Gesicht der Wahrheit von NiKaTaru (Aus dem Schatten) ================================================================================ Kapitel 1: Aus dem Schatten --------------------------- >>Altes Japan, zur Zeit der Samurai« „Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere.“ So hatte einst sein Meister es ausgedrückt und so lehrte es ihn das Leben. Sein Name war Bayushi Aki und er war Samurai des Skorpionclans. Als das was er war, musste er genau lernen jene Gesichter zu nutzen, die den Schein wahren und die Wahrheit verbergen. Denn wird man als Mörder erkannt, so bleibt einem am Ende nur der Tod. Und nur wenn man die Gesichter der Menschen zu durchschauen lernt, kann man ihr wahres Ich ergründen. Doch ist es gerade jene Wahrheit, die einen dann am meisten verwirren kann. Aber beginnen wir am Anfang der Geschichte, deren Wahrheit nur im ermessen des Lesers liegt. Neben den üblichen Pflichten eines Samurai, war es im Skorpionclan üblich in den Schatten zu agieren. All die Aufgaben, die sich nicht mehr durch geschickt geführte Gespräche lösen ließen, suchte man aus den Schatten heraus, ohne großes Aufsehen und ohne die Folgen in Kauf nehmen zu müssen, zu lösen. Aus jenen Schatten heraus zog dieser Clan die Fäden, für den Kaiser und ein besseres Reich. Auch wenn sie nie den Ruhm dafür erhalten würden, verschwand doch alles im Schatten aus denen es kam. Lüge, Betrug, Verrat und auch Mord waren ihre Pflicht. An jenem Tag, an dem sein Schicksal sich unbemerkt von ihm zu ändern begann, wurde Aki zu seinem Herren gerufen. „Bayushi-sama.“ Mit einer tiefen Verbeugung begab sich der junge Samurai in das Zimmer seines Herren, welcher gerade in einem Buch zu lesen schien und so tat, als sei Aki gar nicht da. „Frischer Wind, so sanft weht er durchs Haar, reißt Bäume er doch nieder.“ Las der Daimyo seinen neuesten Haikku vor, ehe er aufblickte und sein Buch schloss. „Habt ihr schon von Doji Saburo gehört, Aki-san?“ „Hai, Bayushi-sama.“ „So? Was wisst ihr über ihn?“ „Doji Saburo ist der Sohn von Doji Mamoru, dem Berater des Kaisers. Beide gehören der Doji-Familie des Kranichclanes an. Und wie auch Mamoru-sama wird sein Sohn irgendwann Berater werden.“ „War das alles?“ fragte er, nachdem der junge Samurai eine kurze Pause gemacht hatte. „Es heißt, dass Mamoru-sama seinem Sohn alles lehrte, doch habe er eine ungewöhnliche Art, die Wünsche des Kaisers zu erfüllen. Es heißt er soll selbst sehr reich sein.“ Der Daimyo nickte und sah dann auf ein Stück leeres Papier, welches vor ihm auf dem Tisch lag. Den Pinsel nehmend, begann er zu Schreiben. „Doji Mamoru-sama starb am gestrigen Tage. Und in einem Mondlauf wird seinem Sohn die Ehre des neuen kaiserlichen Beraters zu teil. Ich wünsche das ihr unseren Clan auf dieser Feierlichkeit vertretet.“ Sagte er und meinte doch wie schon im ganzen Gespräch etwas anderes. „Hai, Bayushi-sama.“ erwiderte Aki und begann mit einer weiteren Verbeugung den Raum zu verlassen, während sein Herr das neusten Gedicht vorlas. „Roter Mond, die Schatten der Vergangenheit vertreibt, bevor am Morgen die Sonne aufsteigt.“ Auch wenn sein Daimyo und auch sonst niemand in dieser vom Schein geprägten Welt, es nicht direkt ausgesprochen hatte, so wusste er doch was seine wahre Aufgabe war. Doji Saburo war es, den er töten sollte, noch bevor er zum Berater des Kaisers berufen werden würde. Denn noch eine Amtszeit in welcher der Berater den Kaiser betrügt und in seine eigene Tasche wirtschaftet, noch so eine würde das Kaiserreich nicht überstehen. So begab sich der junge Bayushi auf den Weg nach Hokkaido, wo der Sohn des nun verstorbenen Beraters noch wohnte. Man hatte ihm Papiere mit einer Empfehlung als Leibwächter mitgegeben, so dass er im Namen seines Daimyos ihn offiziell am Tage der Ernennung und auf der Reise zum Kaiserhof begleiten und schützen sollte. »Drei Tage später, im Hause des Doji.« Ein leichtes Klopfen an der Tür, ließ die junge Dienerin Sari aufschrecken. Die Türe öffnend, stand vor ihr ein junger Samurai, von wohl gerade einmal 21 Jahre. Gekleidet in einem rot- und schwarzfarbenen Kimono, das Daijo an der Seite getragen, welches ihn als Bushi auszeichnete. Seine langen schwarzen Haare lagen offen und von der Reise ein wenig zerzaust über seine Schultern. Seine obere Gesichtshälfte wurde verdeckt von einer Maske, wie es beim Skorpionclan seit jeher Tradition war. Seine braunen Augen ruhten sanft und scheinbar freundlich, auf der mittlerweile vor ihm knienden Dienerin. „Samurai-sama.“ begrüßte diese ihn. „Sagt Doji Saburo, dass Bayushi Aki hier ist und um ein Gespräch und einen Platz zum Schlafen bittet.“ „Hai, Bayushi-sama. Wenn ihr hier im Flur warten würdet.“ Die Getas auf dem kleinen Balkon stehen lassend, welcher das nicht gerade kleine Haus des Anwesens umrandete, betrat der Samurai den Raum, während die Dienerin zu ihrem Herren huschte. Bald darauf wurde er zum Hausherren gebeten, welchem er sich der Etikette gemäß näherte. „Doji-sama.“ „Bayushi-sama. Was führt euch zu mir?“ Den Brief überreichend erklärte Aki sein Anliegen. Zur Bestätigung seiner Worte lass der neue Hausherr den Brief. „Seit bis dahin mein Gast. Unsere Reise beginnt in 18 Tagen.“ „Ich danke euch Doji-sama.“ erwiderte er und blickte nun zu ihm auf. Kurz verharrte er, glaubte er kaum was er sah. Doji Saburo war ein Mann von Zartheit, dass man Angst haben musste ihn zu zerbrechen. Seine leicht blasse Haut und die für Kraniche typischen weiß gebleichten Haare, welche sanft das Gesicht umspielten, verstärkten diesen Eindruck nur noch mehr. Er dürfte noch keine 20 Jahre alt sein, schätzte Aki und doch sollte er bald einen der wichtigsten Ämter im Land innehaben. „Meine Dienerin, Sari, wird euch euer Zimmer zeigen. Ich hoffe euch zum Essen begrüßen zu dürfen“ unterbrach der junge Mann die aufkommende Stille und blickte mit leicht fragenden bläulichen Augen zu ihm hinüber, in welchen wie er fand eine leichte Art von Trauer lag. „Hai... Doji-sama.“ erwiderte der Skorpion leicht stockend und verschwand dann aus dem Zimmer. Die nächsten Tage verliefen ruhig. Aki aß beinahe jeden Tag mit Saburo und so lernte er ihn auch ein wenig besser kennen. Der Doji mochte die Kunst und spielte ausgezeichnet Musik. Während Bayushis Fähigkeiten sich mehr im Schwertkampf zeigten und den mit jenem gut in Verbindung bringbaren Tanz. Doch noch mehr als die bloßen Fähigkeiten, wurde es dem Skorpion mehr und mehr bewusst, dass die Zeit zu drängen begann. Noch nicht einen Versuch hatte er unternommen, seinen Auftrag zu erfüllen. Es müsste wie ein Unfall aussehen, wie der Mord durch einen unzufriedenen Bediensteten oder aber wie der Tod an einer Krankheit. Denn sonst würde man Verdacht schöpfen, und auch wenn Beweise nichts zählten, sondern nur Zeugen, würde es zu einer Krise zwischen den Clans kommen. Über einen Plan nachsinnend, streifte Aki durch das Haus. Die ganze Zeit über hatte er sich ein Bild über den Anderen machen können und immer wieder glitten auch jetzt seine Gedanken zu ihm. Saburo war einfach nicht so, wie er es erwartet hatte und auch wenn es vielleicht nur ein falsches Gesicht war, all diese Freundlichkeit, die beinahe schon naive Offenheit, all dies passte nicht in das Bild, welches er von ihm haben sollte. Auch wenn immer in seinem Blick noch die leichte Traurigkeit, vielleicht von dem Schmerz über den Tod seines Vaters, mitschwang, so schien er doch immer ehrlich zu sein. Erkannte der schwarzhaarige Samurai nur einfach nicht das wahre Gesicht des Anderen, wo er es doch jahrelang trainiert hatte, genau dies zu sehen, oder war er einfach so. Ein fröhlicher, das Leben liebender Mensch, der nicht im Lügen zustande war. War es richtig ihn zu töten, würde er nicht vielleicht selbst die Veränderungen herbeiführen, die sich sein Clan so sehr wünschte. Es lag nicht an ihm dies zu entscheiden, doch wenn er die Entscheidung anzweifelte und seine Aufgabe nicht erfüllte, so würde es seinen Tod zur Folge haben. Er konnte nicht zurück und wagte es doch nicht den letzten Schritt zu gehen. Den Gedanken nachhängend, hörte er aus dem Garten seltsame Laute. Die Türe einen kleinen Spalt aufschiebend, bemerkte er wie der junge Samurai sich windend und scheinbar geistig gar nicht anwesend am Boden lag. Schnell und ohne über die Chance nachzudenken den Umstand des epileptischen Anfalls auszunutzen, rannte er zu ihm. So weit es seine geringe medizinische Kenntnis zuließ, kümmerte er sich um den Hausherren, bis dieser sich wieder gefangen hatte und sich leicht irritiert mit dem Kopf auf dem Schoß seines Gastes wieder fand. Eine sehr peinliche Situation in jener Welt des schönen Scheins. „Ich sah nichts und niemanden heute, als ich am Nachmittag in den Garten ging.“ sagte der Bayushi um sein Schweigen zu versprechen. Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen des jungen Samurai, der zu verstehen schien und dankbar zu ihm aufblickte, zu mehr noch nicht in der Lage seiend. Beinahe verlegen wandte Akis Blick sich darauf zur Seite. Noch eine kurze Weile blieb der junge Kranich liegen, ehe er sich weit genug erholt hatte um alleine ins Haus zurückkehren zu können. Während der Bayushi weiter im Garten sitzen blieb und seinen Blick gen Himmel richtet. Das Essen am Abend wurde durch Stille geprägt. Eine Stille, welche den Raum fast erdrückte. Leicht über den Rand der Teeschale suchte er den Blick des Kranichs zu deuten, welcher in Gedanken hängend einen Reiskuchen aß. „Was haltet ihr von einem erneuten Zusammenspiel eurer Musik und meines Tanzes am morgigen Abend?“ suchte Aki die Stille zu durchbrechen. Wie aus den Gedanken gerissen blickte der Kranich ihn direkt an, doch nur einen Augenblick, dann wandte sich sein Blick wieder ab. „Ich habe noch viel vorzubereiten für die Ernennung zum Berater, es tut mir leid eure Bitte von daher abschlagen zu müssen.“ sprach er, ihn weiterhin nicht ansehend und mit deutlich kälterer Stimme als sonst. „Natürlich.“ Verstand Aki die Zurückweisung, welche ihn mehr schmerzte, als er selbst erwartet hatte. Immer mehr Tage vergingen und immer mehr schien sich der Wandel zu zeigen. Seit jenem Tage im Garten in dem er ihn nie gesehen hatte, schien der Doji mehr und mehr ihm gegenüber zu erkalten. Keines Blickes würdigte er ihn, erschien immer öfter nicht zu den Mahlzeiten und nicht einmal hatte er noch Zeit für seinen Gast. War das vielleicht sein wahres Gesicht, hatte er es die ganze Zeit nur versteckt. Irgendwas in seinem Inneren sagte ihm, dass das nicht sein konnte, doch die Vernunft und das was er von seinem Lehrmeister gelernt hatte sagten ihm etwas anderes. Immer näher rückte der Tag der Abreise, jener Tag, an dem Doji Saburo Tod sein musste, damit er ihn nicht als Leibwache beschützen musste, man ihm nicht die Schuld geben konnte und er und sein Clan nicht in Ungnade fielen. So wurde es nachts, die letzte Nacht vor der Abreise und die Schatten hüllten ein was niemand sehen durfte. Wie eine Katze schlich Aki durch die Stillen Gänge des Hauses, welches mit ihren Bewohnern zu schlafen schienen. Unhörbar leise schob er die Tür zum Schlafgemach des Dojis auf und schloss sie ebenso. Nur der Mondschein, welcher durch die Papierwände hereinfiel, spendete ihm ein wenig Licht, das ihm half sich hier zurecht zu finden. Das Geräusch eines ruhigen und gleichmäßigen Atems verriet ihm, dass auch Saburo schlief. Langsam näherte er sich ihm, kniete sich neben den Futon nieder. Schnell war die Nadel gezückt, welche mit Gift beträufelt, durch einen kleinen unsichtbaren Stich den Tod herbeiführen konnte. Einmal, zweimal und noch ein drittes Mal tunkte er die Nadel in die tödliche Flüssigkeit, ehe er das Gefäß wieder verschloss und in den geheimen Taschen seines Kimonos verschwinden ließ. Er würde es wohl nicht einmal spüren, nur in einen ewigen Schlaf verfallen. Seinen Blick auf ihn richtend hielt er inne. Betrachtete einen Moment zu lange den Schlafenden. Wie in Trance erhob sich seine Hand, strich leicht über die feinen Gesichtszüge des Anderen und nur der leise Seufzer des Dojis ließ ihn seine Hand zurückziehen. Er konnte nun nicht aufwachen, dass wäre nicht gut. Allein der Gedanke daran, wie seine blauen Augen ihn ansahen, nicht verstehend warum, bis sie im Tode erstarrt und doch weiter fragen. Einmal durchatmend senkte Aki den Blick. Er war zu verwirrt. Jeder Mensch hat viele Gesichter, doch konnte er seine nicht durchschauen. Seine Augen schließend versetzte er sich zurück zu den letzten Tage. „Doji-san, was haltet ihr von einem kleinen Haikkugespräch. Jeder, der etwas sagen möchte, ebenso wie die Antworten, wären in jene Form zu bringen.“ hatte er vorgeschlagen, doch dem Blick des Kranichs nach zu urteilen, welcher schon während des ganzen Essens mehr an dem Reis im Reiskuchen interessiert zu sein schien, war es kein guter Vorschlag. Und doch, dass erste Mal, seit der ganzen Tage nach ihrem nicht geschehenen Ereignis im Garten, sah er kurz zu seinem Gegenüber. Dann aber wandte sich sein Blick wieder, scheinbar uninteressiert zu einem der Wandbehänge. „Es tut mir leid, Bayushi-san, doch ich fühle mich heute nicht besonders.“ gab er schon beinahe zu offen zu. Immer wieder hatte er sich irgendetwas einfallen lassen, um nichts mit ihm machen zu müssen. Zum Essen erschien er so gut wie nie, die Vorschläge blockte er mit nichtigen Dingen ab, welche er wichtiger erscheinen ließ, als alles was Aki je hätte vorschlagen können. War es ihm so peinlich gewesen, sich so vor dem Bayushi zu zeigen. Oder konnte er ihn einfach nicht mehr leiden? Vielleicht war er auch nur zuvor so nett gewesen um den Anderen zu locken und ihn freundlich zu stimmen, seine wahre Absicht zu ersinnen. Doch hatte er sie erkannt, war er deshalb so oder war es ihm mittlerweile egal. Tausende Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, doch immer wieder kreisten sie nur um ihn. Nie hatte er sich sonst so um die Opfer geschert, doch er war anders. Wieder zu dem Schlafenden aufsehend, blieb sein Blick an dessen Lippen hängen. Beinahe wie ein Kunstwerk schien ein Maler sie auf sein Gesicht gezeichnet zu haben. Sich zu ihm hinunter beugend, schloss er seine Augen und küsste sie zart. „Ich kann es nicht tun... verzeiht mir mein Daimyo.“ sprach er leise und in Gedanken. Mit diesem Entschluss, hatte er nun seinen eigenen Untergang besiegelt. Alles, was er von jetzt an tat, war egal. Die Nadel sorgfältig weglegend, rüttelte er leicht an der Schulter des Jüngeren, welcher langsam wach wurde. Als er den Bayushi über sich knien sah, erschrak er, doch konnte Aki verhindern dass er schrie. Seinen Zeigefinger der anderen Hand auf die Lippen legend, nahm er langsam wieder die Hand vom Mund des Doji. „Bayushi-san. Was tut ihr hier?“ fragte er leise. Kurz senkte Aki seinen Blick. „Versprecht mir bis zum Ende zuzuhören, Saburo-san.“ sagte er ebenso leise. „Hai, aber nun erklärt euch.“ Die Hände des Skorpions wanderten hinter seinen Kopf und gekonnt löste er die Maske, welche sein Gesicht verhüllte. Blickte er den Anderen daraufhin wieder an, während er sie zur Seite nahm und neben sich legte. Mit großen Augen sah Saburo ihn an. Es war nicht nur ungewöhnlich, sondern meist auch todernst, wenn ein Skorpion die Maske fallen ließ. Es zeugte von Vertrauen oder auch von dem nahenden Tod des Anderen. Keine Frage konnten die Lippen vom Doji formen, sah er ihn einfach nur an. Erst nach einer ganzen Weile gelang es ihm seinen Blick zu löste und sah etwas beschämt zu Boden. „Sprecht aus, was ihr vorhabt.“ Sagte er leicht bedrückt. „Ich bin hier, um euch zu töten.“ Begann er und machte darauf eine kleine Pause, ehe er weiter sprechen konnte. „Doch kann ich meine Aufgabe nicht erfüllen.“ Die Augen des Dojis wandte sich fragend zu ihm, woraufhin Aki selbst zur Seite sah. „Jedes Mal, wenn mein Blick euch streift, beginnt mein Herz schneller zu schlagen. Immer wenn ihr mir euren Blick vorenthaltet, sticht eine Nadel in gleiches. Ich befürchte, wenn ihr sterben würdet, würde auch mein Leben enden. Doch habe ich keine Angst vor dem Tod, sondern mehr euch zu verlieren. Doch weiß ich, dass diese Liebe in unserer Welt keinen Bestand hat, denn ihr, wie auch ich werdet irgendwann eine Frau heiraten müssen. Darum werde ich euch nicht zur Feier begleiten, sondern noch heute Nacht verschwinden.“ Saburo sah ihn weiter an und suchte seine Tränen zu unterdrücken. „Warum nur, sagt ihr mir all das und seid nicht einfach verschwunden?“ fragte er mehr verwirrt, als genau zu wissen was er nun tun sollte. „Ich wollte, dass ihr zumindest wisst, warum ich ging, auch wenn ihr es nicht versteht.“ antwortete er und erhob sich. Mit einer leichten Verbeugung verließ er daraufhin das Zimmer, noch bevor der Kranich ein Wort sagen konnte. Er sagte nicht „auf bald“ und auch nicht, dass er ihn nie wieder sehen würde. Er verschwand einfach und nur seine Maske blieb zurück. Die Tränen nicht mehr zurück halten könnend, verkroch Saburo sich unter der Decke. „Ich verstehe es... ich verstehe es nur zu gut.“ kam es leise über seine Lippen. Sich in den Schlaf weinend, erkannte auch er, was er sich die ganze Zeit nicht eingestehen hatte wollen. Was er versucht hatte zu verdrängen, indem er den anderen von sich stieß. Schon am nächsten Tag begann er, immer noch schweren Herzens, die Reise zu seiner Amtserhebung. Immer wieder, während er mit seinen Wachen die Straße entlang schritt, schweifte sein Blick über die Waldränder oder zurück auf die Straße von der sie kamen. Doch nichts war zu sehen. Nicht einmal der Wind bewegte die Blätter der Bäume. Kein Sandkorn wurde von ihm vom Weg geweht. Nur das kontinuierliche Voranschreiten seiner Wachen durchbrach die Stille. Eine Stille, die seine innere Leere widerspiegelte. Er würde Berater des Kaisers werden. Eine der höchsten Auszeichnungen, das höchste Amt im ganzen Reich, würde er erhalten. Und doch spürte er keine Freude, denn was ist schon alles Gute, alles Glück der Welt, wenn man es nicht teilen kann. Weiter schritt er voran, lange noch reisten sie, bis die Nacht herein brach und sie an einem Teehaus halt machten. Die Sterne standen schon am Himmel, als Saburo seinen Blick von ihnen abwandte und auf den Wald, welcher hinter dem Teehaus lag starrte. Dort war nichts als Schwärze. Sich von der umlaufenden Terrasse erheben, und zurück in sein Zimmer gehend, packte er einige Dinge zusammen. Ein letzter Blick wandte sich zu dem Licht, das noch im Zimmer stand und den Wachen signalisierte, dass er noch nicht schlief. Er pustete es aus und ging einfach in den Wald. Lange irrte er umher, bis er irgendwann an einen kleinen Weg gelangte, welchem er die Nacht durch folgte. Nur die kleine Laterne, die er mitgenommen hatte, erhellte seinen Weg. Erst als die Sonne wieder am Horizont aufging, erreichte er den Waldrand und erkannte wo er war. Die Sterne hatte er nicht umsonst beobachtet, wusste er in welche Richtung er gehen musste, um sich mehr dem Land der Skorpione zu nähern. Und vermutlich war es das Glück, welches ihn diesen Weg nicht verlieren ließ, welcher weiter zu einer weiteren Straße führte, auf der er bald darauf an ein Teehaus gelangte. Leicht zerschunden und erschöpft von der Reise, betrat er das Teehaus „Zur Kirschblüte“, welches in einem Hain jener Bäume stand. „Oka-san.“ begrüßte er freundlich und höfflich die Besitzerin des Teehauses, welche sich vor ihm verbeugte. „Kranich-sama.“ Seine Stimme wurde leiser, als er die Herrin des Teehauses nach einem Mann fragte, dessen Beschreibung er folgen ließ. „Hai, Kranich-sama. Er war hier und ist heute Morgen abgereist in westliche Richtung.“ bestätigte die Oka-san und der Kranich dankte ihr. Doch blieb er nicht auf einen Tee und konnte er es sich auch nicht erlauben eine Pause zu machen. Alles was er von dem Moment an tat, als er das letzte Teehaus verlassen hatte, all jenes war voll und ganz gegen alles was man ihm beigebracht hatte. Es folgte keinen Regeln und keiner Pflicht, sondern nur einem Gefühl. So dauerte es noch einen geschlagenen Tag bis er am Rand des Waldes, in einem kleinen Windgeschützten Stück, einen Mann sitzen sah, den er sehr wohl kannte. Doch was sollte er nun tun. Beinahe wäre er einfach auf ihn zugestürmt und hätte ihn umgeworfen, doch unterdrückte er im letzten Moment diesen Impuls. Langsam näherte er sich ihm und erkannte, dass Aki rastete und ihn noch nicht bemerkt zu haben schien. Sich in den Wald begebend und auf die alte Zeit der Kindheit besinnend, in welcher auch er ab und an mit den Kindern aus dem Dorf Verstecken gespielt hatte, näherte er sich dem Samurai lautlos von hinten. Erst als er direkt hinter dem, den Gedanken Nachhängenden, stand, begann er zu sprechen. „Am meisten fühlt man sich von der Wahrheit getroffen, die man sich selbst verheimlichen wollte.“ Leise und ruhig kamen die Worte, während seine Hand sich auf die Schulter des Sitzenden legte. Im ersten Moment erschrocken, erkannte er dann aber doch die Stimme und wandte seinen Kopf zu ihm. Lange hingen ihre Blicke aneinander, bis Saburo sich hinter ihn kniete. Sie brauchten nichts mehr zu sagen, keiner von ihnen, denn beide wussten, warum sie dort waren. Aki verstand genau, was er ihm damit hatte sagen wollen. Allein, dass er ihm nachgereist war, war der Beweiß dafür. Doch würden sie nun zurückkehren, würden sie wohl beide ihr Gesicht verlieren. Aki, der seine Aufgabe nicht erfüllte und Saburo, der vor seiner weglief. Seine Arme um den Skorpion legend schloss er seine Augen. Wollte nichts wissen von der Gefahr die über ihnen schwebte. Wollte einfach den Moment genießen. Und auch Aki schloss die Augen, wenn auch nur für einen Moment. Dann wandte er sich in den Armen des Anderen um, welcher ihn fragend ansah. Ein zartes Lächeln umspielte die Lippen des Skorpions, ehe er sie auf Saburos senkte und sie sich in einem zaghaften Kuss wieder fanden. Weggelöst von der Welt und ihren Problemen für einen Augenblick des Glücks. Lange währte er und als sie sich lösten, senkte Saburo müde sein Haupt an die Brust Akis. Die Augen immer noch geschlossen, spürte er noch wie sich die Arme des Bayushi schützend um ihn legten, ehe der Schlaf ihn einholte. Den Blick zum Horizont richtend, wusste der Bayushi, dass sie fliehen würden. Vor der Gesellschaft und ihren Zwängen, vor dem Leben, dass sie einst gekannt hatten. Doch wusste er auch, dass es eine Flucht im Namen der Liebe sein würde, die sich lohnte, solange sie nur zusammenbleiben konnten, selbst wenn sie das ganze Leben dauern würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)