90 Minuten von abranka ================================================================================ Kapitel 40: XL. Wenn es nur für den FC ist ------------------------------------------ Vierzehn Minuten haben sie noch, um dieses Spiel zu drehen. Vierzehn verdammte, erbärmliche, winzige Minuten. Es gibt Einwurf für die Bayern, da Raphael den Ball zuvor ins Aus gespielt hatte, und sie spielen das Leder direkt zurück. Fairness eben. Doch jetzt geht es weiter. Weiter um alles. Und alles, was sie an Assen in der Hand halten, ist die Tatsache, dass die Bayern ihre so typische Überheblichkeit an den Tag legen, auch wenn sie nur mit einem Tor Vorsprung führen. Sie glauben, dass ihnen hier zu Hause nichts passieren wird – und ihnen niemand mehr die Meisterschaft nehmen kann. Raphael strafft die Schultern. Er hat es Julian versprochen. Und er ist es diesem Verein schuldig, sein Bestes zu geben. Alles zu geben. Nur für den FC. Weil der FC Dortmund einfach nicht in die Zweite Bundesliga gehört. Weil er erstklassig ist. Er kickt den Ball rüber zu Chris und macht nur eine simple Geste mit der Hand. Sie spielen zwar nicht oft zusammen und doch begreift sein Stammplatzkonkurrent sofort – und er zweifelt seine Autorität kein bisschen an. Auf dem Platz ist Raphael der zweite Leitwolf neben Alejandro geworden. Da gibt es keine Fragen mehr. Und jetzt treibt Raphael sein Rudel voran. Es geht darum, es den Bayern zu zeigen. Chris passt zurück zu ihm und sie lassen den Ball in ihren Reihen locker zirkeln, während sie langsam tastend nach vorne gehen. Raphael späht nach der Lücke. Er ist gut gedeckt. Schweinsteiger und van Bommel lassen ihn kaum aus den Augen, halten aber noch Abstand. Dann sieht er Adrian freistehen. Weit weg, aber... Er pfeift einmal zwischen den Zähnen hindurch und sofort fliegt der Ball von Alejandro zu ihm. Ohne nur einen Augenblick nachzudenken, schickt er die Kugel volley in einen Zwanzig-Meter-Pass zu Adrian. Und der startet sofort. Die sonst so perfekte Bayern-Abwehr ist überrumpelt. Lucio und Demichelis sehen in dem Augenblick nicht gut aus, als Adrian zwischen ihnen hindurchflitzt und dann Rensings Nerven zu seinen Gunsten ausnutzt. Der Torhüter geht zu früh auf den Boden und Adrian lupft den Ball lässig ins Tor. Ausgleich! Und sie haben jetzt noch knappe zwölf Minuten für das entscheidende Siegtor. Aber dafür haben sie es jetzt mit Bayern zu tun, die Sturm laufen. Sturm laufen müssen. Die gar keine Wahl haben, wenn sie noch Meister werden wollen. Und das bedeutet, dass das Spiel noch eine ganz andere Brisanz bekommt. Aber auch eine neue Offenheit, denn wenn die Bayern angreifen, gibt es für den FC gute Kontermöglichkeiten. Und die müssen sie nutzen. Raphael versucht, den Überblick zu behalten und zu sehen, wer sich wo befindet, wie die Laufwege sind und wo sich Lücken im Spiel der Bayern auftun. Er vermisst es jetzt, Julian neben sich zu haben, denn der weiß immer ganz genau, was er vorhat und ist entsprechend da. Ohne ihn fühlt er sich jetzt so allein und dieser Aufgabe kaum gewachsen. Scheiße. Aber hat Julian versprochen, dass sie das Spiel hier gewinnen und genau das will er auch. Er zwingt sich dazu, nicht zur Bank zu sehen. Seine Konzentration muss dem Spiel gelten, wenn sie das hier wirklich noch schaffen sollen. Die Bayern kommen über Ribéry, der gibt ab an Schweinsteiger auf der linken Seite. Toni und Klose lauern in der Mitte, ganz rechts Podolski. Raphaels Blick flackert rüber zu dem Killer, der Podolski deckt. Er ist sich sicher, dass die Flanke auf Podolski kommen wird. Das signalisiert er ihrem Verteidiger knapp. Und er hat Recht. Der Ball saust von links bis auf die rechte Seite – doch da ist der Killer und schlägt den Ball eben nicht blind weg. Irgendwie bringt er die Kugel zu Tom und der gibt sie weiter zu Raphael. Dieser startet durch. Adrian und Chris gehen mit, kratzen ihre Kräfte für diesen mörderischen Angriff zusammen. Denn es muss wirklich rasend schnell gehen, wenn sie die Bayern tatsächlich überrumpeln wollen. Die sind nämlich auch schon in der Rückwärtsbewegung. Schnell gibt Raphael den zu Chris ab, der diesen so lange hält, bis er droht, den Anschluss zu verlieren. Er gibt das Leder weiter zu Adrian, der beinahe schon am Strafraum ist. Raphael sprintet rechts neben ihm. Ohne nur eine Sekunde zu zögern legt dieser quer auf Raphael, spielt damit Demichelis und Jansen aus und Raphael muss nur noch den Fuß hinhalten. Er rutscht, fällt hintenüber. Er sieht den Ball schon über das Tor segeln und hat den Frustschrei bereits auf den Lippen, doch dann erblickt er, wie Rensing in die Knie geht, verblüfft noch aufspringen will, aber das Leder nicht mehr zu fassen bekommt. Der Ball knallt von unten an die Latte und mit Schwung ins Tor. Ohne diesen Rutscher hätte Rensing den Ball ganz sicher gehabt. Raphael muss lachen. Einfach nur lachen. Dann wirft sich Adrian mit Wucht auf ihn drauf und wenig später auch Chris und Alejandro. Sie führen tatsächlich gegen die übermächtigen Bayern in der Münchener Allianz-Arena! Das hätte wohl niemand erwartet. Und die Bayern am allerwenigstens von allen. Aber jetzt sind es noch fünf Minuten zu spielen. Fünf Minuten, die sie diese Führung halten müssen. Fünf Minuten bis zum Klassenerhalt. Fünf Minuten bis zur Ewigkeit. Die Dortmunder stellen jetzt mehr oder weniger auf Verteidigung um und lassen die Bayern kommen. Doch das heißt nicht, dass sie nur hinten drinstehen, nein, sie versuchen den Ball zu halten und nutzen ihre Konterchancen, denn wenn sie eins gelernt haben, dann, dass man Fußballspiele äußerst schnell verlieren kann. Bis zum Abpfiff ist immer höchste Konzentration gefragt und sie darf gar nicht vorher nachlassen. Und die Bayern sind wahnsinnig gefährlich. Toni, Klose und Podolski vergeben beinahe im Sekundentakt Großchancen oder scheitern an der Dortmunder Verteidigung und an Reine, der ein großes Spiel macht. Adrenalin jagt durch Adern, Schweiß fließt, Erdbrocken fliegen von Stollen aufgewirbelt durch die Luft und Flüche erschallen. Dann die Chance. Der Greif erwischt den Abpraller von Tonis Lattenschuss, gibt den Ball nach vorne und Raphael sieht Daniel und Alejandro, der sich ein wenig nach vorne aus dem Gewimmel zurückgezogen hat, um dort den Überblick zu behalten, vollkommen freistehen. Er schickt sie beide los, indem er das Leder weit zu ihnen nach vorne spielt. Dann setzt er selbst nach. Die Bayern sind fast alle in der Dortmunder Hälfte und können gar nicht so schnell umschalten. Demichelis, die einzige Absicherung, ist chancenlos. Er sprintet zwar mit, doch die beiden tricksen ihn und Rensing aus. 5:3 für den FC. Und auf einmal sind nur noch die knappen 2.000 Dortmunder Fans im gesamten Stadionrund zu hören. Den Bayern hat es die Sprache verschlagen. Der kleine Außenseiter aus dem Ruhrpott bringt den deutschen Fußballgiganten nicht nur ins Stolpern, sondern tatsächlich zu Fall. Denn zwei Minuten später ist Schluss. Der FC Dortmund bleibt erstklassig und hat nebenbei Bayer Leverkusen Schützenhilfe für die Meisterschaft geleistet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)