Höllenqualen von Nochnoi (Rasia Reloaded - Fortsetzung zu "Pakt mit der Hölle") ================================================================================ Kapitel 14: Maden zum Frühstück, schreckliche Gesellschaft, kitschige Herschmerzgeschichten und gierige Blutsauger ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Die Vorstellung, Sesshomaru mal endlich ordentlich in seinen arroganten Hintern treten zu können, hatte meine Laune selbstredend enorm gesteigert. Unglücklicherweise ließ Emmerett uns erstmal auf heißen Kohlen sitzen. Er hatte irgendetwas von Pflichtbewusstsein und Terminen geplappert und war bereits in den frühen Morgenstunden verschwunden, begleitet von Kagura als seine persönliche Beschützerin. Die Youkai hatte besonders begeistert ausgesehen, als Emmerett sie zu seiner neuen Leibwächterin auserkoren hatte. Voller Glück und Freude hatte sie den Anschein gemacht, als würde sie sich am liebsten im nächsten Brunnen ertränken. Soweit ich es Emmeretts nuschelnden Gebrabbel hatte entnehmen können, hatte er wohl – recht widerwillig – zu seinen englischen Freunden zurückkehren müssen, um keinen Verdacht zu erregen. Offenbar waren die britischen Herrschaften angesichts von Shimos spektakulären Auftritts bei dem Bankett immer noch etwas aufgedreht und hatten jetzt wohl einige innovative und wahrscheinlich abgrundtief dämliche Ideen entwickelt, um das Dämonenproblem in diesem Land anzugehen. Dass dabei im Grunde nichts weiter herauskommen würde als heiße Luft, war mir bereits im vorneherein klar. Die Herren würden sich vermutlich an einem großen Tisch zusammenfinden, Tag und Nacht debattieren und dann ein paar hirnrissige Entscheidungen treffen, die a) entweder absolut untauglich waren und das Thema völlig verfehlten oder b) niemals in die Tat umgesetzt werden würden. Auf jeden Fall musste ich mich schweren Herzens damit zufriedengeben, dass ich zunächst in diesem stinkenden Schloss inmitten des Bannkreises eingesperrt war, zusammen mit einem Teufel, zwei Engeln und vermutlich noch weiteren Dienern, die ich bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen hatte, deren Präsenz ich aber deutlich zu spüren vermochte. „Hier, du solltest etwas essen.“ Krytio schob mir eine Schale hin, die mit irgendeiner Menschennahrung gefüllt war. „Du siehst schon halb verhungert aus.“ Das war ich auch. In dieser Welt gab es schließlich auch nichts Vernünftiges zu essen. Griffin hatte mich kurz nach meinem Frühstück unangemeldet aus der Hölle entführt und mich dann den lieben langen Tag durch halb Japan gehetzt. Ich war gar nicht dazu gekommen, irgendwas zu mir zu nehmen. Zwar hätte ich beim Bankett etwas futtern können, aber ehrlich gesagt hatte allein der Anblick der merkwürdigen menschlichen Speisen dafür gesorgt, dass sich mein Hunger in Luft aufgelöst hatte. Aber nun, nach einer äußerst langen Nacht auf einem unbequemen Holzboden und einem noch schrecklicheren Morgen, da mich ein grinsender Engel aus dem Schlaf gerissen hatte, war ich langsam drauf und dran, meine Ansprüche ein wenig herunterzuschrauben. Immerhin hatte ich keinen Bock, in dieser furchtbaren Welt qualvoll zu verhungern – den Gefallen wollte ich Inuyasha ganz sicher nicht tun. „Was soll das sein?“ Ich betrachtete skeptisch das komische weiße Zeug in der Schale direkt vor mir. Es sah ein wenig aus wie kleine Maden. „Die Menschen nennen es ‚Reis’“, erklärte Krytio. „Es schmeckt gar nicht so schlecht. Zumindest kann man es essen, ohne das Gefühl zu haben, sich in der nächsten Sekunde übergeben zu müssen.“ Das klang ja ganz vielversprechend. Wie gesagt, meine Ansprüche waren nach einem Tag elendiger Sklavenplackerei nicht mehr so hoch wie zuvor. Die Hoffnung auf ein Drei-Gänge-Menü mit ordentlich Blut, Innereien und kleinen kriechenden Insekten hatte ich zumindest schon gestern Abend aufgegeben. Ich beugte mich etwas weiter vor, um an der menschlichen Speise riechen zu können. Die Engel hatten heute Morgen freundlicherweise meine Fesseln etwas gelockert, sodass ich nur noch an Händen und Füßen geknebelt war und wenigstens ein bisschen Bewegungsfreiheit zurück gewonnen hatte. „Meine Güte, stell dich nicht so an!“, drang eine extrem nervige Stimme an mein Ohr. „Das ist doch nur Reis.“ Ich warf einen giftigen Blick zur Seite. Dort lag Inuyasha, von oben bis unten verschnürt, auf dem Boden und funkelte mir entnervt zu Auch unserem kleinen Hanyou war die Ehre zuteil geworden, sich von den Engeln schnappen zu lassen. Zu meiner grenzenlosen Freude war der Hirni gestern Abend in meine kleine provisorische Zelle verfrachtet worden und hatte natürlich gleich angefangen rumzuplärren. Warum man den Idioten überhaupt am leben gelassen hatte, war mir ziemlich schleierhaft. Emmerett kam mir eigentlich nicht so vor, als würde er soviel Güte und Gnade besitzen, um den Diener seines Erzfeindes zu verschonen, obwohl er keinen ersichtlichen Zweck erfüllen konnte – von seinem Rumgemeckere mal abgesehen. Die einzige Erklärung, die mir angesichts dieses Rätsels einfiel, war, dass die Engel wohl irgendwas damit zu tun hatten. Wie gesagt, wenn es um die Ermordung von Teufeln und Youkai ging, kannten sie keinerlei Skrupel, aber Inuyasha war immerhin zur Hälfte menschlich. Für diese herzensguten Flattermänner musste das schon ausreichen, um bei Emmerett um das Leben des Hanyou zu betteln. Und zu meinem großen Leidwesen hatten sie offenbar Erfolg damit gehabt. Heutzutage konnte man sich wirklich auf gar nichts mehr verlassen. Wenigstens hatten sie den Anstand besessen, Inuyasha den Mund zu knebeln, als dieser angefangen hatte, rumzubrüllen. Es war wirklich ein Vergnügen gewesen, ihn dermaßen eingepackt zu erleben. Echt schade, dass sie ihn heute Morgen wieder entschnürt hatten, damit er etwas hatte essen können. Anfangs hatten sie seine Fesseln ebenso wie bei mir nur auf die Hände und Füße beschränken wollen, aber er hatte ein solches Theater veranstaltet, dass man darüber hinweggesehen hatte. Somit hatte man ihm die Schüssel direkt vor die Nase gestellt und ihm die Entscheidung gelassen, ob er sich von einem Engel füttern lassen oder lieber wie ein Hund direkt aus der Schale fressen wollte. Er hatte sich selbstverständlich eher mit dem Letzterem anfreunden können. Ich an seiner Stelle hätte mich wohl auch kaum anders entschieden. „Du solltest deine Klappe besser nicht so aufreißen“, zischelte ihn an. „Eure Menschennahrung könnte giftig für einen Teufel wie mich sein, also entschuldige bitte, dass ich ein bisschen zögere. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Lust, wegen diesem ‚Reis’ elendig in dieser verfluchten Welt zu krepieren.“ „Also ich hab bis jetzt auch nur menschliche Nahrung zu mir genommen und es hat mir nicht –“ Krytio verstummte abrupt, als ich ihn verärgert anstarrte. Meine Güte, der Junge hatte gerade meine wunderschöne Argumentation versaut! Hatte der denn kein Benehmen? „Irgendwie sieht dieses Reis-Zeugs doch ganz lustig aus“, vernahm ich die Stimme meines Vaters. „Wie die Exkremente einer Wampfif-Ratte.“ Den Kerl hatte ich schon ganz vergessen gehabt. Neben einem tobenden und fluchenden Inuyasha war auch noch Shimo zu meiner persönlichen Unterhaltung aufgetaucht. Ich hatte gesehen, wie viel Schadenfreude es Emmerett bereitet hatte, mich mit diesen beiden Schwachmaten in einen Raum zu sperren. Verdammter Bastard! Shimo selbst nahm die Gefangenschaft eigentlich relativ gelassen hin, was mich nicht weiter verwunderte. Wahrscheinlich hielt der Trottel das Ganze bloß für einen spaßigen Urlaub. Voller Faszination hatte er jeden einzelnen Fussel in diesem Kämmerchen angestarrt, als wäre er ein achtes Weltwunder. Es fehlte im Grunde nur noch, dass er von irgendwo einen Klappstuhl und ein Buch hervorholte und die Ferien wären perfekt gewesen. Womit hatte ich so ein Unglück nur verdient? Was übrigens genau aus Hisa geworden war, hatte mir niemand sagen können. Weder Inuyasha noch Shimo hatten sonderlich darauf geachtet und die Engel waren sich selbstverständlich zu fein, um darauf zu antworten. Zumindest war Hisa eine Youkai und hatte deshalb nicht die komfortable Behandlung gepachtet, die Inuyasha zuteil geworden war. Somit gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Sie war entweder tot oder entkommen. Was von beiden nun besser war? Das kratzte mich im Grunde wenig. In eine verletzte Dämonin, die sich schon von Krytio ziemlich hatte weichprügeln lassen, setzte ich nicht unbedingt meine letzte Hoffnungen. „Wie lange müssen wir hier eigentlich noch rumschmoren, bis wir endlich Sesshomaru ein paar Manieren beibringen können?“, erkundigte ich mich, den Reis immer noch skeptisch anstarrend. „Soweit ich das verstanden habe, ist Emmerett heute den ganzen Tag unterwegs“, klärte Krytio mich auf. Er war angesichts der Abwesenheit seines Meisterchens verständlicherweise ziemlich heiter gestimmt. „Dann wohl erst morgen. Was?? Ein ganzer Tag mit diesen Hohlbirnen? Mir war es jetzt schon zuviel und dabei war die Sonne gerade mal vor einer Stunde aufgegangen. „Morgen?“, hakte Inuyasha nach. In seiner Stimme klang plötzlich ein Funken Sorge mit. „Morgen ist doch Neumond, nicht wahr?“ Krytio starrte ihn einen Augenblick verwirrt an, dann aber legte er nachdenklich seine Stirn in Falten. „Schon möglich. Wieso?“ Inuyasha wandte hastig seinen Blick in eine andere Richtung und sagte: „Ach, nur so.“ Ich währenddessen musterte den Hanyou argwöhnisch. Ich konnte mich erinnern, dass er sich bereits schon einmal bei der Erwähnung des Neumonds merkwürdig verhalten hatte. Was mochte da nur dahinterstecken? Hatte er vielleicht Angst vor der völligen Dunkelheit? Nun, auszuschließen war es natürlich nicht, aber andererseits konnte ich mir nicht vorstellen, dass er deswegen so ein Muffensausen kriegen würde. Es war irgendwas anderes, das ihn beschäftigte … und ich war schon gespannt darauf, es morgen zu erfahren. „Ach ja, Neumond“, ergriff mein Vater wieder das Wort. „Zu der Zeit ist deine Mutter immer besonders aggressiv. Sie hat ja schon immer empfindlich auf die Mondphasen reagiert und bei Neumond ist es besonders heftig. Ich weiß noch, bei unserer ersten Begegnung war es ebenfalls Neumond und sie war dermaßen geladen, dass sie eine ganze Häuserzeile in die Luft gesprengt hat. Ich wäre beinahe von einem der herumfliegenden Trümmer erschlagen worden.“ Inuyasha starrte Shimo ungläubig an. „Also das klingt ja … ähm, sehr romantisch.“ „Ja, nicht wahr?“ Shimo grinste breit. „Es war Liebe auf den ersten Mordanschlag.“ Ich hatte ja bereits erwähnt, wie verkümmert Shimos Selbstschutzinstinkt ausgeprägt war. Jeder halbwegs normale Teufel hätte bei solch einer explosiven ersten Begegnung lieber schnellstmöglich das Weite gesucht, aber mein werter Herr hatte sich dadurch nicht im Geringsten abschrecken lassen. Ganz im Gegenteil: Er hatte dieses unberechenbare Temperament noch wunderbar und anziehend gefunden. Und irgendwie war Krytio in dieser Hinsicht genau wie mein Vater. Zugegeben, ich war nicht ganz so krass drauf wie Tyaria, aber ich kam ihr näher als irgendein anderer Teufel. Meine Unberechenbarkeit war weitläufig bekannt und viele Männer nahmen lieber schnell vor mir Reißaus, als sich von mir grillen zu lassen. Ich ließ nur Kerle an mich ran, die es in meinen Augen auch annähernd wert waren, alle anderen wurden rasch mit den entsprechenden Methoden vertrieben. Aber Krytio störte sich daran nicht. Er war der erste Mann, den ich selbst mit schwersten Geschützen noch nicht losgeworden war. Offenbar war er in dieser Hinsicht genauso hohl wie mein alter Herr. „Und wie haben sich deine Eltern kennen gelernt?“, erkundigte sich Shimo interessiert bei Inuyasha. Der Köter hatte mit solch einer Frage augenscheinlich überhaupt nicht gerechnet, sein blöde-dreinglotzender Blick sprach Bände. „Äh …“, meinte er äußerst geistreich. Du meine Güte, was sollte das hier jetzt werden? Austausch von tollen, kitschigen Herzschmerz-Liebesgeschichten? Oh Mann, wo war bloß eine tiefe endlose Schlucht, wenn man ihn mal brauchte? Während Inuyasha immer noch etwas herumdruckste und mein Vater ihn mit seinem unerträglich neugierigen Blick regelrecht zu durchbohren schien, wandte ich mich hastig an Krytio: „Können wir nicht ein bisschen rausgehen? Ich würde gerne etwas frische Luft schnappen.“ Zwar war die ekelerregend saubere Luft in dieser Welt alles andere als entspannend für mich, aber tausendmal besser als mitanhören zu müssen, wie sich Inuyashas Mamilein und Papilein vor so vielen Jahren zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren. Da hätte ich lieber Selbstmord begangen. „Aber du hast doch noch gar nichts gegessen“, entgegnete Krytio mit einem Blick auf die Reisschale vor mir. Ich knirschte mit den Zähnen. Kapierte der Kerl wirklich nicht, warum ich unbedingt aus diesem stickigen Zimmer fliehen wollte? „Das können wir doch mit rausnehmen“, meinte ich. „Draußen isst es sich sowieso viel besser.“ Als ich merkte, dass Krytio immer noch etwas zögerlich war, klimperte ich einmal kurz mit meinen Wimpern und fügte noch hinzu: „Bitte!“ Dem nun konnte der Teufel einfach nicht widerstehen. Er nickte knapp, stand auf und klopfte gegen die Tür. Diese wurde sofort umgehend von außen geöffnet und Saphiel steckte seinen Kopf ins Zimmer. Kurz diskutierten die beiden, dann schließlich brummte der Engel, betrat den Raum und nahm dort an der Stelle im Schneidersitz Platz, wo zuvor noch Krytio gesessen hatte. „Könntest du mir vielleicht auch meine Fußfesseln entfernen?“, fragte ich und hielt sie Saphiel demonstrativ entgegen. „Sonst kann ich mich ja überhaupt nicht bewegen.“ Saphiel musterte mich argwöhnisch. „Damit du abhaust? Ich bin doch nicht dämlich.“ Da war ich zwar anderer Meinung, aber das behielt ich lieber für mich. Ansonsten hätte er mir meinen Wunsch sicherlich niemals erfüllt. „Ach komm schon“, drängte ich ihn. „Denkst du wirklich, ich würde fliehen und meinen Vater hier einfach zurücklassen?“ „Selbstverständlich würdest du das tun“, schaltete sich nun auch Krytio ein, woraufhin ich ihm einen bitterbösen Blick zuwarf. Junge, Junge, der Kerl verstand es wirklich, einem die Tour zu vermasseln. An Saphiel gewandt meinte er dann aber: „Du kannst sie ihr abnehmen. Ich hab alles unter Kontrolle.“ Der Engel wirkte immer noch skeptisch, aber als Krytio sich erbot, die ganze Schuld auf sich zu nehmen, sollte ich mich davonmachen, ließ er sich schließlich erweichen. Einmal kurz strich Saphiel über meine Fußfesseln, die sich bei der Berührung sofort in Luft auflösten. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich meine Beine endlich wieder frei bewegen konnte. Glücklich lächelnd streckte ich meine verspannten Glieder. „Hey!“, vernahm ich daraufhin sofort Inuyashas säuerliches Stimmchen. „Wieso darf sie raus und wir müssen hier drin verrotten? Krytio zuckte bloß mit den Achseln. „Sie hat so verführerisch ‚Bitte’ gesagt, da kann doch kein wackerer Teufel widerstehen.“ Ich grinste. Ausnahmsweise war es doch mal zu meinem Vorteil, dass der Kerl so einen Faible für mich hatte. Inuyasha hingegen erschien nicht besonders angetan. Er hatte seine Mundwinkel nach unten gezogen und funkelte mich feindselig an. Es schien ihm offenbar sehr gegen den Strich zu gehen, dass ich meine weiblichen Reize einsetzte, um wenigstens einen Teil meiner Freiheit zu erlangen. Tja, Pech gehabt! Er hätte ja auch mal versuchen können, aufreizend mit seinen Wimpern zu klimpern. Wer wusste schon, ob Saphiel darauf nicht vielleicht sogar anschlug? Bei Engel konnte man das nie wissen. Ich grinste dem übellaunigen Köter triumphierend entgegen, als Krytio mich am Arm packte und aus dem Zimmer zog. Meine derzeitige Situation war zwar alles andere als schön, aber wenigstens Inuyasha war angepisst und das wiederum hellte meine Stimmung deutlich aus. Der eine Wauwau fuchsteufelswild, der andere bald tot oder in ewiger Sklaverei gefangen – was wollte man mehr? Draußen empfing uns sofort gleißendes Sonnenlicht. Ich kniff angewidert die Augen zusammen und hielt rasch nach einem schattigen Plätzchen Ausschau, um dieser Qual zu entkommen. In der Hölle war die Sonne niemals so hell und herzallerliebst aufdringlich. Sie war vielmehr gefährlich und aggressiv wie auch die Teufel selbst. Gemein und bitterböse, wie sich das auch für unsere Rasse gehörte. In dieser Welt hingegen hatte die Sonne offenbar die nervigen Eigenschaften der gehirnamputierten Idioten übernommen: widerlich lieb, nett und nur bedingt bedrohlich. Ich stellte mich hastig unter eine überdachte Terrasse und ließ meinen Blick schweifen. Äußerlich hatte sich nicht viel verändert, immer noch waren überall diese menschlichen Bauten verteilt und standen dumm und tatenlos in der Gegend rum. Der Bannkreis war offenbar inzwischen auch wieder geflickt worden. Zumindest konnte ich selbst nach intensiverer Suche das Loch nicht finden. „Du kannst nicht entkommen.“ Krytio hatte mich von der Seite beobachtet und lächelte schief. „Denkst du etwa, ich schaue mich nach einem Fluchtweg um?“, fragte ich bissig. Na gut, ich suchte wirklich nach einer Fluchtmöglichkeit, nur für alle Fälle, aber das brauchte der Volltrottel nun echt nicht zu wissen. „Natürlich tust du das.“ Er grinste breit. „Dafür kenne ich dich viel zu gut.“ Wirklich ärgerlich. Der sollte sich wirklich mal langsam ein anderes Hobby suchen, als mich ständig auszuspionieren. Solche Stalker waren meist schneller einem unglücklichen Unfall zum Opfer gefallen, als ihnen lieb war. „Also, willst du nun was essen?“ Krytio hatte derweil auf dem Boden der Terrasse Platz genommen und die Reisschale neben sich gestellt. „Wenn du nicht willst, nehm ich es.“ Ich wollte zu einem sarkastischen Kommentar ansetzen, aber mein knurrender Magen kam mir bedauerlicherweise zuvor. Grimmig setzte ich mich ebenfalls hin, genau beobachtet von einem grinsenden Krytio, dem diese Situation viel zu gut gefiel. „Hier, nimm das.“ Mit diesen Worten hielt er mir zwei Holzstäbchen hin. Verdutzt betrachtete ich die merkwürdigen Dinger. „Was soll ich damit?" „Hier in Japan ist das Besteck“, klärte er mich auf. „Diese Hinterwäldler haben noch nie was von Löffel und Gabel gehört, musst du wissen. Die benutzen anstelle diese Stäbchen wie ein paar verlängerte Finger.“ Zögerlich nahm ich die kleinen Holzpflöcke in die Hand und musterte sie skeptisch. Wie bitte schön sollte man denn mit diesen Dingern das Essen in meinen Magen befördern? Es damit verdreschen, bis es von alleine in den Mund sprang? Oder sollte ich vielleicht jedes Reiskorn einzeln aufspießen? Während ich angestrengt darum bemüht war, dieses hochkomplizierte Rätsel zu entschlüsseln, kramte Krytio in seiner Hemdtasche herum und holte irgendetwas hervor, das er mir auf der offenen Handfläche präsentierte. „Gehört das hier zufällig zu euch?“, fragte er. Ich wandte meinen Blick von den Holzstäbchen ab und schaute direkt auf das kleine Vieh in Krytios Hand. Sofort verzog ich mein Gesicht. Meine Güte, musste er mir wirklich Ungeziefer unter die Nase halten, während ich mit Essen beschäftigt war? „Es hat heute Morgen von meinem Blut getrunken“, fuhr Krytio mit seinen Erklärungen fort. „Soweit ich das habe sehen können, hatte es sich davor in Inuyashas Fell versteckt.“ Na toll, er demonstrierte mir nicht nur irgendein nichtiges Insekt, sondern darüber hinaus auch noch einen von Inuyashas dreckigen Flöhen? Wollte er mir etwa endgültig meinen eh schon bescheidenen Appetit verderben? Dann jedoch begann ich, zu stutzen. Der kleine Kerl trug Kleidung. Und bis jetzt hatte ich nur einen Floh kennen gelernt, der sich seines Adamskostüms geschämt hatte. „Bist du nicht Mayonnaise?“, hakte ich nach. Der kleine Parasit schien nicht besonders begeistert von meiner Frage zu sein. „Myouga!“, verbesserte er mich verdrießlich. „Du kannst dir wohl keine Namen merken, was?“ Nein, das konnte ich wirklich nicht. Warum auch die Mühe machen? Bis jetzt war ich nur wenigen Personen begegnet, die es auf die ein oder andere Weise wert gewesen wären, mich an sie zu erinnern. Und winzige, sprechende Flöhe gehörten sicher nicht dazu. „Was machst du hier?“, erkundigte ich mich minder interessiert. Ich richtete meine Aufmerksamkeit bereits wieder auf das Reis-Stäbchen-Problem. Myouga hingegen antwortete nicht sofort. Er versuchte, von Krytios Hand zu springen, musste aber feststellen, dass der Teufel ein kleines Miniaturkraftfeld um ihn errichtet hatte, um ihn somit an einer Flucht zu hindern. Äußerst mürrisch nahm der Floh diesen Umstand zur Kenntnis. „Ich bin hier, um Inuyasha zu befreien“, erklärte er daraufhin. „Immerhin ist dieser Zustand absolut entwürdigend für eine Persönlichkeit wie ihn. Schließlich ist er der Sohn des Inu no Taisho und kein niederer Sklave.“ Ich persönlich fand eigentlich, dass ihm seine neue Rolle wirklich stand. Bei meiner Wenigkeit war das natürlich etwas ganz anderes. „Du hängst wahrscheinlich schon seit unserer Begegnung beim Bankett an Inuyasha dran, nicht wahr?“, fragte ich. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern, Myouga mit Kagome und Miroku verschwinden gesehen zu haben. „Ganz genau.“ Der Flohgeist schien überrascht, versuchte aber, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. „Bis heute Morgen hat mich auch niemand bemerkt. Aber dann … ich kann dem Blut eines Teufels so schwer widerstehen. Es schmeckt so gut.“ Krytio lächelte daraufhin gequält und schien sich nicht sicher, ob ihn diese Aussage eher freuen oder ängstigen sollte. Ich hingegen war einfach nur froh, dass mich das kleine Würstchen nicht als Getränkebar auserkoren hatte. „Und wie will ein Insekt einen Hanyou befreien?“, erkundigte sich Krytio interessiert. „Ein Flohgeist“, verbesserte ihn Myouga. „Und ich kann sehr viel tun.“ Stolz wie Oscar schwellte er die Brust und kam sich offenbar sehr wichtig vor. Ich konnte nur die Stirn runzeln. „Und was genau?“ Myougas aufgeblähter Bauch fiel bei dieser Frage sofort wieder in sich zusammen. Er sprang von einem Füßchen auf das andere und meinte zögerlich: „ Na ja … also … genaugenommen …“ „Spuck’s schon aus!“, verlangte Krytio. Er ließ extra das Kraftfeld ein bisschen schrumpfen, um den Floh in die Enge zu treiben. „Was hast du vor?“ Und da Myouga anscheinend kein besonders mutiges Kerlchen war, begann er auch sofort zu singen: „Ich selbst soll Inuyasha eigentlich nur im Auge behalten, damit wir seinen Aufenthaltsort jederzeit ermitteln können. Und Miroku … tja, so wie es aussieht, kennt er einen Weg, das Siegel des Helios zu vernichten.“ Plötzlich war der Reis samt Stäbchen vollkommen vergessen. „Was?“, fragte ich geschockt. Krytio sah nicht minder überwältigt aus. Fassungslos starrte er den kleinen Kerl auf seiner Hand an. Myouga selbst schien sich auf einmal wieder furchtbar wichtig vorzukommen. Mit einer selbstgefälligen Miene, die bei einem Wurm seiner Größe mehr als unangebracht war, stemmte er seine Hände in die Hüften und meinte hochtrabend: „Ganz recht. Er kennt die Lösung für euer Problem. Und dafür braucht er nicht mal die Unterstützung oder geschweige denn das Einverständnis eurer Meister.“ Ich wechselte einen kurzen Blick mit Krytio. Das war doch wirklich nicht zum aushalten, dieser notgeile und perverse Mönch sollte wirklich jene Antwort kennen, die allen anderen bisher verwehrt gewesen war? Stets hatte es geheißen, das Siegel könnte nur von demjenigen entfernt werden, der so blöd gewesen war, es hervorzubringen. Entweder freiwillig oder weil er zu dämlich gewesen war, die Energie wieder aufzufüllen. „Und wie will dieser … dieser Miroku das vollbringen?“, hakte Krytio nach. Der erste Schock war verschwunden und hatte Skepsis Platz gemacht. „Griffin und Emmerett einsperren, bis die Siegel an Macht verlieren? Netter Plan, aber unglücklicherweise wurde uns befohlen, unsere verdammten ‚Meister’ zu beschützen.“ Myouga schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, nein. Es gibt da einen ganz anderen Weg. Einen, der wohl nicht allzu sehr bekannt sein dürfte.“ Oh Mann, das war ja einfach nicht zu fassen! Ich saß hier mit einem Vollidioten und einem mickrigen Insekt, während ich eine Schale mit sonderbarer Menschennahrung in der Hand hielt und mir anhören musste, dass der Schwachmat von einem Mönch unser aller Retter würde werden können? Das wurde ja alles immer verrückter! __________________________________________________ So, tut mir leid, dass es diesmal was länger gedauert hat. Ich werde mich bemühen, dass es nächstes Mal schneller geht ^^ Und ebenfalls enthschuldigung, dass Sesshomaru noch nicht aufgetaucht ist. Aber ich dachte mir, Rasia verdient nach der ganzen Aufregung wenigstens ein bisschen Ruhe - auch wenn ihr die Gesellschaft nicht allzu sehr zusagt XD Man liest sich im nächsten Kapitel! 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