Die Vergessenen von abgemeldet (Stargate Atlantis) ================================================================================ Kapitel 9: Escape ----------------- Es war ein Alptraum. Der reinste Weltuntergang. Rodney kam sich vor wie in einer schlechten Parodie des Labyrinths in „Alice im Wunderland“. Sie hetzten durch die verwinkelten Gänge des Komplexes und schon bald war es ihnen nicht mehr möglich, den versprengten Gruppen der Wraith auszuweichen. Es wurden immer mehr und der Wissenschaftler verlor schon bald sein letztes Bisschen Hoffnung, jemals wieder lebend das Tageslicht zu sehen. Immer wieder wurde er auf dem Boden abgesetzt, wenn sich seine Freunde einem weiteren Gefecht stellen mussten. Die ersten paar Male hatte er noch versucht zu helfen, was Ronon jedoch durch einen scharfen Befehl in seine Richtung schleunigst wieder unterbunden hatte. Er machte Rodney ohne großes Federlesen klar, dass er die Lage nur verschlimmerte, wenn er in seinem Zustand versuchte einzugreifen. Frustriert hatte sich der Wissenschaftler gefügt und hielt sich seither Augen und Ohren zu, um das Chaos nicht mitbekommen zu müssen. Sheppard und Ronon hatten die Spitze der kleinen Gruppe übernommen und schlugen sich mühsam den Weg frei. Rhyan übernahm den Schluss und versuchte so gut es eben ging, ihnen den Rücken freizuhalten. Teyla blieb die ganze Zeit über nahe bei Rodney. So kämpften sie sich Schritt für Schritt näher dem rettenden Ausgang entgegen. Draußen dämmerte bereits der Morgen, als die kleine Gruppe dann endlich aus dem stickigen Tunnel nach draußen stolperte. Um sie herum breitete sich nichts als die hügelige Ebene aus und der Wald war weiter entfernt, als sie beabsichtigt hatten. Der direkte Weg zu dem eigentlich geplanten Ausgang war ihnen verwehrt worden und so waren sie gezwungen gewesen auf Teufel komm raus kreuz und quer durch das Labyrinth des Komplexes zu fliehen. Immerhin waren sie den engen Gängen überhaupt entkommen. Rodney machte noch einige unsichere Schritte, ehe seine erschöpften Beine ihm ihren Dienst verweigerten und er mit einem kaum hörbaren Seufzten zusammensackte. Ihm fehlte sogar die nötige Kraft, seinen Unmut laut kund zu tun. Er wollte nur noch hier sitzen bleiben und beten, dass der Schmerz in seinen Gliedern und diese maßlose Erschöpfung endlich ein Ende nahmen. Wiederwillig gönnte Sheppard ihm einige Augenblicke des freien Durchatmens, ohne jedoch den Ausgang, durch den sie gekommen waren, aus den Augen zu lassen. Dieser unterirdische Komplex glich in erschreckender Weise einem weit verzweigten Kaninchenbau, mit für seinen Geschmack viel zu vielen verborgenen Ausgängen. Jederzeit konnte eine Horde rachsüchtiger Wraith wie aus dem Nichts über sie kommen und sie hatten kaum noch die Mittel, um sich in einem solchen Falle erfolgreich zur Wehr setzen zu können. Die Tatsache, dass sie viel weiter vom Stargate entfernt waren als ursprünglich geplant, veranlasste seinen Magen sich schmerzhaft zusammenzuziehen und ließ seine Sorge ins schier Unermessliche Steigen. McKay war kaum in der Lage eine längere kraftzehrende Flucht zu überstehen, was er ihm dieses Mal auch in keinster Weise zum Vorwurf machen konnte. Gegen den mentalen Angriff eines Wraith zu bestehen erforderte alle Kraft, die ein Mensch im Stande war aufzubringen. Doch viel länger zögern durften sie auch nicht, ansonsten würde ihre Flucht vollkommen umsonst gewesen sein. Wie um seine Furcht zu bestätigen, warf Teyla ihm einen gehetzten Blick zu. „Wir müssen weiter, Colonel. Sie werden bald hier sein.“ John nickte müde und ging neben dem noch immer schwer atmenden Wissenschaftler in die Hocke. „Lasst mich zurück.“ Die Worte waren kaum hörbar, doch Sheppard hatte sie sehr wohl vernommen und bedachte seinen Freund mit einem verwunderten Stirnrunzeln. Rodney hatte nie zur Selbstopferung geneigt, ganz im Gegenteil. Um so mehr erstaunte und erschreckte ihn diese plötzliche Aufforderung. „Ich halte euch nur auf. Lasst mich zurück... und versprecht mir schnellst möglich mit einer ganzen Armada aus Atlantis zurück zu kommen.“ Sheppard lächelte schief. Es bewegte ihn tief, dass der Wissenschaftler diese Möglichkeit in Betracht zog, aber Rodney müsste es eigentlich besser wissen. John ließ niemals ein Mitglied seines Teams oder irgendeinen anderen unter seiner Obhut stehenden zurück. Und so fügte er seiner Antwort auch mehr Schärfe bei, als im Grunde nötig gewesen wäre. „Hören Sie auf dummes Zeug zu reden und stehen Sie auf. Wir müssen es nur bis zum Wald schaffen. Dort können wir uns verschanzen und die Wraith zurückschlagen. Dann können Sie sich zurücklehnen und die Füße hochlegen, verstanden McKay?“ Er glaubte selbst nicht an das was er da sagte, aber im Moment war nur wichtig, dass er überzeugend genug klang, um Rodney von seinen selbstmörderischen Gedanken abzubringen. „Sheppard!“ Teyla war unmittelbar hinter ihm und sprach so leise, dass nur er sie verstehen konnte. Doch das Drängen in ihrer Stimme war Hinweis genug, dass ihnen die Zeit davon lief. Er legte Rodney eine Hand auf die Schulter und stand auf. „Kommen Sie, hoch mit Ihnen!“ Doch der Wissenschaftler blieb einfach sitzen. „Zwingen Sie mich nicht dazu, Sie zu tragen!“ Rodney blickte entsetzt auf, doch Rhyan hatte eine bessere Lösung. Sie stieß einen erstaunlich lauten und langen Pfiff aus. „Können sie reiten, Dr. McKay?“ Im Grunde war es kaum möglich, doch Rodneys Gesichtszüge entgleisten tatsächlich noch ein Stück mehr und er erblasste erkennbar. Noch bevor er eine entsprechende Antwort geben konnte, besiegelte Sheppard sein Schicksal. „Ob er es kann oder nicht, er wird es müssen. Und wenn wir ihn festbinden.“ Das dumpfe Dröhnen von Hufen auf trockener Erde kündigte das Erscheinen von Markor an und Rodney schloss entsetzt die Augen, als er das gewaltige Ross zu Gesicht bekam. In der Tat, diese Mission entwickelte sich grade für ihn im Besonderen zu einem einzigen Alptraum. Zu allem Überfluss war ihm die Ausweglosigkeit ihrer Lage aber auch so bewusst, dass er ganz genau wusste, dass es keine andere Möglichkeit für ihn geben würde. Also stand er mit zitternden Knien auf. Er würde dieser Schande mit Würde entgegentreten. „Haben Sie keine Angst.“ Rhyans Lächeln war voller Wärme, als sie den Wissenschaftler von hinten an den Hüften ergriff und mit einer Leichtigkeit auf den Rücken des großen Tieres hob, als wäre er ein Fliegengewicht. Perplex starrte er sie an und registrierte erst mit dem zweiten Blick, wie tief der Boden unter ihm war. Ängstlich presste er seine Beine an den warmen Pferdeleib und schlang seine Finger in die dichte Mähne. „Niemand fällt von Markors Rücken, es sei denn er will es so. Bei ihm sind Sie sicher. Sicherer als wir sein werden, vertrauen Sie mir.“ McKay schluckte und nickte dann steif. Er glaubte der Frau kein bisschen, auch wenn er sich nichts mehr wünschte, als dass sie Recht haben mochte. Sie würden schon sehen wie schnell er von diesem Riesenvieh herunterfliegen würde. Dann würde er sich vermutlich das Genick brechen und das Team hätte ein Problem weniger. Auch gut, wenn es nur auf diesem Wege ging. Rodney verzog das Gesicht. In dem Moment geschah genau das, was Sheppard insgeheim schon die ganze Zeit erwartet hatte. Aus der Dunkelheit des Ganges, aus dem sie wenige Minuten zuvor getreten waren, ergoss sich ein wahrer Schwall bewaffneter Wraith. Und auch hinter einem etwas zurückgelegenen Hügel kam ein Trupp von ca. fünfzehn Wraith hervor. Sie alle kamen in erschreckendem Tempo auf die kleine Gruppe zu. „LAUFT!“ Von dem Anblick des sich weit in der Überzahl befindenden Feindes angetrieben, verfielen sie augenblicklich in einen Sprint, dem rettenden Wald entgegen. Jetzt zählte es, alles oder nichts. Fielen sie in die Hände der Wraith, wäre alle Hoffnung gestorben. Es stand außer Frage, dass sie dieses mörderische Tempo länger als ein paar Minuten durchhalten würden. Doch das war in diesem Augenblick vollkommen egal. McKay warf auf dem Rücken des Pferdes einen furchtsamen Blick zurück, nur um zu erkennen, in welch erschreckender Geschwindigkeit der Abstand zwischen seinen Freunden und den Wraith schmolz. Sie würden nicht einmal den nächsten Hügel erreichen. Markor hingegen hatte denn Kamm der Erhebung bereits erreicht und wandte sich nun um, um scheinbar ebenfalls einen Blick zurück werfen zu können. Sein Kopf ruckte unwillig, dann stieß er ein berstendes Wiehern aus, das laut über die Ebene hallte. Es war, als wäre das Tier genau so verzweifelt wie Rodney in diesem Moment. Seine Freunde würden sterben und es gab nichts, was er dagegen unternehmen konnte. Er zuckte zusammen, als unerwartet ein Schatten über ihn hinweg huschte und für einige Herzschläge die Sonne verdunkelte. Blinzelnd versuchte er vor der morgendlichen Helligkeit des Himmels etwas zu erkennen, in der wilden Hoffnung, dass es sich vielleicht um einen Jumper aus Atlantis handelte. Doch statt dessen sah er einen dreieckigen Fleck, der sich rasend schnell der Linie von Wraith näherte. In seinem ganzen Leben hatte Rodney noch nie einen so großen Vogel gesehen. Keine Sekunde später ging die vorderste Front der Wraith in einer gewaltigen Feuerlohe unter. Schreie wurden laut und eine zweite mächtige Wolke aus rot-bläulichem Feuer ließ den Ansturm der Monster endgültig ins Stocken geraten. Mit offen stehendem Mund starrte Rodney auf das Bild der absoluten Verwüstung und folgte dann dem dreieckigen Schatten, der sich nach dem erfolgten Angriff grazil zurück in den Himmel schraubte. Er meinte zu erkennen, wie sich das Sonnenlicht funkelnd auf einer Unzahl rötlich schimmernder Schuppen brach. Erschüttert nahm McKay die Existenz des Drachen zur Kenntnis. Rhyan brüllte irgendetwas und fuchtelte wild mit dem Schwert in der Luft herum. Sie konnten es schaffen, die ersten Bäume des nahen Waldrandes waren keinen Kilometer mehr entfernt und der Feind war geschwächt und zögerte, die fliehenden Menschen zu verfolgen. In einer letzten Kraftaufbringung hetzte das Team den Hang des Hügels hinauf und auf den Schatten des Waldes zu. Nachlässig gezielte Schüsse aus den Stunnern der Wraith machten ihnen nur wenige hundert Meter vor dem Ziel klar, dass das Rennen noch nicht gewonnen war. In versprengten Kleingruppen schlossen sie wieder zu den Fliehenden auf, offensichtlich in dem Versuch, sie seitlich in die Zange zu nehmen. Sheppard ächzte und warf seine ohnehin nutzlose Waffe schließlich von sich, um allen unnötigen Ballast loszuwerden und schneller laufen zu können. Seine Lungen schmerzten bereits wie Feuer und ließen jeden Atemzug zu einer Qual werden, und er zweifelte nicht daran, dass es den anderen besser erging. Über ihm erklang ein markerschütterndes Brüllen und er wurde beinah von dem urplötzlich aufkommenden Sturm von den ohnehin geschwächten Beinen gerissen, als Arokh einem Falken gleich aus dem Nichts auf sie niederstieß. Sheppard glaubte fast, das mächtige Tier würde auf der Erde aufschlagen wie ein Meteorit, als der Drache mit einem lauten Knall die Flügel entfaltete, dicht über ihren Köpfen vorbeischoss und direkt auf die Wraith zuhielt. Die Panik, die auf dieses Manöver hin unter den Wraith ausbrach, war beinahe schon erheiternd. Wie Stoffpuppen wurden sie von den Füßen gehoben und haltlos durch die Luft geschleudert. Dann riss sich der Colonel von dem Anblick los und folgte dem Rest seines Teams in das Dickicht des Waldes. Insgeheim hatte er nicht mehr geglaubt, dass sie es bis hierher schaffen würden und die Erleichterung, die ihm dieser Irrtum bescherte, ließ ihn trotz der allumfassenden Erschöpfung lachen. Seine Welt schien zu kippen, im selben Moment wo seine Füße wieder festen Boden spürten. Taubheit. Taubheit in seinen Beinen, seiner Brust, tief in seinem Innern. Er hörte die erleichterten Stimmen seiner Freunde um sich herum, aber er konnte sich nicht mit ihnen freuen. Sie wussten nicht was er wusste. Sie wussten nichts von seinem Versagen. Rodney sank beinah lautlos am Fuße einer mächtigen Föhre zusammen. Wenn sein Herz jetzt aufhören würde zu schlagen, er würde es nicht bedauern. Er war nutzlos, seine ganze eingebildete Selbstliebe war völlig sinnlos, wenn er in solch wichtigen Momenten so drastisch versagte. Durch sein eingeschränktes Sichtfeld, verursacht durch die gähnende Dunkelheit, die sich am Rande seiner Augen immer mehr zusammenzog und das Bild vor ihm verschwimmen ließ, erkannte er Sheppard, der sich neben ihm in die Hocke sinken ließ und ihn mit einem seiner verwegenen Grinsen bedachte. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Der Wissenschaftler wünschte sich nichts sehnlicher, als die tröstende Hand des Colonels von seiner Schulter stoßen zu können. Er wollte ihm ins Gesicht schreien das nichts, aber auch gar nichts gut war. Doch ihm fehlte die Kraft, um auch nur ein Wort heraus zu bringen. Als er nicht antwortete, spürte er, wie ihm etwas gegen die Lippen gedrückt wurde und Sheppard seinen Kopf mit sanfter Gewalt in den Nacken zwang. Durst. Diese Erkenntnis durchzuckte seinen Geist wie ein Paukenschlag und er trank gierig aus der Flasche seines Freundes. Tatsächlich schien sich die Dunkelheit danach ein wenig zu lichten und auch seine Glieder fühlten sich nicht mehr so unwahrscheinlich schwer an. Nach einem tiefen Atemzug öffnete er seine Augen wieder. Ein Powerriegel, eingeschlagen in buntes Silberpapier, war das erste, was sein Blick klar fokussieren konnte. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich das tatsächlich einmal freiwillig mache. Aber das hier ist mein Letzter, nur dass Sie ihn im Augenblick dringender benötigen als ich.“ Sheppard zwinkerte ihm verstohlen zu, doch anstatt wie erwartet über das dargebotene Präsent herzufallen, wandte Rodney nur den Kopf ab. Verblüfft tauschte John einen Blick mit den anderen. „Rodney, was ist los mit Ihnen?“ Diese Schmach fraß ihn innerlich auf und am liebsten würde er jetzt vor sich selbst davonlaufen. Doch Rodney wusste, dass er so nur noch mehr Schuld auf seine Schultern laden würde. Er konnte seinen Freunden nicht in die Augen schauen. Von jetzt an wahrscheinlich nie wieder. Doch die Wahrheit musste ausgesprochen werden, damit Gegenmaßnahmen ergriffen werden konnten. „Ich habe versagt.“ Mein Gott, seine Stimme klang so lächerlich dünn und weinerlich. Passend zu dem Taugenichts, der er war. John, der bereits im Aufstehen begriffen gewesen war, sank zurück in die Hocke und musterte seinen Freund mit besorgter Nachdenklichkeit. Rodney konnte hören, wie auch die anderen verstummten und näher zu ihm herantraten. Es gab kein Zurück. „Ich hatte fast keinen Willen mehr, keine Kraft mehr gegen die mentalen Angriffe des Wraith zu bestehen.“ Zitternd atmete er ein. „Ich habe den Lärm draußen vor der Tür gehört, ich habe... Sheppard gesehen, wie er den Wraith angriff. Ich war abgelenkt. Nur für einen winzigen Bruchteil einer Sekunde habe ich in meiner Konzentration nachgelassen. Die Hoffnung war so wunderbar befreiend, die in diesem Augenblicken durch mich hindurchgeströmt ist, dass ich nachlässig wurde.“ Hilfesuchend wandte er nun doch seinen Blick zu seinen Freunden und versuchte die verschiedenen Mienen zu lesen. Doch sie schienen nicht zu verstehen, da er nichts von dem abstoßenden Hass in ihren Augen erkennen konnte, den sie ihm in diesem Falle zuteil werden lassen würden. „Ich war abgelenkt und der Wraith konnte meine Barrieren sprengen. Jetzt weiß er alles. Alles. Die Anwahladresse sowohl für Atlantis als auch für die Erde. Die Koordinaten. Meine... meinen Identifizierungscode.“ Seine Stimme versagte endgültig und er verbarg sein Gesicht in seinen Armen, sich innerlich gegen die verbalen Attacken des Colonels wappnend. Doch John schwieg. Und Rodney wusste nicht, was in diesem Moment schlimmer war. Er hatte es nicht ein einziges Mal in der kurzen Zeit, in der er den Colonel kannte, erlebt, dass es diesem derart die Sprache verschlug. Tatsächlich war das, was er soeben zu hören bekommen hatte, eine unglaubliche Katastrophe. Aber John Sheppard sprachlos zu erleben... McKays Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Es war grauenvoll. Dieses Monster in meinem tiefsten Innern zu spüren...“ Seine Stimme versagte. Was sollte er auch noch weiter hier herum stammeln? Was gesagt werden musste, war gesagt worden. Von nun an war es vermutlich besser, wenn er einfach seinen Mund hielt. Er zuckte zusammen, als er ein weiteres Mal Sheppards Hand auf seiner Schulter ruhen spürte. Sanft, trostspendend. Einen Schlag erwartend war diese stille Berührung mehr, als Rodney ertragen mochte. Warum schrieen sie ihn nicht an? Warum verurteilten sie ihn nicht für sein Versagen? „Es ist nicht Ihre Schuld, Dr. McKay.“ Es war Teyla und als Rodney seine Augen wieder öffnete wurde er sich erst bewusst, dass alle drei Mitglieder seines Teams um ihn herum versammelt waren. Teyla hatte sich neben ihn an den Baum gesetzt. Ronon hatte es Sheppard gleich getan und war in die Hocke gesunken. Sie alle blickten ihn aus ernsten, traurigen Augen an. „Sie haben mit dem Wraith gekämpft und ihn zurückgeschlagen. Doch unsere Gefangenschaft währte bereits zu lange, als dass Sie sich noch viel länger gegen ihn hätten auflehnen können. Niemand von uns hätte das gekonnt.“ Als der anklagende Blick des Wissenschaftlers zu Sheppard schweifte, lächelte die Athosianerin leicht. „Auch der Colonel nicht.“ „Rodney...“ Johns Stimme war ungewöhnlich leise. „Teyla hat Recht. Es ist nicht deine Schuld. Wenn überhaupt dann ist es meine Schuld. Meine Schuld, dass ich nicht aufmerksam genug gewesen bin, meine Schuld, dass ich nicht schneller zu euch zurückgekommen bin. Dann wäre all das nicht passiert.“ Er blickte seinem Freund eine ganze Zeit schweigend in die Augen. Diese ganze Schuld hin und her Schieberei war ohnehin zwecklos. Jetzt stand die Schadensbegrenzung im Vordergrund. Er gab Rodney einen Klaps seitlich gegen den Kopf, bevor er sich wieder aufrichtete und jeden Einzelnen seines kleinen Teams eingehend musterte. „Es sollte klar sein, was von jetzt an wichtig ist. Wir können diesen Planeten nicht verlassen, ohne den Wraith mit diesem brisanten Wissen entkommen zu lassen. Sein Tod ist unser Ziel.“ Die Entschlossenheit, mit der Sheppard das sagte, ließ den Wissenschaftler schaudern. Ebenso wie die Vorstellung, noch einmal in diese unterirdischen Katakomben eintauchen zu müssen. Aber einen anderen Weg würde es für sie nicht geben. Sollte der Wraith die Möglichkeit erhalten, sein Wissen tatsächlich an außenstehende Kolonien weiterzugeben, wären weder Atlantis noch die Erde sicher. Die Tarnung, die sich Atlantis so mühsam aufgebaut hatte und welche die Wraith glauben machen sollte, dass sich die Stadt bei dem Angriff der Basisschiffe vor einigen Monaten selbst zerstört hatte, wäre dahin. Die Koordinaten der Erde, ihr Platz in der Milchstraßen-Galaxie, wären nicht länger unbekannt und eine Invasion könnte nicht länger verhindert werden. Zumal diejenigen Wraith, die im Besitz von Rodneys ID-Code wären, ungehindert jedes Stargate würden anwählen und durchschreiten können, da die ahnungslosen Menschen auf der anderen Seite ihn, Dr. Rodney McKay, erwarten würden. Wahrlich ein Katastrophenszenario! „Es wird nicht genügen nur den Wraith auszuschalten, der die Informationen aus McKay herausgepresst hat. Er wird sein Wissen teilen, mit all seinen Brüdern hier auf diesem Flecken Erde.“ Sheppard bedachte Ronon mit einem unergründlichen Blick. „Doch, das wird es. Er ist das Alpha-Männchen und er wird nicht wollen, dass neben ihm noch ein anderer Wraith über dieses wertvolle Wissen verfügt. Er ist zu egoistisch, viel zu sehr darauf bedacht sich zurück in die große Gemeinschaft zu bekommen. Was mit den anderen passiert, ist ihm denke ich relativ egal. Dennoch,“ Ein bösartiges Lächeln huschte über seine Züge, „werden wir so viele Wraith eliminieren wie uns möglich ist.“ Ronon stellte nicht in Frage, weshalb sich der Colonel über diesen Umstand so sicher war. Das Verhalten von Sheppard ließ keinen Zweifel an dessen Wahrhaftigkeit und der Krieger würde sich damit zufrieden geben, jeden Wraith, der ihm begegnete, zu töten. Trotzdem gab es noch eine weitere Frage, die geklärt werden musste. „Warum hat Atlantis bislang nicht nach uns gesucht?“ Das Schweigen, welches auf diese Frage folgte, war niederschmetternd. Jeder einzelne von ihnen hatte sich diese Frage bereits mehrfach im Stillen gestellt und keine plausible Antwort gefunden. Aber es war unmöglich, dass Elizabeth sie so ohne weiteres abschrieb. Es musste eine Erklärung geben, die sie bislang noch nicht gefunden hatten. Rodney brachte sich mit einem unwilligen Stöhnen wieder ins Gedächtnis der anderen. Es war ihm kaum möglich die Augen offen zu halten, doch scheinbar hatten seine Freunde das Offensichtliche noch nicht verstanden. Also würde er wieder einmal ihre unwissenden Geister erleuchten müssen. „Wenn zumindest einer von euch ein einziges Mal wissenschaftlich über diese Frage nachgedacht hätte, dann wäre euch klar, warum wir nicht gefunden werden konnten.“ Der zickige Unterton in seiner Stimme war erstaunlich und bewies Sheppard nur ein Mal mehr, dass McKay wesentlich widerstandsfähiger war, als er vorgab zu sein. Finster blickte er auf den Wissenschaftler nieder. „Ich dachte, dass Sie Mitglied meines Teams wären und das Ihnen in dieser Funktion diese Aufgabe zuteil wird.“ Rodney murmelte irgendetwas unverständliches und stemmte sich mühsam in eine aufrechtere Haltung. „Aber es würde nicht schaden, wenn ihr alle ein wenig mehr wissenschaftlicher denken würdet.“ Beleidigt musterte er seine Freunde. „Wir sind hier schließlich auf diesen Planeten gekommen, weil die Antiker-Datenbank Hinweise auf einen möglicherweise verlassenen Außenposten signalisiert hat. Wenn ihr euch erinnert, haben wir trotz intensiver Suche nichts erkennen können. Laut meines PDA hätten wir den Posten bereits längst erreicht haben müssen, als... ja als uns die Wraith überfielen.“ Ronon, der lässig an einem umgestürzten Baumstamm lehnte, lächelte kalt. „Wo wir doch gleich bei dem Thema wären, wer die Schuld an dieser Miesere trägt. Vielen Dank auch, Dr. McKay.“ Der Wissenschaftler schaute den Krieger verunsichert an und schien einen Moment ernsthaft über eine passende Antwort nachdenken zu müssen. Aber im Grunde lag es ja auf der Hand. „Nicht ich trage die Schuld, dass wir diese Biester ein Mal mehr auf uns aufmerksam gemacht haben.“ Sein gekränkter Blick wanderte unverhohlen zu Sheppard. „Hätte unser werter Colonel nicht ohne nachzudenken an diesem Jäger herumgepfuscht...“ „Genug jetzt!“ John war dieser Kindergartenstreit wirklich mehr als über. Wer auch immer nun die Schuld an ihrer Lage trug, wichtig war es jetzt, einen Ausweg aus diesem Alptraum zu finden. „Rodney, Ihre Vermutung.“ McKay nickte, ganz offensichtlich immer noch unzufrieden ob dieser ungerechten Anschuldigung. Doch er fügte sich. „Also gut. Wir haben nichts gefunden und sind dann von den Wraith in dieses unterirdische Labyrinth verschleppt worden. Habt ihr die Türen gesehen? Die Antiker-Ruinen aus der Datenbank müssen sich in diesen Katakomben befinden, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Und ich nehme an, dass sie noch immer gut nach Außen hin abgeschirmt sind. Andernfalls hätten wir diesen Umstand sofort erkennen müssen, nachdem wir hier angekommen sind. Wenn Dr. Weir nun einen Suchtrupp aus Atlantis losgeschickt hat, wird sie die selben Probleme wie wir gehabt haben. Und da wir uns innerhalb des abgeschirmten Bereiches aufgehalten haben...“ „Konnten ihre Sensoren uns nicht erfassen.“ Mutlos ließ Sheppard die Schultern sinken. Es war tatsächlich schlimmer, als er angenommen hatte. Er wusste nicht mit Sicherheit, wie viel Zeit sie tatsächlich in diesem unterirdischen Komplex verbracht hatten. Doch von Rhyan wusste er, dass sie ihn erst nach mehreren Tagen aus der Gefangenschaft befreit hatte. Die planmäßige Rückmeldung nach Atlantis war für den Abend ihrer Abreise vorgesehen gewesen und da schon diese Meldung ausgeblieben war, musste Elizabeth noch am selben Tag Maßnahmen für eine Suchaktion getroffen haben. Bestenfalls waren sie, oder zumindest er, fünf Tage im abgeschirmten Bereich gewesen. Fünf Tage, in denen die Suche auf Hochtouren gelaufen sein konnte, ohne zu einem Erfolg zu führen. In diesem Falle würden sie als verschollen gelten. Atlantis hatte nicht die Ressourcen dauerhaft nach einem verlorenen Team zu suchen, selbst wenn es das beste Team war, welches die Stadt vorzuweisen hatte. Und schon gar nicht, wenn es nicht einmal den Hauch eines Hinweises gab, wo sich die Vermissten befinden könnten. Mit einem tiefen Seufzen strich sich Sheppard das wirre schwarze Haar aus der Stirn. Er musste nachdenken, doch die Erschöpfung ließ seinen Geist nur noch sprunghafte Ideen bilden, eine gefährlicher als die vorangegangene. Mein Gott, sie saßen wirklich in der Patsche. Atlantis musste über die Lage informiert werden. Dringend. Andernfalls war die Stadt einer Attacke durch die Wraith schutzlos ausgeliefert. „Ok, wir bleiben bei unserem Plan und versuchen das Stargate zu erreichen und Atlantis anzuwählen. Wir müssen sie zumindest warnen, dass die Tarnung vermutlich dahin ist und ein plötzlicher Überfall der Wraith deshalb nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Von jetzt an arbeitet die Zeit gegen uns. Die Wraith auf diesem Planeten sind im Besitz einiger Jäger, soviel wissen wir. Das bedeutet, dass wir nicht ausschließen können, dass sie auch in der Lage sind eines der Basisschiffe zu kontaktieren. Sollte das passiert, waren wir zu langsam!“ Entschlossen richtete er sich auf, der Schlaf würde einmal mehr warten müssen. „Es wäre besser, wenn zumindest einer von uns zurückbleibt und die Wraith im Auge behält.“ Ronon lehnte noch immer an dem Baum und ließ seinen grimmigen Blick durch das dichte Blattwerk wandern, hinaus auf die Ebene. Kein Zweifel wen er mit dieser Aussage meinte. Er selbst würde zurückbleiben. „ So haben wir dann immer noch die Option, einem bevorstehenden Angriff rechtzeitig zu begegnen.“ „Zumal Dr. McKay kaum einen weiteren Gewaltmarsch wie den zum Gate überstehen würde.“ Der Wissenschaftler hatte die Augen geschlossen und lehnte leicht zur Seite geneigt an Teylas Seite. Die Athosianerin wirkte ernsthaft besorgt. „Wir müssen damit rechnen, dass das Tor von den Wraith bewacht wird, und dass wir nicht ohne ein weiteres Gefecht zum DHD gelangen werden, geschweige denn in die Nähe des Ringes.“ Jeder der Anwesenden konnte deutlich erkennen, wie Sheppard unter der innerlichen Zerrissenheit beinah auf die Knie ging. Zu viele Hindernisse, zu viele Dinge auf die sie achten mussten. Er könnte versuchen, sich seinen eigenen Weg freizukämpfen und allein nach Atlantis zurückzukehren. Doch er konnte unmöglich sein Team hier zurücklassen und einer ungewissen Zukunft ausliefern. Wer garantierte ihm denn, dass er es schaffen würde und dass Atlantis es schaffen würde, rechtzeitig Hilfe zu senden? „John.“ Es war Rhyan, die neben ihn getreten war und ihm behutsam eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Ihre Augen blickten ihn mitfühlend an, ohne jedoch die harte Entschlossenheit zu verbergen, die ihm aus ihnen entgegen leuchtete. Sie wusste, wie sehr es ihm widerstrebte, das Team zu splitten. Doch ihr war auch bewusst, dass es keinen anderen Weg geben konnte. „Ronon hat vollkommen Recht. Es wäre leichtsinnig von uns, wenn wir die Wraith jetzt unbeobachtet ließen. Atlantis hält sich so die Möglichkeit offen schnell und präzise auf neue Gefahren zu reagieren. Er und Teyla werden durchaus in der Lage sein, hier mehrere Tage allein durchzukommen, während wir nach Atlantis zurückkehren und die nötigen Schritte einleiten. Ich werde mit dir kommen und deinen Leuten dabei helfen, sich auf diesem Kontinent zurecht zu finden. Und wir werden McKay von hier fortschaffen.“ Sie blickte auf den blassen Wissenschaftler hinab und lächelte sanft. „Wir bringen ihn dorthin, wo er ungestört arbeiten kann und sich etwas ausdenken kann, um uns den Sieg in diesem Kampf zu garantieren.“ Als sie sich in der Runde umsah, wurde ihr Vorschlag von jedem mit einem bestätigenden Nicken akzeptiert. Sheppard war zwar noch immer ein unwilliges Zögern anzumerken, doch letzten Endes stimmte auch er zu. „Bleibt allerdings noch immer das Problem, dass wir uns als aller Erstes Zugang zum Gate verschaffen müssen. Nehmen wir Rodney mit, wird er einem unnötigen Risiko ausgesetzt. Das kann ich nicht dulden, Rhyan. Außerdem ist der Weg weit.“ Das finstere Lächeln der jungen Frau, ließ John frösteln. „Vergiss nicht, dass wir Arokh haben, der an unserer Seite kämpfen wird. Er wird uns zum Stargate bringen und er wird dafür sorgen, dass wir ungehindert hindurchgehen können. Ich verspreche dir, dass er in der Zeit, die wir in Atlantis verbringen, ein schützendes Auge auf deine zwei Freunde haben wird.“ Drachen waren wirklich Einsatzmittel, an die Sheppard sich erst noch gewöhnen musste. „Es ist ein guter Plan, Colonel. Ein Plan der durchaus durchführbar ist und uns tatsächlich noch eine Chance einrichten könnte.“ Teyla schaute ihn beschwörend an, doch Sheppard hatte sich bereits entschieden. Er war nicht dumm und durchaus in der Lage einen Ausweg zu erkennen, wenn sich einer bot. „Also los, warten wir nicht länger. Seht zu, dass ihr zwei außer Sicht bleibt, solange wir mit dem Drachen unterwegs sind. Und lasst euch nicht einfallen irgendetwas Leichtsinniges zu unternehmen, bis ihr von uns gehört habt!“ Ronon lächelte ob diesen Befehls amüsiert und half, den halb bewusstlosen Rodney auf die Beine zu wuchten. „Er wird dankbar sein, nicht ganz bei Sinnen gewesen zu sein, während er auf einem Drachen zum Gate geflogen wurde.“ Die anderen lachten verhalten. Dann machten sie sich auf den Weg zum Waldrand, wo Arokh zur Landung gehen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)