandelte sich schlagartig. Was vorher ruhig und ausgelassen gewesen war, erschien ihr auf einmal schnell und angespannt. Was ihr vorher Frieden gegeben hatte, verwandelte sich in Angst. Dann spürte sie seine Anwesenheit, hörte den leisen Atem und nahm die Bewegungen hinter sich wahr. „Ich habe nicht erwartet hier jemanden zu treffen“, sagte Sasuke Uchiha ohne den Blick von ihr zu nehmen. Sakura hatte sich noch immer nicht gerührt. Was tat er hier? Warum schien er sie zu verfolgen. „Ich kannte die Geschichte, die du gesungen hast“, sagte er dann, „ich habe sie nie in Frage gestellt, aber vorhin habe ich mich gefragt, was gewesen wäre, wenn Amaterasu nicht zurück gekehrt wäre. Was, wenn es dunkel geblieben wäre?“ Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis sie ihre Stimme wieder fand. Als sie es tat, klang sie eigenartig dünn und verletzlich… „Es kann selbst dunkel für jemanden sein, obwohl die Sonne scheint“, erwiderte Sakura. Der Samurai trat einen Schritt auf sie zu. Sakura stand auf, drehte sich aber nicht zu ihm um. Seine Augen schienen all ihre Reaktionen zu lesen, zu analysieren. Es war merkwürdig. So sehr sie diesen Augenblick gefürchtet hatte, so gelassen war sie jetzt… „Für jemanden wie Euch?“, unterbrach Sasuke die Stille. „Ich habe keinerlei Recht darüber zu urteilen was hell und was dunkel ist“, antwortete Sakura, „keine Geisha hat dies.“ „Warum seid Ihr dann eine, wenn ihr Euch doch wünscht im Licht zu sein? Ihr könnt mich nicht täuschen, Sakura. Dies ist nicht das, was Ihr wollt.“ Sakura wirbelte herum. Was bildete er sich ein! Als, wenn er sie kennen würde! „Ihr habt kein Recht über mich zu urteilen! Ich hatte nie eine Wahl! Es gab nie etwas anderes, das ich hätte werden können! Meine Mutter hat mich hier zurückgelassen gerade als ich geboren war!“ Der Samurai zuckte nicht mal mit der Wimper. Sasuke Uchiha schien ihre Wut vollkommen kalt zu machen, was sie nur noch wütender werden ließ. Wann hatte sie sich das letzte Mal so lebendig gefühlt? Doch das war nicht die Art und Weise, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte kein Recht darauf wütend zu sein, sie hatte keinerlei Recht irgendwas zu fühlen. „Ihr habt mich gerade nur noch mehr bestätigt. Ihr würdet Euch nicht dagegen auflehnen, wenn es Euch wirklich egal wäre.“ Seine Stimme war kalt, fast teilnahmslos und es fühlte sich so an, als würde er nur wieder Fakten auflisten. Vielleicht war es das oder ihre momentane Verwirrtheit, vielleicht aber auch, weil sie insgeheim wusste, dass er Recht hatte und es nur nicht wahrhaben wollte. „Was ist dann der Unterschied zwischen uns?“, flüsterte Sakura, „Ihr wart Euer ganzes Leben lang dazu bestimmt ein Uchiha zu sein, ein Mitglied eines mächtigen Samuraiclans. Habt Ihr Euch für etwas anderes entschieden, als das was Ihr seid?“ Sasuke machte eine ruckartige Bewegung und für einen Augenblick dachte sie, dass er die Fassung verlieren würde. Doch als er ihr antwortete, war seine Stimme noch genauso ruhig wie zuvor. „Eine Wahl zu treffen bedeutet nicht, alles grundlegend zu ändern. Mit jedem Schritt, den man tut verändert sich das Leben. Jede Entscheidung hat Auswirkungen auf die Zukunft. Selbst ein einziger Gedanke kann einen Krieg auslösen - oder Frieden bringen. Verändert man die Sicht der Dinge, verändert man auch die Dinge selbst. Diejenigen, die das nicht begreifen, werden sich nie selbst verstehen. Sie werden so leben, wie andere es wollen ohne einen Gedanken daran zu verschwenden was hätte sein können. Es gibt viele solcher Menschen. Und sie alle vergessen eins: Man hat immer eine Wahl.“ „Ein Mensch kann die Welt nicht verändern“, unterbrach sie ihn, „was kann ein einzelner tun, wenn alle dagegen sind.“ „Dann hätte dieser einzelne die Welt der übrigen verändert, weil er sich aufgelehnt hat.“ „Glaubt Ihr das wirklich?“ Sakura klang skeptisch. Die Unterhaltung mit Sasuke Uchiha verwirrte sie immer mehr. Warum ging er nicht einfach? Warum war es ihm nicht einfach egal, was sie dachte? Nie war ihr jemand wie er begegnet. Niemand stellte Pflicht und Ehre und Tradition so sehr in Frage wie er. „Wenn ich das nicht tun würde, dann wäre ich kein Samurai geworden. Ich fälle meine eigenen Entscheidungen, nicht meine Familie. Ich bin ein Krieger geworden, weil ich es so wollte und niemand anderes.“ Er sah sie an und Sakura wurde sich das erste Mal bewusst, was für einen Intensität seine Augen besaßen. Ihre Dunkelheit wirkte nicht länger nur gefährlich, sondern auch einvernehmend. Diese Art von Charisma, die nur wenige Menschen besaßen. Sie konnte nur einen aufzählen: Yugao. „Eure Mutter wusste es“, setzte der Samurai plötzlich hinzu, „sie hätte Euch in die Obhut dieses Hauses geben können oder Euch dem Tod ausliefern, wenn sie gedacht hätte, dass es besser gewesen wäre.“ Auf einmal huschte ein schmales Grinsen über sein Gesicht. „Die Tatsache, dass sie Euch überhaupt geboren hat, spricht schon für sich.“ „Aber ich habe keine andere Möglichkeit als eine Geisha zu werden.“ – „Ihr habt sie nicht, weil Ihr sie nicht ergreift.“ Er hatte Recht. Sie hasste es, aber er hatte Recht. Sie hatte dies lange gewusst, doch ihre eigene Feigheit hatte davon abgehalten jemals näher darüber nachzudenken. Sakura konnte sich seinem Blick nicht entziehen. Wo war ihre Zuversicht geblieben? Hatte sie nicht darauf vertraut, dass die jahrelange Übung ihn nicht tiefer in sie hineinsehen lassen würde als sie wollte? Jetzt war sie nur noch verwirrter. Sie war ihm ausgeliefert und er wusste es. Sie hatte keine Antwort auf seine Frage und er wusste es. Er wusste es. Sasuke Uchiha hatte es schon vom ersten Augenblick an gewusst. „Warum interessiert Ihr Euch dafür, Uchiha-san?“, brachte sie schließlich geschlagen hervor. „Sasuke.“ „Was?“ „Nicht Uchiha-san, Sasuke. Ich habe genug Leute, die um mich herum kriechen und mich als das behandeln, als das sie mich sehen wollen.“ Der Samurai drehte sich um und war fast an der Tür, als er sich noch mal umwandte. „Kommt heute Abend wieder hierher, Sakura, ich möchte Euch etwas zeigen.“ „Warum?“, setzte sie an, aber Sasuke Uchiha fuhr abermals dazwischen: „Ihr werdet sehen…“, er schob die Tür auf und trat aus dem Raum. Sakura starrte ihm nach. Der Ort, an dem sie einst nur für sich sein konnte, hatte plötzlich eine andere Bedeutung gekommen. Ihr Blick fiel auf die gerissene Saite der Shamisen. War sie wirklich das, was er beschrieben hatte? Einer dieser Menschen, die einfach nur lebten. Nichts weiter. Die keine Entscheidungen trafen und ihr Leben von anderen bestimmen ließen? Es war dieser Moment, in dem sie merkte, dass sie plötzlich keinerlei Angst mehr vor ihm verspürte. „Sasuke“, flüsterte sie leise. ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * ~ * Sie war zerrissen. Es gab kein Wort, das es treffender beschrieben hatte. Sakura hatte Zweifel gehegt, Gedanken gedacht, die unverzeihlich waren und sie war dabei immer tiefer in den Strudel hinein zu geraten. Sie hatte es so einfach für ihn gemacht. Ein paar Worte und sie vergaß wer sie war. Aber wer war sie? Was verbarg sich hinter ihrem Gesicht? Das, was man erwartete, oder das was sie war? Und nur sie… Mit ein paar Worten hatte er eine Macht über sie erlangt, die nicht da sein durfte. Sie war eine Maiko, beinahe eine Geisha. Es hatte nichts zu geben, dass Macht über sie erlangte. Schon gar nicht jemanden. Macht über jemanden zu haben, bedeutete, dass man seine Schwäche kannte. Und eine Schwäche zu haben, bedeutete, dass man immer noch verletzlich war und, dass es etwas gab, das einen nicht kalt ließ. Er hatte es so schnell herausgefunden. Warum war sie dann hier? Hatte sie sich von ihm mitreißen lassen? War es schlicht Neugier, was es war, dass er ihr zeigen wollte? Oder war es, weil sie es vielleicht selbst wollte… An diesem Abend war sie alles andere als eine Geisha. Sie trug keine Schminke, keinen aufwendigen Kimono, sie hatte sich nicht mal die Mühe gemacht ihre Haare hochzustecken. Sakura fühlte sich nackt und dann auch wieder nicht. Seit so langer Zeit nahm sie ihre Umgebung mit all ihren Sinnen wahr, sie konnte wieder atmen. Frei atmen und es gab nichts, dass es ihr in diesem Moment nehmen konnte. Nach so langer Zeit war sie das geworden, was man ihr stets verboten hatte zu sein: Sie war sie selbst. Ein Geräusch, das aus dem Garten kam, ließ sie zusammenzucken. Hätte sie nicht auf ihn gewartet, hätte sie dem kaum Bedeutung beigemessen. Doch jetzt nahm sie die Silhouette wahr, die sich geschmeidig durch die Dunkelheit bewegte. Dann flammte ein Licht auf. Sakura blinzelte. Eine Laterne. Eine Gestalt löste sich aus der Dämmerung, jetzt vom Licht angestrahlt. „Ich wusste, dass Ihr kommen würdet, Sakura.“, sagte er. „Warum wolltest Ihr, dass ich komme, Sasuke?“ Sie erhielt keine Antwort. Sasuke schien sich viel mehr bereits wieder zu entfernen. Sie konnte die Schritte auf dem Gras hören, die rasch leiser wurden. Sakura rappelte sich auf, sprang von der Terrasse und folgte dem Licht der Laterne, das durch die Dunkelheit zu schweben schien. Nach ein paar Metern holte sie auf. Schweigend ging sie neben ihm. Selbst das war unschicklich. Eine Frau hatte immer hinter dem Mann zu gehen, aber die ganze Situation war unschicklich. Machte da so ein kleiner Verstoß überhaupt noch etwas? Längst hatten sie die Gaststätte hinter sich gelassen, aber Sasuke sprach erst wieder mit ihr, als sie sich bereits auf der Hauptstraße befanden. Aus der Ferne schwoll Musik an und je weiter sie gingen, desto mehr Menschen kamen ihnen entgegen. Kleine Stände säumten die Straßenseiten, Lampions in verschiedensten Farben waren aufgehängt worden und je näher sie dem Zentrum des Treibens kamen, desto lauter wurde das Gelächter. Auf einmal spürte sie eine Hand an ihrem Oberarm und dann war ihr der Samurai auf einmal so nah, dass seine Haare fast ihre Stirn streiften. Vor Schreck fiel sie beinahe hin, aber Sasuke Griff bewahrte sie vor einem Sturz. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Getümmels und Sakura merkte zum ersten Mal, dass er nur ein wenig größer war als sie. Vielleicht einen halben Kopf. Seine Haut war blass, bleich beinahe und obwohl sein Gesicht kaum Gefühle preisgab, wirkte es auf seine eigene Weise plötzlich lebendig. „Kommt“, sagte er und zog sie mit sich. Sakura konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen. Warum wollte er mit ihr zu dem Fest gehen. Sie war so sehr mit ihrer Mizuage beschäftigt gewesen, dass sie ganz vergessen hatte, dass eines stattfinden sollte. Jetzt aus dem Nichts heraus in das Getümmel hineingeworfen zu werden, war das letzte, das sie erwartet hatte. Aber vielleicht entsprach auch gerade das Sasukes Charakter. Sie hatte niemals gewusst, was er dachte. Im Gegensatz zu ihr hatte seine Maske keinen Sprung. Wenn er andere nicht sehen lassen wollte, was er fühlte, würde dieser es nie zu Gesicht bekommen. Sie kamen an dem Zelt einer Wahrsagerin vorbei, mehreren Ständen, die etwas zu essen verkauften, einer Gruppe von Jongleuren und Feuerspuckern und einem kleinen Stand, an dem man versuchen konnte Goldfische mit einem Papierkescher zu fangen. Da war eine Tanzfläche und eine Frau, die kleinen Mädchen Blumen in die Haare flocht. Sie hielten hier und da an und mit der Zeit brauchte keiner von ihnen mehr sagen, wohin er wollte. Sasuke ließ sie die ganze Zeit über nicht los und Sakura wusste noch immer nicht, was er mit all dem bezwecken wollte. Doch irgendwann kümmerte sie auch das nicht mehr. Es war so merkwürdig, so falsch und fühlte sich doch so richtig an. Sie hatte - und sie konnte kaum glauben, dass es so war – Spaß. Sie war glücklich und inmitten der Menschenmenge blühte sie auf. Auf einmal sah sie nicht mehr nur die schwarzweiße Welt der Geishas, das Leben holte sie farbenfroh, so laut, so unabwendbar ein, dass sie sich fragte, wo plötzlich die Zeit geblieben war. Die Leute erkannten sie nicht, niemand grüßte sie. Sie war nicht der strahlende Stern, dem jeder dieser Menschen zuvor mit Respekt und Ehrerbietung begegnet war. „Ich hatte Recht“, sagte Sasuke auf einmal. Sakura sah ihn fragend an. „Da ist noch etwas … in Euch…“ „Was meinst Ihr?“ Sie hatte sich so schnell an ihn gewöhnt. Viel zu schnell… „Es lässt sich einfach erklären.“, sagte der Uchiha, „Ich habe Euch eine Wahl gelassen. Ihr hättet kommen können, oder nicht, Sakura.“, er hielt inne, wie um ihre Reaktion zu lesen, „aber Ihr seid gekommen. Ihr habt eine Entscheidung gefällt und hättet Ihr das nicht getan, wärt Ihr jetzt nicht hier.“ Sakura sagte nichts. Da war es wieder… Dieses Etwas, das sie an ihm irritierte. Er sagte etwas und schien damit noch etwas ganz anderes zu sagen. Sie verstand ihn nicht. Er mit dem Herzen aus Eis und dem Blick aus Stahl. Sasuke, von dem sie nie wusste, was er dachte. Von dem sie nicht eine einzige seiner Handlungen deuten konnte. Sie befanden sich leicht abseits des Festes, in der Nähe musste irgendwo ein Teehaus sein, wusste sie. Das Fest hatte etwas Magisches… Es hatte sie aus ihren grauen Gedanken gelockt und etwas ans Licht geführt von dem sie geglaubt hatte, es vor langer Zeit begraben zu haben. „Warum zeigt Ihr mir das?“, fragte sie in die Stille hinein. Der Samurai drehte den Kopf, doch seine Augen schienen sie nicht direkt anzublicken. „Ich weiß es nicht“, sagte er. Und weiter erklärte er ihr nichts. Sie schwiegen. Sie waren stehen geblieben und standen nun auf einer kleinen Brücke. Sakura lehnte sich leicht über das Geländer um die Wasseroberfläche anzusehen, die sich kräuselte und nie zum Stillstand kam. Das Wasser wahr übersäht mit Seerosen und sie ,Sakura, konnte sich keinen größeren Kontrast zu dem Samurai und der schlichten Reinheit des kleinen Baches unter ihnen vorstellen. Es war lange her gewesen, dass sie Zeit gehabt hatte, sich die Seerosen richtig anzusehen. Das Rosé war in der langsam ansteigenden Dunkelheit eine Farbnuance tiefer und die dunkelgrünen Blätter wirkten fast schwarz. Ab und an huschte ein Lichtschein über das Wasser, spiegelte sich kurz darin und verschwand. Sasuke hatte die Laterne auf das Geländer gestellt und war an ihre Seite getreten. Er trug einen dunkelblauen, schlichten Kimono, der nicht offenbarte welchem Stand er angehörte. Er hätte ein Kaufmann sein können, ein Schneider, ein Artist, ein Mönch, ein Adliger… Die Liste war endlos und Sakura begann sich zu fragen, ob er auf diese Art und Weise gewissermaßen mit ihr harmonierte. Sie beide waren mit der Wahl ihrer Kleidung gesichtslos geworden. Sie waren in eine Welt eingetaucht in der sie sich nichts verschwiegen, in der alles so offen lag. „Mein Vater hat mir einmal eine ungewöhnliche Aufgabe gestellt“, sagte der Samurai plötzlich, „ich war noch jung und unerfahren. Ich hatte gerade von ihm meine ersten Kendostunden erhalten und ich war ungeduldig.“ Ein feines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Sakura konnte sich nicht helfen: Sie sah ihn neugierig an und bat still, dass er weitererzählen möge. Der Blick des Samurai wanderte wieder nach unten zur Wasseroberfläche. „Er verlangte von mir Wasser zu schneiden. Eine Unmöglichkeit, aber ich war mir sicher, dass ich selbst das fertig bringen würde. Wasser fließt, Wasser ist immer in Bewegung, Wasser ist das Leben selbst, es steht nie still und trotzdem schlug ich immer und immer wieder mit einem Stock darauf ein.“ „Warum hat er das verlangt?“, fragte Sakura, „er wusste doch, dass es nicht möglich war.“ „Oh ja, er wusste es“, sagte Sasuke Uchiha, „Vater wollte lediglich meinen Geist schärfen und mich mit der Vorstellung vertraut machen, dass es etwas gab, das ich nicht tun konnte.“ „Was ist dann passiert?“, wollte sie wissen. Die Kerze in der Laterne flackerte ein Mal und erlosch dann. „Dann nahm mein Vater einen Eimer, schöpfte das Wasser, das er mir zum Üben gegeben hatte, in zwei Löcher und nach einer Weile lief wieder alles zusammen. Er zeigte mir, dass man etwas wohl trennen, es aber nie wirklich auseinander reißen kann, wenn der Zusammenhang so stark ist. Ich werde nie nur Sasuke Uchiha sein, oder ein Samurai. Man ist immer beides, ob man will oder nicht. Aber man ist auch das eine, wenn man gleichzeitig das andere ist.“ Jetzt war es stockfinster, die Musik und die Geräusche aus der Ferne waren leiser geworden. Viel leiser. Sakura versuchte in der Dunkelheit die Konturen Sasukes’ Gesichts auszumachen, scheiterte aber kläglich. Das rabenschwarze Haar fiel ihm leicht ins Gesicht, aber einen Gesichtsausdruck erkannte sie nicht. Nur seine Augen, die keinerlei Probleme zu haben schienen in der Nacht zu sehen, stachen heraus. Sakura konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie sich zuletzt so frei gefühlt hatte. So leicht. An diesem Abend konnte sie die Tatsache des Mordes so einfach beiseite legen. Der Samurai wirkte ruhig, gelassen, aber er hatte nichts von seiner Gefährlichkeit eingebüßt. War sie wirklich so naiv, dass sie ihm so bedingungslos vertraute? So plötzlich, nach einem oder zwei Gesprächen? Es war schlecht, was hier passierte, sie wusste es, aber Sakura konnte sich auch nicht davon losreißen. Sasuke Uchiha hatte ihre eigenen Fähigkeiten gegen sie selbst gewendet. „Man sagt eine Geisha besitzt einen zweiten Namen“, durchbrach er abermals die Stille, „einen geheimen Namen, der in Vergessenheit geraten soll, damit niemand sich je wieder daran erinnert.“ Er sah sie nicht an, aber Sakura verstand trotzdem die stille Frage dahinter. Konnte sie es wagen ihm ihren Namen zu sagen? Wenn Yugao es herausfand, würde sie die Strafe zu spüren bekommen. Und ihre Wut. Aber war es nicht auch an der Zeit sich zu entscheiden? Wer war sie selbst? Was blieb von ihr nach diesem Wandel. Sie sah den Samurai an und dachte an die Geschichte mit dem Wasser. Etwas, das unwiderruflich zusammen gehörte. Sie war Sakura und Naoko. Sie war ein und dieselbe und mit der Entscheidung, die sie traf, würde sich auch etwas in ihr verändern. Etwas Wichtiges. Es würde einen Menschen geben, der sie als beides kannte. „Naoko“, flüsterte sie, „mein Name ist Naoko.“ Kapitel 5: Pflichten einer Geisha --------------------------------- - ~ ♥ ~ - » Ich bin eine Dienerin, eine Träumerin, eine Gefangene. Ich bin diejenige, die durch den Spiegel sieht. Ich bin alles und nichts. Doch mein Leben gehört nicht mir. Warum also maßte ich mir an, den größten aller Fehler zu begehen? … zu hoffen. « - ~ ♥ ~ - Am Tag, der ihr Schicksal entscheiden sollte, erwachte Sakura noch vor Sonnenaufgang. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch einen Spalt in der Holzwand des Zimmers und malten helle Lichtflecken auf ihr Gesicht. Einen Augenblick lang blieb Sakura reglos liegen. Dieser Tag würde ihr Leben verändern. Obwohl er sich eigentlich nicht von all den anderen unterschied, würde er doch völlig anders sein. Am Ende dieses Tages würde sie eine andere sein. Naoko würde für immer verschwinden und stattdessen zu Sakura werden. Alles, worauf sie hingearbeitet hatte, würde Realität werden. Sie würde all ihre Schulden zurück zahlen und sie würde endlich eine wahre Geisha sein. Sie würde in die Gesellschaft eintreten und ein Leben ohne Sorgen führen können. Sie würde auf niemanden mehr angewiesen sein. Sie würde frei sein. Warum also fürchtete sie sich dann so sehr vor diesem Tag? Langsam streckte sie die Hand und beobachtete, wie deren Schatten über sie fiel. Sie spreizte die Finger und das Licht schlüpfte zwischen ihnen hindurch und blendete sie. Sakura blinzelte. Dann trat ein sanftes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie konnte das Licht nicht greifen. Egal, was heute geschehen würde … noch gab es Dinge, auf die niemand einen Einfluss hatte. Sakura rieb sich den Schlaf aus den Augen und richtete sie sich auf. Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen und ihr Haar gekämmt hatte, streifte sie einen einfachen Kimono aus lindgrünem Leinenstoff über. Wieder schweiften Sakuras Gedanken zu dem, was am heutigen Tage passieren würde. All die reichen, einflussreichen Männer würden darum bieten, ihr Mizuage-Danna zu sein. Die bedeutendsten Persönlichkeiten Tanzakugais und aus entfernten Teilen des Landes würden kommen und darum kämpfen, eine Nacht mit ihr zu verbringen. Sakura wusste, dass es eine große Ehre war, wenn viele und einflussreiche Männer an dem Ereignis teilnahmen, das Yugao seit Monaten vorbereitete. Sie dachte an Shino Aburame, an Kakashi und all die anderen hochangesehenen Männer, die Yugao eigens ausgewählt hatte. Es war eine Ehre. Warum fühlte es sich dann so an, als würde sie dem Meistbietenden verkauft? Lautlos schloss Sakura das Zimmer hinter sich und schlich auf leisen Sohlen die ruhigen Gänge des Gasthauses entlang. Chiyo war zwar eine Frühaufsteherin, doch selbst sie war nicht vor Sonnenaufgang auf den Beinen. Selbst Yugao schlief zu dieser Zeit noch. Sakura erreichte die Terrasse und schob die Holztür auf, die nach draußen führte. Aus ihrem Zimmer hatte sie ihre Shamisen mitgebracht und vielleicht würde ihr die Musik wie jeden Morgen ein wenig Ablenkung verschaffen. Die Morgenluft war kalt und ließ sie frösteln. Dafür, dass es tags so warm gewesen war, war es ziemlich frisch. Sachte ließ sie sich auf der Terrasse nieder. Mit klammen Fingern packte Sakura die Shamisen und schlug die ersten Töne einer lockeren Melodie an. Sie spielte perfekt, wie sie es immer tat, doch an diesem Morgen trugen sie die Töne nicht fort. Die Musik tanzte durch die Luft, aber sie war nicht Teil davon. Es war, als könnte sie spüren, wie ihre Musik der Shamisen entsprang und sich dann in der Stille auflöste. Nur sie blieb zurück, denn ihre Gedanken waren an die Erde gefesselt. Sakura seufzte und legte das Instrument neben sich. Heute hatte auch das keinen Sinn. Was ihr Angst machte, war nicht die Zeremonie oder das Bieten selbst. Es war das Warten darauf. Die stetige Ungewissheit, die sie jeden Augenblick begleitete und sie fragen ließ, ob es das alles wert war. Aber es würde geschehen. So sicher, wie die Sonne unter und wieder aufging, und es war ihre Pflicht, schweigend dabei zuzusehen. Manchmal wünschte sie sich ein anderes Leben. Sie könnte so vieles sein. Vielleicht wäre sie eine gute Heilerin. Vielleicht könnte sie ein Geschäft führen oder auf dem Feld arbeiten. Vielleicht hätte sie Kinder, auf die sie achtgeben musste. Vielleicht … Aber für sie gab es kein Vielleicht. Nur dieses eine Leben, das sie sich nicht ausgesucht hatte. Sehnsüchtig blickte sie in den noch dunklen Himmel, der am Horizont immer heller wurde. Wenn doch nur alles anders wäre! Wenn ihre Eltern am Leben wären! Wenn sie bei einer richtigen Familie aufgewachsen wäre und nicht ihre Kindheit an diesem Ort verbracht hätte! Wenn- Ja, wenn … In den Augen der meisten Menschen führte sie ein leichtes, angenehmes Leben, angefüllt mit Schönheit, Geld und Intelligenz. Doch sie sahen nur die Fassade einer Welt, die es nicht gab. Die Welt im Schatten bestand nicht aus schillernden Farben. Es war eine ganz und gar einsame Welt, denn eine Geisha war allein. Allein unter tausenden von Menschen, weil niemand ihr wahres Ich erkennen konnte. Es war eine Welt der Frauen und Intrigen, eine Welt der Macht und der Gier. Da war kein Platz für Freundschaft oder … Liebe. Sie würde allein sein. Unwillkürlich spürte Sakura, wie ihre Wange feucht wurde. Überrascht berührte sie ihr Gesicht und merkte, dass sie weinte. Sie hatte jahrelang nicht geweint. Die Tränen waren warm und salzig und als sie einmal damit angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören. Sie wollte nicht allein sein … Ein Schluchzer schüttelte ihren Oberkörper und sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Warum sollte sie eine Zukunft wählen, die sie zu Einsamkeit verdammte, ohne, dass sie überhaupt richtig gelebt hatte! Sie spürte, wie ihre Tränen an ihrem Kinn herunter liefen und auf ihre Kleidung tropften. Sie musste aufhören! An diesem Tag durfte es keine Schwäche geben! An diesem Tag musste sie all ihre Gefühle verbergen und ertragen. An diesem Tag … „Warum weinst du?“ Sakura riss die Augen auf und erstarrte. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Warum war er überhaupt schon auf? Warum - ? Ihre Gedanken überschlugen sich und sie wagte nicht aufzusehen. Ungebeten ließ sich der Samurai neben ihr auf der Terrasse nieder. Sakura blinzelte und hob endlich den Kopf. Seine ausdruckslosen schwarzen Augen fixierten sie und beobachteten jede ihrer Bewegungen. Er wartete. „Ich-“, begann Sakura. „Was tut Ihr hier?“ Es war ein schwacher Versuch, von dem sie wusste, dass er Sasuke nicht von seiner eigentlichen Frage ablenken würde. Der verzog amüsiert den Mund und erklärte kurzangebunden: „Ich wohne hier. Zumindest im Moment, und ich war noch nie jemand, der spät aufgestanden ist.“ Er grinste spöttisch und Sakura lief es kalt den Rücken herunter. Diesmal war es nicht vor Kälte. „Ich- … das solltest Ihr nicht sehen. Ich muss gehen.“ Noch während sie aufsprang, wischte sie sich mit dem Ärmel über die Augen. Sie musste fort von hier! Sie musste fort von ihm. Doch Sasuke war schneller. Kaum hatte sie auch nur einen Schritt in Richtung Tür gemacht, hatte er ihr den Weg vertreten. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Er folgte. Schließlich stand sie mit dem Rücken zur Wand. „Ich hätte dich nicht für jemanden gehalten, der vor seinen eigenen Entscheidungen davon läuft, Naoko.“ Sakura erstarrte zu Eis. Dieser Name … dieser eine Name … Sie hätte ihm niemals ihren eigenen Namen verraten dürfen. Niemals! Dann … hätte er nie solche Macht über sie erlangt. Unwillkürlich sah sie ihn an. Das schwarze Haar fiel ihm in die Stirn und hüllte seine Augen in Schatten. „Was wisst Ihr schon von meinem Leben? Ihr werdet nie verstehen, dass eine Geisha keine Wahl hat. Ich kann nicht zurück, Sasuke! Heute wird mein Schicksal entschieden-“ „Wird entschieden?“, fiel er ihr ins Wort. Sie drehte den Kopf zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sie hatte bereits zu viel gesagt. „Lasst mich gehen …“, bat sie leise. „Nein.“ Dieses eine Wort … Wie konnte ein Wort aus seinem Mund sie nur so verunsichern? Plötzlich stützte der Samurai seinen Arm neben ihrem Kopf ab. Sie zuckte vor Angst zusammen, als sie merkte, dass er ihr immer näher kam. Er berührte sie nicht mal, aber das musste er auch nicht. Sie war wie erstarrt. Sasukes Gesicht lag im Schatten und verlieh ihm einen noch düsteren Ausdruck. Sakura konnte nicht sagen, ob er sie auf die gleiche Weise ansah, wie als er vor ihren Augen einen Mann getötet hatte oder wie vor ein paar Tagen, als er sie im Onsen nackt gesehen hatte. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als eine seiner Strähnen ihre Wange streifte. Dann spürte sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr. „Soll ich dich retten?“ Sakura riss die Augen auf und das Licht blendete sie. Ehe sie es gemerkt hatte, war die Sonne aufgegangen und das Licht hüllte Sasukes Kopf wie einen Heiligenschein ein. Sein Körper schirmte sie von der Helligkeit ab, bewahrte sie davor, direkt in die Sonne blicken zu müssen und ließ seine Silhouette noch dunkler erscheinen, als sie ohnehin schon war. Der Kontrast war so einschneidend, dass es fast so wirkte, als wäre er die personifizierte Dunkelheit. Sakura starrte ihn an. Seine Worte wollten nicht aus ihrem Kopf verschwinden … „Sakura!“ Sie wandten sich gleichzeitig zu Yugao um, die plötzlich in der Tür stand und entsetzt auf das blickte, das sich vor ihren Augen abspielte. Für eine Sekunde glaubte Sakura, etwas bei Yugao gesehen zu haben, das verboten war, doch im nächsten Augenblick trug ihre Schwester bereits wieder ihre Maske. Nicht unfreundlich wandte sie sich an Sasuke und sagte: „Uchiha-san, ich glaube Kakashi-san ist auf der Suche nach Euch. Er erwähnte etwas von einem morgendlichen Training.“ Sasuke trat einen Schritt von ihr fort. „Dann werde ich meinen Meister nicht warten lassen“, erwiderte er. Bevor er wieder im Inneren verschwandt und an Yugao vorbei trat, warf er ihr noch einen letzten Blick zu. Seine Augen waren wie immer unergründlich, doch diesmal glaubte sie etwas in ihnen lesen zu können. Etwas, das nicht sein durfte. Kaum war er fort, rutschte sie an der Wand herunter. Yugao schloss die Terrassentür hinter dem Samurai, trat dann auf sie zu und blickte auf sie herab. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Es gab keine Worte, mit denen sie der Geisha erklären konnte, was gerade geschehen war. „Was hast du getan?“ Sie antwortete nicht. „Was hast du getan?!“ Yugaos Stimme nahm eine hysterische Note an. Sie packte sie an den Schultern und schüttelte sie. Sakura hatte keine Kraft sich zu wehren. „Er war einfach da“, flüsterte sie. „Und warum warst du hier?“ Sakura warf einen Blick auf ihr Instrument, das vergessen auf den Dielen lag. Ihre Schwester folgte ihrem Blick. „Heute?“ Sie nickte schwach. „Ich dachte, es würde mich beruhigen.“ „Und ich dachte, du hättest verstanden, was ich dir beigebracht habe. Im Leben einer Geisha gibt es keine Gefühle, Sakura. Das ist der Grund, warum wir unnahbar sind. Das ist der Grund, warum wir auf Männer eine Faszination ausüben! Weil sie sich wünschen, hinter die Fassade zu blicken! Das ist der Grund, von dem dein Leben abhängt!“ „Und wenn ich ein solches Leben nicht will?!“ Ihr Ausbruch überraschte sie beide. Zitternd ließ Yugao sie los. „Was sagst du da?“ „Ich will nicht allein sein, Onee-san. Ich möchte nicht mein ganzes Leben einsam sein und mich fragen, was gewesen wäre, wenn ich nur den Mut gehabt hätte, etwas zu ändern!“ „Du musst noch viel lernen, Sakura“, erklärte Yugao, „glaubst du wirklich, dass das Leben einer Geisha keinen Sinn hat? Du wirst nicht viele Menschen haben, denen du dich anvertrauen kannst, ja. Doch das ist der Preis, den jede Frau zahlen muss, die diesen Weg einschlägt. Gerade deshalb kann er nur von Frauen gegangen werden, die einen starken Willen haben. Aber du wirst tausende andere Leben berühren. Du wirst ihnen Hoffnung geben, Freude bereiten und du wirst ihre Zweifel beiseite wischen. Eine Geisha, die die Herzen der Menschen kennt, wird unsterblich werden. Doch Liebe … hat in unserer Welt keinen Platz.“ Die ältere Frau sah sie mitleidig an und da wusste Sakura, dass sie diese Erfahrung selbst gemacht hatte. Zum ersten Mal gab Yugao vor ihr ihre eigenen Gefühle preis, und was sie sah, war eine seltsame Mischung. Stolz und Schönheit. Unnachgiebigkeit und eine Frau, die wusste, wie sie in dieser Welt überlebte. Aber vor allem Traurigkeit. Endlose Traurigkeit und die Sehnsucht nach etwas, das es nie geben würde. „Sakura“, Yugao betonte den Namen als wolle sie ihn auf der Zunge hin und her wiegen. „Du nahmst diesen Namen. Ein schöner Name. Genauso schön, wie die Kirschblüten nach denen er benannt ist. Doch vergiss eines nicht: Die Kirschblüten blühen nur ein einziges Mal im Jahr. Willst du ebenso vergänglich sein wie sie?“ - ~ ♥ ~ - Endlich erreichte Sakura das Ende der langen Treppe. Der Schrein lag etwas abseits der Stadt am Fuße einer Anhöhe und diejenigen, die ihn besuchen wollten, mussten zuerst einen langen Weg zurück legen und danach die scheinbar endlosen Stufen hinauf. Einmal hatte Sakura sich mit Chiyo darüber unterhalten. Zu den Göttern, so hatte die alte Frau gesagt, kam man nicht ohne Anstrengung. Die Götter blickten auf sie herab. Deswegen lag der Shintai, das Heiligtum des Schreins, zumeist in dem Teil des Schreins, der höher gelegen war. Als Sakura endlich zusammen mit Chiyo, die sie begleitete, am Ende der Treppe ankam, war sie erschöpft. Das Erklimmen all dieser Stufen in nichts als einem Kimono, den sie nicht schmutzig machen durfte, und mit Getas an den Füßen, war eine reine Zerreißprobe. „Lass uns gehen, Kind“, riss Chiyo sie aus den Gedanken. „Wollt Ihr nicht einen Moment ausruhen, Chiyo-san?“, erkundigte sich Sakura. Chiyo warf ihr einen amüsierten Blick zu. „Sehe ich etwa schon so aus, als müsse ich jeden Moment tot umfallen, Mädchen?“ „Eigentlich nicht“, gab Sakura zur Antwort, „ich dachte nur, dass ein Moment des Innehaltens-“ „Das Leben gönnt uns auch keinen Moment Ruhe. Warum sollten wir anhalten? Stillstand führt zu nichts. Du kannst nur voran kommen, wenn du weiter gehst.“ So locker die Alte dies auch verkündete, Sakura hatte die dunkle Ahnung, dass sie ihr etwas ganz anderes sagen wollte. Doch Chiyo achtete nicht auf ihr Zögern, sondern trat bereits durch das Torii, das Tor mit zwei Querbalken, das den Eingang des Schreins markierte, hindurch. Hastig folgte Sakura ihr und holte die alte Frau erst ein, als diese bereits fünf Meter voraus war. „Hetz‘ nicht so, Sakura, dies ist ein heiliger Ort“, wandte sich Chiyo vorwurfsvoll an sie. Doch Sakura wusste, dass die alte Frau es nicht so meinte. Seit sie alt genug war zu begreifen, was eine Familie war, hatte Chiyo für sie gesorgt und wie ihr eigenes Kind aufgezogen. Eine solche Güte war niemals zurückzuzahlen und dafür liebte sie Chiyo wie die Mutter, die sie nie gehabt hatte. Ein sanftes Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie erwiderte: „Ich weiß.“ Sie war nicht mehr an diesem Ort gewesen, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Damals war sie auch mit Chiyo hier gewesen. Sie war herum gerannt und war ehrfürchtig vor den Statuen stehen geblieben, um sie zu betrachten. Sie hatte einen Priester gefragt, was das merkwürdige Seil an einem der Bäume zu bedeuten hatte, ehe der ihr erklärt hatte, dass es sich hierbei um ein Götterseil handelte. Chiyo hatte ihr hier beten und die Ehrfurcht vor den Göttern gelehrt. Damals war sie Naoko gewesen. Jahre später hätte sie nicht sagen können, ob sie es noch immer war. Doch Naokos Erinnerung gehörte ihr. Sie erkannte die Brücke, über die sie vor so vielen Jahren gegangen war. Chiyo hatte gesagt, dass eine solche Brücke Shinkkyō hieß, und dass dem Wasser, über das sie gingen, eine reinigende Kraft nachgesagt wurde. Angeblich ließen Besucher den unreinen Teil ihres Selbst zurück, ehe sie in den eigentlichen Teil des Schreins, den Honsha, eintraten. Auch die riesigen Bäume, die das Hauptgebäude umgaben, waren ihr vertraut. Sakura musste lächeln, als sie an einem ein Götterseil entdeckte, das sanft im Wind hin und her gewiegt wurde. Die Bäume innerhalb des Schreinareals waren heilig und ihr Fällen verboten. Fast kam es Sakura vor, als flüsterten sie dem kleinen Mädchen, das sie einst gewesen war, erneut ihre Geheimnisse zu, als sie unter ihren Wipfeln hindurch ging. Schließlich tauchte das Hauptgebäude vor ihnen auf. Es war ganz aus Holz und sein nach außen gebogenes Dach mit dicken Schuppen aus Hinoki-Holz bedeckt. Nicht weit entfernt entdeckte Sakura das sogenannte Chōzuya, das Waschbecken, in dem die Besucher Hände und Gesicht reinigten, ehe sie den Schrein betraten. Chiyo steuerte direkt darauf zu und Sakura folgte ihrem Beispiel. Als sie vor dem Becken stehen blieben, strich Sakura vorsichtig die Ärmel ihres Kimonos zurück. Anschließend goss sie sich mithilfe der bereitgestellten Schöpfkelle aus Bambus Wasser zuerst über die rechte, dann die linke und wieder über die rechte Hand. Wie es Brauch war, hielt sie die Hände nicht über das Becken, damit das Wasser in den Boden tropfen konnte. Sie beendete das Ritual, indem sie einen Schluck des Wassers trank, ehe sie Chiyo zum Hauptgebäude des Schreins folgte. Vor dem Gebäude hielt Chiyo inne. „Ich werde hier auf dich warten, Sakura“, sagte sie. „Nimm das hier mit.“ Sie drückte Sakura eine Münze in die Hand und schloss ihre Finger darum. „Aber Chiyo“, protestierte sie, „das kann ich nicht annehmen.“ „Natürlich kannst du das. Jetzt bring mich nicht in Verlegenheit.“ Zögernd drückte Sakura ihre Faust gegen die Brust. „Danke“, hauchte sie. Sie drehte sich um und wollte gerade den Schrein betreten, als eine junge Miko, die den traditionellen scharlachroten Hakama sowie das weiße Kimonohemd mit weiten ausschweifenden Ärmeln trug, aus dem Schrein kam. „Ihr kommt zu einem sehr günstigen Zeitpunkt“, begrüßte das junge Mädchen sie. „Morgen wird es eine Mondfinsternis geben. Viele wissen nicht davon, aber euch werden die Götter gewogen sein.“ „Eine Mondfinsternis?“, fragte Sakura. „So ist es“, erwiderte das Mädchen, „obwohl noch kein Neumond ist, wird es morgen eine schwarze Nacht geben. Mein Vater ist der Meinung, dass das eine Zeit ist, an dem die Götter uns sehr nahe sind und-“ „Was erzählst du da wieder, Yuki?“ Ein Priester im mittleren Alter trat hinter das junge Mädchen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Genau wie seine Tochter war auch er traditionell in ein weißes Priestergewand gekleidet und trug auf dem Kopf den Tate-Eboshi, den Papierhut der Priester. Freundlich lächelte er sie und Chiyo an, als sie sich zur Begrüßung vor ihm verbeugten. „Aber Vater-“, Yuki zupfte am Gewand des Priesters, „ich musste ihnen doch von-“ „Nun ist es gut, Yuki, ich weiß wie wichtig dir dieses Ereignis ist. Ich hätte es schon nicht vergessen. Hast du nicht noch Arbeit zu erledigen?“ „Ja, Vater.“ Yuki verneigte sich noch ein letztes Mal und verschwand dann in einem der anderen Gebäude. „Ihr müsst meine Tochter entschuldigen“, sagte der Priester, „sie ist sehr aufgeregt.“ „Es gibt nichts zu entschuldigen“, sagte Sakura. „Ihr seid sehr freundlich. Was kann ich für Euch tun?“ „Ich bin hergekommen, um zu beten und die Götter um ihren Segen zu bitten.“ Der Priester musterte sie einen Moment und Sakura war sich im Klaren, dass er ebenso schnell ihren Stand erkannt hatte, wie sie den seinen. Doch sie hielt seinem Blick stand. „Folgt mir bitte“, forderte er sie schließlich auf und ging voran. Schweigend folgte Sakura dem Geistlichen, der sie ins Innere des Schreins führte. Auf dem Holzboden hörte sich das Geräusch, das ihre Holzsandalen auf dem ebenfalls hölzernen Boden hinterließen, seltsam laut an. „Dieser Schrein ist der Göttin Amaterasu gewidmet“, erklärte der Priester, als sie durch einen langen Gang gingen. „Mich persönlich hat die Sonnengöttin schon immer in ihren Bann gezogen.“ „Die Menschen streben immerzu auf das Licht zu“, erwiderte Sakura, „sie sehnen sich nach Wärme und Erleuchtung. Wer könnte es Ihnen zum Vorwurf machen, gerade Amaterasu anzubeten?“ Der Priester hielt inne und legte behutsam eine Hand auf das Holz der Schiebetür, die den Eingang des Haiden, der Gebetshalle, markierte. „Ihr irrt“, antwortete der Mann sanft. „Ich glaube nicht, dass das der Grund für Amaterasus Verehrung ist. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Amaterasu ist das Sinnbild der Sonne, ohne die kein Leben möglich ist, aber ohne die Dunkelheit würde niemand zu ihr beten. Sie hält die Finsternis in Schach, in einem immer währenden Kampf, der niemals entschieden wird und doch zu einem Gleichgewicht führt.“ „So habe ich das noch nie betrachtet“, sagte sie nachdenklich und musste unwillkürlich an den Nachmittag im Teehaus denken, als sie eine von Amaterasus Geschichten vorgetragen hatte. „Natürlich nicht“, riss der Priester sie aus den Gedanken, „dies ist keine allgemein gültige Interpretation, sondern meine bescheidenen Gedanken.“ Er schmunzelte und schob dann die Tür auf. Sakura war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihr Ziel so schnell erreicht hatten. Der Raum war quadratisch angeordnet und sehr schlicht gehalten. Es gab lediglich eine große Holzkiste, die Saisen-bako wie Sakura wusste, in die die Gläubigen ihre Münzen werfen konnten, wenn sie zu beten gedachten. „Ich werde draußen auf Euch warten. Ruft nur nach mir, wenn Ihr fertig seid.“ Damit ließ der Priester sie allein. Vorsichtig trat Sakura auf den kleinen Kasten zu. Die Münze, die Chiyo ihr gegeben hatte, war warm geworden, da sie diese so lange in der Hand gehalten hatte. Sakura hielt einen Moment inne und warf sie dann in die große Holzkiste, in der sie mit einem metallischen Laut aufkam. Über der Saisen-bako war ein Seil mit einer Glocke daran befestigt, an dem Sakura anschließend zog und die Glocke läutete. Dies diente dazu, ihr die Aufmerksamkeit der Göttin zu sichern. Als der Laut verklungen war, klatschte Sakura zweimal in die Hände, verbeugte sich anschließend leicht und legte dann ihre Handflächen aneinander. Einen Augenblick sammelte sie sich und zog sich tief in sich selbst zurück. Von draußen drang kein Geräusch herein, was bedeutete, dass der Priester sich zurückgezogen hatte oder sich äußerst leise verhielt. Amaterasu, Göttin der Sonne, dachte sie, ich weiß nicht was geschehen wird. Ihre Gedanken wanderten zu all den Jahren der Ausbildung, in denen sie auf den heutigen Tag hingearbeitet hatte. So viel Arbeit und so viel Entbehrung und jetzt schwankte sie. Was zuvor eine Tatsache gewesen war, hatte sich in eine Frage verwandelt. Mein Weg liegt in der Dunkelheit, fuhr sie fort, so bitte ich dich dein Licht zu senden, um meine Gedanken klar werden zu lassen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob die Götter wirklich über sie wachten. Wenn es sie gab – war sie dann nicht nur ein Spielball in ihren Händen und ihr Schicksal nichts weiter, als dünnes Glas, das so leicht zerbrechen konnte? Ein letztes Mal bete ich zu dir als Naoko, denn morgen werde ich eine andere sein. Göttin der Sonne und des Lichts, schenk mir deinen Segen, damit ich mich nicht in der Finsternis verliere. Sakura ließ die Hände sinken, atmete einmal tief aus und verbeugte sich dann tief. In ihrem Leben war sie zwar nie besonders gläubig gewesen, aber sie spürte, dass sie das Richtige getan hatte. Zwischen all ihren Fragen, war es doch tröstlich, ihre Gedanken und tiefsten Wünsche an die Götter zu richten. Es war gut, wenigstens ihren Gedanken Freiheit zu schenken. Dennoch … Amaterasu war das Licht, das die Dunkelheit vertrieb, und in diesem Moment wünschte sie sich, dass die Göttin Einsehen mit ihr haben und auch ihre Welt erhellen würde. Das Beten hatte sie daran erinnert, wie bedeutungslos sie im Angesicht der Götter war. Wie klein ihre Sorgen und wie nebensächlich ihre Angst. So wie es Licht und Schatten gab, hatte auch das Leben positive sowie negative Seiten. Nur, weil eine Geisha einen Teil ihrer selbst opferte, bedeutete das nicht, dass sie kein Glück empfinden konnte. Eine Geisha war eine Frau, die es verstand, anderen Freude zu bereiten und darin ihr eigenes Glück fand. Es war kein Leben, auf das man herab sehen konnte. Wo sie den Sinn verloren hatte, erkannte sie nun etwas, das schon immer da gewesen war. Bereits vor langer Zeit hatte sie sich dafür entschieden, eine Geisha zu sein. Niemand hatte sie gezwungen und auch jetzt würde Yugao sie wahrscheinlich nicht aufhalten, wenn sie die Mizuage abbrach. Mit den Jahren hatte sie vergessen, wie sehr sie einst davon geträumt hatte, eine wahre Geisha zu sein. Alltag und Pflichten hatten sie vergessen lassen und in der Routine jedes Tages war Selbstverständlichkeit eingekehrt. Sie hatte sich damit nicht abfinden können, auf das Schicksal keinen Einfluss zu haben. Sie hatte sich nach einem anderen Leben gesehnt, obwohl sie die Wahl längst getroffen hatte. Das Leben einer Geisha war nicht gewöhnlich und nur jemand, der einen starken Willen besaß, konnte es leben. Manche hielten die Existenz einer Geisha für sinnlos, doch Sakura erkannte, dass auch eine Geisha in der Lage war, etwas zu verändern. Macht war nicht nur körperliche Stärke. Macht konnte genauso gut ein Augenaufschlag, eine Geste oder eine leichte Berührung sein. Nur … Sakura biss die Lippen zusammen. Nur … Sie sah Sasukes Gesicht vor sich, das sowohl sanft als auch furchteinflößend sein konnte. Nur … Die Art auf die er sie heute Morgen angesehen hatte. Nur … Liebe hat im Leben einer Geisha keinen Platz. Nur … hatte die Hoffnung, die er ihr eingepflanzt hatte, zu keimen begonnen … - ~ ♥ ~ Yugao verließ Chiyo und sie am frühen Nachmittag. Keiner wusste, wie lange das Bieten dauern würde und Sakura konnte nicht sagen, wie lange sie warten musste. Der Besuch des Schreins hatte ihr die nötige Entschlossenheit verliehen und ihre Zweifel zum Verstummen gebracht. Sie erkannte, dass sie wirklich eine Geisha zu sein wollte. Doch das Warten zerrte an ihren Nerven. Wer würde bieten? Würde die Ehre, ihr Mizuage-Danna zu sein, ihr Überleben sichern? Die Zeit kroch dahin und mit jeder Stunde, die verging, wurde sie unruhiger. War es normal, dass das Bieten so lange dauerte? Hatte sich am Ende gar niemand gefunden, der sie wollte? Sakura verlagerte ein wenig das Gewicht und griff nach ihrer Teetasse. Seitdem Yugao verschwunden war, hatte sie sich nicht gerührt. Sie hatte den Rücken durchgestreckt und durch das Fenster beobachtet, wie es draußen immer dunkler wurde. Von Yugao war immer noch kein Anzeichen zu sehen. Auf einmal klopfte es. Sakura schrak zusammen und ließ beinahe ihre Tasse fallen. „Es ist Zeit für das Abendessen“, verkündete Chiyo, als sie eintrat, und stellte einen Teller Misosuppe vor sie hin. „Danke“, sagte Sakura, „ich hatte ganz vergessen irgendwas zu essen.“ „Da bist du nicht die einzige“, erklärte die Alte, „Kakashi und der Junge sind auch noch nicht von ihrem Training zurück. Langsam habe ich das Gefühl, dass meine Gäste mein Essen verschmähen.“ Sakura betrachtete die Suppe, die noch dampfte und verführerisch duftete, und griff dann nach den Essstäbchen, die Chiyo bereit gelegt hatte. „Wie könnte jemand dein Essen verschmähen?“, fragte sie und fischte nach einer Sojasprosse. „Wenigstens eine weiß meine Kochkünste zu schätzen“, gab die Alte trocken zurück. Während Sakura ihre Suppe trank, blieb Chiyo bei ihr und vertiefte sich in eine Näharbeit. Früher hatten sie oft einträchtig in diesem Raum gesessen. Sakura, die Ikebana, das Blumenstecken, übte und Chiyo, die Kleidung ausbesserte. Nun war es nicht mehr nötig, dass sie Ikebana übte. Wie alles andere, das eine Geisha beherrschen musste, hatte sie auch diese Kunst gemeistert. „Yugao ist immer noch nicht zurück, oder?“, fragte Chiyo, als Sakura den leeren Teller abstellte. „Nein.“ Sakura warf einen Blick nach draußen und stellte fest, dass es bereits dämmerte. „Meinst du … Meinst du, es gibt ein Problem?“ Die Alte zuckte mit den Achseln. „Ich bin nicht so im Thema, wie Yugao, aber ich glaube, dass ein strikter Ablauf eingehalten werden muss. Meines Wissens unterliegt solch ein Bieten höchster Diskretion.“ Nachdenklich musterte Sakura ihren leeren Teller und fragte sich, was wohl gerade im Teehaus geschah, in dem die Anwärter ihre Gebote abgeben sollten. Es wurde Nacht und noch immer ließ Yugao auf sich warten. „Sakura“, sagte Chiyo irgendwann, „egal was, passiert … du sollst wissen, dass ich sehr stolz auf dich bin. Seit dem Tag, als ich dich auf meiner Türschwelle gefunden habe, hast du mir das Leben ein wenig schöner gemacht.“ Überrascht sah Sakura die Alte an. Die Jahre hatten Falten in ihre Haut gezeichnet und ihr Haar ergrauen lassen, doch ihre Augen hatten noch immer diesen warmen Ausdruck, der sie als kleines Mädchen immer daran erinnert hatte, dass es jemanden gab, der sie liebte. „Ich bin auch froh, Chiyo“, flüsterte sie, „ich bin froh, dass meine Mutter mich in deine Obhut gegeben hat.“ Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Die Nacht schritt voran, alle Geräusche auslöschend, und die Zeit selbst wurde zeitlos. Als sie schon glaubte, bis zum Morgen warten zu müssen, rissen sie hastige Schritte aus ihrer Trance. Die Tür wurde aufgerissen und eine keuchende Yugao erschien im Türrahmen. In all der Zeit, die sie Yugao schon kannte, hatte Sakura die Geisha niemals – niemals! – rennen gesehen. Ihr Haar hatte sich aus dem eleganten Knoten gelöst und der Saum ihres Kimonos war an einer Stelle ein wenig schmutzig. Keuchend bemühte sich Yugao zu Atem zu kommen. Sakura spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Ihre nächsten Worte würden alles entscheiden. Vorsichtig erhob sie sich und wartete darauf, dass ihre Schwester genug Luft hatte, um etwas zu sagen. Chiyo hatte indessen ihre Arbeit beiseitegelegt und stand schwerfällig auf. „Was ist geschehen, Yugao?“, wollte sie wissen, „du bist spät. Hast du einen geeigneten Mizuage-Danna gefunden?“ Sakura war ihr dankbar, dass sie diese Fragen stellte, denn sie spürte, dass sie nicht den Mut aufgebracht hätte, es zu tun. „Ich habe jemanden gefunden“, sagte Yugao, doch ihre Miene dabei war unergründlich. „Zumindest habe ich es geglaubt, bis er aufgetaucht ist. In all meinen Jahren habe ich so etwas noch nie gesehen.“ „Was denn?“, hakte Chiyo nach. „Es glich eher einem Krieg, als einem Bieten. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte … Ich weiß es wirklich nicht … und ich konnte es auch nicht aufhalten.“ Die schöne Frau sah Sakura lange an. „Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, aber heute Nacht hast du Geschichte geschrieben, Sakura. In mehr als einer Hinsicht.“ „Onee-San?“ Sie verstand nicht. „Nun, sag mir nicht, dass Kakashi auf seine alten Tage sein Erspartes aufgibt, um-“ Yugao sah Chiyo nicht einmal an. Ihr Blick war auf sie gerichtet. Nur auf sie. „Kakashi hat nicht geboten“, sagte Yugao. Das Licht malte Schatten auf ihr Gesicht. „Es war Sasuke Uchiha.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)