Höllenqualen von Nochnoi (Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle") ================================================================================ Kapitel 1: Nervender Besuch, scheußliche Keramiktöpfe, Kinder ohne Namensschilder und ein dreckiger Bengel ---------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die meisten Tage laufen in der Hölle völlig normal ab. Morgens, wenn sich die sengende Glut über das Land erstreckt und die ersten Insekten verbrutzelt, die nicht schnell genug gewesen sind, schält man sich gähnend aus seinem Bett, lauscht dem betörenden Gekreisch der winzigen Kobolde, die von irgendwelchen größeren Kreaturen gepiesackt, zertrampelt oder aufgefressen werden und setzt sich gemächlich an den Frühstückstisch. So wenigstens läuft im Grunde jeder Morgen ab. Und auch an diesem speziellen Tag schien alles seinen gewöhnlichen Gang zu nehmen. Aber unglücklicherweise war das mehr als trügerisch. „Du solltest dich endlich mal wieder bei ihm blicken lassen. Er vermisst dich furchtbar.“ Die drängende Stimme meiner Schwester machte es mir ausgesprochen schwer, das angsterfüllte Geschrei des frechen Kobolds zu genießen, der es sich vor ein paar Tagen in meinem Garten bequem gemacht hatte und nun von meinen Neffen und Nichten aus seinem Bau gezerrt wurde. Die Kinder lachten fröhlich, während sie hemmungslos an dem Geschöpf herumzogen und ihn somit fast auf die doppelte Länge brachten. Gespannt wartete ich darauf, dass dieser Dreckskerl in alle Einzelteile gerissen wurde … leider war das Geschwafel meiner Schwester im hohen Maße ablenkend. „Kannst du nicht mal deine Klappe halten, Alymara?“, beschwerte ich mich. „Ich kann das Schauspiel gar nicht genießen.“ Alymara warf einen missbilligenden Blick auf ihre Kinder, die vergnügt durch meinen Garten tobten und dabei schrien wie eine Horde wilder Affen. Dass sie dabei einige karge Bäume anrempelten und entwurzelten, schien sie noch zusätzlich zu verärgern, mir persönlich machte das nicht das geringste aus. Diese blöden, toten Pflanzen hatte vor langer Zeit mein Cousin dort eingebuddelt, weil er den Anblick meines trostlosen Gartens nicht hatte ertragen können. Meine Aussage, dass das rote Feuergras mehr als ausreichend für mich sei, hatte er nicht weiter beachtet, sondern sich stattdessen sofort tatkräftig an die Arbeit gemacht. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass dieser Cousin aus meiner Familie väterlicherseits stammt … Somit hatte ich nun wirklich nichts dagegen, dass Alymaras Horde meinen Garten auseinander nahm. Je weniger mich an meinen geistesgestörten Vater erinnerte, umso besser. „Ihr solltet dem blöden Vieh ordentlich die Ohren lang ziehen, da geben sie so schöne Geräusche von sich“, rief ich den Kindern aufmunternd zu. Sofort befolgten sie meinen Ratschlag und der Kobold stieß einen jaulenden Schrei aus, der sich wirklich gewaschen hatte. Ja, das war wirklich der Beginn eines guten Morgens. Leider waren da noch meine nervige Schwester und ihre leidigen Ansichten. Unverhofft hatte sie heute Morgen mit ihrer Rasselbande vor meiner Tür gestanden und irgendwas von Überraschungsbesuch gesäuselt. Ehe ich mich überhaupt hatte zur Wehr setzen können, hatten die Kinder mich schon ins Haus gedrängt und mich plappernd bestürmt, sodass ich keinerlei Chance erhalten hatte, mich irgendwie rauszuwinden. Und nun saßen wir hier in unseren Garten und ich ließ mich von Alymara beschwatzen, während ihre kleinen Racker wie Berserker durch die Gegend hüpften. Ein lauter Knall war plötzlich zu hören, der mich aufschauen ließ. Eines der Mädchen war gegen einen überaus unansehnlichen Keramiktopf gestoßen, den mein wahnsinniger Onkel mir als Souvenir von seinem Besuch aus der Menschenwelt mitgebracht hatte. Ich hatte das Ding gehasst wie die Pest, mich aber nicht getraut, es zu zerstören oder in die nächste Grube zu werfen, da mein Onkel überaus reizbar und rachsüchtig war, was solche Dinge anging. Normalerweise kümmerte es mich wenig, was meine Familie von mir dachte, aber dieser besagte Onkel war der ältere Bruder meiner Mutter und nicht weniger grausam als sie. Deswegen hatte ich bloß gelächelt, als er mir diese Scheußlichkeit überreicht hatte, mich artig bedankt und ihm innerlich die Krätze an den Hals gewünscht. Bis heute war ich felsenfest davon überzeugt, dass er mir dieses furchtbare Ding nur gegeben hatte, um mir eins auszuwischen. „Tut mir schrecklich leid, Tante Rasia.“ Die kleine Übeltäterin trat zu mir und setzte eine überaus zerknirschte Miene auf. Ich tätschelte ihr behutsam über den Kopf, während ich mich redlich bemühte, mich an den Namen des Mädchens zu entsinnen. Verdammt, warum musste meine Schwester auch so unsagbar viele Kinder haben? An der Zahl waren es genau 47 … oder doch 48? Ach, keine Ahnung, im Grunde spielte es nicht die geringste Rolle. Auf jeden Fall waren es viele! Und Alymara hatte darüber hinaus etliche Drillinge, Vierlinge und Fünflinge auf die Welt gebracht, die sich ähnelten wie ein Ei dem anderen und es der armen Tante Rasia unglaublich schwer machten, die ganzen Blagen voneinander zu unterscheiden. Alymara hatte sie ja auch unbedingt einen Teufelsdrachen anlachen müssen! Diese bestimmte Art der Teufel war besonders für ihre Zerstörungswut und ihre hohe Fortpflanzungsquote bekannt. In einem Schwung ließen sie drei bis sechs Babys auf die Welt los und je mehr solche kreischenden Winzlinge man vorzuweisen hatte, desto höher stieg das Ansehen. Potenz war bei diesen Geschöpfen das A und O. Und ich hatte darunter zu leiden! Zumindest war ich mir sicher, dass die reumütige Topfzerstörerin zu einer Vierlingsgruppe gehörte, genauere Angaben konnte ich aber wirklich nicht machen. Diese Kinder sollten echt mal alle Namensschilder tragen! „Ist schon gut, Kleine, der blöde Topf war sowieso scheußlich“, erklärte ich dem Mädchen. „Du hast mir damit einen Gefallen getan.“ Meine Nichte strahlte mich an und rannte dann sofort wieder los, um ihren Geschwistern beim Drangsalieren des Kobolds behilflich zu sein. Ich lehnte mich seufzend in den knarrenden Holzsessel zurück, den ich meinem Nachbarn von der Veranda gestohlen hatte, und wandte mich wieder meiner Schwester zu. „Deine Brut wird immer agiler“, sagte ich. „Irgendwann werden die noch deine ganze Bude auseinander nehmen.“ Im Grunde hatten sie das schon getan, zumindest größtenteils. Die Wände und das Fundament waren noch intakt, das Innere von Alymaras Haus glich jedoch einem Schlachtfeld. Somit war es kein Wunder, dass sie so oft wie möglich die Kinder aus der Wohnung haben wollte und sich ‚überraschend’ bei Freunden und Familienmitgliedern einquartierte. Viele hielten sie für ausgesprochen kontaktfreudig und freundlich, in Wahrheit aber ließ sie ihre kleinen Monster lieber die Häuser von anderen zerstören. „Lenk jetzt nicht vom Thema ab“, erwiderte meine Schwester unwirsch. „Wir haben über Vater gesprochen, schon vergessen?“ Oh nein, das hatte ich gewiss nicht. Nur hatte ich gehofft, dass sie es inzwischen vergessen hätte. „Du solltest dich wirklich mal bei ihm melden“, fuhr Alymara unermüdlich fort. „Wie lange hast du schon nicht mehr ein ernsthaftes Gespräch mit ihm geführt? Ein Jahr?“ Um es mal gleich vorweg zu nehmen: Ernsthafte Gespräche hatte ich mit diesem Trottel noch nie in meinem Leben geführt! Und ja, es stimmte, seit diesem Debakel vor mehr als einem Jahr ging ich ihm aus dem Weg. Nun gut, seine Gesellschaft war mir schon davor mehr als nur unangenehm gewesen, aber meiner brutalen Mutter zuliebe hatte ich mit den senilen Idioten wenigstens noch ein paar Worte gewechselt. Nichts Weltbewegendes, meist hatte ich ihn beleidigt und ihm seine Kleingeistigkeit unter die Nase gerieben, während er sich darüber amüsiert und das Ganze für einen Scherz gehalten hatte. Inzwischen aber grummelte ich ihn nur noch an, wenn ich ihn sah, oder schenkte ihm giftige Blicke. Sticheleien waren mir für diesen Kerl, der mir so dermaßen das Leben schwer gemacht hatte, seit der Sache mit dem Beschwörungshorn viel zu gut geworden. Im Grunde war er es einfach nicht wert, dass ich ihm meine Aufmerksamkeit schenkte. Alymara jedoch vergötterte Shimo und konnte es selbstredend nicht verstehen, wieso ich ihm die kalte Schulter zeigte. Unglücklicherweise war sie viel zu sehr nach unserem Vater geraten. „Du kannst doch nicht immer noch böse auf ihn sein.“ Alymara seufzte schwer. „Ein bisschen auf die Erde gehen, sich mit ein paar Dämonen streiten – was ist schon großartig dabei?“ Ich musterte sie funkelnd. Ich wurde wirklich nicht gerne auf dieses finstere Kapitel meines Lebens angesprochen und noch weniger konnte ich es leiden, wenn diese Tage des Schreckens mit einem belanglosen Schulterzucken abgetan wurden. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was ich alles hatte durchleiden müssen! Blamagen, Erniedrigungen und nicht zu vergessen die unerträgliche Dummheit der Erdenbewohner! Alymara hatte keinen blassen Schimmer, wie es wirklich war. Sie saß hier, umgeben von ihrer Heerschar blutrünstiger Teufelskinder, und lebte ihr zuckersüßes Leben ohne Kummer und Sorgen. Was wusste sie schon? „Shimo und ich haben uns noch nie besonders gut verstanden“, entgegnete ich zähneknirschend. „Eigentlich ist es sogar ein Fortschritt, dass ich ihm nicht mehr andauernd Beleidigungen an den Kopf werfe.“ Ich musste zugeben, im Grunde war das nicht mehr als eine billige Ausrede, aber vielleicht hatte ich ja Glück und Alymara würde dieses nervende Thema endlich fallenlassen. Auf eine gewisse Art und Weise war es schließlich gar nicht so unwahr. Meine Schwester jedoch ließ sich davon nicht einwickeln, weiterhin bedachte sie mich mit diesen furchtbar vorwurfsvollen Blicken, sodass ich mir glatt wie eine Schwerverbrecherin vorkam. „Du solltest dir wirklich angewöhnen, ihn ‚Vater’ zu nennen“, tadelte sie mich. Ich konnte daraufhin nur verächtlich schnauben. Shimo war in meinen Augen kein Vater, sondern vielmehr ein lästiger Parasit, den es zu zerquetschen galt. „Vater hat sich sehr für dich eingesetzt, nachdem man dich des Staatsstreichs angeklagt hat“, versuchte es Alymara wieder mit dieser alten Leier. „Ihm hast du es zu verdanken, dass du nicht im Gefängnis verrottest!“ Wie so oft überschätzte meine Schwester unseren alten Herrn viel zu sehr. Gut, es stimmte, er hatte sich auf meine Seite gestellt und mich verteidigt, aber es war ihm kaum eine andere Wahl geblieben, immerhin war er für den ganzen Schlamassel verantwortlich gewesen. Nach dem unerwarteten Tod der Oberteufel – na ja, vielleicht trudelten sie auch nur im Weltall dumm vor sich rum und nagten an ihren Fingernägeln, wer wusste das schon so genau? – waren die Bewohner der Hölle nicht besonders angetan gewesen. Als Sündenbock hatte man mich auserkoren, jene leichtfertige Teufelin, die die Erdlinge in unsere Welt gebracht hatte. Man hatte mich des Verrats bezichtigt und mir Machtgier vorgeworfen – ausgerechnet mir, die ihm im Grunde nur ein Opfer der Umstände gewesen war! Aber anfangs hatte niemand auf mich hören wollen. Ich hatte mich bereits als Gefängnisinsassin gesehen, mein Leben war an mir vorbeigezogen und ich hatte sowohl Shimo als auch Inuyasha Tag und Nacht verflucht. Wegen der Beschränktheit solcher Individuen bestraft zu werden, war mehr als nur schrecklich, es war einfach ungerecht. Zu meinem Glück hatten mir einige einflussreiche Personen bei beigestanden. Beispielsweise meine Eltern, die sich als Wächter beziehungsweise Henkerin einen gewissen Ruf hatten aufbauen können. Selbst Krytio, Bariums ehemaliger Assistent, hatte ein gutes Wort für mich eingelegt. Das Ableben der Oberteufel hatte ihn zwar schwer mitgenommen, aber sein Faible für meine Wenigkeit war mir zugute gekommen, sodass er seine Beziehungen hatte spielen lassen, um mich vor einer Haft zu bewahren und somit weiterhin mit seinen Avancen und Heiratsanträgen nerven zu können. Die wichtigste Stimme war aber von Lucifer höchstpersönlich gekommen, dem neuen Herrscher der Unterwelt. Schließlich hatte er es indirekt irgendwie mir zu verdanken, dass er nun diese hohe Position bekleidete und sich dort pudelwohl fühlte. Wahrscheinlich hätte er mir sogar liebend gern ein Präsentkörbchen überreicht und sich überschwänglich bei mir bedankt, hatte aber davon abgesehen, da dies vermutlich zu falschen Schlussfolgerungen geführt hatte. Somit hatte er sich bloß mit stolz geschwellter Brust vor mir aufgebaut, mir wie einem kleinen Kind die Hand auf den Kopf gelegt und mir Amnestie gewährt. War das zu fassen? Ich – Rasia, die Tochter der schrecklichen Tyaria, Zerstörerin von Städten und Welten – war nur durch die Hilfe minderbemittelten Gestalten wie Lucifer und Krytio vor dem Knast bewahrt worden. Irgendwie überaus beschämend … „Auf jeden Fall solltest du dankbar sein, dass du heil aus dieser Sache herausgekommen bist“, meinte Alymara. „Inzwischen lieben dich die Leute sogar.“ Ja, das war sogar noch verrückter. Anfangs hatte man mir Vorwürfe gemacht, mich gehasst und verachtet, während sie diesen dämlichen Oberteufeln heulend hinterher getrauert hatten. Diesen alten Knackern überhaupt nur eine Träne nachzuweinen, hielt ich persönlich für völlige Zeitverschwendung, aber die meisten beschränkten Teufel hatten in den Klappergestellen so etwas wie Könige und Götter gesehen. Inzwischen schien das aber alles vergessen. Lucifer war im Verlauf des letzten Jahres in der Beliebtheitsskala steil nach oben geschossen, mit einem Mal war er der strahlende Obermacker und kaum einer der Teufel war noch dazu imstande, die Namen der im Universum rungurkenden, ehemaligen Herren in sein Gedächtnis zu rufen. Tja, so schnell kann’s gehen. Von heute auf morgen haben dich deine Anhänger vergessen und man ist nichts weiter als „der Kerl, der vor dem großen Lucifer regiert hat“. Einerseits freute es mich natürlich, dass durch diese unerwartete Wendung der Dinge die anderen Teufel mich nicht mehr bis aufs Blut hassten, sondern mir sogar regelrecht zugetan waren. Aber andererseits konnte ich mich immer noch nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ausgerechnet der Hirni Lucifer unser aller Herrscher sein sollte. Gut, zugegeben, die Oberteufel waren auch nur eine Bande seniler, altersschwacher Trottel gewesen, die nichts mehr ordentliches auf die Reihe bekommen hatten, doch ehrlich gesagt war Lucifer auch nicht viel besser. Er erließ alberne Gesetze – zum Beispiel durfte man Schnecken und Mücken auf keinen Fall die Vorfahrt nehmen oder während eines Kopfstands nicht rülpsen – und machte sich einen Spaß daraus, seine neugewonnene Macht gehörig auszunutzen. Er war im Grunde wie ein kleines Kind, dem man eine Bombe in die Hand gedrückt hatte. Noch war alles mehr oder weniger in Ordnung, aber schon bald könnte es eine heftige Explosion geben. „Hast du eigentlich schon von der Sache mit Krytio gehört?“, fragte Alymara. Offenbar hatte sie endlich begriffen, dass ich keinerlei Bock hatte, mich über Shimo zu unterhalten oder überhaupt nur an ihn zu denken. „Was ist denn mit ihm?“ Im Grunde interessierte mich das Thema ebenso wenig, aber wenn ich die Wahl hatte zwischen meinem geistesgestörten Erzeuger und diesen bunten Paradiesvogel, würde ich mich jederzeit für Krytio entscheiden. Er war zwar nervtötend und über alle Maßen lästig, aber wenigstens hatte ich eine ganz gute Chance, ihn mit meiner bissigen Art doch eines Tages für immer vertreiben zu können. Meinem Vater hingegen fehlten entscheidende Gehirnzellen, um die potenzielle Bedrohung überhaupt wahrzunehmen. „Er ist verschwunden.“ Alymaras Stimme hatte plötzlich einen verschwörerischen Tonfall angenommen, der mich wahrscheinlich dazu bringen sollte, vor Spannung zu zerplatzen. Um wenigstens ein bisschen Reaktion auf diese Enthüllung erkennen zu lassen, gähnte ich herzhaft. „Vielleicht hat ihn ja ein Drachen gefressen.“ Das hoffte ich wirklich von ganzem Herzen. Ich war immer noch sauer auf Miroku und sein dämliches Schwarzes Loch, dass sie diesen Idioten nicht auch eingesaugt hatten. Alymara jedoch achtete nicht auf meinen Kommentar. „Offenbar wird er schon längere Zeit vermisst, nun fast einen Monat. Lucifer hat versucht, es geheim zu halten, aber ich habe zufällig etwas aufgeschnappt, das durchgesickert ist.“ Wirklich überrascht war ich nicht. Alymara war die größte Klatschtante, die mir je untergekommen war, jedes Quäntchen an Information saugte sie auf wie ein Schwamm. Bevor man morgens überhaupt entschieden hatte, was man anziehen wollte, war sie bereits über die wichtigsten Themen informiert und kannte jedes auch noch so schmutzige Geheimnis. Vor ihr war wirklich nichts und niemand sicher. Im Grunde war es schon richtig unheimlich. Ehrlich gesagt wollte ich gar nicht so genau wissen, in wie vielen Gärten sie rumkrauchen und in wie viele Schlafzimmer sie spicken musste, um an ihre Informationen zu gelangen. „Wie lange hast du ihn denn nicht mehr gesehen?“, erkundigte sie sich interessiert bei mir. „So an die sechs Monate“, meinte ich mit einem schiefen Lächeln. Nur zu gerne erinnerte ich mich an diesen wunderschönen Tag, an dem mir Krytios Annäherungsversuche endgültig den Kragen hatten platzen lassen. Ich hatte ihn mit einem glühenden Feuerball beglückt und ihm im hohen Bogen aus meinem Haus geworfen. Seitdem hatte er nicht mehr nicht gewagt, sich persönlich bei mir blicken zu lassen, sondern hatte mir stattdessen nervige Briefchen und andere Aufmerksamkeiten zukommen lassen, die ich selbstverständlich allesamt dem Flammentod überantwortet hatte. Nachdem einige Wochen dann rein gar nichts mehr angekommen war, war in mir die vage Hoffnung aufgekeimt, dass er vielleicht endlich aufgegeben hatte. Offenbar hatte ich mich zu früh gefreut. Nun ja, wenn er in irgendein finsteres Loch gestolpert war, würde er mich wohl auch nicht mehr belästigen. Außer er hatte sich dazu entschieden, mir auch als Geist aufzulauern. Nicht gerade selten bei uns hier in der Hölle. Meine Nachbarin war nach dem unglücklichen Tod ihres Liebhabers – ihr war aus Versehen ein Messer in seine Brust gerutscht – noch monatelang von seinem Geist verfolgt worden. Er war ihr auf Schritt und Tritt gefolgt, hatte den Teufeln um ihr herum unanständige Grimassen gezogen und sich überdies einen Spaß daraus gemacht, in den unpassendsten Gelegenheiten lautstark und mit krächzender Stimme irgendwelche Volkslieder durch die Gegend zu grölen, sodass reihenweise Höllenvögel tot von den Bäumen gefallen waren. Sein Treiben hätte wahrscheinlich kein Ende genommen, wenn man ihm nicht einen Staatsgeist auf den Hals gehetzt hätte. Diese Seelen arbeiteten für die Regierung und hatten die Aufgabe, solch nervenden Poltergeistern dermaßen auf den Wecker zu gehen, dass sie irgendwann vor Wut platzten. Der damit beauftragte Staatsgeist hatte seine Aufgabe wirklich ausgesprochen gewissenhaft ausgeführt und den toten Liebhaber Tag und Nacht mit irgendwelchen langweiligen Geschichten zugelabert, bis dieser schließlich explodiert war. Immer wieder ein herrliches Bild, zu sehen, wie diese Idioten in die Luft flogen. „Man könnte ja denken, er wäre einfach mal abgehauen und hätte sich eine kleine Auszeit gegönnt“, fuhr Alymara munter fort. Dass mich das Thema so dermaßen interessierte wie ein Affenfurz, schien sie nicht weiter zu kümmern. „Wahrscheinlich wird Lucifer auch diese Version verbreiten lassen, damit keine haarsträubenden Gerüchte in Umlauf geraten. Fakt ist jedoch, dass man Krytios Tochter bei sich zu Hause völlig alleine vorgefunden hat, von ihrem Vater fehlte jede Spur.“ Nun gut, ich musste zugeben, das war wirklich ein wenig merkwürdig. Man mochte viel über diesen Volltrottel sagen können, aber er liebte seine kleine Prinzessin abgöttisch und hätte sie sicherlich nicht einfach so zurückgelassen. Tja, ganz eindeutig: Ein Drache hatte ihn gefressen! Der Tag schien doch noch ganz viel versprechend zu beginnen. „Ich seh schon, was du denkst, aber du tust dem armen Kerl Unrecht“, erwiderte meine Schwester schnaubend. „Ich kenne ihn auch ein wenig privat und glaub mir, er würde dir sicherlich gefallen, wenn du dir nur die Mühe machen würdest, ihn etwas näher kennen zu lernen.“ Ich rollte genervt mit den Augen. Kein Wunder, dass sie in ihm einen Traumprinzen sah, dieses Erbsenhirn erinnerte viel zu sehr an Shimo. Alymara mochte diesen Umstand ja sehr begrüßen, mich brachte es aber nur zum würgen. Bevor Alymara dieses quälende Gespräch weiter fortführen konnte, eilte plötzlich eine meiner Nichten zu uns herüber. Es war die Topfzerstörerin von vorhin … oder eine ihrer Vierlingsschwestern. Hatte ich schon erwähnt, dass die Gören unbedingt Namensschilder brauchten? „Tante Rasia, da hinten ist irgendwas Komisches in deinem Garten“, klärte sie mich auf. Ihre Wangen waren vor Aufregung ganz rot gefärbt, während sich ihr Stimmchen geradezu überschlug. Ich schaute auf. Die Rasselbande hatte sich etwas weiter entfernt zu einer Traube zusammengefunden und schnatterte wild durcheinander. „Dann tötet es“, meinte ich abwinkend. „Ihr könnt den Kadaver dann behalten und eurer Oma schenken, die freut sich bestimmt riesig darüber.“ Das Mädchen biss sich unsicher auf die Unterlippe. „Aber dieses Ding … es ist so komisch. Es sieht aus wie ein Teufel, aber es stinkt ganz furchtbar.“ Nun war meine Neugier geweckt. Ich schwang mich aus meinem Gartenstuhl und folgte meiner Nichte zu der großen Ansammlung. Die Kinder wichen ehrfurchtsvoll vor mir zurück und bildeten einen Gang, sodass ich einen wunderbaren Blick auf diesen ominösen Besucher hatte. Und das Ding war in der Tat merkwürdig. Äußerlich wirkte es wie ein Junge: blond, blass, spitze Nase, verkniffener Mund, kackbraune Augen und ausgesprochen mickrig. Eine Windböe hätte dieses Vieh wahrscheinlich in den nächsten Bezirk der Hölle geweht. Und hätte man ihn kurz angetippt, wäre er vermutlich in alle Einzelteile zerfallen. Der Bursche sah reichlich mitgenommen aus. Seine Haare standen dermaßen ab, dass man den Eindruck gewann, er wäre von einem Blitz getroffen worden, und seine Kleidung war zerrissen und dreckig, als hätte er sich zwei Wochen durch den Urwald geschlagen. Und er müffelte wirklich. Nach Schweiß, Asche, Dreck … und etwas anderem, das mir unheimlich bekannt vorkam, was ich aber nicht näher zu benennen wusste. „Was ist das, Tante Rasia?“, fragte einer meiner Neffen interessiert. Hingebungsvoll bohrte er in seiner Nase und starrte den Jungen mit großen Glubschaugen an. „Ich bin mir nicht sicher“, gab ich zu. Er beugte mich etwas herab, um den Besucher näher inspizieren zu können. „Was bist du, Kleiner? Kannst du sprechen?“ Einen Augenblick starrte mich der Junge mit einer undefinierbaren Miene an, dann aber öffnete er seinen Mund und fragte: „Bist du wirklich Rasia? Die Rasia?“ Irgendwas an seinem Tonfall gefiel mir nicht. Er erschien mir … lauernd. Wie ein Raubtier auf Beutezug. „Du meinst die Rasia, die die Oberteufel auf dem Gewissen hat?“, erkundigte sich der Nasenbohrer begeistert. „Ja, genau das ist sie!“ Ich warf dem Bengel einen vernichtenden Blick zu. Dieser Kommentar hätte wirklich nicht sein müssen … Zu ihren Namensschildern sollten diese Gören auch noch Fesseln und Knebel bekommen. Unser merkwürdiger Besucher war inzwischen auf mich zugewankt. Er bewegte sich wie jemand, der schon tagelang durchmarschiert war und dessen Füße mindestens zweihundert Blasen, sechsundzwanzig Furunkel und vierzehn Fußpilze befallen hatten. Das mag vielleicht seltsam klingen, ist aber gar nicht so abwegig. Mein Onkel Alfred hatte die unzähligen Knubbelchen auf seinen Füßen sogar liebevoll mit Namen versehen. Und er hatte dafür nicht mal Namensschilder gebraucht. Der Junge torkelte auf mich zu, als sei er besoffen, und schließlich stolperte er und konnte nur einen unerfreulichen Kontakt mit dem Boden vermeiden, da er sich an mir festkrallte. Ich stieß eine Verwünschung aus und schubste den Bengel unsanft von mir weg. Ich hoffte wirklich, dass dieses Ding keine ansteckenden Krankheiten mit sich rumtrug. Man konnte ja nie wissen, wo sich solche Viecher davor alles herumgetrieben hatten. „Tante Rasia, schau mal! Er hat dich angemalt!“, schrie plötzlich eins der Kinder aufgeregt. Im ersten Moment begriff ich nicht ganz, dann aber hob ich auf den Fingerzeig der kleinen Gören den rechten Arm und inspizierte meinen Handrücken. Dort, wo der Junge nur kurz meine Haut berührt hatte, befand sich nun ein merkwürdiges Zeichen, eine Art Kreis mit einigen eigenartigen Symbolen. Die rötliche Farbe, in der es gehalten war, wirkte etwas blass, sodass ich die Runen nicht zu identifizieren vermochte. Fluchend rieb ich über den Handrücken … nur um festzustellen, dass es nichts das Geringste brachte. „Was soll das, Kleiner?“, zischte ich den Bengel an. „Hast du denn keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast? Man malt mich nicht einfach an!“ Der Junge aber grinste nur breit und heimtückisch. „Jetzt gehörst du mir!“ Kapitel 2: Bemalte Hände, Sonnen in Kneipen, zertrümmerte Nasen und die Welt der Verrückten ------------------------------------------------------------------------------------------- Jetzt stand ich hier. Mit einer bemalten Hand, 47 oder 48 Nichten und Neffen, einer verdutzten Schwester und einem vor Dreck starrenden Bengel, der mich unverschämt angrinste. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich wieder Ärger anbahnte. Dabei konnte ich Ärger so nun überhaupt nicht ausstehen. „So, du abgebrochener Zwerg, du erzählst mir sofort, was das für ein Ding ist!“ Ich hielt ihm demonstrativ meine verschandelte Hand hin. „Ansonsten werde ich dir deine Gedärme rausreißen und sie als Eintopf benutzen.“ Ich konnte dabei nur hoffen, dass der Knabe innerlich nicht auch so verschmutzt war. So was konnte sonst die beste Suppe verderben. Meine freundliche Drohung schien ihn aber nicht im Entferntesten zu interessieren. Weiterhin lächelte er dümmlich, als würde er die ihn umringenden Teufel überhaupt nicht wahrnehmen. „Mein Name ist Griffin!“, stellte er in einem sachlichen Tonfall fest. Ich schnaubte verächtlich. Diese Enthüllung fesselte mich nun nicht gerade. Gut, zugegeben, es war ein ungewöhnlicher Name für einen Höllenbewohner und einen kurzen Augenblick regten sich Zweifel in mir, aber das verwarf ich schnell. Herrje, ich konnte mir nicht mal die Namen von Alymaras Bälgern merken! Da brauchte der kleine Scheißer nicht auf eine Extrabehandlung zu hoffen. „Es ist mir ehrlich gesagt schnurzegal, wie du von deiner lieben Mami genannt worden bist“, zischte ich. „Du könntest auch Klobrille oder Abfalleimer heißen, es würde mich nicht kümmern.“ Wobei, nebenbei bemerkt, Klobrille und Abfalleimer hier unten in der Hölle durchaus verbreitete Namen waren. „Stinken tut er auf jeden Fall wie eine Kloake“, stellte eines der Mädchen mit angewidert gerümpfter Nase fest. Sie musterte Griffin, als wäre er ein wandelnder Misthaufen, der es dreisterweise gewagt hatte, sich in ihre Nähe zu begeben. „Ja, er müffelt schrecklich“, stimmten nun auch die anderen Kids zu. Sie nickten unisono, als wären sie eine gut geölte Maschine. „Genau wie Onkel Tito.“ Das konnte ich nur bestätigen. Onkel Tito – eigentlich Titotherus, aber dieser Name verursachte bei den Kindern immer wieder Zungenverknotungen –, der merkwürdige Bruder meiner Mutter, der mir diesen scheußlichen Keramiktopf von der Erde mitgebracht hatte … Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Woher mir dieser Gestank so furchtbar bekannt vorkam. Griffin roch nach Wiese, frischer Luft, duftenden Blumen – kurz gesagt: ein Albtraum für jeden wackeren Teufel! Kein Wunder, dass die Kinder allesamt ihre Gesichter verzogen. Er stank nach der Erde! Nach dieser schrecklichen Welt voller entsetzlicher Liebe, Harmonie und Sonnenblumen! Die Welt der Verrückten, wie ich sie liebevoll nannte. Nun endlich begriff ich auch, was mir an Griffin von Anfang an so seltsam vorgekommen war. „Du bist ein Mensch!“, stellte ich überrascht fest. Die Bälger schnappten alle zur selben Zeit erstaunt nach Luft – echt ein interessantes Geräusch, wenn es fast fünfzig auf einmal taten –, meine Schwester kniff argwöhnisch die Augen zusammen und ich wusste nicht, ob ich lieber lachen oder weinen sollte. Menschen … die brachten doch nichts als Scherereien! „Du hast wirklich Recht!“, stellte Alymara nach ihrer intensiven Betrachtung verblüfft fest. „Nicht zu fassen. Wie ist das Ding nur hierher gekommen?“ Ich konnte bloß mit den Schultern zucken. Immerhin war die Hölle kein offiziell anerkannter Urlaubsort, niemand kam hier einfach mal so aus Spaß an der Freude vorbei. Die Eingänge waren gut versteckt, fest verriegelt und höchstens von mächtigen Dämonen zu durchqueren. Und dieses magere Bürschchen sah wirklich alles andere als mächtig aus. Selbst der geschundene Kobold, der mit ausgeleierten Gliedmaßen auf den Boden lag und sich nicht rühren konnte, schien diesen Bengel auszulachen. „Also Mutter wird sich freuen“, meinte Alymara. „Sie war ja damals so schrecklich traurig, als sie diese Menschen nicht hat hinrichten können.“ ‚Traurig’ war die Untertreibung der Jahrhunderts. Aus lauter Frustation hatte sie einen gewaltigen Berg in die Luft gesprengt, dessen riesige Felsblöcke kilometerweit in sämtliche Richtung geschleudert worden waren und Städte, Häuser und Teufel unter sich zermalmt hatten. Tyaria hatte es nie leiden können, wenn ihr irgendwas durch die Lappen gegangen war. „Ich bin schon seit Wochen hier unten“, ergriff der Junge das Wort. „Ich muss sagen, die Hölle ist wirklich ausgesprochen merkwürdig und überaus gefährlich. Keiner hat mich davor gewarnt, dass die Sonnenaufgänge hier einem die Haut vom Leibe brennen können! Ist das überhaupt dieselbe Sonne, die wir auch haben?“ Ja, das war sie, aber ich ließ mich selbstverständlich nicht dazu herab, diesem Dreikäsehoch irgendwas zu erklären. Das wäre ja noch schöner gewesen! Aber es war auf jeden Fall dieselbe Sonne, nur war die Hölle anders beschaffen als diese von Vogelzwitschern belästigte Erde und deswegen hatte die Sonne natürlich auch ganz andere Auswirkungen. Sie konnte einen verbrennen, einfrieren und ab und zu hatte sie auch die nervige Angewohnheit, einfach so mitten am Tag für mehrere Minuten oder sogar Stunden völlig zu verschwinden. Es gab viele Theorien, die besonders dieses letzte Phänomen betrafen. Mir persönlich gefiel die Hypothese am besten, dass sich die Sonne einfach vom anstrengenden In-der-Luft-hängen-und-den-ganzen-Tag-rumscheinen ab und zu mal eine Auszeit gönnte und sich in die nächste Kneipe verzog. „Aber endlich bin ich nach dieser strapaziösen Reise an meinem Ziel angelangt“, meinte Griffin, erneut unverschämt grinsend. „Ich habe letztendlich die große Rasia gefunden.“ Nun gut, ich musste zugeben, dass mir dieser Titel durchaus gefiel. Bei all meiner grenzenlosen Bescheidenheit war es doch mal ganz schön, dass jemand so etwas sagte. Allerdings hätte ich mir gewünscht, es nicht unbedingt aus dem Mund eines pubertären Menschleins zu hören. „Soll das etwa heißen, du bist völlig freiwillig in die Hölle hinab gestiegen?“, erkundigte sich Alymara erstaunt. „Wer hat dir dabei geholfen?“ „Niemand“, verkündete Griffin mit stolzgeschwellter Brust. „Ich habe es aus eigenen Kräften geschafft.“ Ich wechselte einen skeptischen Blick mit meiner Schwester. Also entweder war der Knirps mächtiger, als es den Anschein machte, oder aber Griffin hatte durch Zufall einen der wenigen kaputten Eingänge gefunden, den selbst ein geistig behindertes Kaninchen mit Orientierungsstörungen hätte durchschreiten können. Es gab wahrlich nicht viele davon und die Wächter achteten eigentlich immer penibel darauf, dass alles so schnell wie möglich wieder instand gesetzt wurde, aber immerhin konnte man seine Augen nicht überall haben. Außerdem waren einige dieser Wächter auch inkompetente Idioten, die einen defekten Eingang nicht mal aus zehn Zentimeter Entfernung erkannt hätten. „Und warum hast du Tante Rasia angemalt?“, fragte Bryo misstrauisch. Er war mitunter der einzige meiner Neffen, dessen Namen ich durchweg hatte behalten können. Durch ein Experiment meiner Mutter, bei dem ein zehn Meter hoher Baum, eine stabile Axt und die Schwerkraft eine entscheidende Rolle gespielt hatten, hatte der Junge eine extrem entstellte Nase, die bei mir einen hohen Wiedererkennungswert hatte. Na ja, wenigstens einer, den ich benennen konnte. „Ich habe sie nicht angemalt“, erwiderte Griffin in einem Tonfall, als hätte er es mit einem minderbemittelten Bauerntölpel zu tun. „Vielleicht schon mal was vom Siegel des Helios gehört?“ Natürlich hatte Bryo nicht die geringste Ahnung, was es damit auf sich hatte. Alymara und ich hingegen schon. Und allein die Erwähnung dieses verdammten Siegels gefiel mir gar nicht. Mit einem mulmigen Gefühl starrte ich auf den roten Kreis auf meiner Hand. Konnte es wirklich sein? Hatte der Bengel sich das getraut, was die mächtigsten Dämonen und Magier kaum wagten? Nicht mal ich persönlich hätte dieses Siegel benutzt, die Konsequenzen für dessen Benutzung waren im Laufe der Geschichte niemanden allzu gut bekommen. Der Junge musste vollkommen irre sein. Aber irgendwie waren das ja wohl alle Menschen. „Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?“, fragte ich zischelnd. Ich hatte wirklich keinerlei Bock auf so einen Mist! Erst hatte ich jahrhundertelang unter dem Beschwörungshorn gelitten, nur um mich jetzt mit noch was Schlimmeren herumzuschlagen? Die Welt war wirklich ungerecht! Ich hätte mich jetzt natürlich aufregen, irgendwas schreiend durch die Gegend werfen und mich auf dem Boden wälzen können, aber irgendwie fehlte mir dazu einfach die Motivation. Was hätte es auch gebracht? Ich war ganz offensichtlich verflucht. „Ich beliebe nicht zu scherzen“, erklärte Griffin hochmütig. „Ich habe dich mit einem Bann belegt und nun gehörst du mir! Du hast all meinen Befehlen Folge zu leisten.“ Ich konnte es nicht glauben, der Knabe meinte es tatsächlich ernst! Hatte er denn nicht in den Geschichtsbüchern gelesen, was diese Siegel einem antun konnten? Erfunden hatte das Teil vor langer Zeit irgendein griechischer Magier, der wie alle anderen auch nach Macht, Ruhm und den ganzen Quatsch gestrebt hatte. Mit dem Siegel hatte er haufenweise Dämonen versehen, die von da an keinerlei Chance gehabt hatten, sich seinen Befehlen zu entziehen. Widerstand hätte automatisch den Tod bedeutet. Mit dieser schlagkräftigen Armee hatte er schnell die Herrschaft erringen können … nur um sie prompt wieder zu verlieren. Denn die Siegel mussten ständig mit neuer Magie genährt werden, damit sie auch ein Leben lang hielten. Aber kein Magier, Dämon oder auch Teufel hatte genug Energie, um so etwas längere Zeit durchhalten zu können. Auch dem besagten griechischen Zauberer fehlten die Kräfte dazu und als die Siegel erloschen, waren die ehemaligen Diener auf ihren Ex-Boss selbstverständlich nicht allzu gut zu sprechen gewesen. Der Legende nach hatten ihn die Dämonen in winzig kleine Stückchen gehackt und über ganz Griechenland verteilt. Diese hübsche Gute-Nacht-Geschichte wurde noch heute gerne kleinen Teufelchen erzählt, die glaubten, mit der Hilfe anderer zu Ruhm kommen zu können. Im Laufe der Epochen hatten es immer wieder ein paar Wahnsinnige versucht, sich mithilfe des Siegels einen entscheidenden Vorteil gegenüber seinen Feinden zu verschaffen. Meistens waren diese Volltrottel vollkommen lebensmüde und weltfremd oder auch arrogant und zu Selbstüberschätzung neigend gewesen. Griffin zählte ich eher zur zweiten Kategorie. Allein dieses hämische Grinsen machte mehr als deutlich, dass er sich für den Obermacker vom Dienst hielt. Nicht mal Lucifer, die Selbstgefälligkeit in Person, hatte solch einen eingebildeten Gesichtsausdruck drauf. „Willst du damit etwa sagen … du hast Rasia mit einem Fluch belegt? Sie zu deiner Sklavin gemacht?“ Alymara starrte den Jungen fassungslos an und bedachte mich mit einem dieser mitleidigen Blicke, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte. „Ganz recht“, meinte Griffin hochnäsig. „Ich könnte ihr jetzt befehlen, auf den Händen zu laufen, und sie könnte nichts anderes tun, als zu gehorchen.“ Alymara konnte nur ungläubig den Kopf schütteln, während Bryo wütend schnaubte: „Du halbe Portion solltest dich lieber nicht mit uns Teufeln anlegen!“ Und mit diesen Worten sprang er Griffin auf den Rücken und brachte ihn zu Fall. Kaum lag der Menschenbengel mit dem Gesicht im Dreck, packte Bryo ihm am Ohr und zog so fest daran, wie es ihm möglich war, begeistert angefeuert von seinen Geschwistern und dem malträtrierten Kobold, der sich ganz offensichtlich zu freuen schien, dass er diesmal nicht das Opfer der Grausamkeiten war. Ich selbst hätte auch liebend gern meinen Senf dazugegeben und Bryo ordentlich angespornt … aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, vor lauter Schmerzen auf die Knie zu sinken. Ich presste die Hand auf mein rechtes Ohr, das zu brennen schien, als stünde es unter Feuer. Der Schmerz trieb mir, ebenso wie dem am Boden liegenden Griffin, Tränen in die Augen. Für einen kurzen Moment wurde sogar mein Sichtfeld schwarz. Verdammt! Diese Nebenwirkung des Siegels hatte ich komplett vergessen. Verbundenheit in jeglicher Hinsicht. Seine Schmerzen waren die meinen. Und sein Tod auch automatisch der meinige. Hätte der verfluchte Magier, der dieses Teil erfunden hatte, noch gelebt, hätte ich ihm spätestens in diesem Moment ohne zu zögern den Hals umgedreht. Wie kam man überhaupt auf so eine bescheuerte Idee? Ich schwor mir, demnächst mal im Jenseits vorbeizuschauen, diesen Schwachkopf aufzuspüren und ihm ordentlich die Meinung zu geigen. Körperliche Schmerzen konnte man diesen verdammten Geistern ja leider nicht mehr zufügen. Allerdings war es eine Überlegung wert, diesem antiken Griechen einen der bereits erwähnten Staatsgeister oder sogar gleich Shimo persönlich auf den Hals zu hetzen, damit ihm das elende Gequatsche das Leben nach dem Tod zu einer richtigen Tortur machen würde. „Bryo, hör auf!“ Alymara, die die Situation schnell durchschaut hatte, packte ihren Sohn und zog ihn von Griffin herunter. Sofort stellte sich bei mir und auch bei dem Menschenjungen eine spürbare Verbesserung ein. Das Ohr pochte zwar noch gewaltig, aber wenigstens war der schreckliche Schmerz fort. Insgeheim war ich sogar recht überrascht über Bryos Kräfte. Ich hätte nie gedacht, dass der kleine Kerl mit der zertrümmerten Nase mich mal zu Fall bringen könnte. „Du siehst also … ich scherze nicht.“ Griffin hatte sich ächzend wieder aufgerappelt und versuchte nun, einen einigermaßen würdevollen Eindruck zu erwecken, was aber durch seine zerrupfte Kleidung und den einzelnen Feuergrashalmen in seiner Nase nicht allzu überzeugend wirkte. „Ich mag vielleicht jung und nicht besonders stark erscheinen, aber ich bin bereits ein angesehener Magier aus einer alteingesessen, englischen Familie, die …“ Während der Knabe unentwegt weiterplapperte und die ihn umringenden Kinder einfach nur gebannt das Gras in seiner Nase betrachteten, verzog ich missmutig das Gesicht. Der Bengel war also ein Engländer? Kein Wunder, dass er solch ein affektiertes Gehabe an den Tag legte und auch noch diese geschwollene Sprechweise gebrauchte, die ich, um ehrlich zu sein, nicht immer ganz durchschaute. Ich war ein einfaches, bescheidenes Mädchen und konnte mit dieser schleimigen Umstandskrämersprache nicht allzu viel anfangen. Außerdem hatten die Engländer diese lästige Angewohntheit, sich für die Herren der Welt zu halten. Eine Zeit lang hatte mein Beschwörungshorn in Großbritannien geweilt, weswegen mir die zweifelhafte Ehre zuteil geworden war, mehrere dieser Individuen kennen zu lernen. Alle waren ausgesprochen unfreundlich gewesen, hatten mich andauernd als ‚Dämon’, ‚Monster’ oder schlimmeres bezeichnet und mich angeblökt wie eine Herde aufgeregter Schafe. Ich hatte diese dämlichen Lackaffen allesamt nicht ausstehen können, weswegen ich mir auch stets die Mühe gemacht hatte, sie nach dem Abschluss unserer Pakte noch mal einzeln aufzusuchen und sie mit überaus kreativen Todesarten zu beglücken. Einen besonders selbstverliebten Ritter hatte ich beispielsweise von einer Gruppe Elefanten in seinem Schlafzimmer tot trampeln lassen, die ich extra für diesen Zweck per Schnellexpress nach England hatte importieren lassen. Tja, so kann’s einem gehen, wenn man mir auf die Nerven fällt. Und Griffin hatte wirklich gute Chancen, auch schon sehr bald die Bekanntschaft mit Elefanten machen zu dürfen. „Ich hasse England!“, stieß ich stöhnend aus. „Du hast doch nicht wirklich die Absicht, mich dahin zu bringen, oder?“ Mir war mehr als klar, dass Griffin keine Sekunde länger in der Hölle bleiben würde, umgeben von tödlichen Sonnenuntergängen, giftigen Seen und angriffslustiger Teufelsbrut. Und solange dieses Siegel an mir klebte, war ich unglücklicherweise an diesen Knaben gebunden. Offenbar hasste das Leben mich! Mit einem Mal wünschte ich mir mein Beschwörungshorn zurück. Das Teil war zwar ausgesprochen störend gewesen (besonders, wenn jemand dort oben auf der Erde auf die Idee gekommen war, in das Ding reinzublasen, während ich unten in der Hölle gerade splitterfasernackt in die Badewanne gesessen hatte – dem unbedarften Jungen waren auf jeden Fall fast die Augen aus ihren Höhlen geplumpst), aber immerhin hatte das Ganze nichts mit Knechtschaft zu tun gehabt, es war ein gleichwertiges Nehmen und Geben gewesen. Man war zwar während der Dauer des Paktes gewissen Regeln unterworfen gewesen, aber im Vergleich zum Siegel des Helios waren diese ganz akzeptabel. Das Siegel jedoch machte dich zum Diener, zum Sklaven – zumindest dann, wenn du keinen qualvollen Tod sterben wolltest. Ich hatte schon einige Geschichten von Befehlsverweigerern gehört, die alle grauenvoll zugrunde gegangen waren, und ehrlich gesagt wollte ich mich da nicht unbedingt einreihen. Außerdem hielt das Siegel ja nicht Ewigkeiten. Ich sah auf die blasse Färbung auf meinem Handrücken und schätzte, dass es etwa einen Monat halten würde, ehe Griffin es entweder wieder neu aufladen musste oder – und das war selbstverständlich wesentlich besser – er keine Energie dafür hatte oder es auch schlichtweg vergaß. All das war schon vorgekommen. „Wir gehen nicht nach England, keine Sorge“, versicherte Griffin mir. „Ich bin mit einer Gruppe Magier gerade auf einer großen Expedition und zurzeit befinden wir uns in einem Land namens Japan.“ Ich spürte einen Stich in meiner Magengegend. Irgendwie wollte mir das gar nicht gefallen. Vor meinem geistigen Auge sah ich plötzlich weiße Hunde und allesverschlingende Schwarze Löcher. Vielleicht war ein qualvoller Tod doch eine ganz reizvolle Alternative. Griffin beachtete jedoch meine leidige Miene nicht weiter, sondern wandte sich an Alymara. „Gib eurem Vater Bescheid. Sage ihm, dass, wenn er seine Tochter zurück haben will, er mir folgen soll. Ich werde extra eine starke magische Spur hinter mir auslegen, der selbst ein Volltrottel folgen könnte.“ Ich war viel zu überrascht, um auf diese Aussage mit einem angemessen bissigen Kommentar zu reagieren. „Shimo? Wieso das denn?“ Ich merkte, dass meine Stimme regelrecht schrill klang. Ich ahnte bereits Furchtbares und wünschte mit erneut einen grausamen Tod. „Weil er ebenso wie du ein exquisiter Teil meiner kleinen Sammlung werden soll“, meinte Griffin mit einem herablassenden Lächeln. „Ich habe gehört, er sei sehr mächtig und könnte darüber hinaus selbst den kleinsten magischen Impuls aus größter Entfernung spüren. Diese Fähigkeit kann ich für das, was ich vorhabe, sehr gut gebrauchen.“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Für einen Monat die Dienerin dieses Hirnis spielen – von mir aus! Aber das Ganze zusammen mit meinem Vater? Da hörte der Spaß nun wirklich auf! Bevor ich jedoch dazu kam, meinem Unmut Luft zu machen, erklärte Griffin: „Dann lass uns lieber sofort aufbrechen, dieser Ort ist mir im hohen Maße unangenehm. Außerdem warten meine anderen Diener bereits ungeduldig auf mich. Ich hatte gedacht, dich zu finden, würde wesentlich schneller gehen, sodass ich ihnen befohlen habe, sich nicht von der Stelle zu rühren. Jetzt hocken die wahrscheinlich schon seit zwei Wochen da rum. Hoffentlich ist keiner verhungert.“ Mit einem Mal fühlte ich mich wirklich beruhigt. Griffin schien ja auch immerhin ein ausgesprochen umsichtiger und mitfühlender Herr zu sein. Da konnte man sich getrost drauf freuen, den Hungertod zu sterben. Der Knirps packte meine Hand, murmelte irgendeine alte Formel und vollführte einige merkwürdige Schlenker mit dem freien Arm, welche mir persönlich viel zu peinlich gewesen wären, da sie einfach nur dämlich aussahen. Griffin jedoch schien es nicht zu kümmern, dass er sich verrenkte wie ein Zirkusaffe mit Verdauungsproblemen. Ich sah noch ein letztes Mal zu Alymara und ihrer Rasselbande hinüber und hoffte bloß, dass sie während meiner Abwesenheit nicht meine Bude in Schutt und Asche legten. Die Chancen standen zwar schlecht, aber man konnte ja trotzdem noch beten. Alymara rief mir etwas zu, das ich aber nicht mehr verstand, weil sich um mich und den Magierbengel das altbekannte bläuliche Schild legte, welches uns in die andere Welt transportieren sollte. Meine Schwester versuchte mir augenscheinlich Mut zu machen, wahrscheinlich versprach sie mir, mir Shimo so schnell wie möglich zu meiner Rettung hinterherzuschicken. Na toll, ich war wirklich verloren. Es tat mir in der Seele weh, als die vertraute Umgebung der Hölle vollends verschwand und an ihrer Stelle ein gleißendes Licht trat, das mich regelrecht zu verhöhnen schien. Griffin neben mir zappelte immer noch wie wild herum, seine Augen geschlossen und wie in Trance sein kleines Textchen aufsagend. Und dann geschah es. Der Albtraum schlechthin. Ich war wieder in der Welt der Verrückten. Die schützende Kugel um uns herum löste sich auf und mit heruntergezogenen Mundwinkeln ließ ich meinen Blick schweifen. Offenbar war gerade Frühling, von überall grinsten mich die verschiedenartigsten Blumen an, wie ich sie mir nicht mal in meinen schrecklichsten Visionen hätte ausmalen können. Bienen schwirrten durch die Luft, Vögel zwitscherten, ein Bach ganz in der Nähe plätscherte vor sich … Ein Schaudern durchfuhr meinen ganzen Körper. Wie konnte man nur in so einer furchtbaren Welt leben? Als ich mich nach rechts wandte, erblickte ich die von Griffin erwähnten Diener und Mitleidensgenossen. Sie hockten unter einem großen Baum wie bestellt und nicht abgeholt und wirkten ziemlich ausgezehrt und wütend. Kein Wunder, nach zwei Wochen ohne Nahrung oder gar Bewegung. Der erste entpuppte sich als eine Art Gnom, der sich auf den Boden zusammengerollt hatte und wie hypnotisiert ins Leere starrte. Das Siegel des Helios – so rot wie Blut, was mich vermuten ließ, dass der arme Kerl Griffins erstes Opfer gewesen war – prangte ihm mitten auf der Stirn wie ein Schandfleck. Neben dem kleinen Kerl hockte ein Riese von einem Kerl, wahrscheinlich über drei Meter groß und ganz offensichtlich ein Dämon. Mürrisch starrte er auf den Magier herab und schien sich allerlei Todesarten auszumalen. Er war mir auf Anhieb sympathisch. Nun ja, und der Dritte im Bunde kam mir nur allzu bekannt vor, auch wenn ich mir mehr als alles andere gewünscht hatte, seine Visage nie wieder sehen zu müssen. Ich lächelte ihm spöttisch entgegen. „Hallo, Inuyasha!“ ____________________________________________________________________________ Tja, jetzt ist das passiert, was Rasia in "Pakt mit der Hölle" so mühevoll zu vermeiden versucht hat: Sie ist zu einer Sklavin degradiert worden! Es werden zwar bestimmt keine hundert Jahre werden, aber viel Spaß wird sie dabei nicht haben, dafür werde ich schon sorgen XDD (meine Güte, lasse ich die Arme mal wieder leiden ;p) Ich möchte mich an dieser Stelle auch nochmal herzlich für eure positive Resonanz bedanken! Freut mich, dass ihr weiterhin beiwohnen wollt, wie ich Rasia so richtig leiden lasse XD Also, man liest sich beim nächsten Kapitel! Kapitel 3: Regionale Köstlichkeiten, sterbende Krähen, verdorbene Mägen und große Pläne --------------------------------------------------------------------------------------- Inuyasha musterte mich abschätzend, als wäre ich ein störender Floh, der zu nahe an sein kostbares Fell gekommen war. Offenbar freute er sich nicht im Geringsten, mich wieder zu sehen. Allerdings beruhte diese Abneigung auf Gegenseitigkeit. Musste ich wirklich soviel Pech haben, dass mir wieder dieser verlauste Köter über den Weg lief? War diese verfluchte Welt etwa nicht groß genug? „Dich hätte ich eigentlich am allerwenigsten hier erwartet“, meinte ich höhnisch. „Ich hatte an und für sich angenommen, dass unser kleines Griffin-Monster sich nur mit den Besten der Besten abgegeben hätte.“ Inuyasha zog eine Schnute und warf einen Blick zu dem apathisch vor sich hinstarrenden Gnom, der nicht gerade den Eindruck eines mächtigen Kriegers vermittelte, den ich aber einem Hitzkopf wie diesem Hanyou jederzeit vorgezogen hätte. Inuyasha wollte augenscheinlich protestieren, sich wieder aufspielen wie ein Gorilla zur Paarungszeit, doch kaum hatte er seinen Mund aufgeklappt, verließ ihn die Sprache und er gab nur äußerst merkwürdige Laute von sich, die mich stark an das Luftschnappen eines Fisches an Land erinnerten. Tja, mit unserem Sonnenscheinchen stand es wohl nicht gerade zum Besten. Fast hätte ich Mitleid bekommen können. Der riesige Youkai hatte inzwischen seine großen Kuhaugen auf Griffin gerichtet. „Dürfen wir … uns was zu essen holen?“ Er klang ausgetrocknet und völlig heiser. Kein Wunder, bei zwei Wochen ohne Flüssigkeit. Aus diesem Grund hatte sich wahrscheinlich auch Inuyasha mit seinen dämlichen Kommentaren bislang zurückgehalten. Dennoch war es offenbar unter der Würde des Hanyou, Griffin um Essen anzubetteln. Vermutlich hätte er sich nicht mal kurz vor seinem qualvollen Hungertod dazu herabgelassen. Stattdessen funkelte er Griffin nur feindselig an, offensichtlich darüber sinnierend, ob er sich nicht vielleicht den Magier als Zwischenmahlzeit einverleiben sollte. „Es tut mir leid, Shenyt, dass ich euch so lange habe warten lassen“, sagte Griffin, an den Riesen-Youkai gewandt. Sein Tonfall war über alle Maßen heuchlerisch und strafte seinen Worten Lüge. Inuyasha und Shenyt machten daraufhin den Eindruck, als wollten sie dem Bengel am liebsten den Hals umdrehen, während dem Gnom eine Fliege in die Nase krabbelte. Oh Mann, bei was für einem Trüppchen war ich da nur wieder gelandet? Nicht nur, dass ich unerwartet das gigantischste Großmaul der Welt wieder getroffen hatte, von dem ich eigentlich angenommen hatte, dass er längst den Verdauungstrakt einer wütenden Drachenmami durchlaufen hätte – nein, darüber hinaus hatte sich Griffin offenbar noch mehr Idioten angelacht. Nun gut, ich musste zugeben, dass es ziemlich schwer war, in dieser Welt auch nur halbwegs intelligente Wesen zu finden, aber dennoch konnte man mit etwas Mühe das ein oder andere Exemplar aufspüren. Griffin jedoch hatte sich offensichtlich die erstbesten Spaßvögel gegriffen, die ihm über den Weg gelaufen waren. Na fein, was sollte ich mich groß aufregen? Dann arbeitete ich eben mit einem Volldeppen, einem großen Youkai mit einem ebenso großen Magen und einem Gnom, dem allem Anschein nach das Gehirn zu Brei geworden war, zusammen. Wenn ich ehrlich war, hatte ich es sogar schon mit nervigeren Einfaltspinseln zu tun gehabt. Wenigstens waren – abgesehen von Griffin selbstverständlich – keine Menschen in unserem Team. Diese blutrünstigen, arroganten und skrupellosen Würmer brachten einem mit ihrem Größenwahn nämlich nichts als Ärger. „Natürlich kannst du etwas zu essen besorgen, Shenyt“, meinte Griffin, großzügig wie ein Herrscher, der soeben seinem Untertan die Erlaubnis erteilt hatte, dieselbe Luft wie er zu atmen. „Ich bin auch extrem hungrig, in der Hölle gab es einfach nichts Anständiges.“ Was hatte der Bursche denn gegen unsere regionalen Köstlichkeiten? Innereien und Gedärme in einer leckeren Blutsoße oder für Pflanzenfresser auch Stachelgurkeneintopf mit einer rot-weiß-karierten Selleriestange – wem lief da bitte schön nicht das Wasser im Mund zusammen? „Bring etwas Vernünftiges zu essen mit“, kommandierte Griffin. „Und damit meine ich etwas, das auch Menschen essen können.“ Shenyt machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Wahrscheinlich hatte er sich bereits ausgemalt, diesem dreisten Knirps ein rohes und aufgeschlitztes Wildschwein vor die Füße zu werfen und schadenfroh zu beobachten, wie sich dem kleinen Menschlein der Magen umdrehte. Griffin wäre auf jeden Fall nicht allzu angetan gewesen. Nachdem Shenyt davongestiefelt war, ließ sich Griffin im Schneidersitz auf den Boden nieder und seufzte erleichtert: „Ah, endlich wieder frische Luft! Noch ein paar Tage länger da unten und ich wäre in dieser giftigen Atmosphäre elendig krepiert.“ Gar nicht so unwahrscheinlich. Wir Teufel liebten die schwefelhaltige Luft über alles, aber den kleinen, gebrechlichen Menschen war es ein Graus. Ihre kümmerlichen Lungen waren für so was einfach nicht konzipiert. „Du siehst echt ganz schön mitgenommen aus“, bemerkte Inuyasha missbilligend. Seine Stimme klang nach dem wochenlangen Nahrungsentzug wie das Krächzen einer sterbenden Krähe. „Ich habe doch gleich gesagt, dass dich einer von uns hätte begleiten sollen. Wenn du da unten gestorben wärst, hätten auch wir hier oben das Zeitliche gesegnet.“ Kein großer Verlust. Ich verfluchte das Schicksal, dass es es nicht soweit hatte kommen lassen. Das hätte mir echt den Tag gerettet. „Was hast du überhaupt da unten getrieben?“, fuhr Inuyasha munter mit seiner Beschwerde fort. „Uns hat mehrere Male die Haut richtiggehend gebrannt.“ Ah, das mussten die höllischen Sonnenaufgänge gewesen sein, für die zarte Haut von Menschen völlig ungeeignet. Immer wieder lustig zu sehen, wie es da zischte und knisterte. „Und was hast du eigentlich eben mit deinem Ohr gemacht?“, fauchte er. „Das hat furchtbar wehgetan. Hast du dich etwa mit einem Bären angelegt?“ Hätte ich ihm jetzt vielleicht erzählen sollen, dass es sich nur um ein kleines Kind gehandelt hatte, dass nicht mal die Größe eines Baumstumpfes gehabt hatte? Griffin hatte währenddessen dem Hanyou einen bitterbösen Blick zugeworfen. Er mochte es offenbar nicht, von seinen Dienern kritisiert zu werden. „Halt gefälligst deinen Mund!“, zischte er. „Mir ist sehr wohl bewusst, was ich tue, du kannst dir deine Ratschläge also sparen. Ich möchte nicht, dass du das Thema jemals wieder ansprichst.“ Inuyasha wirkte gekränkt, konnte aber nichts weiter tun, als dem Befehl Folge zu leisten. Griffin hatte inzwischen begonnen, sich selbst und seine Kleidung einer genaueren Kontrolle zu unterziehen. Seinem angewiderten Gesichtsausdruck nach zu schließen sagten ihm die Hinterlassenschaften der Hölle nicht sonderlich zu. Mit einem Blick auf einen nahe gelegenen Bach meinte er: „Ich gehe mich mal eben frisch machen. Ihr beide bleibt hier und rührt euch nicht von der Stelle.“ Griffin rappelte sich hoch und marschierte Richtung fließendes Gewässer, während ihm Inuyasha hasserfüllt und neidisch hinterschaute. Hasserfüllt, da der Magier ihn wie ein Stück Dreck behandelte, und neidisch, da das wunderbar plätschernde Wasser so nah und doch so fern war. Inuyasha musste wirklich extremen Durst haben, aber wie üblich war er viel zu stolz, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen. „Du solltest ihm sagen, dass du durstig bist“, riet ich dem Hanyou. „Von allein merkt der das nie. Du könntest jetzt wahrscheinlich vor seinen Augen verdursten, er würde sich dann nur irgendwann wundern, wieso du tot am Boden liegst.“ „Ich hatte schon wieder glatt vergessen, was für eine Nervensäge du bist“, sagte Inuyasha mit knirschenden Zähnen. „Ich habe diesem Dreikäsehoch davor gewarnt, dich zu holen, aber er wollte einfach nicht auf mich hören. Und jetzt haben wir den Salat!“ Ich horchte auf. „Wie ist der Kleine überhaupt auf mich gekommen? Hast du mich vielleicht erwähnt?“ Inuyasha schnaubte missfällig. „Ganz sicher nicht!“, erwiderte er vehement. „Er hat irgendwo deinen Namen aufgeschnappt und mich gefragt, was ich von dir halte. Ich habe ihm natürlich gesagt, dass du ein arrogantes, selbstverliebtes und lästiges Miststück bist, aber wie du selbst sehen kannst, haben ihn meine Worte nicht die Bohne interessiert.“ Ein arrogantes, selbstverliebtes und lästiges Miststück? Ach je, ich musste ihm ja damals ziemlich auf die Füße getreten sein, dass er mich mit solch netten Formulierungen bedachte. Ob ihm klar war, dass er mir damit im Grunde ein Kompliment gemacht hatte? Na ja, wahrscheinlich eher nicht … Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich erkannte, dass ich ihm ebenso auf den Geist ging wie er mir. „Wie kommt’s eigentlich, dass du noch lebst?“, erkundigte ich mich interessiert. „War die Drachendame nicht ganz auf Zack?“ Ein erbostes Funkeln flackerte in seinen Augen auf. „Das war Absicht? Ich dachte, wir wären nur durch Zufall in diesem verfluchten Drachennest gelandet.“ Ach nein, soviel Naivität konnte wirklich entzückend sein. „Denk noch einmal intensiv darüber nach, dann begreifst du vielleicht, dass ich nichts dem Zufall überlasse“, meinte ich süffisant lächelnd. So was wäre auch viel zu gefährlich gewesen. Zufälle hatten diese furchtbare Angewohntheit, völlig unberechenbar zu sein. Inuyasha hätte sich wahrscheinlich jetzt liebend gern wütend auf mich gestürzt – alle Kräfteunterschieden zwischen Teufeln und mickrigen Hanyous zum Trotz –, wenn ihn nicht Griffins Befehl an Ort und Stelle gefesselt hätte. Somit beließ er es bei einem zornigen Knurren. „Ist denn wirklich niemand draufgegangen?“, fragte ich enttäuscht. Ich hatte mir immer wieder bildlich vorgestellt, wie der Drache die plappernde Kagome, den notgeilen Mönch und vor allen Dingen das schauderhaft süße Knuddelvieh Shippo verputzt hatte. Waren diese wunderbaren Tagträume alle für die Katz gewesen? „Wir hätten bestimmt alt ausgesehen“, gab Inuyasha zu. „Ich bin mitten in einem Ei gelandet und habe es zerstört, der Drache war nicht sehr erfreut. Doch zu unserem Glück hat er erst diesen Youkai gefressen. Du weißt schon, diesen ekligen Kerl, der so an dir geklebt hat.“ „Gyrak?“ Meine Miene hellte sich schlagartig auf. Das waren zur Abwechslung wirklich mal gute Neuigkeiten. Wenigstens diesen widerwärtigen Schleimer hatte es erwischt! „Richtig, Gyrak war sein Name“, erinnerte sich Inuyasha. „Auf jeden Fall hat sich der Drache seinetwegen ganz schön den Magen verdorben. Er sah ja so oder so schon ziemlich unappetitlich aus, kein Wunder, dass er dem Drachen nicht gut bekommen ist. Wir anderen konnten dann schnell abhauen.“ Nun gut, dass Kagome und Konsorten das Ganze heil überstanden hatten, missbilligte ich zwar, aber dafür machte Gyraks Tod diesen Umstand wieder wett. Immerhin hatte mir dieser Trottel damals den ganzen Schlamassel eingebrockt, ohne unseren dämlichen Pakt wäre mir die Folter, Inuyashas Bekanntschaft zu machen, erspart geblieben. „Und wo ist dein Anhang?“, erkundigte ich mich. „Mein was?“, fragte Inuyasha verwirrt. „Na, dein Anhang! Dein Fanclub! Deine Kletten! Dein Rudel! Deine Gruppe umherstreifender Irrer!“ Inuyasha musterte mich skeptisch. „Meinst du etwa meine Freunde?“ War ich etwa nicht deutlich genug geworden? „Ganz genau diese Deppen meine ich“, bestätigte ich nickend. Inuyasha war über die Bezeichnung seiner Idioten offenbar nicht besonders begeistert, mich aber kümmerte das wenig. Immerhin war es die Wahrheit gewesen. „Ich weiß nicht, wo Kagome und die anderen sind“, gestand Inuyasha etwas widerwillig. „Ich bin seit über einem Monat bei diesem Pseudo-Magier, seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.“ „Seit über einem Monat?“ Ich runzelte die Stirn und schaute auf sein Siegel, das sich bei ihm in der Handinnenfläche befand. Wahrscheinlich war er so leichtgläubig und dämlich gewesen, Griffin die Hand zu schütteln und hatte sich auf diese Weise den Fluch aufgehalst. Gefärbt war es in einem dezenten Rot, das noch eine Haltbarkeit von drei bis vier Monaten konstatierte, wenn ich mich nicht irrte. Womöglich sogar ein halbes Jahr. Ich verglich es mit der schwachen Färbung meines eigenen Siegels und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Tja, eine Teufelin zu bannen, war wesentlich schwieriger und kraftaufwendiger als einen kleinen Hanyou. „Ja, schon über einen Monat“, meinte Inuyasha seufzend. „Zumindest habe ich schon eine Neumond-Phase durchlaufen und bald steht die nächste an. Unser kleiner Bengel findet das furchtbar interessant.“ Verwundert starrte ich ihn an. „Wieso? Was passiert denn bei Neumond?“ Inuyasha machte ein Gesicht, als hätte er sich soeben verplappert. „Äh … nichts“, sagte er bemüht unschuldig. Und selbstverständlich machte er mich damit nur noch neugieriger. Doch bevor ich weiter nachhaken konnte, erschallte plötzlich Shenyts donnernde Stimme: „Essen fassen!“ Der Gigant trat aus dem Dickicht eines Gebüschs hervor – na ja, besser gesagt: er zermalmte das arme Ding unter seinen Füßen –, auf seinen Armen einen riesigen Berg von Lebensmitteln balancierend. Ich erkannte etwas Obst, Gemüse, Fleisch und einige dieser japanischen Spezialitäten, die ich nicht näher zu benennen wusste. Shenyts frohe Botschaft hatte den lethargischen Gnom endlich wieder in die Realität zurückgeholt. Freudig jubelnd sprang er auf und wollte dem Youkai entgegeneilen, aber der Befehl Griffins vor zwei Wochen, sich nicht vom Fleck zu rühren, war immer noch gültig und machte somit dem kleinen Kerl einen Strich durch die Rechnung. Winzige Blitze schossen aus dem Siegel hervor und malträtierten den Körper des Gnoms. Er schrie vor Schmerzen auf und hastete schnell wieder zu der Stelle zurück, wo er die letzten Wochen verbracht hatte. Sofort brach der Angriff ab. Ich fand diese Entdeckung überaus interessant. Also war es nicht nur Griffin, der uns bestrafen konnte, sondern auch das Siegel, das offenbar völlig eigenständig zu agieren vermochte. Nicht gerade ein erheiternder Gedanke. Ich verkniff es mir, mich ein Stückchen zur Seite zu bewegen, um diesen Effekt auch mal auszuprobieren. „Du warst ja wirklich schnell“, meinte Inuyasha überrascht, während er gierig das Essen anstarrte. Shenyt, der sich als einziger von uns frei bewegen konnte, schien sich zunächst in sicherer Entfernung auf dem Boden plumpsen und vor unseren Augen allein genüsslich das Futter verputzen zu wollen, aber anscheinend besaß er wohl doch genügend Mitgefühl, um sich nicht zu solch einer Quälerei herabzulassen. „Es war nicht besonders schwer“, meinte Shenyt schulterzuckend. Er übergab Inuyasha und dem Gnom etwas von seiner Beute, welche diese hastig verschlangen. „In der Nähe war so eine Art Gasthof. Ich bin einfach reingeplatzt und habe mir genommen, was ich brauchte.“ Simpel und effizient. Meistens die beste Taktik. Shenyt machte zwar nicht den Eindruck, als könnte er bis drei zählen, aber wenigstens war er geradeaus denkend. Viele hielten das für unehrenhaft und plump, ich persönlich bevorzugte solche Kerle aber eher als jene, die immer wieder prahlten, um tausend verschiedene Ecken denken zu können. Diese Idioten überschätzten sich meist nur selber und verirrten sich schnell in ihren komplizierten Gehirnwindungen. „Na, das sieht aber richtig gut aus.“ Griffin war zurückgekehrt – feucht und wieder einigermaßen sauber – und betrachtete lächelnd das Essen. „Du bist ja doch nicht ganz so nutzlos, wie ich die ganze Zeit gedacht hatte, Shenyt.“ Sollte das jetzt so eine Art Belobigung sein? Irgendwie hatte der Knilch noch nicht so wirklich begriffen, wie Mitarbeitermotivation funktionierte. Auch Griffin verspeiste mehrere der angebotenen Lebensmitteln binnen weniger Minuten. Es erschreckte mich dabei, wie sehr sich der Menschen und seine Diener in dieser Situation ähnelten. Würde ich nach einem Monat auch so schräg drauf sein? Ich hoffte nicht … aber ich befürchtete bereits das Schlimmste. „Könnte ich jetzt vielleicht mal erfahren, wieso du mich in diese schreckliche Welt geschleppt hast?“, fragte ich Griffin zornig. „Um euch bei euren ekelhaften Tischmanieren zuzusehen?“ Diese Kerle hatten in der Tat noch nicht viel von Anstand gehört, wie mir schien. Zugegeben, wir Teufel waren dafür auch nicht gerade bekannt, aber wenigstens benahmen wir uns nicht wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe. Überall lief der Saft, es wurde geschmatzt und teilweise der Mund so weit aufgerissen, dass ich problemlos in den Rachen schauen und den Gesundheitszustand der Mandeln überprüfen konnte – echt widerlich! „Du bist hier …“, Griffin hielt kurz inne, um einen besonders riesigen Brocken hinunterzuschlucken, „ … um mir zur Seite zu stehen. Ich habe große Pläne.“ Ich verdrehte genervt die Augen. Irgendwie behauptete das jeder Hanswurst von sich, aber meistens kam dabei nicht viel mehr heraus als heiße Luft. Entweder beinhalteten diese sogenannten ‚großen Pläne’, dass man einen Baum pflanzen, ein Haus bauen und ein Kaninchen kastrieren wollte oder sie waren wirklich dermaßen gigantisch, dass sie unmöglich zu realisieren waren. Bei Griffin tippte ich eher auf das Zweite. Er wirkte einfach nicht wie der typische Kaninchenkastrier. „Und wie sehen diese Pläne aus?“, fragte ich herausfordernd. Griffin war zwar nur ein blasser Jüngling im Anfangsstadium der Pubertät, aber er besaß offenbar mehr Grips und Machtgier, als es für so einen kleinen Stöpsel gesund gewesen wäre. „Ich will Japan erobern!“, posaunte er hinaus. Hm, tja … Der Junge hatte wirklich bescheidene Ziele, das musste ich ihm lassen. Na ja, wenigstens wollte er nicht die ganze Welt knechten. DAS wäre nämlich tatsächlich ziemlich größenwahnsinnig gewesen. „Und warum, wenn ich fragen darf?“, erkundigte ich mich. Ich hatte diese ganzen Welteroberungspläne nie so wirklich verstanden. Ich konnte einfach keinen tieferen Sinn dahinter erkennen. Was brachte es einem, Meter für Meter Land zu erringen, nur um das Oberhaupt irgendwelcher Trottel zu sein, die dann am Ende eh eine Rebellion anzettelten und ihren selbsternannten König erhängten, erdrosselten, köpften, vierteilten und von der nächsten Klippe schmissen? Ich begriff irgendwie nicht, was an so einer Sache erstrebenswert sein sollte. „Warum?“ Griffin glotzte mich an, als hätte ich eine selten dämliche Frage gestellt. „Du solltest eher fragen: Warum nicht?“ Meine Güte, diese Menschen waren vielleicht ein gieriges und machthungriges Völkchen. Für sie war es offenbar das Selbstverständlichste der Welt, mal eben so die Welt zu erobern. Nicht mal wir Teufel waren auch nur annähernd so krass drauf. Es hatte schon viele menschliche Schwachmaten gegeben, die sich an diesem ganzen Weltherrschaftsgedöns versucht hatten. Die Perser, Alexander der Große (nebenbei bemerkt: so furchtbar groß ist der gar nicht gewesen – da war beispielsweise Shenyt mit seiner stattlichen Statur um einiges beeindruckender), die römischen Kaiser, die Christen – und nun waren sie allesamt tot. Wirklich viel gebracht hatten ihnen ihre hirnverbrannten Eroberungsfeldzüge ja nicht gerade. „Und wie willst du das anstellen?“, fragte ich. „Wird Japan nicht von hunderten verschiedenen Fürsten regiert? Willst du die etwa alle kaltmachen?“ Wo ich selbstredend sofort dabei gewesen wäre. Ich stand auf ordentliche Massaker. Von der momentanen japanischen Lage hatte ich zwar soviel Ahnung wie eine Schnecke vom Fliegen, aber vage entsann ich mich, dass es in diesem Land unzählige autonome Fürstentümer gab, die sich gegenseitig ignorierten, hassten oder bekämpften. Zumindest konnte man nicht mal eben so den amtierenden König stürzen und das Reich für sich beanspruchen. „Lass das nur meine Sorge sein“, entgegnete Griffin. „Außerdem werde ich mich zuerst auf die herrschenden Dämonen konzentrieren. Hier in diesem primitiven Land scheint es ja recht viele davon zu geben. Sind diese erstmal ausgeschaltet, dürften die Menschen ein Kinderspiel darstellen.“ Nun ja, widersprechen konnte man diesem Argument nicht wirklich, aber ich hütete mich davor, diesem machtbesessenen Hirni zuzustimmen. Das letzte, was so ein unerzogenes Bürschchen brauchte, war Bestätigung. „Weiß deine Mami eigentlich, was du hier treibst?“, erkundigte sich mich schadenfroh grinsend. Griffin bedachte mich mit einem herablassenden Blick. „Meine Eltern vertrauen mir blind und unterstützen mich in allem, was ich tue.“ Aha. Also mit anderen Worten: Mami und Papi hatten nicht die geringste Ahnung, was ihr Sohnemann hier verzapfte. Wirklich überrascht war ich nicht. Hätte er es ihnen erzählt, hätten sie ihn vermutlich ordentlich mit dem Rohrstock verprügelt und anschließend Hausarrest bis an sein Lebensende aufgebrummt (was, wenn ich das Siegel erstmal los war, auch nicht allzu lange auf sich warten lassen würde). „Ich werde dieses Land erobern“, meinte Griffin übertrieben melodramatisch. „Und ich werde alles dafür geben.“ Genauer gesagt: Wir mussten alles dafür geben. Das waren ja mehr als schöne Aussichten. Ich betrachtete skeptisch unser kleines Kampfgeschwader. Wie die Elite vom Dienst sahen die nicht unbedingt aus, eher wie ein Trupp hirnloser Vagabunden, den Griffin auf der Straße aufgesammelt hatte. „Und wie gedenkst du mit diesen halben Portionen ein Land zu erobern?“, erkundigte ich mich argwöhnisch. „Der einzige, der hier augenscheinlich was auf dem Kasten hat, bin ich! Und ich allein kann auch nicht einfach mal Japan unterjochen.“ Ich war zwar eine mächtige Teufelin mit ganz passablen Talenten, aber so was ging nun eindeutig zu weit. Ich konnte mich doch nicht einer Hundertschar von Youkai gegenüberstellen, dazu noch die Armeen der Menschen. Ich war im Grunde für jeden Spaß zu haben, aber allein Krieg zu führen gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. „Es kommt nicht so sehr auf unsere Kampfkraft an, sondern auf Geschick und Hinterlist“, meinte Griffin mit einem derart bösen Lächeln, dass er selbst einigen Teufeln hätte Konkurrenz machen können. „Ich habe einen Plan entwickelt, der uns tief in die Strukturen dieses Landes hineinführt, und ihr alle habt dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Jeder von euch hat ganz eigene Fähigkeiten, die mir sehr nützen werden. Calyr ist beispielsweise ein ausgesprochen guter Spion.“ Dabei deutete er auf den Gnom der immer noch wie ein Berserker alles Essbare in sich hineinschaufelte und Griffins Gerede nicht die geringste Beachtung schenkte. „Shenyt ist ein Musterbeispiel an purer Muskelkraft. Inuyasha kennt sich in der Gegend sehr gut aus und hat sich auch schon mit dem ein oder anderen Dämon angelegt, der bei meinen Eroberungsplänen von Interesse sein könnte. Und du, Rasia, bist sehr mächtig und äußerst intelligent. Du wirst mir noch sehr nützlich sein.“ Hätte ich mich geschmeichelt fühlen sollen? Nun gut, der Junge hatte mit dem, was er über mich gesagt hatte, durchaus Recht, dennoch fühlte ich mich eher wie ein Nutzgegenstand, ein braves Hündchen, das zu gehorchen hatte. „Außerdem sind ja noch Akako und Hisa da, die beide ziemlich …“ Griffin hielt verwundert inne und schaute sich suchend um. „He, wo sind die zwei überhaupt? Hatte ich nicht befohlen, sie sollten nach der Erledigung ihres Auftrages wieder zu euch stoßen?“ „Das hast du“, bestätigte Inuyasha spöttisch. „Und da die Ladys hier nie aufgetaucht sind, können wir nur raten, was mit ihnen passiert ist. Womöglich haben sie sich nur verlaufen. Vielleicht war aber auch der Auftrag dermaßen knifflig, dass sie immer noch damit beschäftigt sind. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass beide längst tot sind.“ Während Griffins Miene sich verfinsterte, zeichnete sich auf meiner Verwirrung ab. „Wer sind denn Akako und Hisa?“ „Zwei sehr nette Youkai-Damen“, meinte Shenyt begeistert. Inuyasha schnaubte daraufhin nur verächtlich. „Von wegen! Das sind zwei völlig durchgeknallte Weiber, denen man nicht über den Weg trauen sollte. Die würden für den richtigen Preis sogar ihre eigene Mutter verkaufen. Glücklicherweise sind diese gehässigen Biester seit Griffins Ausflug in die Hölle nicht mehr aufgetaucht. Ich hoffe wirklich, dass sie tot sind.“ Auf meinen Lippen bildete sich ein Lächeln. Diese beiden Damen erschienen mir sehr sympathisch. Ich freute mich schon darauf, sie kennen zu lernen – sofern sie noch am leben waren, versteht sich. „Das wäre wirklich ausgesprochen bedauerlich“, meinte Griffin mit seinem geschwollenen Engländer-Gelaber. Obwohl er versuchte, eine gefasste Miene beizubehalten, konnte ich seinen unterdrückten Zorn sehr gut spüren. Tja, unerwartet zwei Diener zu verlieren, hatte offenbar nicht zu seinem glorreichen Plan gehört. Mein Mitleid hielt sich verständlicherweise sehr in Grenzen. „Shenyt! Calyr!“, donnerte Griffin los wie ein aufgebrachtes Nashorn. Mit harter Miene wandte er sich an den Riesen und den Zwerg. „Ihr beide werdet euch sofort auf die Suche nach Akako und Hisa machen. Findet sie!“ Shenyt schaute grimmig von dem großen Brocken Fleisch auf, den er sich gerade in einem Stück ins Maul hatte schieben wollen. „Können wir nicht erst zu Ende essen?“ Griffin stampfte mit dem Fuß auf den Boden wie ein Dreijähriger, der seinen Willen durchsetzen wollte. „Herrgott, dann nehmt doch das verdammte Futter mit, ihr Fresssäcke!“ Also wirklich … das war aber jetzt nicht gerade die feine, englische Art gewesen. Wo blieb sein gebildetes und hochnäsiges Geplapper? Es hatte gerade eher nach niederem Straßenslang geklungen. Na ja, mit ein paar trotteligen Dämonen als einzigen ‚Freunden’ war es kein Wunder, dass der Milchbubi auch irgendwann deren Sprachweise übernahm. Schon bald würde Griffin wahrscheinlich die dumpfen Bauernweisheiten perfekt beherrschen. Shenyt brummte auf Griffins Order irgendwas Unverständliches und rappelte sich ächzend hoch. Der Gnom jedoch wirkte ziemlich vergnügt, als er sich sogleich in Bewegung setzte. Seine Freude hatte aber wahrscheinlich weniger mit dem Auftrag zu tun als damit, dass er sich endlich nach endlosen zwei Wochen wieder von der Stelle rühren durfte. „Und was sollen wir tun?“, erkundigte sich Inuyasha. Ihm musste es ebenso wie mir widerstreben, von dem Bengel Befehle anzunehmen, aber offenbar war es dem Hanyou in letzter Zeit dermaßen langweilig gewesen, dass es für ein bisschen Action empfänglich war (im Grunde verständlich: sich nicht bewegen zu dürfen und Shenyt und Calyr als einzige Gesprächspartner zu haben – besonders berauschend klang das wirklich nicht). „Für Rasia und dich habe ich einen ganz speziellen und hochexklusiven Auftrag“, meine Griffin, so hochtrabend wie eh und je und wieder mit diesem unverschämten Grinsen auf den Lippen. Ich konnte bloß die Stirn runzeln. Was hatte der Knilch nur mit uns vor, dass er so dümmlich vor sich hinlächelte? Sollten wir am Ende fünfzigtausend Äpfel schälen, die Sandkörner am Strand zählen und Wasser mit den Händen fangen? Wie auch immer dieser Auftrag aussehen mochte, ich hätte Inuyasha lieber ein dickes Küsschen gegeben, als mich darauf einzulassen. Aber unglücklicherweise hatte ich keine Wahl. Hoffentlich musste ich wenigstens keine Kaninchen kastrieren. _______________________________________________________________ An dieser Stelle nochmal vielen Dank für eure lieben Kommentare ^^ Tja, und was Inuyasha und Rasia für einen 'speziellen und hochexklusiven Auftrag' bekommen haben, werdet ihr dann im nächsten Kapitel sehen, an dem ich schon fleißig am schreiben bin :) Liebe Grüße Kapitel 4: Hochexklusive Aufträge, karierte Kühe, zickige Kieselsteine und vergessene Namen ------------------------------------------------------------------------------------------- „Babysitten?“, stieß ich entrüstet hervor. „Ich soll tatsächlich babysitten?“ Das sollte der ‚spezielle und hochexklusive’ Auftrag sein? Deswegen hatte sich Griffin die Mühe gemacht, mich aus der Hölle zu holen? Meine Güte, das Ganze gestaltete sich ja als noch demütigender, als ich erwartet hatte. Der kleine Magier reagierte nicht gerade begeistert auf meinen Ausfall. „Ich sprach von ‚Personenschutz’, verstanden? Ihr seid meine persönliche Leibwache!“ „Und da du abgebrochener Zwerg wahrscheinlich noch Windeln trägst, kann man das nur als babysitten bezeichnen“, beharrte ich. Griffin bedachte mich mit einem verärgerten Blick, entschied sich dann aber, auf die Begrifflichkeit nicht weiter einzugehen. „Mein Expeditionsteam gibt in einem nahegelegenen Dorf ein Bankett, um mit den Einwohnern näher in Kontakt zu kommen. Obwohl wir schon etwas länger hier sind, verhalten sich die Menschen hier immer noch sehr zurückhaltend und misstrauisch.“ Das konnte man ihnen nun wirklich nicht verübeln. Die ganze verfluchte Engländerbande hätte man am besten in den nächsten Kochtopf werfen sollen. „Auf jeden Fall muss ich auch dort sein, um mich bei der Bevölkerung und auch bei unseren Expeditionsleitern einzuschmeicheln.“ Mit großer Freude beobachtete ich, wie Griffin angewidert die Mundwinkel nach unten verzog. „Und ihr beide müsst mitkommen, um mich zu beschützen.“ „Und wieso?“, hakte ich süffisant lächelnd nach. „Hast du Angst, dass dir ein Japaner aus heiterem Himmel ein Messer in den Rücken rammt?“ Auszudenken war das nicht. Ich persönlich hätte es auch sofort ohne mit der Wimpern zu zucken getan, wenn ich nicht durch das Siegel an ihn gebunden gewesen wäre. „Es sollte schließlich auch in eurem Interesse sein, dass mir nichts geschieht“, entgegnete Griffin etwas launisch. „Außerdem geht es gar nicht um die Japaner, sonder um …“ Er brach ab und setzte eine finstere Miene auf. Wen auch immer er meinte, ich sollte ihn dringend zu einem Tee einladen und mit ihm Freundschaft schließen. „Du redest von ihm, nicht wahr?“ fragte Inuyasha nach. „Es ist wirklich extrem kindisch, was ihr da abzieht, weißt du das eigentlich? Dagegen sind Sesshomaru und ich ja wahre Sonnenscheine. Wir versuchen wenigstens nur, uns gegenseitig umzubringen. Aber ihr benehmt euch einfach nur albern!" Also nach meinen Maßstäben verhielten sich der Köter und sein kriegsbemalter Bruder schon wie die Vollidioten vom Dienst. Konnte es da wirklich noch schlimmer gehen? „Von wem redet ihr denn?“, wollte ich interessiert wissen. Griffin verzog sein Gesicht. „Das wirst du noch früh genug sehen. Er wird auch auf dieser kleinen Party zugegen sein und sich sicherlich sehr für eine mächtige Teufelin wie dich interessieren. Er wird wahrscheinlich vor Neid ganz grün anlaufen.“ Griffin begann, hämisch aufzulachen, und klang dabei haargenau wie ein Irrer, der aus der Klapse entkommen war. Inuyasha verdrehte daraufhin nur die Augen. „Das glaube ich weniger. Vermutlich wird er dich eher auslachen, dass du dir nur so ein mickriges Teufelchen geangelt hast.“ War es verwunderlich, dass ich in diesem Moment mehr als jemals zuvor den Wunsch verspürte, diesem verflixten Hanyou seine unermüdliche Zunge herauszureißen? „Außerdem … willst du uns wirklich mitnehmen?“, fragte Inuyasha seufzend. „Ich meine, sieh uns nur an, wir sind nicht gerade unauffällig. Hisa konntest du ja überall als deine Begleitung mitschleppen, abgesehen von den etwas spitzeren Ohren ähnelt sie einem Menschen wirklich sehr. Aber wir beide passen da nicht wirklich ins Muster.“ Da musste ich ihm Recht geben, so ungern ich das auch tat. Inuyasha war mit diesen putzigen Hundeöhrchen und den krallenbewehrten Händen in der Tat ein wenig zu verdächtig, als dass er als einfacher Bauer hätte durchgehen können. Ich dagegen wirkte zwar annähernd menschlich, hatte dafür aber nichts Japanisches an mir. Außerdem mussten meine unnatürlich golden funkelnden Augen der gemeinen Landbevölkerung schon etwas suspekt erscheinen. Kurzum: Wir waren nicht gerade die perfekten Partygäste! Zumindest dann nicht, wenn man keine unnötige Aufmerksamkeit erregen wollte. „Das ist kein Problem.“ Griffin wandte sich mir mit diesem ätzend triumphierenden Gesichtsausdruck zu. „Du bist doch immerhin ein Teufel! Dann müsstest du schließlich die Macht besitzen, deine Gestalt zu verändern, oder nicht?“ Ich stöhnte genervt. Gut, ich besaß diese Macht … aber ich benutzte sie ausgesprochen ungern. Sich selbst zu verformen und verwandeln, war ein extrem eigenartiges Gefühl. Es gab einige von uns Teufeln, die geradezu mit Begeisterung ihre Gestalt wechselten – bestes Beispiel war sicherlich unser Obertrottel Lucifer, der es liebte, als rotes Monster mit Hörnern und Schwanz herumzulaufen. Aber nicht nur er war von dieser Sucht befallen. Beispielsweise ebenso meine Cousine Heideltrud – eine Verwandte dritten oder vierten Grades, die ich glücklicherweise nur sehr selten zu Gesicht bekam –, die sich täglich ein neues Aussehen verpasste, sodass sich niemand mehr an ihr richtiges Erscheinungsbild erinnern konnte. Das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, war sie eine karierte Kuh mit einem überdimensional großem Euter gewesen, das Mal davor ein riesiger wandelnder Tannenzapfen. Eine extrem merkwürdige Frau … aber beileibe kein Einzelfall in der Hölle. Ich selbst konnte diesem ganzen Verwandlungsmist nichts abgewinnen. In einem anderen Körper fühlte ich mich irgendwie eingeengt, einfach fehl am Platz. Ich war mit meinem eigenen Antlitz mehr als zufrieden, sodass ich in meinem langen Leben nur selten darauf zurückgegriffen hatte, mich zu transformieren. „Du nimmst eine unverfängliche Gestalt an, damit keiner deine wahre Natur erkennt“, kommandierte Griffin. „Und für Inuyasha dasselbe.“ Nun ließ ich mich doch zu einem Grinsen herab. Vielleicht war das Ganze doch nicht so schlimm, wie zunächst angenommen. Inuyasha hingegen wirkte alles andere als begeistert. „Moment mal!“, rief er aus. „Was soll das heißen? Kann sie etwa auch …?“ Er brachte es nicht mal fertig, den Satz zu beenden, dermaßen schockiert war er. Genüsslich beobachtete ich, wie er mit der Hand den Griff seines dämlichen Schwertes umfasste, als könnte es ihn irgendwie vor dem Bevorstehenden schützen. „Natürlich“, meinte Griffin nickend. „Rasia kann auch deine Gestalt verändern. Sag bloß, du wusstest das nicht? Das ist doch eine allgemein bekannte Fähigkeit der Teufel.“ Bis zu Inuyasha war diese Neuigkeit aber offenbar noch nicht vorgedrungen. „Wir können aber nur jemanden verwandeln, der es auch wirklich will und sich nicht dagegen sträubt“, erklärte ich ihm breit grinsend. „Und ich schätze mal, unser kleiner, süßer Magier wird dir befehlen, es widerstandslos über dich ergehen zu lassen.“ Der Hanyou machte beinahe den Anschein, als wäre er den Tränen nahe. „ Aber … ihr könnt doch nicht … verdammt noch mal, ich trete jedem Youkai in den Hintern, auf den du mich ansetzt! Ich würde sogar deine Schuhe putzen, wenn das dein Wunsch ist! Aber … das?“ Griffin aber zeigte nicht das geringste Mitleid. Geradezu gelangweilt begutachtete er seine Fingernägel und sagte lapidar: „Los, Rasia, mach endlich! Sonst kommen wir noch zu spät!“ Nun gut, Befehl war nun mal Befehl! Ich trat zu Inuyasha, legte ihm meine Hand auf die Stirn und ließ meine Magie fließen. Obwohl sein weinerliches Geflenne extrem störend war, ließ ich mich nicht von meiner Arbeit ablenken. Binnen weniger Sekunden schrumpfte Inuyashas Gestalt völlig in sich zusammen, bis kaum noch etwas an ihn erinnerte. Und an der Stelle des jammernden Hanyou saß nun ein putziges, kleines, schneeweißes Hundebaby. Ich lächelte, während ich ihn genauer betrachtete. Er war mir wirklich gut gelungen, das musste ich mir selbst eingestehen. Ekelerregend süß und knuffig, sodass er sicherlich schnell der Schwarm aller Kinder und Frauen werden würde. Ich freute mich schon darauf, sein Gesicht zu sehen, wenn all die Menschenhände ihn betatschen würden wollen. „WAS …??“ Inuyasha sah geschockt an sich selbst hinunter, drehte sich wie ein Irrer im Kreis und winselte unablässig. Seine Stimme war aber immer noch dieselbe geblieben. Das war das einzige, das nicht mal ein Teufel verändern konnte. „Er sieht wirklich gut aus!“, musste auch Griffin beeindruckt zugeben. „Ich würde ihn nie im Leben wiedererkennen.“ Inuyasha schien seine Meinung nicht wirklich zu teilen. Vorwurfsvoll sah er uns mit seinen goldenen Kulleraugen an. „Ihr findet das wohl witzig, was? Ich bin ein Welpe, verdammt noch mal! Ein WELPE!!“ Ich grinste dreist. „Aber das warst du doch davor auch schon, oder etwa nicht? Ich hab dir nur ein passenderes Äußeres verpasst.“ Inuyasha knurrte tief und schien zu überlegen, ob er seine kleinen Beißerchen in mein Bein rammen sollte. Von mir aus hätte er das gerne tun können, seine mickrigen Zähnchen hätten mich vermutlich höchstens ein wenig gekitzelt. „Und wo sind überhaupt mein Suikan und Tessaiga?“, zischte Inuyasha aufgebracht. Ich schaute ihn verdutzt an. „Wer?“ Der Hanyou war offenbar kurz davor, jegliche Beherrschung zu verlieren. Ein wahrlich großes Vergnügen für mich. Aber musste er sich überhaupt so künstlich aufregen? Er war ein wenig eingelaufen, aber wen kümmerte das schon großartig? Seine Kagome würde ihn in dieser Gestalt wahrscheinlich nur noch mehr lieben. „Meine Kleidung und mein Schwert!“, übersetzte Inuyasha fauchend seine unverständliche Aussage. „Ach so!“, meinte ich. Stimmt ja, dieses bescheuerte Schwert hieß Tessaiga! Ich hatte den Namen erfolgreich aus meinem Gedächtnis verbannt. „Die sind immer noch da, keine Sorge. Im Grunde habe ich sie mit dir transformiert. Sie sind jetzt sozusagen ein Teil von dir. Ist das nicht toll?“ Inuyasha sah nicht mal im Entferntesten so aus, als würde er das toll finden. Aber mir konnte er nichts vormachen: Er liebte dieses hirnrissige Brotmesser dermaßen, dass er es wahrscheinlich am liebsten geheiratet hätte, wäre es ihm erlaubt gewesen. Jetzt nun diese Käseschneidemaschine als einen Teil von sich zu wissen, musste ihn sicherlich – zumindest irgendwo tief in seinem Inneren – ziemlich beglücken. „Du kannst auch Gegenstände verändern?“, fragte der Hanyou, immer noch mit knirschenden Zähnen. „Sicher“, sagte ich schulterzuckend. Meine Güte, hatte der Kerl nicht mal ansatzweise Ahnung von den Fähigkeiten eines Teufels? Ach … was wunderte es mich eigentlich? „Zumindest in einem gewissen Rahmen“, fügte ich noch hinzu. „Ich kann jetzt keinen Kieselstein in einen Palast verwandeln, so was würde gegen jegliche Naturgesetze verstoßen. Zumal Kieselsteine sehr zickig sein können und sich nur ungern manipulieren lassen, ohne richtig biestig zu werden.“ Inuyasha musterte mich einen Augenblick, als wäre er sich nicht sicher, ob ich nun scherzte oder nicht. Schließlich aber schnaubte er: „Und wo ist Tessaiga nun genau?“ „Rechte Pfote, äußerste Kralle“, wies ich ihm den Weg. „Wie du vielleicht merkst, glänzt das Ding ein bisschen anders als deine anderen Nägelchen. Du kannst dein Schwert also noch wie eh und je benutzen und uns allen damit auf die Nerven gehen. Allerdings schwillt es dann nicht auf diese enorme Größe an, das würde ja den Körperschwerpunkt eines so knuddeligen Köters völlig durcheinander bringen.“ Inuyasha betrachtete aufmerksam die besagte Kralle und schien meine zusätzlichen, von Liebe kommenden Bemerkungen nicht gehört zu haben. „Jetzt vertrödel nicht den ganzen Tag!“, drang wieder Griffins penetrante Stimme in meine armen Ohren. „Ihr Weiber braucht immer so furchtbar lang, um euch fertig zu machen.“ Ich warf dem Knirps einen giftigen Blick zu. Ich hätte ihn galant darauf hinweisen können, dass er abgesehen von seiner Mutter und etwaigen Schwestern sicher nie einem weiblichen Wesen dermaßen nahe gekommen war, um dieses Klischee bestätigen zu können, aber ich sah darüber hinweg. Ansonsten hätte er mir vielleicht noch einen schlimmeren Auftrag als Babysitten verpasst. Ich ließ die Magie durch meinen Körper fließen und merkte, wie sich selbiger veränderte. Die Bäume um mich herum wurden größer, bis selbst Griffin mich um einen halben Kopf überragte. Ich warf ihm eine grimmige Miene zu und fragte: „Besser so?“ Ich hatte mir das Antlitz eines hübschen, japanischen Mädchens gegeben, das man etwa auf Griffins Alter hätte schätzen können. Eine genaue Vorlage hatte ich nicht benutzt, ich hatte aber darauf geachtet, meinem neuen Körper eine naive Schönheit zu verleihen, auf die Kerle wie Griffin meist sehr intensiv reagierten. Viele Männer – oder im Fall unseres kleinen Magiers: Möchtegern-Männer – konnten der wunderschönen Unschuld vom Lande nur sehr schwer widerstehen. Während Griffin in der Teufelin Rasia wohl eher eine hübsche und gefährliche Schwarze Witwe gesehen hatte, wurde er nun beim Anblick des Mädchens ein wenig rot. Genau das, was ich hatte erreichen wollen. Ich liebte nichts mehr, als irgendwelche Idioten heillos zu verwirren. „Äh … du siehst … ganz passabel aus“, meinte er stockend, um Fassung bemüht. Obwohl er genau wusste, dass ich immer noch ein bösartiges und gehässiges Wesen war, brachten ihn meine neuerschaffenen, unschuldigen Kuhaugen ins Wanken. Ich grinste. Für diesen Effekt hatte es sich sogar gelohnt, meinem Körper einen scheußlich quietschbunten Kimono anzulegen, während das seidenglatte schwarze Haar von unerträglich hässlichen Blümchenspangen hochgesteckt war. Für die Menschenmänner war ich nun der Traum von schlaflosen Nächten, für die gesamte Teufelsschar jedoch der personifizierte Albtraum. „Dann … lasst uns gehen!“ Griffin hatte seinen alten Befehlston zwar immer noch wieder gewonnen, aber seine Stimme klang schon ein wenig fester. Offenbar schien er sich selbst mühevoll dazu zu zwingen, sich nicht von meiner neuen Gestalt einwickeln zu lassen. Auf Griffins Order hin bückte ich mich und hob Inuyasha auf meinen Arm. Der kleine Kerl wehrte sich zwar gewaltig, aber bei seiner mickrigen Statur bemerkte ich das kaum. „Hör auf, zu zappeln!“, zischte ich. „Willst du etwa mit deinen winzigen Trippelbeinchen den Weg ganz von selbst laufen? Schon nach zehn Minuten wirst du wahrscheinlich vor Erschöpfung zusammenbrechen und darum betteln, getragen zu werden.“ Inuyasha grummelte missbilligend. „Es ist nur so …“ „Beschämend? Erniedrigend?“, half ich ihm auf die Sprünge. „Ja, ich weiß … und das ist ja gerade das Großartige daran.“ Inuyasha verzog missmutig sein süßes Knuffigesicht. „Verwandel mich am besten sofort zurück!“, forderte er übellaunig. „ Ich kann mich doch verstecken, mich auf einen Baum hocken und von dort aus Wache schieben …“ „Ich will dich aber in meiner unmittelbaren Nähe wissen!“, erwiderte Griffin streng. „Also hör auf, dich zu beschweren. Finde dich einfach damit ab, es ist ja nicht auf Dauer.“ Inuyasha beruhigte sich – natürlich mehr oder weniger notgedrungen – sofort wieder, grummelte aber weiterhin griesgrämig vor sich hin. „Und für wie lange?“ „Wenn du Glück hast und dich vor allen Dingen benimmst, dann nur so lange, wie das Bankett dauert“, meinte Griffin großzügig. „Also hast du gehört, mein knuddeliger Kuschelwauwau?“, sagte ich mit einer übertrieben piepsigen Stimme. „Schon bald ist alles wieder beim Alten und du kannst in deinen dummen, stinkenden Körper zurück. Sei also ein braves Baby und stell ja nichts Dummes an.“ Gerade als ich mich zusammen mit Inuyasha in die von Griffin angewiesene Richtung wenden wollte, erhob unser geliebter Herr und Meister unvermittelt wie ein pingeliger Oberschullehrer seinen Zeigefinger und meinte: „Noch eine Sache, bevor wir gehen. Ich möchte euch nur daran erinnern, dass ihr meinen Wünschen zu folgen habt, ansonsten werden die Konsequenzen wenig angenehm ausfallen.“ Als ob wir das vergessen hätten … „Also wagt es bloß nicht, meine Pläne Japan betreffend oder eure wahre Natur irgendeinem Lebewesen preiszugeben! Ihr seid nur ein unschuldiges, naives Mädchen und ein normales Hündchen, das selbstverständlich nicht reden kann, ist das soweit klar?“ Inuyasha und ich verdrehten synchron unsere Augen, nickten dann aber auch gleichzeitig. Als ob wir irgendeinem jämmerlichen Menschlein dort von unserer Schmach erzählt hätten. Soviel Stolz besaßen wir immerhin noch. „Und versteckt eure Siegel, sodass keiner sie zu Gesicht bekommt“, kommandierte Griffin weiter. „Wickelt am besten ein Tuch darum oder irgendwas anderes. Unter den Gästen sind auch einige angesehene Magier, die das Siegel des Helios zumindest aus Büchern kennen und natürlich sofort Verdacht schöpfen würden.“ Ich stöhnte genervt. Meine Güte, der Kleine war ganz schön pingelig. Okay, wenn man vorhatte, mal eben die Macht an sich zu reißen, musste man sicherlich ein wenig umsichtig sein, um nicht ganz schnell den Bach runterzugehen. Aber musste ich denn immer die Leidtragende bei solch wahnwitzigen Aktionen sein? „Dann lasst uns diese furchtbare Party so schnell wie möglich hinter uns bringen.“ Griffin freute sich offensichtlich genau sehr wie wir. „Das wird bestimmt nicht angenehm.“ Oh nein, das würde es ganz sicher nicht. _________________________________________________ So, diesmal ging es ziemlich schnell ^^ Das nächste Kapitel ist auch schon so gut wie fertig ;p Dieses hier ist zwar ein bisschen kürzer, aber ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen ^^ Ich wollte Inuyasha schon immer mal in ein süßes Hündchen verwandeln und jetzt habe ich es einfach mal gemacht XDD Tut mir leid an diejenigen, denen das nicht gefällt, aber er wird ja nicht für immer so bleiben XDD Dann noch einen schönen Start ins Wochenende! Liebe Grüße Nochnoi Kapitel 5: Giftiges Essen, nervige Lords, zickige Weiber und unerwartete Enthüllungen ------------------------------------------------------------------------------------- Das japanische Dorf entpuppte sich als ein wenig fortgeschrittener, als ich zunächst vermutet hatte. Neben zahllosen ärmlichen Holzhütten fanden sich auch einige Bauten, die nicht ganz so jämmerlich wirkten. Außerdem gab es auch ein paar Trampelpfade, die man mit sehr viel Fantasie als Straßen hätte bezeichnen können. Im Zentrum des bescheidenen Städtchens war eine große Ansammlung von Fressalien aller Art aufgestellt worden. Wie für die Englänger üblich war alles sehr pompös angerichtet, sodass man ihre furchtbare Dekadenz schon aus zehn Kilometer Entfernung gegen den Wind riechen konnte. Die vereinzelten britischen Herrschaften – alle in maßgeschneiderten schwarzen Anzügen, sodass einer aussah wie der andere – schaufelten sich ungeniert ihre Teller voll und versuchten hartnäckig, die umstehenden Japaner dazu zu überreden, auch mal zu kosten. Doch nur wenige schienen etwas mit dem englischen Essen anfangen zu können. Skeptisch betrachteten sie es, als befürchteten sie, es könnte vergiftet sein. Bei den Künsten einiger englischer Köche war das auch gar nicht mal so unwahrscheinlich. „Das ist ja wirklich wundervoll hier“, sagte ich mit knirschenden Zähnen. Das schien ja echt eine Riesen-Party zu werden. Mit einem festbetonierten Lächeln folgte ich Griffin durch die große Schar von Menschen und versuchte bemüht, nicht angewidert die Nase zu rümpfen. Den menschlichen Gestank hatte ich noch nie leiden können. Einzeln waren diese Individuen ja noch einigermaßen zu ertragen, aber so ein ganzer Auflauf konnte sehr an den Nerven eines armen Teufels zehren. Auch Inuyasha merkte ich ein leichtes Unbehagen an. Das lag aber wahrscheinlich weniger an den vielen Menschen – immerhin war er an deren Gesellschaft mehr als gewohnt –, sondern eher an seiner neuen Gestalt, in der er sich klein und hilflos fühlte. Außerdem hatten schon einige Kinder begeistert ein Auge auf den süßen Wuschelköter geworfen. Schon bald würden diese Monster ihn pieksen, an den Ohren ziehen und ihn schlichtweg auseinanderreißen. Ich freute mich schon sehr auf diese kleine Show. Kinder konnten schließlich ungemein grausam sein. Während wir uns aber immer noch durch die Menge boxten, blieb Griffin plötzlich stehen, sodass ich beinahe mit ihm zusammengeprallt wäre. Nur in letzter Sekunde konnte ich eine Kollision verhindern. Mit lag ein äußerst undamenhafter Fluch auf der Zunge, doch ich schluckte ihn gewaltsam hinunter. Im meinem derzeitige Körper wäre es ein wenig verdächtig gewesen, wenn ich bösartige Verwünschungen ausgestoßen und Griffin als ‚hirnloses Trampeltier’ bezeichnet hätte. Ich blickte an Griffins dicker Birne vorbei und entdeckte vor uns einen hochgewachsenen Mann mit einem buschigen Schnurrbart und einem dermaßen breiten Grinsen, dass es mich an Shimo erinnerte. An seinem geröteten Gesicht erkannte ich jedoch, dass das dümmliche Lächeln nicht wie bei meinem Vater von abgestorbenen Gehirnzellen und dem Verlust jedweden Verstandes, sondern eher von zu hohem Alkoholgenuss rührte. Obwohl das eine das andere nicht unbedingt ausschließen musste. „Sei gegrüßt, Griffin“, meinte der Kerl vergnügt. „Wir hatten uns schon gefragt, wo du steckst. Warst mal wieder auf Erkundungstour, was?“ Er begann dröhnend zu lachen, als hätte er gerade den größten Witz der Welt gerissen und kniff Griffin anschließend wie ein Kleinkind in die Wange. Freudig beobachtete ich, wie mein kleiner Herr und Meister peinlich berührt errötete. „Seid gegrüßt, Lord Winston“, sagte Griffin in einem gezwungen freundlichen Tonfall. „Es tut mir leid, falls ich Probleme bereitet haben sollte. Ich war wirklich nur ein wenig die Gegend am erkunden.“ „Ein richtiger Entdecker!“ Winston klopfte Griffin anerkennend auf den Rücken, woraufhin dieser beinahe kopfüber nach vorne gefallen wäre. „Die anderen sollten sich ein Beispiel an dir nehmen. So verdreckt, wie deine Kleidung aussieht, hast du ja wirklich alle Ecken und Enden erkundet. Das nenne ich Einsatz, mein Junge!“ Winstons Augen, die unter seinen extrem ausgeprägten Brauen kaum zu erkennen waren, richteten sich unvermittelt auf mich. „Und sieh an, was du nur wieder für Schönheiten entdeckt hast. Wie heißt du denn, mein Kind?“ „Yumi, Herr“, zwitscherte ich mit glockenheller Unschuldsstimme. „Und der Kleine hier heißt Baka[1].“ Ich deutete auf das Hündchen in meinen Armen. Der Hanyou war über seinen neuen Namen zwar nicht begeistert, aber ihm blieb keine Chance, seinem Unmut Luft zu machen, da das donnernde Lachen des Lords uns alle zusammenzucken ließ. „Ein wirklich interessanter Name“, sagte er grinsend. „Wie ist so ein nettes Ding wie du bloß auf so etwas gekommen?“ Nettes Ding? Meine Güte, diese Menschen ließen sich viel zu sehr von Äußerlichkeiten beeinflussen. Um das klarzustellen: An mir war NICHTS nett! „Mein großer Bruder hat ihn so genannt, Herr“, säuselte ich so höflich, wie es mir möglich war. „Er fand das wohl witzig. Allerdings passt das auch ganz gut zu dem Hund, der arme Kerl ist nämlich etwas zurückgeblieben.“ Darüber war Inuyasha selbstverständlich noch weniger erfreut. Er begann, auf meinem Daumen herumzukauen, wohl in der Hoffnung, mir damit Schmerzen zuzufügen. Ich konnte über seinen armseligen Versuch nur grinsen. „Da hast du ja wirklich einen Schatz gefunden, Griffin!“, meinte Winston entzückt. „Sag, wo hast du sie aufgetrieben?“ „Äh, sie kommt aus einem der Nachbardörfer, Sir“, log Griffin. „Ich habe ihr von unserer Expedition erzählt und sie war daran sehr interessiert. Auch wollte sie etwas über die englische Kultur erfahren.“ Ach, wollte ich das? Ich wusste nur, dass Engländer hochnäsige und arrogante Pseudo-Obermacker waren, und das war ehrlich gesagt mehr als genug. Da konnte ich auf eine Geschichtsstunde nun wirklich sehr gut verzichten. Sich ein Messer in die Kehle zu rammen, klang da um einiges reizvoller. „Oh, wie wundervoll!“, stieß Winston hervor, der meinen Widerwillen nicht bemerkte. „Ich kann dir sehr gerne alles von unserer langen Reise berichten.“ Oje, das klang sehr nach tödlicher Langeweile. Doch bevor der Lulatsch dazu kam, auch nur das erste Wort über seine Lippen zu bringen, tauchte neben ihm wie aus dem Nichts eine zierliche Gestalt auf. Es war ein junges Mädchen, wahrscheinlich so alt wie Griffin, mit blonden Haaren, blasser Haut und einem verkniffenen Mund. Gehüllt war sie in ein eher einfaches hellblaues Kleid, das für so eine Expedition sicher besser geeignet war als irgendein pompöses Ballkleid. „Hallo, Griffin“, sagte sie, nicht mal ansatzweise um Freundlichkeit bemüht. Mit grimmiger Miene musterte sie den Magier und anschließend auch mich. Unwillkürlich fragte ich mich, was ich dem Mädel wohl angetan hatte, dass sie mich so anfunkelte? War sie etwa eine Verehrerin Griffins, die in mir eine Konkurrentin sah? Irgendwie schwer vorstellbar. „Hallo, Beth“, begrüßte Griffin sie kühl. Ganz klar, zwischen den beiden ging irgendwas vor. Selbst Inuyasha hörte auf, an meinem Daumen zu lutschen, und betrachtete interessiert das Geschehen. Das Mädchen namens Beth wandte sich Winston zu. „Hättest du was dagegen, wenn ich die beiden mal kurz entführe, Vater?“ Der Angesprochene wirkte ein wenig enttäuscht. „Oh, na gut“, meinte er großzügig. Er war wohl die Art Vater, der seiner Tochter nichts abschlagen konnte. „Aber bring sie mir bald wieder, wir haben noch eine Menge zu bereden.“ Während ich Winston ein scheinheiliges Lächeln zuwarf, wünschte ich mir vom ganzen Herzen, dass er an einem Kirschkern ersticken würde. Beth packte derweil Griffin grob am Arm und zog ihn aus der Menschenmenge hinaus, sodass wir schon sehr bald hinter einer baufälligen Scheune vor den Blicken der anderen geschützt waren. Nur ein paar Schafe glotzten uns minder interessiert an. „Du bist so ein Idiot, Griffin!“, begann Beth zu zetern, als wir endgültig außer Hörweite waren. „So ein verdammter, verdammter, verdammter Idiot!“ Die Kleine war mir prompt sympathisch. Griffin jedoch schien von ihren Vorhaltungen weniger erfreut zu sein als ich. „Du solltest dringend an deiner Ausdrucksweise arbeiten, so spricht schließlich keine anständige Lady. Außerdem gehen dich meine Angelegenheiten überhaupt nichts an.“ Ich spitzte neugierig die Ohren. Konnte es sein, dass diese Beth über die wahnwitzigen Pläne Bescheid wusste? „Es geht mich nichts an?“ Inzwischen keifte das Mädchen ganz schön laut durch die Gegend und machte den Eindruck, als wollte sie Griffin am liebsten in den Schritt treten. In Gedanken feuerte ich sie an, ihrem Zorn Luft zu machen, auch wenn das ebenso Schmerzen für mich bedeutet hätte. Obwohl … würde ich es als Frau überhaupt merken, wenn Beth Griffin dorthin trat? Hm, eine interessante Frage. Auf jeden Fall war es wert, mal ausprobiert zu werden. Doch bevor sich Blondie dazu hinreißen ließ, wandte sie sich Inuyasha und mir mit wütender Miene zu. „Du bist bestimmt kein kleines, unschuldiges Mädchen, nicht wahr? Und du auch kein süßes Hündchen.“ Abrupt drehte sie sich wieder zu Griffin. „Wie kannst du es nur verantworten, Dämonen hierherzubringen?“ „Sie sind zu meinem Schutz da“, erwiderte Griffin, nun auch verärgert. „Wenn du nicht so leichtfertig wärst, hättest du gar keinen Schutz nötig!“ Und so ging es dann eine ganze Weile weiter. Die beiden hatten zwar keine Ahnung, wie man sich richtig stritt – anstatt derben Flüchen und Todesdrohungen redeten sie immer noch so hochgestochen wie eh und je –, dennoch war es sehr amüsant, sie dabei zu beobachten. Schade nur, dass keiner auf den anderen mit einem Messer losging. Das wäre dann wirklich extrem witzig gewesen. Schließlich aber richtete sich Beths Blick wieder auf uns. Na ja, besser gesagt, auf den putzigen Welpen in meinen Armen. „Der Knabe heißt nicht zufällig Inuyasha, oder?“, fragte sie, von ihrer kleinen Kabbelei noch immer etwas geladen. Der Hanyou schaute überrascht drein, durfte sich aber immerhin auf Griffins Befehl nicht dazu verleiten lassen, seine Stimme zu benutzen oder sich unhundetypisch zu verhalten. Trotzdem war deutlich zu sehen, wie er vor Spannung beinahe platzte. Griffin schließlich sprach die Frage auf, die Inuyasha wahrscheinlich quälend auf der Zunge brannte: „Woher weißt du das?“ Beth deutete hinüber auf die große Menschentraube. „Dort sind ein Mädchen und ein Mönch, die nach ihm suchen. Sie haben mir beschrieben, wie er aussieht, und als sie mir dann noch die Einzelheiten seines Verschwindens erläutert haben, war mir alles klar.“ Sie seufzte schwer. „Meine Güte, Griffin, ist dir eigentlich klar, dass du ihn entführt hast? Seine Freunde machen sich schreckliche Sorgen um ihn. Du hast nicht das Recht, das Leben eines anderen zu verpfuschen, egal ob es nun ein schrecklicher Dämon ist oder einfach ein Kerl mit Hundeohren …“ Während Beth mit ihrer Moralpredigt weiterfuhr, trat ich ein paar Schritte zurück, sodass ich eine bessere Sicht auf die Partygesellschaft hatte. War ich zuvor noch eher wie ein blinder Fisch durch diese Menschenmasse gewandelt, darauf achtend, dass mich bloß keiner berührte, untersuchte ich nun intensiver die einzelnen Gesichter. Neben pausbäckigen Engländern und skeptisch bis verschreckt dreinblickenden Japanern entdeckte ich letztlich auch das unverschämt kurze Miniröckchen von Kagome. Sie unterhielt sich gerade mit irgendeinem Kerl in einem abgetragenen Kimono, dem sie ihren Gesten nach zu urteilen gerade von Inuyasha erzählte. Den Hoshi jedoch konnte ich weit und breit nirgends erblicken. „Siehst du das, kleiner Inu? Dein geliebtes Schätzchen ist hier!“ Inuyasha bewegte sich unruhig in meinen Armen und knurrte tief. Wahrscheinlich hätte er mich jetzt am liebsten ohne Punkt und Komma mit irgendwelchen Banalitäten zugequatscht, wenn er nicht eine Maulsperre verpasst bekommen hätte. Im Moment konnte ich über diese Wortkargheit ziemlich froh sein, aber irgendwie hatte ich das dumpfe Gefühl, dass Inuyasha das Verpasste schnell wieder nachholen würde, wenn er die Chance dazu erhielt. Ich ließ mir von diesen negativen Gedanken aber im Augenblick nicht die Laune verderben. Ich musste es doch ausnutzen, dass dieser Idiot gerade mundtot war. „Die Nervensäge scheint sich ja kein bisschen verändert zu haben“, fuhr ich ungerührt fort, weiterhin Kagome beobachtend, deren theatralische Gesten inzwischen beängstigende Ausmaße erreicht und den Japaner in die Flucht geschlagen hatten. „Wirklich schade, dass der Drache sie nicht gefressen hat. Vielleicht sollte ich sie bei der nächsten Gelegenheit einfach mal eine Klippe runterschubsen.“ Bevor Inuyasha die Chance erhielt, meine Todesfantasien gebührend zu quittieren, tauchte vor uns plötzlich ein Junge auf, der uns mit einem undefinierbaren Lächeln musterte. Sein Alter schätzte ich auf etwa zwölf bis dreizehn Jahre und seine Tracht war eindeutig englisch. Bis auf das dunkle Haar und die etwas markanteren Gesichtszüge erinnerte mich der Bengel sehr an Griffin. Genähert hatte er sich dank seiner Fähigkeiten als Magier völlig geräuschlos, dennoch war eine geübte Teufelin wie ich selbstverständlich nicht so einfach zu überlisten. Um jedoch den Schein zu wahren, tat ich so, als würde sein unvermitteltes Auftauchen mich überraschen. In seinem Schatten befand sich ein weiterer Junge, etwa im selben Alter, in japanischer Kleidung, der nach meinen Maßstäben relativ durchschnittlich und unauffällig wirkte. Zumindest hatte er ein Gesicht, wie man es zu Tausenden finden konnte. Nichts erschien besonders an ihm … und trotzdem spürte ich instinktiv, dass mit dem Knaben irgendwas nicht stimmte. Vage Erinnerungen längst vergangener Ereignisse stiegen in mir auf, von denen ich mir nicht sicher war, warum ich ausgerechnet in diesem Moment an sie denken musste. „Ein nettes Hündchen hast du da“, ergriff der erste Junge das Wort und riss mich damit aus meinen Grübeleien. Seine Stimme hatte erstaunlicherweise einen noch arroganteren Tonfall als Griffins, obwohl ich geglaubt hatte, dass es gar nicht mehr schlimmer gehen konnte. Tja, ich hatte mich wohl geirrt. Äußerlich jedoch ließ ich mir meine Missbilligung nicht anmerken. Ich lächelte naiv-dümmlich und sagte mit einer süßen Zuckerstimme: „Vielen Dank, Herr!“ „Und du bist wirklich schön“, fuhr er fort, weiterhin mit diesem geheimnisvollen Lächeln. „Ausgesprochen schön sogar.“ Er streckte seinen Arm aus und wollte meine Wange berühren, ich aber trat rechtzeitig einen Schritt zurück und spielte die Schüchterne. „Aber, Herr …“ Soweit kam’s noch, dass mich so ein frühreifer Bengel betatschen durfte! Schein hin oder her, ich musste mir schließlich nicht alles bieten lassen. „Und gut schauspielern kannst du auch noch“, meinte er. „Alle Achtung!“ Nun war ich verblüfft und für einen kurzen Moment bekam meine Maske der Unschuld bedenkliche Risse. Schnell aber konnte ich mich wieder sammeln. „Ich verstehe nicht ganz …“ Der Knirps schnaubte. „Du brauchst gar nicht erst die Ahnungslose zu spielen, ich weiß längst, dass du ein Teufel bist. Also hat sich Griffin tatsächlich in die Hölle gewagt. Das hatte ich dem Feigling gar nicht zugetraut.“ Ich blinzelte verdutzt. Wie vielen Deppen hatte Griffin denn von seinen Weltherrschaftsplänen erzählt? Offensichtlich einer ganzen Menge, allem Anschein nach hatte der hirnrissige Prahlhans nicht dichthalten können. „Mich nennst du einen Feigling?“ Griffin stand plötzlich neben mir und funkelte den Jungen zornig an. „Und was ist mit dir, Emmerett? Du bist auch kein strahlender Held!“ Mir kam langsam aber sicher der Verdacht, dass Emmerett dieser spezielle Jemand war, von dem Griffin vor unserem Aufbruch zum Bankett noch so hasserfüllt erzählt hatte. „Kannst du denn überhaupt mit einem Teufel umgehen?“, erkundigte sich Emmerett spöttisch. „Du musst dir ja ein ziemlich schwächliches Exemplar ausgesucht haben, dass es dir gehorcht.“ Irgendwie konnte ich sehr gut verstehen, warum Griffin diesen Kerl nicht leiden konnte. Er war hämisch, unfreundlich und hatte jeglichen Sinn für die Realität verloren. „Ganz im Gegenteil, sie ist ziemlich mächtig“, meinte der andere Junge unvermittelt. Während Emmerett diese überaus wichtige Information nur mit einem Schulterzucken abtat, betrachtete ich den anderen Knaben noch etwas genauer. Etwas war falsch an ihm … aber gleichzeitig auch vertraut. Was war das nur? Als der Junge dann aber lächelte, fiel bei mir endlich der Groschen. Schockiert starrte ich den Bengel an, der so unscheinbar wirkte, aber in Wahrheit hinter der harmlosen Fassade bloß seine wahre Natur versteckte – genau wie ich. Aber im Gegensatz zu mir war er kein Höllenbewohner. Oh nein, ganz gewiss nicht. Unsere Welt musste für ihn noch abartiger sein als dieser Ort hier voller Menschen. Denn nach seine Aura zu schließen war er das genau Gegenteil eines Teufels. „Ein Engel!“, zischelte ich wie eine aufgebrachte Schlange. Hasserfüllt musterte ich den Knaben, während dieser eins dieser fürchterlich verständnisvollen und gütigen Engelslächeln aufgesetzt hatte. Diese Viecher mit ihren großen, weißen Flügeln waren uns Teufeln selbstverständlich von Haus aus mehr als nur zuwider. Zwei völlig unterschiedliche Pole, wie Feuer und Wasser. Glücklicherweise war ich in meinem Leben noch nicht sehr vielen Engeln über den Weg gelaufen. Normalerweise mieden wir uns gegenseitig, so gut es ging. Ab und zu hatte es zwar im Laufe der Geschichte Streitigkeiten zwischen unseren beiden Völkern gegeben, aber nie war es zu größeren Eskalationen gekommen. Ein paar Intrigen, ein bisschen Mord und Totschlag, ein wenig vergossenes Blut – mehr war da kaum gelaufen. Der letzte Kampf solcher Art war noch vor meiner Geburt geschlagen waren, mittlerweile lebten wir mehr oder weniger parallel nebeneinander und versuchten, die Existenz des anderen zu ignorieren. Deswegen hatte ich verständlicherweise nur wenig Kontakt zu Engeln gehabt, höchstens durch einige Forschungsteams des Himmels, die wagemutig genug waren, die Eigenheiten der Hölle zu untersuchen, oder Botschafter, die Verhandlungen darüber geführt hatten, ob man sich nun in einen Krieg, eine Pestepidemie etc. der Menschen einmischen sollte oder nicht (wobei die Engel selbstredend den gepeinigten Menschen stets helfen wollten, während die Teufel heiß darauf waren, ein paar Menschen die Köpfe einzuschlagen). Meinem ersten Engel war ich als Kind begegnet, als dieser mich davon abgehalten hatte, einem nervtötenden Kobold Feuer unter dem Hintern zu machen. Er hatte irgendwas von Nächstenliebe und Vergebung gefaselt, während er mich mit diesem charakteristischen Heile-Welt-Lächeln bedacht hatte, das ich sogar bis zum heutigen Tage als schlimmer empfand als das breite Grinsen meines geistesgestörten Vaters. Und nun stand ich wieder einem Engel gegenüber, der mich so furchtbar anlächelte. Aber was machte der Kerl nur hier? War er hergekommen, um Griffins verrücken Eroberungsplan Einhalt zu gebieten? In diesem Fall hätte ich seine Anwesenheit sogar irgendwie begrüßt. „Hallo, wie geht’s?“ Der Engel trat vor und streckte mir freudig strahlend die Hand entgegen, während ich ihn böse anfunkelte. „Mein Name ist Saphiel. Und mit wem habe ich die Ehre?“ Ich knirschte mit den Zähnen und schaute hinüber zu Griffin, der knapp nickte und mir damit die Erlaubnis erteilte, frei zu sprechen. „Rasia“, stellte ich mich widerwillig vor. „Aber ich glaube kaum, dass dir das eine Ehre sein wird.“ „Oh“, meinte Saphiel überrascht, meinen bissigen Kommentar völlig ignorierend. „Du bist tatsächlich Rasia? Hast du nicht die Oberteufel gestürzt?“ Meine Güte, war diese blöde Geschichte etwa bis hoch zum Himmel hinaufgedrungen? Heutzutage konnte man ja auch wirklich nichts mehr für sich behalten! Ich entschied mich, seine Frage einfach geflissentlich zu übergehen. „Was macht eigentlich so ein Engelchen wie du hier in dieser schrecklichen Welt?“, erkundigte ich mich stattdessen. Mit Vergnügen beobachtete ich, wie das nervige Lächeln des Heinis ein wenig von seiner Intensität verlor. „Hat man dir noch nicht Bescheid gesagt?“ Es war Emmerett, der diese Frage stellte. „Also wirklich, Griffin! Das arme Ding weiß noch nicht mal, warum es hier ist!“ Natürlich begriff ich nicht so recht, was er damit andeuten wollte, aber ich verschaffte ihm nicht die Genugtuung, verwundert aus der Wäsche zu schauen. Diesen Spaß gönnte ich der Pissnelke nun gar nicht. Somit behielt ich meine grimmig-tiefsinnige Miene bei und ließ mir meine Verwirrung nicht anmerken. „Zeig’s ihr!“, meinte Emmerett in Richtung Saphiels. Der Engel nickte ergeben, griff an seinen Kragen und zog sein Oberteil ein wenig hinunter, sodass ich das Siegel des Helios auf seiner Brust bestens sehen konnte. Eisern behielt ich meinen unbeteiligten Gesichtsausdruck bei, aber einfach war es diesmal nicht. Nicht nur Dämonen, Teufel und Gnome waren in diese Sache verwickelt, sonder auch Engel? Meine Güte, das war ja richtiggehend pervers! Ich konnte es verstehen, wenn Menschen Youkai und Teufel knechteten, da wir für sie den Inbegriff von Schlechtigkeit und Bösartigkeit darstellten, aber wie bitte schön war es für ein menschliches Wesen moralisch vertretbar, einen Engel zu versklaven? Man musste wirklich schon die Seele eines Teufels besitzen, um sich zu so etwas hinreißen zu lassen. Ich warf einen Blick auf Emmerett. Offenbar hatte er den Engel zu seinem persönlichen Diener gemacht, immerhin hatte er Saphiel eben noch befohlen, sein Siegel der Öffentlichkeit zu präsentieren, und dieser hatte widerspruchslos Folge geleistet. Also war Griffin nicht der einzige, der übernatürliche Kreaturen sammelte wie andere Leute Bücher, Waffen oder die gespaltenen Schädel ihrer Opfer. Mir gefiel diese neue Erkenntnis gar nicht. War etwa das ganze englische Expeditionsteam von diesem Fieber befallen, sich mal eben ein paar Youkai und sonstige Geschöpfe an die Backe zu kleben und sie mit hirnrissigen Befehlen durchs ganze Land zu schicken? War das zum neuen Volkssport geworden? „Du solltest deine Diener schon ein wenig besser informieren, Griffin“, meinte Emmerett spöttisch. „Wir wollen doch schließlich nicht, dass sie unvorbereitet in den Kampf ziehen. Das ist ja auch deinen beiden Dämoninnen zum Verhängnis geworden.“ Ich bemerkte, wie Griffin neben mir zusammenfuhr, als wäre er geschlagen worden. „Akako und Hisa? Du … du hast was mit ihrem Verschwinden zu tun?“ Emmerett zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Sie standen mir nun mal im Weg.“ Nun gut, allmählich nahm das Ganze noch bizarrere Züge an. Nicht nur, dass diese beiden Trottel offenbar das Siegel des Helios ausgesprochen leichtfertig benutzten und damit um sich warfen, als wäre es nur eine Belanglosigkeit, darüber hinaus schienen diese Hirnis noch nicht mal auf derselben Seite zu stehen. Anstatt sich zu unterstützen, befahlen sie ihren Dämonen, sich gegenseitig umzubringen. Das konnte ja noch heiter werden. „Du kannst mich nicht schlagen, sosehr du dich auch anstrengst“, höhnte Emmerett wie ein Kleinkind, dass das größte Stück Fleisch ergattert hatte. „Du wirst immer hinter mir zurückstehen, merk dir das! Japan gehört mir!“ „Moment mal!“ Ich schaute überrascht auf. Hatte ich das gerade richtig verstanden? „Du willst Japan etwa auch erobern?“ Ich konnte nur ungläubig den Kopf schütteln. „Aber warum denn? Was ist so toll an diesem Land, dass ihr Idioten sogar euer Leben dafür aufs Spiel setzt? Gibt es hier versteckte Goldminen, von denen keiner was weiß?“ Vage hatte ich in Erinnerung, dass die Menschen total auf dieses funkelnde Zeug standen. Wieso genau, wusste ich auch nicht so recht zu beantworten. Im Grunde waren es nicht viel mehr als dumme Steine. „Darum geht es ihnen gar nicht.“ Beth, die sich seit Emmeretts Auftauchen erstaunlich still verhalten hatte, ergriff nun wieder das Wort. Und ihre Stimme klang mehr als bitter. „Wenn es ihnen um Gold, Schätze oder auch nur um Ruhm gehen würde, wäre ich ja noch einigermaßen zufrieden. Aber alles, was sie interessiert, ist diese verdammte Wette!“ Eine Wette? Oh nein, das hörte sich gar nicht gut an. Diese sogenannten Mutproben, bei denen testosterongesteuerte Männer wie die Affenbande vom Dienst ihre Muskeln spielen ließen, endeten immer in furchtbaren Katastrophen. Da brauchte man nur meinen Cousin Alfred den Dreiundvierzigsten zu fragen, der aufgrund von hirnverbrannten Wetten alle seine Extremitäten, sein linkes Ohr, seine Nasenflügel, sein Haupthaar, seine Männlichkeit, seine Frau, seine Steuererklärung und seine extravaganten Gartenzwerge verloren hatte. „Was hat das zu bedeuten?“, hakte ich zischelnd nach. Ich ahnte bereits das Schlimmste, Menschen waren immerhin für ihren grenzenlosen Wahnsinn bekannt. „Wer als erstes Japan erobert hat, gewinnt“, klärte Beth mich auf. „Viel mehr Tiefsinn steckt da nicht hinter. Es ist im Grunde der größte Unsinn, den ich je gehört habe.“ Nun ja, der größte Unsinn war für mich die Wahl Lucifers zum Herrscher der Hölle und die Hochzeit meiner Eltern. Das war einfach durch nichts und niemanden zu toppen. Aber diese hirnverbrannte Wette war zumindest sehr nahe dran. War ich etwa wirklich wegen der Muskelspielerei einiger Halbstarker in diese verrückte Welt geschleppt worden? War ich das Opfer eines überehrgeizigen Knirpses, der es nicht leiden konnte, wenn sein Rivale ein Stück besser war als er? Ich war tatsächlich vom Pech verfolgt. _____________________________________________ [1] Baka = Idiot Wahrscheinlich ist diese Worterklärung für die meisten eh überflüssig, aber ich schreib's doch mal lieber hin, falls jemand wirklich nicht Bescheid wissen sollte ^^ Dann wollte ich mich an dieser Stelle auch nochmal für eure lieben Kommentare bedanken ^.^ Es freut mich, wenn Rasias Höllentrip zu gefallen weiß! Kapitel 6: Löwen in Höhlen, grausame Götter, frustrierte Engel und ekelhaftes Ungeziefer ---------------------------------------------------------------------------------------- „Eine Wette?“, entfuhr es mir. „Das Ganze ist nichts weiter als eine dämliche Wette?“ Es war einfach nicht zu fassen! Ich hatte Menschen immer schon für bescheuert und unzurechnungsfähig gehalten, aber niemals im Leben hätte ich vermutet, dass sie dermaßen geisteskrank sein konnten. Nur hirnlose Vollidioten wären auf die Idee gekommen, einfach mal ebenso eine Wette über das Schicksal eines ganzen Landes abzuschließen. Daran war nur dieses durchgeknallte Ehrgefühl Schuld. Der Stolz hatte schon viele Männer in den völligen Wahnsinn getrieben und ganz besonders die Menschenmänner schienen dafür ausgesprochen anfällig zu sein. Schon wenn ihnen jemand vor die Füße spuckte, mussten sie gleich den globalen Krieg erklären, Dörfer und Städte den Erdboden gleichmachen und jeden den Kopf abschlagen, der sie nur schief anschaute. Oder sie versklavten Youkai, Teufel und Engel, um ihren krankhaften Ehrgeiz zu befriedigen. „Ihr seid wirklich komplett wahnsinnig, hat euch das schon mal jemand gesagt?“, fragte ich zähneknirschend. Immerhin war es ja möglich, dass niemand die beiden Gentlemen über ihren labilen Geisteszustand aufgeklärt hatte. Es gab genügend Schwachköpfe, die gar nicht richtig kapierten, was für einen Mist sie eigentlich verzapften. Und diese Idioten gehörten eindeutig dazu. Sie stürzten sich in die Höhle des Löwen, ohne sich des Löwen bewusst zu sein. Die Konsequenzen ihrer unüberlegten Taten würden fürchterlich ausfallen, aber diese zwei Deppen waren so in ihrer Verbohrtheit gefangen, dass sie das gar nicht realisierten. Tja, solche Typen hatten nicht gerade die Angewohnheit, besonders alt zu werden. Schade war es nicht um sie. Sollten die beiden sich doch umbringen, mir konnte es egal sein. Ein paar Trottel weniger auf dieser Welt waren sicher nicht verkehrt. „Du kannst dir so viele Teufel und Dämonen beschaffen, wie es dir beliebt, es wird trotzdem nichts daran ändern, dass ich der Bessere von uns beiden bin“, meinte Emmerett großspurig. „Zwei deiner Diener hast du schon verloren und du wirst nur noch mehr in den Tod schicken.“ Mein Blick fiel auf Saphiel, dem die Rede seines Meisters sichtlich unangenehm war. Engel sprachen nicht gerne von Kämpfen und Mord, sie dachten nicht mal gerne darüber nach. Für ihn war es sicherlich eine Qual sondergleichen, dass er auf Emmeretts Befehle hin das Leben eines anderen Wesens beenden musste. Engel verabscheuten Gewalt … aber wenn sie erstmal gezwungen waren, zu kämpfen, konnten sie zu sehr gefährlichen Gegnern mutieren. Ihre Kräfte waren je nachdem mit denen eines Daiyoukais oder sogar eines Teufels vergleichbar. Zumindest waren Engel mitunter die einzigen Kreaturen, die einem Höllenbewohner gefährlich werden konnten. Hatte Saphiel möglicherweise Akako und Hisa auf dem Gewissen? Oder hatte Emmerett noch weitere starke Diener in der Hinterhand, die nur darauf warteten, zum Einsatz zu kommen? Bei dem übertriebenen Ehrgeiz dieses hirnrissigen Schwachmaten war es zumindest sehr unwahrscheinlich, dass Saphiel seine einzige Trumpfkarte war. „Ihr spielt leichtfertig mit dem Leben anderer Lebewesen, ist euch das eigentlich klar?“, zischte Beth aufgebracht. „Wann ist es eigentlich geschehen, dass ihr jedweden Sinn für die Moral verloren habt? Ihr werdet diesen ganzen Quatsch hier irgendwann noch bitter bereuen. Spätestens dann, wenn ihr vor den Himmelspforten steht und man solchen Sündern wie euch keinen Einlass gewährt.“ Ah, jetzt versuchte es die Kleine auf die religiös-moralische Tour. Ob sie etwas damit erreichen konnte, war allerdings fraglich. Emmerett hatte immerhin durch die Versklavung eines Engels bereits bewiesen, dass ihn Gott nicht die Bohne interessierte, und Griffin war viel zu energiegeladen und kraftstrotzend, als dass er sich schon mit dem Leben nach dem Tod beschäftigt hätte. Wahrscheinlich hätte Gott persönlich oder wenigstens sein kleiner Sprössling Jesus hier auftauchen können und die beiden englischen Herren hätten sie keines Blickes gewürdigt. Nun gut, ich persönlich hätte es auch nicht anders gehandhabt, aber immerhin war ich ein Teufel. In unserer Zunft galt es als selbstverständlich, den komischen Kerl mit dem Rauschebart ungezogen die Zunge herauszustrecken und seinem Söhnchen die Sandalen zu stehlen und sie irgendwo im Wüstensand zu vergraben, sodass er für die Suche mindestens zweitausend Jahre gebraucht hätte. Aber wenn Menschen so etwas taten, konnten das Gottheiten in der Regel nicht einfach übergehen. Zugegeben, ich kannte diesen Knacker, der vielerorts angebetet wurde, nicht persönlich und vermochte demzufolge nicht zu sagen, ob er eine große Geduldsspanne hatte oder nicht, aber ich hoffte doch sehr, dass er nicht gerade der verzeihliche Typ war. Wie die griechischen Götter beispielsweise. Rachsüchtig und intrigant waren die meisten von ihnen gewesen, sodass sie bei uns in der Hölle schon fast zu Helden aufgestiegen waren. Stets hatten wir sie begeistert beobachtet, wie sie Seuchen über das Land schickten, Kriege heraufbeschworen und dem ein oder anderen Menschen den Verstand raubten. Unter ihrer Herrschaft wäre Griffin schon längst einen Kopf kürzer gewesen. Nun ja, sofern sie nicht erstmal abgewartet und das blutige Spektakel eine zeitlang neugierig verfolgt hätten. „Du hättest dich einfach nicht übernehmen sollen“, meinte Emmerett, Beths kleinen Tobsuchtsanfall ignorierend. „Du warst schon immer ein Schwächling und auch deine Diener sind nicht wesentlich besser als du. Kein Wunder, dass du dir das Juwel unter den Nagel reißen willst, um deine lächerliche Macht wenigstens noch ein bisschen zu steigern.“ Meine Güte, war der Kerl großkotzig. Der war ja noch schlimmer als der Ritter, den ich von Elefanten hatte tot trampeln lassen. Aber wovon hatte er gerade gesprochen? Von einem Juwel? „Etwa das Shikon no Tama?“, fragte ich. Besonders verwundert war ich nicht, irgendwie war jeder Depp hinter diesen blöden Klunkerchen her. „Ganz genau“, antwortete Emmerett spöttisch, während Griffin auf seiner Unterlippe herumkaute und offenbar all seine Selbstbeherrschung aufbringen musste, um den selbstverliebten Lackaffen nicht an die Gurgel zu springen. „Dein Meister hat seine Dienerinnen losgeschickt, um es zu besorgen. Zu ihrem Pech liefen sie dabei meinen eigenen Sklaven über den Weg und ihre Existenz war somit Geschichte.“ „Und jetzt hast du das Juwel?“ Emmeretts schadenfrohes Grinsen bekam für eine Millisekunde kleinere Risse. „Noch nicht ganz“, gestand er widerwillig. „Aber schon sehr bald.“ Typisch! Erst den großen Macker raushängen lassen und im Grunde selbst nichts auf die Reihe bekommen. Ich warf einen unauffälligen Blick zu Kagome. Das letzte Mal, als wir uns begegnet waren, war sie im Besitz des Juwels gewesen – na ja, was von dem spröden Klunker noch übrig gewesen war. Aber jetzt sah die Sache offenbar ganz anders aus. Emmerett und Griffin wären niemals im Leben so ruhig gewesen, wenn ihre kleine Lieblingsperle so nahe bei ihnen gewesen wäre. Außerdem spürte ich bei der Miko zwar eine unterschwellige Machtaura, aber die konnte höchstens von ein paar Krümelchen des Juwels stammen. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Also hatte sich diese Bekloppten ihr kostbaren Schmuckstück stehlen lassen. Wirklich viel Mitleid empfand ich nicht. Inuyasha in meinen Armen winselte jämmerlich. Ich schaute zu ihm hinab, nur um gerade rechtzeitig zu bemerken, wie einer seiner dreckigen Flöhe auf meinen Arm sprang und mich anscheinend als Kletterfelsen missbrauchen wollte. Schnaubend zerquetschte ich das kleine Vieh und wischte es unsanft von meinem Ärmel. Jetzt wurde ich auch noch von Ungeziefer bedroht! Besser konnte es kaum noch werden! „Du solltest wirklich deine ekligen Tierchen bei dir behalten“, beschwerte ich mich bei dem Hanyou. „Schon schlimm genug, dass ich deine Anwesenheit ertragen muss, da muss ich nicht unbedingt auch noch nähere Bekanntschaft mit deinen Untermietern machen.“ Inuyasha knurrte übellaunig vor sich hin, zum Stillschweigen verflucht. „Aus welchem Bereich der Hölle kommst du eigentlich?“ Saphiel tauchte plötzlich neben mir auf und hatte den Abstand zwischen uns bedenklich verringert. Während sich unsere beiden Herren im Hintergrund fetzten und sich gegenseitig den Tod wünschten, hatte das Engelchen wohl beschlossen, ein bisschen Small-Talk mit dem Teufel zu betreiben. „Interessiert dich das wirklich?“, fragte ich skeptisch, während ich ein paar Schritte zurückwich. „Nicht direkt“, meinte er schulterzuckend. „Aus welchem Bezirk du auch immer stammen magst, das ändert ja sowieso nichts an der Tatsache, dass du ein selbstsüchtiges und grausames Monster bist. Ich wollte nur ein bisschen die Zeit totschlagen, solange sich die kleinen Gentlemen da hinten die Köpfe einschlagen.“ Ich runzelte die Stirn. „Und was ist mit Nächstenliebe und dem ganzen Quatsch? Solltest du die beiden nicht lieber überreden, Frieden zu schließen und gemeinsam zu Gott zu beten oder so?“ Saphiel verzog missmutig sein Gesicht – ein Ausdruck wohlgemerkt, den ich noch nie bei einem Engel gesehen hatte. „Ich bin es leid“, erwiderte er. „Ich bin schon seit Wochen hier und habe versucht, diese beiden Streithähne zu versöhnen, aber es ist völlig hoffnungslos. Sie hören einfach nicht auf mich.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wer hätte das gedacht? Ein frustrierter Engel, der es satt hatte, seine Botschaften von Liebe und Moral zu verbreiten. In ein paar Wochen würde er vielleicht sogar anfangen zu fluchen und seinen Teller nicht leerzuessen. „Vermisst du dein Zuhause?“, erkundigte sich Saphiel bei mir. „Also mir fehlt der Himmel unendlich. Die weißen Wolken, die Harfenklänge, die Harmonie. Hier unten ist alles so schmutzig und brutal.“ Der Kleine war offenbar noch nie in der Hölle gewesen. „Von Tag zu Tag wird die Erinnerung blasser“, fuhr er seufzend fort. Dass mich sein Kummer nicht die Bohne interessierte, beachtete er gar nicht. „Auch Lanyva leidet sehr darunter.“ Hatte ich was verpasst? „Wer ist Lanyva?“, fragte ich verwirrt. „Meine ältere Schwester“, klärte Saphiel mich auf. „Emmerett hat sie mit mir zusammen in diese Welt geschleppt. Er hat uns einfach völlig überrumpelt. Dir ist es vermutlich nicht anders ergangen, was?“ Ich hörte ihm gar nicht mehr zu. Ich konnte bloß nur daran denken, dass hier irgendwo auch noch ein zweiter Engel rumfleuchte. Die Vorstellung gefiel mir überhaupt nicht. Zwei Engel waren viel nervtötender und auch gefährlicher als einer. „Komm jetzt, Saphiel.“ Emmerett schien wohl endlich genug davon zu haben, sich mit Griffin zu streiten. Er wandte sich arrogant von meinem Meister ab, sodass dieser ob dieses Verhaltens fast vor Wut in die Luft geflogen wäre, und stiefelte hoheitsvoll davon. „Wir haben ein Land zu erobern.“ „Na fein“, meinte Saphiel seufzend. „Man sieht sich, Teufel. Vielleicht werde ich dich bei unserer nächsten Begegnung sogar töten müssen. Nimm es nicht persönlich.“ Mit diesen feinfühligen Worten lief der Engel seinem Herrn hinterher. Ich schnaubte bloß. Glaubte der Kerl tatsächlich, dass er mich so ohne weiteres umbringen könnte? Engel hatten schon immer zu großer Selbstüberschätzung geneigt. Nur weil er es geschafft hatte, zwei Youkai-Ladies zu erledigen (wobei ich mich nicht mal sicher war, ob er die beiden gekillt hatte oder doch eher seine Schwester), musste er sich wirklich nicht einbilden, es mit einem Teufel aufnehmen zu können. Nun, das machte wohl mehr als deutlich, dass er es noch nicht allzu oft mit Höllenbewohnern zu tun gehabt hatte. Der kleine Moralapostel würde sich noch wundern, was wir so alles draufhatten. „Ich hasse diesen Kerl!“, meinte Griffin zähneknirschend. Hasserfüllt starrte er Emmerett hinterher, der kurz darauf hinter einer Hütte aus seinem Blickfeld verschwand. „Das kann ich nachvollziehen“, sagte ich. „Allerdings hätte ich mich trotzdem nie dazu herabgelassen, solch eine dämliche Wette einzugehen. Das kann nur so vorpubertären Jungs wie euch einfallen.“ „Du hast meine Beweggründe nicht zu kritisieren, ist das klar?“, entgegnete Griffin nachdrücklich. Er hatte seine Stirn in Falten gelegt und wollte somit wahrscheinlich einen strengen Eindruck machen, für mich persönlich sah es aber eher danach aus, als hätte er Blähungen oder gar Probleme mit dem Stuhlgang. „Wir sollten uns wieder unter die Menschen mischen“, meinte Griffin schließlich. „Winston würde es mir sehr übel nehmen, wenn ich dich jetzt einfach so entführen würde. Seine Vorträge über Versprechungen und Vertrauensbruch können bisweilen sehr ermüdend sein.“ Was??? „Ich muss mir wirklich sein Gequatsche anhören?“, fragte ich verzweifelt. Inuyasha gab ein Geräusch von sich, das stark an ein sarkastisches Lachen erinnerte. Ich schüttelte den Köter daraufhin einmal kräftig durch, sodass er jämmerlich zu winseln begann. „Und bringt euch bitte nicht gegenseitig um“, meinte Griffin, während er sich bereits wieder in Richtung Menschenmenge aufmachte. „Gutes Personal ist schwer zu finden.“ Ich grummelte mürrisch vor mich hin, hatte aber keine andere Wahl als zu gehorchen. Somit setzte auch ich mich in Bewegung, gefolgt von einer ebenfalls recht übellaunig anmutenden Beth. Nach und nach fühlte ich mich dem Mädchen immer verwandter. Kaum vorstellbar, dass ich Gemeinsamkeiten mit einem Menschen finden konnte, aber Griffin hatte es geschafft, meine Welt auf den Kopf zu stellen. Wie nicht anders zu erwarten, empfing Winston uns überschwänglich. Er schob mich zum Buffet, drückte mit ein Glas mit irgendeiner Flüssigkeit in die Hand, die extrem süßlich roch und mir beinahe den Magen umgedreht hätte, und fing sofort an, draufloszureden. Wie bei einem Wasserfall kamen die Worte aus ihm herausgesprudelt, zwischendurch unterbrochen von ohrenbetäubend donnernden Lachen, welches mich immer wieder vor Schreck zusammenzucken ließ. Ich setzte ein falsches Lächeln auf, während ich mich an eine ähnlich qualvolle Situation erinnerte, die gerade mal ein Jahr zurücklag. Kagome und Sango hatten mich damals am Lagerfeuer ebenfalls zugelabert, sodass ich mir hinterher nur gewünscht hatte, mir einen Strick zu nehmen und mich zu erhängen. Und irgendwie verspürte ich diesen Wunsch gerade in diesem Moment ebenso stark wie damals vor einem Jahr. Auch Inuyasha wirkte ziemlich gequält. Zuvor noch so unverschämt schadenfroh, hatte unser Genie doch komplett vergessen, dass ich ihn die ganze Zeit durch die Gegend trug und er an allem teilhaben musste, was auch ich erlebte. Somit zermarterte Winstons Geplapper ihm ebenso das Gehirn wie mir. Eine kleine Ablenkung bot wenigstens Kagome. Ab und zu bemerkte ich sie aus den Augenwinkeln, wie sie mit den Leuten sprach. Auch hatte sie ein paar Mal zu mir herübergeblickt, möglicherweise darüber sinnierend, ob sie mich ebenfalls befragen sollte, wenn ich mich erstmal von diesem Martyrium befreit hatte, oder aber auch nur vom Anblick des süßen Inuyasha-Wuschelpuschels entzückt. Ich konnte es nicht genau sagen, da mir keine Zeit blieb, ihren Gesichtsausdruck näher zu erkunden, ohne damit den dumm vor sich hinquasselnden Winston in seiner Ehre zu beleidigen. Somit war ich dazu gezwungen, in heuchelnder Neugier und Faszination den Lord anzustarren und ab und zu Töne der Verzückung oder Anteilnahme auszustoßen. Innerlich war ich jedoch kurz davor, durchzudrehen. Wie konnte man nur so eine Tortur aushalten? Ich hätte mich lieber mit einer ganzen Armee Drachen angelegt oder Inuyashas Fell gebürstet, als mich von diesem Deppen noch weiter totquatschen zu lassen. Endlich aber kam meine Rettung. Auch wenn sie in einer Gestalt auftauchte, mit der ich nicht gerechnet hatte. „Lord Winston“, sagte die mit nur zu wohlvertraute und allzu verhasste Stimme. „Es tut mir wirklich in der Seele weh, aber ich müsste das junge Fräulein einmal kurz entführen. Das Dorfoberhaupt wünscht umgehend, mit ihr zu sprechen.“ Ich musterte Miroku überrascht. Warum tischte er Winston solch eine dicke, dreiste Lüge auf? Der Lord wirkte wenig erfreut, musste sich aber fügen. Immerhin war das oberste Ziel dieses überzogenen und dekadenten Banketts schließlich, sich den Einheimischen etwas zu nähern. Und ihre Führer vor den Kopf zu stoßen, indem man ihnen eine Bitte verweigerte, wäre sicherlich nicht allzu gut angekommen. Und Miroku wusste das ganz genau. „Aber sicher, Mönch“, meinte Winston schließlich seufzend. „Nehmt die junge Blume mit. Aber versprecht mir, sie mir so bald wie möglich wieder zurückzubringen. Ich war mit meinen Erzählungen noch lange nicht fertig.“ Meine Güte, der Kerl hatte über eine Stunde ohne Punkt und Komma gefaselt. Wo fand der in seinem vom Alkohol aufgeschwemmten Gehirn eigentlich noch Erzählmaterial? Wo waren bloß die wortkargen Typen geblieben? Früher hatte ich mich immer aufgeregt, wenn Männer stumm in der Ecke gesessen und keine Anstalten gemacht hatten, sich an einem Gespräch zu beteiligen, nun aber vermisste ich sie geradezu fürchterlich. „Aber sicher, Lord“, meinte Miroku mit einem ebenso gekünstelten Lächeln, wie ich es schon seit Stunden auf meine eigene Lippen betoniert hatte. „Ihr bekommt sie bald zurück.“ Ohne viel Federlesens nahm es mich sanft beim Arm und führte mich von dem Lord und der Menschenmenge fort. Ich ließ mich zwar ungern von diesem Idioten durch die Gegend ziehen, aber wenn ich ihn jetzt mit einer Handbewegung in Flammen hätte aufgehen lassen, wäre mein unschuldiges Girlie-Image schnell dahin gewesen. Somit ließ ich mir seine Behandlung widerspruchslos gefallen. Zumindest vorerst. Währenddessen betrachtete ich den Hoshi eingehender. Er schien sich kein bisschen verändert zu haben, immer noch das gleiche kleine Zöpfchen, der laut vor sich hinbimmelnde Gebetsstab und das lange Priestergewand. Mir kam es so vor, als wäre es erst gestern gewesen, als wir uns das letzte Mal gesehen hatten. „Das Dorfoberhaupt will mich gar nicht sehen, nicht wahr?“, meinte ich, als Miroku schließlich stehengeblieben war. Ich war wenig überrascht festzustellen, dass er mich direkt zu Kagome geführt hatte, die etwas abseits vom Gedränge stand und offenbar schon ungeduldig auf uns gewartet hatte. Der Hoshi warf mir nur wieder sein furchtbar dreckiges Grinsen zu, während das Mädel mit dem Minirock keinerlei Notiz von mir nahm. Stattdessen hatte sie ihren Blick auf das Hündchen in meinen Armen gerichtet, aber anstatt der erwarteten Entzückung über den süßen Welpen war ihre Miene geradezu mitleidvoll. „Oh Inuyasha, was haben sie bloß mit dir gemacht?“ Sie streckte ihren Arm aus, doch ich wich hastig einen Schritt zurück. Meine Verwunderung musste ich selbstverständlich nicht vortäuschen, ich war von dieser Enthüllung verwirrt genug. Woher wusste die Göre den nur Bescheid? Hatte Beth nicht dichthalten können? „Ich … ich verstehe nicht ganz“, gab ich mich weiterhin naiv und unschuldig. „Der Hund, den du dort in deinen Armen hältst, ist in Wahrheit ein Hanyou“, erklärte mir Kagome mit einem beruhigenden Lächeln. Für einen kurzen Moment machte es sogar den Anschein, als wollte sie mir den Kopf tätscheln, doch glücklicherweise ließ sie diese Idee wieder fallen. Ansonsten hätte ich mich dazu genötigt gesehen, ihr den Arm abzureißen. Ich musterte sie nachdenklich. Anscheinend wusste sie über Inuyasha genaustens Bescheid, meine wahre Natur hatte sie aber hingegen nicht erkannt. Sie hielt mich, wie der Großteil der anwesenden dummen Menschen, für ein süßes, kleines Mädchen. Und Miroku unglücklicherweise auch. Er lächelte mich vielsagend an, während ich nicht umhin konnte, mein Gesicht zu verziehen. Mein Güte, ich sah aus wie ein minderjähriges Unschuldslamm! Er konnte mich doch nicht allen Ernstes in dieser Gestalt als Gebärmaschine in Betracht ziehen. Um etwaigen Anmachsprüchen vorzukommen, wandte ich mich wieder an Kagome. Ihre Quietschie-Stimme ging mir zwar tierisch auf den Geist, aber wenigstens war sie nicht darauf aus, mich sexuell zu belästigen. Na ja, zumindest hoffte ich das. Bei Menschen konnte man nie genau wissen, als gewiefter Teufel musste man mit allen Eventualitäten rechnen. „Was meinst du damit, dass er ein Hanyou ist?“, fragte ich mit meiner Zuckerstimme. „Woher hast du diese Idee?“ „Myouga hat es mir erzählt“, meinte Kagome. Ich starrte sie verdutzt an. Was war denn ein Myouga? Zur Erklärung deutete sie auf einen Pickel, der auf ihrer rechten Schulter thronte. Zunächst verstand ich nicht, was sie meinte, aber als ich etwas genauer hinschaute, bemerkte ich, dass es sich nicht um eine unansehnliche Pustel handelte, sondern um ein flohähnliches Geschöpf. Ich zog meine Mundwinkel nach unten. Jetzt trugen auch noch Menschen Ungeziefer durch die Gegend und gaben ihren Flöhen sogar Namen. Diese Welt war wirklich verrückt! „Stets zu Diensten“, sagte das Geschöpf, während es eine affige, kleine Verbeugung andeutete. Und reden konnten diese Viecher hier auch noch. Waren irgendwann in dieser Gegend einmal gefährliche Substanzen ausgetreten, die solch skurrile Mutationen hervorgebracht hatten? Das wäre zumindest eine halbwegs logische – wenn auch nicht unbedingt beruhigende – Erklärung gewesen. „Aber du solltest lieber aufpassen, Kagome“, fuhr das Ding namens Myouga fort. „Ich glaube, das Mädchen ist kein Mensch. Sie hat einen eigenartigen Geruch.“ Eigenartig? Meine Güte, er war ein sprechender Floh in maßgeschneiderten Mini-Klamotten! Wenn das nicht die Eigenartigkeit in Perfektion war, wusste ich auch nicht mehr weiter. Kagome jedenfalls schien den Worten der Laus zu trauen. Misstrauisch beäugte sie mich, offenbar hoffend, dass sie irgendwo in meinem Gesicht die Antwort finden würde. „Dann hast du Inuyasha in diesen …. diesen Welpen verwandelt?“, fragte die Miko herausfordernd. „Wozu? Soll das ein irrwitziger Scherz sein, den ich nicht verstehe?“ Ja, irgendwie war das Ganze schon ein riesiger Scherz. Allerdings keiner, bei dem ich laut auflachen würde. „Ich weiß nicht, was Ihr von mir wollt“, spielte ich derweil meine Rolle weiter. „Der Hund gehört mir und sein Name ist gewiss nicht Inuyasha.“ „Sie lügt“, erwiderte das Myouga-Ding. „Aber ich kann leider nicht genau erkennen, wer oder was sie ist. Wenn ich mal kurz an ihrem Blut kosten dürfte, könnte ich es vielleicht herausbekommen. Im Moment würde ich vermuten, dass sie ein Youkai oder etwas ähnliches ist.“ Ich konnte nicht an mich halten und schnaubte verächtlich. Es war wirklich extrem lästig, dauernd als Dämon bezeichnet zu werden. „Wer also bist du?“ Miroku betrachtete mich eingehend, während er mit einer komischen Banderole vor mir herumwedelte und anscheinend erwartete, dass ich davor zurückweichen würde. Ich hätte diese Idioten liebend gern in die nächste Umlaufbahn befördert, aber mir waren die Hände gebunden. Verdammtes Siegel! „Ich bin Yumi und komme aus einem nahegelegenen Dorf.“ Ich konnte nicht verhindern, dass mein Tonfall ein wenig angepisst klang. Allein schon ihre Anwesenheit ließ den alten Zorn wieder aufflammen. Ich sah sofort, dass die beiden Kindsköpfe mir meine Geschichte nicht abkauften. Entweder hatten sie seit unserer letzten Begegnung etwas an Grips zugelegt oder sie vertrauten völlig blind den Worten eines Flohs. Wie auch immer, es kam mir gerade ziemlich ungelegen. „Nun sag schon, wer du bist!“, verlangte Kagome wenig höflich. „Du kommst mir nämlich irgendwie bekannt vor. Kann es sein, dass wir uns schon mal begegnet sind?“ Oh ja, das waren wir. Obwohl ich diese Erinnerungen seit einem Jahr schon zu verdrängen versuchte. „Sie riecht ein wenig nach Asche“, meinte Myouga nachdenklich. „Vielleicht hat sie nur zu lange in der Nähe eines Feuers gestanden, unter Umständen aber kommt sie auch aus der Hölle. Die Wesen von dort haben zumindest die Fähigkeit, ihre Gestalt und die von anderen zu verändern.“ Als das Wort ‚Hölle’ gefallen war, hatte es sofort bei Kagome und Miroku Klick gemacht. Fassungslos klappten sie ihre Münder auf, während sie mich mit ihren beinahe herausquellenden Augen anglotzten. „Das kann doch nicht … Oh nein, das ist nicht möglich … Oder doch?“ Kagome war sichtlich geschockt und begann wie eine Irre mit sich selbst zu reden. Immer wieder schüttelte sie ihren Kopf, während ihr wahrscheinlich die Ereignisse von vor einem Jahr in Erinnerung kamen, als sie zum ersten Mal Kontakt mit der Hölle gehabt hatte. „Oh Gott, es ist wirklich wahr.“ „Es … es gibt viele Teufel“, meinte der Hoshi zögerlich. „Warum sollte es ausgerechnet sie sein?“ „Ihr Tonfall, wie sie eben geschnaubt hat, ihr Gesichtsausdruck …“ Kagome vertrieb geradezu gewaltsam den ersten Schrecken und musterte mich mit harter Miene. „Also wenn du nicht Rasia bist, dann fresse ich einen Besen.“ Kapitel 7: Süße Köter, zickige Weiber, hirnlastige Haustiere und ungünstige Auftritte ------------------------------------------------------------------------------------- Ups. Ich war wohl aufgeflogen. Die kleinen Menschlein waren offenbar schlauer, als ich angenommen hatte. Allerdings wären sie ohne die Hilfe des Flohs nie auf meine Spur gekommen. Tja, so war das Leben. Da traf man eine Laus mit einer großen Klappe und schon war der Tag gelaufen. „Was machst du nur hier?“, fragte Kagome. „Bist du etwa gekommen, um dich an uns zu rächen?“ Sie schaute auf den putzigen Welpen in meinen Armen. „Auf diese Weise?“ Meine Güte, wofür hielt mich diese Göre eigentlich? Dass ich, wenn es um Vergeltungsmaßnahmen ging, dermaßen unkreativ war? Dass ich nichts Besseres zu tun hatte, als Inuyasha in einen süßen Wonneproppen zu verwandeln? Da gab es wahrlich Wichtigeres in meinem Leben. „Ich verstehe wirklich nicht, wovon ihr da sprecht …“ Obwohl ich diese beiden Hirnis liebend gern in die Mangel genommen hätte, war ich dazu verurteilt, unschuldig zu lächeln und mir nichts anmerken zu lassen. Selbst im Augenblick meines Todes hätte ich darauf beharren müssen, der naive Bauerntrampel Yumi zu sein. „Du brauchst wirklich nicht mehr weiter Theater zu spielen“, meinte Kagome, während sie ihre Arme vor der Brust verschränkte und sich vor mir aufbaute. Offensichtlich schien es ihr Mut einzuflößen, dass sie nun einen guten Kopf größer war als ich. Dass das im Grunde nur eine Illusion war, schien ihr nicht wirklich klar zu sein. „Wir hatten zwar damals nur ein kurzes Intermezzo, aber glaube bloß nicht, dass ich dich so schnell vergessen hätte. Deine Gesten, deine Stimme – das alles wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.“ Sowas hörte ein Teufel wie ich doch gerne. Ihre Worte waren wie Balsam für meine Seele. Ich musste mich wirklich beherrschen, um nicht triumphierend zu grinsen. „Ihr scheint mich mit jemanden zu verwechseln“, sagte ich stattdessen kleinlaut und wich ein Stück vor ihnen zurück. Inuyasha wand sich daraufhin wie ein glitschiger Aal in meinen Armen, sodass er mir in einem unachtsamen Moment entglitt. Mit einem ungalanten Plumps landete er auf dem Boden, schüttelte sein kleines Köpfchen und trottete dann – noch etwa ungelenk auf seinen neuen Beinen – zu Kagome hinüber. Die Miko beugte sich zu hinunter, sprach kurz auf ihn ein und hob ihn dann ihrerseits auf den Arm. „Oh Inuyasha, was ist nur mit dir passiert?“, seufzte sie melodramatisch. „Du bist so klein und hilflos und … süß.“ Das schien der Hanyou nicht gerade gerne zu hören, er grummelte mürrisch vor sich hin. „Tut mir leid, Inuyasha, aber du bist wirklich putzig.“ Sie kicherte kurz und drückte ihn näher an ihren Körper, was wiederum dem Köter ganz recht zu sein schien. „Von mir aus könntest du ruhig noch was länger in dieser Gestalt rumlaufen.“ Sie räusperte sich verlegen, als Inuyasha zu knurren begann. „Ähm, natürlich nicht zu lange …“ Von wegen! Am liebsten hätte das Mädel ihren Hanyou für immer und ewig in dem Körper eines Welpen belassen. Das konnte ich deutlich an ihrem Blick erkennen. Durchaus nachvollziehbar. Männer waren oft launisch, nervig und durch die Bank austauschbar. Außerdem neigten sie zu Betrug und Hinterlist und waren oftmals dem aberwitzigen Irrglauben verfallen, dass sie das Sagen hätten und über die Frau bestimmen könnten. Dass sie im Grunde nur Spielzeuge für uns waren, begriffen nur die allerwenigsten. Hunde dagegen waren treu, anhänglich und hatten keinerlei Problem damit, sich unterzuordnen. Kein Wunder also, dass Kagome ihren Inuyasha in dieser Gestalt belassen wollte. So hätte sie ihn wenigstens unter Kontrolle gehabt. Nur müsste sie dann auch mehrmals am Tag mit ihm Gassi gehen. Das war nun mal die Kehrseite des Lebens. „Könnte ich vielleicht meinen Hund zurückbekommen?“ Ich ließ meine Stimme extra ein wenig zittern, da normale, unschuldige Mädchen sicherlich Angst vor solchen Verrückten gehabt hätten. „Er ist nicht dein Hund, verstanden?“ Kagome schien ein bisschen zickig zu werden, da ich mich permanent weigerte, mein wahres Ich zu offenbaren. In der Hoffnung, dass sie irgendwann vor Wut explodieren würde, konnte ich mich sogar doch irgendwie mit Griffins Befehl der Zurückhaltung anfreunden. „Kagome, vielleicht irrst du dich ja auch …“, versuchte es Miroku zögerlich. Im Gegensatz zu der Miko schien er beileibe noch nicht überzeugt zu sein. Möglicherweise wünschte sich aber auch nur seine Aufreißerseele, dass ich wirklich bloß ein harmloses Menschenmädchen wäre, damit er mich anbaggern dürfte. „Das tue ich nicht!“, zischte Kagome. Langsam wurde sie richtig garstig. „Wer sonst aus der Hölle würde so etwas Inuyasha antun? Wer sonst wäre so dreist, ihn in einen Hund zu verwandeln?“ Nun ja, da musste ich ihr sogar irgendwie Recht geben. Griffin hatte mir schließlich nur befohlen, Inuyasha eine andere Gestalt zu verpassen, die Einzelheiten hatte er mir überlassen. Und ich hatte letztlich diesen kleinen, knuffigen Körper gewählt, da mir absolut klar gewesen war, dass es Inuyasha am meisten aufregen würde. „Was ist denn hier los?“ Griffin hatte schon zuvor gemerkt, dass Miroku mich von dem quasselnden Winston weggezerrt hatte, hatte sich aber im Hintergrund gehalten. Nun aber, da Kagome kurz vor einem Ausraster zu stehen schien, hatte er sich offenbar entschlossen, einzugreifen. „Darf ich vielleicht erfahren, was hier genau vorgeht?“ „Pass auf, Junge!“ Miroku packte den überraschten Griffin am Arm und bugsierte ihn hinter sich. „Das Mädchen ist ein Teufel! Na ja, zumindest glauben wir das …“ „Natürlich ist sie ein Teufel!“, zischelte Kagome. „Siehst du nicht dieses bösartige Funkeln in ihren Augen? Daran würde ich Rasia sofort erkennen.“ Nun, genaugenommen hatte sie mich vor fünf Minuten ebenso wie alle anderen noch für ein harmloses Zuckerpüppchen gehalten. ‚Sofortiges Erkennen’ schien für sie ein weitreichender Begriff zu sein. Obwohl, wenn man es genau nahm, waren Menschen eh schon immer etwas trantütig gewesen. Fünf Minuten waren wahrscheinlich der neue Weltrekord in Gehirnaktivität. Alles darunter hätte vermutlich die Schaltkreise verschmoren lassen. „Ein Teufel?“ Griffin war die Kinnlade heruntergefallen und wirkte dabei wie ein Schwachsinniger auf Drogenentzug. „Du hast es ihnen gesagt? Du hast ihnen die ganze Wahrheit erzählt?“ Unsanft stieß er Miroku zur Seite und trat auf mich zu. Man hätte auf seinem Kopf wahrscheinlich ein Ei braten können, dermaßen zornig war er. „Wie konntest du nur, Rasia? Ich habe dir einen Befehl gegeben und du hast gefälligst zu gehorchen!“ Ich bemerkte, wie der Hoshi und die Miko im Hintergrund erstaunte Blicke wechselten. Tja, soviel also zur Geheimhaltung. Der dumme Bengel hatte sich ganz von allein in die Kacke geritten. Das schien auch Griffin zu begreifen, als er in die überraschten Gesichter der zwei Nervensägen schaute. Nervös begann er, auf seiner Unterlippe herumzukauen, und wirkte dabei mehr denn je wie ein unsicheres Kind. Bei all seinem herablassenden Getue und harschem Befehlston konnte man doch ab und zu glatt vergessen, dass er im Grunde noch ein kleiner Junge war. Was mich aber nicht daran hindern würde, ihn in ein Haifischbecken zu schubsen, wenn ich das Siegel erstmal los war. Nur, um das noch mal klarzustellen. „Du … du weißt darüber Bescheid?“ Kagome betrachtete Griffin mit hochgezogenen Augenbrauen und schien nicht zu wissen, was sie von dem Ganzen halten sollte. „Ich verstehe nicht ganz. Wieso sollte ein Teufel deinen Befehlen gehorchen?“ Ganz recht, warum sollte ein mächtiger Teufel so etwas tun? Tja, wahrscheinlich nur deshalb, weil das Schicksal einen nicht leiden konnte und es als überaus amüsant betrachtete, jenen besagten Unglückswurm immer wieder an nervtötende Schwachköpfe zu verschachern. „Vielleicht solltest du es ihnen einfach erzählen, mein kleiner Meister“, meinte ich schulterzuckend. Ich hätte am liebsten noch ein paar beleidigende Spitznamen und Kränkungen eingebaut, aber allein schon bei dem bloßen Gedanken daran merkte ich, wie das Siegel auf meiner Hand zu prickeln begann. Offenbar vermochte dieses Ding nicht nur meine Handlungen, sondern auch meinen Kopf zu überwachen. Keine besonders angenehme Vorstellung. Mir hatte es schon immer missfallen, wenn sich jemand dort oben zu schaffen gemacht hatte, und seit dem Schicksal meines Großcousins dritten (oder vierten?) Grades Friedrich der Trottelige (oder Ferdinand der Blaufüßige) war ich mehr auf der Hut denn je. Aus Rache hatte ihm einer seiner zahllosen Feinde sein Haustier auf den Hals gehetzt – und zwar keine mörderische Bestie, sondern ein gerade fingernagelgroßen höllischen Fliegenschnapper. Dieser hatte es sich im Hirn meines Cousins bequem gemacht und sich immer wieder Späße erlaubt. So hatte er dem armen Friedrich/Ferdinand schmutzige und kränkende Worte in den Mund gelegt und somit die stärksten Teufel der Hölle aufs tiefste beleidigt (unter anderem auch Barium, der zu jener Zeit noch nicht ganz so zerfallen und verwest gewesen war wie kurz vor seinem Ausflug in die Tiefen des Weltalls). Auch hatte der Fliegenschnapper gerne die Koordination meines Cousins übernommen und ihn gegen Wände, Bäume und allerlei andere harte Gegenstände rennen lassen. Noch heute hatte der Pechvogel unschöne Blessuren aus dieser Zeit vorzuweisen. Lange hatte es gedauert, bis man den Fliegenschnapper endlich aus seinem Gehirn hatte entfernen können, allerdings war der Schaden bereits angerichtet gewesen. Inzwischen hatte er ein großes Durcheinander im Oberstübchen, wie wir Teufel es gerne formulierten. Ab und an redete er völlig unsinniges Zeug, er lief immer grundsätzlich in die vollkommen falsche Richtung und sein Gedächtnis war auf die Kapazität eines Menschen geschrumpft. Selbst seinen eigenen Namen konnte er sich nur schwer merken, mal war er Friedrich der Trottelige, dann wieder Ferdinand der Blaufüßige und ab und zu auch Ludwig der Ziegenmilchtrinkende. Immer wieder, wenn jemand versuchte, sich an meinen Gedanken zu schaffen zu machen, musste ich dabei automatisch an meinen Cousin mit dem Fliegenschnapper im Hirn denken. Und ich schwor mir jedes Mal, dass es bei mir nie soweit kommen würde, dass ich eines Tages gegen Wände knallte und mir bescheuerte Namen für mich selbst ausdachte. „Nun erzähl schon, Junge“ drängte Miroku. „Was ist hier eigentlich los?“ Griffin machte nicht den Eindruck, als wollte er den Worten den Hoshis Folge leisten. Nachdem er den anfänglichen Schrecken über sein versehentliches Verplappern erfolgreich verdrängt hatte, trug er nun wieder seine altbekannte hochnäsige Miene, die einem Engländer alle Ehre machte. „Ich könnte sie … liebevoll ins nächste Leben geleiten, wenn du es wünschst“, schlug ich Griffin großherzig vor. Inuyasha gab daraufhin ein gurgelndes Geräusch von sich, das wohl eine Art bedrohliches Knurren darstellen sollte, und auch Griffin schien von meinem Angebot wenig angetan. Kagome und Miroku hingegen schienen immer noch nicht zu kapieren, was eigentlich los war. Der merkwürdige Floh dafür umso mehr. Mit einem einzigen Satz sprang er von Kagomes Schulter und machte es sich auf Griffins gemütlich, was dieser nicht wirklich mitbekam. Im ersten Moment dachte ich, dass dieses Myouga-Ding meinem lästigen Befehlshaber irgendwas würde antun wollen, weswegen ich mich sofort in Alarmbereitschaft versetzte, aber offenbar schien das Ungeziefer nichts dergleichen vorzuhaben. Ich konnte nur verwundert die Schultern zucken. Suchte der Floh etwa nur Griffins Nähe, weil er sich dort vor einem etwaigen Angriff sicher fühlte? Hm, wenn das stimmte, war dieser Kerl aber extrem feige … Allerdings bei seiner mickrigen Statur nicht weiter verwunderlich und sicherlich auch ziemlich ratsam. „Ihr solltet dem Mädchen einfach wieder seinen Hund zurückgeben und munter eurer Wege gehen“, meinte Griffin mit einem eindeutig drohenden Unterton. „Am besten vergesst ihr das Ganze.“ Ich konnte angesichts dieser lahmen Taktik nur die Augen verdrehen. Womöglich mochte der Bengel es einfach nicht besser wissen, aber Kagome war hartnäckiger als ein Krokodil, das sich an einem Zebra festgebissen hatte. So ohne weiteres würde sie sicherlich nicht loslassen und fröhlich trällernd davon hüpfen. „Du sagst mir jetzt auf der Stelle, was hier los ist, oder ich schwöre dir, dass du es bitter bereuen wirst!“, knurrte die Miko wie eine gereizte Schlange. „Steckst du mit dieser Teufelin etwa unter einer Decke oder hast du sie sogar hierher gerufen? Ist etwa ein neues Beschwörungshorn aufgetaucht?“ Schön wär’s gewesen … Dann hätte ich einfach irgendwen abmurksen können und wäre danach unbekümmert in die Hölle zurückgekehrt. „Das hat euch nicht zu interessieren“ entgegnete Griffin arrogant. „Wenn euch der Köter irgendetwas bedeutet, dann gebt ihn uns zurück, ansonsten wird es ihm schlecht ergehen. Wesen wie er sind austauschbar.“ Bei diesen Worten erhellte sich meine Miene, während Inuyasha gar nicht so recht begeistert wirkte. Kagome hingegen schnaubte nur verächtlich. „Das könnte dir so passen! Ich nehme von so einem laufenden Meter, den selbst mein kleiner Bruder in die Tasche stecken könnte, sicher keine Befehle entgegen!“ Sie presste den Hanyou enger an ihre Brust. „Und nur so als gutgemeinter Ratschlag: Trau Rasia nicht! Sie ist ein tückisches Biest!“ Damit hatte sie durchaus Recht. Nur war ihr offenbar nicht klar, dass dies auch Griffin absolut bewusst war. „Na fein, wie du willst“, meinte der Dreikäsehoch zähneknirschend. Er warf einen Blick zu der Partygesellschaft, um festzustellen, ob sich jemand in unmittelbarer Nähe aufhielt, und wandte sich, nachdem er keinen entdeckt hatte, wieder der Miko zu. „Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Er murmelte kurz ein paar Wörter auf Altbabylonisch … und schon nahm der Spaß seinen Lauf. Wie schon bei dem Gnom, der Griffins Befehl missachtet hatte und dafür ordentlich in die Mangel genommen worden war, erging es nun auch Inuyasha. Aus dem Siegel, das irgendwo auf der Unterseite seiner Pfote versteckt war, schossen plötzlich scharfe Blitze und attackierten den Hanyou. Der Köter jaulte auf, ebenso wie Kagome, die Inuyasha vor Schreck und sicher auch vor Schmerz fallen ließ. Wie ein schlaffer Mehlsack landete er auf dem Boden, wo er einfach liegenblieb und sich vor Pein winselnd wand. Grinsend beobachtete ich das Schauspiel. Ich hatte schon lange nicht mehr so etwas Gutes zu Gesicht bekommen. Kagome schien mir aus ziemlich unmissverständlichen Gründen nicht ganz so angetan von der Vorstellung zu sein. „Hör auf, bitte!“ Flehend schaute sie zu Griffin. „Was auch immer du tust, hör auf damit! Du bringst ihn noch um!“ Das war ja auch Sinn der Sache, Schätzchen. Diese Menschen hatten wirklich eine verdammt lange Leitung. Während Kagome offenbar am überlegen war, ob sie nicht vor meinem Mini-Meister auf die Knie sinken sollte, stand Miroku einfach nur daneben und schien sich ausgesprochen hilflos zu fühlen. Er hielt zwar irgendeine Banderole in der Hand, war sich aber augenscheinlich nicht sicher, ob oder wie er das komische Teil verwenden sollte. „Ich schlage einen Deal vor“, meinte Griffin schließlich voller Großzügigkeit und mit dem wohl überheblichsten Lächeln der Welt. „Wenn ihr zustimmt, darf er am Leben bleiben.“ Kagome nickte eifrig, ihren sorgenvollen Blick auf Inuyasha gerichtet. Griffin sprach daraufhin den Gegenzauber und die peinigenden Blitze verschwanden, als hätten sie nie existiert. Trotzdem war das Ganze nicht spurlos an Inuyasha vorbeigegangen, wie man sofort erkennen konnte. Sein Fell war stark angesengt und die Tortur hatte ihm das Bewusstsein geraubt. Dennoch atmete Kagome erleichtert aus, während ich missmutig meine Mundwinkel nach unten zog. Ach Menno. Konnten Menschen nicht einmal das durchziehen, was sie begonnen hatten? War es wirklich so schwer, einem armen gepeinigten Teufel wie mir mal eine kleine Freude zu machen und fröhlich ein schönes Massaker anzurichten? Aber was hatte ich auch anderes erwartet? Immerhin hatte er nach Emmeretts Aussage bereits zwei Diener verloren und dann einen dritten ohne weiteres abzumurksen, war sicherlich nicht besonders produktiv. Außerdem war es mehr als offensichtlich, dass er nie vorgehabt hatte, Inuyasha einfach so in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Es sollte bloß so aussehen, damit Kagome ordentlich der Schreck in die Glieder fuhr. Dennoch … schön wär’s gewesen. „Was hast du getan?“ Das Mädel mit dem kurzen Rock funkelte meinen Herrn und Meister vorwurfsvoll an, während sie sich neben Inuyasha kniete. Sie streckte vorsichtig die Hand aus, wagte es dann aber doch nicht, ihn anzufassen. Im Grunde kaum verwunderlich, im Moment sah er dermaßen zerbrechlich aus, dass man befürchten musste, dass er bei der nächsten Windböe auseinanderfiel. „Irrelevant“, meinte Griffin hochtrabend. „Wichtig für euch ist nur, dass ich die Kontrolle über Inuyasha habe. Und zwar vollständige Kontrolle. Ich entscheide über sein Leben und auch über seinen Tod. Und wenn ihr nicht wollt, das letzteres frühzeitig eintrifft, müsst ihr tun, was ich von euch verlange.“ Er begann, an seinem Kragen herumzuzupfen, und schien sich dabei mächtig toll vorzukommen. „Ihr werdet niemanden erzählen, was ihr hier in den letzten zehn Minuten erfahren habt. Rasia habt ihr schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und auch Inuyasha bleibt weiterhin verschwunden, ist das soweit angekommen?“ Kagome nickte bloß, immer noch etwas unter Schock, während Miroku übellaunig sein Gesicht verzog und offenbar ebenso wenig begeistert war wie ich, Befehle von einem Knirps entgegenzunehmen. „Ihr werdet einfach eurer Wege gehen und uns nicht weiter belästigen“, fuhr Griffin fort. „Wenn ich erfahre, dass ihr geredet habt – und seid gewiss, ich würde es erfahren –, habt ihr Inuyashas Leben verspielt. Und solltet ihr auf die Idee kommen, uns zu verfolgen, kann ich euch nur davon abraten. Meine Diener sind nicht gerade friedliebend und mit ein paar Menschen kurzen Prozess zu machen, wird für sie ein wahres Vergnügen sein.“ Da musste ich ihm ausnahmsweise mal Recht geben. „Und nun verschwindet!“, brüllte Griffin mit erhobener Stimme, beinahe so, als wollte er einen anhänglichen Hund verjagen. „Aber …“, meinte Kagome. „Verschwindet!“ Um seine Drohung noch zu unterstreichen, ließ er ein paar kleinere Blitze aus Inuyashas Siegel zucken. Kagome sprang sofort hastig auf, packte den Mönch am Arm und zog ihn mit sich in Richtung Menschenmenge. „Und erzählt es niemanden!“, rief ihnen Griffin noch hinterher, kurz bevor sie in dem großen Auflauf verschwanden. Daraufhin setzte der Junge ein zufriedenes Lächeln auf. „Siehst du, so muss man mit denen umspringen. Die sehen wir so schnell nicht wieder!“ Ich hob eine Augenbraue. Nicht nur, dass er sich dazu herabließ, einem Teufel Tipps zu geben im Bezug auf den Umgang mit Menschen, darüber hinaus war er dumm genug zu glauben, dass er damit Kagome und die anderen Pestbeulen nun endgültig los sei. Ich hätte ihm nun natürlich sagen können, dass diese Bande nicht so schnell aufgeben und sie uns eher über den Weg laufen würde, als uns lieb war, doch ich hielt mich zurück. Sollte der Trottel das doch selbst herausfinden! Nach einen kurzen Blick auf Griffin, der selbstgefällig in die Gegend starrte und wohl noch auf einen Applaus von Gott oder irgendwen anders wartete, kniete ich mich hin und hob den schlaffen Körper Inuyashas hoch, penibel darauf achtend, dass ich sein kleines Köpfchen noch rasch gegen einen größeren Stein donnerte. Immerhin wollte ich auch ein bisschen Spaß haben. „So, dann hoffe ich mal, dass die nächsten üblen Überraschungen noch eine Weile auf sich warten lassen“, meinte Griffin seufzend. Und wie es nun mal kommen musste, kündigte sich just in diesem Moment die nächste Überraschung an. Das Zittern der Erde war das erste unheilvolle Zeichen, gefolgt von einem hellen Licht, das mitten im Menschenauflauf auftauchte und auf die Größe eines Tannenbaums anschwoll. Panik brach unter den Versammelten aus, ihr Gekreische fraß sich regelrecht durch mein Trommelfell. Die meisten der Anwesenden stürmten schreiend davon, während sie irgendwas von ‚Dämonen’ und ‚Monstern’ faselten. Ihrer schnellen Reaktionsfähigkeit entnahm ich, dass sie wohl öfter mit Youkai in Kontakt gekommen waren und somit das Wegrennen perfekt beherrschten. Einige wenige Mutige griffen nach irgendwelchen drittklassigen Waffen, die wahrscheinlich nicht mal einen Waschbären erschreckt hätten, und bezogen in sicherer Entfernung Stellung, darauf harrend, was da noch alles folgen würde. Mit aschfahlen Gesichtern ließen sie die riesige, leuchtende Kugel keinen Moment aus den Augen. Die versammelten englischen Herrschaften hingegen wussten nicht so recht, was sie davon halten sollten. Den Umgang mit Dämonen waren sie nun überhaupt nicht gewöhnt, sondern vielmehr das behütete Leben an der Spitze der Nahrungskette. Somit starrten sie zunächst das Licht verblüfft an, sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegend. Einige gaben sogar bewundernde Laute von sich, wohl in der Annahme, es handele sich um irgendeine Schau, die ihnen zu Ehren abgezogen wurde. Als jedoch die Japaner hastig das Weite suchten, begriffen auch die Briten, dass irgendwas nicht stimmte. Unsicher wichen sie zurück. „Was ist denn das schon wieder?“, fragte Griffin stöhnend. Dass er als einer der wenigen nicht die Nerven verlor, fiel bei dem ganzen Kuddelmuddel gar nicht weiter auf. „Ich könnte es dir sagen“, meinte ich seufzend. „Aber eigentlich ist mir gerade mehr danach, Selbstmord zu begehen.“ Wieso nur immer ich? Womit hatte ich das bloß verdient? Das Licht verblasste so schnell, wie es gekommen war, in seiner Mitte nun eine schlanke Gestalt präsentierend, die sich neugierig umschaute. Ein Lächeln war auf das Gesicht des Neuankömmlings gepappt, wie ich es schon seit jeher hasste. „Komme ich gerade ungünstig?“, fragte er unschuldig. Ich knirschte mit meinen Zähnen. Was für eine dämliche Frage, der Kerl kam immer ungünstig! „Ich habe es dir von Anfang an gesagt, mein kleiner Meister, der Idiot bringt nichts als Ärger“, zischte ich Griffin ungehalten zu. „Aber wie so üblich hört mal wieder keiner auf mich. Hättest du dir meinen Ratschlag zu Herzen genommen, hätte dieser Schwachkopf jetzt nicht deine Party gesprengt und dich vor versammelter Mannschaft entblößt.“ Im Grunde hatte es der Gartenzwerg auch gar nicht anders verdient. Ich war wirklich gespannt, wie Griffin sich da wieder rauszureden gedachte. „Wovon sprichst du?“ Der Knirps starrte mich verständnislos an. Ich seufzte nur genervt. War er tatsächlich so schwer von Begriff? „Du hast meinen alten Herrn doch hierher gerufen, oder etwa nicht?“ Ich deutete auf den Teufel, der dazu übergegangen war, interessiert das Büffet zu betrachten, während er einen Bauern nur zwei Meter entfernt von ihm mit einer Mistgabel in der Hand und den wohl laut schlackerndsten Knien der Welt keinerlei Beachtung schenkte. „Das ist dein Vater?“, hakte Griffin ungläubig nach. Traurig, aber wahr … Verwandtschaft konnte man sich nun mal nicht aussuchen. Oder umbringen. Verflixte Gesetze! „Ihr Menschen habt merkwürdige Speisen.“ Shimo hatte offensichtlich die Analyse des Büffets abgeschlossen und war nun erpicht, seine weltbewegenden Erkenntnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dass ihn alle, die nicht die Flucht ergriffen hatten, schon seit seinem Erscheinen mit weitaufgerissenen Augen anstarrten, kümmerte ihn nicht weiter. Typisch Shimo! Selbst wenn ihm jemand den Kopf abschlagen sollte, würde er dies wahrscheinlich erst Tage später bemerken. „Also, wo ist nun das dreiste Bürschchen, das meine Tochter entführt hat?“ Neugierig sah er in die Runde, während die Runde ihn seinerseits geschockt anglotzte. „Die magische Spur reicht bis hierher, hier stinkt es geradezu danach.“ Na ja, der Gestank kam wohl eher von den Schweißausbrüchen der zurückgebliebenen Pseudo-Mutigen. „Tja, Griffin Schätzchen, was tust du jetzt?“, flüsterte ich. Trotz des Auftauchen meines Vaters schlich sich doch ein Lächeln auf meine Lippen – immerhin steckte Griffin nun in ernstzunehmenden Schwierigkeiten. „Wenn Shimo dich erkennt und zur Rede stellt, werden deine dummen, englischen Freunde von deinem kleinem Hobby erfahren. Es wäre sicher interessant zu sehen, wie Winston dich in der Luft zerreißt.“ Ich hörte Griffin laut schlucken, während er gleichzeitig sein Gehirn zum rauchen brachte, um irgendwie heil und unversehrt aus der Situation herauszukommen. Ich währenddessen grinste weiter vor mich hin. Mein alter Herr brauchte sich nur etwas zur Seite zu drehen und schon hätte er mich, den bewusstlosen Hanyou in meinen Armen und den nervösen Bengel neben mir genau im Sichtfeld. Und dann würde Griffin wirklich in Erklärungsnot geraten. Kapitel 8: Elende Possenreißer, tödliches Strohhalmziehen, anhängliche Väter und dumme Schwindeleien ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Es war ein wahres Vergnügen, Griffin dabei zu beobachten, wie er nervös auf seiner Unterlippe herumkaute und sich hektisch umschaute, verzweifelt nach irgendeinem Ausweg suchend. Ich grinste derweil fröhlich vor mich hin. Das geschah dem Bengel auch ganz recht! Sich mit Mächten einzulassen, die einem letztendlich nur die Finger verbrennen konnten, war immerhin selten dämlich von dem Knaben gewesen, da war so eine gehörige Lektion gar nicht verkehrt. Vielleicht – aber auch nur vielleicht – registrierte er nun, wie wacklig und unberechenbar sein ach so toller Plan von der Oberherrschaft Japans in Wirklichkeit war. Shimo hatte inzwischen irgendein nicht näher zu identifizierendes Objekt vom Buffettisch genommen und sich in den Mund gesteckt, während er weiterhin grinsend in die Runde schaute und sich von den entsetzten und argwöhnischen Blicken nicht allzu sehr stören ließ. „Ihr habt hier ja ganz passablen Fraß“, gab er zu, während er das komische Ding zerkaute. „Zwar solltet ihr mehr Blut oder Salzsäure zum würzen benutzen, aber ansonsten gar nicht mal so übel.“ Winston als Expeditionsleiter und Obermagier vom Dienst trat schließlich nach langem Zögern einige Schritte näher an Shimo heran. Man hätte ihn zwar für wagemutig und tollkühn halten können, aber die Tatsache, dass seine Magierkollegen ihn in den Rücken gepiekst und regelrecht in die Richtung meines alten Herrn gestoßen hatten, milderte diesen Eindruck doch irgendwie beträchtlich. Allesamt Feiglinge, diese Idioten! „Wer … wer bist du?“, fragte Winston dermaßen leise, dass nicht mal ein Hund mit dem ausgeprägtesten Gehör der Welt ihn richtig hätte verstehen können. Nur meinen Teufelssinnen und meinen – wenn auch eher bescheidenen – Fähigkeiten in der Lippenlesekunst hatte ich es zu verdanken, dass ich überhaupt einigermaßen begriff, was uns dieser wackere Magier sagen wollte. Shimo jedoch hatte, wahrscheinlich durch sein eigenes Kauen ziemlich abgelenkt, Winstons Gesuch nicht näher definieren können. „Hä?“, fragte er überaus redegewandt. Winston räusperte sich laut und nahm wohl all den Mut zusammen, den er in seinem massigen Körper irgendwo finden konnte. „W-wer bist du?“ Seine Stimme zitterte immer noch extrem, aber wenigstens konnte man ihn nun von der Lautstärke her wieder verstehen. „Ein Dämon?“ Shimo zog eine Schnute. Er mochte zwar eine Schande für die ganze Teufelssippschaft sein, aber wie wir alle konnte er es nicht leiden, mit diesen niederen Wesen verwechselt zu werden. Das war wenigstens etwas, das er mit seinen anderen Artgenossen gemeinsam hatte. „Sehe ich etwa aus wie ein Dämon?“ Mein Vater trat provozierend einen Schritt auf Winston zu, woraufhin dieser zusammenzuckte und hastig wieder zurückwich. Ich konnte nicht umhin, meine Augen zu verdrehen. Meine Güte, was waren diese Engländer bloß für Flaschen! Sie schrien sich selbst Magier und Oberste einer Weltmacht, aber anscheinend waren sie noch nicht sonderlich oft mit echter Gefahr in Kontakt gekommen. Als Mitglieder einer Expedition, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, unbekannte Regionen und Kulturen zu erforschen, hatte ich sie doch glatt für mindestens halbwegs wagemutig gehalten, aber offenbar hatte ich mich geirrt. Wahrscheinlich bestand ihre großartige Reise darin, sich in den schönsten Palästen rund um die Welt einzuquartieren und sich von vorne bis hinten bedienen zu lassen oder aber die Einheimischen mit irgendwelchen dämlichen Schnickschnack zu beeindrucken und sich wie Könige oder gar Götter aufzuspielen. Ach ja, was hatte ich eigentlich auch anderes erwartet? Engländer waren nun mal die größten Possenreißer schlechthin. „Wir pflegen zwar mit Youkai aller Art Kontakt, da wir sie im Gegensatz zu Menschen und anderen Lebewesen, in unserer Welt dulden, aber dennoch ist es ziemlich beleidigend, einen Teufel als Dämon zu bezeichnen.“ Shimo legte den Kopf schief und setzte ein Lächeln auf, das die anwesenden Magier sehr zu verstören schien. „Also macht diesen Fehler besser nicht zweimal. Ihr habt Glück, dass ich ein so großzügiger Teufel bin. Jeder andere meiner Art hätte euch allen schon längst den Kopf abgerissen.“ Das stimmte allerdings. Und ich verfluchte ihn dafür, dass er sosehr aus der Art schlug. Ein paar abgerissene Köpfe wären jetzt echt entspannend gewesen. „Also, noch mal von vorn“, meinte mein Vater mit einer Handbewegung, als wollte er die letzten fünf Minuten einfach zur Seite schieben. „Ich bin auf der Suche nach meiner Tochter. Irgendein kleiner, englischer Idiot hat sie entführt und so was sehen wir in der Hölle gar nicht gern. Ihr könnt euch glücklich schätzen, dass ihre Mutter gerade im sechsundzwanzigsten Bezirk auf Geschäftsreise ist und einigen ungehobelten Trollen Feuer unterm Hintern macht, ansonsten wäre sie sicherlich auch hier aufgetaucht. Und das wäre für euch bestimmt kein Spaß gewesen.“ Allerdings für mich. Mehr als ärgerlich, dass Tyaria sich wieder irgendwo in der Weltgeschichte rumtrieb. Meine Mutter wäre zwar sicherlich nicht aus Sorge um mein Wohlbefinden zu meiner Rettung geeilt – so was interessierte sie herzlich wenig –, aber dafür wäre sie gekommen, um die Kränkung zu sühnen, die Griffin ihrer Familie angetan hatte. Teufel beleidigten, schlugen und massakrierten sich gerne ein wenig untereinander, aber sobald sich jemand von einer anderen Spezies einmischte, war jeglicher Spaß sofort vergessen. Das kam im Grunde einer Todsünde gleich. Griffin hatte schon seit dem Zeitpunkt, als er mir das Siegel verpasst hatte, all seine Chancen verspielt. Auf die ein oder andere Weise würde er zu Tode kommen, soviel stand fest. Jetzt mussten eigentlich nur die Mordgierigen untereinander klären, wem letztendlich die Ehre zustand, den Bengel ins nächste Leben zu katapultieren. Wahrscheinlich würden sie es mit Strohhalmziehen entscheiden. „Es hat sicherlich niemand von uns deine Tochter entführt!“ Neben all der Angst mischte sich nun auch etwas Entrüstung in Winstons Stimme. „Wir sind Gentlemen und zu so einer Schandtat überhaupt nicht fähig!“ Nun, offenbar kannte der Kerl seine süßen, kleinen Expeditionsteilnehmer nicht so gut, wie er dachte. Ich freute mich schon sehr auf seinen dummen Gesichtsausdruck, wenn er schließlich die Wahrheit herausfinden sollte. „Meine älteste Tochter erzählte mir von einem mickrigen, englischen Schmutzfink, der sich meine Rasia unter den Nagel gerissen hat“, meinte Shimo. „Er hat sogar seinen Namen verraten. Irgendwas mit ‚G’, glaub ich …“ Griffin neben mir zuckte merklich zusammen. Im Grunde kein Wunder, er steckte arg in der Klemme. Ich fühlte mich in dieser Situation übrigens nicht verpflichtet, ihm mitzuteilen, dass mein Vater ein furchtbar schlechtes Namensgedächtnis hatte. Sollte der blöde Bengel ruhig ein bisschen ins Schwitzen kommen! „Unternimm etwas!“, raunte er mir nervös zu. „Und was bitte? Soll ich meinem Daddy vielleicht um den Hals fallen?“ Griffin warf mir daraufhin einen bösen Blick. „Lenk sie ab. Irgendwie. Es darf nur keiner zu Schaden kommen.“ Den letzten Satz hätte er sich ruhig verkneifen können. Kleiner Spielverderber! Aber ich tat natürlich wie befohlen, was blieb mir auch anderes übrig? Ich drückte den ohnmächtigen Köter in Griffins Arme und vollführte schließlich unauffällig ein paar Handbewegungen, die den Anschein erweckten, als wollte ich eine nervige Fliege vertreiben. Bereits im nächsten Moment schossen aus dem Boden meterhohe Flammen, die meinen Vater einkreisten und somit von der Außenwelt abschirmten. Auch mich selbst und Griffin stellte ich in den Feuerkreis, während ich einen Kerl, der ganz in unserer Nähe stand, mit einem kurzen Schwenk des Handgelenks im hohen Bogen über die lodernden Flammen schleuderte. Das darauffolgende Splittern von Holz ließ vermuten, dass er auf einem Dach gelandet war und womöglich sogar unsanft durchbrochen hatte. „Ist es so besser?“, fragte ich meinen Herr und Meister mit einem falschen Lächeln. Griffin antwortete nicht, sondern ging schnellen Schrittes auf meinen Vater zu, der leicht überrascht das Feuer betrachtete. „Was soll das?“, keifte der Knirps auch kurz darauf los. „Du kannst doch hier nicht einfach mitten in einer Menschenmenge auftauchen! Du hättest beinahe alles verdorben.“ Durch das laut knisternde Feuer war es für die Menschen außerhalb des Kreises völlig unmöglich, Griffins kleine Schimpftirade zu hören. Ausgesprochen schade … Shimo starrte den Jungen, der ihm gerade mal bis zur Brust reichte, erstaunt an. „Du bist aber ein unhöflicher Bursche!“, stellte er lapidar fest. Er beugte sich etwas hinunter und brachte sein Gesicht so nah an Griffins, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Lass mich raten: Du bist der Kindesentführer, nicht wahr?“ Ich verzog mein Gesicht. Kindesentführer … also wirklich! „Ich bin an die dreitausend Jahre alt!“, empörte ich mich. „Meine Kindheit ist schon lange vorbei, auch wenn das in deiner Erdnuss von Gehirn offenbar immer noch nicht angekommen ist. Schreib dir am besten einen Zettel und kleb ihn dir an die Stirn, damit du es nicht dauernd vergisst.“ Das Siegel auf meiner Hand begann, unangenehm zu kribbeln. Ich hatte zwar nicht wirklich gegen Griffins Befehl der Geheimhaltung verstoßen (zumindest hüpfte ich nicht durch die Gegend, lachte wie eine Irre und erzählte jedem Dahergelaufenen fröhlich, dass ich ein Teufel war), aber es war hart an der Grenze gewesen, was mir das Siegel nun spürbar unter die Nase reiben wollte. Shimo richtete sich derweil wieder auf und strahlte mich glücklich an. „Ah, meine kleine Pestbeule, welch schöner Anblick!“ Er kam auf mich zu und machte doch tatsächlich Anstalten, mich in den Arm nehmen zu wollen, aber ich hielt ihn rasch auf Abstand. „Allerdings hast du dich ein wenig verändert. Sag bloß, du hast genauso viel Spaß an Verwandlungen gefunden wie Heideltrud?“ Ich schnaubte. Wie konnte es dieser Bastard nur wagen, mich mit diesem geistesgestörten Familienmitglied zu vergleichen? Nun gut, sie war seine Nichte und aus einem völlig unerfindlichen Grund mochte er sie, aber dennoch hatte er nicht das Recht, diese verrückte Schabracke und mich in einem Atemzug zu erwähnen. „Ich folge ganz sicher nicht Heideltruds Beispiel“, zischte ich. „Das ist alles die Idee dieses kränklich blassen Knilchs gewesen, der so eine furchtbar große Klappe hat.“ Der Blick meines Vaters wanderte sofort zu Griffin. Er mochte vielleicht über eine sehr geringe Gehirnaktivität verfügen, aber ab und zu war es ihm doch möglich, bestimmte Zusammenhänge relativ schnell zu verknüpfen. Nun gut, die Anspielung war auch nicht besonders schwer gewesen. „Ich hoffe, man hat dich darüber aufgeklärt, dass die Einmischung in Teufelsangelegenheiten für einen Menschen nicht gerade gesund ist“, meinte Shimo an Griffin gerichtet, während er es gleichzeitig irgendwie schaffte, meine Abwehr zu überrumpeln, meine Schulter zu umfassen und mich an sich zu drücken. „Das wird dir bitter zu stehen kommen.“ Ich knurrte tief und wollte meinen anhänglichen Vater mit einem kraftvollen Magieschub von mir schleudern, doch Shimo kannte mich gut genug, um sich schleunigst aus der Affäre zu ziehen und einige Meter Sicherheitsabstand herzustellen. Sein triumphierendes Grinsen, da ihm ein kurzer inniger Moment mit seiner Tochter gegönnt gewesen war, hätte ich ihm liebend gern aus der Visage gewischt. Aber ein deutliches Kopfschütteln seitens Griffins, der meine Absicht offenbar durchschaut hatte, hielt mich davon zurück. Ein Grund mehr, diesen englischen Pickel zu hassen! Shimo hielt sich jedoch glücklicherweise nicht besonders lange mit seiner Genugtuung auf. Ihm war Griffins Befehl nicht entgangen, sodass er sich nun wieder dem Bengel zuwandte. „Also ist es tatsächlich wahr“, stellte er seufzend fest. „Du spielst wirklich mit dem Siegel des Helios herum. Überaus dumm, mein Kleiner, überaus dumm. Weißt du nicht, was mit all den anderen passiert ist, die dies auch gewagt haben?“ Wahrscheinlich wusste er es schon, doch in seiner grenzenlosen Selbstverblendung hatte er diese Information einfach nicht für voll genommen. So war das nun mal bei realitätsfernen Schwachköpfen. „Das klären wir später“, knurrte Griffin. Er warf einen Blick auf meine hübsche, magische Flammenwand, hinter der man bereits die aufgeregten Stimmen der Magier vernahm. Offenbar störte es die Herrschaften irgendwie immens, dass einer der ihren alleine einem Teufel gegenüberstand. Entweder hatten sie doch so etwas wie Heldenmut in sich finden können oder sie stritten gerade darum, welcher armer Einfaltspinsel nun zu Griffins Rettung eilen musste. „Deine Anwesenheit sorgt hier nur für Trubel“, zischte Griffin. „Begib dich dort drüben in den Wald, keine Meile von hier befindet sich eine große Lichtung. Geh auf der Stelle dorthin.“ Shimo hob eine Augenbraue und wirkte nicht mal ansatzweise beeindruckt, dass ein Dreikäsehoch den Befehlston raushängen ließ. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich auf dich höre, oder etwa doch?“, fragte mein Vater amüsiert. Griffin knirschte mit den Zähnen. Eine Zeit lang starrte er meinen alten Herrn einfach nur mit einem undefinierbaren Blick an, der mir irgendwie nicht so recht gefallen wollte. Auch meine Mutter hatte immer so einen Gesichtsausdruck auf, wenn sie sich irgendeine ganz besonders fiese und bösartige Bestrafung ausdachte. Nun, im Grunde konnte es mir herzlich egal sein, was mein kleines Meisterchens mit Shimo anzustellen gedachte, aber irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass auch ich ins Schussfeld geraten würde. Und wie so oft hatte ich Recht. Griffin streckte plötzlich in einer übertrieben theatralischen Geste den Arm aus, deutete auf mich und meinte hochtrabend: „Vergiss nicht, dass ich das Leben deiner Tochter in der Hand habe! Wenn du mir nicht umgehend gehorchst, werde ich sie ungeheure Schmerzen fühlen lassen, dass sie sich wünschte, sie wäre tot.“ Aua. Irgendwie klang das gar nicht berauschend. Es gab zwar genügend Teufel, die auf Pein und Schmerzen standen und es regelrecht darauf anlegten, zerquetscht, zerkratzt, verprügelt und verbrannt zu werden, aber ich gehörte nicht zu dieser Kategorie. Mein Blick fiel auf Inuyasha, der schlaff in Griffins Armen hing. Würde ich am Ende auch so aussehen? Gequält und verbrutzelt? Darauf hatte ich eigentlich nicht wirklich Lust. Und ausnahmsweise war ich mal ganz froh, dass Shimo teuflisch-untypische Eigenschaften wie Mitleid besaß und es nicht ertragen konnte, seine Tochter leiden zu sehen. Tyaria hätte sich wahrscheinlich vergnügt die Show angesehen und Griffin bei seiner kleinen Folter sogar noch angefeuert, aber Shimo war viel zu gutherzig, um so etwas über sich ergehen zu lassen. „Na fein“, meinte er schließlich. „Ich gehe zu dieser Lichtung, ganz wie der Engel es befiehlt. Aber lass mich bloß nicht zu lange warten.“ Für einen Augenblick musste ich wohl annähernd dankbar ausgesehen haben, denn Shimo warf mir eins seiner ekelerregenden Lächeln zu. Ich bemühte mich sodann schnell um eine finstere Miene, um noch mal deutlich die verschiedenen Fronten klarzumachen. „Wir sehen uns dann, Schatz“, meinte er daraufhin bloß lächelnd, während er mit einem Satz über die Flammenwand sprang. Auf der anderen Seite hörten wir sofort das erschrockene Geschrei der dort versammelten Vollidioten, die wahrscheinlich die ganze Zeit über dumm dreinglotzend das Feuer angestarrt hatten und nun vor dem plötzlich auftauchenden Teufel zurückschreckten. Als ich spürte, wie sich mein Vater immer weiter entfernte, ließ ich mein kleines Feuerchen erlöschen, bis nichts mehr daran erinnerte. Sofort schauten wir in die Gesichter besorgter oder ängstlich dreinschauender Feiglinge, die wohl nicht so recht zu wissen schienen, was sie von dem Ganzen halten sollten. Am liebsten hätte ich laut aufgestöhnt und die gesamte Mannschaft einmal ordentlich in die Mangel genommen. Meine Güte, hatten die denn noch nie einen Teufel und ein paar magische Höllenflammen gesehen? Lebten die wirklich dermaßen hinter dem Mond? Unglücklicherweise durfte ich meinem Missmut jedoch keine Luft machen. Stattdessen versetzte ich mein zartes Puppengesichtchen in einen Ausdruck, der hoffentlich annähernd an Furcht erinnerte, und tat eingeschüchtert, während ich mich in Wahrheit am liebsten von der nächsten Klippe gestürzt hätte. „Griffin, alles in Ordnung?“ Winston und einige andere stark beleibte Engländer kamen auf uns zugewatschelt und musterten uns sorgenvoll. „Wir haben versucht, diese höllische Mauer zu durchbrechen, aber die Magie dieser Kreatur war einfach zu mächtig.“ Ja, ja, wer’s glaubt … Ich hatte keinerlei Versuche gespürt, die darauf hingedeutet hätten, dass sich von außen jemand an meinem Feuer zu schaffen gemacht hatte. Nicht mal den allerkleinsten Versuch. Elende Heuchler! „Was war das nur für ein Wesen?“, murmelte Winston. Er strich sich nervös durch den Schnurrbart, während er in die Richtung schaute, wo Shimo verschwunden war. „Ein Teufel, das hat er doch selbst gesagt“, murrte ich übellaunig. Augenblicklich bemerkte ich meinen Fehler, als das Siegel zu prickeln begann. Auch die überraschten Blicke der übrigen Herrschaften taten ihr übriges. Rasch zauberte ich ein unschuldiges Lächeln auf meine Lippen und zwitscherte: „Oder etwa nicht, meine Herren?“ Winston starrte mich noch einen Moment lang mit einem undefinierbaren Blick an, sodass ich fast dem Glauben verfallen wäre, er ahnte etwas. Aber als sich seine Gesichtszüge wieder entspannten, machte er mir seine Unterbelichtheit wieder mehr als deutlich. „Passiert das hier häufiger?“, erkundigte er sich. „Äh“, meinte ich äußerst geistreich, während ich einen unauffälligen Blick zu Griffin warf. Dieser zuckte bloß mit den Schultern und symbolisierte mir damit, dass ich Winston jeden Käse erzählen durfte, der mir einfiel. „Nun … durchaus, das geschieht öfter. Hier leben zahlreiche Dämonen und auch Höllenbewohner lassen sich häufig blicken. Es ist wirklich furchtbar.“ Ich hätte vielleicht noch was schluchzen und schniefen können, aber dazu hatte ich nun wirklich keinen Bock. Ich verbrauchte fast meine ganze Energie dafür, mich davon abzuhalten, Winston nicht die Fresse zu polieren. Sein pseudo-mitleidiger Blick konnte sogar eine solch beherrschte und vernünftige Teufelin wie mich aufregen. „Ist es wirklich so schrecklich?“ Er sah mich mit seinen großen Glotzaugen an und schien wohl kurz davor zu stehen, mich in den Arm zu nehmen, mir über den Kopf zu streicheln und mir zu versichern, dass alles gut werden würde. Aber nicht mit mir, Freundchen! Shimo hatte es vielleicht geschafft, mich zu überrumpeln, aber einem jämmerlichen Menschen würde ich diese Genugtuung sicher nicht gönnen. Ich wich einen Schritt zurück und machte somit klar, dass Körperkontakt nicht erwünscht war. „Die Youkai sind so furchtbar böse und grässlich“, klagte ich mein Leid. Nun, zumindest hielten sich diese Schwachköpfe für böse, aber besonders hinterhältig waren sie eigentlich nicht. Bloß eine Gruppe Schaumschläger, die einen Teufel höchstens zum gähnen bringen konnte. Grässlich waren diese Kerl aber durchaus – allerdings in einem anderen Sinne, als Winston und seine englischen Torfnasen es gerade verstanden. „Das ist ja wirklich grauenhaft“, meinte Winston. Er wandte sich seinen besagten Torfnasen zu und sagte: „Da müssen wir doch irgendwas unternehmen. Wir können diese armen Menschen immerhin nicht im Stich lassen.“ Und sofort schwellten diese Affen ihre Brust und begannen zu debattieren, als würde ihnen ernsthaft etwas daran liegen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um japanischen Bauern bei ihrem Dämonenproblem zu helfen. Ich hätte laut aufgelacht, wäre das meiner Tarnung würdig gewesen. „Was für erbärmliche Idioten ihr doch alle seid“, flüsterte ich Griffin zu. „Freu dich drauf, wenn du älter und kahlköpfig bist, wirst du auch so ein furchtbarer Jammerlappen sein.“ Ich hielt kurz inne und korrigierte mich dann schnell: „Na ja, wenn du je so alt werden wirst, was ich doch sehr bezweifle.“ Griffin bedachte mich mit einem giftigen Blick und drückte mir Inuyasha wieder in die Arme. Der Hanyou hatte von der ganzen Aufregung nichts mitbekommen, aber allmählich wurde er wieder was munterer. Einige seiner Gliedmaßen zuckten ab und zu und auch seine Augenlider hatten vorhin kurz geflattert. Ich war verführt, seinen Kopf gegen den nächsten Baumstamm zu donnern, damit unser süßer Wonneproppen noch ein bisschen weiterschlief. Während ich überlegte, ob ich unserem Engelchen nun Gewalt antun sollte oder nicht, hatte Griffin sich zu den britischen Herrschaften gedreht und begonnen, ihnen irgendwelche Lügengeschichten aufzutischen. Er laberte etwas davon, dass der böse, böse Teufel ihm und mir einen furchtbaren Schock versetzt hätte, wir dringend etwas Ruhe benötigten und noch allerlei anderes unwahres Zeug. Jeder halbwegs Vernünftige mit einer einigermaßen passablen Intuition hätte seine dummen Schwindeleien sofort durchschaut, aber die Engländer waren viel zu sehr in ihre Dämonen-Zerstörungspläne vertieft, als dass sie Griffin richtig zugehört hätten. Somit konnten wir uns ohne großes Tamtam aus dem Staub machen, nur beobachtet von einer äußerst missbilligend aussehenden Beth. Ich schenkte ihr ein falsches Lächeln und winkte ihr zu, was ihre Stimmung zu meiner Freude noch zu senken schien. „Müssen wir denn unbedingt zu meinem Vater?“, fragte ich seufzend, als wir aus dem Blickfeld der anderen verschwanden und uns in die Wälder schlugen. „Aber natürlich“, meinte Griffin hochnäsig. „Er wird ein wichtiges Mitglied meiner Armee werden. Seine Fähigkeiten sind sehr praktisch.“ Seine Fähigkeit zur vollkommenen Selbstzerstörung mangels gesundem Teufelsverstandes oder eher seine Fähigkeit zur absoluten Gehirnschmelze aller näherstehenden Personen? „Und was erhoffst du dir von ihm?“, fragte ich knurrend. „Er ist im Grunde nur gut darin, Ärger zu machen. Glaub mir, er wird dich schneller zum heulen bringen, als du ‚Weltherrschaft’ sagen kannst.“ Wobei das genaugenommen gar nicht mal so schlecht war. „Ich habe mir sagen lassen, dass er ein ungemein gutes Gespür für Magie hat“, erklärte Griffin, während er versuchte, mit der Hand einige lästige Insekten zu verscheuchen. „Sogar ausgesprochen gut.“ Ich hätte ihm zustimmen können, aber ich beließ es bei einem Brummen. Es hätte nur unnötig sein Selbstwertgefühl gestärkt, wenn ich ihm bestätigt hätte, dass mein alter Herr ein ausgezeichneter Magiedetektor war. Besonders praktisch, wenn man irgendwo in seinem chaotischen Zuhause den magischen Schlüsselbund verlegt hatte. „Und was bringt dir das?“, wollte ich wissen. Griffin lächelte spitzbübisch. „Hast du Emmerett nicht zugehört? Wir sind beide auf der Suche nach dem Shikon no Tama. Die meiste Zeit können es unsere Diener nicht spüren, nur ab und zu flackert es mal kurz auf.“ Er warf einen Blick auf das Häufchen Elend in meinem Armen. „Inuyasha hat mir gesagt, dass Juwel ist im Besitz eines Dämons, der offenbar einen starken Bannkreis errichten und sich somit regelrecht unsichtbar machen kann.“ Aha. Also hoffte er, dass dieser dumme Bannkreis die Nase meines Vaters nicht beeinträchtigen würde. Im Grunde kein schlechter Gedanke. Solche dämonischen Kinkerlitzchen waren für einen Teufel meistens ein Kinderspiel. Und für einen Magiedetektiv wie Shimo wäre es sicherlich ein Leichtes, diesen Dämon mit dem Juwel zu finden. Ich gab es ungern zu, aber Griffin schien sogar richtig nachgedacht zu haben. Dennoch gab es bei dem Ganzen immer noch ein Problem: Shimo war ein unberechenbarer Faktor! Bei ihm konnte man sich stets darauf verlassen, dass irgendwas schiefging. Blieb nur noch die Frage, ob sich das für mich oder doch eher für Griffin negativ auswirken würde. Kapitel 9: Ungewöhnliche Gesprächspartner, grummelige Hunde, das ultimative Schreckensreich und ein seltsamer Modegeschmack --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Shimo wartete bereits auf der Lichtung. Er hockte auf dem hohen Gras, das von widerlich quietschbunten Blümchen übersät war, und sprach mit einem Kaninchen, welches an dem Grünzeug mümmelte und meinen Vater verdutzt anstarrte. Wahrscheinlich philosophierte dieser Idiot gerade über die derzeitige politische Lage der Hölle, während das Häschen sich fragte, ob Shimos Haare essbar waren. „Ist dein Vater ein wenig geistesgestört?“, fragte Griffin mich, als er dieses ungewöhnliche Bild erblickte. Ich konnte darauf nur stöhnen und die Augen verdrehen. Hatte ich das durch meinen lautstarken Protest und meine immerwährenden Aussagen, dass Shimo ein kompletter Volltrottel mit schwerem Realitätsverlust war, nicht mehr als deutlich gemacht? Hätte ich es mir auf die Stirn tätowieren sollen, damit er mich endlich für voll nahm? „Sag mal, kann ich jetzt eigentlich mein süßes Zuckerpuppenimage ablegen?“, fragte ich, auf Griffins Beschränktheit nicht weiter eingehend. „Es sind keine Menschen mehr in der Nähe, zu dem blöden Bankett werden wir hoffentlich auch nicht zurückgehen und abgesehen davon zwickt dieser blöde Kimono ganz schön.“ Und außerdem wollte ich mal wieder ordentlich fluchen, ohne Gefahr zu laufen, vom Siegel angegriffen zu werden. Aber diesen Punkt ließ ich lieber außen vor, Griffin schien eine mir völlig unverständliche Abneigung gegen mein Schimpfwörterrepertoire zu haben. „Na fein“, meinte Griffin großzügig. „Ihr könnt euch wieder zurückverwandeln. Das ist wahrscheinlich auch das Beste.“ Ich konnte mir ein fröhliches Grinsen nicht verkneifen. Sanft wie eine liebevolle Mutter ließ ich den immer noch benommenen Inuyasha auf den Boden plumpsen, wo er mit verrenkten Gliedern liegenblieb und ein klägliches Brummen von sich gab. Ich beachtete den grummeligen Hanyou nicht weiter, sondern schloss meine Augen und ließ die Magie durch meinen Körper strömen. Mein ganzer Leib erwärmte sich, als meine Gestalt sich wieder in die altbekannte Form zurückverwandelte. Aus und vorbei war es mit der flachbrüstigen, naiven Unschuld vom Land, die immer lieb lächelte und dumm wie ein Vogel in der Gegend herumzwitscherte. Glücklich seufzend streckte ich meine Arme und Beine. Es war klasse, wieder groß, lasziv und teuflisch zu sein. Und ich hoffte sehr, dass Griffin mir kein weiteres Mal befehlen würde, meine Gestalt zu ändern. „Und was ist mit Inuyasha?“, hakte mein Meisterchen nach. Ich schaute hinab auf das weiße Wollknäuel, das in der Zwischenzeit ächzend versucht hatte, sich auf die vier Pfötchen zu stellen und dabei kläglich gescheitert war. Schwer wie ein Mehlsack plumpste er wieder ins hohe Gras, leise vor sich hinknurrend. „Was ist mit ihm?“, erkundigte ich mich. „Er ist noch immer ein Welpe!“ Der Junge war auch wirklich ein Blitzmerker. „Ganz recht“, bestätigte ich lächelnd. „Und hättest du vielleicht die Güte, ihm ebenfalls seinen alten Körper zurückzugeben? In dieser Gestalt wirkt er irgendwie nicht besonders furchterregend. Die anderen Dämonen werden uns auslachen.“ Ehrlich gesagt fand ich ihn als weißen Kuschelköter um einiges angsteinflößender als als großen, griesgrämigen Kerl mit Hundeohren. Aber vielleicht war das auch nur die Meinung eines Teufels, der beim Anblick alles Süßem und Knuddeligem das Bedürfnis verspürte, sich das Essen noch mal durch den Kopf gehen zu lassen. Jedoch konnte ich mich Griffins Befehl nicht verweigern, so gern ich Inuyasha auch in diesem Körper belassen und ihn damit zur Weißglut getrieben hätte. Ich legte dem knuffigen Hundebaby die Hand auf den Kopf und ließ der Magie freien Lauf. Innerhalb eines Sekundenbruchteils wuchsen Inuyashas Glieder rapide an und der mir nur allzu bekannte und verhasste Hanyou mit seinem roten Fummel und dem langen Gartenmesser war wieder da. „Ach, ist das nicht der Sohn des Hundefürsten?“ Shimo war inzwischen zu uns hinüberspaziert, als sein Gesprächspartner abgehauen war, um einer heißen Hasenbraut hinterher zu jagen und mit ihr in einer Höhle wahrscheinlich viele kleine Hasenbabys zu produzieren. Durchaus verständlich, dass solch eine Beschäftigung etwas interessanter war als eine einseitige Diskussion über die politische Situation in der Hölle. Mein Vater trat an den Hanyou heran und tippte ihn kurz mit seiner Stiefelspitze an, woraufhin Inuyasha ein komisches Brummgeräusch von sich gab und irgendwas ins Gras nuschelte. Keine Ahnung, was dieser Idiot da von sich gab, aber irgendwie klang es nicht nach einer Ode an die Sonne. „Was macht er denn hier?“, wollte mein Vater wissen. „Das ist alles ein schrecklicher, furchtbarer, entwürdigender und entsetzlicher Zufall“, erklärte ich ihm knapp die Situation. „Oder aber es ist Schicksal, ich weiß nicht genau. Auf jeden Fall ist es schrecklich, furchtbar, entwürdigend und entsetzlich.“ Zwar nicht ganz so schrecklich, furchtbar, entwürdigend und entsetzlich wie meine Blutsverwandtschaft mit Shimo, aber es war nahe dran. Irgendwie verspürte ich schon wieder das Verlangen, mich zu erhängen. „Also, Kleiner“, Shimo hatte sich inzwischen an Griffin gewandt, während ich selbst noch etwas im Selbstmitleid ertrank, „ich weiß ganz genau, wieso du mich hierher bestellt hat. Ich bin nicht dumm.“ Bei diesem Kommentar entschlüpfte mir verständlicherweise ein verächtlicher Lacher. „Du hast sicherlich nicht die Spur für mich hinterlegt, damit ich dich schneller finden und töten kann, nicht wahr?“ Shimo schnaubte. „Du benutzt also meine Tochter als Druckmittel, um mich zu zwingen, mich deiner tollen, kleinen Armee anzuschließen, ist das soweit richtig?“ Wow, ich war beeindruckt. Er hatte alle Zusammenhänge verknüpft und war sogar zu einem logischen Ergebnis gekommen. War er jetzt vielleicht endlich in medikamentöser Behandlung? „Das ist absolut richtig“, meinte Griffin hochtrabend. „Und du brauchst mich gar nicht so vorwurfsvoll anzusehen, Teufel. Ich tue nichts moralisch Verwerfliches. Wahrscheinlich ist Gott sogar stolz auf mich, dass ich euch schwarze Schergen benutze, um dieses Land zur Ordnung zu verhelfen.“ Ich hob skeptisch eine Augenbraue. Glaubte der Dreikäsehoch diesen Quatsch etwa wirklich? Irgendwie schon bedauerlich, so ein schwer gestörter Geist mit Allmachtsfantasien. „Und du denkst wirklich, dass ich auf diesen Handel eingehe?“, fragte Shimo. Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton, fast schon scharf und giftig. Entsann er sich jetzt endlich nach knapp fünftausend Jahren, dass er eigentlich ein gewissenloser und bösartiger Teufel und kein weichgespülter Waschlappen war? Erstaunlich, aber offenbar schien die Entführung seiner Tochter und die Benutzung des verfluchten Siegel des Helios doch tatsächlich teuflische Anwandlungen bei ihm zu wecken. „Du hast keine andere Wahl“, sagte Griffin mit geschwellter Brust. Ihn kümmerte es augenscheinlich wenig, dass er ein gutes Stück kleiner und schmächtiger war als mein alter Herr und Shimo im Grunde nur zu niesen gebraucht hätte, um den Bengel von den Füßen zu reißen. „Wenn du dich nicht meinem Willen beugst, wird Rasia unerträgliche Qualen erleiden und schließlich den Tod als Erlösung empfinden. Ich werde sie erbarmungslos in die Hölle schicken!“ Während sich auf meinen Lippen ein strahlendes Lächeln bildete, schien Griffin seinen Fehler zu erkennen und korrigierte hastig: „Äh, in den Himmel, meine ich.“ Schade. Er hätte mich ruhig in die Hölle schicken können, da hatte ich wirklich nichts gegen. Aber in den Himmel? Oh nein, nur über meine Leiche! Ich hatte schon mit einigen Teufel geredet, die sich in dieses Schreckensreich begeben hatten, und alle hatten mit aschfahlen Gesichtern vom Grauen des Himmels erzählt. Hell und strahlend, von allen Seiten dröhnte Dudelmusik einher und überall liefen diese Irren mit ihren Bettlaken, den glänzenden Heiligenscheinen und ihren Musikinstrumenten durch die Gegend. Da hätte ich lieber freiwillig meine 47 oder 48 Neffen und Nichten bei mir zu Hause aufgenommen und mich ab jetzt von ihnen ‚Mama’ nennen lassen, als auch nur einen Fuß in den gottverdammten Himmel zu setzen! „Du bluffst doch nur“, meinte Shimo. „Du brauchst Rasia noch. Hättest du dir sonst die Mühe gemacht, sie aus der Hölle zu holen?“ Griffin schien ertappt, offenbar lag ihm kein dazu passender Kommentar auf den Lippen. Ich konnte währenddessen meinen Vater einfach nur erstaunt anschauen und mich über seine untypische Gehirnaktivität wundern. Anscheinend stand er wirklich unter Drogen. „Nun gut, ich gebe zu, ich würde Rasia wirklich ungern opfern“, erklärte Griffin zähneknirschend. „Aber ich würde es dennoch tun, so unersetzbar, wie du glaubst, ist sie schließlich nicht. Teufel wie sie gibt’s wie Sand am Meer, habe ich mir sagen lassen.“ Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich diesen Knirps liebend gern erwürgt und massakriert hätte? „Außerdem habe ich Gewalt über sie, vergiss das nicht.“ Griffins Stimme klang wieder so arrogant wie eh und je. „Ich könnte ihr befehlen, dich zu töten. Und weder sie noch du könnten das irgendwie verhindern. Du armer Wicht wärst dann tot, während deine Tochter verrückt werden würde vor Schuldgefühlen und Verzweiflung.“ Schuldgefühle? Verzweiflung? Ich hätte eine Party gefeiert, wäre mein stupider Erzeuger endlich ins Jenseits übergegangen. Das wäre zum glücklichsten Tag meines Lebens geworden. Ich grinste vor mich hin und hoffte, dass Shimo weiter unnachgiebig blieb, sodass ich ihn in kleine Häppchen schneiden könnte. „Oder ich zwinge sie, vor deinen Augen ihre Mutter umzubringen“, fuhr Griffin fort. Mein Grinsen verschwand sofort. Gegen Tyaria hätte ich nicht den Hauch einer Chance, das wäre dann eher mein Todesurteil gewesen. Ich sah es geradezu vor mir, wie sie mich lachend in winzig kleine Stückchen sprengte. Vielleicht war es doch langsam an der Zeit, dass Shimo klein beigab. „Oder wie wäre es mit all den netten Kindern, die sich bei meinem Besuch in der Hölle in Rasias Garten getummelt haben?“, meinte Griffin. „Das wären doch nette Zielscheiben.“ Shimos Gesicht nahm einen Ausdruck an, den man halbwegs als finster bezeichnen konnte. „Du willst wirklich Kinder ermorden?“ „Teufel!“, verbesserte Griffin. „Ob nun Kinder oder Erwachsene, die sind doch alle gleich.“ Ich warf einen Blick auf meinen Vater. Er machte den Anschein, als wollte er nachgeben, um seine Familie zu beschützen, und mir war nicht so recht klar, ob ich das nun gutheißen konnte oder nicht. Einerseits waren sein Mitgefühl und seine Zuneigung zu seinen Verwandten extrem unteuflisch und beweißten mal wieder mehr seine Inkompetenz. Außerdem hätte ich dann an seiner Seite in Griffins Privatarmee kämpfen müssen und darauf hatte ich nun gar keinen Bock. Aber andererseits hatte ich irgendwie noch weniger Lust, meine Nichten und Neffen umzubringen. Die Gören waren zwar extrem nervig, doch sie gleich zu töten, erschien mir doch etwas drastisch. Und wer hätte dann sonst meinen Garten von lästigen Kobolden und anderem Ungeziefer befreit? „Na gut“, ergab sich mein Vater schließlich. „Aber vielleicht solltest du dich mal fragen, Kleiner, wer von uns eigentlich der größere Teufel ist? Wir, die so geboren wurden, oder eher du, der du bereit bist, unschuldige Kinder zu töten?“ Einen Moment sah es wirklich so aus, als hätte Shimos Moralpredigt eine Auswirkung auf Griffin, mochte sie auch noch so gering sein, aber schnell hatte der englische Pickel wieder seine harte Miene aufgesetzt. Er trat auf meinen Vater zu und berührte dessen rechten Handrücken. Kurz darauf erschien das Siegel des Helios auf seiner Haut, mit einer mindestens genauso blassen Färbung wie meines. Ich seufzte schwer. Jetzt war’s amtlich, mein Vater und ich spielten momentan in derselben Liga. Konnte es noch schlimmer werden? Als sich Inuyasha ächzend und stöhnend neben mir aufrappelte, war meine Frage damit zur Genüge beantwortet. Es konnte in der Tat noch schlimmer werden! Hätte der Köter nicht noch ein paar Stunden, Tage oder Jahrhunderte durchschlafen können? „Du … du weißt nicht, worauf du dich da einlässt“, erklärte er Griffin mit rauer Stimme. Sein hübsches Silberhaar sah aus, als hätte eine ruppige Krähe versucht, sich daraus ein Nest zu bauen, und seine Augenringe reichten fast bis zum Boden. Auch machte es den Anschein, als hätte er Mühe, sich ganz aufzurichten. Aber abgesehen von diesen nicht besonders nennenswerten Wehwehchen ging es diesem Mistkerl leider wieder viel zu gut! War es wirklich zuviel verlangt zu sehen, wie er ein bisschen Blut spuckte, einer seiner Arme abfiel oder eine gebrochene Rippe aus seinem Körper ragte? „Mir ist sehr wohl bewusst, dass Teufel verräterische, heimtückische, schwarze Seelen sind – sofern sie überhaupt so etwas wie eine Seele besitzen“, meinte Griffin. „Ich weiß, worauf ich mich einlasse, du kannst dir deine Ratschläge also sparen.“ Inuyasha schnaubte, was ihm aber offenbar sehr in der Kehle schmerzte, woraufhin er sein Gesicht verzog. Ich beobachtete genüsslich, wie das Hündchen unter seinen Verletzungen zu leiden hatte. „Ist dir auch klar, dass … dass die beiden völlig geistesgestört und verrückt sind?“, erkundigte sich Inuyasha, der anscheinend all seine Kraft aufbringen musste, um nicht zu Boden zu sinken. Ich zog derweil meine Mundwinkel nach unten. Also wirklich! Diese Beschreibung traf zugegebenermaßen bestens auf meinen Vater zu, aber meine Wenigkeit musste weit davon distanziert werden. Als ob ich verrückt wäre … „Darf ich vielleicht erfahren, was für Ziele unser neuer Herr eigentlich verfolgt“, meldete sich Shimo. Er nahm Griffin intensiv ins Visier. „Die Gunst einer schönen Frau, die neuste Modekollektion aus Paris oder doch gleich die Weltherrschaft?“ Während Griffin ihm mit hochtrabenden Worten und Gesten von seinen phänomenalen Plänen erzählte und Inuyasha zu einem Felsbrocken humpelte, auf dem er sich keuchend niederließ, wanderte mein Blick nach links, wo sich einige Gestalten durch das Blätterwerk eines Busches kämpften, um auf die Lichtung zu gelangen. Mit Wohlwollen betrachtete ich, wie die riesigen Füße Shenyts die ekelerregenden Blümchen zerquetschten. Unbeeindruckt bahnte er sich mit großen Schritten seinen Weg, während der kleine Calyr Probleme hatte, ihm zu folgen. Der Gnom wirkte ziemlich abgehetzt, was darauf schließen ließ, dass Shenyt keine Rücksicht auf seine kurzen Beine genommen hatte. „Griffin-Meister, da seid ihr ja endlich!“, sagte Shenyt mit seiner dröhnenden Stimme. „Wir haben die ganze Zeit darauf gewartet, dass Ihr dieses dumme Menschen-Bankett verlasst. Es war entsetzlich langweilig, die ganze Zeit zu warten.“ Meine Güte, der dumme Ochse hatte, als Griffin sich in der Hölle herumgetrieben hatte, ganze zwei Wochen auf seinem Allerwertesten gesessen und nichts weiter getan als zu warten! Waren da plötzlich schon zwanzig Minuten zuviel des Guten? „Ihr wart aber extrem schnell!“, meinte Griffin anerkennend. „Gute Arbeit! Und, was habt ihr mir zu berichten?“ Shenyt trat zur Seite und entblößte damit eine dritte Gestalt, die sich in seinem Windschatten versteckt hatte. Es war eine zierliche Frau, gerade mal ein paar Zentimeter größer als Griffin, mit zerzausten roten Haaren, violetten Augen und spitzen Ohren. Ihre Kleidung, ein dunkelblauer Kimono, wirkte irgendwie extrem angesengt, nur gerade so konnte man die Farbe erahnen. Was auch immer die Kleine erlebt hatte, es war offenbar hoch hergegangen! „Hisa!“, stieß Griffin aus. Fassungslos betrachtete er seine äußerst mitgenommene Dienerin, welche wiederum ihren Herr und Meister mit hasserfüllten Augen musterte. Offenbar war die Gute auf den Knirps gerade nicht allzu gut zu sprechen – kein Wunder, immerhin war es Griffins Befehl gewesen, der sie in diese feurige Lage gebracht hatte. Shimo währenddessen schaute Hisa interessiert an. „Ihr Erdenfrauen habt irgendwie einen seltsamen Modegeschmack. Ist es gerade bei euch angesagt so auszusehen, als sei neben einem eine Bombe explodiert?“ Hisa warf Shimo einen giftigen Blick zu. „Bist du etwa der Teufel aus der Hölle?“ Sie wandte sich abrupt an mich und fragte: „Hat er das gerade ernst gemeint oder war das nur ein schlechter Witz auf meine Kosten?“ Ich lächelte schwach. „Ich fürchte, er hat das völlig ernst gemeint. Er ist etwas krank im Oberstübchen, weißt du?“ Bevor Hisa weiter nachhaken konnte, räusperte sich Griffin vernehmlich, um somit die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Mit unseren neuen Mitgliedern kannst du dich später anfreunden, Hisa. Jetzt möchte ich erstmal wissen, was überhaupt passiert ist? Wo ist Akako?“ Hisas Augen verfärbten sich rot. „Tot!“, stieß sie wütend hervor. „Tot, tot, tot! Und es ist alles deine Schuld, du dreckiger Wicht!“ Griffin wirkte wenig beeindruckt. Natürlich schmerzte ihn der Verlust einer Dienerin, aber eine Verantwortlichkeit für ihren Tod sah er nicht. Ich schätzte mal, dass das Ableben eines Youkai, ob nun durch sein Verschulden oder nicht, ihm keine schlaflosen Nächte bescheren würde. „Und wie ist das geschehen?“, fragte er nach. Hisa schien Griffins Herzlosigkeit regelrecht auf die Palme zu bringen. Sie wollte sich schreiend auf ihn stürzen, aber Shenyt konnte die zierliche Gestalt mit bloß einer seiner Pranken umfassen und somit an ihrem Vorhaben hindern. „Lass mich los!“, schrie sie und zappelte wie verrückt im Griff des Riesen. „Dieser Mistkerl hat meine Schwester auf dem Gewissen, dafür wird er bezahlen! Ich werde diesen Wurm einen Kopf kürzer machen!“ Ich hatte Mitleid mit der armen Dämonin. Sie war genau wie ich (und auch all die anderen Trottel) bloß ein Opfer dieses größenwahnsinnigen Magiers. Würde ich früher oder später auch so herumschreien? „Ich verstehe, dass du ihn umbringen willst, aber damit tust du auch uns weh“, redete Shenyt auf die tobende Hisa ein. Die Youkai schien seine Worte zunächst nicht gehört zu haben, dann aber stöhnte sie auf und entspannte sich wieder. Als Shenyt sie schließlich losließ, sank sie kraftlos zu Boden. „Was ist geschehen?“, fragte Griffin nach. „War es einer von Emmeretts Männern?“ Hisa nickte. „Er war … einfach furchtbar. Er hatte so ungeheure Kräfte. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen.“ Ich musste an Saphiel denken, den Engel, den Emmerett sich aus dem Himmel gepflückt hatte. Der Knabe mochte harmlos ausgesehen haben, aber die Kerle waren ganz gewiss nicht zu unterschätzen. Dämonen Angst einzujagen war auf jeden Fall für sie ein Kinderspiel. „Und das Juwel?“, bohrte Griffin weiter. Hisa bedachte ihn mit einem finsteren Blick, antwortete aber wie geheißen: „Das, was wir gespürt haben, war nicht das komplette Juwel. Nur zwei Splitter, die in den Beinen eines Wolfes gesteckt haben.“ Ich bemerkte, wie Inuyasha bei diesen Worten alarmiert aufblickte. „Bevor wir die Splitter einsammeln konnten, ist dieser … dieser Kerl aufgetaucht und hat uns angegriffen. Akako hat es nicht geschafft …“ Ihre Worte erstarben, die Augen wurden feucht. Ein heulender Youkai – das ich das noch erleben durfte! „Und was ist mit den Splittern?“ Griffin musterte die am Boden kauernde Dämonin gespannt. „Hat Emmeretts Diener sie erwischt?“ Hisa schüttelte den Kopf, während sie sich mit dem Handrücken über ihre tränennassen Augen wischte. „Der Wolf war verdammt schnell und ist abgehauen, noch bevor Akako tot war. Der war über alle Berge.“ Sie schwieg kurz und fügte hinzu: „Es kann natürlich sein, dass dieses Monster ihn hinterher noch erwischt hat. Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.“ Inuyasha machte den Eindruck, als wollte er irgendeinen Kommentar abgeben, doch noch bevor ein Wort seinen Mund verließ, schloss er diesen auch schon wieder. Ich musterte ihn argwöhnisch, woraufhin er mich mit einem düsteren Blick bedachte. „Na fein, na fein.“ Griffin tippte sich gegen das Kinn. „Anscheinend hat Emmerett einen äußerst starken Diener auf seiner Seite. Ausgesprochen stark sogar, immerhin habe ich Hisa und Akako nicht umsonst ausgesucht.“ „Der Engel“, sagte ich sofort. Für mich bestand da kein Zweifel. Auch Griffin schien sich dies bereits gedacht zu haben, er nickte bestätigend. Shimo hingegen schaute verwirrt von einem zum anderen. „Ein Engel? Wölfe mit Splittern? Was ist hier eigentlich los?“ Wenn ich ehrlich war, konnte ich diese Frage auch nicht wirklich zufriedenstellend beantworten. Auch wenn diese Knirpse glaubten, alles unter ihrer Kontrolle zu haben, wurde ich das Gefühl nicht los, als wäre schon längst alles aus dem Ruder gelaufen. Am Ende würden sie einfach alle ihre Diener aufeinander hetzen, bis niemand mehr am Leben war, und sich dann eingestehen müssen, dass diese dämliche Wette einfach nicht zu gewinnen war. Und ich hatte so überhaupt keinen Bock, mich mit Engeln zu kloppen! __________________________________________________ Na ja, wer hat das schon? ;) Ich komm im Moment ziemlich gut mit dem Schreiben voran, darum ging's diesmal was schneller. Aber da ich jetzt bald intensiv an meiner Hausarbeit arbeiten muss und auch das Semester langsam näherrückt, kann ich nicht versprechen, dass das jetzt länger so anhält. Ich werde mich aber trotzdem bemühen ;) Dann vielen Dank für die Aufmerksamkeit und für eure lieben Kommentare ^_______^ Man liest sich im nächsten Kapitel! Kapitel 10: Langweilige Vorträge, noch langweiligere Lichtungen, hübsche 'Dongs' und schreckliche Nervensägen ------------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Na gut, na gut.“ Griffin klatschte laut in die Hände, als wollte er uns damit irgendwie aus dem Tiefschlaf reißen oder uns auf extrem jämmerliche Art motivieren. Wir armen, versklavten Seelen brauchten jedoch schon etwas mehr als ein erbärmliches Händeklatschen, um uns unseres Lebens wieder zu freuen. Ein kleines Blutbad wäre zum Beispiel ganz nett gewesen … „Akakos Verlust ist zwar ein Rückschlag, aber im Grunde nicht weiter tragisch“, meinte er gelassen. Hisa schien seine Meinung nicht ganz zu teilen, feindselig starrte sie unser Meisterchen an und malte sich wahrscheinlich gerade in ihrem Kopf seinen qualvollen Tod aus. „Immerhin haben wir nun zwei Teufel an unserer Seite, deren Kräfte uns jetzt ein großes Stück nach vorne gebracht haben. Emmerett wird sich noch wünschen, nie geboren worden zu sein.“ Das wünschte ich mir auch. Dann wäre uns diese dämliche Wette erspart geblieben. „Wir müssen nun so schnell wie möglich das Juwel in unseren Besitz bringen, um unsere Macht noch zu vergrößern“, fuhr Griffin fort. „Wenn ich es erst in Händen halte, hat Emmerett verloren.“ Meine Güte, der Junge litt wirklich an extremen Wahnvorstellungen. Nun gut, der blöde Klunker konnte tatsächlich Kräfte steigern, aber so furchtbar mächtig war es nun auch wieder nicht, dass man mit ihm allein gleich Japan erobern könnte. Wenn das so einfach wäre, hätte das schon irgendein Trottel lange vor Griffin getan. Aber wer war ich, dass ich ihn eines Besseren belehrte? Sollte der Junge bloß genügend Zeit verschwenden, bis dann irgendwann das Siegel auf meiner Hand verblasst war. Je mehr er rumtrödelte und sich an irgendwelchen unwichtigen Details festbiss, umso besser für mich. „Shimo, du wirst die Spur des Juwels aufnehmen und dich zusammen mit Rasia und Inuyasha auf die Suche machen“, befahl Griffin. „Ihr könnt auch Hisa mitnehmen, wenn sie sich körperlich dazu in der Lage sieht.“ Ich warf einen Blick auf die Youkai. Sie sah nicht gerade aus, als könnte sie überhaupt noch einen Schritt vorwärtsgehen, aber ihr Blick war ziemlich entschlossen. „Ich komme mit“, entschied sie mit fester Stimme. Wahrscheinlich hoffte sie, den Engel zu treffen, der Akako auf dem Gewissen hatte, um sich entweder an ihm rächen oder mit wehenden Fahnen ihrer Schwester folgen zu können. Mir sollte es recht sein. Wenn die Kleine sich mit Saphiel prügelte, war ich dann vielleicht aus dem Schneider. „Es könnte aber ein langer Fußmarsch werden“, entgegnete Shimo. Offenbar hatte er schon eine vage Spur erschnüffelt und ungefähr die Entfernung abgeschätzt. „Hältst du das durch?“ Hisa starrte meinen Vater giftig an. Offenbar gehörte sie ebenso zu der Sorte Dämonen, die nicht gerne auf ihre Schwächen angesprochen wurden. „Ich werde das schon schaffen“, zischte sie. „Meine Selbstheilungskräfte sind ausgesprochen stark.“ Nach einer kurzen Analyse ihres Gesundheitszustandes stellte ich fest, dass sie tatsächlich nicht so arm dran war, wie es auf den ersten Blick erschien. Sie hatte zwar Kratzer, Schrammen, Verbrennungen und einen angesengten Kimono, aber die ernsthafteren, inneren Verletzungen waren anscheinend schon so gut wie verheilt. Vermutlich war es vor allen Dingen der unerwartete Tod ihrer geliebten Schwester, der sie so krank aussehen ließ. „Nun gut, ihr vier werdet euch auf die Suche machen“, entschied Griffin. „Shenyt bleibt als meine persönliche Leibwache zurück, während Calyr sich auf den Weg macht und Informationen über den Wolf sammelt. Er besitzt zwar nur ein paar Splitter, aber ich habe gehört, dass schon kleine Bruchstücke des Juwels einem große Macht verleihen.“ Er fuhr so ähnlich fort, plapperte irgendwas von Loyalität, Verbissenheit und Stärke und warf sich übertrieben dramatisch in Pose. Natürlich logisch, dass ich seinem extrem langweiligen Vortrag keinerlei Beachtung schenkte. Als ob ich mich freiwillig foltern ließ … „Dann los“, meinte Griffin schließlich. „Und wehe, ihr enttäuscht mich.“ Hisa schien ein böser Kommentar auf der Zunge zu liegen, aber da ich keine Lust auf eine Zankerei hatte, packte ich das Mädel einfach am Kragen und zerrte sie hinter mir her. Sie protestierte zwar vehement, doch ihre zaghaften Versuche, sich zu befreien, spürte ich kaum. Inuyasha warf noch einen letzten bösen Blick zu Griffin, ehe er uns folgte, und auch mein Vater bequemte sich zu uns. Sein leicht verwirrter Gesichtausdruck verriet, dass ihm immer noch nicht ganz klar war, was hier eigentlich vorging. „Also ich soll jetzt so ein machtvolles Juwel finden?“, erkundigte er sich, als Griffin und die beiden anderen hinter der nächsten Biegung aus unserem Sichtfeld verschwunden waren. „Ganz recht“, sagte Inuyasha nickend. „Spürst du schon was?“ Shimo deutete in Richtung Nordwest. „Dort sammelt sich eine Menge Energie. Möglicherweise ist das euer komisches Juwel … oder auch einfach nur ein mächtiger Dämon oder etwas in der Art.“ Inuyasha folgte dem Fingerzeig und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Besser als gar nichts. Möglicherweise hat dieser nervige Knabe wirklich Recht und du kannst tatsächlich Naraku trotz seines Bannkreises aufspüren.“ „Wer ist denn jetzt Naraku?“, fragte sich Shimo verwundert. Ich horchte auf. Irgendwie kam mir der Name vertraut vor. Hatte ich ihn womöglich schon gehört? Und wieso kam mir bei dessen Erwähnung ein Affe in den Sinn? Hm, sehr merkwürdig … Ich entschied, diese Frage wiederaufleben zu lassen, sobald wir das Shikon no Tama erreicht hatten. Im Moment hatte ich keine große Lust auf anstrengende Denkaktionen, ich wollte einfach nur die Gesellschaft der zwei größten Trottel der Welt irgendwie überleben. Zunächst krochen wir langsam durch den Wald, wahrscheinlich hätte uns sogar eine Horde Schnecken überholen können. Shimo, der Wohltäter schlechthin, wollte Rücksicht auf Hisas Gesundheitszustand nehmen und ich hatte nichts großartig dagegen. Wie schon gesagt, je mehr verschwendete Zeit, desto eher war das Siegel verblasst. Natürlich war somit auch die Zeitspanne, in der ich mit Inuyasha und Shimo im engeren Kontakt stand, um einiges länger, aber ich musste mir eingestehen, dass ich Griffin und dieses verdammte Siegel um einiges mehr hasste als diese zwei Schwachköpfe. Somit war eine längere Reise mit den Hirnis einfach das kleinere Übel. Inuyasha jedoch schien es gar nicht abwarten zu können, diesen Naraku und sein Klunkerchen endlich zu fassen zu kriegen. Er begann schon nach kurzer Zeit zu grummeln, bedachte uns mit allerlei unoriginellen Spitznamen und zickte rum wie ein prämenstruales Weib. Unwillkürlich grub ich in meinem Gedächtnis, ob Griffin mir je verboten hatte, den blöden Köter mal ordentlich zu verdreschen, aber zu meinem Leidwesen entsann ich mich, dass der englische Pickel mal so etwas in der Art erwähnt hatte. Darum blieb mir nichts weiter übrig, als ihn mit giftigen Blicken zu attackieren und ihm verbal einige Schläge zu verpassen. „Ist das nicht schön?“ Als wir etwa eine halbe Stunde unterwegs waren, kam plötzlich mein Vater neben mich und wollte meine Schulter umfassen, aber mit einem warnenden Knurren konnte ich ihn gerade noch davon abhalten. Dennoch ließ er sich nicht weiter von meiner ablehnenden Haltung einschüchtern, sondern grinste einfach weiter. „So einen Tochter-Vater-Ausflug hatten wir schon lange nicht mehr, nicht wahr?“, fragte er mit so einem ätzend wehmütigen Unterton in der Stimme. Ich konnte nur missbilligend die Stirn runzeln. Hielt er das Ganze etwa für einen spaßigen Trip? „Das letzte Mal war es dieses Firmen-Picknick vom Amt für innere Sicherheit und Ungezieferkontrolle, erinnerst du dich noch? Das ist wirklich lustig gewesen.“ Lustig? Ehrlich gesagt erinnerte ich mich nur noch widerwillig an diesen furchtbaren Tag. Es war irgendsoein dummes Picknick gewesen, zu dem meine Eltern eingeladen worden waren und es einer tödlichen Beleidigung gleichgekommen wäre, irgendeine lahme Ausrede zu erfinden. Und um nicht völlig von gehirnamputierten Idioten umgeben zu sein, hatte meine Mutter mich zärtlich wie ein bissiger Drache unter Androhung schwerster Körperverletzung gezwungen, sie zu begleiten. Zu jener Zeit aber hatte ich unter starkem Feuerfieber gelitten und war kaum zurechnungsfähig gewesen. Und als dann auf dieser dummen Party auch noch aus Versehen irgendwie ein paar Tropfen vom irgendwas Alkoholmäßigen in meinem Magen gelangt waren, war es vorbei gewesen. In meinem Fieberwahn hatte ich jedem anwesenden Teufel meine tiefe Liebe und Zuneigung gestanden, angefangen vom höchsten Oberboss bis hin zum mickrigsten Wurm. Niemanden hatte ich ausgelassen, selbstverständlich auch meinen lästigen Vater nicht. Im Grunde kein Wunder, dass sich dieser Volltrottel gerne an diesen Schreckenstag erinnerte, es war das erste und einzige Mal gewesen, dass ich freundlich und tochterhaft zu ihm gewesen war. Und darüber hinaus hatte ich an jenem Abend mindestens fünfzig Einladungen zu irgendwelchen Verabredungen bekommen und in meinem selbstzerstörerischen und desolaten Zustand jeder einzelnen freudestrahlend zugestimmt. Glücklicherweise war ich am nächsten Tag wieder nüchtern und klar gewesen, ansonsten wäre ich inzwischen sicherlich mit einem Haufen Männern verheiratet. Um nicht weiter mit Shimo in diesen schrecklichen Erinnerungen zu schwelgen, sodass er sich vielleicht sogar irgendwann genötigt sah, mir ein Küsschen auf die Wange zu drücken, wandte ich mich an Hisa, die stumm neben uns herging und hasserfüllt in die Gegend starrte. „Darf ich dich mal was fragen, kleiner Dämon?“, erkundigte ich mich höflich. Unverständlicherweise reagierte die Youkai auf meine nette Frage mit einem giftigen Blick, den ich aber einfach geflissentlich übersah. „Griffin hat dir doch befohlen, das Juwel zu beschaffen, und wie man unschwer erkennen kann, bist du mit leeren Händen zurückgekehrt. Warum hat dich das Siegel dafür nicht schon längst bestraft?“ Hisa machte erst nicht den Eindruck, als wollte sie sich zu einer Antwort herablassen, dann aber sagte sie: „Das Siegel erkennt, wenn ein Auftrag unmöglich durchzuführen ist. Dann hebt es den Befehl sozusagen automatisch auf.“ „Tatsächlich?“ Hm, interessant, interessant. Wieder mal was gelernt. „Ja, so ist es“, zischelte Hisa. „Und darf ich auch mal was fragen: Wieso, verdammt noch mal, schleichen wir hier eigentlich so durch die Gegend? Ich bin kein schwerverletztes Kind, mir geht es gut. Wir können ruhig einen Zahn zulegen.“ Inuyasha nickte im Hintergrund bekräftigend. Hisa wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern sprang mit einem Satz auf den nächsten Baum und zischte mit einem Affenzahn durch das Buschwerk des Waldes. Der Hanyou gab ein zufriedenes Geräusch von sich, ehe er Hisas Beispiel nacheiferte. Innerhalb eines Sekundenbruchteils waren die beiden nicht mehr zu sehen. Shimo starrte den beiden hinterher. „Ich wollte doch nur nett sein“, meinte er etwas kleinlaut. Ich grinste schief. „Tja, das solltest du in Zukunft besser sein lassen. Du bist ein Teufel, also, bei allen Göttern diesseits und jenseits, benimm dich auch so! Vielleicht wird dir dann auch irgendwer mal Respekt entgegenbringen.“ Shimo murmelte etwas, und obwohl ich ihn nicht verstand, erkannte ich auf Anhieb, dass er mit meinem gutgemeinten Ratschlag wohl nicht ganz so einer Meinung war. Aber das wunderte mich auch nicht besonders. Somit ließ ich ihn einfach stehen und folgte unseren beiden kleinen Dämonen. Für Menschen, Tiere und die meisten anderen Kreaturen war ich nicht mehr als ein schneller Schatten, der an ihnen vorbeirauschte. Flink bahnte ich mir meinen Weg, froh darüber, den Wind um meine Nase wehen zu spüren – auch wenn die Luft auf dieser Welt ekelerregend rein und sauber war. Man konnte schließlich nicht alles haben. Shimo blieb zunächst hinter mir, dann aber überholte er mich und den Rest der Truppe. Immerhin war er der Kerl mit der Magie-Nase, ohne ihn wären wir vermutlich irgendwann auf einem Drachenfriedhof oder in der tosenden Gischt des Meeres gelandet. Wir legten in wenigen Minuten eine Strecke zurück, für die Menschen Stunden oder – für die notorischen Trödler unter ihnen – sogar Tage gebraucht hätten. Somit dauerte es auch nicht lange, bis mein werter Vater das Tempo drosselte, uns mit einer Handbewegung zu verstehen gab, dass wir anhalten sollten, und schließlich wieder auf dem Boden landete. Wir fanden uns auf einer stinknormalen und extrem stinklangweiligen Lichtung wieder, die sich auf dem ersten Blick in keiner Weise von all den anderen stinklangweiligen Lichtungen unterschied. Aber unterschwellig spürte ich magische Impulse, so schwach, dass ich mich schon sehr anstrengen musste, um sie überhaupt wahrzunehmen. Ich streckte meine Hand aus und meine Finger berührten etwas Unsichtbares genau vor uns, das wohl einen Bannkreis darstellen sollte. Ich prüfte das Ding genauer und musste feststellen, dass es nicht von schlechten Eltern war. Groß und kraftvoll. Selbst ein Teufel hätte Probleme gehabt, diese Barriere ohne weiteres zu zerstören. Gar nicht mal so übel für einen dummen Dämonenzauber. „Was ist los?“ Inuyasha hatte mal wie üblich überhaupt nichts mitgekriegt. Innerlich wünschte ich mir, Shimo hätte mit seiner Stopp-Aktion nur eine Millisekunde gewartet, dann wäre der Hanyou mit seinen kümmerlichen Sinnen direkt gegen den Bannkreis gedonnert. Das wäre ein hübsches ‚Dong’ geworden. „Wir sind da“, sagte mein Vater lächelnd und deutete auf die Waldlichtung. Anhand von Inuyashas verwirrten Gesichtsausdruck konnte man erkennen, dass er nicht viel mehr sah als eine stinklangweilige Lichtung, und auch Hisa schien da nicht viel mehr wahrzunehmen. Ich hingegen konnte, wenn ich meine Augen zusammenkniff, vage und verschwommen etwas sehen, das annähernd an Gebäude erinnerte. „Hier ist es?“ Inuyasha schaute sich irritiert um. Während mein Vater den beschränkten Köter darüber aufklärte, dass viele Bannkreise ihr Innerstes bestens verbergen konnten, spürte ich kurz das Aufflackern einer Aura, was mich dazu bewog, nach oben zu schauen. Zunächst dachte ich, es wäre ein Vogel, der da direkt auf uns zugeschossen kam, aber als das Ding schließlich knapp über uns zum stehen kam, konnte ich es näher inspizieren. Was es genau war, vermochte ich nicht zu sagen. Auf den ersten Blick sah er zumindest so aus wie eine Trulla auf einer überdimensionalen Feder. Meine Güte, diese Welt war einfach nur verrückt! „Sieh an, sieh an.“ Das Mädel auf ihrem seltsamen, fliegenden Objekt grinste breit und wedelte komisch mit ihren Fächer herum. „Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ihr je hierhin finden würdet.“ Mein Blick war immer noch auf die Feder gerichtet. War das jetzt etwa in Mode? Das Pendant zu den fliegenden Teppichen aus dem Morgenland? Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Was war aus den guten alten Drachen oder geflügelten Einhörnern als Transportmittel geworden? Zählten diese schönen Traditionen überhaupt nicht mehr? Inuyasha ließ inzwischen ein äußerst missbilligendes Knurren hören. „Kagura!“ Ich nahm einfach mal an, dass das der Name der Dämonin mit dem schadenfrohen Grinsen war. Oder doch eher der für die Feder? Immerhin wurde in dieser Welt ja alles und jedes mit Namen versehen, da konnte man sich nie hundertprozentig sicher sein. Mit einem kurzen Handschwenker ließ Kagura – wenn sie’s denn war – ihre tolle Flugfeder verschwinden und landete anmutig auf dem Boden. Nun, da sie mit uns auf Augenhöhe war, wirkte das Ding noch weniger bedrohlich als davor. Wollte dieses kleine, zarte Wesen etwa gleich mit ihrem bösen Fächer auf uns losgehen und uns totwedeln? „Inuyasha, was für eine nette Überraschung!“, sagte die Youkai mit einem falschen Lächeln. „Ich wusste zwar, dass früher oder später jemand hier auftauchen würde, aber mit dir hatte ich nicht gerechnet.“ Inuyasha knirschte mit den Zähnen und schien kurz davor zu stehen, auf das Mädel loszugehen. Einen Moment erwog ich, ihn an der Schulter zu berühren und ihm damit zu verstehen zu geben, dass er sein Temperament zügeln sollte, dann aber ließ ich den Gedanken wieder fallen. Was sollte ich mich da auch groß einmischen? Wenn der Hanyou diese Kagura in Stücke reißen wollte, von mir aus! Und falls – was sehr wahrscheinlich war – eher die Youkai die Oberhand gewann und Inuyasha ins Jenseits beförderte, umso besser! „Ihr kommt zu spät, fürchte ich“, sagte Kagura. Sie lachte auf, doch in ihren Augen konnte ich Wut erkennen. Wut, die nicht auf uns gerichtet war. Inuyasha starrte sie einfach nur verärgert an und hatte ihr wahrscheinlich nicht mal zugehört, ich aber hatte ihre Worte verstanden. Uns war jemand zuvorgekommen. Und wie man an dem Siegel des Helios an ihrem Hals sehr gut erkennen konnte, musste es wohl Emmerett gewesen sein. War der Bengel also vor uns ans Juwel gekommen? Dann war er wohl, nachdem er das Bankett verlassen hatte, ziemlich fleißig gewesen. Oder aber, was sicherlich eher der Fall war, seine armen Sklaven waren fleißig gewesen und Emmerett hatte den Hauptpreis eingesackt. „Du gehörst zu Emmeretts Dienern, nicht wahr?“ Auch Hisa hatte die Situation erkannt und ihre Schlüsse daraus gezogen. Kagura verzog ihr Gesicht. „Ich bin sicher nicht das Schoßhündchen dieses Kindes. Naraku war so einfältig, sich einfangen zu lassen, und ich muss nun die Konsequenzen tragen.“ Inuyasha blinzelte. „Also gehört Naraku jetzt zu Emmerett? Er hat ihn nicht getötet?“ „Nein.“ Aus Kaguras Stimme war ein Hauch Bedauern herauszuhören. Sie schob beiläufig eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und sagte zähneknirschend: „Gibt es denn einen besseren Diener als Naraku? Emmerett musste nur einen mit diesem Siegel infizieren und es hat sich automatisch auf uns andere übertragen.“ Irgendwie kapierte ich nicht so recht, was uns die Trulla da eigentlich verklickern wollte. Inuyasha schien zu erkennen, dass ich nichts begriff, und ein unerträglich triumphierendes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er mir erklärte: „ Na ja, weißt du, Naraku kann Abkömmlinge von sich erschaffen, die seinen Befehlen folgen. Ist Naraku versklavt, sind auch all seine Abkömmlinge an den neuen Meister gebunden.“ Irgendwie ergab das immer noch nicht viel Sinn. „Abkömmlinge?“, fragte ich nach. „Etwa Kinder?“ Ich wollte ihnen ja wirklich nicht ihre Illusionen rauben, aber die Fähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen, war ein wenig weiter verbreitet, als Inuyasha und Kagura es vielleicht glauben mochten. Die Aufklärung in diesem Land war wohl nicht unbedingt auf den neusten Stand. „Keine Kinder, Abkömmlinge!“ Inuyasha bereitete es eindeutig viel zu viel Genugtuung, meine Unwissenheit zu kurieren. Ich machte mir gedanklich eine Notiz, dass ich ihm, wenn er sich zum Schlafen hingelegt hatte, eine Armee Ameisen in den Suikan schüttete. „Ich hab davon gehört“, meldete sich nun Hisa. „Also stimmt es tatsächlich, dass Naraku ein Teil seines Fleisches nimmt und diesem Klumpen dann Leben einhaucht?“ Uärgh. Irgendwie klang das ausgesprochen abartig. Da schien mir eine handelsübliche Geburt doch gleich um einiges weniger widerwärtig zu sein. „Hör zu, Kagura, wir haben im Moment keine Lust, mit dir zu spielen!“, meinte Inuyasha schnaubend an die Feder-Lady gerichtet. „Das Juwel mag vielleicht gerade in Emmeretts Besitz sein, aber das können wir ganz schnell ändern. Und da der Bannkreis noch so stark intakt ist, würde ich mal vermuten, Naraku sitzt mit dem Shikon no Tama noch im Inneren, nicht wahr?“ Meine Güte, das Ding konnte ja richtig denken! „Da hast du durchaus Recht“, gab Kagura unumwunden zu. Während Inuyasha offenbar stolz auf seine Gehirnaktivität war und angeberisch die Brust schwellte, blieb ich skeptisch. Wenn das Mädel diesen Umstand ohne irgendwelche dummen Ausflüchte einfach so eingestehen konnte, war an der Sache irgendwas faul. Das roch gewaltig nach einer Falle. „Und Naraku schickt dich allein, um uns aufzuhalten?“ Inuyasha zog dramatisch sein Schwert hervor, welches sofort auf die dreifache Größe anschwoll. „Ist ihm denn immer noch nicht klar, dass ich dich selbst mit verbundenen Augen fertigmachen kann?“ Kagura schien Inuyashas Prahlerei ebenso auf die Nerven zu gehen wie mir. „Du solltest deine Fähigkeiten nicht überschätzen, dummer Hanyou!“, zischte sie. „Außerdem bin ich eigentlich nur gekommen, um eurem Sterben beizuwohnen. Er nämlich wird euch fertigmachen.“ Und damit deutete sie auf eine Stelle hinter uns. Meine Begleiter wirbelten augenblicklich herum, während ich das Ganze langsam anging und Kagura im Augenwinkel behielt. Immerhin war es gut möglich, dass das bloß ein Manöver war, um uns dann hinterrücks anzugreifen. Schließlich kam er der alte „Schaut mal hinter euch“-Trick nie aus der Mode. Aber dort stand tatsächlich jemand, keine zehn Meter von uns entfernt. Dass ich seine Aura davor nicht hatte spüren können, war ein Zeichen dafür, dass er entweder ausgesprochen schwach oder aber ziemlich mächtig war. Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass es sich um das Zweite handelte. Hisa neben mir keuchte erschrocken auf, als sie die Gestalt erkannte. „Er ist es!“, flüsterte sie, wohl nicht ganz sicher, ob sie in diesem Augenblick besser Wut oder Furcht empfinden sollte. „Er hat Akako umgebracht!“ Ich betrachtete den Neuankömmling genauer. Etwas zerzaustes, silbernes Haar, leuchtend grüne Augen und äußerlich das Antlitz eines menschlichen Mittzwanzigers. Ein Mensch jedoch war er auf keinen Fall. Gehüllt war er in schwarze Kleidung, die mich ein wenig an die Garderobe der Engländer erinnerte. Und er hatte ein Gesicht, das mir unglaublich bekannt vorkam. Ich musste all meine Willensstärke aufbringen, um meine Überraschung nicht öffentlich zur Schau zu stellen. Ich hatte mit einem Engel gerechnet, möglicherweise mit einem mächtigen Youkai, aber doch nicht mit so was! Ich konnte bloß ungläubig den Kopf schütteln. Ich war wirklich vom Pech verfolgt. Wie konnte es auch anders sein, dass ich ausgerechnet hier, irgendwo in einem großen japanischen Wald, in der wohl verlassensten Einöde der Welt, auf diesen Kerl traf? Ihn, diese schreckliche Nervensäge. Und obwohl ich mich am liebsten an Ort und Stelle in das nächste Messer gestürzt hätte, ließ ich mich doch zu einer lieblosen Begrüßung hinreißen: „Hallo, Krytio!“ Kapitel 11: Nichtexistente Waldspaziergänge, temperamentvolle Kochtöpfe, tierische Krisenberater und wilde Zoobewohner ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das war ja unfassbar. Da war man schon am Arsch der Welt und trotzdem lief man einem Typen über den Weg, der einem schon in der Hölle tierisch auf den Senkel gegangen war. Er, der Ex-Assistent Bariums, der hartnäckigste Stalker aller Zeiten, der mit Heiratsanträge und Geschenken nur so um sich warf, der bunte Paradiesvogel der Hölle – ausgerechnet hier?? Meine Güte, ich war nicht nur vom Pech verfolgt, es klebte ja förmlich an mir. Ich konnte hingehen, wohin ich auch wollte, es war stets bei mir. „Krytio, was für eine Überraschung!“ Shimo blinzelte erstaunt, als wäre er sich nicht sicher, ob der Teufel vor ihm nicht vielleicht doch nur eine Fata Morgana war. „Was machst du denn hier?“ Krytio zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Nur einen kleinen Waldspaziergang, sonst nicht.“ Während mein Vater diese Bemerkung widerspruchslos schluckte und offenbar kurz davor stand, Krytio zu fragen, wie vielen Eichhörnchen er heute schon begegnet war, musterte ich den Neuankömmling skeptisch. Er sah vollkommen verändert aus. Seine sonst immer so penibel nach hinten gekämmten Haare waren zerzaust und seine sonst so quietschbunte Garderobe, die einem jedes Mal einen schweren Augenkrebs bereitet hatte, war schwarzer Kleidung gewichen. Was war nur mit ihm geschehen? Ich musste an das Gespräch denken, dass ich mit Alymara geführt hatte, bevor Griffin aufgetaucht war. Ich hatte meiner Schwester zwar nur mit halbem Ohr zugehört, aber ich erinnerte mich noch, wie sie mir von Krytios spurlosem Verschwinden berichtet hatte. Einen ganzen Monat war er schon nicht mehr in der Hölle gesehen worden. Und jetzt traf ich ihn hier, im gottverlassenen Nirgendwo? „Jetzt grins sie nicht so dämlich an, sondern vernichte sie endlich!“, vernahm ich Kaguras ungeduldige Stimme. „Wir haben immerhin nicht den ganzen Tag Zeit.“ Krytio warf ihr einen scharfen Blick zu. „Nur die Ruhe, kleine Youkai. Ich weiß schon, was ich zu tun habe.“ An uns gewandt meinte er seufzend: „Bei allen Teufeln, die Kleine nervt ganz schön. Drittklassiges Dämonenpack ist echt das Letzte.“ Kagura schnaubte empört und schien ihn mit ihrem Blick aufspießen zu wollen, aber abgesehen davon hielt sie sich zurück. Inuyasha war inzwischen dazu übergegangen, Krytio näher in Augenschein zu nehmen. Man konnte förmlich hören, wie es in seinem Kopf ratterte, als er sich angestrengt zu erinnern versuchte, woher er den Teufel kannte. Schließlich hatte der Hanyou sogar erstaunlicherweise Erfolg. „Bist du nicht der Kerl, den wir damals in diesem Gerichtssaal in der Hölle getroffen haben? Der irgendwie Mirokus schwarzes Loch überlebt hat?“ Krytio betrachtete Inuyasha eine Weile schweigend, ehe er fragte: „Kenne ich dich?“ Dem Köter schien es augenscheinlich nicht besonders zu gefallen, dermaßen schnell in Vergessenheit geraten zu sein. Er wollte offenbar zu einer großen Rede ansetzen, um Krytio seine Existenz wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber ich kam dem zuvor, indem ich Inuyasha einmal kurz in den Arm boxte und mich direkt darauf an Krytio wandte, ohne auf das Gezeter des Hundis einzugehen. „Also sei ehrlich, was machst du hier?“, verlangte ich zu erfahren. „Ist es das, was ich denke, das es ist?“ Krytio beäugte mich kurz mit hochgezogener Braue, dann aber schien er meine Worte zu begreifen und er nickte seufzend. Zur Antwort krempelte er seinen Ärmel hoch und zeigte uns das Siegel des Helios, das auf seinem Unterarm prangte. Ich konnte daraufhin nur die Augen verdrehen. Also war Emmerett nicht nur in den Himmel gestiegen, um sich zwei lästige Engel zu angeln, sondern hatte darüber hinaus auch noch einen Abstecher in die Hölle unternommen. Ganz schön reiselustig, der Junge. „Haben noch andere Teufel die Ehre, den Sklaven zu spielen, oder bist nur du hier?“, erkundigte ich mich. „Nur ich“, meinte Krytio mit einem eindeutig sehr frustrierten Unterton. Im Grunde auch kein Wunder, wenn er schon einen Monat in dieser schrecklichen Welt festsaß. „Mein ‚Meister’ war ursprünglich so wagemutig und wollte sich Lucifer schnappen, aber ich kam ihm in die Quere. Als er mich dann mit den Siegel belegt hatte, hatte er keine Energie mehr für Lucifer.“ Darüber war ich tatsächlich froh. Zugegeben, Krytio war lästig und brachte mich immer wieder zur Weißglut, aber er war immer noch besser als dieser selbstverliebte Possenreißer Lucifer. „Und jetzt bist du hier, um uns zu töten, nicht wahr?“, zischelte Hisa feindselig. „So wie du es auch schon mit meiner Schwester gemacht hast.“ Krytio zuckte mit den Schultern. „Das tut mir wirklich leid, ich hatte einfach keine andere Wahl. Das müsstest du doch eigentlich gut verstehen können.“ Man konnte Hisa ansehen, dass sie es nachzuvollziehen vermochte, doch sie war zu stolz und verbohrt, um das auch einzugestehen. Stattdessen hielt sie einfach ihren Mund und starrte böse vor sich hin. „Außerdem will ich euch nicht töten“, fügte Krytio noch hinzu. Bei diesen Worten fuhr Kagura regelrecht zusammen. „Aber … es wurde dir doch befohlen!“, fauchte sie. „Bei einer Weigerung setzt du dein Leben aufs Spiel, du Idiot!“ Es war nicht schwer zu erraten, dass es der Youkai weniger um Krytios Wohlbefinden ging als um das Vergnügen, Inuyasha jammernd und sterbend am Boden zu sehen. Und ich musste ihr in diesem Punkt wirklich zustimmen. „Emmeretts genauen Worten waren: ‚Halte sie um jeden Preis von dem Juwel fern’“, meinte Krytio. „Er hat mir nie direkt befohlen, jemanden zu töten. Und ich werde sicher keinen Teufel einfach aus Spaß an der Freude umbringen.“ Irgendwie schade. Er hätte Shimo gerne abmurksen können. Na ja, falls er das überhaupt hingekriegt hätte. Man konnte viel über Krytio sagen, aber ein Kämpfer war nicht unbedingt an ihm verlorengegangen. Er war ein scharfzüngiger und gewitzter Politiker und Intrigant, ein Mann, dessen Waffe sein scharfer Verstand darstellte. Rohe Gewalt mied er deshalb so gut wie möglich. Wie also kam Emmerett auf die Idee, ihn allein zu uns zu schicken? Glaubte er wirklich, dass Krytio imstande war, uns zu besiegen? Nun gut, aus dämonischer Sicht war er sicher ein kräftiges Bürschchen. Immerhin hatte er Akako getötet. Das musste zwar jetzt nichts heißen, schließlich hatte ich keine Ahnung, was das Mädel alles auf dem Kasten gehabt hatte, aber dennoch hatte Krytio durch ihre Ermordung zumindest Hisa verschreckt und sicher auch den ein oder anderen. Offenbar war selbst Emmerett dermaßen von dieser Leistung beeindruckt gewesen, dass er tatsächlich glaubte, Krytio könnte es allein mit zwei Teufeln aufnehmen. Armer, kleiner, geistig verwirrter Junge. „Ich habe es langsam satt, dass ihr Teufel euch für die Mächtigsten der Welt haltet!“, brummte Inuyasha, während er theatralisch sein gigantisches Schwert schwang. Er fuhr im ähnlichen Bla-Bla fort, aber ich hatte schon auf taub geschaltet, als er seinen Mund geöffnet hatte. Krytio betrachtete den Hanyou eine Zeit lang mit hochgezogener Augenbraue, dann wandte er sich an mich und fragte: „Sag mal, macht es dir was aus, wenn ich diesen Knilch töte?“ Etwas Schöneres hatte mir noch nie ein Mann gesagt. Auf meinen Lippen erschien ein strahlendes Lächeln, als ich antwortete: „Bitte, tu dir keinen Zwang an. Du kannst ihn gerne auch was leiden lassen.“ Inuyasha war unverständlicherweise über meine Aussage nicht ganz so begeistert. „Du solltest mir nicht in den Rücken fallen!“, fauchte er. „Immerhin kämpfen wir auf derselben Seite … irgendwie.“ Ich schnaubte verächtlich. „Du solltest deinen Status wirklich nicht überschätzen, Hündchen. Griffin hat mir zwar verboten, dir körperlichen Schaden zuzufügen, aber mit keinem Wort hat er erwähnt, dass ich dazu verpflichtet wäre, deinen dummen Hintern zu retten. Ganz im Gegenteil, ich werde lachend dabei zusehen, wie man dich in Stücke zerfetzt.“ Ob Krytio wirklich dazu in der Lage war, den hartnäckigen Inuyasha in Stücke zu reißen, wusste ich zwar nicht genau, aber der Dramatik wegen erwähnte ich es einfach lieber mal. „Mit meiner Hilfe brauchst du nicht zu rechnen“, meinte ich kopfschüttelnd. „Schließlich bist du das Übel der Welt, das darüber hinaus Griffin meinen Namen verraten und mich in diese schreckliche Lage gebracht hat.“ Inuyasha gab ein missbilligendes Geräusch von sich. „Ich habe dir doch schon mal gesagt, dass ich Griffin nichts erzählt habe. Hältst du mich für bescheuert?“ Musste ich auf diese Frage wirklich antworten? In meinem Kopf sammelte ich weitere Vorhaltungen, die ich dem Hanyou entgegenschleudern wollte, als ich aus den Augenwinkeln bemerkte, wie Krytio eine schuldbewusste Miene aufsetzte. Und plötzlich wusste ich, wer mich an Griffin verpfiffen hatte! „Du?“, fragte ich wutentbrannt. Meine Güte, da bemühte sich der Bursche sosehr um meine Gunst und dann fiel ihm nichts Besseres ein, als mich an einen größenwahnsinnigen Milchbubi zu verraten? Ein paar Süßigkeiten, das blutende Herz einer Jungfrau – DAS waren gute Geschenke! Aber mich zu einer Sklavin eines fanatischen Idioten zu machen, erhöhte seine Chancen bei mir nicht gerade. „Es tut mir leid“, meinte er kleinlaut. „Ich wusste es doch nicht. Als ich mit diesem Griffin geredet habe, hatte ich keine Ahnung, dass er ebenfalls Diener sammelt. Ich hielt ihn bloß für einen kleinen, neugierigen Jungen. Er fragte mich nach der Hölle und besonders herausragenden Teufeln und da hab ich … na ja …“ „ … und da hast du ihm von mir erzählt“, führte ich stöhnend seinen Satz zu Ende. Das war ja nicht zum aushalten! Weil dieser blöde, verliebte Trottel von mir geschwärmt hatte, saß ich nun auf der Erde fest und durfte einem verrückten Spinner dienen? „Es tut mir wirklich leid“, wiederholte er noch einmal. Krytio schien tatsächlich ein sehr schlechtes Gewissen zu haben, aber das machte die Sache für mich auch nicht viel besser. Ganz im Gegenteil, das Ganze wurde dadurch nur noch schlimmer. Mit Willkür und Schadenfreude hätte ich sehr gut leben können. Da konnte man demjenigen einfach den Kopf abhacken und alles war wieder in Ordnung. Aber Leute mit Gewissensbissen hatten sich schon innerlich darauf eingestellt, bestraft zu werden, manche wollten es sogar regelrecht. Da machte es keinen Spaß, jemanden mal eben das Lebenslicht auszupusten. Da tat man dem ein oder anderen sogar einen Gefallen – und das Letzte, was ich wollte, war irgendeinem Volltrottel eine Gefälligkeit zu erweisen! „Mir egal, wer hier wen verraten hat.“ Inuyasha trat einen Schritt vor und wuchtete sich sein riesiges Schwert auf die Schulter. „Ich will nur mal eben zu Naraku, den Mistkerl umbringen und mit dem Shikon no Tama wieder verschwinden. Ihr beide könnt ja derweil weitertratschen.“ Krytio musterte Inuyasha argwöhnisch. „Und wie willst du kleiner Hanyou durch den Bannkreis, wenn ich fragen darf? Deine jämmerlichen Kräfte reichen nicht mal annähernd aus, um da durchzukommen.“ Ach je. Provokation. Darauf reagierte Inuyasha meistens extrem überempfindlich. Und am Ende gab es dann nur wieder Streit und Kämpfe. Und wie ich an Inuyasha wutverzerrten Gesichtsausdruck erkennen konnte, lag ich mit meiner Vermutung nicht sehr falsch. Der Hanyou hatte aber auch wirklich das Temperament eines Kochtopfs, der bei zu viel Feuer gleich den Deckel in die Luft zischen ließ und völlig austickte. „Du solltest mich wirklich nicht unterschätzen, Freundchen!“, knurrte der Hund zornig. „Das ist schon Mächtigeren als dir nicht bekommen.“ Oh nein, jetzt fing er wieder an, große Reden zu schwingen. Hoffentlich begannen die beiden bald zu kämpfen. Dann wäre wenigstens diesem nervigen Gelaber ein Ende gesetzt. „Vielleicht sollten wir dem Hanyou sagen, dass er seine Zunge besser im Zaum hält“, flüsterte Shimo mir zu. Ich lachte spöttisch auf. „Und warum, bitte schön? Sollen sich die beiden Idioten doch ruhig ein bisschen kloppen, was ist schon dabei?“ Shimo schüttelte den Kopf, während er besorgt zu Krytio schaute. „Aber er ist nicht umsonst Lucifers Stellvertreter …“ Krytio war tatsächlich zu Lucifers Stellvertreter ernannt worden? Meine Güte, vielleicht sollte ich mir mal angewöhnen, Zeitung zu lesen. Irgendwie gingen die meisten Neuigkeiten an mir vorbei. Aber was machte es für einen Unterschied? Lucifer war ein Trottel und Krytio ebenso. Da hatten sich vermutlich zwei gefunden und die Hölle war somit noch ein bisschen tiefer im Morast versunken. Im Grunde konnte es mit der Regierung jetzt nur noch bergauf gehen … außer natürlich Lucifer käme auf die Idee, einen Affen zum Krisenberater zu ernennen, so wie Barium es vor vielen Äonen getan hatte. Aber was meinte Shimo mit ‚nicht umsonst’? Bevor ich meinen alten Herrn danach fragen konnte, war Inuyasha auch schon zum Angriff übergegangen. Er stürmte auf Krytio zu und wollte ihn offenbar mit einem einzigen ungelenken Schwenker seines Schwertes niederstrecken. Und auch wenn dieser ein Schwachmat und Schwächling war, so beherrschte er als Teufel doch auch den ein oder anderen Trick. Mit einem einzigen kraftvollen Sprung verschwand er aus Inuyashas Ziellinie, sodass der Hanyou ins Leere lief und beinahe vor Überraschung gestolpert wäre. Aber zu meinem großen Erstaunen fing sich der Köter ziemlich schnell wieder. Er wirbelte herum und setzte zum Gegenangriff an, noch bevor Krytios Füße wieder den Boden berührt hatten. Ich spürte, wie sich eine Menge Energie in Inuyashas Schwert sammelte, die der Hanyou mit einer einzigen Bewegung freiließ. Eine Art grelle Magiewelle raste auf Krytio zu und schien ihn zu verschlingen. Und diesmal hatte der Teufel keine Chance zu entkommen. Aber wie ich an dem überlegenen Grinsen auf seinen Lippen erkannte, hatte er das auch gar nicht vorgehabt. Für einen Moment verschwand Krytio in der gebündelten Energie. Ich hörte Inuyasha bereits triumphierend jubeln, sich seinem Sieg offenbar schon ziemlich sicher. Dummer, dummer Hanyou. Als das Licht schließlich verblasste, konnte er sehen, dass Krytio immer noch an Ort und Stelle stand. Nicht mal einen Kratzer schien er davongetragen zu haben. Inuyasha keuchte entsetzt auf und auch ich musste zugeben, dass ich etwas erstaunt war. Dieses blöde Schwert mochte zwar protzig wirken, aber dennoch verbargen sich in ihm nicht zu verachtende Kräfte. Als Sesshomaru mich vor einem Jahr mit dieser Macht angegriffen hatte, war ich lieber auf Nummer sicher gegangen und hatte den Rückzug angetreten. „Ganz nett“, meinte Krytio. „Darf ich jetzt ein bisschen mit dir spielen?“ Seine Augen glühten auf, als er den Arm ausstreckte und die Handinnenfläche direkt auf Inuyasha richtete. Eine gigantische Feuersalve schoss aus seiner Hand hervor und attackierte den Hanyou. Der Köter vermochte es zwar, sich irgendwie mit einem hastigen Satz in Sicherheit zu bringen, aber dennoch leckten die Flammen kurz über seine Beine und Füße, was ihm einen Schmerzensschrei entlockte. Der Großteil von Krytios Angriff hingegen donnerte direkt auf den Bannkreis. Das magische Schutzschild flackerte einmal kurz auf, schien regelrecht zu stöhnen und begann dann, sich nach und nach aufzulösen, bis schließlich ein großes Stück schier vom Feuer weggeätzt worden war. Ich runzelte die Stirn. Oh. Damit hatte ich irgendwie überhaupt nicht gerechnet. Wie bereits gesagt, der Bannkreis war wirklich nicht übel. Kein Kunstwerk der Magie, zugegeben, aber gar nicht mal so schlecht. Ich persönlich hätte sicherlich einige Anläufe gebraucht oder zumindest einen großen Teil meiner Kraft opfern müssen, um da mal eben ein Loch reinzuhämmern. Und Krytio schaffte es einfach so? Mit einem einzigen Schlag? Wenn er nun wenigstens erschöpft auf die Knie gesunken wäre und um Luft gerungen hätte, hätte ich mich wesentlich besser gefühlt. Aber er stand einfach da, grinste breit und machte nicht den Anschein, als hätte er gerade einen hübschen Bannkreis ein bisschen zerdeppert. Ich richtete meinen Blick wieder auf den Schutzkreis. War es vielleicht möglich, dass dieses Ding einen stärkeren Eindruck erweckte, als er in Wirklichkeit war? Hatte ich seine Kraft möglicherweise falsch eingeschätzt? Oder hatte ich doch eher Krytios Macht unterschätzt? „Ich hab doch gesagt, dass der dumme Hund sich nicht mit ihm anlegen soll“, hörte ich meinen Vater neben mir flüstern. „Er wird nur unnötig draufgehen.“ Ich drehte mich zu Shimo um. „Hast du das etwa gewusst?“, fragte ich zischelnd. „Dass Krytio … na ja, soviel auf dem Kasten hat?“ Mein alter Herr lächelte unbekümmert. „Aber natürlich. Sag bloß, du hattest keine Ahnung?“ Er lachte auf. „Dabei hatte ich angenommen, dass der Junge all seine Vorzüge dir gegenüber präsentiert hätte, um dich für sich zu gewinnen.“ Ich konnte bloß die Augen verdrehen. Langsam wurde das alles wirklich zu viel! „Aber Krytio ist ein Schlappschwanz, ein Schwächling alleroberster Güte!“, meinte ich beharrlich. „Er kann doch nicht einfach …“ Ich konnte es nicht mal aussprechen, so dermaßen irreal kam mir das alles vor. „Das nennt man strategische Kriegsführung“, meinte Shimo besserwisserisch. „Er lässt jeden glauben, dass er schwach ist, so begehen seine Feinde stets den Fehler, ihn gewaltig zu unterschätzen. Erinnerst du dich zum Beispiel an Bakiuz?“ Natürlich erinnerte ich mich. Ein machthungriger, unsympathischer Teufel, der sich für den Besten, Charmantesten und Intelligentesten der Welt gehalten hatte, aber im Grunde nicht mehr gewesen war als ein ungehobeltes und laut röhrendes Trampeltier. Irrsinnig und verrückt wie er gewesen war, hatte er ohne Unterlass die höllische Regierung kritisiert, die höchsten Amtsträger beleidigt und sogar mehrere Male öffentlich von Revolution geredet. Sein ehrgeiziges Ziel, Herrscher der Hölle zu werden, hatte er mit großem Eifer verfolgt. Und dann irgendwann hatte man nichts mehr von ihm gehört. Zunächst hatte man angenommen, dass er tot wäre, verstümmelt in irgendeiner Jauchegrube, aber schließlich hatte man herausgefunden, dass er doch noch lebte. Er war zum Schweigen gebracht worden, indem man ihm offenbar liebenswürdig den Arm abgetrennt und ihn zu Tode erschreckt hatte. „Auch er hat sich dazu hinreißen lassen, Krytio und die Oberteufel zu unterschätzen“, meinte Shimo. „Und dafür hat er schließlich einen hohen Preis bezahlt. So wie viele andere vor ihm.“ Ich konnte bloß seufzend den Kopf schütteln. Was war nur aus der Welt geworden? Blieb denn gar nichts mehr beim Alten? „Das mag vielleicht alles stimmen, aber ihr seid immerhin zu zweit“, schaltete sich nun auch Hisa in das Gespräch ein. „Und ihr habt auch noch eine Youkai auf eurer Seite. Selbst wenn dieser Teufel so stark ist, wie du sagst, gegen uns alle kann er wohl kaum ankommen.“ Die Kleine hatte Recht, obwohl ich das nur ungern zugab. Ich war zwar überzeugt, dass ich es mit Krytio auch alleine würde aufnehmen können, aber wenn man das Loch im Bannkreis betrachtete, musste man kein Genie sein, um zu begreifen, dass das sicherlich sehr anstrengend werden würde. Viel zu anstrengend. Irgendwie hatte ich wenig Lust, mich dermaßen ins Zeug zu legen, nur um Griffin seine blöde Murmel zu besorgen. „Na fein“, sagte ich. Shimo und Hisa würden mir wahrscheinlich keine großen Hilfen sein, aber dennoch könnten sie nützlich werden. Besonders Hisas Rachedurst könnte sich als willkommene Ablenkung erweisen, um Krytio ohne Vorwarnung hinterrücks anzugreifen und ihn ins nächste Sonnensystem zu katapultieren. Ich weiß, nicht besonders fair – aber hey, ich bin nun mal ein Teufel! „Das klingt ja wirklich nach einer Menge Spaß“, meinte Shimo, unpassenderweise breit grinsend wie ein Honigkuchenpferd auf Drogen. „Es ist lange her, dass wir zusammen gekämpft haben. Dieser Tag strotzt ja nur so vor wunderschönen Vater-Tochter-Erlebnissen.“ Ich verdrehte genervt die Augen. Wir beide hatten noch nie zusammen gekämpft, nur um das mal klarzustellen! Na gut, vielleicht das eine Mal, als uns im Zoo eine wildgewordene Horde Schleimspucker angegriffen hatte, weil Shimo sie mit seinem ewigen „Duzi-Duzi-Duu“ provoziert hatte. Ich war damals noch recht klein gewesen, hatte aber dennoch schon über genügend Grips verfügt, um zu wissen, dass mein Vater ein gigantischer Trottel war. Zusammen hatten wir uns irgendwie gegen die aufgebrachten Tiere verteidigen müssen. Für Shimo ein Erlebnis, von dem er immer wieder gerne berichtete, für mich ein weiterer Beweis dafür, dass mein alter Herr endlich erschossen gehörte. „Allerdings weiß ich nicht, ob es wirklich so eine gute Idee ist, gegen Krytio zu kämpfen“, meinte Shimo einlenkend. „Ein direkter Angriff ist sicher nicht besonders schlau.“ Der wollte mir etwas von schlauen Plänen erzählen? Ich verspürte das unbändige Verlangen, laut aufzulachen. Shimo hätte wahrscheinlich noch nicht mal eine Schnecke ohne weiteres überwältigen können, geschweige denn einen Teufel. „Ach, halt die Klappe!“, zischte ich unwirsch. „Wenn du Bammel hast, kannst du dich gerne hinter einem Baum verstecken und die Show abwarten. Ich habe genauso wenig Lust wie du, mich mit Krytio zu prügeln, aber anscheinend bleibt uns keine andere Wahl. Wir haben den Befehl, das Juwel zu beschaffen, und ihm wurde befohlen, es zu beschützen.“ Eine verfahrene Situation. So oder so wäre es zu einem Zusammenprall gekommen, das war unumgänglich. Ich warf einen Blick zu Krytio, der sich gerade Kaguras Geschwafel anhörte. Offenbar war die Youkai immer noch nicht begeistert davon, dass er unser Leben verschonen wollte, und machte ihm deswegen ordentlich Vorhaltungen. Aber an seinem Gesichtsausdruck war deutlich zu sehen, dass er ihrem Gequatsche kaum Beachtung schenkte. Inuyasha inzwischen hatte sich etwas in den Hintergrund verzogen, um seine verbrannten Füße ein wenig besser in Augenschein nehmen zu können. Es schien sich zwar nicht um besonders schwerwiegende Verletzungen zu handeln – leider –, doch es war offenbar trotzdem schmerzhaft. Auch wanderte der Blick des Hanyou zwischen den zwei diskutierenden Dienern Emmeretts und dem Loch im Bannkreis hin und her. Die Gebäude im Inneren des Schutzkreises waren nun bestens zu sehen, dem Weg zum Juwel stand nun ein Hindernis weniger im Weg. Überlegte Inuyasha etwa tatsächlich gerade, sich dort einzuschleichen, während Kagura und Krytio miteinander zugange waren? Man hätte es vermuten können und es wäre sicherlich auch logisch und durchaus intelligent gewesen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Hanyou sich einfach so hinterlistig aus dem Staub machte und die Wunden, die der Teufel ihm zugefügt hatte, ungesühnt ließ. Dafür war der Stolz dieses aufgeblasenen Köters viel zu groß. Nun gut, dann waren wir also zu viert. Eine mächtige Teufelin und drei nervige Anhängsel, die höchstens als Schutzschilde oder Ablenkung zu gebrauchen waren. Damit müssten Krytio und auch Kagura auf jeden Fall zu besiegen sein. Zumindest hoffentlich. ____________________________________ Tja, wie man Rasias Pech ja mittlerweile kennt, wird es aber bestimmt nicht so einfach, wie sie sich das erhofft, nicht wahr? ;) Na ja, ihr werdet es ja sehen! Und nochmal vielen Dank für eure lieben Kommentare! ^______^ Kapitel 12: Lästige Spielverderber, glitzernde Verstärkung, durchtriebene Bengel und ekelerregende Seile -------------------------------------------------------------------------------------------------------- „Du Mistkerl wirst es noch bitter bereuen, dich mit mir angelegt zu haben.“ Inuyasha hatte, wie nicht anders zu erwarten, seine Großspurigkeit wiederentdeckt. Mit geschwellter Brust und einem äußerst unpassenden arroganten Gesichtsausdruck stand er fest auf seinen zwei Beinen, sehr darum bemüht, sich die Schmerzen von den Verbrennungen nicht anmerken zu lassen. Ich konnte bei dieser Zurschaustellung geballten Testosterons nur den Kopf schütteln. Irgendwie waren mir diese Erdenmännchen – ob nun Hanyou, Menschen oder Youkai, es kam eigentlich immer auf dasselbe hinaus – ein absolutes Rätsel! Inuyasha hätte sich im Grunde ohne größere Anstrengung wegschleichen können, während wir die Ehre gehabt hätten, uns mit Krytio zu prügeln. Er hätte das Ganze (zumindest theoretisch) ohne weitere Verletzungen überstehen können. Aber nein – wieso sollte man sich auch in Sicherheit bringen, wenn man doch gleich einen völlig unnützen Tod sterben konnte? Im Grunde konnte es mir ja wirklich egal sein, aber diese furchtbare Beschränkheit tat dennoch irgendwie immer wieder aufs Neue in der Seele weh. Automatisch musste man sich fragen, wie solche Wesen es überhaupt schafften, das Erwachsenenalter zu erreichen, ohne sich vorher nicht selbst umzubringen. Laut brüllend wie ein gereizter Ochse wuchtete Inuyasha sein gigantisches Schwert in die Luft und machte sich auf zu einem erneuten Angriff auf Krytio. Seinen verwundeten Füßen schenkte er keinerlei Beachtung. Ich konnte bei seiner unbedachten Tat nur stöhnen. Hatte dieser Kerl denn noch nie etwas von Strategie und einem ausgefeilten Plan gehört? Offenbar nicht … was auch nicht weiter verwunderlich war. Doch Inuyasha bekam unerwartet Hilfe. Auch Hisa hatte sich nun spontan dazu entschlossen, ihren ganzen Zorn und Hass auf Krytio abzuladen. Inuyashas spontane Eingebung, sich mal eben so in den Tod zu stürzen, nutzend, zog auch sie ein Schwert hervor und preschte in Richtung des Teufels los. Nun wurde Krytio von zwei gegenüberliegenden Seiten attackiert. Kagura, die noch immer neben dem Teufel stand, hüpfte hastig zur Seite, wohlwissend oder zumindest hoffend, dass sie nicht das Ziel des Angriffs war. Krytio warf beiden Dämonen innerhalb eines Sekundenbruchteils rasch ein Lächeln zu, ehe er sich vom Boden abstieß und hoch in die Luft sprang. Während Inuyasha und Hisa damit beschäftigt waren, nicht gegeneinander zu krachen und sich somit der größten Peinlichkeit schlechthin hinzugeben, formte ich in meiner Hand schnell einen Energieball und schleuderte ihn dem abgelenkten Krytio entgegen. Im ersten Moment sah es tatsächlich so aus, als würde meine kleine, unfaire Finte wirklich Erfolg haben, aber Krytio bemerkte es im allerletzten Augenblick und startete in der Luft ein Ausweichmanöver nach hinten. Meine süße Energiekugel zischte haarscharf an ihm vorbei und brutzelte nur ein wenig seinen Ärmel an. Was für ein Spielverderber! „Du bist so hinterhältig und durchtrieben wie eh und je“, meinte Krytio, als er wieder Boden unter den Füßen hatte. Er klang jedoch nicht besonders verärgert, sondern vielmehr begeistert. Ihm schien es tatsächlich zu entzücken, dass ich ihm so in den Rücken gefallen war. Bevor wir die Chance erhielten, unser kleines Geplänkel ungestört weiter fortzuführen, bemerkte ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Ich wandte mich um und entdeckte zwei Figuren, die aus dem Inneren des etwas angedötschten Bannkreises auftauchten und sich ganz offensichtlich ebenfalls ins Geschehen einmischen wollten. Oh nein, nicht auch noch das! Allein schon an ihrer leicht fluoreszierend strahlenden Haut erkannte man auf Anhieb, dass es sich um Engel handelte. Durch das ganze Glitzern und Gefunkel waren sie auch kaum zu übersehen. Für die Menschen haftete der Anblick von Engeln immer etwas Faszinierendes und Erhabenes an, aber wir Teufel waren da weitaus pragmatischer – auf uns erweckte es eher den Eindruck, als wäre die komplette Engelsschar radioaktiv verseucht. So unwahrscheinlich war das Ganze auch gar nicht. Schon viele Forscher der Hölle hatten Theorien darüber aufgestellt, dass unter Umständen dort oben im Himmel in der Luft, im Wasser oder wo auch immer ein Giftstoff rumdümpelte, der schon seit unzähligen Generationen die Gehirne der Engel aufgeweicht hatte und als tollen Nebeneffekt die Haut so klasse strahlen ließ, dass man abends im Bett wahrscheinlich nicht mal eine Kerze oder Lampe brauchte, um noch was lesen zu können. „Sieh an, sieh an“, sagte eines der Engelchen mit einem merkwürdig nasalen Akzent. „Was für ehrenwerten Besuch wir doch bekommen haben.“ Dank dieser kreischend grellen Haut vermochte ich nicht wirklich auszumachen, welches Geschlecht mein Gegenüber nun genau hatte. Allerdings deutete die weiblich anmutende Stimme und der ausladende Hüftschwung auf ein Weibchen hin. Außer natürlich es war doch ein Mann, der ein extrem schwules Gebaren an den Tag legte. „Ich nehme mal an, du bist Lanyva?“, vermutete ich. Ich hatte den anderen Engel anhand seines charakteristisch dummen Grinsens bereits als Saphiel identifiziert, da lag es nur nahe, dass er seine Schwester im Schlepptau hatte. Saphiel selbst war größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Auf dem Bankett war er ja schließlich genau wie ich in einer veränderten Gestalt aufgetaucht, um nicht weiter aufzufallen (und dieses nervige Geglitzer wäre auf alle Fälle dem ein oder anderen sicherlich aufgefallen), aber anhand seiner Stimme hatte ich ihn als ziemlich jung und unbedarft eingestuft und irgendwie einen kleinwüchsigen Kerl im Kopf gehabt. Aber er war dann doch wohl in Wirklichkeit ein bisschen größer als ein Zwerg. Na ja, so bot er mehr Angriffsfläche. „Und du musst Rasia sein.“ Lanyva trat einen Schritt vor, ihr bis zum Boden reichendes Gewand quer durch den Dreck ziehend. „Dir haben wir es also zu verdanken, dass Lucifer jetzt an der Macht ist? Der Kerl ist noch schlimmer als all die vorherigen Oberteufel zusammengenommen!“ Amen. Oder wie auch immer das bei den religiösen Fanatikern hieß, um seine Zustimmung kundzutun. „Das brauchst du mir nicht zu sagen, kleines Flattermäuschen“, meinte ich seufzend. „Ihr habt wenigstens nur ab und zu mit ihm zu tun, wir Teufel müssen mit dem Hirni leben.“ Lanyva verzog ihr Gesicht, von ihrem süßen Spitznamen offenbar nicht allzu angetan. „Du solltest nicht so herablassend sein, Teufel. Offenbar hast du keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast.“ Nein, das hatte ich wirklich nicht. Aber es interessierte mich auch nicht die Bohne. Saphiel kicherte bei der hochtrabenden Ansage seiner Schwester wie jemand, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, während Krytio bloß aufstöhnte und genervt den Kopf schüttelte. Armer Kerl. Bereits einen Engel aus der Entfernung zu sehen, war schon schrecklich genug, aber über Wochen mit gleich zweien zusammenzuarbeiten, musste wirklich der Himmel auf Erden sein. Plötzlich spürte ich ein Prickeln, welches offenbar von meinem Siegel ausging. Merkwürdigerweise war es aber nicht schmerzhaft, sondern erinnerte vielmehr an das Gefühl, wenn ein Insekt über die Haut krabbelte. Nicht unangenehm, aber es blieb auch nicht unbemerkt. Mir fiel auf, dass auch meine anderen Teammitglieder dasselbe fühlten. Inuyasha und Shimo starrten verdutzt ihre Siegel an, während Hisa bloß genervt aufseufzte. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte ich die Youkai, da sie ganz offensichtlich wusste, was hier gerade vorging. Zumindest schien sie nicht allzu verwirrt zu sein. „Das Siegel hat eigenmächtig Griffins Befehl rückgängig gemacht“, erklärte sie. Ihr Blick richtete sich auf die beiden funkelnden Engel. „Offenbar schätzt es die momentane Situation als zu gefährlich ein.“ Tja, was sollte man dazu sagen? Auf der einen Seite war es natürlich klasse, dass wir uns Griffins dämlichen Befehl, das bescheuerte Juwel zu besorgen, nun nicht mehr beugen mussten, aber auf der anderen Seite war es schon ein wenig diskriminierend, dass das Siegel so wenig auf uns hielt. Traute uns das Ding wirklich nichts zu? Konnte das Teil überhaupt denken? Zugegeben, sich gegen einen Teufel und zwei Engel zu verteidigen, war keine einfache Sache. Vielleicht sogar tatsächlich unmöglich. Aber dennoch hätte das Siegel es uns wirklich wenigstens mal versuchen lassen können, ehe es uns als Schwächlinge abgestempelt hätte. Ach, was beschwerte ich mich eigentlich? Griffin würde sich fürchterlich darüber aufregen und nur das zählte. „So, meine Freunde, wie’s aussieht, ist unser kleines Spielchen hier und jetzt zu Ende, bevor es überhaupt angefangen hat“, meinte ich lächelnd. „Der Befehl unseres Mini-Meisters ist aufgehoben und somit haben wir auch keinen Grund mehr, uns das Juwel zu schnappen.“ Inuyasha machte den Eindruck, als wollte er widersprechen, aber nachdem ich ihm einen giftigen Blick zugeworfen hatte, schluckte er seinen Protest mit grimmiger Miene hinunter. „Ich für meinen Teil habe zumindest keinen Bock, mir die Hände schmutzig zu machen, wenn nicht gerade mein Leben davon abhängt“, sagte ich schulterzuckend. „Also machen wir uns einfach vom Acker und verfluchen die verdammten Menschen, die uns gegen unseren Willen hier festhalten und uns mit ihren wahnsinnigen Welteroberungsplänen nerven. Was haltet ihr davon?“ Lanyva trat noch einen Schritt vor, nahm mich mit ihren übernatürlich leuchtenden Augen scharf ins Visier und meinte mit kühler Stimme: „Dem kann ich nicht zustimmen.“ Ich stöhnte auf. „Ja okay, ihr Engelchen dürft nichts und niemanden verfluchen, ich weiß.“ Manchmal fragte ich mich, ob denen ihre eigene Ethik nicht ab und an selbst auf den Keks ging. „Dann macht euch vom Acker und flucht eben einfach nicht rum, wenn euch das so in ein moralisches Dilemma stürzt.“ Lanyva gab ein Geräusch von sich, das ich nicht ganz zu deuten vermochte. Entweder sollte das eine Art Schnauben darstellen oder aber ihr war einfach eine Fliege in die Nase gekrabbelt. „Das meine ich nicht“, sagte sie zischelnd. „Wir können euch nicht gehen lassen. Emmerett hat befohlen, euch gefangen zu nehmen.“ Höh? „Wirklich?“, fragte ich überrascht. „Natürlich“, meinte die Engelsdame. An ihrem Tonfall war eindeutig festzustellen, dass sie sehr von mir genervt war, was ich wiederum ausgesprochen begrüßte. „Um Japan zu erobern und somit diese – doch etwas befremdlich anmutende – Wette zu gewinnen, ist es sicherlich von Vorteil, den größten Gegner auszuschalten. Ohne euch wird Griffin keine Chance haben, noch irgendetwas auszurichten, und dieses ganze Spektakel wäre innerhalb weniger Tage schon vorbei.“ Zugegeben, Unrecht hatte die Strahle-Tante nicht. Griffin wäre ohne uns aufgeschmissen, Emmerett hätte mal eben schnell Japan erobern können und die dämliche Wette wäre Geschichte gewesen. Klang ganz plausibel. Allerdings bezweifelte ich irgendwie, dass Griffin das als rechtmäßigen Sieg anerkennen würde. Er würde wahrscheinlich ein großes Trara veranstaltet, rumzicken wie eine Ziege auf Grünzeugentzug und Revanche fordern. Und dann würde es immer und immer und immer so weiter gehen, bis Griffin und Emmerett dann endlich das Zeitliche segneten oder auch Gott das Jüngste Gericht eben mal in Gang setzte. Abgesehen davon gefiel mir der Gedanke nicht, mich von Engeln gefangen nehmen zu lassen. Griffin war immerhin auf uns angewiesen und behandelte uns einigermaßen menschlich, aber Emmerett traute ich ohne weiteres zu, uns in ein stinkendes Kellerloch werfen und uns dort verhungern zu lassen oder uns gar gleich umzubringen. Griffin hatte sich trotz seiner Ignoranz und Hochnäsigkeit doch wenigstens noch einen kleinen Funken Moral bewahrt, aber Emmerett hatte den Blick eines potenziellen Massenmörders. Zumindest war ich mir ziemlich sicher, dass er schon für banalere Gründe als eine Wette – obwohl es kaum etwas Banaleres geben konnte – über Leichen gehen würde. Er war die Art Mensch, die nach ihrem Tod einen Direktexpress in die Hölle erhielten. „Denkt ihr wirklich, wir lassen uns gefangen nehmen?“ Inuyasha wedelte provozierend mit seinem Monsterschwert hin und her und verschreckte dabei doch gleich einige gerade vorbeifliegenden Insekten. „Ich glaube, ihr hattet euren Kopf zu lange über den Wolken, sodass eure Gehirne schon ganz aufgebläht sind.“ Oh, der Spruch war gut. Den musste ich mir merken. „Wir sollen sie wirklich einsperren?“, mischte sich nun auch Krytio ein. Er sah alles andere als begeistert aus, während er mir einen kurzen Blick zuwarf. „Das ist doch nicht –“ „Es ist ein direkter Befehl!“, unterbrach Lanyva ihn unwirsch. „Und du hast ihn zu befolgen!“ Bei diesen Worten, so bemerkte ich, leuchtete das Siegel auf Krytios Arm kurz auf. Er seufzte daraufhin frustriert und stieß einen Fluch aus, der sich an Emmeretts Mutter und ihre ausgesprochen schlechten Erziehungsmethoden richtete. Ich währenddessen betrachtete Krytios Siegel eingehender. Also war es tatsächlich möglich, auch den Befehl durch einen Mittelsmann überbracht zu bekommen? In dem Fall musste Emmerett ja nicht mal aus seinem bequemen Sessel aufstehen, um alles zu dirigieren. Alle so furchtbare Faulpelze, diese Engländer! „Du hast zu gehorchen, ansonsten schmorst du für ewig in der Hölle“, drohte Lanyva Krytio, nur um dann festzustellen, dass diese Worte bei Teufeln eher Glücksgefühle auslösten. Somit verbesserte sie sich rasch: „Ansonsten musst du für immer und ewig im Paradies verweilen, umgeben von Kaninchen, singenden Vögeln, Liebe, Frieden und Harmonie.“ Bäh. Das Mädel verstand es wirklich, einem Teufel das Mittagsessen wieder hochkommen zu lassen. Lanyva schaute noch ein letztes Mal böse in die Runde, dann aber bildete sich auf ihren Lippen ein geradezu groteskes Lächeln und sie gluckste vergnügt wie ein kleines Kind. Sie ergriff die Hand Saphiels und fragte: „Wollen wir sie fertigmachen, Bruder?“ Saphiel grinste zurück. „Selbstverständlich, Schwester.“ Ich konnte nur ungläubig die Stirn runzeln. Also entweder litt Lanyva unter furchtbaren Gemütsschwankungen oder aber unter einer gespaltenen Persönlichkeit. Bei der radioaktiven Verseuchung dort oben im Himmel tippte ich eher auf das Zweite. Meine Güte, jetzt bekam ich es auch noch mit zwei Engels-Psychos zu tun! Im Grunde konnte es jetzt kaum noch schlimmer werden. „Es tut mir aufrichtig leid, kleiner Teufel“, sagte Lanyva in einem heuchlerischen Tonfall, der mir die Nackenhärchen aufstellte. „Ich fürchte, unser Meister hat so einiges mit euch vor. Und vielleicht wird der ein oder andere von euch das bedauerlicherweise nicht unbeschadet überstehen.“ Besonders traurig klang das Engelchen aber nicht. Scheinheiliges Pack! Wenn es um Schadenszufügungen bei Menschen ging, rissen sie immer entsetzt die Augen auf, plapperten irgendetwas von Moral, Wertvorstellungen und dem ganzen Quatsch und beharrten darauf, wie böse, falsch und niederträchtig Gewaltanwendung doch sei, aber im Hinblick auf Dämonen und Teufel war das plötzlich erstaunlicherweise gar nicht mehr so schlimm. Gab es etwas Furchtbareres als doppelzüngige Pseudo-Moralapostel? Ich spürte, wie Shimo kurz an meinem Ärmel zupfte. „Ich glaube, wir sollten lieber verschwinden“, schlug er in einem ungewöhnlich ernsten Ton vor. „Gegen zwei Engel und Krytio stehen die Chancen nicht allzu gut.“ Ich schnaubte. „Du hältst wohl keine großen Stücke auf uns, was?“ „Du bist so stark wie deine Mutter, das will ich gar nicht bezweifeln“, meinte er mit einem schiefen Lächeln. „Aber es gibt da einen wichtigen Punkt, den du übersiehst, mein kleiner Pestkäfer.“ „Und der wäre?“, fragte ich bissig. Eigentlich stimmte ich ihm – oh Wunder – ausnahmsweise mal zu, dass ein schneller Rückzug die beste Lösung wäre, aber alles in meinem Inneren sperrte sich dagegen, meinem Trottel von Vater Recht zu geben. Das war ein angeborener Instinkt, der mich seit je her davor beschützt hatte, von Shimos Wahnsinn befallen zu werden. „Du übersiehst DAS!“ Mein alter Herr deutete ins Innere des Bannkreises, wo noch immer dieses schlossähnliche Gebilde dumm und tatenlos rumstand. „Dort drin ist das Juwel. Und darüber hinaus auch noch mehrere starke Auras. Ich schätze mal, weitere Diener Emmeretts.“ Also darauf hatte ich nun wirklich keinen Bock. Dann war’s wohl echt an der Zeit, eine Fliege zu machen. Allerdings sahen die Engel das ein bisschen anders. Immer noch Händchen haltend hatten sie ein schadenfrohes Lächeln aufgesetzt und ganz offensichtlich ihre Kräfte vereint, wenn ich die Tatsache, dass die beiden plötzlich zu strahlen begannen wie Glühwürmchen auf Drogen, richtig deutete. Sie streckten ihre jeweils noch freien Hände in unsere Richtung und lachten hämisch. Im nächsten Augenblick schlängelte sich etwas Fadenähnliches aus ihren Fingerspitzen, das sich, erstmal an der frischen Luft, verknotete und damit so etwas wie ein Seil bildete. Ein langes, leuchtendes, merkwürdiges Seil, das ekelerregenderweise aus dem Inneren zweier Engel gekrochen war. Pfui! Ich wollte gar nicht wissen, woraus das genau gemacht war. Ich vermutete – oder besser gesagt: hoffte – zwar, dass es aus Energie bestand, aber völlig sicher war ich mir nicht. Das komische Seil-Dingsbums wand sich einen Moment in der Luft wie ein Aal im Wasser und schien nicht so recht zu wissen, wo es eigentlich hinsollte. Allerdings dauerte dieser Zustand gerade mal eine Millisekunde an. Dann drehte es sich plötzlich in meine Richtung und raste mit einem Affenzahn direkt auf mich zu. Mir blieb nicht mal Zeit, angemessen zu reagieren, so schnell war dieses seltsame Ding. In einem Anfall von völlig geistiger Umnachtung (wahrscheinlich waren die radioaktiven Schwingungen der Engel dran Schuld) schaffte ich es gerade noch, Shimo von mir wegzustoßen, ehe sich das Seil meiner bemächtigte und meinen ganzen Körper einwickelte. Ich unterdrückte einen Schmerzensschrei, als das Ding meine Haut berührte. Nicht nur, dass das Seil mich fester verschnürte als alle Pakete der Welt zusammengenommen und mir geradezu die Luft abdrehte, darüber hinaus war es aus der reinen Energie zweier Engel geflochten und somit wie Gift für mich. Es fühlte sich an wie brennende Säure, die mir die Haut wegätzte. Meine Versuche, mich von dem Ding zu befreien, waren selbstverständlich zum Scheitern verurteilt. Es war, als würde eine Maus versuchen, einen Elefanten hochzustemmen – einfach nicht besonders vielversprechend. Und das Seil war mit der Kraft von zweien geladen und somit eindeutig im Vorteil. Offenbar wussten auch Engel, wie man unfair spielte. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Saphiel und Lanyva sich bereits ihren weiteren Opfern zuwandten. Ich hörte Inuyasha große Töne spucken und Hisa laut fluchen. Shimo war im Moment zwar aus meinem Blickfeld verschwunden, aber auch er war sicher nicht weit. Schließlich hatte er nicht seine Freiheit geopfert, um seine Tochter zu retten, nur um mich jetzt wieder zu verlieren. Entweder würde er kämpfen oder – was weitaus wahrscheinlicher war – die beiden Engel zu einer Tasse Tee einladen und sie dann dabei dermaßen mit dem größten Unsinn diesseits und jenseits der Welten zulabern, dass sie vor lauter Selbsterhaltungstrieb den Freitod wählen würden. Keine besonders elegante Methode, um einen Feind auszuschalten, aber durchaus effektiv, wie Shimo es schon oft unter Beweis gestellt hatte. Und darüber hinaus war es auch besonders qualvoll für die Opfer. Bei meinen kläglichen und eigentlich ziemlich hoffnungslosen Versuchen, den Griff des Seils wenigstens ein bisschen zu lockern, verlor ich schließlich auch noch das letzte, was mir zurzeit geblieben war: Mein Gleichgewicht. Ich konnte nur einen überraschten Schrei loslassen, ehe ich wenig graziös nach hinten kippte. Doch zu einem unangenehmen Kontakt mit dem Boden kam es nicht. Ich spürte, wie mich jemand noch rechtzeitig von hinten auffing, bevor ich Bekanntschaft mit dem Dreck machen konnte. Rasch hob er mich hoch, als wäre ich bloß eine gewichtslose Stoffpuppe, und nahm mich in seinen Arm. „Befehl ist Befehl“, meinte er entschuldigend. Er starrte mich mit seinen beinahe schon hypnotisierend grünen Augen durchdringend an. „Ich hab einfach noch keine Lust zu sterben.“ Ich wand mich in seinem Griff und zischte: „Lass mich runter, Krytio!“ Doch stattdessen presste er mich nur enger an seine Brust. „Gleich“, versprach er mir in einem seltsamen Tonfall. „Aber nicht hier.“ Er wandte sich in Richtung des Bannkreises, die tobenden Engel einfach hinter sich lassend. Ich versuchte noch, über seine Schulter einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen, aber es war mir nicht vergönnt. Das einzige, was ich mitbekam, waren Inuyashas wenig jugendfreie Verwünschungen. Also irgendwie war das Ganze nicht wirklich so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten. Anstatt nun eine blöde Glitzerkugel in den Händen zu halten und Emmerett schadenfroh ins Gesicht zu lachen, hatte uns der verfluchte Kerl mit seinen zwei Engeln und seinem Bestreben, alle Diener Griffins in seine Gewalt zu bringen, doch ein wenig überrumpelt. Zugegeben, über die Engel hatten wir schon zuvor Bescheid gewusst, aber nicht über ihre supertolle und auch supernervige Fähigkeit, ihre Kräfte auf diese Art und Weise zu verbinden, dass nicht mal ein Teufel dagegen eine Chance hatte. Die Stärke eines anderen zu nutzen, war keine große Kunst, aber was Lanyva und Saphiel da abgezogen hatten, war doch etwas völlig anderes. Ihr Zauber war mächtig, von ihrem tiefsten Innersten erfüllt – kurz gesagt: er war einfach ein Ganzes! Normalerweise, wenn sich zwei Kräfte verbanden, waren es doch immer noch irgendwie zwei Pole von verschiedenen Personen. Nur wenigen Kreaturen gelang es, solch eine Machtbasis aufzubauen, dass aus zwei unterschiedlichen Dingen etwas völlig Neues und Eigenständiges entstand. Und meistens zeigte sich dieses seltene Phänomen bei Zwillingen! Somit hatte sich Emmerett nicht nur irgendwelche Engel gekrallt, sondern ein mächtiges Zwillingspaar, das im Himmel sicherlich eine hohe Stellung einnahm. Mannomann, das hätte jemand auch ruhig mal früher erwähnen können. Und da niemand eine arme Teufelin wie mich aufgeklärt hatte, saßen wir nun in der Patsche. Meine Mitleidensgenossen mussten sich gegen zwei verflixte Engel verteidigen (na gut, um Inuyasha und Shimo tat’s mir nicht sonderlich leid, aber wenigstens Hisa war in meinen Augen halbwegs passabel genug, um an sie ein oder zwei Gedanken zu verschwenden) und ich war fest verschnürt wie ein Geburtstaggeschenk und lag in den Armen eines Kerls, der der Stellvertreter eines größenwahnsinniges Teufels und darüber hinaus auch noch mühselig um meine Gunst bemüht war. Vielleicht würde es ihm einfallen, den ein oder anderen Gefallen einzufordern, um meine jetzt schon ätzende Gefangenschaft nicht noch schlimmer werden zu lassen. Gefallen, an die ich gar nicht mal denken wollte. Was würde wohl noch alles auf mich zukommen? _____________________________________________________________ Erstmal sorry, dass es was länger gedauert habt. Ihr könnt euch dafür gerne bei meinen Professoren beschweren, die mich mit ihren Hausaufgaben und Referaten genervt haben ;p Dafür ist dieses Kapitel auch ein bisschen länger geraten. Ihr könnt euch auch schon mal auf Rasias Gefangenschaft freuen, da wartet vielleicht noch die ein oder andere Überraschung ;) Kapitel 13: Extrem schwache Momente, der Ort der ewigen Qualen, sehbehinderte Teufel und hübsche Ideen ------------------------------------------------------------------------------------------------------ Wohin Krytio mich genau brachte, konnte ich nicht erkennen. Ich hörte im Hintergrund das Knallen und Bummen eines sehr geräuschvoll ausgetragenen Kampfes (Inuyasha schien wohl ziemlich angepisst zu sein, dass man ihn gefangen nehmen wollte und irgendwie vermochte ich dieses Gefühl sehr gut nachzuempfinden), während ich meinerseits sehr damit beschäftigt war, mich mit diesen schmerzhaften Fesseln irgendwie zu arrangieren und mir gleichzeitig meine gekränkte Ehre nicht anmerken zu lassen, da ich von einem Kerl getragen wurde, der bis vor einem Jahr noch mit voller Hingabe einem vertrottelten Klappergestell gedient hatte. Krytio brachte mich schließlich, soweit ich das sehen konnte, in ein kleineres Nebengebäude. Er öffnete eine Menge Schiebetüren, wirbelte dabei reichlich Staub auf und setzte mich schließlich auf dem Boden eines wenig geräumigen Zimmerchens ab. Um wenigstens einen Teil meiner angeknacksten Würde zu bewahren, robbte ich von ihm weg, bis ich die Wand hinter meinem Rücken spürte. Ich hätte mich gerne aufgerichtet und ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, aber an eine vertikale Position war im Moment nicht zu denken. Dafür war ich viel zu zugeschnürt. Krytio schien mein Unbehagen zu bemerken und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden, direkt mir gegenüber. Eine Zeit lang sagte er nichts, sondern musterte mich bloß mit reuevoller Miene. „Es tut mir wirklich leid“, meinte er schließlich. Ich hob eine Augenbraue. Besonders originell war der Spruch ja nicht gerade. „Ich würde dich ja gerne von diesen Fesseln befreien, aber gegen diese verfluchte Engelsmagie kann ich nicht allzu viel ausrichten“, fuhr er fort. „Tut mir leid.“ Irgendwie hatten wir das schon mal. Einen Augenblick betrachtete er mich noch mit diesem fürchterlich reuigen Gesichtsausdruck, dann aber stahl sich ein knappes Lächeln auf seine Lippen. „Du hast gerade eben deinen Vater gerettet, das ich dir doch hoffentlich klar, oder?“ Nun sah ich mich doch genötigt, meinen Mund aufzumachen. „Das war ein extrem, extrem, extrem, extrem schwacher Moment“, verteidigte ich mich schnaubend. „Außerdem hatte ich nicht mal Zeit, richtig darüber nachzudenken. Es war bloß ein dummer Reflex.“ Krytio wirkte ziemlich amüsiert. „Ja, ja“, meinte er schmunzelnd. „Was denn?“ Langsam machte mich der Kerl aggressiv. „Denkst du wirklich, ich hätte Shimo aus voller Berechnung aus der Schusslinie gestoßen? Ich hatte eigentlich angenommen, dass du ein ziemlich schlaues Bürschchen wärst, aber offenbar habe ich mich getäuscht.“ Krytios lästiges Lächeln wurde immer breiter. „Du kannst mir nichts vormachen, Rasia. In Wahrheit liebst du deinen Vater.“ Pfui-Bäh! Was benutzte der Kerl nur für dreckige Worte? Offenbar hatte seine Mutter ihm in seiner Kindheit nicht oft genug den Mund mit Seife ausgewaschen. „Du kannst von Glück sagen, dass ich gefesselt bin“, zischte ich wie eine gereizte Schlange. „Ansonsten hätte ich dir schon längst den Kopf abgerissen. Wag es ja nie wieder, so widerwärtige Lügen über mich zu verbreiten, verstanden?“ Krytio lachte bloß belustigt auf. Einfältiger Idiot! Er hatte mich und meine tollen Todesdrohungen nie richtig ernst genommen und irgendwann würde ihm das noch zum Verhängnis werden. Ganz sicher. „Im Grunde kannst du froh sein, einen Vater wie Shimo zu haben“, sagte er. „Mein werter Erzeuger schert sich einen Dreck um mich.“ Das konnte ich irgendwie verstehen. „Er würde nie kommen, um mich zu retten, wie Shimo es heute für dich getan hat. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich beneide.“ Wow, so was hatte mir noch niemand gesagt. Ich spürte bei diesen Worten das tiefe Verlangen, ihm meinen Vater zu schenken, damit die beiden Trottel für immer und ewig glücklich miteinander sein könnten. „Du bist wirklich ein unverbesserlicher Dummkopf, Krytio“, meinte ich kopfschüttelnd. „Hast du überhaupt – Moment!“, unterbrach ich mich selbst. „Woher weißt du eigentlich, dass Shimo gekommen ist, um mich zu retten?“ Krytio zuckte kurz mit den Schultern. „Emmerett hat seine Spione.“ „Ach tatsächlich?“, fragte ich verwundert. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass uns jemand beobachtet hatte. „Ja, Krähen.“ Man merkte an seinem abwertenden Tonfall, dass ihm diese Viecher nicht sonderlich zusagten. „Das sind irgendwelche Youkai, die Emmerett hier aufgesammelt hat. Die Kerle mussten nicht mal mit einem Siegel gebunden werden, die arbeiten völlig freiwillig für ihn.“ Igitt! Das war ja fast noch abartiger als Krytios „Ich-liebe-meinen-Vater“-Rede vorhin. „Emmerett hat ihnen, soweit ich weiß, ein bestimmtes Herrschaftsgebiet versprochen. Diese Krähen sind wohl ziemlich unbedeutende und mickrige Dämonen, die von den Großen immer rumgeschubst werden. Denen geht es wohl hauptsächlich darum, diesen besagten Youkai mal mächtig in den Hintern zu treten.“ Oh Mann, das wurde ja immer besser. Dieser Emmerett verstand es offenbar gekonnt, praktische Diener um sich zu scharen. Ganz sicher, der Junge würde nach seinem Tod direkt in die Hölle wandern. Nun ja, nicht direkt in die Hölle. Zumindest nicht in das Gebiet, wo wir Teufel lebten. Das wäre ja noch schöner, wenn in unseren Wohnorten überall tote Menschen rumwanken würden! Nein, die wurden in einen extra für sie abgesperrten Bereich verfrachtet. Genauer gesagt Bezirk 215 bis 256. Der Einfachheit halber auch öfter als ‚Hölle 2’, ‚Unterwelt’ oder ‚Ort der ewigen Qualen’ bezeichnet. Ein ödes, karges, stinklangweiliges Land, in dem kein Teufel je freiwillig leben würde. Somit war es dazu auserkoren worden, die verstorbenen Hirnis aufzunehmen, denen man im Himmel keinen Zutritt gewährt hatte. Das waren übrigens beileibe nicht so viele, wie man hätte meinen können, da der Himmel sehr großzügig mit seinem ganzen Vergebungs-Kram war. Nur die schlimmsten Buben, die noch nie etwas von Reue gehört hatten, wurden in die ‚Hölle 2’ runtergeworfen. Und irgendwie wirkte dieser kleine, fiese Emmerett nicht wie jemand, der etwas von Bedauern verstand. Ich freute mich schon auf den Tag, an dem dieser Bengel seinen letzten Gang antreten würde. Ich machte mir gedanklich eine Notiz, dass ich einem der Wärter von ‚Hölle 2’ mit ein paar netten Worten und einem verführerischen Augenaufschlag dazu bringen würde, sich eine ganz besondere Strafe für Emmerett einfallen zu lassen, sodass er bis in alle Ewigkeit schreckliche Qualen erleiden würde. Klassiker war natürlich, einen gigantischen Felsblock einen Hügel hinaufzuschieben, der dann, kurz bevor man die Spitze erreicht hatte, wieder nach unten rollte [1]. Auch schön war es, wenn man dabei zuschauen konnte, wie einem bei lebendigem Leib die Leber aufgefressen wurde [2]. Eine ebenso beliebte Foltermethode bei uns war das Bad im Salzsäuresee, das sogenannte ‚Skifahren’ ohne jegliche Ausrüstung vom höchsten Berg der Hölle und das Zählen von äußerst agilen Fliegen in einem Glaskäfig (wen’s interessiert: es sind genau 2.895.352 Fliegen – der einzige, der diese Zahl bis jetzt herausbekommen hatte, war ein sympathischer Massenmörder mit einem witzigen Sprachfehler gewesen, der dafür nur schlappe viertausend Jahre gebraucht hatte). Tja, vielleicht würde Emmerett auch irgendwann ewig und drei Tage Fliegen zählen oder Felsblöcke durch die Gegend rollen. Und Griffin würde ihm dabei je nachdem Gesellschaft leisten. Was für ein Spaß! „Rasia?“, unterbrach Krytio meine schönen Gedanken. „Darf ich dich was fragen?“ Hätte es was genützt, wenn ich ‚Nein’ gesagt hätte? Wahrscheinlich nicht. „Wenn’s denn unbedingt sein muss“, meinte ich somit. „Du weißt nicht zufällig, wie es Amelia geht, oder?“, erkundigte er sich. „Wem?“ Erst als ich diese Frage bereits gestellt hatte, fiel mir wieder ein, wen er meinte. Er sprach von seinem kleinen Töchterchen. „Keine Ahnung. Alymara hat mir erzählt, dass man sie mutterseelenallein zu Hause gefunden hat. Ob es ihr gut ging oder nicht, hat meine Schwester nicht gesagt. Wenn ich’s recht bedenke, hat sie nicht mal erwähnt, ob die Kleine überhaupt noch am leben war.“ Einen Augenblick starrte mich Krytio entsetzt an, sodass ich mich schon fast dazu genötigt sah, ihm ein paar beruhigende und speichelleckende Worte unterzujubeln, damit er nicht in Tränen ausbrach, aber dann entspannten sich seine Gesichtszüge wieder. „Amelia geht es sicher gut“, sagte er, mehr an sich selbst als an mich gerichtet. „Sie ist hart im nehmen.“ Wenn das Schätzchen auch nur annähernd so krass drauf war wie meine 47 oder 48 Nichten und Neffen, dann hatte sie die Zeit ohne ihren Papi sicher in vollen Zügen genossen. Ich betrachtete Krytio eine Weile, während er seinen eigenen Gedanken nachhing – vielleicht dachte er gerade an seine Tochter, unter Umständen überlegte er aber auch, was es heute zum Abendessen geben würde. Auf jeden Fall musste ich feststellen, dass er ohne die grelle Kleidung, die er sonst zum Leidwesen aller bevorzugt hatte, richtiggehend ernst und seriös aussah. Er war zwar immer noch ein Volltrottel, aber nun merkte man ihm das nicht unbedingt auf den ersten Blick an. „Was ist eigentlich mit dir passiert?“, fragte ich nach. „Waren Emmerett die Farben etwa auch zuwider und er hat dir befohlen, nur noch schwarz zu tragen? Was ich übrigens sehr gut verstehen würde.“ Krytio lächelte knapp. „Nein. Die Farben habe ich schon Monate vor Emmeretts Auftauchen abgelegt. Es ist … na ja, ich habe das eigentlich nur wegen Barium getragen.“ Ich legte meinen Kopf schief. „Wieso? Stand der so auf ekelerregende Farben?“ Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Das alte Klappergestell war ein wandelndes Beispiel des schlechten Geschmacks gewesen. „Nein“, erwiderte Krytio. „Mit Bariums Sehkraft stand es nicht zum Besten. In der Zeit, bevor ich anfing die grellen Farben zu tragen, hat er Anweisungen, die eigentlich für mich bestimmt waren, immer an Steinsäulen, Topfpflanzen oder den Hausmeister gerichtet. Darum musste ich was unternehmen, damit er mich nicht immer wieder verwechselte.“ Oh Mann, das klang verrückt und traurigerweise auch total einleuchtend. Bevor wir dazu kamen, das interessante Thema über Bariums Beschränktheit weiter zu vertiefen, war plötzlich ein Knarren zu hören. Die Schiebetür ging langsam auf und herein kam ein unerträglich triumphierend dreinblickender Emmerett. Ich hätte mich liebend gern zu meiner vollen Größe aufgerichtet, um dem Rotzlöffel auf den Kopf zu spucken, aber unglücklicherweise hatte sich meine Verschnürung kein bisschen gelockert und hinderte mich so an einem tollen Auftritt. Stattdessen hockte ich hier gefesselt auf dem Boden und musste mich von einem Kind angrinsen lassen. Das war einfach nicht mein Tag heute. „Es ist nett, dich mal in deiner wirklichen Gestalt sehen zu können“, meinte Emmerett mit einem ganz eindeutig schadenfrohen Unterton in der Stimme. „Und du bist tatsächlich eine Augenweide, so wie vielerorts behauptet wird.“ Was sollte das jetzt werden? Wollte er mich etwa anbaggern? Das konnte der kleine Giftzwerg aber knicken! Ich hatte Würmer in meinem Garten, die älter waren als er! „Hör bloß auf mit deinem dummen Gesülze!“, zischte ich ungehalten. „Töte mich, foltere mich, sperr mich in irgendein Loch – aber hör endlich auf, den Netten zu spielen! Davon kriege ich Ausschlag.“ Emmerett lächelte knapp. Er warf einen kurzen Blick zu Krytio, der bei Eintreten seines Herrn wider Willen aufgestanden war, ehe er sich wieder mir zuwandte. „Wie du willst, Teufel. Ich bin es als englischer Gentleman nur gewöhnt, es allen so recht und angenehm wie möglich zu machen.“ Also seine Definition von ‚angenehm’ war offenbar ganz anders als meine. „Aber ich habe nicht vor, dich zu töten“, offenbarte er mir. „Nun ja, sagen wir, wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle. Und meistens kriege ich auch immer das, was ich will.“ Klassisches Einzelkind, keine Frage. „Genaugenommen bist du nur Mittel zum Zweck, Teufel. Ich brauche dich, um etwas zu finden. Oder besser gesagt: Ich brauche dich und deinen Vater, um etwas zu finden.“ Ich verzog mein Gesicht. Na toll, das wurde ja immer besser. Und wenn ich seine überhebliche Miene richtig deutete, hatte auch Shimo sich schnappen lassen. Ansonsten wäre dieser Bubi niemals so großspurig hier aufgetreten. Zumindest war es sehr gut vorstellbar. In dieser kleinen Abstellkammer war ich völlig abgeschottet, nicht mal Inuyashas entzückendes Gefluche bekam ich hier mit. Somit konnte ich nicht genau sagen, ob meine lästigen Mitleidensgenossen schon den Engeln zum Opfer gefallen waren oder nicht. „Und wie kommst du auf den Gedanken, dass wir dir helfen könnten?“, fragte ich schnaubend. „Ganz ehrlich, wir haben schon einen vollkommen hirnverbrannten Meister, der sich für den Besten und Tollsten der Welt hält. Einen zweiten brauchen wir wirklich nicht.“ Emmerett lachte auf. Ihm schien die Beschreibung Griffins sehr zuzusagen. „Oh, ihr werdet mir helfen, da sehe ich kein Problem. Zumindest dein Vater – und auf ihn kommt es eigentlich hauptsächlich an – wird sich überreden lassen. Entweder er spielt mit oder ich töte seine geliebte Tochter vor seinen Augen.“ Im Hintergrund, so fiel mir auf, verfinsterte sich Krytios Gesicht bei diesen Worten merklich. Es war nicht zu übersehen, dass er Emmerett am liebsten in Stücke gerissen hätte. Was ich übrigens auch liebend gern getan hätte, wenn mich diese Fesseln nicht daran gehindert hätten. Im Grunde war es so simpel. Ich hätte diesen Jungen nur abmurksen müssen und die Engel wären auch am Ende gewesen. Dann hätte es Krytio zwar ebenso erwischt, aber dieses Risiko war ich jederzeit bereit einzugehen. Blieb nur die Frage, ob Griffin davon so begeistert gewesen wäre. Klar, ganz offensichtlich hasste er Emmerett bis aufs Blut, aber für einen Mord war er sicher nicht wirklich zu haben. Er würde mich zur Strafe wahrscheinlich von Blitzen grillen lassen, sollte ich es wagen, Hand an seinen Wettkumpan anzulegen. Menschen waren einfach so furchtbar kompliziert. „Und was genau sollen wir für dich finden?“, erkundigte ich mich. Wenn es um seinen Teddybären ging, den er irgendwo auf der Reise verloren hatte, würde ich unter Garantie anfangen, meinen Kopf gegen die nächstbeste Wand zu schlagen. „Ein Schwert.“ Emmeretts Augen blitzten gierig auf. „Ein Schwert, das Tote wieder zum Leben erwecken kann. Wenn ich dieses Artefakt besitze und einfach ein paar Dahingeschiedene wiederauferstehen lasse, wird das gemeine Volk mir zu Füßen liegen. Das würde mir eine unglaubliche Macht verleihen.“ Als er mit diesem siegessicheren Blick in die Ferne starrte und offenbar von seiner glorreichen Zukunft träumte, wirkte er nun ganz und gar wie ein Größenwahnsinniger. „Das klingt ja wirklich klasse“, sagte ich trocken. „Ganz toll. Und wie kommst du auf den Gedanken, dass nur Shimo und ich dir dieses Schwert besorgen können? Du hast doch haufenweise kleine Dienerchen, die das sicher liebend gern für dich machen würden.“ Krytio schnaubte. Offenbar schien er Emmeretts Befehle nicht so liebend gern auszuführen. „Weil du die Energie des Schwertes kennst“, erklärte der Bursche. „Du kannst dies dann deinem Vater übermitteln und er als Magiespürhund wird kein Problem haben, es aufzuspüren.“ Ich starrte verdutzt aus der Wäsche. „Ich kenne das Schwert?“, hakte ich verwundert nach. Ich konnte mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, einem Brötchenmesser mit solch einer Fähigkeit jemals über den Weg gelaufen zu sein. Zugegeben, was solche dummen Waffen anging, war mein Gedächtnis nicht immer das Beste, aber ein Schwert, das über Leben und Tod entscheiden konnte, würde ich bestimmt nicht so schnell vergessen. „Tensaiga“, sagte Emmerett bloß mit so einem dämlichen Grinsen auf den Lippen. Ich runzelte irritiert die Stirn. „Ich kenne auch niemanden, der Tensaiga heißt.“ Das dumme Lächeln erlosch. „Nein, das Schwert heißt Tensaiga“, erklärte er, nun offenbar ein wenig genervt. „Ein Schwertschmied hat mir davon erzählt. Irgendein Dämon, ein merkwürdiger alter Kauz mit einem ungehobelten Mundwerk. Krytio musste ihn ein bisschen in die Mangel nehmen, damit er gesprächig wurde.“ Irgendwie verstand ich immer noch nicht, worauf der Bengel hinauswollte. „Er erzählte mir von Tensaiga“, fuhr Emmerett fort. „Es befindet sich zurzeit im Besitz eines Daiyoukai. Eines Hundefürsten, um genau zu sein. Jenem, der, Krytio zufolge, vor einem Jahr der Hölle einen kurzen Besuch abgestattet hat.“ Plötzlich dämmerte es mir. Ich musste an den weißen Riesen mit der Kriegsbemalung denken. An den mürrischen und hinterhältigen Mistkerl, der es tatsächlich gewagt hatte, mich übers Ohr zu hauen. Und ebenso entsann ich mich an die zwei Klimperschwertchen, die an seinem Gürtel gehangen hatten. Seine kleine, menschliche Begleiterin hatte mir damals die Namen dieser Waffen genannt. Und soweit mich mein Gedächtnis nicht täuschte, war es sehr gut möglich, dass eine der Nagelfeilen tatsächlich Tensaiga geheißen haben könnte … „Redest du etwa von Sesshomaru?“ Ich knirschte mit den Zähnen, als ich diesen Namen aussprach. Ich hasste diesen Kerl wirklich. Inuyasha war einfach nur ein Idiot, der nur selten sein Gehirn anstrengte, aber Sesshomaru war eine durchtriebene Schlange ohne jedes Gewissen. Das waren die Schlimmsten. „Ich sehe, du erinnerst dich an ihn“, stellte Emmerett zufrieden fest. „Das ist sehr gut. Es wird meine Mission extrem erleichtern.“ „Du willst Sesshomaru also sein allesgeliebstes Schwert wegnehmen?“ Auf meinen Lippen bildete sich ein hinterlistiges Lächeln. „Eine wirklich schöne Idee. Und was hast du weiter mit ihm vor?“ Emmerett zuckte nur mit den Schultern. „Da bin ich noch unentschlossen. Ich könnte ihn selbstverständlich töten lassen, immerhin ist er ein mächtiger Daiyoukai, der meinen Eroberungsplänen im Weg steht. Aber auf der anderen Seite könnte er sich für mich auch als nützlicher Diener erweisen.“ Ich lächelte weiter vor mich hin. Für welche Variante auch immer sich Emmerett letztlich entscheiden sollte, es würde Sesshomaru nicht sonderlich in den Kram passen. Wenn man ihn tötete, war er ein- und für allemal tot, und wenn er zu einem Sklaven würde, wäre das für ihn wahrscheinlich tausendmal schlimmer als der Tod. Vermutlich würde er sich auch eher früher als später Emmeretts Befehlen verweigern – einem Menschenkind Gehorsam zu leisten, war für ihn sicherlich der schlimmste Albtraum – und somit qualvoll zugrunde gehen. So oder so, es würde nicht gut für Sesshomaru ausgehen. Und das begrüßte ich selbstverständlich sehr. „Also, was ist?“, wollte Emmerett wissen. „Hilfst du mir oder nicht?“ Er räusperte sich kurz und meinte: „Im Grunde könnte ich dich ohne größere Probleme einfach dazu zwingen, aber der Höflichkeit wegen frage ich davor lieber mal nach. Immerhin bin ich ein Gentleman.“ Wenn der Begriff ‚Gentleman’ Entführung, Kriegstreiberei und Größenwahnsinn beinhaltete, dann musste ich ihm zustimmen. Dummer, kleiner Bengel. Dummer, kleiner Bengel, der zufällig einen hübschen Plan hatte. „Weißt du, du mickriger Mistkäfer, ich helfe wirklich ungern einem unbedeutenden Menschlein wie dir, aber andererseits bleibt mir kaum eine andere Wahl, oder? Ich habe keinen Bock, einen frühzeitigen Tod zu sterben, und ganz sicher nicht deswegen, um diesen eingebildeten Köter zu schützen.“ Emmerett lächelte siegessicher. „Sehr schön. Ich wusste doch, dass ich auf dich zählen kann.“ Ich schnaubte. „Werd bloß nicht überheblich. Ich helfe nicht dir, sondern nur mir selbst. Ist das klar?“ Und – nicht zu vergessen – half ich Sesshomaru, so schnell wie möglich das Zeitliche zu segnen. Darauf kam’s schließlich an. Ich freute mich schon darauf, den Schneemann wiederzusehen und ihn für seine Verbrechen an meiner Wenigkeit büßen zu lassen. ________________________________________________ Die angedeuteten griechischen Mythen sind zwar sicher jedermann bekannt, aber nur noch mal zur Erinnerung: [1] Der gute alte, verschlagene Sisyphos, Gründer und König von Korinth, der wegen seiner Verbrechen an den Göttern dazu verdammt war, in der Unterwelt für immer und ewig einen Felsblock einen steilen Hang hinaufzurollen, der kurz vor der Spitze immer wieder entglitt. [2] Anspielung auf Prometheus, der von Zeus an einen Felsen gefesselt wurde, wo jeden Tag ein Adler vorbeisah und seine Leber verspeiste, die sich immer wieder aufs Neue regenerierte. So, ich hoffe doch, das Kapitel hat euch soweit gefallen ;) Ihr seht also, unser lieber netter Schneemann bleibt auch in diesem Abenteuer Rasias nicht auf der Strecke XD Fragt sich nur, ob ihm die Begegnung mit der Teufelin so sehr zusagt … Man liest sich im nächsten Kapitel ^^ Kapitel 14: Maden zum Frühstück, schreckliche Gesellschaft, kitschige Herschmerzgeschichten und gierige Blutsauger ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Die Vorstellung, Sesshomaru mal endlich ordentlich in seinen arroganten Hintern treten zu können, hatte meine Laune selbstredend enorm gesteigert. Unglücklicherweise ließ Emmerett uns erstmal auf heißen Kohlen sitzen. Er hatte irgendetwas von Pflichtbewusstsein und Terminen geplappert und war bereits in den frühen Morgenstunden verschwunden, begleitet von Kagura als seine persönliche Beschützerin. Die Youkai hatte besonders begeistert ausgesehen, als Emmerett sie zu seiner neuen Leibwächterin auserkoren hatte. Voller Glück und Freude hatte sie den Anschein gemacht, als würde sie sich am liebsten im nächsten Brunnen ertränken. Soweit ich es Emmeretts nuschelnden Gebrabbel hatte entnehmen können, hatte er wohl – recht widerwillig – zu seinen englischen Freunden zurückkehren müssen, um keinen Verdacht zu erregen. Offenbar waren die britischen Herrschaften angesichts von Shimos spektakulären Auftritts bei dem Bankett immer noch etwas aufgedreht und hatten jetzt wohl einige innovative und wahrscheinlich abgrundtief dämliche Ideen entwickelt, um das Dämonenproblem in diesem Land anzugehen. Dass dabei im Grunde nichts weiter herauskommen würde als heiße Luft, war mir bereits im vorneherein klar. Die Herren würden sich vermutlich an einem großen Tisch zusammenfinden, Tag und Nacht debattieren und dann ein paar hirnrissige Entscheidungen treffen, die a) entweder absolut untauglich waren und das Thema völlig verfehlten oder b) niemals in die Tat umgesetzt werden würden. Auf jeden Fall musste ich mich schweren Herzens damit zufriedengeben, dass ich zunächst in diesem stinkenden Schloss inmitten des Bannkreises eingesperrt war, zusammen mit einem Teufel, zwei Engeln und vermutlich noch weiteren Dienern, die ich bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen hatte, deren Präsenz ich aber deutlich zu spüren vermochte. „Hier, du solltest etwas essen.“ Krytio schob mir eine Schale hin, die mit irgendeiner Menschennahrung gefüllt war. „Du siehst schon halb verhungert aus.“ Das war ich auch. In dieser Welt gab es schließlich auch nichts Vernünftiges zu essen. Griffin hatte mich kurz nach meinem Frühstück unangemeldet aus der Hölle entführt und mich dann den lieben langen Tag durch halb Japan gehetzt. Ich war gar nicht dazu gekommen, irgendwas zu mir zu nehmen. Zwar hätte ich beim Bankett etwas futtern können, aber ehrlich gesagt hatte allein der Anblick der merkwürdigen menschlichen Speisen dafür gesorgt, dass sich mein Hunger in Luft aufgelöst hatte. Aber nun, nach einer äußerst langen Nacht auf einem unbequemen Holzboden und einem noch schrecklicheren Morgen, da mich ein grinsender Engel aus dem Schlaf gerissen hatte, war ich langsam drauf und dran, meine Ansprüche ein wenig herunterzuschrauben. Immerhin hatte ich keinen Bock, in dieser furchtbaren Welt qualvoll zu verhungern – den Gefallen wollte ich Inuyasha ganz sicher nicht tun. „Was soll das sein?“ Ich betrachtete skeptisch das komische weiße Zeug in der Schale direkt vor mir. Es sah ein wenig aus wie kleine Maden. „Die Menschen nennen es ‚Reis’“, erklärte Krytio. „Es schmeckt gar nicht so schlecht. Zumindest kann man es essen, ohne das Gefühl zu haben, sich in der nächsten Sekunde übergeben zu müssen.“ Das klang ja ganz vielversprechend. Wie gesagt, meine Ansprüche waren nach einem Tag elendiger Sklavenplackerei nicht mehr so hoch wie zuvor. Die Hoffnung auf ein Drei-Gänge-Menü mit ordentlich Blut, Innereien und kleinen kriechenden Insekten hatte ich zumindest schon gestern Abend aufgegeben. Ich beugte mich etwas weiter vor, um an der menschlichen Speise riechen zu können. Die Engel hatten heute Morgen freundlicherweise meine Fesseln etwas gelockert, sodass ich nur noch an Händen und Füßen geknebelt war und wenigstens ein bisschen Bewegungsfreiheit zurück gewonnen hatte. „Meine Güte, stell dich nicht so an!“, drang eine extrem nervige Stimme an mein Ohr. „Das ist doch nur Reis.“ Ich warf einen giftigen Blick zur Seite. Dort lag Inuyasha, von oben bis unten verschnürt, auf dem Boden und funkelte mir entnervt zu Auch unserem kleinen Hanyou war die Ehre zuteil geworden, sich von den Engeln schnappen zu lassen. Zu meiner grenzenlosen Freude war der Hirni gestern Abend in meine kleine provisorische Zelle verfrachtet worden und hatte natürlich gleich angefangen rumzuplärren. Warum man den Idioten überhaupt am leben gelassen hatte, war mir ziemlich schleierhaft. Emmerett kam mir eigentlich nicht so vor, als würde er soviel Güte und Gnade besitzen, um den Diener seines Erzfeindes zu verschonen, obwohl er keinen ersichtlichen Zweck erfüllen konnte – von seinem Rumgemeckere mal abgesehen. Die einzige Erklärung, die mir angesichts dieses Rätsels einfiel, war, dass die Engel wohl irgendwas damit zu tun hatten. Wie gesagt, wenn es um die Ermordung von Teufeln und Youkai ging, kannten sie keinerlei Skrupel, aber Inuyasha war immerhin zur Hälfte menschlich. Für diese herzensguten Flattermänner musste das schon ausreichen, um bei Emmerett um das Leben des Hanyou zu betteln. Und zu meinem großen Leidwesen hatten sie offenbar Erfolg damit gehabt. Heutzutage konnte man sich wirklich auf gar nichts mehr verlassen. Wenigstens hatten sie den Anstand besessen, Inuyasha den Mund zu knebeln, als dieser angefangen hatte, rumzubrüllen. Es war wirklich ein Vergnügen gewesen, ihn dermaßen eingepackt zu erleben. Echt schade, dass sie ihn heute Morgen wieder entschnürt hatten, damit er etwas hatte essen können. Anfangs hatten sie seine Fesseln ebenso wie bei mir nur auf die Hände und Füße beschränken wollen, aber er hatte ein solches Theater veranstaltet, dass man darüber hinweggesehen hatte. Somit hatte man ihm die Schüssel direkt vor die Nase gestellt und ihm die Entscheidung gelassen, ob er sich von einem Engel füttern lassen oder lieber wie ein Hund direkt aus der Schale fressen wollte. Er hatte sich selbstverständlich eher mit dem Letzterem anfreunden können. Ich an seiner Stelle hätte mich wohl auch kaum anders entschieden. „Du solltest deine Klappe besser nicht so aufreißen“, zischelte ihn an. „Eure Menschennahrung könnte giftig für einen Teufel wie mich sein, also entschuldige bitte, dass ich ein bisschen zögere. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Lust, wegen diesem ‚Reis’ elendig in dieser verfluchten Welt zu krepieren.“ „Also ich hab bis jetzt auch nur menschliche Nahrung zu mir genommen und es hat mir nicht –“ Krytio verstummte abrupt, als ich ihn verärgert anstarrte. Meine Güte, der Junge hatte gerade meine wunderschöne Argumentation versaut! Hatte der denn kein Benehmen? „Irgendwie sieht dieses Reis-Zeugs doch ganz lustig aus“, vernahm ich die Stimme meines Vaters. „Wie die Exkremente einer Wampfif-Ratte.“ Den Kerl hatte ich schon ganz vergessen gehabt. Neben einem tobenden und fluchenden Inuyasha war auch noch Shimo zu meiner persönlichen Unterhaltung aufgetaucht. Ich hatte gesehen, wie viel Schadenfreude es Emmerett bereitet hatte, mich mit diesen beiden Schwachmaten in einen Raum zu sperren. Verdammter Bastard! Shimo selbst nahm die Gefangenschaft eigentlich relativ gelassen hin, was mich nicht weiter verwunderte. Wahrscheinlich hielt der Trottel das Ganze bloß für einen spaßigen Urlaub. Voller Faszination hatte er jeden einzelnen Fussel in diesem Kämmerchen angestarrt, als wäre er ein achtes Weltwunder. Es fehlte im Grunde nur noch, dass er von irgendwo einen Klappstuhl und ein Buch hervorholte und die Ferien wären perfekt gewesen. Womit hatte ich so ein Unglück nur verdient? Was übrigens genau aus Hisa geworden war, hatte mir niemand sagen können. Weder Inuyasha noch Shimo hatten sonderlich darauf geachtet und die Engel waren sich selbstverständlich zu fein, um darauf zu antworten. Zumindest war Hisa eine Youkai und hatte deshalb nicht die komfortable Behandlung gepachtet, die Inuyasha zuteil geworden war. Somit gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Sie war entweder tot oder entkommen. Was von beiden nun besser war? Das kratzte mich im Grunde wenig. In eine verletzte Dämonin, die sich schon von Krytio ziemlich hatte weichprügeln lassen, setzte ich nicht unbedingt meine letzte Hoffnungen. „Wie lange müssen wir hier eigentlich noch rumschmoren, bis wir endlich Sesshomaru ein paar Manieren beibringen können?“, erkundigte ich mich, den Reis immer noch skeptisch anstarrend. „Soweit ich das verstanden habe, ist Emmerett heute den ganzen Tag unterwegs“, klärte Krytio mich auf. Er war angesichts der Abwesenheit seines Meisterchens verständlicherweise ziemlich heiter gestimmt. „Dann wohl erst morgen. Was?? Ein ganzer Tag mit diesen Hohlbirnen? Mir war es jetzt schon zuviel und dabei war die Sonne gerade mal vor einer Stunde aufgegangen. „Morgen?“, hakte Inuyasha nach. In seiner Stimme klang plötzlich ein Funken Sorge mit. „Morgen ist doch Neumond, nicht wahr?“ Krytio starrte ihn einen Augenblick verwirrt an, dann aber legte er nachdenklich seine Stirn in Falten. „Schon möglich. Wieso?“ Inuyasha wandte hastig seinen Blick in eine andere Richtung und sagte: „Ach, nur so.“ Ich währenddessen musterte den Hanyou argwöhnisch. Ich konnte mich erinnern, dass er sich bereits schon einmal bei der Erwähnung des Neumonds merkwürdig verhalten hatte. Was mochte da nur dahinterstecken? Hatte er vielleicht Angst vor der völligen Dunkelheit? Nun, auszuschließen war es natürlich nicht, aber andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass er deswegen so ein Muffensausen kriegen würde. Es war irgendwas anderes, das ihn beschäftigte … und ich war schon gespannt darauf, es morgen zu erfahren. „Ach ja, Neumond“, ergriff mein Vater wieder das Wort. „Zu der Zeit ist deine Mutter immer besonders aggressiv. Sie hat ja schon immer empfindlich auf die Mondphasen reagiert und bei Neumond ist es besonders heftig. Ich weiß noch, bei unserer ersten Begegnung war es ebenfalls Neumond und sie war dermaßen geladen, dass sie eine ganze Häuserzeile in die Luft gesprengt hat. Ich wäre beinahe von einem der herumfliegenden Trümmer erschlagen worden.“ Inuyasha starrte Shimo ungläubig an. „Also das klingt ja … ähm, sehr romantisch.“ „Ja, nicht wahr?“ Shimo grinste breit. „Es war Liebe auf den ersten Mordanschlag.“ Ich hatte ja bereits erwähnt, wie verkümmert Shimos Selbstschutzinstinkt ausgeprägt war. Jeder halbwegs normale Teufel hätte bei solch einer explosiven ersten Begegnung lieber schnellstmöglich das Weite gesucht, aber mein werter Herr hatte sich dadurch nicht im Geringsten abschrecken lassen. Ganz im Gegenteil: Er hatte dieses unberechenbare Temperament noch wunderbar und anziehend gefunden. Und irgendwie war Krytio in dieser Hinsicht genau wie mein Vater. Zugegeben, ich war nicht ganz so krass drauf wie Tyaria, aber ich kam ihr näher als irgendein anderer Teufel. Meine Unberechenbarkeit war weitläufig bekannt und viele Männer nahmen lieber schnell vor mir Reißaus, als sich von mir grillen zu lassen. Ich ließ nur Kerle an mich ran, die es in meinen Augen auch annähernd wert waren, alle anderen wurden rasch mit den entsprechenden Methoden vertrieben. Aber Krytio störte sich daran nicht. Er war der erste Mann, den ich selbst mit schwersten Geschützen noch nicht losgeworden war. Offenbar war er in dieser Hinsicht genauso hohl wie mein alter Herr. „Und wie haben sich deine Eltern kennen gelernt?“, erkundigte sich Shimo interessiert bei Inuyasha. Der Köter hatte mit solch einer Frage augenscheinlich überhaupt nicht gerechnet, sein blöde-dreinglotzender Blick sprach Bände. „Äh …“, meinte er äußerst geistreich. Du meine Güte, was sollte das hier jetzt werden? Austausch von tollen, kitschigen Herzschmerz-Liebesgeschichten? Oh Mann, wo war bloß eine tiefe endlose Schlucht, wenn man ihn mal brauchte? Während Inuyasha immer noch etwas herumdruckste und mein Vater ihn mit seinem unerträglich neugierigen Blick regelrecht zu durchbohren schien, wandte ich mich hastig an Krytio: „Können wir nicht ein bisschen rausgehen? Ich würde gerne etwas frische Luft schnappen.“ Zwar war die ekelerregend saubere Luft in dieser Welt alles andere als entspannend für mich, aber tausendmal besser als mitanhören zu müssen, wie sich Inuyashas Mamilein und Papilein vor so vielen Jahren zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren. Da hätte ich lieber Selbstmord begangen. „Aber du hast doch noch gar nichts gegessen“, entgegnete Krytio mit einem Blick auf die Reisschale vor mir. Ich knirschte mit den Zähnen. Kapierte der Kerl wirklich nicht, warum ich unbedingt aus diesem stickigen Zimmer fliehen wollte? „Das können wir doch mit rausnehmen“, meinte ich. „Draußen isst es sich sowieso viel besser.“ Als ich merkte, dass Krytio immer noch etwas zögerlich war, klimperte ich einmal kurz mit meinen Wimpern und fügte noch hinzu: „Bitte!“ Dem nun konnte der Teufel einfach nicht widerstehen. Er nickte knapp, stand auf und klopfte gegen die Tür. Diese wurde sofort umgehend von außen geöffnet und Saphiel steckte seinen Kopf ins Zimmer. Kurz diskutierten die beiden, dann schließlich brummte der Engel, betrat den Raum und nahm dort an der Stelle im Schneidersitz Platz, wo zuvor noch Krytio gesessen hatte. „Könntest du mir vielleicht auch meine Fußfesseln entfernen?“, fragte ich und hielt sie Saphiel demonstrativ entgegen. „Sonst kann ich mich ja überhaupt nicht bewegen.“ Saphiel musterte mich argwöhnisch. „Damit du abhaust? Ich bin doch nicht dämlich.“ Da war ich zwar anderer Meinung, aber das behielt ich lieber für mich. Ansonsten hätte er mir meinen Wunsch sicherlich niemals erfüllt. „Ach komm schon“, drängte ich ihn. „Denkst du wirklich, ich würde fliehen und meinen Vater hier einfach zurücklassen?“ „Selbstverständlich würdest du das tun“, schaltete sich nun auch Krytio ein, woraufhin ich ihm einen bitterbösen Blick zuwarf. Junge, Junge, der Kerl verstand es wirklich, einem die Tour zu vermasseln. An Saphiel gewandt meinte er dann aber: „Du kannst sie ihr abnehmen. Ich hab alles unter Kontrolle.“ Der Engel wirkte immer noch skeptisch, aber als Krytio sich erbot, die ganze Schuld auf sich zu nehmen, sollte ich mich davonmachen, ließ er sich schließlich erweichen. Einmal kurz strich Saphiel über meine Fußfesseln, die sich bei der Berührung sofort in Luft auflösten. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich meine Beine endlich wieder frei bewegen konnte. Glücklich lächelnd streckte ich meine verspannten Glieder. „Hey!“, vernahm ich daraufhin sofort Inuyashas säuerliches Stimmchen. „Wieso darf sie raus und wir müssen hier drin verrotten? Krytio zuckte bloß mit den Achseln. „Sie hat so verführerisch ‚Bitte’ gesagt, da kann doch kein wackerer Teufel widerstehen.“ Ich grinste. Ausnahmsweise war es doch mal zu meinem Vorteil, dass der Kerl so einen Faible für mich hatte. Inuyasha hingegen erschien nicht besonders angetan. Er hatte seine Mundwinkel nach unten gezogen und funkelte mich feindselig an. Es schien ihm offenbar sehr gegen den Strich zu gehen, dass ich meine weiblichen Reize einsetzte, um wenigstens einen Teil meiner Freiheit zu erlangen. Tja, Pech gehabt! Er hätte ja auch mal versuchen können, aufreizend mit seinen Wimpern zu klimpern. Wer wusste schon, ob Saphiel darauf nicht vielleicht sogar anschlug? Bei Engel konnte man das nie wissen. Ich grinste dem übellaunigen Köter triumphierend entgegen, als Krytio mich am Arm packte und aus dem Zimmer zog. Meine derzeitige Situation war zwar alles andere als schön, aber wenigstens Inuyasha war angepisst und das wiederum hellte meine Stimmung deutlich aus. Der eine Wauwau fuchsteufelswild, der andere bald tot oder in ewiger Sklaverei gefangen – was wollte man mehr? Draußen empfing uns sofort gleißendes Sonnenlicht. Ich kniff angewidert die Augen zusammen und hielt rasch nach einem schattigen Plätzchen Ausschau, um dieser Qual zu entkommen. In der Hölle war die Sonne niemals so hell und herzallerliebst aufdringlich. Sie war vielmehr gefährlich und aggressiv wie auch die Teufel selbst. Gemein und bitterböse, wie sich das auch für unsere Rasse gehörte. In dieser Welt hingegen hatte die Sonne offenbar die nervigen Eigenschaften der gehirnamputierten Idioten übernommen: widerlich lieb, nett und nur bedingt bedrohlich. Ich stellte mich hastig unter eine überdachte Terrasse und ließ meinen Blick schweifen. Äußerlich hatte sich nicht viel verändert, immer noch waren überall diese menschlichen Bauten verteilt und standen dumm und tatenlos in der Gegend rum. Der Bannkreis war offenbar inzwischen auch wieder geflickt worden. Zumindest konnte ich selbst nach intensiverer Suche das Loch nicht finden. „Du kannst nicht entkommen.“ Krytio hatte mich von der Seite beobachtet und lächelte schief. „Denkst du etwa, ich schaue mich nach einem Fluchtweg um?“, fragte ich bissig. Na gut, ich suchte wirklich nach einer Fluchtmöglichkeit, nur für alle Fälle, aber das brauchte der Volltrottel nun echt nicht zu wissen. „Natürlich tust du das.“ Er grinste breit. „Dafür kenne ich dich viel zu gut.“ Wirklich ärgerlich. Der sollte sich wirklich mal langsam ein anderes Hobby suchen, als mich ständig auszuspionieren. Solche Stalker waren meist schneller einem unglücklichen Unfall zum Opfer gefallen, als ihnen lieb war. „Also, willst du nun was essen?“ Krytio hatte derweil auf dem Boden der Terrasse Platz genommen und die Reisschale neben sich gestellt. „Wenn du nicht willst, nehm ich es.“ Ich wollte zu einem sarkastischen Kommentar ansetzen, aber mein knurrender Magen kam mir bedauerlicherweise zuvor. Grimmig setzte ich mich ebenfalls hin, genau beobachtet von einem grinsenden Krytio, dem diese Situation viel zu gut gefiel. „Hier, nimm das.“ Mit diesen Worten hielt er mir zwei Holzstäbchen hin. Verdutzt betrachtete ich die merkwürdigen Dinger. „Was soll ich damit?" „Hier in Japan ist das Besteck“, klärte er mich auf. „Diese Hinterwäldler haben noch nie was von Löffel und Gabel gehört, musst du wissen. Die benutzen anstelle diese Stäbchen wie ein paar verlängerte Finger.“ Zögerlich nahm ich die kleinen Holzpflöcke in die Hand und musterte sie skeptisch. Wie bitte schön sollte man denn mit diesen Dingern das Essen in meinen Magen befördern? Es damit verdreschen, bis es von alleine in den Mund sprang? Oder sollte ich vielleicht jedes Reiskorn einzeln aufspießen? Während ich angestrengt darum bemüht war, dieses hochkomplizierte Rätsel zu entschlüsseln, kramte Krytio in seiner Hemdtasche herum und holte irgendetwas hervor, das er mir auf der offenen Handfläche präsentierte. „Gehört das hier zufällig zu euch?“, fragte er. Ich wandte meinen Blick von den Holzstäbchen ab und schaute direkt auf das kleine Vieh in Krytios Hand. Sofort verzog ich mein Gesicht. Meine Güte, musste er mir wirklich Ungeziefer unter die Nase halten, während ich mit Essen beschäftigt war? „Es hat heute Morgen von meinem Blut getrunken“, fuhr Krytio mit seinen Erklärungen fort. „Soweit ich das habe sehen können, hatte es sich davor in Inuyashas Fell versteckt.“ Na toll, er demonstrierte mir nicht nur irgendein nichtiges Insekt, sondern darüber hinaus auch noch einen von Inuyashas dreckigen Flöhen? Wollte er mir etwa endgültig meinen eh schon bescheidenen Appetit verderben? Dann jedoch begann ich, zu stutzen. Der kleine Kerl trug Kleidung. Und bis jetzt hatte ich nur einen Floh kennen gelernt, der sich seines Adamskostüms geschämt hatte. „Bist du nicht Mayonnaise?“, hakte ich nach. Der kleine Parasit schien nicht besonders begeistert von meiner Frage zu sein. „Myouga!“, verbesserte er mich verdrießlich. „Du kannst dir wohl keine Namen merken, was?“ Nein, das konnte ich wirklich nicht. Warum auch die Mühe machen? Bis jetzt war ich nur wenigen Personen begegnet, die es auf die ein oder andere Weise wert gewesen wären, mich an sie zu erinnern. Und winzige, sprechende Flöhe gehörten sicher nicht dazu. „Was machst du hier?“, erkundigte ich mich minder interessiert. Ich richtete meine Aufmerksamkeit bereits wieder auf das Reis-Stäbchen-Problem. Myouga hingegen antwortete nicht sofort. Er versuchte, von Krytios Hand zu springen, musste aber feststellen, dass der Teufel ein kleines Miniaturkraftfeld um ihn errichtet hatte, um ihn somit an einer Flucht zu hindern. Äußerst mürrisch nahm der Floh diesen Umstand zur Kenntnis. „Ich bin hier, um Inuyasha zu befreien“, erklärte er daraufhin. „Immerhin ist dieser Zustand absolut entwürdigend für eine Persönlichkeit wie ihn. Schließlich ist er der Sohn des Inu no Taisho und kein niederer Sklave.“ Ich persönlich fand eigentlich, dass ihm seine neue Rolle wirklich stand. Bei meiner Wenigkeit war das natürlich etwas ganz anderes. „Du hängst wahrscheinlich schon seit unserer Begegnung beim Bankett an Inuyasha dran, nicht wahr?“, fragte ich. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern, Myouga mit Kagome und Miroku verschwinden gesehen zu haben. „Ganz genau.“ Der Flohgeist schien überrascht, versuchte aber, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. „Bis heute Morgen hat mich auch niemand bemerkt. Aber dann … ich kann dem Blut eines Teufels so schwer widerstehen. Es schmeckt so gut.“ Krytio lächelte daraufhin gequält und schien sich nicht sicher, ob ihn diese Aussage eher freuen oder ängstigen sollte. Ich hingegen war einfach nur froh, dass mich das kleine Würstchen nicht als Getränkebar auserkoren hatte. „Und wie will ein Insekt einen Hanyou befreien?“, erkundigte sich Krytio interessiert. „Ein Flohgeist“, verbesserte ihn Myouga. „Und ich kann sehr viel tun.“ Stolz wie Oscar schwellte er die Brust und kam sich offenbar sehr wichtig vor. Ich konnte nur die Stirn runzeln. „Und was genau?“ Myougas aufgeblähter Bauch fiel bei dieser Frage sofort wieder in sich zusammen. Er sprang von einem Füßchen auf das andere und meinte zögerlich: „ Na ja … also … genaugenommen …“ „Spuck’s schon aus!“, verlangte Krytio. Er ließ extra das Kraftfeld ein bisschen schrumpfen, um den Floh in die Enge zu treiben. „Was hast du vor?“ Und da Myouga anscheinend kein besonders mutiges Kerlchen war, begann er auch sofort zu singen: „Ich selbst soll Inuyasha eigentlich nur im Auge behalten, damit wir seinen Aufenthaltsort jederzeit ermitteln können. Und Miroku … tja, so wie es aussieht, kennt er einen Weg, das Siegel des Helios zu vernichten.“ Plötzlich war der Reis samt Stäbchen vollkommen vergessen. „Was?“, fragte ich geschockt. Krytio sah nicht minder überwältigt aus. Fassungslos starrte er den kleinen Kerl auf seiner Hand an. Myouga selbst schien sich auf einmal wieder furchtbar wichtig vorzukommen. Mit einer selbstgefälligen Miene, die bei einem Wurm seiner Größe mehr als unangebracht war, stemmte er seine Hände in die Hüften und meinte hochtrabend: „Ganz recht. Er kennt die Lösung für euer Problem. Und dafür braucht er nicht mal die Unterstützung oder geschweige denn das Einverständnis eurer Meister.“ Ich wechselte einen kurzen Blick mit Krytio. Das war doch wirklich nicht zum aushalten, dieser notgeile und perverse Mönch sollte wirklich jene Antwort kennen, die allen anderen bisher verwehrt gewesen war? Stets hatte es geheißen, das Siegel könnte nur von demjenigen entfernt werden, der so blöd gewesen war, es hervorzubringen. Entweder freiwillig oder weil er zu dämlich gewesen war, die Energie wieder aufzufüllen. „Und wie will dieser … dieser Miroku das vollbringen?“, hakte Krytio nach. Der erste Schock war verschwunden und hatte Skepsis Platz gemacht. „Griffin und Emmerett einsperren, bis die Siegel an Macht verlieren? Netter Plan, aber unglücklicherweise wurde uns befohlen, unsere verdammten ‚Meister’ zu beschützen.“ Myouga schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, nein. Es gibt da einen ganz anderen Weg. Einen, der wohl nicht allzu sehr bekannt sein dürfte.“ Oh Mann, das war ja einfach nicht zu fassen! Ich saß hier mit einem Vollidioten und einem mickrigen Insekt, während ich eine Schale mit sonderbarer Menschennahrung in der Hand hielt und mir anhören musste, dass der Schwachmat von einem Mönch unser aller Retter würde werden können? Das wurde ja alles immer verrückter! __________________________________________________ So, tut mir leid, dass es diesmal was länger gedauert hat. Ich werde mich bemühen, dass es nächstes Mal schneller geht ^^ Und ebenfalls enthschuldigung, dass Sesshomaru noch nicht aufgetaucht ist. Aber ich dachte mir, Rasia verdient nach der ganzen Aufregung wenigstens ein bisschen Ruhe - auch wenn ihr die Gesellschaft nicht allzu sehr zusagt XD Man liest sich im nächsten Kapitel! Kapitel 15: Eifrige Korbflechter, delikate Floh-Aufläufe, geistesgestörte Affen und glitzernder Kuhmist ------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ich starrte Myouga weiterhin nur noch entgeistert an, während dieser mühevoll versuchte, irgendwo eine Schwachstelle in Krytios kleinem Kraftfeld zu finden. Vorsichtig tastete er es ab, bei jeder Berührung zusammenzuckend, als erwartete er im nächsten Moment einen elektrischen Schlag oder etwas in der Art. Krytio jedoch hatte den Bannkreis relativ harmlos gehalten, um den Floh nicht aus Versehen zu grillen. Es würde für Myouga erst gefährlich werden, wenn der Teufel entschied, das Ding auf die Größe eines Staubkorns zu schrumpfen. Aber das würde er spätestens erst dann tun, wenn ich ein paar Antworten bekommen hatte! Immer noch wollte ich einfach nicht wahrhaben, dass der Depp vom Dienst tatsächlich eine Lösung gefunden hatte, sich von dem Siegel zu befreien. Schließlich sprachen wir hier von Miroku! Einem idiotischen Schmalspurhirn, der kaum an was anderes denken konnte als das Eine. Der mehr Körbe in seinem Leben gekriegt hatte, als die örtlichen Korbflechter zusammen in ihrem Leben würden produzieren können. Wie war das nur möglich? Etwa frei nach dem Motto: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn? „Wie?“ Meine Stimme glich einem gefährlichen Zischeln. „Wie kann man das Siegel loswerden? Sprich schon!“ Myouga aber zupfte an seinem Hemdkragen herum und schien sich mächtig überlegen vorzukommen. „Diese Information ist streng vertraulich.“ Ich knirschte verärgert mit den Zähnen und warf einen Blick zu Krytio. Dieser verstand meinen Wink sofort und reduzierte augenblicklich die Größe des Kraftfeldes, sodass der Floh den Kopf einziehen musste. Einen Moment blieb Myouga noch ganz wacker, aber als sein Gefängnis immer kleiner wurde, knickte er ziemlich schnell ein. „Schon gut“, sagte er hastig. „Ich weiß es nicht, in Ordnung? Ich weiß es wirklich nicht.“ Ich seufzte. Im Grunde war es auch gar nicht anders zu erwarten gewesen. Wer gab schon lebenswichtige Informationen an ein Insekt weiter? Selbst Miroku hatte genügend Grips, um so einem jämmerlichen Feigling, der schon bei der kleinsten Todesdrohung klein beigab, nicht über den Weg zu trauen. „Was weißt du dann?“, hakte Krytio. „Erzähl uns alles. Selbst die kleinste Kleinigkeit.“ „Ja, ja, schon gut“, ergab sich der Floh sofort. „Aber … könntest du davor vielleicht … na ja, es wird was eng hier drin.“ Krytio musterte Myouga noch einmal streng, dann jedoch ließ er Gnade walten und gab dem Kraftfeld seine vorherige Größe wieder zurück. Der mickrige Floh seufzte daraufhin erleichtert auf. „So ist es schon viel besser“, meinte er befreit. „Schon viel, viel besser.“ Ich konnte nur genervt die Augen verdrehen. „Komm endlich in die Gänge!“, forderte ich ungeduldig. Er fuhr zusammen, als hätte er unsere Anwesenheit schon längst vergessen gehabt. Schließlich räusperte er sich großspurig und erzählte: „Als dieser englische Junge Inuyasha auf solch unwürdige Weise malträtierte, war Miroku offenbar von Anfang an klar, dass es sich um das Siegel des Helios handeln musste. Aufgrund des Fluches, mit dem Naraku ihn belegt hat – ein Windloch in seiner Hand, falls ihr nicht wisst, wovon ich rede –, hat er allerlei Schriften studiert. Dabei ist er dann auch irgendwann über Informationen über das besagte Siegel gestolpert.“ Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Das war ja nicht zu fassen. Da war dieser Idiot wirklich nur zufällig auf diese lebensrettenden Neuigkeiten gestoßen? Irgendwann, vor vielen Jahren, als er noch nicht mal ansatzweise damit gerechnet hatte, dass er jemals in Kontakt mit dem Siegel des Helios kommen würde? Na ja, das Glück war ja bekanntlich immer mit den Dummen. Von daher verwunderte es mich eigentlich nur wenig. „Aber es ist hinlänglich bekannt, dass das Siegel nur von demjenigen entfernt werden kann, der es auch in die Welt gesetzt hat“, erwiderte Krytio. „Warum also sollen wir einem kleinen Wurm wie dir glauben?“ Myouga schien diese Bezeichnung nicht allzu sehr zuzusagen, weswegen er offenbar beinahe glatt wieder auf stur geschaltet hätte. Doch ein kurzer Blick auf den winzigen Bannkreis genügte, um seine Zunge erneut zu lockern und jegliche Gedanken an Stolz und Standhaftigkeit vergessen zu lassen. „Es ist in der Hölle hinlänglich bekannt“, verbesserte Myouga. „Ist euch schon mal in den Sinn gekommen, dass die Menschen über gewisse Dinge besser Bescheid wissen als ihr?“ „Nicht wirklich“, sagte Krytio wie aus der Pistole geschossen. „Nicht einmal im Traum“, schloss ich mich seiner Meinung unumwunden an. Myouga musterte uns abschätzig. „Nun, es ist aber so. Immerhin wurde das Siegel hier auf der Erde erfunden, nicht in der Hölle, im Himmel oder in irgendeiner anderen Welt. Glaubt mir ruhig, die Menschen wissen mehr darüber als ihr. Na ja, die Menschen zumindest, die sich dafür interessieren.“ Ich gab es zwar ausgesprochen ungern zu, aber so furchtbar unwahrscheinlich klang das Ganze gar nicht. Ausgesprochen ärgerlich! „Willst du damit sagen, dass Griffin und Emmerett auch darüber Bescheid wissen? Dass ihnen absolut klar ist, dass es noch einen weiteren Weg gibt, das Siegel loszuwerden?“ „Wahrscheinlich schon“, meinte Myouga. „Wenn sie sich gründlich vorbereitet haben und nicht völlig geistesgestört sind, dann selbstverständlich.“ Na gut, über die letzten beiden Punkte konnte man sich streiten. Gründliche Vorbereitung? Diese ganze hirnrissige Welteroberungs-Idee war schließlich aus einem noch hirnrissigeren Männerstolz-Blödsinn entstanden. Diese beiden englischen Torfnasen waren sich wahrscheinlich gegenseitig schrecklich auf den Senkel gegangen und hatten dann spontan entschieden, mal eben Japan zu erobern, um zu entscheiden, wer von ihnen der größere Vollidiot war. Der, der sich zwei Teufel aus der Hölle geholt hatte, von denen einer sehr mächtig und sehr angepisst war und der andere als bescheuert und unberechenbar galt? Oder doch eher derjenige, der sich sogar ein paar Engel aus dem großen Himmelsteich gefischt und damit auch den Missmut des Obermackers schlechthin – auch als Gott, Allah oder, wie wir ihn gerne in der Hölle nennen, ‚merkwürdiger Kauz mit Rauschebart, der über den Wolken schwebt’ bekannt – auf sich gezogen hatte? Alles hirnlose Schwachmaten. „Na fein, na fein.“ Ich seufzte und warf einem Vogel, der sich ganz in der Nähe auf einen Ast niedergelassen hatte und nun fröhlich vor sich hinträllerte, einen bitterbösen Blick zu. Das Tier besaß erstaunlicherweise genügend Instinkt, um die drohende Gefahr zu bemerken, und schluckte den Rest seines ekelerregend glücklichen Gute-Laune-Liedchens herunter, bevor es schließlich eilig wieder davon flatterte. „Wenn der notgeile Mönch tatsächlich die Antwort auf unsere Probleme kennt, würde ich sagen, dass wir ihm einen kleinen Besuch abstatten“, nahm ich den Faden wieder auf. „Irgendwie glaube ich zwar nicht, dass dieser Trottel wirklich Bescheid weiß, aber ein Versuch kann nicht schaden. Wenn wir nicht das bekommen, was wir wollen, können wir ihn ja in tausend Stücke sprengen.“ Ich hielt kurz inne und verbesserte mich dann selbst: „Ach was, wir können ihn so oder so in tausend Stücke sprengen, ob er uns nun hilft oder nicht. Das hat dieser Schürzenjäger mehr als verdient.“ Das wunderbare Bild eines zerfetzten Miroku tauchte vor meinem geistigen Auge auf. Und zum ersten Mal an diesem furchtbaren Morgen schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. „An und für sich hätte ich da wirklich nichts gegen“, vernahm ich Krytios Stimme. „Aber hast du nicht etwas vergessen?“ „Und was?“ „Na, Emmerett!“, rief er mir ins Gedächtnis. „Er wird dich nicht so einfach durch die Gegend wandeln lassen. Tut mir ehrlich leid, Rasia, aber wenn ich mich seinem Befehl widersetze, bin ich dran. Und irgendwie habe ich noch keine Lust zu sterben.“ Schade eigentlich. „Was genau hat dir Emmerett denn befohlen?“, erkundigte ich mich. Krytio runzelte die Stirn. „Nun, ich soll auf dich aufpassen. Und auch das Juwel nicht aus den Augen lassen.“ Ich grinste breit. „Und hat er dir ausdrücklich gesagt, dass du hier auf mich und das blöde Klunkerchen aufpassen musst? Hier an diesem Ort? Innerhalb des Bannkreises?“ Einen Augenblick starrte mich der Teufel noch verwirrt an, von meinen genialen und unvergleichlich scharfen Gedankengängen offenbar völlig überfordert. Dann aber legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, als sein Gehirn endlich hinterhergekommen war. „Also genaugenommen hat er den Ort, an dem ich seine Befehle auszuführen habe, nicht genau spezifiziert“, stimmte Krytio zu. „Wunderbar! Dann schlage ich vor, dass wir drei einen kleinen Ausflug machen.“ Glücklich darüber, mich endlich wieder körperlich betätigen zu können und vor allen Dingen Inuyasha, meinen Vater und das ganze restliche, nervige Gesocks hinter mir zu lassen, wollte ich mich wieder in die Senkrechte hieven, musste aber feststellen, dass das mit gefesselten Händen gar nicht so einfach war. Anstatt elegant aufzustehen, verlagerte sich mein Körperschwerpunkt viel zu rasch nach hinten und ließ mich wenig geschmeidig auf mein Hinterteil plumpsen. Myouga lachte vergnügt auf und auch Krytios Mundwinkel zuckten verdächtig, aber nach einem vernichtenden Blick meinerseits bemühte er sich um eine neutrale Miene. „Vielleicht solltest du, bevor du auf Reisen gehst, irgendwie deine recht unpraktischen Fesseln loswerden“, meinte Myouga amüsiert. Mein finsterer Gesichtsausdruck schien ihn nicht im Mindesten zu kümmern. Dummer, winziger Narr! Ich war nicht nur für mein wildes Temperament und meine Skrupellosigkeit bekannt, sondern auch für meine unvergleichlichen Kochkünste. Und so ein kleiner, netter Floh-Auflauf schien mir mit einem Mal ziemlich verlockend. Mein darauffolgendes, zutiefst teuflisches Grinsen brachte den lachenden Floh schließlich abrupt zum schweigen. Mir war wahrscheinlich deutlich anzusehen, dass ich in Gedanken gerade mehrere Rezepte durchging. „Inuyashas kleiner Lakai hat durchaus Recht. Du solltest wirklich die Fesseln abnehmen, wenn du dich auf einen Spaziergang begibst.“ Ich wirbelte beim Klang dieser fremden Stimme herum und sah mich etwas gegenüber, das ich nicht genau zu definieren wusste. Es wirkte menschlich, ganz ohne Zweifel. Aber ich konnte nicht genau erkennen, ob es männlich oder weiblich war. Ich hätte zwar eher auf Ersteres getippt, aber die Aufmachung des Kerls wirkte dermaßen weibisch, dass ich mir wirklich nicht sicher war. Dieses lange, weite Gewand, das vielleicht ein Kimono war, aber ebenso gut ein hübsches Kleid hätte darstellen können. Und dann auch noch diese Schminke im Gesicht, die alles andere als männlich war. Nicht zu vergessen dieses lange, wallende Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Möglicherweise handelte es sich bei diesem Ding um ein Zwitterwesen. Ich wandte mich an Krytio und fragte verwundert: „Was ist das?“ „Da bin ich mir auch nicht sicher.“ Der Teufel zuckte mit den Schultern. „Man nennt es Naraku, soweit ich weiß. Aber was das Vieh nun genau ist, kann ich dir wirklich nicht sagen.“ Naraku? Hm, irgendwie kam mir der Name bekannt vor. Hatten sich nicht Kagura und Inuyasha über diesen Kerl unterhalten? War er etwa der Typ, der Abkömmlinge auf überaus ekelerregende Weise erschuf, herstellte oder wie man das auch immer bezeichnen musste? Und war da nicht auch was mit Affen gewesen? „Ah, jetzt weiß ich wieder!“ Ich drehte mich zu ihm hin und schenkte ihm ein breites Grinsen. „Du bist der Kerl mit der Geschmacksverirrung, der immer in einem Paviankostüm durch die Gegend watschelt, nicht?“ Wenn ich ihn mir in seiner ausgesprochen weiblichen Aufmachung anschaute, war ganz klar erkennbar, dass er offenbar unter einer schweren, psychischen Störung litt. Armer, kranker Hirni! Naraku selbst schien es unverständlicherweise überhaupt nicht beglückend zu finden, dass wir in dieser Art und Weise über ihn sprachen. Seine finstere Miene sprach Bände. Ich hingegen konnte nur lächeln. Mochte der Knabe auch beleidigt sein, mir persönlich machte das nicht das Geringste aus. Wahrscheinlich war er bloß ein verwöhntes Bengelchen, mit dem noch niemand ordentlich Tacheles geredet hatte. Vermutlich war ihm nicht einmal bewusst, dass er nur ein armer, verwirrter und geisteskranker Tropf war. „Ich habe schon gehört, dass ihr Teufel ein unverschämtes Mundwerk besitzt“, meinte Naraku, offenbar sehr um Fassung bemüht. Er wollte sicherlich aristokratisch-herablassend und unbeeindruckt wirken, für mich aber sah es eher so aus, als litt er unter schrecklichen Blähungen. „Doch eure Arroganz könnte euch eines Tages noch teuer zu stehen kommen“, fuhr er fort. „Am Ende werden diejenigen scheitern, die zu blind und zu stolz waren.“ Was sollte das jetzt werden? Hatte er diesen weisen Ratschlag in irgendeinem Poesiealbum nachgelesen? „Willst du uns irgendetwas Essentielles mitteilen?“, hakte Krytio sichtlich genervt nach. „Wenn nicht, kannst du dich ja wieder in dein Zimmerchen zurückziehen und weiterhin mystisch-nachdenklich aus dem Fenster starren.“ Narakus Augen funkelten kurz auf, aber weitere Reaktionen blieben aus. Anscheinend verfügte der Kerl über eine ganz passable Selbstbeherrschung. Inuyasha zumindest wäre Krytio wahrscheinlich schon längst an die Kehle gesprungen und wäre davor vor Wut dermaßen rot angelaufen, dass man auf seinem Schädel Eier hätte braten können. „Ich kam nicht umhin, euer Gespräch mit anzuhören“, erklärte Naraku. „Und ich könnte euch vielleicht helfen.“ Krytio runzelte die Stirn und musterte die Kreatur, als würde er ihr nicht mal zutrauen, ein Kieselstein vom Boden aufheben zu können, ohne dabei einen Bandscheibenvorfall zu erleiden. „Helfen?“, fragte der Teufel. „Wie?“ „Und warum?“, fügte ich noch rasch an. Auf Narakus Lippen bildete sich ein leichtes Lächeln, das man beinahe als hinterhältig hätte bezeichnen können. Aber sein schwules Outfit machte diesen Eindruck irgendwie ein wenig zunichte. „Wir sitzen alle im selben Boot“, meinte das Ding schließlich. „Wir wurden von kleinen, rotzfrechen Knaben zu Sklaven degradiert und müssen uns nun von ihnen herumkommandieren lassen. Ich weiß ja nicht, wie es euch dabei geht, aber mir persönlich mag diese Situation gar nicht behagen.“ Mir selbstverständlich auch nicht. Aber hätte ich das diesem desorientierten Männlein-Weiblein aufs Butterbrot schmieren sollen? „Wenn wir uns aus dieser Lage befreien wollen, müssen wir zusammenhalten“, fuhr Naraku mit seiner Ansprache weiter fort. „Sosehr es mir auch widerstreben mag, mich auf Kreaturen einzulassen, die für ihre Bösartigkeit und Falschheit bekannt sind.“ Ich schnaubte. Irgendwie konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass er der Sonnenschein in Person war. Soweit ich mich an die Gespräche mit Inuyasha und seiner Rasselbande erinnerte – so verdammt ungern ich auch an diese belanglosen und trivialen Diskussionen dachte –, hatten sie Naraku als Schuft alleroberster Güte bezeichnet, der in seinem Größenwahnsinn wahrscheinlich nur noch von Griffin und Emmerett überboten wurde. Wir waren also bösartig und falsch? Na gut, das mochte durchaus stimmen, aber wenigstens gaben wir es auch offen und ehrlich zu. Im Gegensatz zu Engeln und vielen anderen Lebewesen, die sich nett und unschuldig gaben und in Wahrheit die Moralvorstellungen eines Regenwurms hatten, waren wir immerhin keine scheinheiligen Heuchler. „Traut ihm nicht“, drang Myougas piepsiges Stimmchen an mein Ohr, als er in seiner Blubberblase auf und ab hüpfte. „Er ist bloß ein hinterhältiger Kerl, der andere missbraucht, um seine Ziele zu erreichen.“ Als ob mir das nicht von Anfang an klar gewesen wäre … Aber wenn seine Ziele dieselben waren wie meine (zumindest im Moment), wieso sollte ich dann seine Hilfe nicht annehmen? Viel schlimmer konnte es immerhin eh nicht mehr werden. „Willst du uns noch länger langweilen oder kommst du endlich zum Punkt?“, fragte Krytio ungeduldig nach. Naraku verzog keine Miene, als er sagte: „Ich kann die Fesseln lösen.“ Ich wechselte einen ungläubigen Blick mit Krytio, ehe ich meine Aufmerksamkeit auf meine geknebelten Hände richtete. Die verdammte Engelsmagie in diesem Stück Seil pulsierte dermaßen intensiv, dass es mich schon seit gestern Abend schier wahnsinnig machte. Ich hatte zwar versucht, es irgendwie auszublenden, aber richtig gelungen war es mir nicht. Außerdem war diese reine und unschuldige Magie schädlich wie langsames Gift für einen Teufel. Meine Haut unter den Fesseln war bereits rot und aufgescheuert und über kurz oder lang würde dieses weiße Gift auch in meinen Blutkreislauf gelangen und mir nervige Schmerzen bereiten. Zwar wäre die Dosis sicherlich nicht tödlich, aber lästig genug, um mich einzuschränken und mich höllisch aufzuregen. „Und wie willst du das anstellen?“, wollte Krytio wissen. Seinem Tonfall war deutlich zu entnehmen, dass er Naraku für eine talentfreie Nullnummer hielt. „Ihr seid nicht dazu imstande, die Fesseln zu lösen, weil ihr Teufel seid“, meinte Naraku besserwisserisch. „Das genaue Gegenteil von Engeln. Ich aber bin dazu in der Lage.“ „Und warum?“, bohrte Krytio weiter nach. „Weil er zum Teil menschlich ist“, beantwortete der kleine Floh im Miniatur-Bannkreis die Frage, bevor Naraku überhaupt die Chance dazu erhielt. Krytio schnaubte angesichts dieser Neuigkeit nur verächtlich, ich aber nickte verstehend. Zugegeben, die Tatsache, dass Naraku tatsächlich teilweise menschlich war, ließ ihn in meinem Ansehen nur noch weiter absinken, aber im Moment kam mir dieser Umstand sehr gelegen. Engelsmagie war vordergründig gegen Teufel und Dämonen gerichtet, während sie Menschen – unverständlicherweise – nicht anhaben konnte. „Und was verlangst du als Gegenleistung?“ Krytio musterte das Wesen argwöhnisch. „Sollen wir dich etwa mitnehmen? Ich will ja wirklich nicht deine kümmerlichen Gefühle verletzen, aber du würdest uns sicherlich nur aufhalten.“ Naraku erschien weiterhin völlig ungerührt, aber ein kurzes Funkeln in seinen Augen machte mehr als deutlich, dass ihm Krytios mangelndes Taktgefühl extrem ärgerte. „Oh nein, ich will ganz gewiss nicht mit euch gehen“, sagte er, als wäre allein die Vorstellung vollkommen absurd. „Ich will nur, dass ihr mir das Juwel wieder zurückbringt und mir außerdem verratet, wie man das Siegel loswird, wenn ihr es herausgefunden habt. Es wäre ja wirklich zu schade, solltet ihr nach der Befreiung von den Siegeln diese beiden menschlichen Trottel töten, bevor ich wieder in Freiheit wäre.“ Oh ja, das wäre tatsächlich ausgesprochen schade gewesen … Schon der Gedanke daran ließ mein Herz bluten. „Du willst also das Juwel und auch noch deine Freiheit?“, hakte ich nach. „Tja, meine Süße, wie kommst du darauf, uns bösartigen und falschen Teufeln trauen zu können?“ Im Grunde hätte ich am liebsten die schockierten Gesichter von Inuyasha, seinem Fanclub und allen anderen fanatischen Juwelen-Liebhabern gesehen, wenn ich die rosa Murmel in tausend Stücke sprengte und die kleinen Einzelteile überall auf der Welt irgendwo auf Kuhmist rieseln ließ. „Ich traue euch nicht“, meinte Naraku geradeheraus. „Aber ich weiß, dass euch das Juwel nichts bedeutet. Es würde euch demnach nicht das Herz brechen, es mir zurückzugeben. Der einzige, der darunter leiden würde, wäre Inuyasha.“ Das Mädel wusste offenbar, wie man mein Interesse weckte. Naraku die Murmel in die Hand zu drücken, wäre für den Köter wahrscheinlich wirklich noch schrecklicher als die Sache mit dem Kuhmist gewesen. „Mir ist absolut klar, dass ihr durchtriebene und heimtückische Wesen seid“, fuhr der Dämon fort, als wären dies große Neuigkeiten für uns, von denen wir bisher noch nichts gehört hatten. „Aber mir ist ebenso bewusst, dass ihr so etwas wie Ehre besitzt. Oder zumindest ein Gewissen. Ihr hasst, liebt und lebt.“ Oje, der Kerl hörte sich offenbar furchtbar gerne reden. „Also schwör es mir“, meinte er schließlich, direkt an Krytio gewandt. „Schwöre es beim Leben deiner Tochter.“ Der Teufel schnappte hörbar nach Luft. „Woher weißt du …?“ Krytio wollte anscheinend zu einer Schimpftirade ansetzen und diesem Wesen mit allerlei blutrünstigen Foltermethoden drohen, da er es überhaupt gewagt hatte, seine Tochter da mit hereinzuziehen, aber ich stieß ihm nicht gerade sanft in die Seite und musterte ihn vorwurfsvoll. Für irgendwelche dummen und überflüssigen Vatergefühle hatten wir nun gerade wirklich keine Zeit. Krytio schien im ersten Moment tatsächlich den Mumm zu haben, sich mir zu widersetzen, dann aber seufzte er auf. „Na fein, von mir aus“, gab er sich geschlagen. „Du kannst dein Juwel ruhig haben. Wir können eh nichts damit anfangen.“ Narakus Mundwinkel zuckten kurz nach oben, offenbar mit sich selbst mehr als zufrieden. Einen Augenblick juckte es mir sehr unter den Fingern, ihm wegen seiner selbstgefälligen Miene einen Tritt zu verpassen, aber ich ließ es bleiben. Erdenbewohner hatten die furchtbare Angewohnheit, Gewalttaten schrecklich persönlich zu nehmen. „Ihr solltet euch der Höllenpferde bedienen, wenn ihr erst einmal frei seid“, schlug Naraku vor. „Kein Dämon der Welt könnte euch dann noch einholen.“ Ich schaffte es nicht, meine Überraschung zu verbergen. „Hier gibt es Höllenpferde?“ Ich sah diese Kreaturen deutlich vor mir. Sie ähnelten den Pferden auf der Erde, waren aber weitaus robuster und auch weitaus gefährlicher. Ihre Mäuler waren mit messerscharfen Zähnen gespickt, ihr Schweif war so hart und tödlich wie ein Schwert und ihre Mähne bestand aus knisternden Feuer, das jeden verbrannte, den diese stolzen Tiere nicht mochten. „Emmerett hat ein paar aus der Hölle mitgehen lassen“, sagte Krytio. „Mir persönlich hat er befohlen, sie aus dem Stall des Justizpalastes mitzunehmen.“ Er erschien wenig erfreut, dass Emmerett ihn zu einem Dieb an seiner eigenen Art gemacht hatte. Ich hingegen konnte nur lächeln. Diese Tierchen kamen wie gerufen, konnten sie doch Spitzengeschwindigkeiten erreichen, von denen wir Teufel nur zu träumen vermochten. Mit ihrer Hilfe würden wir schnell an unser Ziel gelangen und darüber hinaus auch noch unsere Kräfte schonen, denn ein Dauerlauf durch diesen elendig grünen Wald wäre sicher nicht ohne gewesen. „Alles klar, so machen wir es.“ Ich war mehr als glücklich, endlich so etwas wie einen Plan zu haben. „Und unser kleiner Floh wird uns zu Miroku führen.“ Myouga schnaubte empört. „Ich werde doch nicht zum Verräter!“, meinte er mit all dem Stolz, den so ein winziges Wesen aufzubieten hatte. Doch kaum ließ Krytio das Kraftfeld wieder bedrohlich schrumpfen, wimmerte das Insekt wie ein Baby. „Na gut, na gut, ich werde es tun. Aber bitte verschont mich.“ Ich grinste breit. Feigheit war doch immer wieder was Schönes. Und so unglaublich praktisch, wenn es darum ging, einen lüsternen Hoshi zu finden, der mehr wusste, als gesund für ihn war. ___________________________________________________ Erstmal muss ich mich demütig dafür entschuldigen, dass es diesmal so furchtbar lange mit dem Kapitel gedauert hat. Das nächste wird aber bei weitem nicht mehr soviel Zeit in Anspruch nehmen. Und ihr könnt euch auch auf einen neuen alten Bekannten freuen, der bereits erwähnt wurde, aber noch nicht aufgetaucht ist ;) Nein, nicht Sesshomaru (noch nicht), doch jemand, den ich persönlich total genial finde ;p Man liest sich dann im nächsten Kapitel!! Und vielen Dank für eure Kommentare! Ich freue mich jedesmal aufs Neue darauf ^^ Liebe Grüße Nochnoi Kapitel 16: Grausame Pferde, alte Dinosaurier, nette Teufel und gutes Timing ---------------------------------------------------------------------------- Ich liebte Höllenpferde. Im Grunde waren es störrische und unfreundliche Tiere, die nur eine harte Hand einigermaßen zu zähmen vermochte. Außerdem waren sie viel zu intelligent, als dass es für einen Teufel auf Dauer gesund gewesen wäre. Schon oft war es geschehen, dass diese Pferde ihre Herren hinters Licht geführt und in einen schrecklichen Tod gestürzt hatten. Es war so etwas wie ein Hobby von ihnen, eine Art Volkssport auf Kosten derjeniger, die nicht schnell genug reagieren konnten. Selbst das Tier, das sich bis vor kurzem meine Mutter gehalten hatte, hatte versucht, Tyaria in einem Sumpf zu ertränken. Selbstverständlich hatte dieser Mordversuch meine Mutter nicht gerade heiter gestimmt. Was sie mit dem Tier genau angestellt hatte, hatte sie mir nie erzählt, doch bereits am nächsten Tag war verdächtiges Fleisch in unserer Suppe geschwommen. Höllenpferde waren nachtragende, skrupellose und grausame Kreaturen, die keinerlei Mitleid kannten. Nicht mal ansatzweise. Und dennoch – oder gerade deswegen – mochte ich diese Geschöpfe. Wahrscheinlich, weil sie mich an meine Mutter erinnerten. Auch die Pferde, die Emmerett aus der Hölle hatte mitgehen lassen, hatten sich als typische Vertreter ihrer Art herausgestellt. Groß, hoheitsvoll, stolz und offenbar tierisch genervt, einem dummen Menschenbengel dienen zu müssen. Kaum hatten Krytio und ich uns ihnen genähert, hatte eines von ihnen versucht, uns mit seinen starken Hinterläufen zu erschlagen. Eine vollkommen normale Reaktion für Höllenpferde. Im Grunde sogar recht sanftmütig, wenn man bedachte, dass sie üblicherweise auch noch ihre eigene Magie einsetzten und jedem, der ihnen zu nahe kam, erst mal mit einem ordentlichen Schwall heißem Höllenfeuer attackierte. Emmerett hatte diese armen Kreaturen offenbar ebenso sehr zermürbt wie die frustrierten Engel, die ihre Vorträge über Moralverpflichtungen eingestellt hatten, den ebenfalls frustrierten Naraku und seine süßen Kinder und natürlich Krytio, der teilweise auf mich einen ziemlich resignierten Eindruck gemacht hatte. Hätte ich diesen mickrigen Emmerett-Junge nicht zutiefst gehasst, wäre ich sogar irgendwie beeindruckt gewesen. All diese Wesen – besonders die halsstarrigen Höllenpferde – innerhalb kürzester Zeit derart zu demoralisieren, war wirklich eine Kunst. Auf jeden Fall war es für uns ein Leichtes gewesen, zwei Tiere aus dem Stall zu klauen und sich mit ihnen aus dem Staub zu machen. Zwar hatten die Pferde kurz gebockt, aber nach ein paar liebevollen Gewalttaten hatten sie sich ihrem Schicksal ergeben. Vorerst zumindest. Bei diesen Geschöpfen konnte man nie wissen. Die Flucht – oder wie auch immer man es nennen sollte – war ohne große Schwierigkeiten vonstatten gegangen. Selbst das glitzernde Juwel hatte Krytio einfach unbemerkt einstecken können, niemand hatte ihn daran gehindert. Und nun ritten wir, als hätten wir nie etwas anderes getan. Die flammenden Hufen der Höllenpferde gruben sich tief in die Erde, während sie über das ekelerregend grüne Land stoben. Hinter sich zogen sie eine feurige Schneise her, welche erbarmungslos Gräser, Blumen und den ganzen anderen kitschigen Quatsch zerstörte. Der Wind zischte mir um die Ohren und ein Gefühl von Freiheit stieg in mir auf, so unsinnig und deplatziert es eigentlich auch war. Immer noch prangte das rote Siegel auf meinem Handrücken und machte mehr als deutlich, dass ich alles andere als frei war. Dennoch gab ich mich der Illusion hin, wenn auch nur für eine Weile. „Könnten wir … nicht … was langsamer …?“, drang Myougas piepsiges Stimmchen an mein Ohr. Der kleine Käfer hatte sich am Stoff meines Oberteils festgeklammert und versuchte mühevoll, nicht davongefegt zu werden. Dass mir sein Wohlbefinden am Arsch vorbeiging, muss ich sicherlich nicht extra erwähnen. „Ertrag es wie ein Mann!“, sagte ich mitleidlos. „Oder was auch immer du bist.“ Ich wollte mit meinen Ausführungen weiter fortfahren und seine winzig kleine Persönlichkeit noch mehr erniedrigen, doch ich kam nicht mehr dazu. Ohne jede Vorwarnung stoppten beide Höllenpferde zur selben Zeit dermaßen abrupt, dass nicht mal ein Teufel es hätte vorhersehen können. Ich schrie überrascht auf und klammerte mich noch gerade an den Hals des Tieres, bevor ich im hohen Bogen davongesegelt wäre. Krytio hingegen hatte nicht soviel Reaktionszeit. Er flog über den Kopf seines Pferdes und landete vor dem Tier mit dem Rücken auf dem Boden, alle viere von sich gestreckt, aber die Zügel noch fest in der Hand. „Meine Güte, was war denn das?“, stieß Myouga erschrocken hervor. In letzter Sekunde hatte er eine meiner Haarsträhnen packen können, bevor er im wahrsten Sinne des Wortes eine Fliege gemacht hätte. Ächzend rappelte ich mich wieder auf und wischte das Ungeziefer unwirsch aus meinen Haaren. Myouga fand daraufhin keinen Halt mehr und plumpste letztlich zu Boden. Niederträchtig und gemein, wie Höllenpferde nun mal waren, versuchte mein Tier, den Plagegeist zu zertrampeln, aber unglücklicherweise war der kleine Floh ausgesprochen flink und sprang rasch aus dem Gefahrenbereich. Das andere Pferd derweil bückte sich hinunter zu dem am Boden liegenden Krytio und weitete die Nüstern. Für einen unbedarften und dummen Menschen hätte es sicherlich so ausgesehen, als wollte sich das Tier nach dem Gesundheitszustand seines Reiters erkundigen, aber von meiner Warte machte es eher den Anschein, als wollte es Krytios Haare anknabbern oder ihm glatt den Kopf abbeißen. Besonders unwahrscheinlich war das nicht, immerhin waren Höllenpferde als überaus gierige Fleischfresser bekannt. Krytio hingegen reagierte sofort und stieß den Kopf des Tieres zur Seite, bevor er seinen Oberkörper wieder hochhievte. „Was sollte denn diese plötzlich Bremsung?“, stieß er zornig hervor. Ich zuckte unbekümmert mit den Schultern, während ich meinen Blick nach vorne richtete. Dort, auf einer sonnigen Lichtung, keine paar Meter von uns entfernt, stand etwas, das vermutlich der Grund für die unangenehme Innehalten gewesen war. Groß, stämmig, mit vier Beinen und großen Glubschaugen starrte es uns sorglos entgegen, während es auf einem Büschel Gras herumkaute. Es zeigte keinerlei Angst. Wahrscheinlich war es auch viel zu dumm, um die Gefahr zu erkennen. „Eine Kuh?“, hakte ich genervt nach. Ich seufzte auf und gab meinem Pferd einen kleinen Klaps auf die Ohren. Diese Viecher konnten auch nur mit ihrem Magen denken. „Ich glaube nicht, dass das eine normale Kuh ist“, meinte Krytio. Er wollte sich wieder auf seine Beine rappeln, hatte aber keine Chance dazu. Ohne jede Vorwarnung fiel ein riesiger Klotz aus der Baumkrone über ihm und presste ihn erneut zu Boden. Der Teufel schrie überrascht auf, konnte sich aber gegen das schwere Gewicht nicht wehren. Er war eingequetscht unter dem Hintern eines merkwürdigen Wesens. Soweit ich zu erkennen vermochte, handelte es sich um einen Youkai. Um einen ururururalten, verschrumpelten Youkai mit genau dengleichen großen Kulleraugen wie die Kuh auf der Lichtung. Was für eine seltsame Welt, in der es greise Opas vom Himmel regnete. „Geh ... runter ... von mir!“, brachte Krytio mühevoll hervor, während sein Gesicht immer tiefer in den Dreck gepresst wurde. Ich lachte bei diesem hübschen Anblick amüsiert auf. Ich selbst hätte diesen Idioten nicht besser quälen können. „Da kannst du lange warten!“, meinte das Großväterchen gelassen, während er in seinem Ohr herumpulte und schließlich dort etwas herausfischte, das irgendwie an glühende Kohle erinnerte. „Das ist die Rache für deine äußerst unfreundliche Behandlung bei unserer letzten Begegnung. Nur weil du ein Teufel bist, brauchst du nicht zu denken, dass du andere Wesen herumschubsen darfst.“ Mit diesen Worten verlagerte er ein wenig sein Gewicht, woraufhin Krytio unter ihm leidlich ächzte. „Ich würde ihn in Ruhe lassen, Toutousai“, drang Myougas Stimme an mein Ohr. Mit ein paar Sätzen war er auf Krytios Pferd gelandet, welches beim Auftauchen des komischen alten Kauzes skeptisch etwas zurückgewichen war. „Der wird dich in der nächsten Sekunde nur in den Himmel katapultieren.“ „Immer noch ein Feigling wie eh und je, nicht wahr, Myouga?“, meinte der als Toutousai angesprochene Youkai seufzend. „Du solltest dir mal ein Rückgrat zulegen, alter Freund.“ Der Floh schnaubte daraufhin. „Du bist immerhin auch kein strahlender Held. An deiner Stelle würde ich nicht so herablassend sein.“ Während die beiden Schwachmaten weiter darüber stritten, wer von ihnen der größere Trottel auf der Welt war, wandte ich mit einem schadenfrohen Lächeln meinen Blick nach rechts. Dort, durch das Gestrüpp, traten zwei mir wohlbekannte Gestalten hervor, von denen ich ausnahmsweise mal richtig froh war, sie zu sehen. „Waren wir uns nicht einig, dass wir vernünftig mit ihnen reden, Toutousai?“, wollte Kagome anklagend wissen. Sie funkelte den alten Knacker verärgert an, während eine Fliege durch ihr Haar krabbelte und wahrscheinlich irgendwo ihre Eier ablegte. „Da wusste ich ja auch noch nicht, dass der Teufel dabei sein würde, der mich vor ein paar Tagen besucht und aufgemischt hat“, sagte der Angesprochene trotzig wie ein Kleinkind. „Ihr hättet mal erleben sollen, wie der Mistkerl mich behandelt hat. Dringt einfach in meine Höhle ein und nimmt mich in die Mangel, als sei ich ein Stück Dreck. Hätte ich ihm nicht die verlangten Informationen über Tensaiga gegeben, hätte er sicherlich noch viel Schlimmeres mit mir angestellt.“ Schnaubend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Außerdem waren wir uns über gar nichts einig. Wir sind uns nur zufällig über den Weg gelaufen und haben Lagerfeuergeschichten ausgetauscht. Über die Gesellschaft von Teufeln habt ihr kein einziges Wort verloren.“ Ich grinste vor mich hin. Irgendwie gefiel mir das Klappergestell, auch wenn es seine besten Jahre bereits deutlich hinter sich hatte. Wahrscheinlich hatten sogar noch die Dinosaurier existiert, als dieser Kerl ein junger Spund gewesen war. Kagome seufzte auf, entschied sich dann aber dafür, nicht mehr weiter mit dem Opa zu diskutieren. Stattdessen wandte sie sich mir mit einer finsteren Miene zu. „Hallo, Rasia“, begrüßte sie mich. Erstaunlicherweise war kein bisschen Wiedersehensfreude aus ihrer Stimme herauszuhören. „Wie ich sehe, läufst du endlich wieder in deinem normalen Körper durch die Gegend. Zum Glück, kann ich nur sagen.“ Kein Wunder. Die Hülle des kleinen, süßen Mädchens hatte sie wahrscheinlich ziemlich verwirrt und es ihr schwer gemacht, die Teufelin in mir zu sehen. Menschen! Immer nur auf Äußerlichkeiten bedacht. „Hallo, ihr Torfnasen“, begrüßte ich die beiden mit allem gebührenden Respekt, den ein Teufel aufbringen konnte. Behände rutschte ich vom Rücken des Höllenpferdes herunter, welches kurz nach mir schnappte und mir offenbar die Hand abbeißen wollte. Ich wich aber rechtzeitig aus und versetzte dem Tier ein Stups auf die Nase. Das Pferd schnaubte daraufhin empört, sah aber davon ab, Rache zu üben, sondern wandte seine Aufmerksamkeit wieder auf die grasende Kuh mit den Glubsaugen. „Wie geht’s denn so?“, fragte ich grinsend nach. „Ich hoffe doch, so schlecht wie möglich. Ihr zwei Kanalratten habt auch nichts anderes verdient.“ Kagome lief rot an, während Miroku bloß leicht das Gesicht verzog und sich wohl bemühte, nicht allzu viel auf die Beleidigungen eines unheiligen Geschöpfes wie mir zu geben. „Weißt du, Rasia, du kannst dir deine unhöflichen Kommentare sparen“, meinte Kagome. Offenbar wollte sie ihren Tonfall drohend klingen lassen, aber sie wirkte eher wie ein Püppchen im Zuckerrausch. „Anstatt uns zu bekämpfen, sollten wir uns zusammen einem gemeinsamen Feind stellen.“ „Gott?“, fragte ich mir hochgezogenen Augenbrauen nach. „Nein, natürlich nicht!“, zischte die Miko. „Der kleine Bengel, der Inuyasha auf dem Bankett dermaßen gequält hat.“ Immer wieder eine schöne Erinnerung. „Denkt ihr denn tatsächlich, ich würde mich mit euch mickrigen Staubwedeln zusammentun?“, fragte ich ungläubig nach. Sie waren wirklich noch verrückter, als ich es mir je hätte vorstellen können. „Ich bin nur hier, weil unser kleiner Herr Floh erzählt hat, dass Miroku weiß, wie man das Siegel loswird. Und ist es erstmal fort, werde ich Griffin grillen wie eine Lymphratische Wühlspringmaus.“ „Und denkst du tatsächlich, ich würde dir so einfach das Geheimnis anvertrauen?“, hakte Miroku nach. Er hatte wirklich den Schneid, mich herablassend anzublicken, als wäre er der König der Welt. Zugegeben, bei dieser wahnwitzigen Welt hätte es mich nicht überrascht, wenn ihr Anführer ein notgeiler und selbstüberschätzender Priester gewesen wäre. „Willst du dich etwa weigern?“, zischte ich. „Kannst du dir überhaupt vorstellen, welch entsetzliche Folter ich dir bereiten könnte? Nach Stunden furchtbarer Qualen würdest du darum betteln, von mir getötet zu werden.“ Miroku lachte aber nur spöttisch auf. „Du könntest“, sagte er selbstsicher. „Aber dir wurde sicherlich von deinem Meister verboten, Menschen in irgendeiner Form Schaden zuzufügen, habe ich nicht Recht?“ Ich knirschte verärgert mit den Zähnen. Verdammt! Er war wohl doch nicht so dumm, wie er aussah. Dies war einer der ersten Befehle von Griffin an mich gewesen. Ein Befehl wohlgemerkt, den ich nur ausgesprochen ungern ausführte. Was brachte es einem, in dieser schrecklichen Welt festzusitzen, wenn man nicht mal ein paar kleine Menschlein in die Luft sprengen konnte? Nur ein paar. Ganz klitzekleine. Das wäre eh niemanden aufgefallen und ich hätte wenigstens meinen Spaß gehabt. „Hab ich’s mir doch gedacht“, meinte Miroku ekelerregend selbstzufrieden. Sein dümmliches Grinsen brachte mein Blut zum Kochen. „Menschen … dürfen wir wirklich … nichts tun“, meldete sich unerwartet Krytio, der noch immer unter Toutousais Hintern eingequetscht war. Seine Finger hatten sich tief ins Erdreich eingegraben, während er krampfhaft versuchte, dem Gewicht des Youkai irgendwas entgegenzusetzen. Toutousai aber hatte offenbar Steine in seine Hosentaschen gesteckt, denn Krytios Befreiungsversuche blieben bloß mäßig erfolgreich. „Youkai … aber schon“, meinte er ächzend. Und mit diesen Worten nahm das Unheil für Toutousai seinen Lauf. Schwarzer Nebel schien plötzlich aus dem Boden hochzusteigen, der Teufel und Dämon umhüllte wie eine undurchdringliche Wand. Ich hörte Toutousai noch heftig protestieren, aber innerhalb eines Sekundenbruchteils war seine Stimme erstickt. Kagome keuchte angesichts dieses Anblicks entsetzt auf und Myouga suchte hastig Schutz auf meiner Schulter, während ich bloß gehässig grinste. Zugegeben, zu sehen, wie Krytio zu Boden gerungen worden war, war ein Hochgenuss für mich gewesen, aber ein Angriff auf Toutousai war indirekt auch ein Angriff auf Miroku und seine fehlplatzierte Selbstgefälligkeit. Und das Unglück des Hoshis war mir um einiges wichtiger als das Unglück Krytios. Plötzlich zerriss ein gellender Schrei die gespannte Atmosphäre, als Toutousai im hohen Bogen davonflog und schließlich wie ein Mehlsack neben der Kuh hinabfiel. Tief bohrte er sich in die Erde und blieb dort regungslos liegen. Krytio währenddessen hatte sich wieder aufgerappelt und sich den Staub von der Kleidung geklopft. „Ich hab den alten Narr gewarnt“, murmelte Myouga vor sich hin. Ich wandte mich in der Zwischenzeit wieder Kagome und Miroku zu. „Wir können den Menschen wirklich keinen Schaden zufügen“, stimmte ich zu. „Aber Griffin hat uns in keinster Weise verboten, euch zu erpressen. Zum Beispiel mit dem Leben des süßen kleinen Füchschens, das die ganze Zeit an eurem Rockzipfel hängt.“ Kagome zuckte zusammen. „Shippo? Du willst dich wirklich an einem Kind vergreifen?“ Ich grinste breit, was für die Miko wohl Antwort genug war. Krytio lächelte mit, obwohl er wahrscheinlich nicht so recht wusste, wovon ich eigentlich sprach. Toutousai hatte sich derweil wieder einigermaßen in die Senkrechte gehievt. Er wirkte etwas ramponiert, machte aber ansonsten einen ganz passablen Eindruck. Krytio hatte sich offenbar entschlossen, den greisen Opa nicht allzu hart anzupacken. Dieser dumme Teufel war schon immer viel zu weichherzig gewesen. „Du willst also wirklich ein Kind umbringen, nur um deine eigenen egoistischen Ziele zu erfüllen?“ Kagome wirkte über alle Maßen entsetzt. „Wie kann man sowas überhaupt nur denken?“ Ich zuckte bloß mit den Schultern. Meiner Meinung nach war dieses Fellknäuel sowieso kein unschuldiges Kind, sondern ein widerlich süßes Knuddelvieh, das wie alle anderen widerlich süßen Knuddelviecher nach Weltherrschaft und dem Monopol für die Süßwarenherstellung strebte. Mit ihren breiten Lächeln und ihren funkelnden Kulleraugen verblendeten sie alle Leichtgläubigen um sich herum. Und wo wir schon mal dabei waren: Wieso schockierte es Kagome eigentlich überhaupt noch, dass ich mir Shippos Tod wünschte? Hatte ich nicht bei unserer letzten Begegnung mehr als deutlich gemacht, wie sehr ich sie allesamt hasste? Warum sonst hätte ich diese verfluchte Bande in einem Drachennest abladen sollen? „Na gut, wir werden es euch erzählen“, gab Miroku schließlich nach. Skeptisch beäugte ich den Hoshi daraufhin. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er so einfach einknickte. Nicht ohne eine langwierige und nervenzerreißende Diskussion über Ethik, Liebe und den ganzen Mist. Eine simple Morddrohung war zumindest für Miroku sicher nichts Neues. Die hörte er wahrscheinlich mehrmals täglich. „Wir werden es euch erzählen“, wiederholte er noch einmal, als würde er uns für furchtbar vergesslich halten. „Nachdem ihr uns zu Inuyasha gebracht habt.“ Ah, da lag also der Hase begraben! Na gut, so etwas hätte ich erwarten müssen. Freundschaft und heuchlerische Edelmutigkeit war nun mal unglaublich berechenbar. „Wir sollen also den Fremdenführer spielen?“, hakte ich nach. „Mit der Hilfe von Myouga würden wir auch problemlos ohne euch den Weg finden“, erklärte Miroku. „Aber wir kämen nicht durch den Bannkreis. Doch ihr habt sicherlich die Macht dazu, nicht wahr?“ Man merkte, wie schwer es ihm fiel, diese Worte überhaupt in den Mund zu nehmen. Wie viel Überwindung und Selbsterniedrigung es ihm bereitete, seine Gedanken laut auszusprechen. Krytio war derweil dicht neben mich getreten. Zu dicht für meinen Geschmack. „Und, was machen wir jetzt?“, fragte er nach. „Ihrem Wunsch nachgeben oder lieber den Fuchs ermorden? Ich persönlich wäre ja für Letzteres.“ Ich selbstverständlich auch, aber das rieb ich ihm gewiss nicht unter die Nase. Zumal es mir sowieso nicht gefiel, wie er das Wörtchen ‚wir‘ aussprach. Wenn das Ganze vorbei war, musste ich ihm wohl mal gehörig die Leviten lesen. „Schön und gut“, sagte ich zu ihm. „Aber hast du eine Ahnung, wo Shippo sich überhaupt aufhält? Tja, ich zumindest nicht. Und es wäre bestimmt zeitaufwendig, das Vieh zu suchen. Also sollten wir diese Idioten am besten sofort zu Inuyasha bringen, das wäre am schnellsten.“ Ich hatte keinen Bock, noch mehr Zeit zu vertrödeln. Wenn ich das Siegel los wäre, würde ich Miroku und Kagome sowieso abmurksen. Da konnte ich wenigstens vorher so nett sein, ihnen einen kleinen Gefallen zu erweisen. Es sollte ja niemand von mir behaupten, ich wäre grausam. „Und was ist mit dem?“ Krytios Blick ruhte auf Toutousai, der eifrig mit der Kuh am diskutieren war, als hätte ihm das Tier irgendwelche Widerworte gegeben. Diese Welt war einfach nur verrückt! „Ich bezweifle, dass sein Tod Miroku zum reden bringen würde“, erwiderte ich. „Sie legen nun mal großen Wert darauf, Inuyasha noch vor uns von dem Siegel zu befreien. Ansonsten könnten wir bösen Teufel ja auf die Idee kommen, Emmerett und Griffin ins Jenseits zu befördern, bevor der Köter von dem Bann gelöst wäre.“ Das wäre ja auch viel zu schön gewesen, zuzusehen, wie Griffin und Inuyasha synchron schreiend zugrunde gingen. Aber man konnte schließlich nicht alles haben. Außerdem wäre es sicherlich um einiges befriedigender gewesen, die Flohschleuder mit eigenen Händen zu ermorden, anstatt sie indirekt durch den Milchbubi umzubringen. Es bestand ja immer noch die Möglichkeit, das Ganze zeitlich abzupassen, sodass Griffin und Inuyasha auch ohne die Verbindung durch das Siegel gleichzeitig vor Schmerzen brüllten und sich am Boden wanden. Und meinen Vater hätte man am besten auch noch zu dieser glücklichen Truppe dazu zählen können. „Also hör zu, du Heuchler vor dem Herrn“, meinte ich hoheitsvoll an Miroku gerichtet. „Wir sind mit deinem dummen Plan einverstanden, weil wir gerade eh nichts Besseres zu tun haben. Demnach erfreue dich an deinem kurzfristigen Triumph, denn er wird sicherlich nicht von langer Dauer sein.“ Miroku verengte seine Augen zu Schlitzen, sah aber darüber hinweg, eine Diskussion mit mir anzufangen. Auch besser für ihn! Ansonsten hätte ich ihn in Grund und Boden gequasselt und ihn mit Schimpfwörtern zugedeckt, dass selbst ein Kerl wie er, der sich nicht schämte, jedem dahergelaufenen Weib einen Antrag zu machen, rot angelaufen wäre. „Dann lasst uns keine Zeit verschwenden“, meinte Kagome mit solch einer Entschlossenheit, als würde sie in den Krieg ziehen. Ich nickte derweil nur müde, während ich Griffin zum wiederholten Male dafür verfluchte, dass er mich in diese bizarre Welt geschleppt hatte. Aber wenn alles nach Plan verlief, würde ich diesen Dreikäsehoch für seine Dreistigkeit schon sehr bald bitter büßen lassen. Aber seit wann lief in dieser Irrenanstalt schon alles nach Plan? Kapitel 17: Kreative Todesarten, unhöfliche Menschen, biblische Vorurteile und mächtige Pickel ---------------------------------------------------------------------------------------------- Im Schneckentempo krochen wir durch den japanischen Wald. Ja, wir krochen. Anders konnte man diese tierisch lahme Art der Fortbewegung einfach nicht beschreiben. Ich vermochte sogar intensiv meine Umgebung zu betrachten, während wir langsam unserer Wege gingen. Und dabei hasste ich es noch mehr als die Pest, diese entsetzliche und verschandelte Welt intensiv zu betrachten! Aber uns war letztlich kaum etwas anderes übriggeblieben. Wir hatten zwar mit den Höllenpferden unglaublich schnelle Zeitgenossen an unserer Seite, aber unsere zartbesaiteten Menschen hatten keinerlei Lust verspürt, sich auf die Rücken dieser liebreizenden Geschöpfe zu setzen. Dabei hatte nur eines der Tiere versucht, Kagome aufzufressen. Also alles vollkommen harmlos! Ich verstand wirklich nicht, warum die sich so anstellten. Was machte es schon, von einem Höllenpferd in Stücke gerissen zu werden? Immerhin war das für Menschen ein ausgesprochen ungewöhnlicher Tod, mit dem sie im Jenseits gut hätten angeben können. Diese dummen toten Seelen taten den lieben langen Tag sowieso nichts anderes, als sich zu brüsten und sich gegenseitig mit ihren Todesursachen zu überbieten. Je besser und ausgefallener die Art deines Ablebens, desto höher stiegst du im Ansehen. Bei uns in der ‚Hölle 2‘ war der beliebteste Kerl ein zutiefst dämlicher Chinese, der sich an einem Stück Fleisch verschluckt hatte, nach hinten gestrauchelt war, daraufhin das Gleichgewicht verloren hatte und einen Abhang hinunter gekullert war, woraufhin er noch eine Karawane vorbeiziehender Spielleute umgenietet hatte, und schließlich ins Maul eines extrem seltenen Dämons geschleudert worden war, der gerade aus seiner Höhle gekommen war und herzhaft gegähnt hatte. Nebenbei bemerkt, nicht nur der Chinese war bei dieser Aktion draufgegangen, sondern auch der Dämon, der an der unerwarteten Zwischenmahlzeit qualvoll erstickt war, und ebenfalls ein paar der Spielleute, welche in einen nahegelegenen Fluss gestürzt und ertrunken waren. Tja, so kann’s gehen. Miroku und Kagome jedoch schienen keinen Bock auf einen ausgefallenen Tod zu haben. Wahrscheinlich wünschten sie sich sogar, sterbenslangweilig im Kreise ihrer Lieben an Altersschwäche dahinzuraffen. Sowas von unoriginell! Ich hätte die beiden Torfköpfe am liebsten k.o. gehauen und einfach hinter uns hergeschleift, aber Griffins Befehl band mich unglücklicherweise. Schon allein die Vorstellung, Kagome und Miroku Schaden zuzufügen und somit meine arme gebeutelte Seele wieder etwas aufzuheitern, hatte mein Siegel zum prickeln gebracht. Somit hatten wir Teufel uns schweren Herzens unserem Schicksal ergeben und schleppten uns nun in diesem unerträglichen Menschentempo wieder zurück. Langsam, langsam und nochmal langsam. Ich hätte in der Zwischenzeit 25.687 Topfläppen stricken, 46 Kinder gebären, 789 tiefgreifende Romane über die Vergänglichkeit des Seins schreiben und – vor allen Dingen! – 356.764 Menschen auf kreative Art und Weise umbringen können, dass sie allesamt dem Chinesen in der Hölle ernsthafte Konkurrenz hätten machen können. „Schau nicht so muffig drein“, wandte sich Kagome an mich. Offenbar war mir meine schlechte Laune deutlich anzumerken. „Schon bald seid ihr das Siegel los.“ Ich lächelte sie zuckersüß an, während ich dieses Weib innerlich verfluchte. Diese „Alles wird gut“-Sprüche waren meist der Beginn von schlimmsten Tragödien. „Wie ich euch kenne, wird zunächst das halbe Land in Schutt und Asche gelegt, ehe hier wieder Frieden einkehrt“, erwiderte Toutousai trocken. Mühsam wankte er neben uns her, während er Krytio immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Warum der alte Greis überhaupt mitgekommen war, war mir völlig schleierhaft. Überaus deutlich hatte er betont, dass ihm Inuyashas Wohlergehen vollkommen am Arsch vorbeigehen würde. Den einzigen Grund, den er für seine Mitreise genannt hatte, waren „seine Babys“. Wer oder was damit gemeint war, war mir zwar nicht ganz klar, aber ich hatte keine Lust gehabt, ihn danach zu fragen. Es interessierte mich auch nicht die Bohne. Ob er nun seine Babys, seine verlorene Jugend oder seine Eierwärmer suchte, konnte mir herzlich egal sein. Über besonders viel Intelligenz schien der Opa sowieso nicht zu verfügen. Immerhin hatte Krytio mehr als deutlich gemacht, dass wir Teufel keinerlei Skrupel davor hatten, Youkai etwas anzutun. Zugegeben, in der Hölle war uns solcherlei Spaß verboten, doch in dieser Welt scherte es keine Teufelsseele. Und trotz dieser ständig präsenten Gefahr watschelte Toutousai nun neben uns her und stieß Verwünschungen aus. Er verfluchte den uneben Boden, die drückende Luft und die beiden Hundebrüder, die er als wahnsinnig und selbstzerstörerisch bezeichnete. Und gerade diese Einstellung machte mir den Alten irgendwie sympathisch. Und Toutousai schien das aus irgendeinem Grund auch genau zu wissen, weswegen er wohl letztlich das Risiko auf sich genommen hatte, mitzugehen. Die Kuh hingegen hatte er zurückgelassen. Ihm hatten die gierigen Blicke der Höllenpferde nicht allzu sehr behagt, die sich vermutlich bereits eine leckere Mahlzeit versprochen hatten. Ungeniert hatte Toutousai daraufhin die Kuh fortgeschickt, sehr zu Kagomes Kummer, die schmollend bemerkt hatte, dass man auf diese Weise nun nicht mehr auf dem Tier fliegen könnte. Armes, geistig verwirrtes Mädchen. Fliegende Kühe … also bitte! Schließlich – nach einer schier unendlichen Ewigkeit – erreichten wir den mir bereits bekannten Bannkreis. Nie im Leben hätte ich gedacht, froh zu sein, dieses Ding wiederzusehen, aber so war es nun. Ich unterhielt mich lieber mit Engeln und Zwitterwesen wie Naraku, als die Anwesenheit dieser Menschen auf einen längeren Zeitraum zu ertragen. Man musste den beiden jedoch zugutehalten, dass sie innehielten, bevor sie gegen den Bannkreis knallen konnten. Offenbar spürten die dank ihrer Kräfte zumindest unterschwellig, dass sich in ihrer Nähe eine Barriere befand. Schade! „Vielleicht sollte ich zunächst alleine reingehen und die Lage überprüfen“, schlug Krytio vor. „Ach Quatsch, warum denn?“ Ich warf ihm einen genervten Blick zu. Ich wollte das Ganze einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen. „Wir stehen doch alle auf derselben Seite, so ungern ich das auch zugebe. Die Engel wollen das Siegel ebenso gern loswerden wie wir.“ Krytio zögerte kurz, dann aber zuckte er seufzend mit den Schultern. Er trat an den Bannkreis, strich einmal darüber und bereits im nächsten Moment öffnete sich der Durchgang. Krytio wich daraufhin zur Seite und winkte alle Anwesenden hinein. Kagome und Miroku gingen entschlossenen Schrittes durch das Tor, Toutousai aber blieb zunächst zögerlich. Ihm war wohl plötzlich eingefallen, dass er direkt vor der Höhle des Löwen stand und im Gegensatz zu Kagome und Miroku keinen Unantastbar-Vorteil hatte. „Ähm … ich warte besser hier draußen“, meinte er, mutig wie ein Ziegenbock, der vor einem Drachennest stand. „Irgendwer muss ja die Lage überwachen.“ „Ganz recht“, stimmte Myouga zu, der auf Toutousais Schulter gehüpft war und heftig nickte. Ich rollte bloß mit den Augen und schüttelte genervt den Kopf. Verdammte Feiglinge! Ich warf den beiden Greisen noch einen letzten, vorwurfsvollen Blick zu, ehe ich mich von ihnen abwandte und das Innere des Bannkreises betrat. Alles wirkte noch genauso, wie wir es zurückgelassen hatten. Prachtvolle Bauten, eine Menge Platz, um Purzelbäume zu schlagen, und selbst noch die leere Reisschale, die ich vor unserem Aufbruch schnell leergeputzt und auf der Veranda hatte stehenlassen. Ein Empfangskomitee konnte ich auf den ersten Blick nicht entdecken. Vielmehr machte es sogar den Anschein, als hätte niemand bemerkt, dass Krytio und ich einen kleinen Spaziergang unternommen hatten. „Wo ist Inuyasha?“, fragte Kagome augenblicklich. Ich konnte daraufhin nur empört schnauben. Kein „Dankeschön, dass ihr uns hierhergebracht habt“? Kein „Oh Mann, wie nett von euch, dass ihr uns nicht in eine tiefe Schlucht geführt habt“? Kein „Vielen Dank für eure Mühen“? Also ehrlich, die Menschen wurden auch immer unhöflicher. „Inuyasha ist in dieser Hütte“, erklärte Krytio und zeigte auf den besagten Bau, der etwas abseits stand. „Aber sei vorsichtig, die Engel sind …“ Kagome aber ließ den Teufel nicht ausreden. Entschlossen stapfte sie auf das Gebäude zu, als hätte sie noch nie etwas von Besonnenheit gehört. Ebenso gut hätte sie auch eine Trommel mitnehmen und ordentlich darauf herumhauen können. Und wie nicht anders zu erwarten, brauchte das Sicherheitskommando auch nicht lange, um den lästigen Eindringling zu bemerken. Woher Lanyva so plötzlich kam, vermochte selbst ich nicht zu sagen. Wie schon Toutousai vorhin schien sie regelrecht vom Himmel zu fallen, allerding sehr viel eleganter als der klapprige Opa. Sie schwebte förmlich zu Boden, wie es sich für einen feinen Engel auch gebührte. Ihr Gewand flatterte im Wind, ihr langes gelocktes Haar ebenso und mit einem erhabenen Hochmut schaute sie in die Runde, als würde sie uns alle für wertlose Würmer halten. Kagome hielt überrascht inne und starrte das Wesen vor sich mit großen Augen an. Offenbar völlig geblendet von der typischen radioaktiven Strahlung dieser Flattermänner. „Wen haben wir denn da?“ Lanyva legte ein Lächeln auf, das viele als engelsgleich bezeichnet hätten und bei dessen Anblick sich mir persönlich der Magen zusammenzog. „Ähm … ich bin …“, meinte Kagome ziemlich geistreich. Sie wich wieder ein paar Schritte zurück, bis sie neben Miroku stand. „Und was …?“ „Das ist ein Engel“, klärte ich das Mädchen stöhnend auf. Kagome musterte mich ehrlich schockiert. „Wirklich? Ein waschechter Engel?“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber … wow!“ Ich hätt’s nicht besser formulieren können. „Krytio, Krytio, Krytio“, meinte derweil Lanyva, den Tonfall einer nervigen Oberlehrerin auflegend. Sie betrachtete den Teufel eingehend, während sich auf ihren Lippen ein hässliches, überlegendes Lächeln bildete. „Du stiehlst das Juwel und auch noch die Gefangene und machst dich auf und davon. Interessiert es dich denn nicht, dass Saphiel und mir ebenfalls befohlen wurde, auf diese Dinge achtzugeben? Wir hätten für ihren Verlust fürchterlich bestraft werden können.“ Krytio wiegte seinen Kopf hin und her, als würde er ernsthaft über ihre Worte nachdenken. Dann aber zuckte er mit den Schultern und meinte gelassen: „Hm, das hat mich eigentlich nicht wirklich interessiert.“ Lanyva schürzte die Lippen. „Das dachte ich mir, dreckiger Teufel. Ihr heimtückisches Wesen seid dermaßen niederträchtig, dass mir die Worte fehlen.“ Ich verdrehte die Augen. Wollte sie uns jetzt einen endlos langen Vortrag halten? Darauf konnte ich sehr gut verzichten. „Hör zu, Engelchen, für dich springt bei der Sache auch was raus“, lockte ich sie. „Wir alle können davon profitieren.“ Lanyva wirkte hingegen meiner Erwartung aber nicht sonderlich begeistert. „Teufel, die ewigen Verführer. Leere Versprechungen, die einen letztendlich ins Verderben stürzen.“ Herrje, zitierte sie jetzt etwa aus der Bibel? Ich konnte Zitate aus diesem Schmöker nicht ausstehen. Dieses dumme Buch war so furchtbar teufelsfeindlich und voller Vorurteile. Unglaublich diskriminierend! „Aber es ist sowieso zu spät“, sagte das Engelchen. Und in dem Moment trat aus der Hütte, in der Inuyasha und Shimo hockten, eine kleine Gestalt, die Krytio unweigerlich zusammenzucken ließ, auch wenn sie eigentlich überhaupt nicht furchteinflößend wirkte. Eher klein und mickrig wie ein lästiger Pickel. Aber mit deutlich mehr Macht. „Emmerett!“, meinte ich, keinen Deut erfreut, den Bengel wiederzusehen. „Ich dachte, du kommst erst heute Abend zurück.“ Emmerett lächelte arrogant, während er mich mit einem solch herablassenden Blick bedachte, dass ich jeden anderen dafür längst umgebracht hätte. „Ich konnte mich früher zurückziehen“, erklärte er. „Und nebenbei bemerkt liegt der Abend gar nicht mehr so fern.“ Bei diesen Worten warf ich einen giftigen Blick zu Kagome und Miroku. Hätten die beiden sich nicht geweigert, sich auf die Höllenpferde zu setzen, hätten wir nicht den ganzen Weg zurückschleichen müssen. Und wir wären Stunden vor Emmerett angekommen! „Du steckst da also auch mit drin?“ Kagome hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und funkelte den kleinen Engländer herausfordernd an. Offenbar war sie gerade sehr in Streitlaune, was ich ausnahmsweise sogar mal begrüßte. „Ich weiß zwar nicht genau, was hier eigentlich vorgeht, aber es ist einfach nur verabscheuungswürdig. Ob nun Dämonen, Teufel oder Engel – es sind alles Lebewesen, die es nicht verdient haben, das Leben eines Sklaven zu fristen und für eure niederen Zwecke missbraucht zu werden. Wie kann man nur so unsagbar unmenschlich sein? Und was hat euch überhaupt auf die Idee gebracht, so etwas Widerwärtiges zu tun?“ Ich grinste breit. „Sie haben eine Wette abgeschlossen, wer von ihnen als erstes Japan erobert.“ Kagome und Miroku starrten mich mehrere Sekunden ungläubig an, völlig unfähig, sich auch nur ein bisschen zu rühren. Sie konnten es augenscheinlich absolut nicht fassen, was ich wiederum sehr gut nachvollziehen konnte. Ich selbst vermochte es ja immer noch kaum zu glauben. „Bitte was?“, platzte Kagome schließlich heraus. „Wie … Aber was … Oh mein Gott, habt ihr denn völlig den Verstand verloren?“ Ja, das hatten sie. Nur, um das nochmal zu unterstreichen. „Das ist wirklich das Hirnrissigste, was ich je gehört habe!“, fuhr die Miko fort. „Wie kommt man nur auf eine solch dämliche Idee?“ Zu viel männliches Testosteron, zu viel Selbstüberschätzung, dann noch eine Prise Provokation – und fertig war der leckere Kuchen des Größenwahnsinns! Er war einfach zu backen und schmeckte im ersten Augenblick berauschend, aber im Laufe der Zeit zeigten sich extreme Nebenwirkungen, die bei Durchfall anfingen und bei einem entsetzlichen Massaker endeten. Emmerett betrachtete derweil Kagome interessiert und schien abzuwägen, ob er auf ihre Kommentare eingehen sollte oder nicht. Schließlich aber entschied er, dass das Provinzmädchen mit dem kurzen Rock seiner Aufmerksamkeit nicht wert war. Stattdessen wandte er sich wieder uns zu und sagte kalt und gebieterisch: „Krytio, erklär mir, was hier vorgeht. Und lass bloß nichts aus, ansonsten könnte es unangenehm für dich werden.“ Krytio zog die Mundwinkel nach unten, hatte aber keine Möglichkeit, sich Emmerett zu widersetzen. Das Siegel an seinem Unterarm leuchtete hell auf, um ihn daran zu erinnern, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als sich zu beugen. „Ein Floh, der sich in Inuyashas Fell versteckt und unbemerkt hier eingeschmuggelt hat, hat Rasia und mir erzählt, dass dieser Hoshi einen Weg kennt, das Siegel loszuwerden.“ Krytio deutete auf besagten Miroku. „Und zwar einen Weg, der uns befreit, ohne dass du oder Griffin zuvor euer Einverständnis geben müsstet. Er wollte uns des Rätsels Lösung verraten, sobald wir ihn zu Inuyasha gebracht hätten.“ Emmeretts Züge verdüsterten sich, während Lanyva eine überraschte Miene aufsetzte und den Hoshi neugierig musterte. Nun schien auch sie Blut geleckt zu haben, verführende Teufel hin oder her. „So ist das also?“ Der kleine englische Bengel knirschte lautstark mit den Zähnen. Man brauchte wirklich kein großes Genie zu sein, um zu bemerken, dass ihm diese Information nicht sonderlich gut gefiel. Irgendwie verständlich, wenn man bedachte, dass diese Neuigkeit unter Umständen dafür sorgen könnte, dass Emmerett von wütenden Teufeln, Engeln, Dämonen und Höllenpferden auseinandergerissen würde. „Nun, wie auch immer.“ Der Dreikäsehoch gab sich weiterhin blasiert und herablassend, als würde ihn all das nicht besonders schockieren. Aber ein geübtes Auge sah sofort, dass der Junge Blut und Wasser schwitzte. Sein sorgfältig durchdachter Plan drohte, ins Wanken zu geraten, weil ein Priester zufällig irgendwo eine nützliche Notiz gefunden hatte. Tja, so schnell kann’s gehen. Während Emmerett unablässig einen auf arrogant gab und irgendeine stinklangweilige Rede vom Stapel ließ, wanderte mein Blick zu der Hütte, in der Inuyasha zusammen mit meinem werten Erzeuger hockte. Ich bemerkte ein Gesicht an dem kleinen Fenster, das fasziniert das Geschehen verfolgte, ich konnte aber nicht erkennen, um wen es sich handelte. Es war mir sowieso gleich. Emmerett auf jeden Fall würde das alles nicht ungestraft auf sich sitzen lassen. Zumindest würde er versuchen, Miroku keinerlei Chance zu geben, sein geheimes Wissen zu offenbaren. So oder so würde er den Hoshi zum Schweigen bringen wollen. Und so widerstrebend ich das auch zugab, aber im Moment war es nicht im meinem Interesse, Mirokus Klappe zu stopfen. Somit wägte ich meine Optionen ab. Wenn ich schnell reagierte und Inuyasha befreien konnte, würde der Hoshi mit seinem Geheimnis rausrücken und … „Denk gar nicht erst darüber nach!“, hörte ich Emmeretts drohende Stimme. Ich drehte mich ihm zu und bemerkte, dass er mich herausfordernd anfunkelte. Offenbar schien er genau zu wissen, was in meinem Kopf vorging. „Du hast keine Chance, zwei Engel und einen Teufel zu überlisten, wie schnell du auch immer sein magst. Du bist tot, bevor du dich überhaupt in Bewegung gesetzt hast.“ Ich schnaubte. Mickriger, schleimiger, widerlicher Bengel! „Und du brauchst mich gar nicht so böse anzuschauen, Krytio!“, zischte Emmerett, als er Krytios Blick registrierte. „Du wirst noch dafür büßen, dass du mich hintergehen wolltest. Ich werde mir irgendeine besonders schöne Strafe für dich ausdenken.“ Er lachte auf, ehe er sich an den Engel wandte: „Nimm die beiden Menschen gefangen und knebel sie ordentlich. Sie dürfen nicht mehr in der Lage sein, sich in irgendeiner Weise zu verständigen.“ Lanyva wirkte nicht gerade begeistert, diesem Wunsch Folge leisten zu müssen. Ich persönlich hätte es – zumindest unter anderen Umständen – unglaublich erleichternd empfunden, endlich mal wieder ein bisschen Gewalt anwenden zu dürfen, doch Engel sahen in solcherlei Dingen keinerlei Vergnügen. Stattdessen trat Lanyva einen Schritt nach vorne und deutete sogar eine kleine Verbeugung in Richtung der zwei Menschen an. „Es schmerzt mir tief in der Seele, diesen Befehl ausführen zu müssen und gerade euch, die er den Mächten des Himmels so nahe steht, dadurch Schaden zuzufügen. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen, doch ich habe keine andere Wahl.“ Kagome blinzelte verdutzt. Es passierte offenbar nicht gerade oft, dass sich jemand bei ihr bereits im Vorfeld für einen Angriff entschuldigte. Lanyva seufzte ein letztes Mal, ehe sie in einer einzig fließenden Bewegung nach vorne rückte und Kagome am Arm ergriff, bevor diese überhaupt realisierte, was gerade passierte. Die Miko öffnete ihren Mund zu einem überraschten Schrei, bekam aber keine Gelegenheit, diesen auch auszustoßen, denn bereits in der nächsten Sekunde verdrehte sie ihre Augen und sackte schlaff zu Boden. Lanyva fing sie noch während des Sturzes auf und legte sie sanft auf die Erde. Bahrte sie beinahe liebevoll auf, als wäre sie Christus persönlich. „Was …?“, fragte Miroku, eindeutig schockiert, dass alles so furchtbar schnell gegangen war. „Keine Sorge, sie schläft nur“, versicherte ihm Lanyva mit einem beruhigenden Lächeln. „Ich würde euch doch niemals ernsthaft schädigen.“ Sie streckte bereits ihre Hand aus, um auch den Hoshi zu fassen zu kriegen, ehe sie innehielt und sich verwundert umdrehte. Ebenso alle anderen wandten sich erstaunt zu der kleinen Hütte um, aus deren Inneren plötzlich ein helles Licht strahlte, als hätte dort drinnen jemand eine radioaktive Goldgrube entdeckt. „Was ist das?“, fragte ich irritiert und schämte mich dabei in keinster Weise, dass ich keinen blassen Dunst hatte, was vor sich ging. „Inuyasha …“, murmelte Miroku. Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Inuyasha leuchtet?“ Zugegeben, es klang ein wenig merkwürdig, aber nicht vollkommen abwegig. Auch bei uns in der Hölle gab es haufenweise Exemplare, die plötzlich ohne jede Vorwarnung zu strahlen oder blinken anfingen. Meine Cousine mütterlicherseits schaffte es sogar, blau-weiß-kariert zu leuchten und ihre Zähne dabei violett blitzen zu lassen. „Nicht Inuyasha leuchtet“ erwiderte Miroku. „Das ist Tessaiga.“ „Tessaiga?“, hakte nun auch Krytio nach. Und bereits im nächsten Augenblick zerriss eine lautstarke Explosion die Luft. ________________________________________ So, diesmal ging's eindeutig was schneller! ^^ Ich hoffe doch, das Kapitel war einigermaßen zu eurer Zufriedenheit. Und nochmal vielen Dank für eure lieben Kommentare! :) Kapitel 18: Unerwartete Schmerzen, blasse Knirpse, alte Feiglinge und Männer in Miniröcken ------------------------------------------------------------------------------------------ Es ist ja schon was her, dass ich das letzte Kapitel hochgeladen habe. Tut mir auch ehrlich leid, aber wie ich ja schon mal erwähnt hatte, hat mich die Uni leider voll im Griff O.o Außerdem hatte mich die letzte Zeit ein KreaTief genervt, was diese Geschichte betrifft. Aber gestern hat mich wieder die Inspiration gepackt und ich hab das Kapitel in einem Rutsch zu Ende geschrieben ^^ Ich hoffe, dass das jetzt ein bisschen länger andauert. Nur nochmal zur Erinnerung, was im letzten Kapitel geschehen ist: Rasia hat sich mit Kagome und Miroku zusammen zu Narakus Versteck aufgemacht, um Inuyasha zu befreien. Doch sie wurden entdeckt und Kagome wurde von dem Engel Lanyva außer Gefecht gesetzt. Kurz darauf schafft es Inuyasha, sich aus seiner Gefangenschaft mit einem lauten Knall zu befreien … _______________________________________ Ich lachte laut. Ich lachte, während um mich herum Holzsplitter durch die Gegend flogen und teils zu gefährlichen Geschossen mutierten. Lanyva hatte sich bereits eine Sekunde vor der Explosion schützend vor Emmerett gestellt, ebenso wie Miroku sich darum bemühte, Kagome vor schlimmeren Schaden zu bewahren. Holz, Dreck und Magiewirbel zischten durch die Luft und hüllten schließlich alles in eine undurchdringliche Staubwolke. Mehrere Augenblicke vermochte man kaum die Hand vor Augen zu sehen, ehe sich der Nebel langsam lichtete. Und dort stand Inuyasha! Strahlend und pompös wie ein weißer Ritter in glänzender Rüstung, sein gigantisches Schwert gezückt und offenbar jederzeit bereit, die Armeen des Bösen niederzumetzeln. Die Hütte hinter ihm, in der er zuvor noch gefangen gewesen war, war an der einen Seite völlig aufgerissen und auch der Rest machte nicht gerade den Eindruck, als würde er noch besonders lange standhalten. Der Köter hatte den Großteil des Gebäudes einfach weggesprengt und nicht viel davon übriggelassen. Inuyasha hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Gut, zugegeben, er hätte noch ein paar Nervensägen in den Tod stürzen können, aber so war es auch nicht schlecht. „Ihr miesen Drecksschweine!“, zischte das Hündchen aufgebracht. Seine Knöchel traten weiß hervor, während er den Griff seines Monsterschwertes hielt. „Ihr kennt wohl keinerlei Anstand, oder? Wie könnt ihr es nur wagen, Hand an Kagome zu legen?“ „Na ja, es hat sicherlich ungeheuren Spaß gemacht“, meldete sich eine mir verhasste Stimme. Shimo kam quietschfidel und breit grinsend irgendwo aus den Trümmern herausgeklettert und stellte sich neben Inuyasha. „Es ist immer vergnüglich, Mikos ein bisschen zu ärgern.“ „Halt deine Klappe!“, herrschte Inuyasha ihn an, ehe er sich wieder Emmerett zuwandte. Ich konnte mich derweil eines Lächelns nicht erwehren. Der heftigen Reaktion Inuyashas entnahm ich, dass ihm mein Vater die letzten Stunden wohl ordentlich auf die Nerven gegangen war. Auch nicht weiter verwunderlich. Es gab kaum eine schlimmere Strafe, als mit diesem Kerl in einem Raum eingesperrt zu sein. Sein ewiges Geplapper und sein lästiges Lachen waren Folter, wie man sie sonst selbst in den furchtbarsten Teilen der Hölle nicht geboten bekam. Wahrscheinlich einzig Griffins Befehl, seinen Mitstreitern nichts anzutun, hielt den Köter im Moment davon ab, auf Shimo einzuhacken. „Was ist denn überhaupt gerade passiert?“, fragte Krytio verwirrt. Er kratzte sich am Hinterkopf und wunderte sich offensichtlich, was er Wichtiges verpasst hatte. „Tja, ihr wart so dumm und habt Inuyashas kleines Schwertchen bloß unachtsam in eine Ecke geworfen und euch nicht mehr großartig darum geschert“, erklärte ich ihm. „Das war wohl ein Fehler, würde ich mal sagen. Und der Angriff auf Kagome hat die Flohschleuder völlig austicken lassen. Man sollte einen wilden und primitiven Hund nichts bis aufs Blut reizen, das mögen die nicht besonders.“ Inuyasha warf mir daraufhin einen säuerlichen Seitenblick zu, hatte aber den Großteil seiner Aufmerksamkeit auf Emmerett und Lanyva gerichtet. Shimo derweil lächelte bloß selig vor sich hin und winkte mir sogar zu, was ich mit einem wütenden Schnauben quittierte. „Aber … was ist mit der Engelsmagie geschehen?“, hakte Krytio nach. „Inuyasha und Shimo waren doch gefesselt und geknebelt.“ Ähm … gute Frage. Zunächst wollte ich ihm sagen, dass Inuyasha vielleicht denselben Trick wie Naraku angewandt hatte, immerhin war das Köterchen auch ein Hanyou und somit zum Teil menschlich, aber sofort verwarf ich den Gedanken wieder. Niemals im Leben besaß der Hund auch nur ansatzweise genügend Grips, um zu so etwas fähig zu sein. „Als ihr draußen vor dem Bannkreis wart und die Engel euch gefangen nahmen, hat die Macht von Inuyashas Schwert der Engelsmagie kaum etwas anhaben können“, meinte Krytio. „Darum haben wir uns auch nicht mehr um das Ding gekümmert. Wir dachten, es würde uns nichts anhaben können. Aber jetzt …? Was ist anders als gestern?“ Ich hätte liebend gern eine kluge Antwort gegeben und mich vor Mister Besserwisser aufgespielt, aber unglücklicherweise fiel mir nichts Intelligentes ein. Darum blieb mir nichts anderes übrig, als ahnungslos mit den Schultern zu zucken. Dafür wusste Miroku zu meiner Schande des Rätsels Lösung. „Inuyasha kämpft, um Kagome und mich zu beschützen. Tessaiga hat wahrscheinlich auf sein starkes Bedürfnis reagiert, uns vor Schaden bewahren zu wollen.“ Ich hob eine Augenbraue. Das ergab sogar tatsächlich einen Sinn. Inuyasha war in Aktion getreten, um nicht sich und seinen wertlosen Hintern zu retten, sondern um sich für andere aufzuopfern. Eine Geste, der sich die Magie von Engeln einfach nicht in den Weg stellen konnte, ohne sich selbst völlig zu verraten. „Das heißt also … wenn ich mich jetzt auch dahinstellen und irgendwelche dummen Menschen ohne Hintergedanken beschützen würde, könnten mir die Engel nichts anhaben?“ Ich wiegte meinen Kopf hin und her. „Wahrscheinlich“, mutmaßte Krytio. „Aber wann würdest du jemals einem Menschen helfen wollen?“ Natürlich niemals. Aber man durfte sich das Ganze doch trotzdem theoretisch vorstellen, oder etwa nicht? Inuyasha hatte währenddessen von unserem Geplänkel nicht das Geringste mitbekommen. Stattdessen schwellte er weiterhin stolz seine Brust und belästigte Lanyva mit allerlei Beschimpfungen, die dem Engelchen sichtlich missfielen. Über kurz oder lang würde sie ausrasten, dessen war ich mir sicher. Engel mochten zwar friedfertige Wesen sein, aber auch sie ließen sich nicht alles gefallen. Zumal Lanyva sowieso auf mich einen eher labilen Eindruck erweckte. Sie war zumindest kein typischer Engel, der lieber mit einem breiten Lächeln und einem Strauß Blumen einen Konflikt löste. Sie haute stattdessen ordentlich drauf. Fast schon schade, dass wir Erzfeinde waren. Als Teufel wäre sie mir sicher sympathisch gewesen. „Hoffentlich reißt sie den Köter in Stücke“, meinte ich vergnügt. „Das wäre wirklich –“ Ich hielt inne, als ich plötzlich, unerwartet und ohne die geringste Vorwarnung einen starken Schmerz im Unterleib spürte, dermaßen heftig, dass ich gequält aufstöhnte und bereits im nächsten Moment meine Beine nachgaben. Wie ein alter Kartoffelsack plumpste ich zu Boden, keine Minute länger hätte ich mehr aufrecht stehen können. Tränen stiegen mir in die Augen, während mich tiefe Verwirrung bestürmte. Was war nur geschehen? Hatte mich jemand angegriffen? Heimtückisch aus dem Hinterhalt? Mühevoll richtete ich meinen Blick auf und nahm verschwommen wahr, dass Lanyva ebenso überrascht schien wie ich. Zumindest starrte sie ziemlich dumm aus der Wäsche, weswegen ich den Schluss zog, dass sie an meiner derzeitigen Misere nicht Schuld war. Auch Emmerett schloss ich aus, da er noch verblödeter dreinglotzte und offenbar nicht die geringste Ahnung hatte, was vor sich ging. Mir jedoch dämmerte es allmählich, als ich aus den Augenwinkeln mitbekam, dass Shimo und Inuyasha ebenfalls zusammengesunken waren. Beide wanden sich, hielten sich den Bauch und ächzten leidlich, so wie ich es tat. Das konnte nur eins bedeuten! Griffin – unser allesgeliebter, hirnverbrannter, postpubertärer, absolut geisteskranker Griffin – hatte es offenbar geschafft, sich von jemanden aufmischen zu lassen. Oder – bedachte man seine geringfügige Intelligenz – sich selbst zu verletzen. So oder so, seine Schmerzen waren nun auch die meinen! Na ja, und ebenso die von Shimo und Inuyasha, aber wen kümmerte das schon großartig? Wichtig war nur, dass ich litt! Ich, die in letzter Zeit schon mehr als genug durchgemacht hatte! Ich, die doch einfach nur ein ruhiges Leben hatte führen wollen! Ich, die es einfach nicht verdient hatte, vom Schicksal dermaßen verarscht zu werden! Und das alles nur wegen eines dummen Bengels! Was hatte der verdammte Mistkerl nur angestellt? Den Schmerzen nach zu urteilen hatte er sich anscheinend den Magen samt Darm aus dem Leib gerissen. Oder jemand anderes hatte das für ihn erledigt. Ich verfluchte diesen Idioten, aber noch mehr verfluchte ich mich in diesem Augenblick selbst. Wieso hatte ich nicht daran gedacht, Griffin unter einigermaßen passablen Schutz zu stellen? Immerhin hing mein Leben davon ab! Und wen hatte er gerade an seiner Seite? Den depressiven Gnom Calyr, der sich wahrscheinlich momentan im Selbstmitleid suhlte oder möglicherweise sogar schon Selbstmord begangen hatte, und den einfältigen Hünen Shenyt, der den Intelligenzquotienten eines Feldwegs hatte. Unter Umständen vielleicht auch Hisa, wenn sie es irgendwie geschafft hatte, den Engeln zu entkommen. Alles in allem keine besonders schlagfertige Truppe. Der einzige Trost war für mich zurzeit bloß, dass Griffin nicht tot war. Oder zumindest noch nicht. Wäre es nämlich geschehen, wären auch meine Lichter ausgegangen und die Welt hätte einen wirklich tragischen Verlust hinnehmen müssen. Doch stattdessen zogen sich die Schmerzen nach und nach zurück. Es kam mir zwar wie eine Ewigkeit vor, aber allmählich wurde es besser. Bis ich schließlich wieder die Kraft fand, mich auf meine Beine zu stellen. Keuchend richtete ich mich schließlich wieder auf. Der Schmerz hatte bereits deutlich nachgelassen und binnen weniger Sekunden würde er verschwunden sein, dessen war ich mir hundertprozentig sicher. Denn im Gegensatz zu Griffin spürten seine Diener nur den akuten Schmerz, eine Art Echo seiner Qualen. Es war im Grunde nicht mehr als eine Illusion. Griffin würde wahrscheinlich noch längere Zeit mit seinem Wehwehchen zu kämpfen haben, würde riesige Blutergüsse davontragen und bei bestimmten Bewegungen aufschreien wie ein Baby. Wir hingegen hatten nur den ersten Schmerz verspürt, blaue Flecke würde jedoch keiner von uns bekommen. Es waren sowieso nur Fremdeinwirkungen, die wir spüren konnten. Wenn man Griffin in den Magen boxte, eine Ohrfeige verpasste oder ihn gewaltsam zu Boden rang, wie es mein Neffe in der Hölle mit der halben Portion getan hatte. Von den Folgewirkungen in Griffins Körper merkten wir glücklicherweise nichts. Das wäre ja auch noch schöner gewesen. Ansonsten hätte uns ja allesamt schon eine simple Erkältung, wie sie die Menschen zuhauf bekamen und vor der auch Griffin bestimmt nicht gefeit war, unsäglich schwächen können. Außerdem verfügten Menschen über eine schrecklich lahme Regeneration. Gebrochene Knochen brauchten bei denen tatsächlich Monate, bis sie geheilt waren! Sollten deswegen auch die armen Seelen leiden, die gegen ihren Willen zu Dienern und Sklaven degradiert worden waren? „Griffin wurde angegriffen, nicht wahr?“ Krytio hatte die Situation sofort erkannt. Er hatte mich am Arm gepackt, um mich zu stützen, und ich ließ ihn erstmal gewähren. Später konnte ich ihn immer noch gegen die nächste Wand donnern. „Was … was hat der Bengel nur gemacht?“ Inuyasha schnaufte wie ein Nashorn, als er sich ebenfalls langsam wieder aufrappelte. Sein edles und ungemein prunkvolles Schwert degradierte er dabei zur Krücke. „Ich würde sagen, er hat ne ordentliche Ladung von irgendetwas in den Magen bekommen“, meinte Shimo mit einem unglaublich unpassenden Lächeln auf den Lippen. Er rieb sich zwar leicht über die schmerzende Stelle, schien aber ansonsten unerhört fit und munter. Inuyasha verdrehte die Augen und warf meinem Vater einen giftigen Blick zu. „Vielen Dank, Schlaumeier. Ohne deine Hilfe wären wir da nie drauf gekommen.“ Shimo grinste breit. „Gern geschehen“, sagte er fröhlich, sich dem Sarkasmus in Inuyashas Stimme überhaupt nicht bewusst. Ich schnaubte bloß angesichts dieser öffentlich zur Schau getragenen Dämlichkeit, drehte mich um und stakste davon. Direkt auf die Höllenpferde zu, die noch in der Nähe der Barriere standen und dumm in die Gegend starrten. „Hey“, rief Krytio, als er mir hinterherlief. „Wo willst du hin?“ „Was denkst du wohl?“, zischte ich. „Zu Griffin, um seinen runzligen Arsch zu retten.“ Mir blieb keine andere Wahl. Nicht nur, dass der Dreikäsehoch möglicherweise in Gefahr schwebte und vielleicht sogar so beschränkt war, sich töten zu lassen. Darüber hinaus musste ich einfach gehen. Es war wie ein Zwang. Meine Beine bewegten sich fast schon von alleine. Offenbar eine Art Sicherheitsfunktion des Siegels. Wurde der werte Herr und Meister angegriffen, mussten alle Diener automatisch zurückkehren, um ihm zur Seite zu stehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass auch Shimo sich in Bewegung setzte. So wie mir blieb ihm gar nichts anderes übrig. Ebenfalls Inuyasha machte den Anschein, als würde er mit sich ringen. Natürlich wäre er liebend gern an Ort und Stelle geblieben, um seiner geliebten Kagome und dem notgeilen Hoshi heldenhaft zur Seite zu stehen, doch das Siegel hatte ganz andere Pläne. Ohne dass er etwas dagegen hätte unternehmen können, setzte der Köter einen Fuß vor den anderen und folgte uns. Zwar überaus widerwillig, aber dennoch kontinuierlich. „Ihr könnt nicht einfach gehen“, erwiderte Krytio. „Mir wurde befohlen, auf euch aufzupassen.“ Ich rollte genervt mit den Augen. Am liebsten hätte ich den Idioten einfach ins nächste Universum katapultiert, aber unglücklicherweise fehlte mir die Zeit, mich auf einen Kampf mit ihm einzulassen. Sofern ich nicht mal wusste, ob ich überhaupt gewinnen würde – so unglaublich ungern ich das auch zugab. „Dann komm mit!“, fauchte ich. Bevor Krytio dazu kam, zu antworten, erhob jedoch Emmerett sein donnerndes Stimmchen: „Ihr könnt nicht einfach abhauen!“, meinte er erbost. „Ihr seid meine Gefangenen!“ Er klang wie ein kleines Kind, das einfach nicht die Wahrheit akzeptieren konnte. Darüber hinaus war er inzwischen ziemlich erblasst. Und das lag wohl kaum an Inuyasha und seinem Brötchenmesser, wie mir sofort klar war. Nein, es hing eher mit Griffin zusammen. Die beiden waren Rivalen, Feinde und Idioten sondergleichen, aber dennoch wünschte Emmerett Griffin nicht den Tod. Nun zu sehen, wie dessen Diener gebeutelt zu Boden sackten, musste ihm mit einem Mal deutlich bewusst gemacht haben, wie ernst das Spielchen war, das sie hier spielten. Vielleicht war es nicht unbedingt die Sorge um Griffin, die ihn hatte erbleichen lassen, sondern eher die Angst um sein eigenes, kümmerliches Leben. Die Trottel hatten eine Wette abgeschlossen und keinen Augenblick über die Konsequenzen nachgedacht. Sie waren sich wie die Könige der Welt vorgekommen und hatten offenbar völlig vergessen, wie sterblich sie eigentlich waren. Jetzt aber hatte Emmerett es deutlich vor sich gesehen. Und es hatte ihn entsetzt. Er war schockiert und auch so etwas wie Reue konnte man in seinem Blick zu erkennen. Er stellte wohl in diesem Moment zum ersten Mal infrage, ob die Entscheidung, gefährliche Geschöpfe mit einem alten Zauber an sich zu binden und zusammen mit ihnen ebenfalls gefährliche Geschöpfe zu bekämpfen, solch eine tolle Idee gewesen war. „Wenn du uns nicht gehen lässt, wird Griffin vielleicht sterben“, entgegnete ich und appellierte damit an das, was Menschen als ‚Gewissen‘ bezeichneten. „Willst du das etwa?“ Emmerett war ehrlich vor den Kopf gestoßen und sichtlich überfordert. Er war in diesem Augenblick nur ein kleiner Junge, der erkannt hatte, dass er unter Umständen zu weit gegangen war. Und der gleichzeitig einfach nicht wusste, wie er das alles bewältigen sollte. „Der Hanyou kann gehen“, entschied er schließlich, leicht zögernd. Er wechselte sogar einen kurzen Blick mit Lanyva, als erwartete er von ihr Schützenhilfe. „Dein Vater und du bleibt hier! Wir müssen noch Tensaiga finden, falls du es vergessen hast.“ Ich verdrehte genervt meine Augen. Der Bengel schien echt nicht zu kapieren, was Sache war. „Vergiss es!“, zischte ich. „Wir müssen zurück, das Siegel zwingt uns dazu! Und du wirst uns nicht aufhalten können, Dreikäsehoch.“ Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie schlimm der Drang, zu Griffin zu kommen, nach ein paar Stunden sein würde. Ich würde wahrscheinlich absolut wahnsinnig werden. Und darauf hatte ich nun wirklich keinen Bock! Emmerett aber wirkte wenig kooperativ. Er hatte seine harte Miene wieder aufgesetzt und offenbar beschlossen, die gerade erworbene Erkenntnis seiner eigenen Vergänglichkeit vollkommen zu ignorieren. Oh ja, Verdrängung – als ob das bisher jemals gutgegangen wäre! Anstatt mich jedoch weiterhin in irgendwelchen sinnlosen Diskussionen zu verlieren, die sowieso zu keinem Ergebnis geführt hätten, hockte ich mich hin und legte meine Hand auf den Boden. Ich hörte die Hölle flüstern, ihre verlockenden Worte, und ich borgte mir ihre Macht. Ein lautes Knackgeräusch war daraufhin zu hören, als sich ein langer Spalt im Erdreich bildete und den Boden uneben werden ließ. Alles erzitterte für einen Augenblick, sodass Emmerett sein Gleichgewicht verlor und stürzte. Lanyva ruderte derweil mit ihren Armen, um nicht ebenfalls Bekanntschaft mit der Erde zu machen. Von irgendwo glaubte ich, Kaguras Stimme zu hören, die lautstark fluchte. Auch Saphiel, der sich langsam aber stetig aus dem Schutt befreit hatte, den Inuyasha bei der Sprengung des Gebäudes verursacht hatte, stieß eine wenig engelhafte Verwünschung aus, als sein eh schon unstabiler Stand unter ihm zusammenbrach und er wieder in den Trümmern verschwand. „Verflucht, kannst du einen nicht vorwarnen?“, beschwerte sich Inuyasha, der nur dank seines Monsterschwerts noch auf den Beinen stand. Ich grinste schadenfroh, kam aber nicht mehr dazu, zu antworten, da Lanyva uns plötzlich ohne jede Vorwarnung ihre geballte Magie entgegen schleuderte. Ein grelles Licht schoss auf uns zu, dermaßen blendend, dass ich befürchtete, meine Augen würden schmelzen. Reflexartig riss ich meine Arme nach oben, während ich versuchte, mich von dieser ekelhaft reinen Magie nicht in die Knie zwingen zu lassen. Es war schließlich Inuyasha, der die passende Antwort parat hatte. Routiniert schleuderte er ein wenig sein protziges Schwertchen umher, sodass es aufleuchtete und sich dem anrückenden Licht entgegenstellte. Als beide Wirbel aufeinandertrafen, gab es einen ohrenbetäubenden Knall, der mein Trommelfell vibrieren ließ. Das Licht wurde noch heller und irgendwo hörte ich Lanyva vor Überraschung aufschreien. Zeit, mich daran zu erfreuen, blieb mir nicht. Ehe ich mich versah, packte Krytio mich am Arm und zog mich zu den Höllenpferden, die der Aufruhr nicht im geringsten zu stören schien und stattdessen lustlos auf ein paar Schnecken herumkauten. Shimo und Inuyasha nutzten ebenfalls die Ablenkung und folgten uns auf dem Fuße. Auch wenn der Köter immer wieder Blicke auf Kagome und Miroku warf und augenscheinlich nichts lieber täte, als an Ort und Stelle zu bleiben und seinen Freunden zu helfen. Doch die Macht des Siegels war einfach stärker. Ich schwang mich derweil auf das erste Pferd, das bei dem unerwarteten Gewicht missbilligend schnaufte und verärgert nach meinem Bein schnappte, woraufhin ich dem Vieh mit voller Wucht gegen die Schnauze trat. Das Tier wimmerte, während Krytio behände hinter mir Platz nahm und seine Arme um meinen Körper schlang. „Ich warne dich, Freundchen“, zischte ich. „Solltest du –“ Erneut kam ich nicht dazu, meinen Satz zu beenden, da Krytio dem Höllenpferd die Sporen gab und wir zusammen losstürmten wie ein Engel auf Drogen. Binnen eines Augenblicks hatten wir Narakus kleines Versteck verlassen und zischten durch den dichten Wald. Bäume, Hecken und anderes Gestrüpp zog in Windeseile an uns vorbei, als wären es bloß flüchtige Schatten. Am Rande bekam ich mit, dass das zweite Höllenpferd direkt neben uns lief. Mein Vater hielt die Zügel in der Hand und lachte amüsiert, während sich Inuyasha an ihm festkrallte und seine Augen vor Schock weit aufgerissen hatte. Anscheinend sagte ihm das unerwartete Tempo des Pferdes überhaupt nicht zu. Blieb im Grunde nur noch zu hoffen, dass die Flohschleuder auf Shimo kotzte. Das hätte den Tag wenigstens ein bisschen sonniger gestaltet. „Wo sind eigentlich die alten Knacker?“, fragte Krytio viel zu nahe an meinem Ohr. Im ersten Moment verstand ich überhaupt nicht, was er damit meinte, bis es mir schließlich wie Schuppen von den Augen fiel, dass er damit auf Myouga und Toutousai anspielte. Die beiden waren außerhalb des Bannkreises geblieben und hatten sich seitdem nicht wieder blicken lassen. Ich hatte sie auch nicht gesehen, als wir gerade eben Hals über Kopf aufgebrochen waren, aber das musste nicht viel heißen. Bei der Geschwindigkeit, die die Höllenpferde an den Tag legten, kam es einem Wunder gleich, wenn man seine Umgebung wenigstens noch ansatzweise erahnen konnte. Bestimmte Gestalten vermochte man auf diese Art nicht zu erkennen. Vielleicht standen Toutousai und Myouga noch dort, wo wir sie zurückgelassen hatten. Viel wahrscheinlicher war allerdings, dass sie sich schon vor einer halben Stunde tapfer und todesmutig aus dem Staub gemacht hatten. Was sollte man auch anderes erwarten von einem Insekt in maßgeschneiderten Mini-Klamotten und einem Greis, der schon beim bloßen Ansehen in sich zusammenfiel? Mir war es einerlei. Von mir aus hätten die zwei auch von einem dahergelaufenen Youkai gefressen worden sein können, es störte mich nicht sonderlich. Im Grunde sollte man dann nur den armen Dämon bemitleiden, weil das zähe Fleisch sicher schwer im Magen lag. Ich kam aber so oder so nicht dazu, länger als nötig über das Ganze nachzudenken, da die Höllenpferde plötzlich stoppten. Es war zwar nicht so schlimm wie beim ersten Mal in diesem Wald, wo Krytio tatsächlich zu Boden gestürzt war, dennoch kam es nicht minder überraschend. Wir klammerten uns mehr schlecht als recht an irgendetwas fest, um nicht herunterzufallen, während sich die Hufe der Tiere tief ins Erdreich bohrten, als sie zum Stillstand kamen. „Sind wir schon da?“, hörte ich die verwirrte Stimme meines Vaters. „Nein, Idiot!“, zischte ich. Anstatt uns einem verletzten Griffin mit einer hoffentlich guten Erklärung gegenüberzusehen, war da stattdessen ein kleiner Wirbelsturm direkt vor uns. Ein extrem merkwürdiger Wirbelsturm. „Was zur Hölle …?“, murmelte ich. Bereits einen Augenblick später sprang eine Gestalt aus der Windhose hervor. Oder besser gesagt: Die Gestalt war offenbar der Verursacher der Windhose gewesen, die daraufhin ohne irgendwelche Abschiedsworte verschwand. Oh Mann, diese Welt war wirklich verrückt! Ich starrte mit hochgezogenen Augenbrauen auf das Wesen vor mir. Was es war, wusste ich nicht so recht zu benennen. Auf den ersten Blick wirkte es wie ein junger Mann mit Pferdeschwanz, der halbnackt im Röckchen durch die Gegend tanzte. Beim zweiten Mal Hinsehen bemerkte ich seinen buschigen Schwanz und nahm den Geruch nach Wolf wahr. „Was ist das?“, fragte ich verwundert. „Der Wolf!“, meinte Krytio hierauf ehrlich erstaunt. Man registrierte an seiner Stimme, dass er dieses Vieh schon mal gesehen hatte. „Der Wolf mit den Splittern in den Beinen.“ Ich runzelte die Stirn. Diese Aussage kam mir vage bekannt vor. Hatte Griffin nicht auch irgendetwas von einem Wolf erzählt? Dieser hingegen interessierte sich nicht die Bohne für uns zwei Teufel. Stattdessen starrte er mit grimmiger Miene zu den Passagieren des zweiten Höllenpferdes. „Inuyasha, du verblödeter Pinscher!“, brüllte er dem Hanyou entgegen. „Bist du wirklich so fahrlässig und dumm oder tust du nur so?“ Ich musste ehrlich zugeben, dass mir der Knabe gefiel. „Kouga, was machst du denn hier?“, fragte Inuyasha, eindeutig genervt. Was auch immer die beiden verband, ein tiefgehendes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit passenden Freundschaftsarmbändern war es wohl nicht. „Was ich hier mache?“ Das Wölfchen mit Namen Kouga knirschte lautstark mit den Zähnen. „Das fragst du mich allen Ernstes?“ Er machte eine dramatische Pause und schien offenbar all seine Willensstärke mobilisieren zu müssen, um Inuyasha nicht vom Pferd zu zerren und ihm die Hände um den Hals zu legen. „Was machst du denn hier? Wir kannst du es überhaupt wagen, gemeinsame Sache mit dem Feind zu machen, du miese Ratte?“ Inuyasha schnappte empört nach Luft. „Du denkst …?“ „Ich brauche nicht zu denken“, entgegnete Kouga wütend und schien gar nicht zu bemerken, wie sehr man diese Aussage falsch verstehen konnte. „Ich sehe dich doch hier, in Gesellschaft dieser … dieser …“ Er wusste offenbar nicht, zu welcher Gattung er uns zählen sollte, aber sein hasserfüllter Blick zu Krytio sprach Bände. Ich grinste derweil vor mich hin, als ich daran dachte, dass sich der Teufel hier in dieser Welt nicht gerade viele Freunde gemacht hatte. Schon Toutousai war schlecht auf ihn zu sprechen gewesen und war sogar extra von einem Baum gesprungen, um Krytio unter seinem breiten Hintern zu begraben. Auch Kouga machte den Anschein, als würde er den Teufel nicht gerade zu seinen Super-Duper-Freunden zählen. „Ich habe Gerüchte gehört, dass diese Wesen überall in der Gegend für Chaos sorgen“, fuhr der Wolf fort. „Dämonen verschwinden, eine seltsame Aura liegt in der Luft … Aber dass du mit ihnen paktierst, hätte ich nie für möglich gehalten! Ich dachte trotz alledem, dass du so etwas wie Ehre besitzt. Aber da habe ich mich wohl geirrt.“ Inuyasha schnaubte missbilligend. Man sah ihm an, dass er Kouga am liebsten auseinandergenommen hätte. Dennoch blieb er auf dem Höllenpferd sitzen und rührte sich nicht vom Fleck. Das Bedürfnis, zu Griffin zu eilen, hielt ihn davon ab, mit dem Wölfchen in irgendeinen lang andauernden Disput zu geraten. Auch ich spürte wieder das Ziehen in der Magengegend. Das Siegel trieb mich regelrecht an, alles stehen und liegen zu lassen und mich zu meinem Meisterchen zu begeben. Aber ein anderes Ziehen war stärker. Mein Instinkt meldete sich, warnte mich vor Gefahr. Aber es war nicht der süße Wolf im Minirock, der meine Alarmsensoren klingeln ließ. Nein, es war etwas ganz anderes. Ich drehte mich um und kniff meine Augen zusammen. Dort, in einiger Entfernung, vermochte ich am Himmel etwas zu erkennen. Mehrere schwarze Flecke, die immer näher kamen. Und Flügel hatten. „Engel?“, fragte ich beunruhigt. „Emmeretts Krähen-Dämonen“, verbesserte mich Krytio. „Aber die Engel werden sicher auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ Ich seufzte schwer. Blieb mir denn nichts erspart? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)