Rabenschwinge von Arianrhod- ([PeinKonan]) ================================================================================ Kapitel 1: Your ways are not mortal thought ------------------------------------------- Der Rabe saß behaglich auf dem dicken, beinahe schwarzen Ast der mächtigen Eiche, die Krallen tief in die alte Rinde gegraben. Der scharfe Schnabel wirkte beinahe metallisch in dem durch den Nebel gedämpften Licht der Mittagssonne und seine schwarzen Augen glänzten. Berechnend, aber das war natürlich Unsinn. Es war nur ein Rabe, ein Tier, auch wenn Legenden und Sagen über andere Dinge sprachen. Und Tiere waren nicht berechnend. Pein musterte den schwarzen Vogel mit zu Schlitzen verengten Augen und der Rabe erwiderte hochmütig den Blick. Er groß, größer als mancher Falke, mit glänzenden Federn und kräftigen Schwingen. Man sah deutlich, dass er gut im Futter lag. Schließlich neigte er den Kopf zur Seite und öffnete den Schnabel zu einem heiseren Krächzen, ehe er die Schwingen ausbreitete und sich von seinem Sitzplatz abstieß. Seine kräftigen Flügelschläge waren gut zu hören über das sanfte Rauschen des Windes in den Bäumen, den leisen Lauten des Waldes und den Geräuschen, die die Leute des Trosses machten, die sich nur wenige Schritt von ihnen entfernt befanden. Pein folgte dem Flug des schwarzen Vogels mit den Augen, sah ihn über die tiefe Schlucht davon segeln, die sich weiter weg auftat, in die Richtung der entfernten Gipfel am gegenüberliegenden Ende des Talgrundes. Die Bergwälder Silvurras waren eine einzigartige, wunderschöne Landschaft, voller majestätischer, grün und grau ummantelten Berge, die ihre schneegekrönten, zackigen Kronen dem wolkenbedeckten Himmel entgegenreckten. Nebel wallte durch die tiefer liegenden Täler und verbargen die Gründe der Schluchten und Senken. Ein Silberadler zog weit über dem Raben und vor dem Hintergrund der Wolken beinahe unsichtbar seine Kreise. Eine Herde großer Wildziegen suchte sich ihren Weg hoch oben in den Felsen, wo die Pflanzen nur noch aus wenigen dürren Gräsern, verkrüppelten Büschen und Moosen bestanden. Der Herbst färbte die Blätter der Laubbäume bereits gelb und rot. Zwischen den Gipfeln erstreckten sich weite Hänge voller üppigem Gras und hohen Bäumen, die immer mehr abnahmen, je höher man stieg, klafften tiefe Schluchten und ragten zackige Grate in die Höhe. Das gesamte Land wurde von diesen Bergwäldern und den dazwischenliegenden Plateaus und Hochebenen bedeckt. Dies war Silvurra, das Land der Nebel, das Land der Hochebenen, das Land der Bergwälder. Das Reich der Hexen. Das Reich der Raben. „Pein?“ Kotetsus Stimme riss ihn aus seiner Beobachtung und er blickte einen Moment zu dem Sprecher hinüber. Als er wieder zurück sah, war der Rabe verschwunden und seufzend wandte er sich ganz dem jungen Mann zu. Kotetsu war zwei Fingerbreit kleiner als er selbst, aber sein Haar stand genauso wild und ungebändigt in alle Richtungen ab wie Peins, wenn es auch einige Nuancen dunkler war, ein sattes Dunkelbraun neben Peins Orangerot. Er trug wie alle aus ihrer Gruppe robuste, zweckmäßige, beinahe abgetragene und oft geflickte Kleidung aus Wolle und Leder. Seine pelzverbrämten Stiefel waren verschmiert mit Erde und auf der Tunika, die er über dem Kettenhemd trug, prangte ein ähnlicher Fleck. Auch der Saum des langen, schweren Umhangs war verdreckt. Pein zog eine Augenbraue hoch. „Kuromaru hat etwas gefunden.“, erklärte Kotetsu, der wusste, dass er jetzt die volle Aufmerksamkeit seines Anführers hatte. „Tsume und die anderen haben sich etwas umgesehen, Izumo und ich sind mit. Wir sind auf einen älteren Lagerplatz gestoßen, an sich nichts Interessantes. Aber dabei ist Kuromaru eine seltsame Spur unter die Nase gekommen. Er wusste nicht, was es war und konnte auch nichts erklären, aber die andere Hunde wollten noch nicht einmal in die Nähe des Platzes kommen.“ So weit die Fakten. Hörte sich nicht gut an. „Eine Vermutung?“ „Tsume glaubt, es hat etwas mit Raubtieren zu tun. Beziehungsweise, sie sagt es, glauben tut sie es nicht. Aber es war wohl die beste Erklärung, die ihr einfiel.“ In Kotetsus Stimme schwang Zweifel mit. „Und du?“ Pein wusste, dass, wenn jemand auch nur nahe ins Schwarze treffen würde mit einer bloßen Vermutung, wäre es Kotetsu. Es war nicht, dass dieser besonders klug war oder schon früher die treffendsten Schlussfolgerungen gezogen hatte. Nein, der Grund war viel einfacher. Kotetsu war der Einzige in seiner Gruppe, der aus Silvurra stammte. Damit wusste er auch am meisten über dieses Land und zwar durch eigene Erfahrung. „Ich denke, es war eine Hexe, die dort einen Zauber abgezogen hat.“ Er blickte seinen Anführer einen Moment an und fügte rasch hinzu: „Eine schwarze Hexe.“ Pein nickte. Er wusste, er konnte auf dieses Urteil vertrauen. Vorerst. „Was schlägst du vor?“ „Die Spur war einige Tage alt. Das beste wäre, sich im nächsten Dorf unauffällig umzuhören. Die Hexe könnte überall sein. Allerdings glaube ich nicht, dass sie sich mit uns anlegen würde.“ „Wahrscheinlich würden wir noch nicht einmal merken, dass sie es wäre, und wenn sie nackt vor uns tanzen würde, was?“, knurrte Pein. Ihm war dieses Land nicht geheuer. Hexen, Magie und Zauberei, das waren Dinge, die er nicht verstand. Auf keiner Ebene. Gefährliche Dinge, Dinge, die töten konnten oder schlimmeres. Logischerweise und weil selbst er ein Mensch war, hatte er Angst davor. Kotetsu zuckte mit den Schultern. „Könnte sein. Kuromaru konnte nur diese eine Spur aufnehmen und die anderen Hunde gar keine. Gut möglich, dass sie viel älter ist, als wir glauben und die Magie nur langsamer schwindet. Wahrscheinlich sogar.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Sollen wir dem Kazekage etwas sagen?“ Pein drehte sich um und blickte zu dem Tross hinüber. Das farbenfrohe Bild schmerzte nahezu in seinen Augen. Es wirkte völlig falsch in dieser Gegend, vor dem Hintergrund der majestätischen Gipfel und der weiten Hänge, die wie von grünem Pelz bewachsen schienen. Es war ein ganzer Tross von Reitern und Wagen. Soldaten hatten sich zu Grüppchen zusammengefunden und sprachen miteinander, während sie unruhige Blicke um sich warfen, als würden sie erwarten, dass gleich eine Hexe aus dem Unterholz sprang um sie anzugreifen. Sie trugen alle dieselbe rotgoldene Uniform und waren gut gerüstet. Eine Standarte steckte in der Erde, die dieselben Farben trug, mit einem rotem Stundenglas und einem goldenen Drachen darauf, das Wappen derer von Sabaku. Die schweren Zugpferde passten ebenso wenig in diese Berge wie die mächtigen Schlachtrösser der Ritter oder die großen Kriegspferde der restlichen Reiter. Selbst die Wagen, so schmucklos und einfach sie auch waren, passten nicht hierher, zu groß und zu breit für die meisten der gewundenen Wege, die die hiesige Landschaft aufwies. Die vier teuren, schwarzen Kutschen mit dem geschlossenen Dach, dem kunstvollen Wappen auf den Türen und den edlen Pferden davor wirkten beinahe lachhaft in dieser Umgebung. Einzig das Fuhrwerk, das sich ganz am Ende des Zuges befand, wirkte halbwegs, als würde es aus dieser Gegend kommen. Die vier Zugtiere davor waren genügsame, momentan dösende Ponys, der Wagen selbst bestand aus solidem Holz und dicker Plane, war weder groß noch breit. Auch die beiden Reitponys, die daran angebunden waren, schienen die einzig richtigen Reittiere für diese Gegend zu sein. Allerdings war es weder ein Wunder, dass sich dieser Wagen von den anderen unterschied noch dass er für diese Landschaft tatsächlich passend erschien. Minato und seine Familie gehörten nicht zu den Leuten des Adligen, sondern hatten sich ihnen nur der Sicherheit wegen angeschlossen. Dass der Kazekage sie akzeptiert hatte, lag einzig und allein daran, dass Minato ein hochangesehener Wissenschaftler und geehrter Offizier der Armee war, auch wenn er letzteres Amt schon lange nicht mehr ausübte. Aber alte Heldengeschichten starben schwer und Legenden nie. Er war bereits mehr als einmal in Silvurra gewesen und kannte das Land. Seine Frau und sein einziger Sohn begleiteten ihn auf seiner Forschungsreise. Der Kazekage dagegen befand sich nicht auf einer vorrübergehenden Reise, sondern zog um, direkt in den Palast des Statthalters des dykanischen Kaisers in Silvurra. Diese abgelegene, unwillige Provinz des Kaiserreiches zu verwalten war keine dankbare Angelegenheit und – wie im Grunde jeder wusste – eine Strafe, auch wenn es als eine Belohnung getarnt war. Immerhin konnte er nun den Titel des Statthalters zu seinem ererbten Titel Kazekage hinzufügen. Was er gemacht hatte, um den Kaiser so zu verärgern, wusste Pein nicht, aber es ging ihn auch nichts an. Seine gesamte Familie – einschließlich seiner längst verheirateten Tochter und deren Ehemann – begleiteten den Hohen Adligen zwangsläufig. Auch wenn Pein gehört hatte, dass Temari und Shikamaru nur über den Winter bleiben und dann zu den Familienländereien im Süden Dykas zurückkehren würden um sie an ihres Vaters statt zu führen. Der Kazekage war jedoch nicht erfreut über diese Entwicklung der Ereignisse, im Gegenteil. Es hatte sogar Gerüchte gegeben, dass er, nachdem er erfahren hatte, dass er zum Statthalter ernannt worden war, eine ganze Zimmerflucht im kaiserlichen Palast kurz und klein geschlagen hatte. Inzwischen waren einige Wochen vergangen, doch der Mann rauchte noch deutlich vor Zorn. Wäre es klug, den vor sich hin brütenden, wütenden, jähzornigen Mann darauf hinzuweisen, dass sich eventuell eine schwarze Hexe in der Nähe befunden hatte? „Nein.“, entschied Pein. „Das würde sie nur unnötig aufregen, vor allem, da wir nichts genaues wissen. Sag den anderen, sie sollen darüber schweigen. Aber warne den Rest.“ Kotetsu nickte und eilte davon, auf die kleine Gruppe von Peins eigenen Kriegern zu, die sich am Rande des Trosses gebildet hatte. Tsume, ihre beiden Kinder und Izumo sowie die fünf Hunde waren nicht unter ihnen, aber die Pferde der vier grasten mit den anderen in der Nähe. Es waren allesamt gute, kampferprobte Tiere und mit sicherer, erfahrener Hand ausgebildet. Das Geschirr war so einfach wie möglich gehalten, mit einem Paar Satteltaschen und genug Schlaufen, um alle Waffen unterzubringen, die die Söldner mit sich führten, was nicht wenige waren. Der Kazekage hatte sie angeheuert, sie nach Silvurra zu eskortieren und ihm vielleicht auch während des ersten Winters zur Seite zu stehen. Pein hatte sich auf den ersten Auftrag eingelassen, den zweiten bis auf weiteres von sich geschoben. Er hatte nicht vor, ihn anzunehmen. Er und seine Leute – gemeinsam weithin bekannt, gerühmt und gefürchtet unter dem Namen Akatsuki – nahmen selten so lange und vor allem politisch schwere Aufträge an. Dies hier war nur eine einfache Eskorte, die ihnen eine gute Summe einbrachte. Zumindest war es das gewesen. Aber, dachte er seufzend, er hätte es sich denken können, dass sie hier auf Zauberei und Hexen stoßen konnten. War dies nicht eines der wenigen Dinge, für die Silvurra bekannt war? „Ich hoffe, wir haben uns da in nichts hineingeritten, in das wir nicht wieder herauskommen.“, sagte er zu seinem eigenen Pferd, das direkt neben ihm stand und friedlich graste. Es war eine hässliche, knochige, graubraune Stute, die auf den Namen Dunkelwind hörte, aber Pein würde es für nichts in der Welt hergeben. Er vertraute seiner Stute vollkommen und das war eines der wichtigsten Dinge, die er zählte, wenn es um Pferde ging. Sie hatte ihn bereits in mehr Kämpfe hinein- und wieder herausgetragen, als er zählen konnte, sie war stark, gut ausgebildet und mutig und darüber hinaus ein Pferd seines eigenen Volkes, die reiten konnten, ehe sie liefen, und Gerüchten nach auf Pferderücken geboren wurden. Nicht nur sein Reittier erzählte von seiner Herkunft, auch ein Teil seiner Waffen und Kleidung, auch wenn dies nur vereinzelte Stücke waren. Er hatte die meisten Verbindungen zu seiner Heimat gekappt. Und da waren natürlich die Piercings, die das Hauptmerkmal eines Reiters von Khral waren. Jetzt bewegte das Tier nur die Ohren und blickte ihn schief an, ehe sie sich wieder ihrer Mahlzeit widmete. Seufzend nahm er die Zügel auf und ging zum Tross zurück. Wo blieben Itachi und Inoichi? Sie sollten längst zurück sein, immerhin war es nur ein kurzer Erkundungsritt, auf den er sie geschickt hatte. Denn der Kazekage hatte an der Vertrauenswürdigkeit seiner Führer gezweifelt und verlangt, einige Kundschafter vorauszuschicken. Was der Grund war, dass sie nun auch hier warteten und im Grunde nichts taten. Einige Dienstmägde hatten bunte Decken auf einem Wiesenstück ausgebreitet und aus dem mitgebrachten Proviant ein Picknick hervorgezaubert, das ihre hohen Herren inzwischen genossen. Der Kazekage reiste mit großem Gefolge, nicht nur mit seinen Kindern und Dienern, sondern auch mit einem ganzen Rattenschwanz von hochgestellten Vasallen und deren Damen und dem Rest der Familie. Sie alle begleiteten den neuen Statthalter nur aus politischen Gründen. Leute, die seine Gunst erwerben wollten oder mussten, versuchten es, in dem sie ihm stets gefällig waren, auch wenn dies bedeutete, in die hinterste Provinz des Kaiserreiches zu ziehen, in ein Land voller Heiden, Hexen, Bauern und Bettler. Wenn Pein sich dies so alles ansah, war er froh, nicht im Reich geboren zu sein, sondern in der Steppe, wo die höchsten Ehren jenen verliehen wurden, die die meisten Pferde erbeuteten oder die mächtigsten Feinde erschlugen. Vielleicht war ihr Leben nicht besser – die Steppe bot keinerlei Luxus und nahm keinerlei Rücksicht auf die in ihr Lebenden, auf die Schwachen, Alten oder Kranken, was sich auch auf das Volk, das darin lebte, und dessen Gesellschaft auswirkte. Aber wenn er sich diese nichtsnutzigen, intrigierenden, verwöhnten Leute ansah, wollte er sein Leben nicht gegen ihres tauschen. Er wünschte nur, dass Itachi und Inoichi bald zurückkamen, dann brauchte er diesen Anblick nicht länger zu ertragen. Es war schon ironisch, dass gerade jene, die den Kazekage begleiten mussten, Leute waren, die ohne zu Zögern zuhause geblieben wären, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten. Dass es Leute von einem anderen Schlage waren wie diese bunten Paradiesvögel, die sich ‚Adel’ nannten. Die Kinder des Kazekage und auch sein Schwiegersohn waren jeder für sich eigenständige, selbstbewusste Persönlichkeiten, die sich jeder für sich nicht scheuten, auf Dinge hinzuweißen, die ihren Vorgesetzten sauer aufstoßen könnten. Temari war eine tolle Frau, stark und selbstbewusst. Sie war verheiratet mit Shikamaru vom Nara-Clan, der für seine Faulheit, aber auch für sein hohes, strategisches Können bekannt war, und die Mutter einer kleinen Tochter, die viel zu aufgedreht war, als dass es gut für sie sein konnte. Kankuro war ein netter Junge, der mitten in seiner Ausbildung zum Priester steckte. Wie er es geschafft hatte, seinen Vater dazu zu überreden, Priester werden zu können, wusste Pein nicht, denn eigentlich war er der älteste Sohn und somit der Erbe. Das er allerdings als Priester nicht antreten konnte. Aber vielleicht war er auch in diese Rolle gedrängt worden, so dass später alles an des Kazekagen zweiten Sohn fallen würde, Gaara. Aus Gaara wurde Pein nicht schlau. Der Junge war ein exzellenter Kämpfer, ein Mann, den man nicht unterschätzen durfte, ganz egal in welcher Lage, mit welcher Waffe oder wie vielen Männern. Doch Gaara war ein Mörder. Pein wollte nicht urteilen – aber er blieb dem Jungen trotzdem fern, wann immer es ihm möglich war. Er war nicht sicher, ob der Junge überhaupt schon einmal getötet hatte. Wann sollte er die Gelegenheit dazu gehabt haben? Aber er hatte den Blick einer Person, die ohne zu Zögern und ohne das geringste Bedauern jemanden das Leben nehmen konnte, einfach so. Was er brauchte, um doch zurück auf den Weg zu kommen, der nicht völlig in Blut und Schmerz und Hass getränkt war, war nicht etwas, was ihm sein Vater geben konnte und nichts, dass er von seinen Geschwistern oder jemand anderem bekam. Letztere und das konnte selbst Pein genau erkennen, hatten sogar Angst vor ihm. Seufzend riss er sich aus den Gedanken. Er hatte wahrlich nichts zu tun, wenn er sich schon Gedanken über des Kazekagen Sohn machte. Vielleicht sollte er sich die Stelle einmal ansehen, von der Kotetsu gesprochen hatte, aber dann würde sicher jemand darauf aufmerksam werden, der es nicht wissen sollte. Es war eine Sache, wenn seine Leute zwischen den Büschen verschwanden, eine andere, wenn er selbst es war. Ihn behielt man im Blick. Ungerührt setzte er den Weg fort und steuerte auf einen der Wachtposten zu, der am Ende des Trosses stand und mehr oder weniger wachsam den Weg betrachtete. Eigentlich waren keine Wachen nötig – nicht am helllichten Tag, nicht in dieser Gegend und schon gar nicht bei einer so großen Gruppe. Sie waren während ihres Weges kaum einem Straßenräuber begegnet. Und hier, in einem Land, das auf eine gewisse Weise ärmer war als alle anderen und auf eine andere Weise reicher als die meisten, würden sie erst recht keinen über den Weg laufen, die ihnen gefährlich werden konnten. Aber man hatte darauf bestanden. Man wollte nicht gestört werden bei dem Picknick. Schon gar nicht von Hexen oder dergleichen. Diese ganze Hexenparanoia, die im Grunde jeder der Adligen besaß, zerrte an seinen Nerven. Er vertraute eher Kotetsu als den Gerüchten, die ihre Wurzeln in den Nebelkriegen – Hexenkriegen im Volksmund – hatten und vollkommen übertrieben waren. „Was Ungewöhnliches bemerkt?“, wollte er von dem Soldaten wissen, der ihm freundlich zunickte, als er näher kam. „Nein, Hauptmann.“ Das war ein Titel, den er im Grunde nicht trug, zumindest nicht auf militärischer Basis. Auf der anderen Seite vermutlich doch, immerhin war er der Anführer, der Hauptmann, von Akatsuki. „Wenn ich das sagen darf, es ist ziemlicher Schwachsinn, jetzt Wache zu halten.“, fügte der Soldat mit gesenkter Stimme hinzu. Pein zuckte die Schultern. „Nicht meine Anordnungen, Mann. Auch wenn das Einzige, was uns hier über den Weg laufen wird, ein Wildschwein sein wird.“ „Na, hoffentlich nicht…“, murmelte der Soldat und betrachtete sorgenvoll den Wald. „Ich hab gehört, die sind hier besonders groß.“ Pein zuckte die Schultern und wollte eben seinen Weg fortsetzen, als Tsume zu ihnen kam. Sie war eine kleine, kräftige Frau mit einem energischen Gesicht, das von rauer Schönheit war, und einer Aura, die vor Energie zu vibrieren schien – tödlicher, kriegerischer Energie. ‚Die Kriegshündin’ hatte man sie schon genannt, ehe sie und ihre Kinder sich Akatsuki angeschlossen hatten. Ihr kurzes, dunkles Haar wirkte drahtig und auf den Wangen trug sie die stilisierten, roten Fangzahntätowierungen ihrer Familie. „Da kommen Reiter.“, erklärte sie ohne Umschweife. Kuromaru, ihr einäugiger, schwarzer Hund, der beinahe aussah wie ein Wolf, richtete seine Nase nach vorn und knurrte. Der Soldat nahm sofort Haltung ein und wirkte, als wüsste er nicht, was er tun oder sagen sollte. „Beruhig dich, Mann.“, blaffte Tsume ihn an. „Wahrscheinlich sind es nur ein paar Bauern auf dem Weg ins nächste Dorf.“ Es waren zwei Reiter, die ihnen auf dem Weg entgegenkamen, ein Mann und eine Frau. Sie zügelten ihre zottigen Bergponys, als sie die Ansammlung an Wagen, Pferden und Menschen bemerkten. Pein verzog die Lippen zu einem ironischen Lächeln. Wer wäre nicht erstaunt, über ihre Truppe zu stolpern? Und dann auch noch auf diese Weise? Er wandte sich zu Tsume. „Sag dem Kazekage Bescheid.“ Sie nickte und entfernte sich, Kuromaru auf den Fersen. Inzwischen hatten die beiden Reisenden ihre Tiere wieder angetrieben und kamen nun rasch auf sie zu. Je näher sie kamen, desto deutlicher konnte Pein sie erkennen. Der Mann war ein Krieger, die bunte Ansammlung von Waffen, sowie die Armschützer, die seine Unterarme bedeckten, zeugten davon. Wahrscheinlich trug er eine Lederrüstung oder etwas ähnliches unter der dunklen Wolltunika. Ansonsten trug er die Tracht der Einheimischen, Beinlinge über einer Hose, hohe Stiefel und ein einfaches Hemd, darüber einen langen Umhang, der über die großen Satteltaschen fiel. Sein dreckigblondes Haar war mit einem einfachen Tuch zurückgebunden und er kaute auf einem Senbon. Die Frau war zierlich und schlank, ihr dunkles Haar glatt und kurz geschnitten. Ihre Kleidung war ebenso einfach wie die ihres Begleiters, nur dass sie weder Waffen noch Rüstung trug, bis auf einen einfachen – aber langen – Dolch an ihrem Gürtel, dessen geschnitzter Griff mit Silber eingelegt war. Zwei Reisende unterwegs von einem Dorf zum nächsten; einfache Bauern, die in dieser Gegend oft Ponys besaßen und eigentlich reicher waren als mancher Bauer im Herzen des Kaiserreiches. Nur die Waffen, die der junge Mann trug, ließen ihn etwas stutzen. Die waren sicher nicht üblich unter einfachen Bauern. Vielleicht war er ein Jäger? Oder ein angeheuerter Krieger, der sie beschützen sollte auf ihrem Weg zu … wem oder was auch immer? Die Frau sagte etwas zu ihrem Begleiter, der daraufhin nickte und die rastende Karawane nicht aus den Augen ließ. Pein führte Dunkelwind zur Seite, damit sie nicht im Weg standen. Er hatte keinerlei Intention, die beiden aufzuhalten, sollten sie sich nicht mit den Fremden abgeben wollen. Was wahrscheinlich nicht allzu seltsam war, nach allem, was sie bis jetzt gesehen hatten. Dykae waren hier nicht gern gesehen. Aber vielleicht sollten sie sie nach dem Weg fragen. Die einfachste Lösung war es zumindest, selbst wenn Itachi und Inoichi jetzt zurückkommen sollten. Wer würde sich hier besser auskennen als Einheimische? Aber der Anblick von den beiden rief ein ungutes Gefühl wach, das wie ein Stein in seinem Magen lag. Die beiden waren nicht das, was sie zu sein schienen – oder zumindest nicht nur. Vielleicht war es das beste, die beiden einfach gehen zu lassen. Er hoffte nur, dass der Kazekage sich nicht einschaltete. Auf der anderen Seite würde der sich wohl kaum mit zwei silvurrischen Bauern auseinandersetzen wollen. Tsume erreichte ihn, als die beiden nur noch einige Schritt von ihnen entfernt waren. „Der Kazekage sagt, du sollst dich darum kümmern.“, sagte sie leise. „Gut.“ Er winkte der Wache. „Lasst die beiden einfach in Ruhe.“ Der Wächter blickte ihn beinahe erstaunt an, wich aber ohne Worte zur Seite aus, als die beiden Reiter an ihm vorbeiritten. Der Krieger nickte Pein kurz zu, der den Gruß erwiderte, und den beiden nachsah. Die Soldaten und Peins Krieger ließen sie ebenfalls nicht aus den Augen, einige der Dienstleute betrachteten sie verstohlen und Gaara war auf einen der Kutschböcke geklettert und beobachtete sie aus kalten Augen, aber sonst wurden sie völlig ignoriert. „Oi! Genma?!“ Kotetsus Stimme zog die Aufmerksamkeit der Reiter, Pein, Tsume und einiger Umstehender auf ihn. Der berittene Krieger zog eine Augenbraue hoch und sagte dann: „Huh. Kotetsu. Ich hab nicht erwartet, dich je wieder zu sehen.“ Der Braunhaarige ging zu den beiden hinüber und grinste breit. „Ich auch nicht. Aber schön, dich wieder zu sehen.“ Er umfasste mit einer Hand den Unterarm, den Genma ihm entgegenstreckte, und die beiden begrüßten sich wie alte Freunde. Wahrscheinlich waren sie es auch. „Shizune, meine … Frau, kennst du noch?“, wollte der berittene Krieger wissen und deutete auf die Dunkelhaarige auf dem anderen Pony. „Natürlich. Schön, dich wieder zu sehen.“ Die Frau nickte lächelnd, schwieg jedoch. Pein entging nicht das kurze Zögern in Genmas Satz, der jetzt seinen Blick über die Karawane schweifen ließ, Gaara kurz, aber genau ins Auge fasste und dann das Banner betrachtete, das nicht weit entfernt in der Erde stak. „Ich hätte nie gedacht, dass du mal für diese madraí arbeiten würdest.“ Kotetsu warf einen bösen Blick zu der Standarte. „Ich auch nicht. Ich gehöre nicht zu ihnen. Er ist mein Anführer.“ Dabei deutete er mit dem Kopf auf Pein. Genma folgte dem Wink und die beiden Männer musterten sich erneut, bis der Reiter sich abwandte. „Es geht mich ja eigentlich nichts an, aber gibt es einen Grund, warum ihr hier mitten auf dem Weg lagert? Achse gebrochen?“ Kotetsu schüttelte den Kopf und grinste schief. „Der Kazekage glaubt, wir haben uns verirrt. Wir waren auf dem Weg nach Birkenhain.“ Der Blonde lachte. „Dann müsst ihr nur weiter der breitesten Straße folgen.“ Er winkte in die Richtung, in die sie unterwegs gewesen waren. „Seid ihr auch auf dem Weg dorthin?“ „Nein. Erst besuchen wir einen alten Freund.“ Er machte eine unbestimmte Bewegung, die die Hälfte der Berge einschloss. „Wie auch immer, wir sollten uns wieder auf den Weg machen.“ Er beugte sich vor, um Kotetsu auf die Schulter zu klopfen und sagte etwas, was zu leise war, als dass es jemand anderes als Kotetsu hätte verstehen können. Nach einigen Augenblicken richtete er sich wieder auf. „Also dann. Ich glaube nicht, dass wir uns in Birkenhain wieder sehen. Wir bleiben wohl ein oder zwei Tage oben. Mach’s gut, Kotetsu.“ „Ihr auch.“ Der Braunhaarige hob die Hand und winkte den Davonreitenden nach. Ohne weitere Unterbrechung passierten die beiden den zweiten Wachposten und waren bald darauf hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. Pein winkte Kotetsu zu sich. „Was war das, dass ihn stocken ließ?“ „Was?“ „Als er gesagt hat, sie ist seine Frau.“ „Oh, das.” Der Braunhaarige fuhr sich durch die Haare und blickte sich um. Die einzige, die nahe genug bei ihnen stand, war Tsume und die rührte sich nicht von der Stelle. Aber das schien Kotetsu nicht zu interessieren. „Er ist nicht ihr Mann.“ Er hielt inne. „Gut, die beiden sind ein Paar, aber er ist in erster Linie nicht ihr Mann, sondern ihr Hagawar.“ „Ihr was?“, wollte die Hündin erstaunt wissen und auch Pein hatte das Wort noch nie gehört. Kotetsu senkte die Stimme noch weiter. „Ihr Krieger. Shizune ist eine Hexe.“ Die Stille, die darauf folgte, ließ ihn ein hastiges, aber ebenso leises: „Eine weiße Hexe!“ hinzufügen. „Und … Genma sagte, wir sollten so schnell wie möglich weiter. Hier ist etwas ziemliches gefährliches im Gange.“ Pein zog wortlos eine Augenbraue hoch. Kotetsu zuckte mit den Schultern. „Er sagte nichts genaues. Nur, dass wir das Gebiet so schnell wie möglich hinter uns lassen sollten. Und dass die Wachen heute Nacht gut aufpassen sollen.“ Der Wind flüsterte in den Blättern der turmhohen Bäume um sie herum. Der Boden war bedeckt mit rotem und gelbem Laub, das sich teilweise schon braun färbte. Zwischendurch konnte man das Grün der niedrigen Pflanzen entdecken, die zwischen knorrigen Wurzeln wuchsen, und das Moos, das ganze Flächen des Waldbodens auffraß. Matten und Vorhänge von Efeu spannten sich über den Boden, Stämme und zwischen Ästen. Von dem Fluss, dessen Rauschen man hier nur noch dumpf hören konnte, wallte der allgegenwärtige Nebel herauf wie eine graue, alles verschlingende Wand, war hier aber nur noch in Fetzen zu finden. Es war beinahe dämmrig hier, aber die blassen Sonnenstrahlen, die durch die Jahreszeit bedingt oft durch die Äste brachen und goldene Flecke auf den Boden zeichneten, ließen alles hell erscheinen. Es war, als ritten sie durch eine altehrwürdige Zitadelle, deren Säulen jahrhundertealte Bäume waren, die Teppiche raschelndes Rot und Gelb und der Altarraum beinahe unendlich. Selbst das Vogelgezwitscher klang seltsam gedämpft und das Rascheln von Kleintieren und einer Rehherde im Laub, die nur einige Schritt von ihnen entfernt äste, war wie das Orgelspiel an die Götter. Die beiden zottigen Ponys suchten sich trittsicher ihren Weg zwischen Wurzeln und unter Laub versteckten Steinen und Löchern. Das leise Klirren des Pferdegeschirrs und Nejis Waffen klang wie eine weitere Stimme im ewigen, unzerstörbaren Orchester der Natur. Über ihnen spannten sich die mächtigen Äste der uralten Bäume, manche bereits beinahe kahl, andere noch in dichtem roten und gelben Mantel, die Nadelbäume bekleidet mit kräftigem, dunklem Grün. Durch die kahlen Äste konnte man das tiefe Blau des Himmels sehen. Hin und wieder blitzte der helle Schein der Sonne auf. Konan senkte den Blick wieder auf den Weg vor ihr und auf die Umgebung. Unter den Hufen ihrer Ponys, unter den vielen Lagen aus Laub und unter den grünen Geflecht kleiner Pflänzchen vibrierte die Energie der Kraftlinien, die sich kreuz und quer durch die gesamte Erde ihrer Welt zogen. Diese hier pulsierte nahezu über vor Stärke und lief unter Birkenhain hindurch, an dem kleinen Heiligtum vorbei und von dort stetig nach Norden. Sie war nicht erstaunt gewesen, als sie wieder auf sie gestoßen waren. Die beiden Reiter ließen die Rehe in Ruhe und lenkten ihre Tiere weiter von ihnen weg. Es würde keinen Sinn machen, sie zu stören und sie hatten sowieso nicht spezifisches hier zu tun. Zumindest nichts, was sie nicht auch die paar Schritt weiter entfernt machen konnten. Bis jetzt war ihre Suche äußerst fruchtlos gewesen. Keine Anzeichen von Magie, vor allem keiner verbotenen, die tiefe Abdrücke in der Erde und den natürlichen Energien hinterließ. Selbst Wynn hatte sich seit einiger Zeit nicht mehr blicken lassen. Konan machte sich keine Sorgen um ihn – ihr Familiar war schon immer eigenwillig und eigenbrötlerisch gewesen. Er würde schon wieder kommen und sie konnte ihn sowieso fühlen. Momentan befand er sich irgendwo südlich von Birkenhain. Vor ihr zügelte ihr Hagawar sein Pony und wandte sich ihr zu. Das Leder seines Sattels knarrte bei der Bewegung und sein dunkler Umhang rutschte an der einen Seite seines Ponys hinunter. Er trug eine geschnürte Lederrüstung seines Clans, an die mit Schnallen mehrere Messer befestigt waren, über dem langen Hemd und an den Unterarmen die obligatorischen Armschienen mit dem Hyuugazeichen auf dem metallenen Rücken. An dem breiten Schwertgurt trug er die alte Waffe, die er von seinem Vater geerbt hatte, eine lange, elegante Klinge, deren Runenschrift Konan mehr als beeindruckt hatte, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte. Nicht umsonst war sie eine jener legendären Klingen, die sich im Besitz der Hyuuga befanden. Sie wusste, dass er noch sehr viel mehr Waffen trug, von dem schlanken Dolch in den hohen Stiefeln angefangen bis hin zu dem Langbogen, den er über dem Rücken trug. Sie selbst trug nur ihr Athame, eine bronzene Klinge mit silbernen Einlegearbeiten an dem schwarzen Griff, und einen schweren Dolch, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sein dunkles, teilweise zu komplizierten kleinen Zöpfen geflochtenes Haar – viel länger als ihr eigenes – fiel ihm wie Wasser über den Rücken, als er den Kopf zu ihr wandte. Seine völlig weißen Augen gaben den Eindruck eines Blinden, aber der scharfe, beobachtende, beinahe erbarmungslose Blick, dem so gut wie nichts entging, strafte diesem Eindruck Lügen. Konan hatte sich längst daran gewöhnt, doch auch sie konnte nie sagen, ob er ihr wirklich ins Gesicht sah oder einen willkürlichen Punkt seitlich von ihr fixierte oder über ihren Kopf hinwegsah. „Vielleicht sollten wir umkehren.“, sagte Neji schließlich und seine Stimme klang leise, als wolle er den heiligen Frieden dieses natürlichen Tempels nicht stören. Konan schüttelte den Kopf. Eine ihrer blauen Haarsträhnen lösten sich aus ihrer Frisur und fiel ihr ins Gesicht. „Nein.“ Sie deutete auf den Boden und dann nach Norden. „Ich will der Linie folgen.“ Er nickte statt einer Antwort. Auch er war niemand, der gern oder viel sprach. Es war meistens sehr still bei ihnen, aber das störte sie beide nicht. Es war meist eine sehr angenehme Stille. Ruhig schob sie die Haarsträhne hinter ihr Ohr und trieb ihr Pony an, das willig eine schnellere Gangart einlegte. Es schnaubte wohlig und zog an Neji auf seiner schwarzen, weißfüßigen Stute vorbei, der ihnen folgte. Es dauerte nicht lange und sie erreichten den Fuß eines Hügels, wo der Baumbewuchs spärlicher wurde und die Bäume kleiner bis sie in Gesträuch übergingen, das den Wald wie eine Mauer umschloss. Sie suchten sich eine Lücke in dem Unterholz, die wie ein Tor wirkte, und brachen in den hellen Schein der Nachmittagssonne hinaus. Geblendet schloss Konan für einen Moment die Augen. Unter dem Dach der altehrwürdigen Bäume war es doch dunkler, als sie gedacht hatte. Rasch hatte sie sich an das Licht gewöhnt. Der Hügel war völlig frei von Büschen und Bäumen, aber das Gras stand hoch und die bunten Punkte von Herbstblumen waren überall in dem Grün zu sehen. Auf der Spitze des Hügels zeichneten sich scharf die dunklen Schatten eines Steinkreises gegen das Grün und Blau des Hintergrundes ab. Konan zog eine Augenbraue hoch. Sie hatte nicht gewusst, dass sich hier einer der Megalithringe befand. Die Ponys erklommen den Hügel rasch, aber sie zügelten die Pferde, ehe sie den Kreis betraten, und rutschten aus den Sätteln. Nachdenklich musterte sie die hohen Steine, die mindestens doppelt so groß waren wie sie, wenn nicht sogar dreimal. Sie waren alle frei von Moosen und Flechten, als würde sich jemand regelmäßig um sie kümmern. In jeden einzelnen waren grobe Symbole eingearbeitet. Sie trat zwischen zwei der Steine hindurch in den Kreis und fühlte augenblicklich die Macht, die durch ihren Körper fuhr wie ein Blitz, so viel stärker als bei der Kraftlinie, der sie gefolgt waren. Mindestens vier oder fünf von ihnen kreuzten sich in diesem Kreis, ein Bündel von purer, reiner Energie. Die Haare an ihrem Nacken hatten sich aufgerichtet und auf ihren Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet, trotz dass sie warm angezogen war. Sie erschauderte und trat in die Mitte des Kreises um sich von dort umzusehen. Viel konnte sie nicht erkennen. Es war ein normaler Megalithkreis, nicht einmal ein sonderlich großer, vielleicht zehn, fünfzehn Schritt im Durchmesser. Die Steine standen alle etwa zwei Schritt voneinander entfernt. Sie zählte insgesamt zwanzig. Nicht viele. Sie hatte Kreise mit über Hundert von ihnen gesehen, Steine, die leicht vier-, fünfmal so hoch waren wie sie und die fünf große Männer nicht umfassen konnten. Das einzige, was sie hieran störte, waren die Symbole, die in die Steine geritzt waren. Sie erkannte kein einziges davon. Neji stand vor einem und betrachtete die Zeichen. „Kennst du sie?“, wollte er wissen und sie schüttelte den Kopf, während sie zu ihm trat und es ihm gleichtat. Je länger sie die Bilder anblickte, desto bekannter kamen sie ihr vor, aber bestimmen konnte sie sie nicht. Sie wusste, dass sie längst nicht alle Symbole kannte, die Hexen nutzten oder genutzt hatten. Viele waren vergessen, andere wurden so selten verwendet, dass es keinen Sinn machte, sie zu lernen, wenn man sie nicht unbedingt brauchte. Andere wiederum wurden nur von einigen Hexen genutzt, die sich auf bestimmte Zaubereien spezialisiert hatten. Wieder andere wurden nur von Schwarzen Hexen verwendet. Viele waren geheim. Sie hatte keine Ahnung, zu welcher Sparte diese hier gehörten, doch sie wusste, dass die meisten Steinkreise allgemein genutzt wurden und daher ganz frei blieben von Zeichen oder nur von jenen geschmückt wurden, die auch allgemein genutzt wurden. Sie vermutete, dass die Bedeutung dieser Symbole längst in Vergessenheit geraten waren. Eine Schande... Sie hob die Hand und fuhr eines nach. Oder vielleicht war die Bestimmung in irgendeinem alten Buch zu finden. Sie glaubte, sie schon einmal gesehen zu haben, aber sie wusste nicht mehr, wo. Wahrscheinlich irgendwann während ihrer Ausbildung… Sie war nie gut gewesen mit Symbolen und Zeichen. Das Runenalphabet mit all seinen Bezeichnungen und Bedeutungen hatte sie seinerzeit Wochen gekostet. „Wahrscheinlich gibt es ein Buch darüber in der Bibliothek im Zirkel.“, sagte sie. „Ich erinnere mich nicht mehr.“ Sie wandte sich ab. „Aber es gibt keine Anzeichen schwarzer Magie hier.“ Sie beide wussten, dass dies bedeutete, dass sie erneut am falschen Ort waren. Vielleicht war die Person, die sie suchten, nie in den Norden gegangen, sondern in eine andere Richtung. Aber das Pendel hatte eindeutig hierher gezeigt. Vielleicht war es durcheinander gebracht worden von den Energielinien, die sich hier trafen und hatte ihnen die Richtung zum Nexus gezeigt, statt das, was sie eigentlich suchten. Dann hätten sie natürlich ganze Tage damit verschwendet, durch die Wälder zu reiten und nach Anzeichen schwarzer Magie zu suchen. Konan rieb sich frustriert die Schläfen. Tsunade hatte sie beide, Sakura und deren Hagawar Hinata hergeschickt um die seltsamen Vorkommnisse zu Untersuchen, die sich in der letzten Zeit hier ereignet hatten. Menschen waren entführt worden und die offiziellen Behörden konnten nichts tun und waren rasch wieder abgezogen. Was interessierten sie ein paar verschwundene Bauern? Solange keiner ihrer wertvollen Dykae betroffen war, war es ihnen egal. Auch die von den Dorfgemeinschaften organisierten Kriegerverbände, die für solche Zwecke aufgestellt worden waren, seit klar war, dass die Dykae kein Interesse daran hatten, die einheimische Bevölkerung von Silvurra so zu unterstützen, wie sie es eigentlich sollten, hatten nichts gefunden. Da diese Entführungen nur Nachts geschahen, wenn der Mond nicht zu sehen war und sich nicht einmal hinter Wolken versteckte, zur Zeit des Neumondes, hatten die Dorfbewohner jemandem zum Zirkel der Silbernen Flamme geschickt um mit der Obersten Hexenmeisterin zu sprechen. Es hatte förmlich nach schwarzer Magie geschrieen, selbst für einfache Bauern. Tsunade war beunruhigt gewesen – mehr als das, sonst hätte sie wohl kaum zwei ihrer besten Hexen losgeschickt und ihnen eine weitere als Unterstützung versprochen, die demnächst auch ankommen sollte. Darum war Konan also jetzt hier und streifte ohne Ergebnisse durch die Wälder. Und der nächste Neumond war heute Nacht. Und es ging bereits so seit Februar und nie hatte man die Entführung verhindern können. Sie konnten nur beten, dass die Frauen alle noch am Leben waren. Das war eine weitere Eigenheit. Die Entführten waren alle weiblich gewesen – von einer alten Frau bis hin zu einem Kind, nicht älter als acht. „Konan.“ Nejis Stimme riss sie aus den Gedanken. „Wir sollten zurück. Es wird bald dunkel.“ Sie wandte den Kopf zur Sonne und merkte, dass er recht hatte. Heute würden sie nichts mehr finden, egal, ob sie suchen gingen. Wortlos gingen sie zu den Ponys zurück, stiegen in die Sättel und machten sich auf den Weg zurück nach Birkenhain. Birkenhain war ein Dorf von kaum mehr als dreißig Häusern. Dazu kamen die Stallungen und Schuppen, was die Größe des Ortes verdoppelte. Es reichte nicht einmal, um den Talkessel zu füllen, in dem sie sich befanden. Die Hälfte des Bergeinschnitts nahm eine riesige Wiese ein, durch die ein Bergbach floss. Bäume und Unterholz wuchsen am Flusslauf und an den Rändern des Tales, wo die Felswände steil nach oben ragten wie eine natürliche Stadtmauer. Zwei Pässe führten hinaus und der felsige Weg schlängelte sich von einem zum anderen, mitten durch das kleine Dorf und über den großen Dorfplatz mit dem großen Brunnen auf den die gesamte Bevölkerung stolz war, und das große Gemeinschaftshaus, über dessen Tür ein riesiges Elchgeweih hing. In dieser Siedlung kannte jeder jeden. Trotz allem war Birkenhain das größte Dorf der Gegend und darum hatten sie es als ihren Ausgangsort für ihre Suche gewählt. Zudem lag es gut, beinahe direkt in der Mitte und drei der sechs Opfer kamen von hier. Sakura streckte sich gähnend und ihr Rock rutschte über die Knie nach oben und entblößte ihre Beine, die in den hier üblichen Stiefeln steckten. Sie waren jetzt schon fast eine Woche hier und hatten keinerlei Fortschritte gemacht. Konan und Neji hatten die Tage damit verbracht, die Bergwälder im Norden und Osten zu durchsuchen, während Hinata und sie selbst die Dorfbewohner ins Auge fassten. Niemand sagte, dass keiner von ihnen es gewesen sein konnte oder jemand mit dem Täter unter einer Decke steckte. Oder vielleicht wussten sie einfach etwas – eine Beobachtung, ein Hinweis, ein Wink. Nur eine kleine Sache konnte sie ein ganzes Stück weiterbringen. Wenn man betrachtete, dass sie momentan gar nichts hatten… Über ihr raschelten die Blätter im leisen Wind und die untergehende Sonne färbte den Horizont langsam rot und das Wasser des Baches zu ihren Füßen wirkte wie fließendes Gold. Die letzten zwei Stunden hatten sie hier verbracht und die Informationen, die sie ihm Dorf gesammelt hatte, im Kopf herumgewälzt. Jetzt hatte sie beinahe Kopfschmerzen und war kein Stück weiter. Aja, ihr Familiar, eine schwarze, geschmeidige Katze, saß direkt über ihr im Geäst eines Baumes und starrte mit leuchtenden Augen zu dem südwestlichen Pass hinüber. Sakura zog eine Augenbraue hoch und setzte sich auf um ihrem Blick zu folgen. Der Pass war völlig leer. Nur eine Ziegenherde wurde gerade den Weg hinuntergetrieben von der Weide, auf der sie sich tagsüber befunden hatten. Der Hirtenjunge war reichlich spät dran… Sie blickte zu Aja auf, aber die hatte sich nicht gerührt. „Was ist?“, wollte Sakura wissen. Die Katze rührte sich einige lange Sekunden nicht. Dann löste sie sich wie ein Schatten aus den Ästen und sprang zu ihr hinunter. „Da kommt jemand.“ Ihre Stimme war sanft und melodiös. „Huh?“, antwortete Sakura unintelligent und blickte wieder hoch zum Pass. Sie wollte gerade etwas sagen, als der erste Reiter auftauchte. Viel konnte sie nicht erkennen, doch dass es ein Pferd war, das er ritt, und die hohe Standarte, die er vor sich hertrug, zeigten an, dass es sich hier um keinen Boten aus einem der Nachbardörfer handelte. Sondern um einen Dykae. Silvurraner ritten keine Pferde, nicht hier in den Bergen, wo Ponys viel praktischer und sicherer waren. (Und außerdem lange nicht so teuer.) Dass der Standartenträger nicht allein war, sondern dass sich ein ganzer Strom an Reitern und Wagen aus dem Pass in das Tal ergoss, erstaunte sie nicht sehr. Ihre Gedanken überschlugen sich. Dykae waren niemals gut. Silvurraner sahen sie lieber gehen als kommen, aber am liebsten sahen sie sie gar nicht. Diese hier sahen wie eine Reisegruppe aus und sie würden sicher nicht länger hier bleiben als die Nacht. Im Grunde kein Problem, wenn sie sich heute Abend und am nächsten Morgen zurückhielten, vor allem Hinata und Neji... Sakura verschwendete keinen einzigen Gedanken daran, dass die Reisenden betroffen sein könnten. Selbst eine schwarze Hexe wäre nicht so blöd, sich mit Dykae anzulegen. Also waren sie heute wahrscheinlich ziemlich sicher... Was nicht für die Dorfbewohner zutraf. Und es würde schwierig sein, Schutzkreise zu ziehen mit all diesen Fremden im Dorf, die nicht sehen durften, was sie tat. Dass sie eine Praktizierende der Hexerei war. Denn Dykae und Hexerei, das war eine lange, ermüdende Geschichte, über die Sakura manchmal nur lachen konnte, ein bitteres Lachen voller Schmerz und Wut und Trauer. Aber ändern konnte sie nichts davon. Sie seufzte tief, wandte sich von dem Anblick des Trosses ab und brachte das Gebüsch zwischen sich und den südlichen Pass, ehe sie in die andere Gestalt überging. Der Wechsel war inzwischen so vertraut, dass sie die Veränderung ihres Körpers kaum mehr spürte. Sie schrumpfte drastisch, ihre Kleidung verschwand, rotgetigertes Fell breitete sich auf ihrem Körper aus, ihr Gesicht veränderte sich. Als Katze war sie einfach schneller und sie wollte mit Hinata sprechen, ehe die Fremden ankamen. Aja sah ihr teilnahmslos zu und einen Moment huschten die beiden Katzen gemeinsam durch das hohe Gras. Es gab nicht viele Orte, wo Hinata sich aufhalten konnte. Entweder sie war im Gasthaus, im Stall bei ihren Ponys, am Brunnen oder irgendwo mit den Kindern. Wenn sie den Tross bemerkt hatte – was wahrscheinlich war, war sie wahrscheinlich bereits auf dem Weg ins Gasthaus, wo sie sich mit ihrer Hexe treffen würde. Also würde Sakura zuerst dort nachschauen. Die Kraft des Katzenkörpers brachte sie innerhalb von Sekunden zu dem großen Gebäude am Rande des Dorfplatzes. Es war uralt und stammte noch aus der Zeit, als die Silvurraner ein freies, reiches Volk gewesen waren. Drei Stock hoch ragte es in den Himmel, mit zwei Nebenanbauten rechts und links und einem großen Hof, der von einem Schuppen und Ställen umschlossen wurde. Der mächtige Kastanienbaum der im Hinterhof wuchs, überragte das Dach des Gebäudes. In der Herberge war viel Platz für Gäste, aber die meisten Zimmer wurden nicht mehr genutzt, so dass das oberste Stockwerk völlig leer stand. Jetzt würde der Wirt Gelegenheit haben, das zu ändern. Sakura erspähte das offen stehende Fenster, das in den großen, gemütlichen Schankraum führte, in dem sich Abends die halbe Dorfbevölkerung zusammenfand, innerhalb eines Augenblicks und schoss darauf zu, Aja wie ein schwarzer Schatten auf den Fersen. Ihrem Katzenkörper bereitete es keinerlei Schwierigkeiten auf das schmale Fensterbrett zu springen, an dem ein Blumenkasten befestigt war, und dann sofort in den Raum zu gleiten. Federnd landete sie auf dem nächsten Tisch und stolziere mit erhobenem Schwanz zum anderen Ende. Aja kam lautlos hinter ihr auf. Einige Meter rechts von ihrem Fenster befand sich die große Eingangstür. Auf dieser Seite zog sich ebenfalls der große Tresen quer durch den Raum. Gegenüber der Tür befand sich eine weitere, die zum Treppenhaus führte, der Hintertür und den Hinterzimmern. An der Decke hing ein Wagenrad zwischen dem Gebälk, das als Kerzenhalter fungierte. Der Mittelpunk des Raumes war jedoch die große Feuerstelle, die sich in der linken Hälfte des Raumes befand. Um sie herum gruppierten sich Tische, Bänke und ein paar Stühle. Der Boden war mit sauberen Binsen bedeckt und auch sonst war alles blitzblank. Momentan befand sich niemand im Raum, da die Leute alle nach draußen geeilt waren um die ankommenden Dykae zu beobachten, doch schon schwang die Hintertür auf und Hinata stürmte herein. Sie trug ein einfaches Kleid, was unter der maßgefertigten Hyuugalederrüstung etwas seltsam aussah. Momentan fingerte sie mit ihrem Schwertgurt herum, an dem eine der berühmten Hyuugaklingen hing. Das Licht der untergehenden Sonne, das durch die Fenster fiel, fing sich auf dem Metallrücken ihrer Armschienen und ihre hohen Stiefel, die unter dem Rocksaum zu sehen waren, waren dreckig, als sei sie eben noch durch einen Garten gestiefelt. Ihr langes Haar fiel ihr über den Rücken bis zur Hüfte, teilweise eingeflochten in ein paar kleine Zöpfe, wie es bei ihrer Familie üblich war. Unter der Kleidung, die zwar tailliert geschnitten war, konnte man deutlich die weiblichen Rundungen erkennen, die Hinata schon immer ausgezeichnet hatten. (Manchmal war Sakura neidisch auf sie, vor allem, wenn sie gemeinsam badeten und sie ihren eigenen knabenhaften Körper direkt mit den vollen Brüsten und breiten Hüften Hinatas vergleichen konnte. Dann wiederum nahm sie an, dass Hinata ihre eigene Figur auch nicht immer begrüßte...) Ihre sanften, völlig weißen Augen erfassten die beiden Katzen sofort und sie kam zu ihnen herüber, während Sakura auf den Boden sprang und wieder ihre eigene Gestalt annahm. „Wa...was passiert jetzt?“, wollte die junge Hyuuga wissen und spähte aus dem Fenster. Sehen konnte sie nicht viel, da die Häuser die Sicht auf die Dykae versperrten. „Nichts. Ich werde aufpassen müssen, wenn ich den Schutzkreis ziehe, aber das betrifft dich nicht.“ Hinata wandte sich ihrer Hexe zu. Ihr Augen waren weit und verschreckt. „A...aber...“ Sakura zuckte die Schultern und fuhr sich durch ihr kurzes Haar, das die Farbe von Rosenblüten hatte. „Sie werden vermutlich morgen wieder abziehen und uns nicht weiter stören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich eine schwarze Hexe an ihnen vergreift.“ Zögerlich nickte Hinata. „Trotzdem müssen wir aufpassen. Aja, du kannst sie leicht im Blick halten. Wahrscheinlich steigen sie in der Herberge ab und du bleibst einfach hier im Schankraum.“ Die Katze nickte, eine sehr menschliche Geste. Allerdings wusste die Familiar das auch und sie würde sich verhalten wie eine normale Katze, wenn die Dykae sie sahen. Damit hatte sie schließlich Übung. „Hinata, du musst außer Sicht von den Fremden bleiben. Du bist etwas auffälliger als Aja. Außerdem müssen Konan und Neji gewarnt werden, nicht dass sie völlig unvorbereitet auf sie treffen. Am besten du wartest am Pass auf sie. Wahrscheinlich kommen sie bald, aber nimm trotzdem eine Decke mit, falls sie die Zeit vergessen haben. Ich versuche ebenfalls außer Sicht zu bleiben. Oder zumindest nicht mehr aufzufallen als die anderen Dorfbewohner.“ Sakura warf nun ihrerseits einen Blick nach draußen. „Aber vielleicht werden wir die Zimmer räumen und im Stall schlafen müssen.“ „Ist vielleicht besser so.“, meinte auch Aja und leckte sich über die Pfote, mit der sie sich über die Ohren fuhr. Dann löste sie sich von ihrem Platz und huschte zu der Herdstelle hinüber, in der noch Glut glimmte. Sie rollte sich daneben zusammen und beobachtete die beiden jungen Frauen aus leuchtenden Augen. Hinata nickte ebenfalls und verließ den Raum auf dem Weg, auf dem sie auch hineingekommen war – durch die Hintertür. Sakura gesellte sich seufzend nach draußen zu den Dorfbewohnern und sah zu, wie die Dykae wie Herren in ein Dorf einzogen, das sie noch nie vorher gesehen hatten. Kapitel 2: If you ride with me this night ----------------------------------------- „Was soll das heißen, keine einzelnen Badezimmer, Mann?!“ Der hochgewachsene, blonde Lord stützte sich auf dem Tresen der Herberge ab und beugte sich drohend nach vorne, sein zorniges Gesicht zeigte deutlich, wie aufgebracht er war. Der Wirt stand hinter der Theke und sah aus, als wüsste er nicht, ob er kleinlaut zurückweichen, trotzig das Kinn heben und eine patzige Antwort geben oder einfach nur lachen sollte. Pein hätte sich für die letzte Möglichkeit entschieden, aber er blieb ruhig neben der Szene stehen und wartete. Und für den Wirt standen auch völlig andere Dinge auf dem Spiel als für ihn. „Entschuldigt, Milord, aber es gibt hier nun mal nur den Baderaum. Wir werden selbstverständlich dafür sorgen, dass das Wasser sauber ist.“ Der Angesprochene starrte den Silvurraner an, als wüsste er nicht, was er darauf antworten sollte. Dann holte er tief Luft und schimpfte von neuem los: „Ich verlange ein Badezimmer, wo ich nicht von irgendwelchen ... Bauern gestört werde!“ „Ihr könnt warten, bis die anderen fertig sind?“, bot der Wirt mit gerümpfter Nase an. „Nein! Ich verlange...“ Pein zog eine Augenbraue hoch. Ob das noch lang ging? Er wollte eigentlich ein paar Dinge fragen, klären... Und das, ohne dass jemand aus dem Tross dabei war, keiner seiner ‚Schützlinge’. Sonst hätte er auch sofort zum Kazekage gehen können. Manchen Leuten unter den Speichelleckern, die dem hohen Adligen folgten, war Akatsuki ein Dorn im Auge und viele hätten es lieber gesehen, wenn nicht sie die Karawane begleitet hätten, sondern noch ein oder zwei Dutzend Soldaten. Obwohl – und das wusste nicht nur Pein ganz genau – Akatsuki niemals mit einfachen Soldaten aufgewogen werden konnte. Aber im Grunde war es ihm egal. Er wollte nur sein Geld, nachdem dieser Auftrag erledigt war und sie wieder abziehen konnten. Aber dafür mussten sie erst einmal die Reise überstehen und Birkenhain. Pein fuhr sich durch die Haare und blickte sich um. Außer dem noch immer schimpfenden Lord und dem Wirt befanden sich drei Mägde im Raum sowie ein paar Diener aus dem Tross und Itachi und Kisame, außerdem ein junges Mädchen mit schulterlangem, pinkem Haar und schönen, grünen Augen, das offensichtlich ebenfalls ein Gast war. Es war schlank und trug einen langen, weinroten Wollrock, dazu ein helles Hemd und ein eng geschnürtes Mieder, das nicht verbarg, dass sie im Grunde nichts vorzuweisen hatte an weiblichen Rundungen. Ihr Lächeln war hell und freundlich und sie wirkte ebenso selbstbewusst wie eine seiner Kriegerinnen oder Temari von Sabaku, was nicht viele Frauen erreichen konnten. Eine der drei Kellnerinnen plauderte mit ihr, während die andere geschäftig herumwerkelte, Tische abwischte und Stühle und Bänke ordentlich hinruckte, und die letzte mit Kisame schäkerte. Auf dem Tresen lag eine große, schwarze Katze und beobachtete die Szene vor ihr aus gelben Augen mit einem Ausdruck in dem kleinen Gesicht, als würde sie sich ebenfalls über den aufgebrachten Lord amüsieren. Pein hätte am liebsten den Kopf an die Wand gehauen. Das war heute schon das zweite Mal! Das zweite Mal, dass er ein Tier betrachtete, als wären sie Menschen. Es war nicht so, dass er Tiere für geringer als Menschen halten würde, aber es gab einfach Dinge, die tat ein Tier nicht. Zum Beispiel sich über Leute amüsieren, die sich gerade lächerlich machten. Oder berechnend sein. Das war doch nicht normal. Der Gedanke verstärkte sich, als die Katze den Kopf zu ihm wandte und ihn musterte. Er starrte einen Moment zurück, dann riss er sich von ihr los und trat nach vorn um dem Streit ein Ende zu setzen. „Sir Eneas, es wäre vielleicht besser, sich damit zufrieden zu geben. Badehäuser bauen sich nicht in einem Augenblick.“ „Was geht das Euch an?!“, schnaubte der Lord, der zu ihm herumfuhr und ihn hochmütig anblickte. Der spöttische Ton, den Pein benutzt hatte, kam gar nicht gut bei ihm an. „Es geht mich insofern etwas an, dass ich hier schon eine ganze Weile warte und mich eigentlich um meine Pflichten kümmern müsste. Bitte, Ihr habt den Wirt gehört...“ Sir Eneas rümpfte angewidert die Nase. „Was versteht Ihr schon von Hygiene und Sauberkeit?! Dreckiger Söldner...“, setzte er im Weggehen hinzu, obwohl klar war, dass Pein es hören sollte. Der ignorierte ihn. Was wusste ein geschniegelter Schönling wie Eneas von ihm, seinem Beruf oder wirklicher Arbeit? Er blickte dem Mann nach, während seine Hand vorschnellte, um den Wirt am Arm zu packen, der ihn erstaunt und etwas erschrocken anblickte. „Wartet einen Moment. Ich habe ein paar Fragen.“ „Ich ... glaube nicht, dass ich Euch helfen kann, Sir Ritter.“ „Ich denke schon und ich bin kein Ritter.“ Pein wandte sich ihm zu. Der Mann blickte ihn misstrauisch und etwas ängstlich an. Er hatte sofort erkannt, dass zwischen dem Lord und Pein ein himmelweiter Unterschied bestand und dass er auf keinen Fall der schlechten Seite von letzterem stehen wollte. Pein lehnte sich gemütlich an den Tresen. „Sagt, ist in letzter Zeit etwas seltsames passiert in diesem Dorf?“ Die Art, wie sich die Augen des Wirtes auf einmal verengten und sein Körper sich plötzlich anspannte, sagte ihm, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Doch der Mann fing sich schnell. Er dachte nach oder tat zumindest so und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste. Zumindest nichts, was einen Ritter wie Euch interessieren könnte. Nur die üblichen Kleinigkeiten.“ Pein hatte nicht nach den ‚üblichen Kleinigkeiten’ gefragt, ebenso wenig wie nach Lügen. „Und ihr seid Euch ganz sicher? Ich habe da ein paar Gerüchte gehört und mach mir jetzt Sorgen. Bin immerhin für die Sicherheit der hohen Leute hier verantwortlich.“ Das stimmte nicht ganz – Akatsuki sollte nur als Zugabe dienen und das Oberkommando hatte im Grunde der Offizier des Kazekagen, Baki, inne – aber es würde sicher nicht schaden, es zu sagen. Mit seinen Worten hatte er anscheinend ins Schwarze getroffen. „Hört zu.“, sagte der Wirt und beugte sich vor. „Es gibt hier nichts, was Euch oder Eure Herrschaften betreffen würde.“ Damit meinte er wohl tatsächlich nichts, weder eine Gefahr noch überhaupt etwas, nicht die Leute, nicht das Land, nicht das Dorf – nichts. „Die Landsknechte waren hier und haben sich um die Angelegenheit gekümmert. Sie sind aber schon lange wieder weg.“ Was wohl bedeutete, dass sie nur versucht hatten, die Sache zu lösen, es aber nicht geschafft hatten. „Also, keine Probleme für Euch, nicht wahr? Keine für uns und morgen seid Ihr wieder unterwegs wohin auch immer.“ „In die Hauptstadt.“, erklärte Pein kurz und fügte halb spöttisch, halb im Ernst hinzu: „Vielen Dank für Eure Hilfe.“ Damit drehte er sich um. „Itachi! Kisame!“ Die beiden blickten sofort auf und kamen auf seinen Wink herüber. Ihre Kettenhemden rasselten mit jedem Schritt und Kisames großes Kriegsbeil Samehada, das er stets auf dem Rücken trug, blieb beinahe an einem der niedrigeren Balken hängen. Kisame selbst war ein Riese von einem Mann, mit einem massigen Körper, aber keinem Gramm Fett auf den Rippen. Er schien beinahe nur aus Muskeln zu bestehen und Pein wusste, dass er sie gut einzusetzen wusste. Er stammte von dem Meervolk ab, das weiter im Westen lebte und dementsprechend sah er auch aus; seine Haut und sein Haar waren blau und er erinnerte entfernt an einen Hai. Wie er mit diesem Aussehen die Aufmerksamkeit von Mädchen auf sich lenkte, war jedem ein Rätsel, vor allem, wenn sein bester Freund, Itachi, neben ihm stand. Itachi hatte die klassische Schönheit, die in seiner Familie vorherrschte, geerbt. Ein schlanker, athletischer Körper, engelhafte Gesichtszüge, blasse Haut und dazu kontrastierendes schwarzes, glattes Haar und kohlfarbene Augen. Doch sein unbewegtes Gesicht wirkte vorwiegend wie in Stein gehauen und er schwieg die meiste Zeit. An seinem breiten Schwertgurt hingen außer der langen zweihändig geführten Bastardklinge zwei Dolche und ein weiteres Kurzschwert und Pein hatte schon mehr als einmal gesehen, dass er sie alle in einem Kampf eingesetzt hatte. Itachi war ein meisterhafter Kämpfer und außerdem sein Vizekommandant. „Ruft die anderen zusammen.“, befahl Pein kurz. „Und beeilt euch. Wir treffen uns vor dem Stall.“ „Alles klar.“, antwortete der Blauhaarige und die beiden verschwanden nach draußen. Der Zurückbleibende warf einen kurzen Blick durch den Raum, auf das grünäugige Mädchen, das ihn einen Moment zu lang anblickte, und auf diese verdammte Katze, die ihn noch immer anstarrte und folgte den beiden hinaus. Bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, sah er gerade noch wie die Grünäugige zu dem Wirt an den Tresen trat... Die Sonne war inzwischen beinahe gänzlich hinter dem Horizont verschwunden und es war beinahe dunkel im Tal. Die meisten Dorfbewohner hatten sich bereits in ihre Häuser zurückgezogen, doch noch immer herrschte geschäftiges Treiben. Der Tross der Dykae hatte auf der großen Wiese vor der Siedlung ihr Lager aufgeschlagen. Der Kazekage, seine Familie und die wenigen Glücklichen, die schnell genug gewesen waren, hatten sich in der Herberge eingemietet, der Rest – darunter die Diener, die Soldaten und auch Akatsuki – mussten mit den Zelten vorlieb nehmen, die sie im Grunde seit ihrem Aufbruch aus der Hauptstadt des Kaisers genutzt hatten. Selten hatten sie in irgendwelchen Siedlungen gelagert und nie hatte der Platz in den Herbergen für alle Reisenden gereicht. Pein wandte sich um und wollte gerade um das Haus herumgehen, als ein heiseres Krächzen seine Aufmerksamkeit an sich riss und er blickte auf, suchte mit den Augen nach dem Verursacher. Auf dem Dachfirst saß ein Rabe. Es war ein großes, gutgenährtes Tier und blickte ihn direkt an. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, würde er sagen, dass es der Rabe war, den er bereits heute Mittag gesehen hatte. Aber wie konnte das sein? Es wäre doch schon ein sehr großer Zufall, dass der Vogel sich direkt hier niedergelassen hatte. Und ihn jetzt erneut beobachtete, mit diesem stechenden, berechnenden Blick und schiefgelegtem Kopf. Pein spuckte aus und setzte seinen Weg fort. Das erste, was einem ins Auge sprang, wenn man den Hinterhof der Herberge betrat, war der mächtige Kastanienbaum, dessen riesiger Stamm sich wie ein Pfeiler aus dem Boden hob. Man hatte Laternen angezündet, so dass der gepflasterte Platz in gelbliches Licht getaucht war. Kotetsu und sein Freund Izumo warteten bereits auf ihn. Grüßend nickten sie ihm zu, als er sich zu ihnen gesellte, doch keiner von ihnen sagte ein Wort. Izumos braunes Haar glänzte im Licht der Stalllaterne, die über ihm hing, und sein freundliches Gesicht wies tiefe Schatten auf. Er hockte am Boden und schärfte sein Schwert. In das gleichmäßige Geräusch des Schleifsteines mischte sich das Summen der Mücken, die um die Laternen schwirrten, und das leise Rauschen des Windes in den Ästen des Baumes. Nach und nach trudelten die anderen ein. Der narbige Ibiki, der auch noch die letzte Information aus seinen bemitleidenswerten Opfern herausbekam, und der blonde Inoichi mit seiner Tochter Ino, die nie geplant gewesen war, aber jetzt trotzdem Papas kleine Prinzessin, und die bei Ibiki in die Lehre ging. Tsume mitsamt ihren beiden Kindern und den fünf Hunden. Dann Kakuzu, der große Krieger aus der Wüste. Zuletzt kamen Itachi und Kisame in Begleitung des lebhaften Deidara, den manche Leute für Inos Bruder hielten, was beide nie laut genug bestreiten konnten. Pein stieß sich von der Stallwand ab, an der er gelehnt hatte, und trat nach vorn. Izumo stellte seine Schleifarbeit ein und der Kreis der Söldner schloss sich so eng wie möglich. „Kotetsus Freund hat uns vorgeschlagen, aufzupassen und ich habe gerade den Wirt auf die Sache angesprochen. Es war ziemlich deutlich, dass hier in letzter Zeit etwas Seltsames vor sich geht.“ „Er hat das gesagt?“, fragte Kotetsu ungläubig und wurde dann rot, als sich alle Blicke auf ihn richteten. „’tschuldigung. Ich hab nur nicht gedacht, dass irgendwer dir – uns – etwas sagen darüber würde.“ Pein schloss für einen Moment die Augen. „Hat er auch nicht. Er hat im Grunde alles abgestritten, aber ich kann Menschen gut genug lesen um zu sehen, wann ich ins Schwarze getroffen habe. Und hier ist definitiv etwas faul.“ Er blickte sie nacheinander an. „Anscheinend haben die Landsherren keine große Lust, das zu untersuchen. Wahrscheinlich hat es bis jetzt nur Silvurraner betroffen und die wollen das wohl selber klären.“ Pein zuckte die Schultern und fuhr dann sarkastisch fort: „Um ihnen diesen Willen zu lassen und dass wir morgen wie geplant weiterreisen können, werden wir in dieser Zeit besser aufpassen. Jeder von uns wird eine Schicht übernehmen und…“ „Zusätzlich?“, wollte Kiba wissen und er sah beinahe entsetzt aus. Pein nickte. „Außerdem will ich, dass ihr euch im Dorf und im Tal umschaut. Tsume, Hana, Kiba.“ Er wandte sich direkt an die drei. „Nehmt die Hunde und schaut euch im Tal um. Kotetsu, Ibiki, Ino, Inoichi, hört euch unter den Dorbewohnern um. Ich bezweifle, dass sie auf ihr Vergnügen in der Herberge verzichten, nur weil ein paar Dykae hier herumlümmeln.“ Ein Blick zu Kotetsu, der ironisch grinsend nickte, bestätigte diesen Verdacht. „Itachi, das Mädchen mit dem pinken Haar, das vorhin ebenfalls im Schankraum war – behalt sie ihm Blick. Wir anderen schauen uns ebenfalls um, vor allem aber im Dorf. Alles klar?“ Sie nickten. „Ich sag euch nachher, wann und wo ihr Wache halten werdet.“ Eine Handbewegung sorgte dafür, dass sie sich auflösten und in verschiedene Richtungen davon strebten, um ihren Aufgaben nachzukommen. Pein seufzte, fuhr sich durch die Haare und folgte. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass dies eine lange Nacht werden würde – gefolgt von einem stressigen Morgen. Und das gefiel ihm gar nicht. Der Rabe saß noch immer auf dem Dachfirst, auch wenn er nur noch als völlig schwarzer Schatten zu erkennen war. Aber das heisere Krächzen, das der Wind zu ihm heruntertrieb, sagte genug. Sakura blickte dem hinausgehenden Krieger einen Moment nach, ehe sie sich erhob und zum Tresen huschte. Sie fuhr Aja, die unter der Berührung genüsslich schnurrte, über das glatte, schwarze Fell und beugte sich vor. „Was hat er gewollt?“ „Huh?“ Der Wirt, dessen unfreundliches Verhalten abgefallen war, sobald der Mann gegangen war, blickte sie an. „Ein Badezimmer, das…“ „Nein, ich meine den anderen.“ Sie nickte zur Tür. Der Wirt warf einen Blick hinüber und zuckte die Schultern, wenn auch sein Stirnrunzeln zeigte, wie besorgt er war. „Er hat mich gefragt, ob es in letzter Zeit seltsame Vorkommnisse gab. Hat anscheinend Gerüchte gehört.“ „Aha.“, antworte Sakura und rief sich noch einmal die schlanke, muskulöse Gestalt ins Gedächtnis, das flammendrote, wilde Haar und die furchteinflößenden Augen mit dem wellenartigen Muster. Auch der Rest seiner Aufmachung – die zweckmäßige Kleidung, das Kettenhemd, die Waffen und nicht zuletzt der auffällige Gesichtsschmuck von einer Art, die sie noch nie gesehen hatte – hatten nicht gerade von einem der herausgeputzten Ritter oder einem einfachen Soldaten gesprochen. Auch die Art, wie er sich hielt, sich bewegte, sich umsah, sprach – oder besser, nicht sprach – hatten noch zu diesem Eindruck beigetragen. Der Krieger hatte ihr einen kühlen Schauer über den Rücken gejagt und seine dunkle, aber dennoch strahlende und vor allem kraftvolle Aura hatte ihr inneres Auge geblendet. Es war selten, eine solche starke Aura bei einem einfachen Menschen zu sehen. Gedämpftes Blau und Violett waren die vorherrschenden Farben und wirbelten in verwirrenden Mustern um ihn herum und Flecken von Rot, Weiß, Schwarz und Grau trugen zu dem chaotischen und nahezu manischen Tanz bei. Sie hatte es nicht gewagt, ihn ein zweites Mal mit allen offenen Sinnen anzublicken. Und er war nicht der einzige gewesen, der eine kraftvolle Aura gehabt hatte, wenn auch keine an die des rothaarigen Kriegers heranreichte. Doch auch das kräftige Rot des blauhäutigen Riesen und das tiefe Violett des Schwarzhaarigen waren ihr sofort aufgefallen und sie hatte ihr Inneres Auge vor ihnen verschlossen. Diese Männer waren etwas Anderes. Etwas Besonderes. Und doch schienen sie nur einfache Söldner zu sein. Trotzdem nahm sie sich vor, sich in Acht zu nehmen und Konan vor ihnen zu warnen, wenn sie zurück kam. Er hatte sie angesehen, als würde er etwas hinter ihr vermuten. Dann die Fragen, die er dem Wirt gestellt hatte. Und der misstrauische Blick, den er Aja geschenkt hatte… Ahnte er etwas? Wusste er, dass die schwarze Katze eigentlich gar keine Katze war sondern ein Familiar? Würde er mit seinem Wissen zu seinem Herrn gehen, auf dass sie die Hexenjagd beginnen konnten? Und wenn ja, was würden sie selbst tun? Konnten sie sich verstecken oder würde jemand auf sie aufmerksam machen? Oder würde man ganz einfach auf sie kommen, da sie sichtlich nicht in das Dorf gehörte – und momentan neben den Dykae die einzige Reisende war, wenn man Hinata nicht mitzählte, die leicht als ihr Hagawar zu erkennen war mit den weißen Hyuugaaugen, der Hyuugatracht und den Hyuugawaffen? Aja riss sie aus den Gedanken, in dem sie sich unter ihren streichelnden Händen herauswand und vom Tresen sprang. Verdutzt blickte sie dem Familiar nach, der über den Boden huschte, direkt auf eine winzige Gestalt zu. Sakura musste lächeln, als sie das kleine Mädchen musterte, das auf unsicheren Beinen durch den Schankraum lief. Es konnte kaum älter sein als zwei Jahre und trug ein glückliches Lächeln auf dem runden Gesicht. Die feine Kleidung sowie die Tatsache, dass sie das Kind noch nie gesehen hatte, deutete darauf hin, dass es zu den Dykae gehörte. Das weizenblonde Haar hing ihr in kleinen, wilden Löckchen bis zu den Schultern. Aja liebte kleine Kinder, ganz egal, von welcher Art, aber Menschenkinder ganz besonders, denn die hatten weder Angst vor ihr noch jemanden, der ihr verbat, sie anzusehen – Tiermütter wachten meist sehr viel eifersüchtiger über ihren Nachwuchs, vor allem im Angesicht von Katzen. Menschliche Mütter hatten eher eine gegenteilige Reaktion. Das kleine Mädchen lachte, als es die Katze bemerkte und stolperte auf sie zu. Die Katze schnurrte und strich um den kleinen Körper herum, während die tatschenden Händchen in ihrem Fell wühlten. Sakura musste lächeln und trat zu den beiden, um neben ihnen in die Hocke zu gehen. „Na, du kleine Süße? Wo kommst du denn plötzlich her?“ Sakura blickte sich suchend nach der Mutter oder der Amme des Kindes um, aber da war niemand zu sehen. Ob es sich allein auf Entdeckungsreise gemacht hatte und nun alle Leute verschreckt nach ihr suchten, während sie ihren ahnungslosen Spaß mit einer Katze hatte? Sakura gestattete sich ein Lächeln und fuhr Aja über den Rücken. Das Kind lachte und blickte sie an, um dann nach ihren Haaren zu greifen. Anscheinend faszinierten die sonderbar gefärbten Strähnen sie ebenso wie die Katze, die jetzt ihren Kopf an der Brust des Mädchens rieb und seine Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte. „Na? Hast du nicht jemanden verloren oder zurückgelassen, du freches, kleines Ding?“ Sie streichelte dem Mädchen über den Kopf. Das Kind schien selbst von Fremden begeistert zu sein, während andere Kinder in ihrem Alter eher an den Eltern oder bekannten Personen klebten wie Kletten. „Komm, vielleicht sollten wir deine Mutter suchen?“ „Ma.“, sagte das Mädchen bestimmt und lachte, während es auf die Tür deutete. „Kadde.“ Sie langte wieder nach Aja, die schnurrend um es herumstrich. „Schööön.“, machte es und klang dabei höchst zufrieden. Sakura musste lächeln. „Also schön, deine Mutter wird wohl von allein kommen, oder? Oder deine Amme? Das hier ist Aja.“ Sie zeigte auf den katzengestaltigen Familiar, der noch immer kräftig schnurrte. „Ich bin Sakura. Und du?“ „Aja.“, wiederholte das Kind ohne auf die Frage einzugehen. „Ajajajajaja.“ Die Hexe kicherte. „Ja, genau. Aja.“ „Jajajaja.“, plapperte das Mädchen und tatschte wieder auf der Katze herum. Sakura runzelte die Stirn. Aja mochte sich das gefallen lassen, aber jede andere Katze wäre bereits fauchend verschwunden. „Neinnein, das machst du falsch. Das tut dem Tier weh.“ Diesmal bekam sie die Aufmerksamkeit der Kleinen. „Aua?“, fragte sie und Sakura nickte. „Schau, wenn du sie streicheln willst, musst du das so machen.“ Sie nahm die Hand der Kleinen und führte sie über den Rücken der Katze. Begeistert ließ das Kind sich helfen und ging auch, nachdem die Hexe seine Hand losgelassen hatte, behutsam und vorsichtig vor. Sakura blickte sich um, als die Tür etwas zu heftig aufgestoßen wurde und ein blonder Junge hereinstürzte. Er war größer als sie, schlank und seine Haut war sonnengebräunt, obwohl die Sonne nicht mehr oft am Himmel stand und der ständige Nebel Silvurras ihre Strahlen sowieso beeinträchtigte. Sein goldenes Haar stand in alle Richtungen ab und lud geradezu ein, sie mit einem Kamm bearbeiten zu wollen. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Sakura, dass er wohl kaum mehr ein ‚Junge’ war, sondern eher so alt wie sie selbst. Aber der spitzbübische Ausdruck in seinem Gesicht und die strahlend blauen Augen schienen seinem Alter Lügen zu strafen. Er warf ein breites Grinsen in die Runde, ignorierte die teilweise feindseligen Blicke, die die Silvurraner ihm zuwarfen und schlenderte zum Tresen. „Guten Abend. Meine Mutter möchte wissen, ob wir hier die Badezimmer auch benutzen können oder mit dem Bach Vorlieb nehmen müssen.“ Der Wirt musterte ihn kühl. Wahrscheinlich fragte er sich, ob sich die Szene von vorher wiederholen würde, nur das diesmal kein seltsamer Krieger dazwischen gehen würde, denn es war keiner da. Aber darum, die Frage zu beantworten, kam er nicht. „Falls Ihr einen Terz um Einzelräume machen werdet, nein.“ „Huh?“ Die Verwirrung stand dem Blonden ins Gesicht geschrieben. „Vorhin war jemand hier“, erklärte Sakura von ihrem Platz neben dem Mädchen, ehe er fragen konnte. Der Einfluss des Kindes hatte sie dazu gebracht, selbst mit einem älteren Dykae in normalem Ton zu sprechen, auch wenn sich das wohl rasch wieder ändern würde. „der unbedingt ein Einzelraum zum Baden brauchte. Er war sehr unverschämt und arrogant.“ „Eh?“, machte der Blonde verdutzt. „Wer kommt auf so blöde Ideen?“ „Adlige Dykae?“, antwortete sie spitz. Er kratzte sich am Kopf. „Das könnte sein.“ Dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte. Sakura starrte ihn an. Sie gab es zu, sie hatte noch nie viele Dykae getroffen und die meisten waren von dem Schlage, wie sie hier herumwuselten – entweder hochnäsige Adlige, die in Silvurra nur ein lästiges Anhängsel des Kaiserreiches und ein Brutherd für schwarze Hexen sahen, oder ihre geschäftigen Diener, die sich kaum um etwas anderes kümmerten als ihre Arbeit oder ihrer Herrschaft nicht unangenehm aufzufallen, indem sie mit den verhassten, gefürchteten Einheimischen sprachen. Dieser junge Mann war anders. Offen, freundlich, lustig, nicht viel anders als die Dorfbewohner oder als die Leute, die sie von zuhause kannte, oder jeder andere Silvurraner. Und er hatte das schönste, breiteste Grinsen, das Sakura je gesehen hatte. Sie kam nicht umhin, ihn leicht anzulächeln und sie bemerkte, wie sich sanfte Röte auf ihre Wangen stahl. Rasch blickte sie zur Seite. Doch er kümmerte sich nicht weiter um sie und wandte sich wieder dem Wirt zu und legte sich die Hand auf die Brust. Es würde feierlich aussehen, wenn er es nicht so übertrieben tun würde. „Ich verspreche, wir werden uns nicht über solche Kleinigkeiten wie zehn Bottiche in einem Zimmer aufregen, weder mein Vater noch meine Mutter noch ich. Wir sind nur arme Reisende auf der Suche nach Wissen und…“ Auch der Wirt musste lachen. „Nun gut, ich nehme dich beim Wort, Junge. Momentan werden die Wannen alle besetzt sein, aber ich werde dafür sorgen, dass ihr sauberes Wasser bekommt. Wollt ihr auch was zu essen?“ „Äh... Ja, das auch, danke! Das ist alles sehr freundlich von Euch.“ Der Blonde grinste und der Wirt nickte freundlich und ging davon, um den Mägden bescheid zu sagen. Der Blonde lehnte sich an den Tresen und grinste Sakura einen Moment an, ehe er das Mädchen neben ihr bemerkte, das noch immer die Katze streichelte. Jetzt blickte es auf. Anscheinend kannte es den jungen Mann, denn es löste sich von Aja und stolperte auf ihn zu. „Na’u.“ Das Kind lachte ihn an und er ging neben ihm in die Hocke. „Hallo, Kleines. Bist du Ayame mal wieder weggelaufen? Wetten, dass sie wieder mal einen Schock erlitten hat? Du solltest deine arme Amme nicht so stressen.“ Er tätschelte dem Kind den Kopf und grinste Sakura dann an. „Sie ist schon während der Reise ständig auf Erkundungsreise gegangen und treibt Ayame, ihre Amme, dabei regelmäßig in den Wahnsinn.“ Dann streckte er die Hand aus, die Sakura beinahe nur aus Reflex ergriff um sie zu schütteln. Sein breites, freundliches Lächeln brannte sich in ihr Gedächtnis. „Ich bin Naruto. Mein Vater ist Wissenschaftler, wir reisen aus Sicherheitsgründen mit dem Tross des Kazekagen.“ „Sakura.“, antwortete sie ohne Nachzudenken. „Hier wegen...“ Sie verstummte und biss sich auf die Lippe. Beinahe hätte sie sich verplappert. Wenn sie ihm gesagt hätte, dass sie hier waren wegen den Entführungen und dass sie vom Hexenzirkel der Silbernen Flamme kamen, wäre hier die Hölle los. Das einzig Lustige daran wäre vermutlich seine Reaktion auf die Tatsache gewesen, dass er gerade einer Hexe die Hand schüttelte. Sie hätte beinahe gekichert, fing sich aber und fuhr fort: „Wir sind auf der Durchreise. Also, meine Freunde und ich. Momentan warten wir auf noch jemanden.“ Das würde erklären, warum sie morgen früh nicht mit der Allgemeinheit aufbrachen. Und es war nicht mal unwahr – sie warteten auf Shizune und Genma und auf einen Hinweiß, der sie einen Schritt weiter bringen würde bei ihren momentanen Problem. Hoffentlich hatten Konan und Neji etwas gefunden. Sie verpasste durch ihre abschweifenden Gedanken die erste Hälfte von Narutos Satz. „...denn hingehen?“ „Huh?“ „Wo ihr hingeht? Bei uns ist es nicht so üblich, dass die Leute reisen. Nur die, die sich’s leisten können.“ Sakura lachte verlegen und fragte sich, was sie darauf sagen sollte. Dann beschloss sie, so nahe bei der Wahrheit zu bleiben, wie sie konnte, wenn sie das ganze auch etwas verdrehen würde. „Wir sind nicht gerade normal. Außerdem sind wir mehr oder weniger auf einem Botenritt.“ Sie hob einen Finger. „Wie heißt die Kleine?“, wollte sie wissen um das Thema ganz schnell von ihr abzulenken. Außerdem interessierte es sie. Ihr Ablenkungsmanöver schien zu klappen, denn Naruto antwortete sofort: „Harusame von Sabaku und Nara.“ Sakura zog eine Augenbraue hoch. Sie war nicht nur die Tochter irgendeines Ritters oder Lords, sondern sie war die Enkelin des höchstrangigen Mannes in diesem Tross, die Tochter seiner Tochter und des Erben von Nara. Das Kind hatte bei dem Klang seines Namens aufgeblickt von dem Platz, wo sie mit Aja schmuste, und lachte die beiden an. „Na’u.“, plapperte sie und zeigte ein breites Lächeln. „Vielleicht sollten wir dich zu der armen Ayame zurückbringen.“, erklärte Naruto dem Kind ernsthaft. Sakura gefiel es, wie er mit Harusame sprach. Dem Kind ebenfalls, denn es schob Aja von sich, die sich diesmal ärgerlich trollte und sich hinter Sakura versteckte, und rappelte sich auf, wobei es störrisch versuchte, ohne Sakuras helfende Hand auszukommen, so dass die Hexe es sein ließ, ihr helfen zu wollen. Kaum stand sie, ging schon die Tür zum Treppenhaus auf und eine hochgewachsene, schlanke Frau trat in den Raum um sich suchend umzusehen. Sie hatte weizenblondes Haar – wie das Kind – und ein schönes, aber barsches Gesicht. Ihrer Kleidung sah man das viele Geld an, das sie gekostet hatte, auch wenn jeder Firlefanz fehlte. Sakura würde eine solche Garderobe nicht mit dem gesammelten Geld kaufen können, das sie während ihres Lebens verdient hatte. Aber die Frau trug es mit einer Selbstverständlichkeit und einem Selbstbewusstsein, die Sakura völlig unvorbereitet trafen. So, dachte sie, musste eine echte hohe Dame aussehen. Stolz, unnahbar und reich. „Harusame?“ „Ma, Mama!“, quiekte das Kind glücklich und marschierte stramm auf sie zu. Ein kleines Lächeln huschte über die strengen Gesichtszüge der Frau und ließ sie weicher wirken. „Da bist du ja. Ayame macht sich Sorgen um dich. Du sollst doch nicht immer weglaufen.“ Sie hob das Kind, das ihr die Arme entgegenstreckte, vom Boden auf und setzte es auf ihre Hüfte ohne auf das teure Kleid zu achten. Sakura wurde neidisch, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als Aja auf die Arme zu nehmen und sich ebenfalls aufzurichten. Neben ihr klopfte Naruto sich nicht existenten Dreck von der Hose. Die hohe Frau hatte sich inzwischen davon überzeugt, dass Harusame unversehrt war und wandte sich dann den beiden jungen Leuten zu. „Naruto.“ Sie nickte dem jungen Mann zu und musterte das Mädchen mit der Katze neben ihm kurz, aber scharf. „Ihr habt euch um sie gekümmert?“ Naruto hob die Hände. „Ich bin eben erst gekommen, Lady.“ Sakura fragte sich, ob er den Titel spöttisch meinte oder nicht. Sein Ton ließ durchaus beides zu. Sie nickte, achtete darauf, das Kinn hoch erhoben zu halten. Auch wenn die Lady alles war, was Sakura sich in einer Adligen vorgestellt hatte, war sie doch eine Dykae, eine adlige Dykae, und vor denen gab man sich keine Blößen. „Sie kam vor kurzem hier herein und fand die Katze sehr interessant.“, sagte sie. Aja miaute, was aus ihrem Maul ein so ungewohntes Geräusch war, dass Sakura sie beinahe fallen ließ. „Ich habe aufgepasst, dass sie nicht weiter nach draußen lief.“ Die Blonde musterte sie einen Moment, dann lächelte sie dankend und kühl zugleich (Sakura hatte nicht gewusst, dass so etwas möglich war) und erklärte spröde: „Ich danke dir.“ Worauf sie ihnen den Rücken kehrte und zurück ins Treppenhaus ging. Harusame winkte ihnen glücklich zu, ehe sich die Tür hinter ihnen schloss. Es war bereits dunkel, als Kiba den Hof der Herberge verließ. Die Nacht war kühl und klar und der Himmel war bedeckt mit Sternen und kleinen Wolkenfetzen. Der Mond war nicht zu sehen, doch es war Neumond, also wunderte es ihn auch nicht. Die Luft roch frisch, nach Bergen, Eiswasser und Nacht. Trotz der Dunkelheit konnte er genug sehen, auch wenn jemand, der kein Inuzuka war, sich sicher ein Licht hätte besorgen müssen. Zumindest für das Gebiet außerhalb des Dorfes, wo kein Lichtschein durch die Fenster fiel und keine Laternen über Türen hingen. Aber er hatte von Natur aus Augen, mit denen er besser in der Dunkelheit sehen konnte. Akamaru folgte ihm auf dem Fuße, eine riesige, massige Gestalt mit leuchtenden Augen. Tsume und seine Schwester Hana machten sich in andere Richtungen auf, seine Mutter gefolgt von einem schwarzen Schatten, Kuromaru, ihre Tochter von den drei grauen Silhouetten, die allgemein als die Haimaru-Brüder bekannt waren. Kiba warf nur kurze Blicke die Seitengassen hinunter. Die anderen würden sich darum kümmern, ihm war eine viel länger dauernde Aufgabe zugefallen. Rasch hatten sie die letzten Gebäude erreicht. Hier war nur noch der gekieste Weg, der über den Pass im Norden der Siedlung führte und dahinter verschwand. Hoch ragten die Felswände links und rechts davon auf, die Wiesen wurden immer steiler, bis sie in Fels übergingen und nur noch wenig Bäume und Büsche hatten sich hier ausgebreitet. Viel würde er hier wohl nicht finden. Auf der anderen Seite hatte diese kleine Lagerstelle im Wald auch nach nichts ausgesehen, einfach nach einem kleinen Rastplatz, den vielleicht Jäger oder Hirten oder andere Reisende genutzt hatten. Aber Akamaru sowie die Haimaru-Brüder hatten sich strikt geweigert, auch nur in die Nähe davon zu kommen und Kuromaru war ebenfalls nicht begeistert gewesen. Es begeisterte weder ihn noch irgendeinen der anderen von Akatsuki, dass sie es hier scheinbar mit Hexen zu tun hatten. Jeder von ihnen hatte genug Gruselgeschichten über Hexen gehört. Auch wenn Kotetsu ihnen versichert hatte, dass das meiste übertrieben war und nur wenige Hexen sich der dunklen Seite der Magie zugewandt hatten, konnte Kiba es doch nicht verhindern, dass ein kalter Schauer über seinen Rücken rann und sich Angst wie ein Stein in seinem Magen zusammenballte. Was konnte jemand wie er schon gegen Magie ausrichten? Übernatürliche Kräfte sollten – so hieß es zumindest – einem guten Schwert so weit überlegen sein, dass sie es mit einem einzigen Gedanken in tausend Stücke zerschmettern konnten. Vergeblich versuchte er zu bestreiten, dass er keine Angst hatte. Aber er war noch nie gut darin gewesen, zu lügen und sich selbst zu belügen viel ihm noch schwerer. Kibas Hand schloss sich um den Griff seines Kurzschwertes, die andere legte sich auf Akamarus Kopf. „Dann schauen wir uns mal um, was? Achte auf alles und sagt mir bescheid.“ Der Hund blickte ihn aus klugen Augen an und winselte, dann richtete er seine Nase gen Boden begann, ziellos herumzuschnuppern. Anscheinend fand er nichts besonderes. Hier zumindest nicht. Kiba beschloss, erst einmal zum Pass hoch zu laufen, dann einen Bogen zu schlagen und am Rand des Dorfes entlang zu gehen. Da, so dachte er, war es am wahrscheinlichsten etwas zu finden, was auch immer. Der Kies knirschte unter seinen Füßen und Akamarus Hecheln klang unnatürlich laut in der nächtlichen Stille. Er wusste natürlich, dass ihm das nur so vorkam – es war immer so, wenn er angespannt war und das Adrenalin durch seine Adern rannte und das Blut ihm in den Ohren rauschte. Der Hund bemerkte jedoch nichts, während sie stetig auf den Pass zustrebten. Er rannte nach links und rechts und schnupperte eifrig, aber bis auf ein leises Knurren, wenn er den Geruch eines unbekannten Hundes auffing oder das Grollen, wenn es der Duft einer Katze war, kam nichts von ihm. Kiba bemerkte das Mädchen erst, als er beinahe in sie hereinrannte. Sie hatte sich am Rande des Weges gehockt, eingehüllt in einen dunklen Umhang, der beinahe die Farbe des Hintergrundes hatte. Sie blickte auf, als er sich näherte und das Licht der Sterne, das sich in den völlig weißen Augen spiegelte, ließ ihn erschrocken innehalten. Einen Moment überschlugen sich seine Gedanken – Hexe, Geist, unheimlich, Hexe, Hexe – aber dann erkannte er, dass es sich nur um ein junges Mädchen handelte, das blind war und hier zusammengekauert am Wegesrand saß, als warte sie auf jemanden. Wahrscheinlich war es auch so. Er zwang sich zur Ruhe und einem breiten Grinsen, ehe er sagte: „Entschuldigung. Ich hab dich gar nicht bemerkt.“ Das Mädchen senkte den Kopf und ihr langes, blauschwarzes Haar fiel ihr über das Gesicht. „Das ist in Ordnung. Verzeihung, dass ich Euch erschreckt habe.“ Sie zog ihren Umhang enger um sich, so dass er gänzlich ihre weibliche Gestalt verbarg. Kiba lachte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf. Sie hatte es also bemerkt. Wie peinlich! „Ich hätte besser aufpassen sollen. Und was tust du so alleine hier?“ „I...ich warte auf jemanden.“, antwortete sie verdutzt, als hätte sie nicht erwartet, dass er weiterhin mit ihr sprach. Ihr langes Pony und die Dunkelheit verdeckten ihr Gesicht gut genug, dass er nicht darin lesen konnte. „Ganz allein? Ist das nicht etwas gefährlich? Ich meine...“ Er verstummte. Er wollte nicht damit herausplatzen, was Pein vermutete – wahrscheinlich wusste sie sowieso mehr als er – und ließ den Satz einfach in der Luft hängen. Sie konnte sich den Rest selbst denken. „Ne...nein. Um ... um diese Zeit, ko…kommt niemand mehr hier...her.“ Ihre Stimme war sanft und leise und ihre Hände, die knapp unter der großen, verschlungenen Fibel den Umhang hielten, krampften sich nervös in den Stoff. „Wirklich? Ich meine, Leute, die um diese Uhrzeit hier herumlaufen, nehmen bestimmt keine Rücksicht auf hübsche Mädchen. Vor allem nicht, wenn sie blind sind. Im Gegenteil. Außer mir natürlich.“ Kiba hätte sich am liebsten selbst die Zunge abgebissen. Hier hatte er die Chance, mit einem hübschen, jungen Ding zu tändeln und dann plapperte er Sachen, die ihr eher Angst einjagten denn sonst etwas. Das Mädchen hatte bei seinen Worten erstaunt aufgesehen und den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, dann schloss sie ihn wieder und senkte erneut den Kopf. War sie etwa rot geworden? Verdammte Dunkelheit! „Ich tu dir sicher nichts, versprochen. Ähm…“ Ihm fiel nichts mehr ein. Was sollte er ihr sagen?! „Ich bin Kiba.“, erklärte er schließlich. „Vom Inuzuka-Stamm, weiß nicht, ob du schon davon gehört hast, aber wir sind recht bekannt.“ Sein Ego bekam einen Schlag, als sie nur leicht den Kopf schüttelte und leise sagte: „Ne...nein, tu...tut mir Leid, i...ich kenne ihn nicht.“ Er scharrte unruhig mit dem Fuß. Alles, was er zu ihr sagte, schien nach hinten loszugehen. „Naja, nicht so wichtig. Wir sind hier mit diesen Dykae hier, die sich anscheinend nicht trauen, ohne Schutz durch ein Land wie eures zu ziehen.“ Diesmal lachte sie. Es war ein Laut, wie er direkt aus seinen Träumen zu stammen schien, glockenhell und rein wie Silber. Er starrte sie einen Moment an. Er hätte zu gern ihr Gesicht gesehen, aber sie starrte weiterhin auf den Boden. Oder besser, hielt ihren Kopf gesenkt und starrte gar nichts an, da sie blind war. Vielleicht saß sie deswegen hier? Ob jemand sie hier abgestellt hatte und sie nun wartete, bis er sie ins Dorf brachte oder so? Er versuchte es erneut. „Ich weiß nicht, aber ... soll ich dich in die Herberge bringen? Ich...ich meine...“ Sie schüttelte den Kopf. „Da... das ist sehr freundlich von Euch, Kiba vom Inuzuka-Stamm. A...aber ich warte lie...lieber hier.“ Schade, er hätte sie wirklich gern hinuntergebracht und im Gasthaus abgeliefert, auch wenn er dann einen Rüffel von Pein oder Itachi hätte einstecken müssen, weil er seine Aufgabe vernachlässigt hatte... Seine Aufgabe! Die hatte er über dieser Schäkerei völlig vergessen. Vielleicht war es doch besser so, auch wenn er sie hier in der Kälte sitzen lassen musste. Akamaru schien es zu viel zu werden. Er war schon die ganze Zeit unruhig herumgelaufen, nachdem er das Mädchen kurz abgeschnuppert hatte, die sich kaum gerührt hatte. Aber anscheinen war sie nicht interessant gewesen. Jetzt packte er Kiba am Ärmel und versuchte ihn, mit sich zu ziehen. „Eu...Euer Hund scheint Euch etwas zeigen zu wollen.“, meinte das Mädchen. „Vie...vielleicht solltet Ihr mit ihm gehen.“ In Ordnung, er begriff schon, sie wollte nicht weiter mit ihm reden. Schade. Aber auf der anderen Seite sollte er wirklich seinen Auftrag zu Ende bringen. „Ja, vielleicht sollte ich das. Wir sind auf der Suche nach etwas und mein Anführer wird sauer sein, wenn ich nicht gründlich genug bin. Auf Wiedersehen, äh...“ Sie begriff den Wink. „Hinata. Hinata vom Hyuuga-Cla...“ Sie verstummte, als hätte sie etwas Falsches gesagt. Aber das war nur ihr Name, richtig? Was konnte daran falsch sein? Oder – gefährlich? „Auf Wiedersehen, Hinata. Ich denke, wir sehen uns später oder morgen wieder. Oder so...“ Er macht eine unbestimmte Bewegung. Würde sie ihn als unfreundlich betrachten, wenn er so etwas sagte, wo sie doch gar nicht sehen konnte? „Äh... ja...ja.“, nuschelte sie. „Auf... auf Wiedersehen.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu und trabte dann Akamaru hinterher, der sich bereits auf den Weg gemacht hat. Nach einigen Metern blieb er stehen und wandte sich noch einmal um. „Hey, hey! Wenn du nachher noch hier bist, hole ich dich ab, in Ordnung? Es wäre sicher ungesund, die Nacht hier zu bleiben. Wird doch ganz schön kalt hier.“ Als Antwort bekam er nur ein unbestimmtest Winken, aber das reichte ihm. Mit neuer Energie folgte er Akamaru den Hang wieder hinunter. Aber auch hier nahm der Hund keinen Geruch auf und auch Kiba bemerkte nichts. Ebenso war es, als sie am Rand des Dorfes entlang bummelten. Bald konnte er den Pass nicht mehr sehen, da Häuser zwischen ihm und dem Bergeinschnitt befanden und das Mädchen war sowieso schon lange wieder von der Dunkelheit verschlungen worden. Vielleicht wäre es doch das beste gewesen, wenn er darauf bestanden hätte, sie ins Dorf zu bringen…? Akamaru knurrte tief und wich zu ihm zurück, die Ohren angelegt, den Schwanz zwischen die Beine gezogen. Erstaunt blieb Kiba stehen, legte ihm beruhigend die Hand auf den Kopf und griff nach seinem Schwert. „Was ist, Junge?“ Er konnte nichts sehen, nichts riechen, nichts hören, so sehr er sich auch anstrengte. Das leise Flüstern, das wie körperlos zu ihm herübergeschwebt kam, jagte ihm den zweiten Schrecken des Abends sein. Er hätte beinahe aufgeschrieen, aber es gelang ihm, still zu bleiben. Vorsichtig zog er Akamaru zur Seite, tiefer in die Schatten, den die Gebäude warfen. Die Stimme wurde lauter, bald konnte er Worte ausmachen. „...tens und des Nordens, kommt herbei. Schützt dieses Dorf vor Bösen. Geister des Waldes, des Wassers und des Windes. Schützt alle Menschen, die hier wohnen. Hüter des Ostens, des Südens, des Westens und des Nordens kommt herbei. Schützt dieses Dorf vor Bösem. Geister des Waldes, des Wassers und des Windes. Schützt alle Menschen, die hier wohnen. Hüter des Ostens,...“ Die Stimme fuhr damit fort, als wäre es ein Mantra, das sie immer wiederholen musste, um es wahr zu machen. Es war eine Frau, eine junge Frau. Seine Augen huschte nervös herum, suchten die Quelle der Stimme und bald konnte er eine schlanke, schmale Gestalt erkennen, die einen langen, weiten Umhang trug und eine Kapuze über dem Kopf. Sie hielt etwas in der Hand, was er bei zweitem Hinsehen als einen Beutel erkannte, in den sie immer wieder griff um etwas herauszuholen, was sie auf den Boden verstreute, während sie ging. Der Geruch nach Ginster, Pfeffer, Kamille und Efeu stach ihm in die Nase und etwas, das er nicht kannte. Seine Hände verkrampften sich in Akamarus dichtem Nackenfell und er betete, dass man ihn nicht bemerken würde. Was würde geschehen, wenn diese Hexe – da war kein Zweifel, dass das eine Hexe war! – ihn bemerkte?! Würde sie sie in eine Kröte verwandeln? Oder sie einfach von einem Blitz treffen lassen, auf dass sie tot umfielen? Er hätte beinahe aufgeschrieen, als er die leuchtenden Augen bemerkte, die sie direkt anstarrten, knapp über dem Boden und scheinbar körperlos. Erst einen Moment später erkannte er, dass es eine Katze war, eine geschmeidige, rabenschwarze Katze, deren Augen brannten wie glühende Kohlen. Kiba dachte, er habe sich noch nie so gefürchtet, und auch Akamaru zitterte am ganzen Leib, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt und seltsam kleinlaut. Normalerweise fuhr er auf jede Katze los... Jede normale Katze, hieß das... Vielleicht würde die Hexe sie in Mäuse verwandeln, die sie ihrer Katze zum Fraß vorwerfen konnte, jetzt, wo das dämonische Tier sie entdeckt hatte. Aber der kleine schwarze Teufel wandte den Blick wieder ab und huschte weiter. Würde er sie nicht seiner Herrin verraten, die noch immer ihr Mantra murmelte, mit geübten Bewegungen die Pflanzenmischung verteilte und langsam weiterging, immer weiter um das Dorf herum? Oder sollten sie sich in Sicherheit wiegen, auf dass der Schrecken nachher umso größer war? Aber die junge Hexe verschwand inzwischen wieder in der Nacht und von der Katze war nichts mehr zu sehen, nicht einen Schatten. Dann wurde die wispernde Stimme leiser und leiser, bis er sie nicht mehr hören konnte. Kiba blieb neben dem verängstigten Akamaru im Schatten des Hauses stehen und rührte sich nicht. Er wusste nicht, wie viel Zeit verging. Erst der Klang von Hufen von Pferden, die den Weg heruntertrabten, rissen ihn aus seiner Erstarrung und er beeilte sich, ins Dorf zurückzukommen, den ursprünglichen Auftrag völlig vergessen. Aber war das hier nicht genug? Der Pass zeichnete sich nur als hellerer Fleck zwischen den Felswänden ab. Sterne bedeckten den Himmel in dieser Lücke. Das gleichmäßige Klappern der Hufen auf dem Kies war das einzige Geräusch, das durch die Nacht hallte, gemischt mit dem Rascheln von Kleidung und dem Klirren des Geschirrs und Nejis Waffen. Die Ponys schnaubten und legten einen Schritt zu, als ob sie die Nähe des Stalls spürten. Auch Konan war erleichtert. Es war doch reichlich spät geworden, obwohl sie den direkten Weg nach Birkenhain zurückgenommen hatten. Nach Einbruch der Dämmerung hatten sie die Ponys etwas zügeln müssen, damit sie sich nicht in der Dunkelheit ein Bein brachen. Das wäre das Letzte, was sie gebrauchen konnten! Erst, als sie wieder den Weg erreicht hatten, der kurz nach dem Pass einen Schlenker nach Westen machte, hatten sie wieder in einen schnellen Tölt fallen können, der sie rasch zurück gebracht hatte. Hinata erwartete sie. Sie war nur eine schattenhafte Gestalt, die ihnen in einen weiten Umhang gehüllt entgegenblickte. Verdutzt zügelten sie ihre Ponys und brachten sie vor ihr zum Stehen. Sie wechselten einen Blick, während Hinata sie mit einem Winken begrüßte und dann zu ihnen trat. Sie streichelte Nejis Stute, die sie sanft anstupste, die samtweichen Nüstern und sagte: „Sakura hat mich hochgeschickt um auf euch zu warten.“ Einen Moment warf sie einen Blick zum Dorf hinunter, dem Neji und Konan folgten. Man konnte die Häuser nur als Silhouetten ausmachen und durch den Lichtschein, der aus den Fenstern fiel. Auf der Wiese brannten Lagerfeuer, die die Zelte und Wagen, die um sie herum aufgebaut waren, beleuchteten. Dort herrschte geschäftiges Treiben und auch im Dorf war – zu dieser Zeit – ungewöhnlich viel los. Konan zog eine Augenbraue hoch und Neji fragte: „Wer ist das?“ „Eine Reisegruppe aus Dyka.“, antwortete Hinata rasch. „Ich weiß nicht genau wer, aber es scheinen hohe Persönlichkeiten unter ihnen zu sein. Mindestens ein Fürst und natürlich alle Vasallen und seine engeren Verwandten.“ Dazu Diener und Mägde und was ein Adliger sonst noch so alles brauchte, um eine Reise zu machen. Kein Wunder, dass die Festwiese des Dorfes so aussah, als haben sich zwei oder drei Gruppen von Gauklern darauf ausgebreitet. Ein zweiter Blickwechsel zwischen Hagawar und Hexe folgte und Neji angelte nach seiner Kapuze, um sie sich tief ins Gesicht zu ziehen. Dann streckte er Hinata die Hand entgegen, die sich jetzt hinter ihn auf den Rücken des Ponys schwang. „Sakura denkt, sie ziehen morgen weiter.“ Konan nickte. Es wäre seltsam, wenn eine Reisegruppe von dieser Größe und mit diesen Reisenden länger als eine Nacht in einem Dorf wie Birkenhain bleiben würden. Wahrscheinlich würden die Dykae Silvurra lieber hinter dem Horizont verschwinden sehen als tiefer in das Land hineinreiten. Nein, nein, die waren morgen wieder weg und sie konnten ungestört ihrer Arbeit nachgehen. Für heute würden sie sich einfach ihn ihr Zimmer– das sie nicht vorhatte für irgendwelche dahergelaufenen Dykae zu räumen – zurückziehen und dort besprechen, was sie bis jetzt herausgefunden hatten. Das war, weiß die Göttin, genug. Sie hoffte nur, dass Sakura den Kreis unbemerkt ziehen konnte, nicht dass sie an diesem Abend noch Ärger bekamen wegen Hexerei und allem. Sie trieben ihre Ponys den Hügel hinab und rasch durch das Dorf zu der Herberge, die sich in der Mitte Birkenhains befand. Die wenigen Leute, die sich noch auf den Straßen herumtrieben, warfen ihnen erstaunte Blicke nach, kümmerten sich aber nicht weiter um sie. Wahrscheinlich hatten sie selbst genug zu tun. Um so besser für sie. Der Hof war fast leer bis auf einen großen schwarzen Hund, dem ein Auge fehlte, und zwei Krieger, die es sich unter der Stalllaterne gemütlich gemacht hatten. Konan warf ihnen einen kühlen Blick zu. Einer von ihnen war groß und trug eine lange Lanze mit kunstvoll geschwungener Doppelklinge, während der größte Teil seines Gesichtes von dem Kragen seines Mantels und einem Kopftuch, wie es die Männer der Wüste trugen, verdeckt wurde, der andere war eine Frau, deren Statur eher stämmig war. Sie trug zwei dreieckige Markierungen auf den Wangen und zwei Kurzschwerter am Gürtel. Beide nickten ihnen freundlich zu und wichen ihnen aus, so dass sie die beiden Ponys ohne Umschweife in den Stall laufen konnten. Das Stallgebäude war ziemlich groß, mit einer freien Fläche hinter der Tür und geräumigen Boxen zu beiden Seiten der langen Gänge, die links und rechts davon abzweigten. Trotz dass die Herberge voll sein musste, war der Stall beinahe leer. Wahrscheinlich hatten die Dykae alle ihre Pferde auf der Wiese untergebracht. In einer der Boxen stand nur ein altes Pony, das dem Wirt gehörte, außerdem befanden sich die beiden zotteligen Ponys von Sakura und Hinata hier. Sie rutschten aus den Sätteln. Konan klopfte ihrem treuen Wallach auf den Hals und begann, die schnallen des Zaums zu öffnen. Sie blickte auf, als Hinata zu ihr trat. „I...ich mache das.“, sagte sie und nahm ihr das Lederzeug ab. Neji nickte, als sie ihm einen Blick zuwarf, also seufzte sie nur ergeben und nickte ebenfalls. Die beiden hatten anscheinend etwas zu bereden. „Ich suche Wynn.“ Sie hatte seine Anwesenheit in Birkenhain bereits gespürt, als sie den Pass betreten hatten. Er musste irgendwo in der Nähe sein, vielleicht hockte er auf einem der umliegenden Dächer oder Sakura hatte ihn bereits in ihr Zimmer gelassen. Die Kriegerin stand inzwischen unter dem Torbogen, der auf die Straße führte, den schwarzen Hund neben sich, dessen Schulter ihre Hüften berührte. Anscheinend wartete sie auf jemanden. Konan legte den Kopf in den Nacken, blickte auf die Giebel der umstehenden Häuser und dann, nachdem sie das Flattern der schwarzen Schwingen vernahm, in das Geäst des Baumes, in dem Wynn sich gerade niederließ. Der große Rabenfamiliar starrte sie aus seinen stets belustigten und berechnend blickenden Augen an und grub seine Krallen in die Rinde des Baumes. Konan seufzte und überquerte rasch den Hof, um die Herberge zu betreten. Er war manchmal zu eigenwillig, aber auf der anderen Seite war es vielleicht besser, wenn niemand sie direkt mit ihm sah. Raben waren keine alltäglichen Haustiere. Das Treppenhaus war dunkel, sie konnte nur Konturen erkennen und den dünnen Lichtstreifen, der unter der Tür zum Schankraum hereinkam. Sie ließ die Tür hinter sich zufallen und stand beinahe im Stockdunklen da. Oben in den Gängen brannten anscheinend auch keine Kerzen und das wenige Licht, das unter der Tür hereinkam, reichte nicht einmal um die ersten Treppenstufen zu erkennen. Sie wünschte, sie könnte ein Hexenlicht anzünden, aber dieses Risiko konnte sie nicht eingehen. Was, wenn jemand es sah und sich nachher wunderte, dass sie keine Kerze trug? Sie musste sich entweder eine Kerze finden oder den Weg im Dunkeln suchen. Die Holzdielen und die Treppenstufen knarrten unter ihren Füßen und sie strich sich eine blaue Strähne aus dem Gesicht und streiften dabei die zarte, weiße Blüte in ihrem Haar, während ihre Gedanken zu den Ereignissen zurückschweiften, wegen denen sie hier waren. Was hatten sie bis jetzt? Sechs entführte Frauen oder Mädchen. Den Neumond. Einen Steinkreis auf einem Nexus, der mit Symbolen verziert war, mit denen sie nichts anfangen konnte und der vielleicht gar nichts mit der Sache zu tun hatte. Aufgebrachte Dorfbewohner, die sich um ihre Angehörigen und um ihre Sicherheit sorgten. Eine mächtige schwarze Hexe, die es verstand, ihre Anwesenheit zu verschleiern… Was vielleicht das Schlimmste war. Jemand, der seine Energien verbergen konnte, musste mächtig sein und das erste, was sie und Sakura gemacht hatten, war natürlich nach allen Hexen in der Umgebung zu suchen. Alle, die sie gefunden hatten, waren die Dorfhexen. Tsunami, die Hexe Birkenhains, war Sakura bekannt und sie vertraute allen anderen, darum konnten sie ausschließen, dass eine von ihnen der Übeltäter war. Es musste jemand anderes sein, jemand, den sie nicht gefunden hatten... Unvermittelt wurde sie aus den Gedanken gerissen, als sie gegen jemanden prallte, dessen harter Körper unter dem Stoß nicht einmal wankte, während sie beinahe gänzlich den Halt verlor. Erschrocken stieß sie einen erstaunten Laut aus und ruderte verzweifelt in der Luft herum, um ihr Gleichgewicht zu halten, doch umsonst. Es war, als würde sie fliegen... Jemand packte sie ruckartig am Arm und fing sie dann ganz auf, hielt sie ab von dem Sturz. Ihre Hand traf auf weiches Fleisch, trockene Lippen und Metall... Ruckartig zog sie die Hand wieder zurück, als hätte sie sich verbrannt. Vorsichtig wurde sie wieder auf die Füße gestellt. „Entschuldigt.“ Die Stimme war tief und rau, als würde sie nicht oft genutzt werden. Sie vibrierte geradezu durch ihren Körper. Und sie war definitiv eine der schönsten Stimmen, die sie je gehört hatte. „Vielen...“, begann sie spröde und konnte seine Körperhitze spüren, die durch seine Kleidung drang. Sie hätte nicht gedacht, dass er so dicht vor ihr stand. „...Dank.“ Sie konnte sich nicht dazu durchringen, zurückzuweichen, aber sie hörte, wie er zur Seite trat, als die Treppe unter seinen Füßen knarrte, seine Kleidung raschelte und das Kettenhemd klirrte. Sie gab sich einen Ruck und schob sich an ihm vorbei, ging die Treppe weiter nach oben, wo sich ihr Zimmer befand und fragte sich, warum ihr Herz so schnell klopfte, während ihre Füße zurückgehen und ihre Hände ein Licht entzünden wollten. Pein lauschte auf die Schritte, die sich von ihm entfernten, über knarrende Treppenstufen und ächzenden Dielen, dann klappte eine Tür. Die Frau war weg. Eine kurze Berührung von zarten Fingern, wenig Worte, gesprochen mit einer kühlen Stimme… und trotzdem hatte sie einen bleibenderen Eindruck hinterlassen als die meisten der Leute, für die er gearbeitet hatte. Er konnte noch immer ihre schlanken Finger auf der Haut fühlen, auf seiner Wange, seinen Lippen… Pein blinzelte und setzte seinen Weg nach unten fort. Er warf der Tür zum Schankraum nur einen kurzen Blick zu ehe er ihr den Rücken kehrte und nach draußen ging. Kakuzu stand wie ein Wachsoldat unter der Stalllaterne, Tsume wie eine Wachhündin unter dem Torbogen. Kuromaru lag neben ihr. Sie drehte sich um, als er den Hof betrat und sagte: „Kiba ist überfällig.“ Pein zog eine Augenbraue hoch und nickte dann. „Wir werden sehen.“ „Was wollte der Kazekage?“, erkundigte sich Kakuzu und stützte sich auf seine Lanze. „Er ist misstrauisch.“ Pein machte eine unbestimmte Kopfbewegung, die das ganze Dorf umfasste. „Er denkt, dass die Dorfbewohner etwas versuchen könnten, falls wir die Wachen nicht erhöhen.“ „Sie waren auch nicht gerade freundlich.“, schnaubte Tsume. „Was man ihnen nicht verdenken kann.“, fügte Kakuzu hinzu und Pein zuckte mit den Schultern. „Es kommt uns nicht zu ungelegten.“ Tsume wollte etwas antworten, als Kuromaru sich erhob und ein lautes Bellen ausstieß. Einen Moment später kam eine Antwort aus den Gassen und Pein erkannte die Stimme Akamarus, der kurz darauf auf den Hof geschossen kam. Kiba folgte ihm hastig und außer Atem. Er ließ sich zwischen ihnen einfach auf den Boden fallen und atmete tief ein. Er sah bleich aus und Akamaru so, als wolle er sich am liebsten unter einer Bank verstecken, die Ohren angelegt, den Schwanz hängend. „Was ist passiert?“, wollte Pein kurz wissen. Kiba atmete tief ein und seine Mutter ging neben ihm in die Hocke, fuhr ihm einmal durch das Haar und vergewisserte sich mit einem Blick, dass er unverletzt war. Egal wie hart sie war oder wie aggressiv sie sich gab, ihre erste Sorge galt immer ihren Kindern. Ihr Sohn aber schob ihren Arm ärgerlich weg, aber das interessierte sie nicht. „Ich war im Norden vom Dorf, mich umsehen. Ein Mädchen saß am Pass und hat auf jemanden gewartet. Ich glaube, sie war blind. Ist egal. Jedenfalls bin ich dann zum Dorf runter und da war diese Hexe. Sie hatte eine schwarze Katze dabei, richtig unheimlich und hat seltsame Dinge vor sich hingemurmelt und … und irgendwas auf den Boden und … und …“ „Kiba.“, unterbrach Pein ihn kühl. „Du wirst hysterisch. Kakuzu. Hol Kotetsu.“ Der vermummte Mann nickte und verschwand in der Herberge. Sie warteten schweigend, während Kiba sich sich langsam wieder beruhigte. Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück und auch wenn seine Hände noch unruhig durch Akamarus Fell fuhren, sah er nicht mehr ganz so panisch aus. Kurz darauf kehrte Kakuzu in Kotetsus Begleitung zurück und die beiden gesellten sich zu ihnen. „Eine Hexe, huh?“, grinste der Braunhaarige. „Was hat sie denn gesagt?“ Anscheinend hatte der Wüstenkrieger ihn bereits eingeweiht. Kiba sprang auf und wedelte mit den Armen in der Luft herum. „Sie hat nach irgendwelchen Geistern gerufen. Die sollten das Dorf schützen und...“ „Da habt ihr’s.“, unterbrach Kotetsu grinsend. „Wahrscheinlich haben die Dorfbewohner sie gerufen wegen den Ereignissen, die hier passiert sind, und ihre eigene Dorfhexe nicht mehr weiter weiß. Sie hat einen Schutzkreis gezogen. Sei nicht so ein Hasenfuß, Kiba.“ Pein nickte und trat zwischen die beiden, ehe sie anfangen konnten zu streiten. „Schön. Damit haben wir nichts zu tun.“ Sie alle fuhren herum, als ein leises Maunzen vom Tor ertönte und starrten die beiden Katzen an, die im Hofeingang aufgetaucht waren. Eine war rot, die andere kohlschwarz, wahrscheinlich diejenige, die er auf dem Tresen gesehen hatte, als er mit dem Wirt sprechen wollte. Hatte Kiba nicht gesagt, die Hexe hatte eine schwarze Katze bei sich gehabt? Und gab es nicht Geschichten über Hexen, die sich in Tiere verwandelten, in Katzen…? Er blickte zu den Hunden. Kuromaru hatte sich aufgerichtet und behielt die beiden Tiere im Blick, aber Akamaru hatte sich auf den Boden gepresst und wirkte, als wollte er sich so klein machen wie möglich. Kein leichtes Unterfangen bei seiner massigen Gestalt... Und Pein wusste, dass Katzen jagen etwas war, was der Hund für sein Leben gern tat. Ob diese beiden Tiere unter dem Torbogen tatsächlich eine Hexe und ihr vertrauter Geist waren? Und wenn – ging es sie etwas an? Waren sie eine Gefahr? Momentan aber schienen die beiden harmlos zu sein, denn sie huschten – einen großen Bogen um die Gruppe machend – über das Kopfsteinpflaster und verschwanden im Stall. Kotetsu zuckte die Schultern, als alle ihn anblickten. „Ich hab auch nicht mehr gesehen als ihr. Ich sage, lasst sie einfach in Ruhe, dann lassen sie uns in Ruhe.“ Er wollte weitersprechen, verstummte aber, als jemand den Stall verließ. Es war ein junger Mann, der ein Mädchen an der Hand hinter sich herführte. Das Mädchen hatte den Umhang so um sich geschlungen, dass man nichts von ihrer Gestalt erkennen konnte. Der Mann trug ein langes Schwert an der Seite und einen Bogen auf dem Rücken. Er hatte die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass es völlig im Schatten lag. Er trug eine ähnliche Lederrüstung wie Genma, nur mit mehr Schnallen und Klingen daran und auf dem Rücken seiner Armschienen war ein Wappen in das Metall gekerbt. Lange, dunkle Haare hingen ihm über die Brust, einige Strähnen davon mit bunten Bändern und Silberschmuck zu kleinen Zöpfen geflochten. Das Mädchen hielt sich an seiner Hand fest wie an einem Rettungsanker. Ihre gespenstisch wirkenden Augen waren weit aufgerissen und starrten blicklos geradeaus. „Ah!“, rief Kiba plötzlich aus und deutete auf es. „Hinata!“ Ein sanftes Lächeln huschte über ihr Gesicht und einen winzigen Augenblick sah sie den Jungen direkt an, ihre Augen klar und fokussiert, als wäre sie nicht blind... Pein blinzelte und der Eindruck war wieder verschwunden. „Ki... Kiba vom Inuzuka-Stamm.“, sagte das Mädchen und neigte den Kopf in seine Richtung, während ihr Begleiter den genannten Jungen genauer in den Blick nahm. Sie war wohl das Mädchen, das er am Pass getroffen hatte. Wahrscheinlich hatte er sie nicht einfach sitzen lassen können ohne etwas mit ihr herumzutändeln. Sie war eine ausgesprochene Schönheit, trotz der blinden Augen, mit makelloser, mondblasser Haut und seidigem, rabenschwarzem Haar, die ähnlich wie die ihres Begleiters frisiert waren. Ihre Aufmerksamkeit wurde zum Haus gerissen, als die Tür aufflog und ein äußerst zornig wirkender Krieger stürmte heraus. Sein rotes Haar leuchtete wie eine Flamme und durch das Funkeln in den Augen mit den tiefen Augenringen wirkte er ausgesprochen bösartig. Er war muskulös und sein Kettenhemd rasselte bei jedem seiner energischen Schritte. Die Hand hatte er so fest um den Griff seines Breitschwertes gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er warf wilde Blicke in die Runde, streifte nur kurz Peins Krieger, blieb aber länger auf dem Anführer der Söldner selbst hängen und richtete seine kalten Augen auf den letzten Kämpfer im Hof. Der silvurranische Krieger trat einen Schritt zur Seite, so dass er zwischen ihm und dem Mädchen stand, sagte aber nichts. Pein fragte sich, was geschehen war, dass Gaara so zornig war, aber es ging ihn nichts an. Er trat einfach zur Seite, damit der Weg vom Hof frei war, und nach einem Moment, in dem sich der Silvurraner und der Dykae ein Blickduell zu liefern schienen, fuhr Gaara herum und stürmte davon, dass sich sein schwerer Umhang hinter ihm bauschte. Tsume blickte ihm hinterher und murmelte: „Was sollte das jetzt bedeuten?“ worauf Kotetsu eine spöttische Antwort gab, die Pein jedoch nicht verschwand. Kakuzu stieß ein belustigtes Schnauben aus. Währenddessen lösten sich die beiden Silvurraner von ihrem Platz, das Mädchen winkte ihnen höflich zu, während der Krieger sie einfach nach drinnen führte, ohne ihnen einen weiteren Blick zu gönnen. Die Tür fiel mit einem metallischen Geräusch ins Schloss und Kotetsu murmelte: „Hyuuga. Gute Schauspieler, was?“ „Häh?“, wollte Kiba von seinem Platz am Boden wissen. „Was meinst du?“ „Du hast doch nicht wirklich geglaubt, das Mädchen – Hinata? – wäre blind, oder?“ „Eigentlich schon.“, gab der Junge mit dem Hund zu und zog Akamaru näher heran. Der Hund brummte unwillig, ließ es sich aber gern gefallen, dass sein Herrchen ihm mit den Fingern durch das dichte Fell kämmte. Kotetsu winkte ab. „Sie sind nicht blind, im Gegenteil. Und wir wissen jetzt, dass sich mindestens zwei Hexen hier in Birkenhain befinden.“ „Ich glaube, dass musst du genauer erklären, du Trottel.“, murrte Tsume. „Nicht alle hier haben einen Professorentitel über Silvurra und seine Gesellschaft.“ Kotetsu lachte. „Gibt’s das überhaupt, einen Professorentitel über Silvurra?“ Aber er hielt sich nicht mit einer Antwort auf, sondern sprach sofort weiter: „Hyuuga sind ein Clan, der sich mit den Hexen verbündet hat. Die meisten von ihnen werden früher oder später Hagawar und von Geburt an dazu ausgebildet. Ich möchte nicht mit einem von ihnen kämpfen.“ „Nein.“, murmelte Kakuzu. „Der Junge sah wie ein starker Gegner aus. Aber die Kleine?“ Kotetsu zuckte mit den Schultern. „Wie ich sagte – sie alle werden dazu ausgebildet, ganz egal, welchen Charakter sie haben. Wahrscheinlich ist einer von ihnen der Hagawar der Hexe, die Kiba gesehen hat, als sie den Schutzkreis zog. Da Hagawar nicht alleine reisen, ebenso wenig wie Hexen, dürfte sich noch eine zweite hier befinden.“ „Und das bedeutet?“, wollte Kiba wissen. Pein war es, der antwortete. „Dass diese Sache hier größer ist, als wir gedacht haben und wir vielleicht eine andere Strecke hätten nehmen sollen. Warnt die anderen.“ Er selbst drehte sich um, um Itachi aufzusuchen. Es war nicht schwer zu erraten, dass das Mädchen, das der schweigsame Schwarzhaarige überwachte, eine der Hexen war – vielleicht sogar die, die Kiba vor dem Dorf gesehen hatte. Und mit der anderen war er wahrscheinlich vor nicht allzu langer Zeit zusammen gestoßen. Er wusste nur nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Aber er wusste, dass sie bereits tiefer in der Sache drinsteckten, als sie wollten. Es galt jetzt nur noch herauszufinden, wie tief genau. Das Zimmer im zweiten Stock war leer, als Konan eintrat. Sie schloss sorgsam die Tür hinter sich, ehe sie mit den Fingern schnippte und ein kleines Hexenlicht beschwor, eine weiß brennende Flamme, die den Raum gut genug erleuchtete, dass sie klar sehen konnte. Rechts und links an den Wänden standen je zwei Betten. Unter dem mittleren der drei Fenster, die gegenüber der Tür in die Wand eingelassen waren und durch die man den prächtigen Kastanienbaum sehen konnte, dessen Äste bis an die Fenster reichten, befanden sich ein Tisch und vier Stühle. Man konnte deutlich sehen, dass sie schon ein paar Tage da waren. Auf einem der Betten lag ein Bündel Waffen – Nejis und Hinatas – auf einem anderen hatte Sakura ihre gesamten Kleider verteilt. Neben Hinatas Lagerstatt lehnten die langen Spieße und die Wurfspeere an der Wand, die die kleine Hyuuga einem Bogen vorzog. Einzig Konans Bett war aufgeräumt, doch sie hatte sich auf dem Tisch breit gemacht. Kräuter, Halbedelsteine, Metallstücke, Münzen und diverse andere Dinge, die sie für Zauber nutzten, waren darauf ausgebreitet. Sie nahm die schwere Tasche ab, die sie stets über der Schulter trug, legte sie auf ihrem Bett ab, ehe sie das Hexenfeuer zum Tisch hinüberbrachte und es dort frei schweben ließ, bevor sie das Fenster öffnete. Ein Schwall kühler Nachtluft kam herein, gefolgt von Wynn, dessen Schwingen heftig schlugen, ehe er sich auf ihrer Schulter niederließ und für einen Moment zärtlich an ihrem Ohr knabberte. Sie strich ihm über den Kopf, nahm ihn dann von der Schulter und setzte hin auf den Tisch. „Etwas gefunden?“ Der Rabe blickte sie einen Moment zu lange schweigend an und meinte dann: „Nein.“ Er brauchte nicht zu fragen, ob sie etwas entdeckt hatten. Konan fuhr sich seufzend durch das dichte Haar und löste vorsichtig die Blüte darin, um sie neben ihn auf den Tisch zu legen. Er strich mit dem Schnabel darüber und sah zu, wie sie Papier aus einer ihrer Taschen holte, ehe sie sich hinsetzte und in Gedanken versank. Es war nicht leicht, sich an die Symbole zu erinnern, die sie auf den Megalithen des Steinkreises gesehen hatte, und sie auf das Papier zu bringen. Sie wollte sich keine Fehler erlauben, denn Papier war teuer. Die meisten der Zeichen hatte sie kaum richtig angesehen, aber ein paar waren ihr im Gedächtnis hängen geblieben und die malte sie jetzt vorsichtig auf das Blatt. „Woher sind die?“, wollte Wynn schließlich wissen, der ihrer Arbeit schweigend zugesehen hatte. „Im Norden, wo die Energielinie auf weitere trifft, befindet sich ein Steinkreis. Sagen sie dir etwas?“ „Kaum. Ich hab sie schon einmal kurz irgendwo gesehen, aber ich habe vergessen, wo, wann und bei welcher Gelegenheit. Frag Sakura. Oder Shizune.“ Etwas anderes würde ihr kaum übrig bleiben. Auf Shizune würden sie noch ein oder zwei Tage warten müssen, da sie erst einen Abstecher machte. Wo Sakura war, wusste Konan nicht, aber sie vermutete, dass die jüngere Hexe noch mit dem Kreis beschäftigt war. Ein Kratzen am Fenster ließ sie aufhorchen. Oder auch nicht. Konan erhob sich, um das Fenster erneut zu öffnen und wie Schatten huschten die beiden Katzen herein. Aja sprang sofort zum Tisch hinüber, wo sie Wynn schnurrend begrüßte, während Sakura auf den Boden glitt und in ihre menschliche Gestalt schlüpfte. Sie klopfte sich nicht vorhandenen Staub von der Kleidung und sank auf einen der Stühle. „Und? Etwas gefunden?“ Konan schüttelte den Kopf. Sakura seufzte. „Wo sind Neji und Hinata?“ „Im Stall. Sie sollten gleich kommen.“ Konan hob ihre Zeichnung auf und hielt sie dem grünäugigen Mädchen hin. „Kennst du die?“ Sakura zog eine Augenbraue hoch und nahm das Blatt in Empfang. Aja hüpfte auf ihre Schulter, um es ebenfalls zu studieren. „Ja... Irgendwoher... Ich weiß nicht mehr genau.“ Die Hexe legte das Blatt auf den Tisch, setzte ihren Familiar daneben und suchte nach ihrem Hexenbeutel der unter ihrer Kleidung auf dem Bett hervor. Darin befand sich ihr wichtigster Besitz, die meisten Dinge, die sie für einen Zauber oder Ritual brauchte, von Kräutern über ein in Stein geritztes Runenalphabet bis hin zu einem geweihten Gefäß. Nur ihr Athame, ihr Hexenmesser, trug sie wie alle anderen Hexen am Gürtel. Sie zog ein dickes, ledergebundenes Buch aus der großen Tasche hervor und begann darin herumzublättern. Bevor sie jedoch weit kam, öffnete sich die Tür und Neji und Hinata betraten den Raum. „Sa...Sakura! Jemand hat dich gesehen!“, platzte Hinata heraus, kaum dass ihr Cousin die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Die Angesprochene blickte beinahe entsetzt auf und dann zu Aja. Die Katze leckte sich über die Nase. „Stimmt. Ich hab ihn gesehen. Und seinen Hund.“ Konan zog eine Augenbraue hoch. „Beruhigt euch.“, meinte Neji. „Ihr Anführer scheint mehr Verstand zu haben, als die meisten Dykae zusammen. Außerdem ist einer von ihnen Silvurraner.“ Er zuckte die Schultern. „Die werden uns in Ruhe lassen.“ Hinata nickte bekräftigend, während sie ihren Umhang auszog und begann, an ihrem Schwertgurt herumzufummeln. „Aber sie scheinen misstrauisch zu sein. Und ihr Herr – der Kazekage – ebenfalls.“ Neji nahm Bogen und Köcher vom Rücken und löste die Fibel, die seinen Umhang hielt. Sakura schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. „Das Ganze hier bringt mehr Schwierigkeiten, als wir gedacht haben. Erst finden wir nichts und stehen nur vor Sackgassen und jetzt das!“ Sie warf die Hände in die Luft. Konan konnte ihre Gefühle nachvollziehen. „Was machen wir jetzt?“, wollte Hinata leise wissen. „Was können wir überhaupt machen?“ „Nichts.“, antwortete Aja vom Tisch. „Oder ins Bett gehen.“ Und sie rollte sich auf dem Tisch zusammen. Wynn krächzte belustigt und wirkte, als wolle er ihr recht geben. Die Menschen sahen sich an und dann zuckte Sakura die Schultern. „Sie hat recht.“ Nur wenige Minuten später lagen sie alle in ihren Betten und schliefen. Wenn auch jeder von ihnen mindestens eine Waffe griffbereit hatte... Es war noch dunkel, als Konan erwachte. Sie war plötzlich hellwach, die Härchen auf ihren Armen hatten sich aufgerichtet und eine Gänsehaut hatte sich auf ihrem Körper ausgebreitet. Irgendjemand atmete schwer, wie unter Schmerzen… „Sakura!“ Hinatas Stimme riss ihre Aufmerksamkeit an sich. Sie setzte sich ruckartig auf und warf ihre Decke von sich, erschauderte unter der plötzlichen Kälte, während sie aus dem Bett sprang. „Was ist?“, hörte sie Nejis Stimme aus der Dunkelheit und sie schnippte mit den Fingern, um ein Hexenlicht zu entzünden. Sofort flammte das helle Feuer auf und tauchte den Raum in einen gespenstisch weißen Schein. Aja lag wie tot auf dem Tisch und Wynn hockte besorgt neben ihr, stieß sie mit dem Schnabel an, aber sie rührte sich nicht. Sakura röchelt inzwischen, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Hinata war totenbleich und entsetzt, während sie sich über ihre Hexe beugte, sie schüttelte und versuchte, sie zu wecken. Konan starrte die beiden mit schreckengeweiteten Augen an und wandte dann den Blick zu Neji. Dieser schloss gerade seinen Gürtel, war beinahe gänzlich angezogen, auch wenn er auf die Lederrüstung verzichtete. „Jemand durchbricht den Schutzkreis.“, zischte sie und begann dann ihrerseits, ihre Kleider überzuwerfen, die sie sich für die Nacht ausgezogen hatte. Was für ein Glück, dass sie heute so vorsichtig gewesen waren... Sie griff nach ihrem Athame und der weißen Blume, die noch auf dem Tisch lag. „Wynn, komm!“ Der Rabe saß mit zwei Flügelschlägen auf ihrer Schulter und schon war sie bei der Tür, riss sie auf. Sie ließ das Hexenlicht bei Hinata zurück, die verzweifelt versuchte, ein Lebenszeichen außer diesem fürchterlichen Röcheln aus der grünäugigen Hexe herauszubekommen. Gefolgt von Neji, der sein Schwert in der Hand trug, rannte sie barfuss die Treppe hinunter. Der Schankraum lag still und verlassen da, aber sie kümmerten sich nicht darum, sondern verließen die Herberge durch die Vordertür. Auf dem Dorfplatz stoppten sie. „Wo...? Wer...?“, murmelte Konan vor sich hin und blickte sich wild um. Jemand durchbrach Sakuras Schutzkreis und brachte sie dabei langsam um und sie wusste nicht, wo! Oder wer. Der Kreis umgab das gesamte Dorf und wenn sie jetzt einfach losgingen und suchten würden sie die Person sicher nicht finden. „Wynn?“ Der Rabe schüttelte den Kopf und sie griff seufzend nach der Blume um eines der Blütenblätter abzuzupfen. Sie schob die Pflanze in ihr Haar zurück und blies das einzelne Blatt von ihrer Handfläche. „Zeit mir die Richtung.“, befahl sie ihr und die Blüte wurde nach Norden getrieben wie von einer unsichtbaren Hand getragen, ehe sie auf den Boden fiel. Die beiden verloren keine Zeit, sondern rannten los. Hinter ihnen durchbrach Sakuras gellender Schrei die Stille der Nacht. Kapitel 3: But mountains are holy places ---------------------------------------- Es war bald still geworden, nachdem der Wirt alle seine Gäste aus der Schankstube geworfen hatte. Nur wenige hatten protestiert und niemand lautstark, denn für jeden würde der nächste Tag anstrengend sein. Die einen, weil sie ihren täglichen Pflichten nachgehen mussten, die anderen, weil sie weiterhin eine beschwerliche Reise vor sich hatten. Pein hatte seine Wachen eingeteilt und den Rest ebenfalls zu Bett geschickt. Er sah kurz nach Dunkelwind, ehe er dem Beispiel seiner bereits schlafenden Kameraden folgte und unter seine Bettrolle kroch. Tsume weckte ihn für seine Wache. Irgendwo beschwerte Kisame sich leise über die verdammte Hundswache, aber das Rascheln der Decke zeigte, dass der große Mann sich aus seinem Lager befreite. „Viel Spaß.“, spöttelte Tsume müde, ehe sie zu ihrer eigenen Bettstatt ging. Es war also nichts geschehen. Pein zog sich seine für die Nacht abgelegten Kleider über – nicht viel – und griff nach seinen Waffen, ehe er aus dem Zelt kroch. Es war still, man hörte nur die üblichen Nachtgeräusche, das Zirpen von irgendwelchen Insekten, den Wind, das Mahlen der Pferdezähne, leise Stimmen von weiteren Wachen, die in der Nacht weit getragen wurden. Itachi wartete nur wenige Schritt entfernt auf Kisame, der gerade ebenfalls aus seinem Zelt kroch, während Ino und Hana mit den drei Hunden des Inuzukamädchens bereits auf den Weg waren, ihre Wachposten einzunehmen. Die beiden Männer nickten ihrem Anführer stumm zu, als dieser an ihnen vorbei ging und seinen eigenen Platz anstrebte. Er hörte sie leise hinter sich reden, ehe sie selbst in entgegengesetzte Richtungen aufbrachen. Das Dorf lag ebenfalls in tiefsten Schlummer. Nichts schien die Stille durchbrechen zu wollen. Wenn das nur mal so bleiben würde… Er hatte nichts dagegen, eine ruhige Wache zu verbringen, unter seine Decken zurückzukriechen, am nächsten Morgen ungestört aufzuwachen und dann zuzusehen, wie das allgemeine Zusammenpacken losging. Und dann einen ruhigen Tag auf dem Rücken seines Pferdes… Und das bis zum Zielort. Ein ganz problemloser Auftrag ohne Kämpfe, ohne Blut, ohne Vorkommnisse. Aber hatten sie das je gehabt? Ein Teil des guten Rufes – oder vielleicht eher der Großteil davon – verdankte Akatsuki nicht seinen Mitgliedern, sondern den kurios ausartenden Aufträgen, die seltsamer nicht gingen. Und die sie auf Schritt und Tritt verfolgen zu schienen. Bis jetzt hatten sie alles gemeistert, alles überlebt – wenn auch nicht immer alle von ihnen. Sie hatten viele Kameraden verloren. Hier und da, an Räuber und Ritter, an Natur und Krankheit, an Mörder, Diebe und Herrscher. Sie waren Söldner und keiner von ihnen erwartete, lange zu leben – aber viele von ihnen taten es doch. Pein erwartete nicht, dass auch dieser Auftrag gefährlich werden konnte. Aber die Probleme konnten größer werden, als er es sich gedacht hatte – weil sie anders waren als alles, was sie gesehen und erlebt hatten. Wie konnte es in einem Land voller Hexen anders sein? Magie war etwas, mit dem sie es noch nie zu tun gehabt hatten. Außer Kotetsu, der ja aus Silvurra stammte und sozusagen damit aufgewachsen war, war das für sie alle neues Gebiet. Und das trug sicher nicht zu Peins Beruhigung bei. Außerdem… Ein gellender Schrei unterbrach seine Überlegungen; es war die Stimme einer Frau, jung, wahrscheinlich noch nicht einmal ausgewachsen… Automatisch zuckte seine Hand zum Griff seines Schwertes und er hatte die Klinge schon halb gezogen, als er einen Augenblick später realisierte, dass niemand in seiner Nähe war. Der Schrei schien von vorn zu kommen, aus der Mitte des Dorfes. Er rannte los. Ino und Hana mit ihren Hunden trafen beinahe gleichzeitig mit ihm an der Herberge ein. Die Tiere wirkten höchst erregt und gleichzeitig auch verängstigt, während sie auf dem Boden herumschnupperten. „Wer war das? Was ist passiert?“, brüllte Ino laut, ihre beiden Kurzschwerter in den Händen. Die Haimaru-Brüder bellten aufgeregt und winselten. „Was ist?“, wollte Hana von ihnen wissen und ging neben dem nächsten in die Knie, den langen Speer auf den Boden gestützt. Sofort kamen auch die anderen beiden zu ihr und rieben die Köpfe an ihrem Arm. „Ino, geh in die Herberge und frag nach.“, befahl Pein abgelenkt, während er die Hunde anstarrte. Diese Reaktion… „Hana, was ist mit ihnen? Wessen Spur…?“ „Ich weiß nicht. Es ist … es ist wie …“ „…bei der Lagerstelle heute Mittag?“ Sie blickte auf und nickte dann. „Sorg dafür, dass sie die Spur aufnehmen, wir haben keine Zeit auf Kuromaru zu warten.“ „Sicher, ich versuch’s.“ Ino starrte die Tiere verdutzt an, erinnerte sich dann aber an ihren Auftrag und stürmte nach drinnen. Hana gelang es bewundernswert schnell, ihre Hunde davon zu überzeugen, dass ihre Hilfe jetzt wirklich benötigt wurde. Vielleicht lag es einfach an der Loyalität der Tiere. Kurz darauf stürmten sie die Straße hinunter, folgten der Spur, die die Hunde aufgenommen hatten. Das Blut rauschte in Peins Ohren und die nächtlichen Geräusche schienen lauter geworden zu sein. Nur einmal zögerten die Hunde, ehe sie eine der schmalen Gassen, die links zwischen den Häusern hindurchführten, entlang rannten. Pein warf einen zweifelnden Blick die Hauptstraße hinunter – warum sollte der … Was-auch-immer nicht da weitergelaufen sein? Ob er verfolgt wurde? Aber da war niemand gewesen! – ehe er Hana folgte, die bereits ihren Hunden nachgelaufen war. Und – wen verfolgten sie hier überhaupt? War es tatsächlich eine Hexe? Kurz darauf öffnete sich das Dorf zu der weiten Wiese, die es umgab. Das Lager der Dykae befand sich am anderen Ende des Dorfes, so dass hier keine Zelte standen. Auch Licht gab es hier kaum. Weiter rechts flackerte etwas hell wie eine Flamme, auch wenn es weißes Licht war, nicht gelb wie Feuer. Und nur einen Augenblick später begannen die Hunde wie wild zu bellen. Von vorn war ein erschrockener Aufschrei zu hören, gefolgt von der wilden Bewegung einer schattenhaften Gestalt. Viel konnten sie nicht sehen, aber die Person war hochgewachsen und trug einen weiten Umhang. Peins Hand schnellte automatisch zum Gürtel, wo er eine Reihe Wurfdolche trug. Die Klinge zuckte wie ein Blitz durch die Nacht und grub sich in den Körper ihres Gegenübers. Der stieß erneut einen gedämpften Schrei aus und stolperte einen halben Meter zurück, während er ihnen entgegenstarrte. Hanas gezischter Befehl hetzte die Hunde auf die Person los, doch in die kam wieder Leben. Mit einem lauten, wüsten Fluch – es war definitiv ein Mann – riss er die Dolchklinge aus seiner Hand und schleuderte sie von sich, ehe er sich bückte und mit einer weiten, fahrigen etwas in die Luft schleuderte, etwas, das aussah wie silbriger Sand, der im Sternenlicht glitzerte, wie Sternenstaub… Ein gefauchtes Wort folgte, während der Staub noch langsam zu Boden taumelte. Die folgende grelle Stichflamme ließ Pein reflexartig die Hände hochreißen um die Augen zu schützen. Die Hunde winselten angstvoll, Hana fluchte leise. Als er die Arme wieder sinken ließ, war von dem Mann nichts mehr zu sehen. Es roch allerdings nach verbranntem Gras und verkohlter Erde. Von der Seite kamen laute Rufe, Pein erkannte einen Moment später die Stimmen von Ino und Kisame. Er drehte sich um und blickte den drei Gestalten entgegen, die auf sie zugeeilt kamen. Itachi war ebenfalls dabei, wenn auch nicht so laut wie die anderen beiden. Außerdem drehte er sich immer wieder um und musterte einerseits den Weg zum Pass, andererseits den zurück ins Dorf. Als hätte er etwas oder jemanden gesehen und hoffte, nun einen besseren Blick auf ihn zu erhaschen… „Was ist passiert?“, wollte Kisame wissen, als sie nahe genug waren, um sich zu verstehen ohne schreien zu müssen. „Das ist eine gute Frage.“, knurrte Hana, und tätschelte nacheinander ihre Hunde, die sich wieder angstvoll um sie drängten. Pein verschränkte die Arme. „Ich will morgen mit den Hexen reden.“ „Das heißt wohl, wir können jetzt nicht viel machen?“, murmelte Ino halb fragend und ihr Blick huschte ratlos über den Boden als suche sie nach Spuren. In dieser Dunkelheit war jedoch zu wenig erkennbar, so dass das nichts nutzte. Pein würde selbst sein Wurfmesser am nächsten Tag suchen müssen, es würde unmöglich zu finden sein. „Was tun wir?“, wollte Ino schließlich wissen. Nachdenklich starrte ihr Anführer auf den Boden. Die anderen schwiegen, alle genauso ratlos wie er selbst. Schließlich blickte er wieder auf und antwortete: „Im Moment nichts. Wir brauchen mehr Licht. Kehrt auf eure Wachposten zurück.“ Widerspruchslos fügten sie sich und gingen in verschiedene Richtungen davon, nur Hana blieb zurück, die dieses Gebiet zu bewachen hatte und sich bis zum Ende ihrer Schicht kein Stück von dieser Stelle rühren würde. Die Hunde konnten den Rest für sie erledigen. Einen Moment später fügte er hinzu: „Hana, übernimmt kurz meine Wache.“ Beinahe gleichzeitig drehte er sich um und ging in die Richtung des Dorfes zurück. „Wohin gehst du?“, wollte die Angesprochene wissen und er hob nur die Hand. Er wusste selbst nicht, warum er das tat, folgte nur einem plötzlichen Impuls. Seine Beine brachten ihn zurück ins Dorf und er stoppte vor der Herberge. Zwei Fragen gab es noch zu beantworten: Wer hatte geschrieen? Und warum? Ino hatte nichts erfahren, sonst hätte sie etwas gesagt. Aber wenn er jetzt hier vor dem großen Gebäude stand und die Fassade hinaufstarrte, fragte er sich doch, was das für eine Bedeutung hatte. Das Unheil, was immer es auch gewesen war, war geschehen, da war er sich sicher. Und nichts, was er jetzt in diesem Augenblick tun würde, würde es rückgängig machen. Musste er wirklich alle Leute aus dem Bett werfen? Wenn die Sache doch nur nebensächlich sein würde? Er war sich beinahe sicher, wer geschrieen hatte, auch wenn er weder wusste, wie die Person aussah, noch wer genau es überhaupt war. Aber das spielte keine Rolle. Wenn er recht hatte mit seinen Überlegungen, standen sie auf derselben Seite. Oder sie waren zumindest keine Feinde, was mehr war, als er manchmal erhoffen konnte. Er sollte die Sache für diese Nacht einfach auf sich beruhen lassen… Eine Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich und er brauchte – trotz der Dunkelheit und der Schwärze des Gefieders – nicht lange, um den Raben zu erkennen. Er war groß und blickte direkt zu ihm herab. Pein zog eine Augenbraue hoch. Ein Rabe. Schon wieder. Wie oft hatte er am letzten Tag einen Raben gesehen? Und wie oft hatte er dabei das Gefühl gehabt, er würde ihn beobachten, mit einer Intelligenz im Blick, die kein Tier besaß? Und wie oft dachte er, es sei ein und derselbe? Mit einer raschen Bewegung zuckte seine Hand zu einem weiteren Wurfmesser und schleuderte es in die Richtung der schwarzen Gestalt. Der Rabe flog hastig auf und die Klinge bohrte sich mit einem lauten Geräusch in das Holz. Pein fluchte. Neji stand an der geschlossenen Tür Wache, die Klinge blank in den Händen. Seine Augen leuchteten gespenstisch im Licht des schwachen Hexenlichtes, das seine Hexe beschworen hatte und unter der Decke schwebte. Konan rieb sich müde die Schläfen und fragte sich, wo Wynn sich wieder herumtrieb, während ihre Hände langsam durch Ajas Fell strichen. Dem Katzenfamiliar ging es wieder besser, mit halboffenen Augen lag er auf dem Tisch und schnurrte leise vor sich hin. Viel wahr nahm er momentan trotzdem nichts, wie es schien. Aber das war nicht das einzige, was nicht ganz stimmte mit ihnen. Beinahe alles war so schief gelaufen, wie es nur hätte schief laufen können. Erst der letzte Abend mit den Dykae, dann diese Unterbrechung ihrer Nachtruhe, das fruchtlose Suchen, die Angst um Sakura und schließlich hatten sie auch noch über den Baum in ihr Zimmer einsteigen müssen, weil man sie sonst entdeckt und sicher für den Übeltäter gehalten hätte. Sie hatten definitiv schon bessere Tage gesehen. Und die Nacht war noch nicht einmal vorbei. Auch wenn sie nicht glaubte, dass noch etwas geschehen würde, es würde sie nicht großartig überraschen. Wahrscheinlich sollten sie jetzt trotzdem einfach ins Bett gehen und versuchen zu schlafen. Sie hatten morgen einen langen Tag vor sich… Und nicht nur der nächste oder der übernächste oder der danach… Im Grunde waren sie nur für den Fall wach, dass jemand kam um zu berichten, dass erneut jemand entführt worden war. Aber sie warteten schon eine ganze Weile und bis jetzt hatte sich noch nichts gerührt. Keine Klageschreie, die von dem Verschwinden von einem weiteren Mädchen berichteten. Keine entsetzten Rufe, die die Namen von Kindern in die Nacht trugen. Kein frenetisches Klopfen an ihrer Zimmertür und ein aufgelöster Dorfbewohner, der berichtete, jemand hätte die Frau, die Mutter oder die Tochter gestohlen. Das einzige Geräusch, das sie hörten, war Sakuras tiefes Atmen. Es war noch immer schwer, aber sie schlief ansonsten ruhig und sicher. Hinata, die ihnen das Fenster geöffnet hatte, saß auf ihrer Bettkante und warf ihrer Hexe hin und wieder besorgte Blicke zu, während sie die feingliedrige Hand des älteren Mädchens zwischen den Fingern hielt und auf ein Zeichen wartete. Verschlechterung oder Besserung der Lage – alles konnte es bedeuten. Konan glaubte nicht mehr daran, dass Sakura sterben würde, das Mädchen war stark, aber die gewaltsame Spaltung des Schutzkreises hatten einen gewaltigen Rückschlag verursacht, der durch die Störung verursacht worden war, hätte sie wahrscheinlich getötet, wenn Konan nicht helfend eingriffen hätte. Das war allerdings auch das einzige, was sie hatte tun können. Die verursachende Hexe war schon über alle Berge. Außerdem wussten sie, dass sie es tatsächlich mit einer außerordentlich machtvollen Person zu tun hätten – erstens musste sie das sein, um Sakuras Kreis zu durchbrechen, zweitens um diese damit auch noch derartig in Gefahr zu bringen. Der Rückschlag war durch einen zu starken magischen Stoß entstanden, den ihr Gegner auf den Kreis geschleudert hatte. Um zu entkommen. Konan war sich sicher, dass es sein Rückweg gewesen war. Wie er es in den Kreis geschafft hatte – oder ob er das überhaupt hatte tun müssen, vielleicht war er schon im Dorf gewesen, als Sakura den Kreis gezogen hatte – war eine Frage, die sie nicht beantworten konnte. Und sie fragte sich, wer diesmal entführt worden war. Die Antwort darauf hatten sie nicht, aber sie war sich sicher, spätestens am nächsten Tag würden sie sie bekommen. Hinata hatte erzählt, dass Leute gekommen waren und sich über Sakuras Schreie beklagt hatten. Sie hatte etwas von Albträumen erzählt, aber wer schrie so laut und so voller Qual nur wegen eines Traumes, auch wenn es ein schlechter gewesen war? Dennoch hatte man die Erklärung akzeptiert – zumindest von dykaischer Seite aus. Den Wirt hatte Hinata noch einmal beruhigen müssen, aber auch er war rasch wieder verschwunden. Es gab nichts, was er hätte tun können. Konan stand abrupt auf und ging zu ihrem Bett. Wäre jemand entführt worden, wäre man vermutlich schon zu ihnen gekommen, richtig? „Aja, weck uns auf, falls wieder etwas mit Sakura ist.“ Die Katze erhob sich langsam und steif und sprang vom Tisch, um zu dem Mädchen hinüberzugehen. „Sicher.“ Selbst ihre Stimme klang rau. Hinata hob sie hoch, um sie neben die grünäugige Hexe auf das Bett zu legen, wo sie sich zusammenrollte. Nur wenige Augenblicke lagen sie alle wieder in den Betten und versuchten zu schlafen. Die Sonne war bereits aufgegangen, als Konan das nächste Mal erwachte. Es war schon hell im Zimmer. Sie konnte die leise flüsternden Stimmen von Neji und Hinata hören, die an der Tür auf dem Boden saßen, und das Wispern eines Schleifsteines auf einer Klinge. Die beiden blickten auf, als sie sich aufsetzte, und nach einem Moment erhob sich Neji und verließ das Zimmer. Wahrscheinlich um Frühstück zu holen oder dergleichen. Müde schlug die Hexe ihre Decke zurück und stand auf. „Sakura?“, wollte sie von der zurückbleibenden Hagawar wissen und die nickte, während ihre Finger zerstreut durch Ajas Fell fuhren, die auf ihrem Schoß lag. „Ihr geht es besser. Wahrscheinlich wacht sie in ein oder zwei Stunden ebenfalls auf.“ Konan nickte und schlüpfte in die für die Nacht abgelegte Kleidung, ehe sie zu der Waschschüssel hinüberging, die in einer Ecke stand. Das Wasser darin war noch lauwarm, so lange konnte es noch nicht hier sein, dass es gebracht worden war. Kurz darauf kehrte ihr eigener Krieger zurück, der tatsächlich ein Tablett mit Essen auf den Händen trug. Er stellte es auf dem Tisch ab. Während sie aß, erwachte Sakura, viel früher als erwartet. Die jüngere Hexe setzte sich langsam auf und blickte sich orientierungslos um. Hinata war sofort an ihrer Seite und Aja sprang mit einem mächtigen Satz auf das Bett. „Wa…Was ist geschehen?“, wollte das grünäugige Mädchen wissen. „Jemand ist in das Dorf eingedrungen und während seiner Flucht deinen Schutzkreis angegriffen.“, antwortete Konan sachlich. Neji verließ erneut das Zimmer, nachdem er sich wortlos und mit einem Blick versichert hatte, dass Sakura wirklich nichts fehlte. „Wir…wir dachten, du würdest st…sterben!“, schluchzte Hinata auf und warf die Arme um ihre Hexe. Sakura erwiderte die Umarmung schwach mit einem Arm. „Das würde erklären, warum ich mich so zerschlagen fühle.“, murmelte sie leise. Sie fühlte sich nicht nur so, sie sah auch so aus. Konan hatten die dunklen Schatten unter ihren müde aussehenden Augen, die kränkliche Blässe ihrer Haut und der harte Zug um ihre Mundwinkel beinahe erschreckt. Aber sie hatte gewusst, dass Sakura so oder ähnlich aussehen würde. Ein Angriff auf einen Schutzkreis war nie, niemals leicht zu nehmen. Die junge Hagawar löste sich nach kurzer Zeit wieder von ihr. „Neji holt dir gerade etwas zu essen.“ „Das ist…gut.“ Sakura hörte sich noch immer mitgenommen an. Konan wandte sich wieder ihrem eigenen Tablett zu. Kurz darauf erschien Neji erneut und die nächsten Minuten vergingen in Schweigen. Sakura aß langsam und bedächtig, als wollte sie sich ganz genau einprägen, wie ihr Frühstück schmeckte um es nie wieder zu vergessen. Nahtoderfahrungen, wusste Konen, hatten solche Auswirkungen, ganz egal, wie oft man sie hatte. Man wollte wissen, warum man lebte, warum man kämpfte, warum man nicht einfach aufgab und sich der schwarzen, ruhigen Dunkelheit des Todes überließ. Warum man wieder zurück wollte in das bunte, laute Leben und es so lange genießen wollte, wie es ging. Und auch dafür kämpfte. „Was haben wir?“, wollte das grünäugige Mädchen schließlich wissen. „Nichts.“, antwortete Konan kurz angebunden und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. „Wir haben ihn gestern verloren, wahrscheinlich ein Teleportationszauber…“ „Aber…?“, hakte Sakura nach. „Jemand anderes mag etwas gesehen haben. Wir haben da so was gehört. Leider haben wir keine Ahnung, wer dieser Jemand gewesen ist.“ „Außer, dass es höchstwahrscheinlich einer der Fremden war.“, fügte Neji hinzu. „Wir werden es schon mitkriegen, meinst du?“ Der Hagawar nickte. „Die werden darüber nicht schweigen – wenn ich sie richtig einschätze.“ „A…aber we…wenn es diese Sö…Söldner waren…“, murmelte Hinata. „Dann haben wir vielleicht Pech.“, schloss ihr Cousin, wirkte aber weiterhin ungerührt. „Inwiefern?“, wollte die Hexe im Bett wissen und Konan erklärte: „Sie scheinen … anders zu sein. Einer unter ihnen auch ist Silvurraner. Könnte sein, dass sie die Sache für sich behalten.“ „Aha.“ Sakura schien noch benommen zu sein und daher eine Weile zu brauchen, die Informationen zu verarbeiten. „Oder sie kommen direkt zu uns.“, fügte die Blauhaarige hinzu und jetzt zog nicht nur Sakura die Augenbrauen hoch. Konan zog die Schultern hoch. „Sie werden wohl verstehen, dass sie ohne unsere Hilfe keine große Chance haben. Fragt sich nur, ob sie das überhaupt wollen – es geht sie schließlich nichts an.“ Es blieb still, während sie alle diese Worte einsinken ließen. Dann fiel Sakura noch etwas ein: „Und es ist niemand entführt worden?“ „Bis jetzt ist noch niemand gekommen.“, antwortete Neji sachlich. „Wir können tatsächlich annehmen, dass, was auch immer diese Hexe wollte, sie hat es nicht bekommen oder nicht gefunden. Oder wir waren schnell genug und unsere Anwesenheit hat sie verjagt, ehe sie etwas tun konnte – vielleicht konnte sie es nicht tun, weil sie das Dorf sonst nicht hätte verlassen können wegen dem Kreis.“ „Apropos.“, fügte Konan ein. „Wie kam sie ins Dorf? Hat der Kreis insofern versagt…?“ „Nein… Ich glaube nicht, dass mein Kreis versagt hat – oder überlistet wurde.“, wiedersprach Sakura nachdenklich und schüttelte langsam den Kopf. „Ich denke, der Eindringling war bereits im Dorf, als ich ihn gezogen habe.“ Doch was sie damit anfangen sollten, wusste niemand von ihnen. Sie verfielen in Schweigen, während jeder seinen eigenen, trüben Gedanken nachhing oder Gebete an die Göttinnen schickten, dass sie letzte Nacht trotz des magischen Angriffs Erfolg gehabt hatten und niemand verschwunden war. „Und noch etwas haben wir.“, bemerkte Neji plötzlich. Sein kühler Blick war auf den Himmel hinter dem Fenster gerichtet. „Die Hexe arbeitet nicht allein. Das gestern Nacht war keine Magie, die direkt aus der Erde gezogen wurde. Das war nur ein Talisman, der genutzt wurde.“ Konan hatte keinen Zweifel an seinen Worten. Das war eine der Gaben, die ein Hagawar von der Verbindung mit einer Hexe erhielt – das Erspüren von Magie, von der Art der Magie. „Soll das heißen“, begann Sakura zögernd. „Dass wir es hier mit mindestens zwei Leuten zu tun haben?“ Der Krieger nickte. „Nach all diesen Ereignissen vermute ich, dass es sich um eine Gruppe von Kriegern handelt, die um diese eine schwarze Hexe versammelt hat. Sie führt sie an und von ihr geht auch alles aus. Vielleicht ist noch eine zweite Hexe dabei, aber wenn, dann ist sie deutlich schwächer als die Anführerin.“ Das war logisch. Sie hätten schon früher daran denken sollen – es waren so viele Entführungen und selbst nachdem die Leute begannen, sich zu schützen, weil sie von der Gefahr wussten, hatte niemand etwas mitbekommen, als dann die nächsten verschwanden. Und dann diese Aktion in der letzten Nacht... Zu gut geplant, zu gut ausgeführt, zu schnell vollzogen. Das waren mehr als nur zwei oder drei Personen. „Wir können es nur schwer zu sechst mit einer ganzen Gruppe aufnehmen.“, bestimmte Konan. „Selbst wenn drei von uns Hexen sind.“ „Und Shizune ist noch nicht mal da...“, fügte Sakura hinzu. „Wa...was so...sollen wir dann tun?“, wollte Hinata wissen und sie blickte von ihrer Hexe zu Konan und dann zu ihrem Cousin. „Beruhige dich.“, antwortete die Jadeäugige, ehe sie einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster warf, Nejis Blick folgend. Sie wusste, dass er im Himmel sehr viel mehr sah als sie. Sie war eine bodenständige Person, Neji dagegen sah – trotz allen praktischen Veranlagungen – stets die weite, blaue Endlosigkeit und seine Träume ruhten auf den Schwingen der Vögel. „Wir wissen nicht, mit wem wir es zu tun haben, und wir sind alle aufs beste ausgebildet. Sobald Shizune zu uns stößt, sind wir viel mehr als nur eine Gruppe von Hexen, vergesst das nicht; und auch nicht die Macht der Roten Göttin. Falls alles nichts nützt werden wir Nachricht zum Zirkel schicken – sie werden uns Verstärkung schicken und wenn es nur ein paar Krieger sind. Das ist alles, was wir dann noch bräuchten. Selbst mit einer dritten Hexe könnten wir es aufnehmen und mehr werden wir hier nicht finden.“ Sie drehte sich wieder um. „Aber vielleicht finden wir auch woanders Hilfe.“ „Kotetsu!“ Der brünette junge Mann blickte auf, als er die Stimme seines Anführers vernahm. Er hockte mit Izumo vor dem Feuer und hatte leise mit dem Freund gesprochen. „Was ist?“ Pein trat zu ihnen und ließ sich ihnen gegenüber auf den noch feuchten Boden sinken. „Stimmt es, dass Hexen Leute aufspüren können?“ „Wenn sie etwas persönliches von diesen Personen haben, sollte es kein größeres Problem sein…“, antwortete der Angesprochene nach kurzer Überlegung. „Persönlich – so wie Blut?“ Pein hob das schlanke Wurfmesser, das er an diesem Morgen unter Mühen gesucht hatte, seit das Licht dafür ausreichte. Die Klinge war mit bereits trockenem Blut verklebt. Erstaunt blickte Kotetsu sie an. Dann nickte er langsam. „Ja. Das würde gehen.“ „Gut.“ Der Sturmreiter würde darauf Acht geben, dass die Schneide erst einmal nicht gesäubert wurde… „Du hast doch nicht etwa vor, eine von den Hexen zu fragen? Ich meine, was wäre der Grund...? Haben wir einen?“ Der Silvurraner klang plötzlich besorgt. „Ist etwas passiert?“ „Noch nicht. Wir wissen nicht, was genau geschehen ist und ob es uns überhaupt betrifft.“ „Aber du hast so ein Gefühl?“, warf Izumo ein und Pein schloss für einen Moment zustimmend die Augen. „Wenn wir es nicht brauchen, tun es die Dorfbewohner.“ „Wenn du dich zu auffällig umhörst, kriegt es der Kazekage mit.“, warnte Izumo. „Ich werde schon aufpassen.“ Pein erhob sich. „Fangt schon einmal an, zusammenzupacken. Ich denke, wir ziehen bald los.“ ‚Bald’ wäre in ein oder zwei Stunden, aber er wollte seine Männer nicht hetzen. Vorsichtig wickelte er das blutverschmierte Messer in ein Tuch und ließ es bei seinen Bündeln, ehe er ins Dorf zurückging um seinen Auftraggeber zu suchen. Ohne seinen Befehl ging hier nichts. Wahrscheinlich hockte er noch in der Herberge bei einem schönen, warmen Morgenmahl oder dergleichen. Kiba war nicht der einzige gewesen, der die hohen Adligen bei ihrem eigenen rasch zusammengesuchten Frühstück lautstark beneidet hatte. Wahrscheinlich ließen sich diese beiden Dinge nicht einmal im Ansatz vergleichen – aber wer war es, der das Geld hatte? Die Söldner oder die Adligen? Die Straßen des Dorfes waren bei weitem nicht mehr so ausgestorben wie in der letzten Nacht. Es war allerdings auch nicht unbedingt eine Menschenmenge, die durch die Gassen drängte. Dorfleute und Reisende vermischten sich, aber kaum einer nahm Rücksicht auf die Anwesenheit der jeweils anderen Gruppe. Pein wurde weder von der einen noch der anderen viel Beachtung geschenkt, während er sich zwischen den Leuten hindurchschlängelte. Bald kam die Herberge in Sicht und er beschleunigte seine Schritte, als sein Blick auf jemanden fiel. Unter dem Torbogen stand eine Frau. Sie war deutlich noch lange nicht alt und schlank wie eine junge Birke und blaues Haar fiel um ein hübsches, kaltes Gesicht, aus dem jadegrüne Augen distanziert das Treiben in den Gassen beobachteten. Ihr Blick richtete sich nach einigen Momenten auf ihn, aber es war schwer zu sagen, ob sie ihn nicht schon früher bemerkt hatte. Pein wandte sich nicht ab. Er hatte sie noch nicht im Dorf gesehen, aber das galt vermutlich für den Großteil der hiesigen Bevölkerung. Dennoch sagte ihm sein Instinkt, dass diese Frau nicht hier lebte. Da war etwas an ihr – vielleicht die selbstbewusste Art, wie sie sich hielt, oder der kühle, einschätzende Blick, mit dem sie ihn bedachte. Wer wusste schon – vielleicht war sie diejenige, mit der er am letzten Tag zusammengestoßen war, auf der Treppe? Die zweite Hexe? Über ihr Gesicht huschte kurz ein seltsamer Ausdruck, als sie ihm direkt ins Gesicht blickte, ehe sie rasch wegsah. Dennoch erhob sie die Stimme, ehe er an ihr vorbei gehen konnte. „Habt Ihr gestern etwas bemerkt?“ Er blieb stehen und wandte den Kopf um sie anzusehen. Sie trug eine weiße Rose im Haar, die einen Kontrast zu den dunklen Strähnen bildete. „Was sollen wir bemerkt haben?“ Die Rückfrage war ausweichend, um eine direkte Antwort herumzukommen, und die Frau nahm sie ihn ohne mit der Wimper zu zucken und antwortete einfach: „Etwas Außergewöhnliches. Etwas, das nicht normal war.“ Sie drehte sich weg. „Gestern schrie ein Mädchen und ein Krieger ist aus dem Dorf geflohen, denn seine Verfolger konnten ihn nicht einholen.“ Das war eine sehr kryptische Umschreibung der Ereignisse in der letzten Nacht. „Eine dunkle Hexe gestattete ihm, sich auf den Schwingen der Nacht fortzubewegen an einen Ort, den nur sie kannte.“ Sie blickte ihn unter langen Wimpern her an. „Wie viel wisst ihr von Hexen?“ „Ich habe keine Ahnung von Hexen.“, antwortete er einfach. „Nach allem was ich weiß, könntet Ihr eine Hexe sein.“ Ihre Mundwinkel zogen sich zu einem minimalen Lächeln nach oben und sie senkte für einen Moment die Lider, sagte aber nichts. Er hatte auch keine Antwort erwartet. Was hätte sie sagen können? Dass sie eine war? So lange sie sich auf diesem unsicheren Boden befanden, konnte sie das gar nicht, ohne sich, ihre Freunde und selbst das Dorf in Gefahr zu bringen. „Ihr seid klug.“ Er zog eine Augenbraue hoch und ließ das Kompliment dann einfach fallen. „Was habt Ihr gestern bemerkt?“, wiederholte sie, diesmal eindringlicher. „Habt Ihr es nicht gerade gesagt? Wir haben auch nicht mehr gesehen, aber die Hunde sind nervös geworden.“ Die Frau nickte, als hätte sie eine derartige Reaktion erwartet, was nicht weit hergeholt war. „Wenn...“ Sie wurde unterbrochen, als die Tür zum Gasthof plötzlich aufgestoßen wurde. Ein Schwall frenetischer Stimmen und das rosahaarige Mädchen kamen ihnen entgegen. Die junge Frau stieß die Tür wieder hinter sich ins Schloss und rannte auf die Jadeäugige zu. Dann bemerkte sie Pein und stockte in ihren Schritten. Aber anscheinend spielte seine Anwesenheit keine Rolle für das, was sie zu sagen hatte. „Konan, es ist doch erneut geschehen!“ Sofort veränderte sich die Haltung der Angesprochenen; das hübsche Gesicht verlor jeglichen Ausdruck und ihr Mund wurde hart. „Was? Aber es hat sich niemand gemeldet...“ Die andere schüttelte den Kopf, warf Pein, der das Ganze interessiert verfolgte, einen Blick zu und erklärte: „Es ist Harusame. Die Enkelin des Kazekagen.“ „Was ist mit ihr?!“, verlange Pein scharf zu wissen und das Mädchen fuhr erschrocken zurück. „Sie ist weg...“, murmelte Konan und ging dann mit raschen, energischen Schritten auf die Tür zu. Weg?! Was hatte das zu bedeuten? Doch nicht das, wonach es sich anhörte? Pein stieß einen Fluch aus und folgte den beiden Frauen nach drinnen und in den Schankraum. Dort war die Hölle los. Soldaten und Diener redeten durcheinander. Temari von Sabaku stand an der Seite, das Gesicht in Shikamarus Kleidung vergraben und auch ihr junger Mann machte einen besorgten Eindruck. Der Kazekage ragte hoch über dem armen Kindermädchen auf, das in der Mitte der Aufmerksamkeit stand, völlig aufgelöst und in Tränen, während der hohe Herr drohend über ihr stand und sie beschimpfte. „Verdammt...“ Pein fuhr sich durch das Gesicht. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Scheinbar war die kleine Harusame tatsächlich verschwunden und wenn er die Ansammlung und Temaris Zustand hier so betrachtete, hatte man schon nach ihr gesucht, ehe das Chaos ausgebrochen war. Er fluchte erneut. Wer wusste schon, was passiert war? Das kleine Mädchen hatte absolut nicht verdient, hierbei die Leidtragende zu sein, was auch immer ‚hierbei’ war. Sie war süß, unschuldig und konnte noch nicht einmal verstehen, was hier überhaupt los war! Außerdem würden Pein und seine Söldner jetzt noch länger hier bleiben in dem Dorf, in dem sie sich benahmen, benehmen mussten, als gingen sie auf Eiern, damit das zerbrechliche Gleichgewicht nicht zerstört wurde. Der Kazekage, seine Adligen und die Soldaten interessierten sich ja nicht dafür. Ob es einer der Dorfbewohner gewesen war um sich an den Eroberern zu rächen, so verrückt und verdreht das auch war? Harusame war das schlechteste, dümmste Opfer, das man sich aussuchen konnte und zeugte nicht nur von Rachsucht, sondern auch von absoluter Feigheit. Pein warf einen kurzen Blick auf den Wirt und seine Schankmädchen, die schweigend an der Seite standen und der Sache zusahen. Sie waren alle kalkweiß und wirkten nicht nur geschockt. Er verwarf den Gedanken. Die waren schlichtweg entsetzt und verängstigt. Und er bezweifelte, dass es damit zusammenhing, dass der Kazekage hier so einen Aufstand machte, oder mit der Entführung. Dann würden sie nur mitleidig aussehen oder gar nicht hier sein. Da steckte etwas völlig anderes dahinter. Peins Blick wanderte weiter zu den beiden Hexen, die mit verschlossenen Gesichtern die Szene betrachteten. Es hing mit ihrer Anwesenheit zusammen, daran bestand kein Zweifel. Also blieb ihm nur eins übrig. Er hob die Hand und griff nach der Schulter der älteren Frau, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie stieß einen erschrockenen Laut aus und fuhr herum, während ihre Hand zu dem großen Messer zuckte, das sie am Gürtel trug. Sie entspannte sich nahezu sofort wieder, aber trotzdem war er beeindruckt von ihrer raschen Reaktion. Dennoch kam er sofort zum Punkt. „Was ist hier los?“ Seine Stimme war ruhig, aber bestimmt und drückte deutlich aus, dass weder er noch sie gingen, ehe sie erzählt hatte, was sie wusste. Sie antwortete mit einem kühlen, abschätzenden Blick, dann wandte sie sich noch einmal kurz zu der Szene im Raum, ehe sie auf die Türe zeigte. „Kommt wieder mit nach draußen. Hier ist es zu laut. Sakura?“ Das Mädchen nickte, während sie gleichzeitig etwas – oder jemanden? – im Raum suchte. „Ich kümmere mich darum.“ Worum sagte sie allerdings nicht. Bereitwillig folgte Pein der Jadeäugigen, die auch gleich zum Thema kam, kaum das sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. „Das Kind war nicht die erste Entführung in dieser Gegend.“, sagte sie reserviert. „Jeden Monat wird eine Person entführt. Das erste Opfer war eine alte Frau. Jetzt, die Kleine mitgezählt, sind es sieben. Wir wissen nicht, wie lang das so weitergehen wird oder was der Entführer mit ihnen vorhat.“ Pein nickte und sammelte die Informationen sorgsam, um sie später noch einmal genauer anzusehen. Jetzt gab es noch eine wichtigere Frage. „Glaubt Ihr, sie leben noch?“ „Wir gehen davon aus.“ Sie blickte sich um als wolle sie sich versichern, wer zuhörte. Außer ihnen befand sich jedoch niemand im Hinterhof. „Wir gehen ebenfalls davon aus, dass es sich bei dem Entführer um eine schwarze Hexe handelt, die mit den Verschwundenen einen Zauber durchführen wird. Es gibt nur wenig Magie, die funktioniert, wenn die Opfer bereits tot sind.“ Es war klar, dass sie hier nicht mehr von Leuten sprach, die in ein Verbrechen verwickelt waren, sondern von Opfern in einem ganz anderen Sinne. „Wir müssen daran glauben, dass die Leute noch leben.“ Das war leicht verständlich. Es war auch verständlich, dass es nur eine Möglichkeit gab, warum man sie geschickt hatte: Sie waren Hexen und anschienend bekämpfte man Hexen wie Feuer – mit anderen Hexen, wie Feuer mit Feuer. „Und darum seid ihr hier? Ihr und Sakura?“ Sie warf ihm einen langen Blick zu, wohlwissend, dass er wusste, dass auch sie eine Hexe war. Dann nickte sie. „Der Zirkel der Silbernen Flamme hat uns und eine weitere hergesandt, damit wir dem ein Ende bereiten und die Schuldige wenn möglich unschädlich machen.“ Pein dachte an die Hexe und ihren Krieger zurück, die am letzten Tag an ihnen vorbeigeritten waren, als sie auf Inoichi und Itachi gewartet hatten. Ob es sich dabei um die dritte handelte? Die anderen beiden Krieger hatten sie ja schon getroffen. Da fielen einige Puzzlestücke zu ihren Plätzen und gaben nun ein erkennbares Bild ab. „Und sonst wisst Ihr nichts?“ Konan schüttelte langsam den Kopf. „Wir haben gehofft, die letzte Entführung verhindern zu können, aber wir glauben, dass der Täter sich bereits im Dorf befunden hat, als Sakura den Kreis zog.“ „Sie war es, die letzte Nacht schrie.“, stellte der Krieger fest und die Blauhaarige nickte. „Ja. Wir haben jedoch nichts gefunden, als wir gesucht haben.“ „Aber wir...“, murmelte Pein und drehte sich halb weg, tief in Gedanken versunken. Die Hexe legte den Kopf schief. „Krieger...“, begann sie spröde und er blickte sie wieder an. „Wir haben uns noch nicht angemessen vorgestellt.“ Sie neigte den Kopf in einer universellen Begrüßungsgeste. „Man nennt mich Konan, Rabenhexe der Silbernen Flamme. Mein Familiar ist Wynn und mein Hagawar Neji vom Hyuuga-Clan.“ Es war eine formelle Vorstellung, eine, die eine ebenso förmliche Erwiderung verlangte. Also berührte er seine Stirn mit zwei Fingern, wie es die Traditionen seines Volkes vorschrieben. „Ich bin Pein aus den Steppen von Khral, Sturmreiter im Zeichen des Raben und Anführer von Akatsuki. Wir kämpfen für Sold.“ „Ich grüße Euch.“ Sie schwieg einen Moment, ehe sie in dringlichem Tonfall fortfuhr: „Pein aus Khral, Ihr müsst mit dem Kazekagen sprechen und ihn davon überzeugen, dass er unsere Hilfe braucht. Allein wird er mit Sicherheit nicht weit kommen und wir ... Ich befürchte, dass auch wir unsere Aufgabe ohne weitere Hilfe nicht vollenden können, wie wir es wollen und sollen. Die schwarze Hexe arbeitet auf keinen Fall allein, wie wir jetzt wissen.“ Sie warf einen Blick zur Tür. „Ich befürchte, dass wir uns für diese Sache zusammenschließen müssen, so sehr es den Dykae und uns auch nicht gefällt. Aber alte Streitigkeiten und Furcht müssen hintenanstehen, wir haben Leben zu retten, auch die von Kindern.“ „Ihr müsst mich nicht überzeugen, ich weiß das auch. Ich werde sehen, was ich tun kann.“ „Ich danke Euch.“ Sie nickte. „Lasst uns wieder hineingehen. Wir werden Euch alles berichten, was wir wissen, wenn hier die Fronten geklärt sind. Die dritte Hexe wird heute Nachmittag oder Morgen zu uns stoßen.“ Diesmal war er es, der die Tür zur Herberge aufstieß, und die Hexe, die folgte. Konan war nahezu begeistert von dem Verlauf, den das Gespräch genommen hatte. Was immer sie erwartet hatte, die so bereitwillige Unterstützung des Kriegers – nein, die Unterstützung Peins, Sturmreiter aus Khral, war mehr, als sie erhofft hatte. Sie war hier einen großen Schritt weitergekommen. Wahrscheinlich würden sie keine Nachricht an den Zirkel schicken und um ungebundene Krieger bitten müssen. Pein würde ihnen helfen und jeder einzelne seiner Leute sah aus, als wäre er mindestens ebenso viel wert wie ein gut ausgebildeter Hyuugakrieger. Sakura, Neji, Hinata und Wynn warteten bereits auf sie in ihrem Zimmer. Sakura hatte auch die beiden Hagawar und den Familiar über die neuesten Entwicklung berichtet und offenbar waren sie gerade dabei, die neue Information zu diskutieren. „Wir haben jetzt eine verschwundene Person in jedem Lebensalter.“, bemerkte Sakura, kaum dass die Tür sich wieder geschlossen hatte. „Und alle sind weiblich.“ Was kein Zufall mehr sein konnte. Hier bereitete sich jemand vor, mächtige Magie zu wirken, die er wahrscheinlich durch die Opfer kanalisieren würde – was für diese qualvoll sein und tödlich enden würde. Es war ein deutliches Muster. „Wir glauben, das Ritual wird nächsten Monat stattfinden.“ Konan rechnete nach und keuchte auf. „Das ist Samhain!“ „Genau.“, stimmte die andere Hexe zu. Dieser Tag war wichtig in ihrem Kalender, der Tag zwischen Leben und Tod, der Tag, an dem der Schleier zwischen dieser und jener Welt dünn wie Seide war, der Tag, an dem das Jahr endete und nach dem die Nächte länger wurden als die Tage. Schon vorher hatte alles darauf hingewiesen, aber jetzt hatten sie Klarheit. Sie hatten noch einen Monat, die übrigen Rätsel zu lösen, die Hexe und ihre Anhänger zu finden und die Entführten zu befreien und gleichzeitig zu versuchen, den Feinden endgültig das Handwerk zu legen. Man konnte es von dieser oder von jener Seite betrachten. Es konnte genug oder zu wenig Zeit sein. Am Ende würde es nie so laufen, wie man es wünschte. Und sie hatten noch nicht einmal eine Ahnung, wer der Feind überhaupt war! Sie hatten rein gar nichts. „Wo ist Aja?“, wollte Konan schließlich wissen. Sakura deutete auf den Boden unter ihr. „Im Schankraum. Ich hab ihr gesagt, sie soll gut zuhören und uns berichten, wenn etwas wichtiges passiert.“ Die jadeäugige Hexe nickte. „Ich habe vorhin mit dem Anführer der Söldner gesprochen, die der Kazekage mitgebracht hat.“ In kurzen Worten berichtete sie von ihrer kleinen Unterhaltung mit Pein. Was sie verschwieg, war die Anziehung, die er auf sie ausübte. So etwas war ihr noch nie untergekommen. Sie war absolut davon überzeugt, dass er derjenige gewesen war, mit dem sie auf der Treppe zusammengestoßen war. Der außergewöhnliche Schmuck in seinem Gesicht war ein todsicherer Hinweiß. Die tiefe, raue Stimme bestätigte nur ihren Verdacht. Er wirkte wie eine Verlockung auf sie, es war fast wie ein Zauberbann. Während des Gesprächs hatte sie einen guten Blick auf ihn gehabt, die kräftige Linie seines Unterkiefers, die gerade Nase und die sonderbaren Augen, die mehr Geheimnisse zu halten schienen, als sie sich vorstellen konnte. Sein Intellekt hatte sie ebenfalls viel zu sehr beeindruckt, weil er zu schnell begriffen und Dinge zusammengefügt hatte. Und dann war da noch die Aura gewesen, strahlend und stark. Dieser Mann wirkte auf sie, war anders als alle anderen, denen sie bis jetzt begegnet war und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. „Glaubst du, er schafft es, den hohen Herrn von der Sache zu überzeugen?“, wollte Neji zweifelnd wissen, nachdem sie geendet hatte. Konan hob die Schultern. „Er wird es zumindest versuchen. Und der Kazekage wird uns dringender brauchen als wir ihn und er ist hoffentlich klug genug, das rasch einzusehen.“ „Hoffentlich...“, murmelte Sakura, klang aber nicht sonderlich überzeugt. „Wa...was tun wir eigentlich, wenn ... wenn ... na ja, wa...was tun wir, wenn das ge...geklärt ist?“, stotterte Hinata und alle Blicke richteten sich auf sie. „I...ich meine, ganz egal, wie der Kazekage sich entschiedet, wir haben noch immer kei...keinen Anhaltspunkt, o...oder?“ Ein kollektives Seufzen ging durch den Raum und Sakura schüttelte den Kopf. „Damit hast du leider recht. Wir müssen uns wohl wieder auf die Strategie stützen, die wir schon vorher angewendet haben. Die Wälder nach Auffälligkeiten durchkämmen. Oder wir warten darauf, was Shizunes Zauber brachte.“ „Oder das.“, knurrte Neji und sie alle wussten, wie wenig verlässlich der Zauber war, den Shizune für die letzte Nacht geplant und hoffentlich auch vollzogen hatte. Ein Kratzen an der Tür riss die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf den Zimmereingang. Wynn, der bis jetzt schweigend auf dem Fensterbrett gesessen hatte, krächzte: „Das ist Aja.“ Sakura war schon aufgesprungen und ließ ihren Familiar herein, der mit erhobenem Schwanz zum Tisch stolzierte und hinaufsprang. „Was ist los?“, wollte die grünäugige Hexe wissen und die schwarze Katze erklärte: „Ich glaube, sie sind jetzt bereit dafür, euch gegenüber zu treten. Oder zumindest, so bereit sie in einer Situation wie dieser sein können.“ Sie leckte sich über die Pfote. „Sie werden uns zumindest nicht gleich anfallen, wenn wir ihnen unsere Herkunft und unsere Aufgabe erklären. Der Kazekage scheint sehr in seine Enkelin vernarrt zu sein. Für sie wäre er sogar bereit, einen Pakt mit dem Teufel eingehen.“ „Oder uns.“, bemerkte Neji sarkastisch und alle wussten, was er damit meinte. Aja nickte. „Also hat Pein sie überzeugen können?“, wollte Konan wissen und auch die anderen horchten gespannt auf. „Oh ja.“, antwortete Aja und klang überaus belustigt. „Ich zitiere die schlagenden Worte: ‚Es ist hier nicht die Frage, wo Ihr mit den Hexen arbeiten wollt, sondern eher die, ob sie mit Euch arbeiten wollen.’“ Sie warf Konan einen scheelen Blick zu. „Obwohl er wohl schon wusste, dass wir nicht ‚Nein’ sagen können.“ „Oder werden – ich habe vorhin mit ihm gesprochen. Lasst uns hinunter gehen und sehen, was der Kazekage uns zu bieten hat.“ Damit stand Konan auf und marschierte entschlossen zur Tür. „Wynn, komm her.“ Der Rabe erhob sich mit raschen Flügelschlägen vom Fensterbrett und ließ sich dann auf ihrer Schulter nieder. Sakura hob Aja auf den Arm, die sich das schnurrend gefallen ließ, aber bald wieder verstummte und mit wachen, gelben Augen nach vorne starrte. Neji und Hinata legten je eine Hand auf die Griffe ihrer Schwerter und bildeten das Schlusslicht. Im Schankraum hatte sich die Situation völlig verändert. Der Wirt und seine Mädchen standen noch immer am Rand der Szene und beobachteten sie nahezu fasziniert. Von den meisten Dienern und Soldaten war keine Spur mehr zu sehen, auch das Kindermädchen war nicht mehr da. Nur der Hauptmann von des Kazekagen Truppen und zwei weitere, ältere Soldaten, die wie Veteranen wirkten, befanden sich noch im Raum. Temari und Shikamaru standen nach wie vor an der Seite, doch beide blickten mit verschlossenen Gesichtern zu den beiden Gestalten, die jetzt den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und des Raumes einnahmen. Der Kazekage und Pein, die sich abwartend gegenüberstanden, beinahe lauernd. Die Haltung des Adligen war abweisend und angespannt, während der Krieger einen offeneren Eindruck machte, bereit, zu beschwichtigen. Doch auch Pein hatte seine Rückendeckung in Form von dreien seiner Krieger; der Fischmensch, der Silvurraner und das blonde Mädchen. Sie alle standen abwartend im Hintergrund, aber sehr aufmerksam. Die beiden Hexen und ihre Begleiter wurden erst bemerkt, als sie näher traten. Die Reaktionen der Anwesenden war äußerst unterschiedlich. Die Akatsuki rührten sich kein Stück, aber Interesse und Vorsicht trat in ihre Augen. Der Wird und die Schankmädchen schienen nicht zu wissen, was diese neue Entwicklung bedeuten sollte. Die Soldaten sowie ihr Herr, Temari und ihr Ehemann versteiften sich und betrachteten sie mit kühlem, abweisenden Blicken aus verengten Augen. Anscheinend hatten sie sofort begriffen, wer sie waren. Pein trat bereitwillig zu seinen Leuten zurück um ihnen den Rest des Gesprächs zu überlassen. Wahrscheinlich war er sogar froh darüber. Der Kazekage war kein umgänglicher Mann, nicht einmal an seinen besten Tagen. Und dieser Augenblick konnte schlechter nicht gewählt sein. Aber dennoch kamen sie nicht umhin, diese Begegnung zu machen, wenn sie eine Chance auf einen Sieg haben wollten. „Und wieso sollte ich euch Hexenpack vertrauen und gewähren, uns zu helfen, nachdem eine von euch es war, die meine Enkelin in derartige Gefahr bringt?!“, bellte der Fürst, kaum dass er ihrer ansichtig geworden war. „Dreckiges Gesindel.“ Konan öffnete den Mund um eine scharfe Antwort zu geben, doch dann schloss sie ihn wieder. Es hatte keinen Sinn, den Kazekagen noch mehr zu reizen, selbst wenn sie das Bedürfnis hatte, die Beleidigung zurückzugeben. Aber im Grunde war er es, der hier die Macht hatte. Er hatte die Soldaten, während sie nur zwei Krieger an der Seite hatten. Auf Pein und seine Krieger könnte sie in diesem Augenblick auch nicht zählen. Die standen ebenfalls bei dem Adligen in Sold. „Ich bin Konan.“, sagte sie stattdessen mit kühl-beherrschter Stimme. „Rabenhexe der Silbernen Flamme. Mein Familiar und mein Krieger.“ Dann wies sie mit einer offenen Handbewegung zu Sakura, die seitlich hinter ihr stand. „Dies ist Sakura, Katzenhexe der Silbernen Flamme. Ihr Familiar und ihre Kriegerin.“ Sie blickte dem Mann in die Augen, dem es ob ihrer kalkulierten Kühle für einen Moment die Sprache verschlagen hatte. „Wenn Ihr uns noch einmal derartig beleidigt, Lord Kazekage aus Dyka, dann werdet Ihr nicht mehr auf unsere Hilfe zählen können.“ Die Warnung musste sein. Auch wenn sie jetzt die Erwachsene spielte, sie durfte nicht zulassen, dass der Mann dachte, mit ihnen umspringen konnte, wie er wollte. Sie hatten Macht. Auch wenn es vielleicht keine solche Macht war, wie er es gewohnt war, so war sie doch da. Anwesend und tödlich. Und das sollte er ruhig spüren. „Ihr wisst nicht etwas über Hexen. Glaubt nicht, über uns richten zu können, nur weil ihr ein paar Märchen und Gerüchte gehört habt.“, zischte sie scharf. Der Mann überging ihre letzten Worte einfach, wahrscheinlich glaubte er nicht einmal, dass sie recht haben könnte und das, was man in Dyka über sie hörte, tatsächlich kaum mehr als erfundene Geschichten waren. „Und wer sagt, dass ich eure Hilfe brauche, Hexe?“ Darauf eine Antwort zu geben lag eigentlich unter ihrer Würde. Sakura war es, die schnappte: „Ein paar Soldaten gegen eine schwarze Hexe und ihre Leute? Ich bitte Euch! Ihr würdet nicht mal das Versteck finden!“ Der Kazekage betrachtete sie mit einem finsteren Blick. „Und ihr wisst, wo es ist?“ „Noch nicht.“ Der Dykae wollte gerade zu einer Antwort ansetzen – einer patzigen wahrscheinlich – als Sakura schon fortfuhr: „Aber wir haben bessere Chancen, es zu finden, als ihr jemals haben werdet. Bitte. Um das Leben Eurer Enkelin Willen, lasst es ruhen und arbeitet mit uns.“ Konan hätte am liebsten geseufzt. Das hier war doch lächerlich! Würde er nicht mit ihnen arbeiten wollen, hätte er sie längst ergreifen und die Scheiterhaufen vorbereiten lassen. Einzig sein Stolz, seine Ansehen und seine Sturköpfigkeit waren es, die zumindest etwas Protest verlangten. Sie wollte ihn gerade darauf ansprechen und wohl damit eine weitere Diskussion vom Zaun brechen, als die Hilfe von einer äußerst unerwarteten Stelle kam. „Schluckt endlich Euren Stolz hinunter, mein Lord Kazekage.“ Die tiefe Stimme war angespannt und genervt und gehörte Shikamaru von Nara, der sich von seiner Frau gelöst hatte. Augenblicklich richtete sich die gesamte Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf ihn. Jedoch schien der junge Mann dies nicht einmal zu bemerken, sein Blick war noch immer stur auf die Hexen und ihren Begleitern gerichtet, von denen keiner erwartet hatte, dass ausgerechnet er ihre Partei ergreifen würde. Oder irgendeine, was das betraf. Er interpretierte die Blicke der Silvurraner richtig und erklärte seufzend: „Ich bin faul, nicht dumm. Und meine Tochter ist mir wichtiger als alles andere, meine Frau ausgeschlossen. Also?“ Seine Stimme klang beherrscht und hart und die scharfe Intelligenz in seinem entschlossenen Blick machte Konan deutlich, dass sie ihn falsch eingeschätzt hatte. Er war kein weicher, weibischer Adliger aus Dyka, der nicht wusste, wo der Griff eines Schwertes war, und sich von seinem Schweigervater unterdrücken ließ. „Was wisst Ihr über unseren Feind?“ Der Kazekage jedoch nahm diese Entwicklung nicht positiv auf. „Shikamaru, was fällt dir ein, dich hier einfach so einzumischen?! Wir haben keinerlei Veranlassung, mit diesen ... diesen Zauberinnen zusammenzuarbeiten, wir brauchen sie nicht. Wir können Harusame ohne die Hilfe von diesem Hexenpack finden und die Täter zur Rechenschaft ziehen. Die würden uns nur im Weg sein!“ Der jüngere Adlige ließ die Tirade schweigend und genervt über sich ergehen und antwortete dann einfach: „Schwiegervater, Ihr mögt im Rang über mir stehen, aber hier geht es immer noch um meine Tochter und ich werde nicht tatenlos herumsitzen und über Möglichkeiten nachdenken, die sie uns vielleicht wieder bringen könnten, wenn wir hier die beste direkt vor der Nase haben. Ihr wisst genau, dass wir die Veranlassung haben und auch keine andere Wahl. Sonst wären wir längst auf dem Weg zu den Scheiterhaufen.“ Die beiden starrten sich mit festen Blicken an, keiner war gewillt, sich zuerst abzuwenden und die Niederlage einzugestehen. Es war Temari, die dem Ganzen schließlich ein Ende setzte, indem sie hinter ihren Ehemann trat und ihm in stummer Unterstützung die Hand auf die Schulter legte. „Vater... Shikamaru hat Recht.“ Das war alles, was es brauchte und der Kazekage warf die Hände in die Höhe, ehe er wieder zu Konan herumfuhr. „Fein. Aber sollte ich auch nur das geringste Anzeichen dazu sehen, dass ihr irgendetwas Krummes versucht... oder gar mit in der Sache drinsteckt... oder etwas ähnliches – dann werde ich keinen Moment zögern, dafür zu sorgen, das ihr den Tod bekommt, den ihr verdient.“ Konans Stimme war eiskalt und mit einer leichten Spur von triefendem Hohn, als sie die Antwort gab: „Dann haben wir ja nichts zu befürchten, denn wir stecken weder mit dieser schwarzen Hexe unter einer Decke noch werden wir je ‚etwas Krummes versuchen’. Ich hoffe nur, ihr seid in der Lage, ehrliche Handlungen von all den anderen zu unterscheiden.“ Sakura fuhr sich durch die Haare und seufzte tief. Konan wusste, dass sie die ganzen Drohungen und Demütigungen nicht leicht ertragen konnte, und nun versuchte, es zu überspielen. „Wenn das jetzt geklärt hätten, könnten wir...“ „Vielen Dank.“, unterbrach Shikamaru sie. „Was?“, entfuhr es ihr verwirrt. „Vielen Dank.“, wiederholte der Dyka. „Euch allen. Dass Ihr uns helft, obwohl schon diese Situation ganz leicht sehr blutig hätte enden können.“ Sakura winkte ab. „Wir sind hier wegen dieser Entführungen und wir helfen, wo wir können. Das ist unsere Pflicht als weiße Hexen.“ „Dennoch...“ Pein war es, der die unangenehme Situation zu einem Ende führte. „Lasst uns die Dankesreden zu dem Zeitpunkt aussprechen, wenn wir alle lebend wiederhaben und uns jetzt auf die vorhandene Situation konzentrieren.“ „Ihr habt Recht.“, gab der Adlige schnell nach – wahrscheinlich getrieben von der Sorge um seine Tochter. „Ihr sagtet, es gäbe noch weitere Entführungen?“ Er wandte sich direkt an Konan. Die Hexe nickte. „Lasst uns Platz nehmen und wir erzählen, was wir bereits wissen.“ Kurz darauf saßen sie um die große Tafel in der Wirtsstube und die beiden Hexen berichteten abwechselnd und in kurzen, korrekten Sätzen, was die Dorfbewohner ihnen erzählt und sie selbst herausgefunden hatten. Sie erwähnte auch Shizune, allerdings nichts von dem flächendeckenden Suchzauber, den die ältere Hexe in der letzten Nacht durchgeführt hatte, weiter oben in den Bergen. Kazekage schloss mit den wütenden Worten: „Ihr wisst also auch nicht mehr über den Aufenthaltsort als wir?! Und warum tun wir das alles noch?“ „Weil wir bessere Chancen haben, die Hexe zu finden und zu besiegen.“, antwortete Konan mit kühler Stimme. Sie hatte das Gefühl, diesen Ton nicht mehr ablegen zu können. Der hohe, dykanische Herr ging ihr zu sehr auf die Nerven und ein Gegenangriff gehörte noch immer zu den dümmsten Dingen, die sie tun konnte. „Und wie? Du und deine kleinen Freunde, ihr habt auch keine Idee außer ‚den Wald absuchen’, worauf wir auch hätten kommen können!“ „Statt dessen habt Ihr lieber das Kindermädchen angeschrieen, das absolut nichts für die Sache kann. Wahrscheinlich wurde ein Schlafzauber über ihr gesprochen. Wo ist sie überhaupt? Ich hoffe, Ihr habt ihr nichts getan!“ Der Kazekage fuhr auf und sein Stuhl schabte heftig über den mit Binsen bedeckten Holzboden. „Ich bestrafe meine Diener, wie es mir passt und du hast dich da überhaupt nicht einzumischen! Das dumme Ding hätte einfach besser aufpassen sollen, dann wäre die ganze Angelegenheit nicht passiert!“ Auch Konan stand auf. „Ich sagte doch, sie wurde mit einem Schlafzauber belegt. Was, glaubt Ihr, kann eine einfache Magd gegen die Schergen einer schwarzen Hexe ausrichten?!“ „Ich glaube... wenn Kotetsu sich nicht irrt, dann könnten wir helfen.“, bemerkte Pein von der Seite und unterbrach den Streit. Er hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt, während er den heftigen Austausch aufmerksam zugesehen hatte. „Kotetsu?“ Der braunhaarige Silvurraner trat heran und reichte seinem Anführer etwas, der sich in seinem Stuhl aufgerichtet hatte. „Ich sagte Euch doch, dass wir gestern mehr gesehen haben als Ihr.“, bemerkte Pein und legte das Bündel auf den Tisch und schlug das Tuch beiseite, mit dem es eingewickelt war. Es war ein Dolch mit blutverkrusteter Klinge. „Und Kotetsu sagte mir, dass es nützlich sein könnte.“ Er schob den Dolch über den Tisch. „Wir haben gestern einen der Flüchtenden getroffen.“ Sakura sprang auf. Sie und Konan hatten sofort realisiert, wessen Blut da an dem Metall klebte. Das würde sie tatsächlich einen großen Schritt weiterbringen. „Aber das ist ja fantastisch! Hinata, unsere Karten!“ Das Hyuugamädchen war schon auf den Beinen und hetzte aus dem Raum. Man konnte sie die Treppe hinaufeilen hören und das Geräusch der Tür, wie sie aufgerissen wurde. Kurz darauf lief die Kriegerin die Treppe wieder hinunter und tauchte wieder im Schankraum auf, ein Bündel Pergamentrollen im Arm, den Karten. „Was habt ihr vor?“, wollte Shikamaru wissen, während Konan schon nach dem gebrauchten Gegenstand in ihrer Hexentasche angelte. „Wir werden den Besitzer des Blutes auspendeln.“, antwortete Sakura. „Das ist eine sehr leichte Sache, vorausgesetzt es liegt kein Schutzzauber über ihm.“ „Und wenn das doch der Fall ist?“ „Dann werden wir sehen, wessen Macht und Willen größer ist, Konans oder der unseres Feindes, und von der Art des Zaubers hängt es ebenfalls etwas ab, selbstverständlich.“ Die jadeäugige Hexe kümmerte sich nicht mehr um Sakuras Erklärungen, denn jetzt hatte sie ihr Pendel gefunden und zog es heraus. Es war ein klarer, kurzer Stift aus Bergkristall, der an einer einfachen Lederschnur befestigt war. Neji und Hinata hatten inzwischen eine der Karten – die mit dem größten Maßstab – auf dem Tisch ausgerollt, Wynn und Aja dienten, gemeinsam mit zwei von Peins Kriegern als Eckenhalter. Konan hielt das Pendel darüber und begann langsam und konzentriert es in einem Kreis schwingen zu lassen, während sie ihre Hand langsam über die Karte schweben ließ. Sie spürte, wie die Magie in der Erde erwachte, durch ihren Körper strömte, sich durch sie kanalisierte und über ihre Finger in den Bergkristall, der jetzt heftiger zu schwingen begann, obwohl sie längst aufgehört hatte, die Hand zu bewegen. Konan schloss die Augen und senkte das Pendel etwas weiter, dass die Spitze fast das Papier berührte. Kurz darauf spürte sie das vertraute Zucken des Steines und sie gab nach; der Kristall schnellte über das Papier und stieß mit einem leisen Klicken auf die Karte. Kollektiv beugten sich alle Anwesenden darüber. „Das ist das Flammental am Drachenhorn.“, erklärte eines der Schankmädchen, das wie die anderen ebenfalls zum den Tisch gekommen war. Sakura stand auf, mit einem äußerst zufriedenen Gesichtsausdruck im Gesicht. „Unser erstes Ziel liegt also da.“ Sie wandte sich an den Kazekagen. „Fürst, Ihr solltet die Vasallen voranschicken, die Ihr nicht braucht, am besten mit allen Dienern, Mägden und Soldaten. Die würden uns nur im Weg rumstehen und dumme Geschichten herumtraschen, die wir alle nicht brauchen können.“ Konan packte ihr Pendel wieder weg. „Pein, wir werden Eure Krieger brauchen.“ Der Krieger nickte, warf einen kurzen Blick auf seinen momentanen Herrn, der nicht protestierte, und fragte: „Wann sollen wir bereitstehen?“ „In einer Stunde brechen wir auf.“, bestimmte der Kazekage und auch die Hexen hatten nichts mehr hinzuzufügen. Hoffentlich brachte diese seltsame Zusammenarbeit so viel, wie sie erhofften! Das Klappern der Hufe, das Rascheln von trockenem Laub und Kleidung, das Knacken von dürrem Holz, das dem Gewicht der Pferde nicht standhielt, und das Klirren von Metall auf Metall begleitete die Gruppe Reiter durch die weiten Bergwälder Silvurras. Der Tag wurde immer klarer, je weiter er fortschritt. Der Nebel, der zum Morgen noch zwischen den Bäumen und in den Tälern gehangen hatte, löste sich unter den verblüffend warmen Strahlen der Herbstsonne auf. Sie waren erstaunlich schnell für einen Trupp von zweiundzwanzig Personen. Außerdem waren sie bemerkenswert gut ausgerüstet und wehrhaft – Akatsuki, dazu die beiden Hexen mit ihren Kriegern, die für Pein ein beinahe unbeschriebenes Blatt waren, Minato und Naruto, die darauf bestanden hatten, ebenfalls zu helfen, Shikamaru, Gaara und der Kazekage. Letzterer hatte verlangt, dass sie alle mitkommen würden. Wahrscheinlich glaubte er, dass er seine Enkelin schon bald wieder haben würde, aber vorher noch alle Kampfkraft brauchen würde. Doch Pein hatte da seine Zweifel. So einfach würde und konnte das nicht sein, auch wenn sie jetzt den Aufenthaltsort von mindestens einem der Täter kannten. Über ihnen zogen die rotgelbgrünen, zerlöcherten Blätterdächer der Bäume hinweg, die ihre teilweise schon kahlen Äste quer über die Wege spannten. Rechts und links von ihnen war das Unterholz manchmal so dicht, dass ein Durchdringen unmöglich war. An anderen Stellen war der Boden nur bedeckt von Holz, Laub und Steinbrocken; hin und wieder lugten Pflanzen unter den welkenden Blättern hervor. Das meiste Grün jedoch stammte von den Nadelbäumen oder den immergrünen Kletterpflanzen, die an den Stämmen empor rankten, und dem Moos, das die Rinde bedeckte. Vom Himmel war nicht viel zu sehen, dafür sahen sie hin und wieder wilde Tiere – meist Hasen oder Rehe und einmal eine Wildsau. Dieses Land musste ein Paradies für Jäger sein. Wahrscheinlich könnte sich die halbe Bevölkerung von Wildbret ernähren. Zu dumm, dass in Silvurra – wie überall in Dyka und seinen Provinzen – derartiges Jagen als Wildern galt. Nur Jäger mit Lizenz und die Landesherren durften sich an den Tieren vergreifen. Pein schüttelte den Kopf. Dieses Verbot hatte noch nie viel Sinn für ihn gemacht. Die meisten Bauern und Landbewohner wussten, wie viel sie jagen durften, ohne dass die Tierbestände in Gefahr liefen, zu ausgedünnt zu werden, als dass sie sich wieder erholen konnten. Es war völlig närrisch, diese Art der Nahrungsbeschaffung zu verbieten. Nur, weil die Landherren nicht nur das Gebiet, sondern auch alles, was darin lebte, als ihr Eigentum ansahen, kamen sie überhaupt auf den Gedanken, derartige Gesetze zu erheben und die Bevölkerung in eine noch größere Verlegenheit zu stürzen. Die beiden Hexen hatten sich wie selbstverständlich an die Spitze des Zuges gesetzt, ihre Hagawar ritten nur knapp hinter ihnen, beide angetan mit einer einfachen, effektiven Rüstung und mehr Waffen, als der Kazekage gerne sah. Sie hatten ihre unpraktischen Röcke mit weichen Lederhosen getauscht und ihre Familiare ritten mit ihnen auf ihren Reittieren. Die neben den Pferden klein wirkenden Ponys der vier waren eindeutig die für diese Gegend am besten angepassten Reittiere. Sie erkletterten schmale, steile Pfade, die immer häufiger wurden, je näher sie dem Flammental kamen, wie Ziegen, während die anderen Krieger mehr oder weniger vermehrt absteigen mussten. Pein war äußerst dankbar um Dunkelwinds Trittsicherheit, doch hin und wieder musste auch er aus dem Sattel rutschen. Seine Stute war nun mal nicht in den Bergen heimisch, sondern in der endlosen, ebenen Weite einer Steppe. Sie hatten beschlossen, nicht mehr auf die dritte Hexe, Shizune, zu warten, doch der Kazekage hatte alles dazu veranlasst, dass sein Tross unter der Aufsicht seines älteren Sohnes weiterzog. Er behielt Akatsuki zurück sowie eine kleine Gruppe von Soldaten und Dienern. Auch Temari und Shikamaru sowie das noch immer völlig aufgelöste Kindermädchen und Minatos Familie blieben in Birkenhain. Kushina war bei Temari und Ayame zurückgeblieben, obwohl Pein wusste, dass sie durchaus im Stande war, sich selbst und andere zu verteidigen. Doch sie hatte gesagt, sie würde bei den anderen beiden Frauen mehr gebraucht werden – womit sie vermutlich recht hatte. Harusame war für Temari und Ayame die Welt und nun war sie weg, was katastrophale Auswirkungen auf die beiden hatte. Auch Shikamaru hatte sich nur mit Mühe von seiner Frau lösen können. Er ritt jetzt genau vor Pein, die Schultern steif und entschlossen und der Blick fest nach vorn gerichtet. Dieser Mann würde vor nichts halt machen, um seine Tochter wiederzubekommen. Auch der Kazekage, der den Platz direkt hinter den Hexen eingenommen hatte, wirkte noch immer wütend und entschieden. Gaara dagegen schien eher aufgeregt zu sein, dass etwas passiert war und es nun in den Kampf ging. Pein fragte sich, ob das Schicksal seiner Nichte ihn interessierte oder nicht. Es war schwer, in dem jungen Mann zu lesen. Kankuro war eine angenehmere Gesellschaft und er hatte heftig protestiert, als sein Vater ihn davon geschickt hatte, was jedoch nichts genutzt hatte. „Glaubt Ihr, das Mädchen lebt noch?“, wollte eine tiefe Stimme plötzlich leise von ihm wissen. Pein drehte den Kopf und blickte zu dem Mann, der entweder neben oder hinter ihm ritt, ganz so, wie es die Straßenverhältnisse zuließen. Minato trug einen sorgenvollen Gesichtsausdruck und seine sonst auffallenden, blauen Augen wirkten überschattet. Sein blondes Haar leuchtete in der Sonne und er trug seine alte Rüstung und die Waffen der dykaischen Armee, die er nicht hatte zurückgeben müssen. „Die Hexen glauben es.“, antwortete der Sturmreiter. Er selbst wusste nicht, ob er es tun sollte. Er wollte daran festhalten, ja. Aber Harusame war ein zweijähriges Kind und die Entführer würden sicher nicht zimperlich mit ihr umgehen. Ob sie die Sache überlebte oder nicht – sie würde sie immer mit sich rumschleppen. „Und Ihr?“, bohrte Minato weiter. „Ihr nicht, sehe ich das richtig?“ Er hatte ihn durchschaut. Pein warf ihm einen kurzen Blick zu und schaute dann wieder nach vorn, ehe er kurz mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“ Um sie herum veränderten sich die Wälder langsam, die Bäume wurden höher, älter, der Boden weniger überwuchert, so dass Pein es, wenn es sein müsste, wagen würde, Dunkelwind im Galopp darüber zu jagen. Auch die Bäume hier trugen noch Laub, meist bereits bunt, aber manche noch grün, als würde der Herbst nicht schon kommen. Dies war hoch wie eine heilige Halle. Ein Falke saß auf einem Ast und starrte mit strengen Augen zu ihnen herunter. Minato legte den Kopf in den Nacken, um Blicke auf den wolkenbedeckten Himmel zu erhaschen oder einfach nur auf die Konen der Bäume so weit über ihnen. „Dieses Land ist so schön und wild und alt. Kein Wunder, dass sich die Hexenkunst hier so tief verwurzelt hat, dass nicht einmal wir Dykae viel gegen sie ausrichten können.“ Sein Ton war so melancholisch, dass Pein ihm einen raschen Blick zuwarf. Jeder wusste, dass der große Kriegsheld, der hier neben ihm ritt, nicht viel von den Kriegen hielt, in denen er gekämpft hatte. Warum er es dennoch getan hatte, war allein sein Geheimnis. „Alles hier magisch und alles hier ist heilig und ein Geschenk durch göttliche Macht. Und dabei ist es egal, welche Götter es sind und wie viele Priester sich darüber streiten. Derartiges ist nicht in der Lage, die Würde und Heiligkeit des Landes zu schmälern. Es ist viel zu alt für derartig kleinliche Werte. Zu alt und zu wild und zu göttlich. Die Hexen wissen und ehren dies und das unterscheidet sie von uns.“ Der Zug der Reiter kam ins Stocken, als die Hexen ihre Pferde zügelten. Peins Aufmerksamkeit wurde von Minatos philosophischen Worten gerissen, deren Klang noch immer durch ihn hindurchschallte und ihre Wahrheit verkündete. Er zog eine Augenbraue hoch und fragte sich, ob sie etwas entdeckt hatten oder was das sonst sollte. Dann beugte Konan ihren blauen Schopf zu ihrem Hagawar, der heftig den Kopf schüttelte und etwas antwortete. Doch die junge Hexe schien auf das zu bestehen, was sie wollte. Endlich nickte er und lenkte dann sein Pony herum, um es im raschen Trab vom Weg zu lenken und quer durch den Wald. Sein Umhang bauschte sich hinter ihm und der Wind der schnellen Gangart riss an seinen langen Haaren. Wynn, der Familiar auf Konans Schulter, ihr Familiar, löste sich von seiner Hexe und flog mit raschen Flügelschlägen hinter dem Hexenkrieger her, dessen Pony sich rasch entfernte. Pein war noch nicht dazu gekommen, es anzusprechen, aber er war sich beinahe absolut sicher, dass Wynn der Rabe war, den er in den letzten Tagen so oft gesehen hatte. „Was soll das? Wo reitet er hin?“, verlangte der Kazekage mit herrischem Ton zu wissen und die Frau wandte sich ihm zu, Geringschätzung klar in ihrem hübschen Gesicht. „Er prüft nur etwas nach. Er wird später wieder zu uns stoßen. Für unsere kleine Gegenüberstellung mit der Hexe Schergen wird er so oder so nicht benötigt. Wir sind genug Leute.“ Damit trieb sie ihr Pony wieder an, das sich bereitwillig in Bewegung setzte, diesmal schneller als vorher. Anscheinend beachtete sie den kurzen Wortwechsel als beendet, was dem Kazekage gar nicht passte. Allerdings war es unter seiner Würde, gegen ihren Rücken zu schreien, darum musste er das Thema wohl oder übel fallen lassen. Hinter Pein lachte jemand leise – Kisame – und er verstand seine Erheiterung. Es war für die gesamte Akatsuki sehr amüsant, wie die kluge Hexe mit der weißen Rose den Kazekage stets abhandelte. Sie betrachtete ihn deutlich nicht als einen über ihr stehenden Adligen, sondern bedachte ihn noch nicht einmal mit wirklichem Respekt. Dennoch blieb sie stets höflich und beherrscht genug, dass er sich nicht einmal beschweren konnte, ohne kleinlich zu wirken. Und ihre scharfe Zunge erledigte den Rest. Wer auch immer sie zu der Anführerin der kleinen Hexenmission gemacht hatte, wusste, was er an ihr hatte. Auch Minato grinste und schüttelte den Kopf. „Der Lord Kazekage sollte sich beherrschen lernen und noch ein paar andere Dinge...“, murmelte er leise und seine Augen funkelten spitzbübisch. Dann legte sich der Schatten wieder über sein Gesicht und sie verfielen erneut in Schweigen. Der Ritt von Birkenhain zum Flammental dauerte mehr als vier Stunden, so dass die Sonne längst hoch am Himmel stand, schon hinter dem Zenit, als Konan endlich anhalten ließ und den Anführer von Akatsuki sowie den Kazekage nach vorne winkte. Hinata kramte in ihrer Tasche nach der besten Karte des Gebietes und zog sie auch schon hervor, als Pein Dunkelwind neben das Pony der jüngeren Hexe lenkte. Diese blickte kurz zu ihm auf und lächelte, wandte aber den Blick rasch wieder ab. Er fragte sich, ob es an ihm lag, fragte aber nicht. Von ihrem Familiar war nichts zu sehen, obwohl er wusste, dass die schwarze Katzengestalt den ganzen Ritt über auf den Satteltaschen von Sakuras Pony gesessen hatte. „Das Tal liegt hinter dieser Hügelkuppe.“, erklärte Konan und riss die Aufmerksamkeit der kleinen Gruppe auf sich. Sie deutete in die entsprechende Richtung. „Wir werden die Pferde hier lassen.“, bestimmte Sakura. „Wenn die Gefahr besteht, dass sie weglaufen sollte jemand hier bleiben. Aber wir können nicht riskieren, dass sie uns hören und abhauen. Es gibt so oder so viel zu viele Möglichkeiten, wie sie uns entdecken können – und wahrscheinlich werden.“ „Das heißt, wir müssen schnell und effizient sein.“, fuhr Konan fort. „Wir haben dummerweise keine Ahnung, wo ihr Lager ist und wie viele Verstecke es in dem Tal gibt, das heißt, wir müssen ausschwärmen.“ „Wer sagt uns, dass die Person noch immer hier ist oder die ihr Lager überhaupt hier haben?“, wollte Pein wissen. „Niemand, darum pendeln wir noch einmal nach ihr.“ Sie hatte bereits ihr Pendel herausgeholt und Konan reichte ihr nun Peins blutverkrustetes Messer. Kurz darauf wurde bestätigt, dass sich der verletzte Entführer noch immer im Tal befand. Ob das Lager nun tatsächlich hier war oder nicht, das stand auf einem anderen Blatt, aber hier hatten sie zumindest den ersten Anhaltspunkt. „Dann los.“, fauchte der Kazekage und Pein drehte sich um und machte die Geste zum Absitzen. Bald darauf hatten sich alle um die beiden Hexen versammelt, die sich etwas abseits gestellt hatten. Sie hatten sich von der kleinen Hagawar Speere geliehen, die sie mit einer geübten Lässigkeit hielten, die zeigte, dass sie nicht zum ersten Mal in den Kampf zogen. Auch der Rest trug seine Waffen, die Reittiere würden hier bleiben. Hana ließ auch zwei ihrer Hunde zurück, die auf die Pferde aufpassen würden, auch, damit sie nicht wegliefen. Keiner – außer der Kazekage und sein Sohn vielleicht – hatte Zweifel daran, dass die beiden Haimaru-Brüder ihre Aufgabe erledigen würden. „Das Tal ist ziemlich groß, darum wird es nicht viel bringen, wenn wir von allen Seiten kommen, weil die Lücken einfach zu groß sind.“, bemerkte Sakura mit ihrer klaren Stimme. „Wir werden darum eine lange Kette bilden und Stück für Stück das Tal durchkämmen. Bleibt so gut in Deckung und so leise wie möglich und bleibt auf jeden Fall in Rufweite und in Alarmzustand. Wir wissen weder, wie viele es sind noch welche Waffen sie besitzen und wir haben auch keine Ahnung, wo die schwarze Hexe sich befindet. Wir wissen auch nicht, ob sie die einzige Hexe ist. Legt euch nicht alleine mit ihnen an, wenn es nicht sein muss. Wenn sie euch überrascht, versucht, sie so schnell wie möglich zu töten, oder lauft davon. Übrigens muss die Hexe keine Frau sein. Es ist durchaus möglich, dass es sich bei unserem Feind um einen Hexer handelt.“ Ein beunruhigtes Murmeln ging durch die Leute und Pein runzelte die Stirn. Es war eine angebrachte Warnung, dennoch mochte er nicht, wie die Worte seine Leute beunruhigten. Aber weder er noch sie – von Kotetsu einmal abgesehen – hatten irgendeine Erfahrung mit Magie oder deren Anwendern. Das war schlecht. Konan räusperte sich und erklärte mit fester Stimme: „Allerdings spüren weder Sakura noch Hinata noch ich etwas von der Anwesenheit einer magisch begabten Person in der Nähe. Wahrscheinlich sind unsere Hexe und ihr Hagawar nicht hier, sondern anderswo. Darum vermute ich, dass wir hier auch weder das Kind noch die anderen Entführten antreffen werden. Es ist wahrscheinlich, dass wir hier höchstens das Lager ihrer Schergen finden, wenn überhaupt. Und jetzt verzieht nicht so das Gesicht, Lord Kazekage. Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass das so einfach wird? Wir haben es hier mit einer mächtigen Hexe zu tun.“ Das Gesicht des Angesprochenen verzerrte sich wütend, doch erwiderte er nichts – wohl wissend, dass es nichts bringen und ihn gleichzeitig lächerlich machen würde, weil die Frau einfach recht hatte. Nichts, was er sagte, würde etwas an dieser Tatsache ändern und er war klug genug, das zu sehen. Pein warf einen strengen Blick zu seinen Leuten, die das aufkommende Gekicher schnell hinter vorgehaltenen Händen verbargen. Nur Kisame grinste frei heraus in die Gegend und fummelte an Samehada, seiner Streitaxt, herum. Aber Kisame war keine Person, die man auf solche Dinge hinwies, nicht einmal, wenn man der Kazekage war. „Na dann, lasst uns gehen.“, schlug Sakura vor und die Gruppe setzte sich in Bewegung. Akatsuki brauchte keine Absprachen, Itachi und Pein übernahmen jeweils das Ende der Kette. Sakura und Hinata begleiteten den schwarzhaarigen Krieger ohne weitere Worte, während Konan selbst sich Pein anschloss. Die anderen wurden in die Mitte genommen. Bald hatten sie die Spitze der Anhöhen erreicht und unter ihnen breitete sich das Flammental in all seiner Pracht aus. Links von ihnen wurde es von einer hohen Steilwand begrenzt, die sich von der Seite dazuschob. An einer Stelle stürzte ein Wasserfall hinunter, der allerdings so weit weg war, dass sie ihn kaum hören konnten. Unten traf er auf einen Fluss, der die gegenüberliegende Seite des Tales begrenzte und zwischen den Bäumen verschwand. Ein kleiner Bach schnitt quer durch das Tal und vereinigte sich ebenfalls mit dem größeren Gewässer. Hänge, auf denen der dichte Baumwuchs endete, senkten sich abschüssig, aber nicht steil ins Tal, das nur von Gras, Blumen, Sträuchern und kleinen Hainen bewachsen war. Steinbrocken, manche kaum so groß wie ein Pferdekopf, andere von der Wucht eines Elefanten, verteilten sich in der Senke, die ein Bild idyllischen Friedens abgab. Von ihrer Stelle auf der Hügelkuppe, zwischen den letzten, turmhohen Bäumen des Waldes, hatten sie einen fantastischen Blick über das Tal, auch konnte man alle Stellen bemerken, hinter denen man gut ein Lager verstecken konnte. Es waren viel zu viele. Über der Steilwand und den Bäumen und dem gebogenen Fall des Wasser erhoben sich die majestätischen Berge, deren Gipfel und Flanken schon tief mit Schnee bedeckt waren. Und hier hatten sich die Schergen einer schwarzen Hexe niedergelassen? Anscheinend hatte Minato völlig recht. Dieses Land war wild und heilig und nicht einmal die unreine Energie schwarzer Magie konnte es verschmutzen oder schänden. Die Erkenntnis traf ihn beinahe wie ein Schlag und wäre Konans kühle, rauchige Stimme nicht zu ihm herübergeweht, wäre er wohl noch eine Weile dagestanden und sich gefragt, warum er das nicht schon vorher gesehen hatte. „Kommt Ihr?“ Seine Beine setzten sich von ganz allein in Bewegung, als er der Hexe folgte, den wachen Blick noch immer auf das Tal gerichtet und auf das, was dahinter lag. Konan schaute ihn nachdenklich an, sagte aber nichts, sondern richtete ihre Konzentration schweigend wieder auf den Weg, den sie nehmen wollten und der sie weiter weg von den anderen führte. Die meisten von ihnen hielten sich ebenfalls bei jemand anderem. Wenn man jemanden hatte, der einem den Rücken deckte, fühlte man sich gleich viel sicherer. Bald schon hatten sie die anderen aus den Augen verloren, zwischen den Steinen und dem Gebüsch, des Tals, das von hier unten viel unübersichtlicher aussah als von oben. Pein begann zu ahnen, dass die Suche doch etwas schwerer werden würde, als er zu Anfang angenommen hatte. Mehr als einmal sahen sie Bewegungen, die von Menschen stammen konnten und dann doch nur so wirkten; Äste, die vom Wind gepeitscht wurden, oder Tiere, die sie mit ihrer bloßen Anwesenheit aufscheuchten. Lemminge und Kaninchen, die hier in Gruppen lebten, und zweimal kleine Eichhörnchen. Vögel flatterten öfter auf oder schimpften sie aus dem Gebüsch aus an. Weil sie sich immer mehr dem Steilhang näherten, änderte sich ihr Blickwinkel erneut, bald konnten sie Minato und Naruto sehen konnten, die sich gemeinsam einen Weg quer durch die Mitte des Tals suchten. Der Vater bewegte sich wie ein Krieger, ein Soldat, gestählt von Schlachten und Blut. Der Junge wirkte eher wie ein Jäger, geschickt und bereit, sich auf seine Beute zu stürzten. So unterschiedlich konnten Familienmitglieder sein. Und doch waren sie einander so ähnlich und in vollkommener Harmonie. Pein wandte sich wieder ab, legte den Kopf schief und lauschte. In den weiten Steppen von Khral mochte es keine Bäume und keine hohen Felsen geben, die die Sicht versperrte, aber das Gras wuchs manchmal so hoch, dass es bis zur Brust reichte, und es gab Landschaften, die bestanden nur aus Hügeln. Wer nicht gut zuhörte, hatte schon verloren. Das galt auch hier und sein scharfes Gehör fing mehr von seiner Umgebung auf, als er sehen konnte; das Rascheln von Konas Kleidern hinter ihm, das Knistern von Gras, als ein Tier darüber huschte, die Melodie des Windes in den Blättern der Büsche und den langen Halmen. Über ihnen in den Wolken schrie ein Adler und hoch oben auf dem Steilhang heulte ein Wolf, ein klagender Ruf, der weit trug. Und da, da war das Knacken eines brechenden Astes, unter einem schwereren Gewicht als nur unter einem Nagetier. Pein fuhr herum und lief los, auf den Steilhang zu, während gleichzeitig hinter ihnen jemand einen lauten Kriegsruf ausstieß – Kakuzu, da war er sich sicher. Konan schrie erschrocken auf und er konnte hören, wie sie folgte, aber er achtete nicht auf sie; sie würde schon mithalten. Dann sah er die Bewegung und zog sein Schwert und kurz darauf erkannte er eine fliehende Gestalt. Es war ein Mann oder noch ein Junge, mit buschigem, schwarzen Haar, langen Beinen und einem zerlumpten Umhang. Er hatte keine Chance mehr, nicht jetzt, wo sie ihn entdeckt hatten. Pein beschleunigte sein Tempo und wünschte sich Dunkelwind unter den Hintern. Mit ihr hätte er den Junge in Sekundenschnelle eingeholt. „Hey! Bleib stehen, Kleiner!“ Er wusste, dass seine Worte nichts bringen würden, und angelte gleichzeitig nach seinen Wurfmessern. Rasch zog er eines heraus und schleuderte es. Noch ehe es irgendetwas getroffen hatte, warf er schon das zweite. Das erste landete im Gebüsch, das zweite verfing sich in dem Umhang des Flüchtenden und brachte ihn zum Staucheln, das dritte grub sich tief in seine Schulter und hatte einen lauten Schmerzensschrei zum Ergebnis. Der Junge schlug der Länge nach hin, doch Pein verlangsamte seine Schritte kaum. Aber ihr Gegner rappelte sich nicht mehr auf, sondern blieb einfach benommen liegen. „Pein! Wartet!“, hörte er Konans Stimme hinter sich und er blieb stehen, um sich nach ihr umzusehen. Sie war einige Meter hinter ihm, holte aber rasch auf. Der Krieger warf einen kurzen Blick auf ihr Opfer und drehte sich dann gänzlich zu ihr. „Was ist?“ Sie schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf. „Ich ... weiß nicht.“ Suchend schaute sie sich um, doch er konnte nichts entdecken, als er ihren Blicken folgte. Da waren Gestrüpp und eine Reihe Bäume, die ihnen ein Teil versperrten, und der Eingang einer Höhle nicht weit von ihnen, sie musste tief in den Berg führen. Der Blick über das Tal war beinahe phänomenal, wenn man von der natürlichen Baumbarriere absah, – sie waren die ganze Zeit bergauf gerannt – und der kleine Kampf, der weiter weg stattfand, beunruhigte ihn. Und das, obwohl er wusste, dass seine Leute viel zu gut waren, als gegen ein paar verlauste Landstreicher zu verlieren. Denn er konnte ihn nicht sehen, fand er doch in einem Teil des Tales ab, den die Bäume ihnen versperrten, und es waren seine Leute. Der Junge hatte keinen sonderlich gepflegten Eindruck gemacht, sondern wirkte eher abgehärmt, wie ein Tagedieb, darum nahm er an, dass es auch dem Rest der Gruppe nicht viel besser ging. Dennoch. Der Sturmreiter wandte sich wieder um, wollte keine Zeit verlieren, außerdem konnte er den Jungen nicht einfach so entkommen lassen. Und ihm noch einmal nachrennen, darauf hatte er auch keine Lust. Inzwischen hatte der Schwarzhaarige sich umgedreht und aufgesetzt – er war fast noch ein Kind, was hatte er mit schwarzen Hexen zu tun? Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich die Schulter, doch da war Trotz in den dunklen Augen und sein kantiges Kinn war entschlossen nach vorn gereckt. Er würde nicht so einfach aufgeben. Pein griff nach einem weiteren Messer und hob das Schwert. „Schau, Junge, wir wissen beide, dass du keine Chance gegen mich hast. Du solltest einfach aufgeben, das wäre besser für dich.“ „Ach ja?! Das glaube ich nicht!“ Die Stimme des Jungen war viel lauter, als sie sein musste – er brüllte nahezu. „Ich hab euch genau an der Stelle, an der ich euch haben will!“ Pein runzelte die Stirn; was hatte der andere vor? Oder bluffte er nur? Der Sturmreiter rühmte sich selbst damit, die meisten Leute durchschauen zu können und einen Bluff von einer echten Drohung oder Warnung unterscheiden zu können. Und nach allem, was ihm sein Instinkt sagte, glaubte sein Gegenüber, was er sagte. Nur konnte Pein sich in diesem Moment einfach nicht vorstellen, was er meinte oder vorhatte. Eine Falle? Unwahrscheinlich; die Gefährten des Jungen waren am anderen Ende des Tals und kämpfen mit dem Rest der Akatsuki. Was war es dann? Konan schloss zu ihm auf und stellte sich schräg hinter ihn, darauf achtend, seine Armfreiheit nicht einzuschränken, dass er das Schwert noch richtig schwingen konnte, wenn er musste. „Hör zu, du...“ „HAAAA! HAAAA! HEEEY!“, brüllte der Junge und für einen Moment dachte Pein, dass er vielleicht verrückt war. Er wechselte einen kurzen Blick mit der Hexe, die ebenso verwirrt wie er, aber auch beunruhigt wirkte, und sich gleich wieder umblickte, als er warte sie, dass sich gleich die Gefahr aus dem Nichts auf sie stürzen würde. Der Junge fing an, triumphierend zu lachen, verstummte aber rasch wieder und grinste nur noch. Das laute Kratzen von Krallen und das Schaben von etwas, was sich ähnlich anhörte wie Metall auf hartem Leder, ließ ihn langsam den Kopf drehen. Konan war schneller, sie packte heftig seinen Oberarm, ihre Finger bohrten sich noch durch den dicken Stoff seiner Kleidung beinahe schmerzhaft in seinen Arm. Sie hatte Angst... Gleich darauf wusste er, wieso, als der Grund auch in sein Gesichtsfeld trat. Er war riesig. Die nachtblauen Schuppen leuchteten im Licht der Sonne und die riesigen goldenen Augen glühten wie von einem inneren Feuer erhellt. Das spitze Maul war gespickt mit nadelspitzen Zähnen, von denen jeder so lang wie ein Unterarm sein musste, und die Klauen wirkten rasiermesserscharf und blitzen metallisch. Unter den Schuppen bewegten sich die mächtigen Muskelstränge und die vier Beine wirkten fast wie Säulen. Schlanke, bewegliche, elegante Säulen. Der Hals war lang und beweglich, ebenso wie der Schwanz und dünne Flügel, die wie die einer Fledermaus wirkten, nur unendlich viel größer, lagen sorgsam auf dem Rücken gefaltet. Hörner ragten aus der Stirn und dünne Stacheln aus den Wangen und das Gesicht wirkte sowohl gefährlich und tödlich, als auch schön und magisch. Pein traute seinen Augen kaum, aber er stand hier einem leibhaftigen Drachen gegenüber. Sein Hirn brauchte eine Weile, während der er sich nicht rühren konnte, um den Gedanken zu verarbeiten, dass diese fantastischen Wesen tatsächlich existierten. Dann schlug die Überraschung in Empörung um, während schon der Keim der Furcht in ihm erwachte. Warum tauchten solcherlei Überraschungen eigentlich immer aus dem Nichts auf? Hätte man ihnen nicht sagen können, dass im Flammental am Drachenhorn ein Drache lebte?! So ein enormes Biest, das auch noch fliegen konnte, war doch wohl kaum zu übersehen, oder? Es gab auch sicher irgendwelche Geschichten, wo es denn lebte... Und Wirte wussten doch sowieso immer alles. Aber anscheinend war dies den Dorfbewohnern nicht bekannt gewesen; dem Jungen aber schon, was auch daran liegen konnte, das der Drache mit den Leuten der schwarzen Hexe sozusagen Tür an Tür gewohnt hatte. Und jetzt versuchte der kleine Idiot, den Drachen für sich zu nutzen, doch anscheinend ging der Schuss nach hinten los. Das Ungeheuer fixierte nämlich mit glühend goldenen Augen nicht sie, sondern den Jungen, der so eine Stimmgewalt aufgebracht hatte und jetzt ängstlich auf allen Vieren zurückwich wie eine Spinne. Das Grinsen war längst aus seinem Gesicht gewichen und seine Augen waren weit aufgerissen und beinahe panisch. Anscheinend war sein Plan nicht ganz so gut ausgearbeitet, wie er es hätte tun sollen, da das Ungetüm sich nicht auf seine Feinde konzentrierte, sondern ihn. Der große Körper schob sich beinahe lautlos aus der Höhle und Pein blieb starr stehen, um die Aufmerksamkeit der Bestie nicht auf sich und die Hexe zu lenken. Konan duckte sich hinter ihn, die Augen auf den Drachen gerichtet, die Hand um den Speer verkrampft, mit dem man Eber jagen konnte, der jetzt aber lächerlich dünn wirkte gegenüber dem Ungeheuer. Als sie aus seinem Blickfeld waren, zog die jadeäugige Frau ihn zurück, weiter weg von dem Biest. Sie konnten sich nicht umdrehen und weglaufen – das würde sie wieder in den Gesichtskreis des Drachen bringen – und stehen bleiben und nichts tun, würde auch nicht viel bringen, weil der Junge sicher nicht mehr lange leben würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Sie wichen langsam weiter zurück, nur war in diesem Moment die einzige Möglichkeit, wo sie nun hinkonnten, die Höhle selbst. Das war dumm. Dumm und gefährlich, denn der Drache würde sich sicher erst um seinen Unterschlupf kümmern wollen als um den kleinen Wurm vor der Haustür. Doch da war keine andere Möglichkeit. Als Konan gegen die Höhlenwand stieß, entfuhr ihr ein leiser Laut und der Drache fuhr herum. Seine goldenen Augen glühten gefährlich, als er sich auf die neuen Opfer konzentrierte. Er stieß ein leises Fauchen aus und Pein und Konan wichen schneller zurück, immer tiefer in den Schatten, in die Höhle. Der Drache schien für einen Moment verwirrt – vielleicht lag es einfach daran, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass jemand so dumm war, direkt in die Höhle des Löwen oder in diesem Fall, die Höhle des Drachen, zu fliehen? – und die beiden nutzten die Chance, weiter weg zu kommen, bis der Gang sich ausweitete zu einer riesigen Halle, deren Ausmaße er nicht einmal erahnen konnte. Dann entwich dem Drachen ein lautes Grollen, das wie Donner durch das Tal rollte, und folgte ihnen. Pein stieß Konan beiseite und entfernte sich in die andere Richtung. Die Hexe begriff rasch und beeilte sich, sich von ihm zu entfernen. Dabei schabte sie mit dem Speer über den unebenen Höhlenboden, um das Monstrum noch weiter zu verwirren. Es schien zu klappen, der Drache blieb stehen, halb in der Halle, halb noch im Gang. Es war dunkel hier, doch Peins Augen gewöhnten sich schnell an das dämmrige Licht, dass durch den Eingang hereinfiel, trotz des riesigen Leibes, das die Hälfte davon aussperrte. Der Krieger kickte Kiesel weg und kratzte mit der Schwertspitze über den Boden, was ein hässliches Geräusch verursachte. Er wünschte sich seinen Schild her, den er zurückgelassen hatte, weil er ihn im Kampf meist störte. Doch hier wäre er vermutlich angebracht... Er zuckte mit einem erschrockenen Laut zurück, als der Drache frustriert eine Flammenlanze in die Dunkelheit schickte – also stimmten die Geschichten zumindest darüber, was absolut nicht gut war; er wollte jetzt wirklich seinen Schild haben – und grollte erneut, wobei der Laut an den Wänden wiederhallte. Peins Augen brannten von der kurzzeitigen Helligkeit, doch er erkannte zumindest, dass diese natürliche Halle noch größer war, als er gedacht hatte, und das Konan in halbwegs sicherer Entfernung zu dem Ungeheuer stand. Er wich weiter zurück, stieß an die Höhlenwand und schlug sein Schwert dagegen, um die Aufmerksamkeit des Drachen auf sich zu lenken. Das Ungetüm reagierte sofort und fuhr zu ihm herum, richtete sich auf und entfaltete halb die Flügel. Dann öffnete er das Maul, besetzt mit armlangen, spitzen Zähnen, und brüllte donnernd. Einen Moment dachte Pein, es wäre das Echo. Dann erkannte er, dass es Steine waren, die aufeinander krachten, Steine, die barsten, und dann brach der Höhleneingang zusammen – das Gebrüll des Drachen in der Enge der begrenzten Raumes war zuviel gewesen. Es wurde stockdunkel um sie herum und der Drache brüllte noch einmal, weniger wütend diesmal. Als ob auch er mit der plötzlichen Finsternis überfordert wäre. Allerdings würde sich das wohl kaum lange halten, wenn man noch mehr Geschichten über diese Ungetüme Glauben schenken konnte... Pein fluchte. Kapitel 4: I'll come fighting for you ------------------------------------- Neji achtete nur mit einem halben Auge auf die Umgebung, während er sein Pony mit sicherer Hand zwischen den Bäumen hindurch lenkte. Er fragte sich, ob das wirklich nötig war. Da war wahrscheinlich nichts und sie waren schon einmal dort gewesen, ohne etwas zu sehen oder zu spüren, außer der Macht der Kraftlinien. Aber nein, Konan hatte eine Idee! Er solle nachschauen, es wäre ja nicht weit weg! Dabei müsste er jetzt bei seiner Hexe sein – immerhin begannen sie gerade einen Angriff auf den Feind. Er hoffte nur, dass dieser Pein und seine Leute gut auf sie aufpassen würden. Und dass die schwarze Hexe nicht in diesem Lager oder dessen Nähe war, denn dann konnten auch die Söldner nichts tun. Aber Hinata und Sakura waren ja auch noch da. Neji wusste, dass dies schwacher Trost war. Sakura war eine begabte Hexe und eine herausragende Heilerin und Hinata machte als Hagawar eine sehr viel bessere Arbeit, als jeder ihr zugetraut hatte, doch Neji wusste, dass niemand ein Ersatz für ihn selbst sein konnte. Er war Konans Hagawar, ihr Krieger. Und Konan war die Schlachtenhexe. Sie war eine Rabengebundene. Sie war eine Verkörperung des vierten Aspekts der Weißen Göttin, die Kriegerin. Es gab einen guten Grund, warum Tsunade Konan für diese Aufgabe ausgewählt und ihr dann auch noch das Kommando gegeben hatte. Keine andere Hexe war so geeignet für eine solche Aufgabe wie eine Rabenhexe. Sakura und Shizune würden die Mutter und die Jungfrau zu Konans Kriegerin sein, die immer den Gegensatz zu der Anderen bildete, die für den Tod stand: der Greisin. Doch war es eine andere Art von Sterben, die sie verkörperte. Die Greisin stand am Ende des langen Lebens. Die Kriegerin war jene, die Leben mit Gewalt nahm. Und wie ein Sprichwort sagte, wer durch das Schwert lebte, kam durch das Schwert um. Die meisten Rabenhexen hatten ein bewegtes, aber kurzes Leben, das sehr abrupt durch die Klinge beendet wurde. Ihre Hagawar gingen meist mit ihnen unter und Neji wollte nicht einer von jenen sein, die zurückblieben. Die trommelnden Hufe seines Ponys klangen dumpf auf dem Waldboden und als er bemerkte, dass er sich seinem Ziel näherte, zügelte er es und ließ es langsamer auf den Hügel zutraben. Das beinahe komplett schwarze Tier warf den Kopf und schnaubte nervös – spürte es etwas? – aber er hatte es unter Kontrolle, so dass es gehorsam hinaufstieg. Die stehenden Steine hatten sich nicht verändert, seit sie das erste Mal hier gewesen waren. Noch immer reckten sie sich stark und unbeugsam dem Himmel entgegen. In der Mitte des Kreises jedoch befanden sich die Reste einer Feuerstelle. Neji starrte die Reste des Lagerfeuers stirnrunzelnd an, dann schwang er ein Bein über den Widerrist seines Ponys und sprang zu Boden. Die dunkle Energie, die unter seinen Füßen vibrierte, erzeugt von sich kreuzenden Leylinien, griff nach ihm wie Fieber, heiß und beklemmend. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Seine Finger umschlossen den Griff seines Schwertes, als er sich konzentriert umsah. Ihm fielen immer mehr Einzelheiten ins Auge, die auf die ehemalige Anwesenheit von Menschen hinwies. Das plattgedrückte Gras, auf dem Zelte gestanden haben mussten. Der in der Mitte zerbrochene Schaft eines Pfeiles – man hatte die wertvolle Spitze entfernt und mitgenommen. Essensreste am Waldrand, wie einige Krähen bewiesen, die in dem Abfall herumpickten. Eine Latrinengrube ganz in der Nähe, nur notdürftig wieder zugeschüttet. Die Kerngehäuse einiger Äpfel im Gras. Lange konnten die Leute noch nicht weg sein… Das war kein gutes Zeichen, denn niemand bei klarem Verstand würde – es sei denn, es war nötig – innerhalb eines Steinkreises rasten. Er trat zu der Feuerstelle hinüber, die teilweise mit Sand zugeschüttet worden war. Sie war bereits kalt, aber das hatte nicht viel zu bedeuten, so gründlich, wie man die Glut gelöscht hatte. Mit gerunzelter Stirn blickte Neji sich weiterhin um, wanderte langsam über den Lagerplatz, in immer größeren Kreisen um die Feuerstelle herum. Der Flügelschlag eines Vogels zeigte ihm, dass Wynn ihn inzwischen eingeholt hatte. Der Rabe ließ sich auf einem der Felsen nieder, aber Neji kümmerte sich nicht um ihn. Er würde sich schon melden, wenn er etwas zu sagen hatte oder ihm etwas auffiel, aber er rührte sich nicht mehr. Der Krieger konnte sich derweil auf seine Aufgabe konzentrieren. Denn irgendetwas stimmte nicht, auch wenn er nicht direkt sagen konnte, was ihn störte. Aber einige der stehenden Steine hatte jemand frisch gereinigt – die wenigen Flechten und das spärliche Moos, die sich seit der letzten Reinigung angesammelt hatten, waren entfernt worden um die seltsamen Symbole darunter ungebrochen zu lassen. In einigen summten noch die Reste von ritueller Magie, die vor einiger Zeit hier freigesetzt worden war. Vorsichtig legte Neji die Hand an eines dieser Zeichen, aber es war unmöglich zu bestimmen, wann das gewesen war – dazu wusste er zu wenig über diesen Ort und seine Bedeutung. Aber er wusste, dass es keine positive Energie war. Er konnte es fühlen, wie Dreck, der seine Seele beschmutzte, Unreinheit, die der Magie noch immer anhaftete, wahres Hexenwerk, wie die Dykae es fürchteten. Und auch das Lied, das die Kraftlinien sangen, die sich durch den Boden zogen und hier kreuzten, klang danach. Die Melodie war disharmonisch, verzerrt beinahe, als hätte sie jemand genommen und verbogen, für etwas genutzt, für das sie nicht bestimmt war. Magie war eine schöpferische Kraft, eine Urkraft von gewaltiger Macht, die von den Silvurranern nicht ohne Grund als das fünfe Element angesehen wurde. Doch manche Hexen benutzten sie für das Gegenteil und jedes Mal kroch Übelkeit in seinen Körper und die Wut darüber, dass jemand in der Lage war, etwas so Schönes, Lebensspendendes, Ursprüngliches für etwas so Widerliches zu verdrehen. Neji zog die Hand zurück und blickte zu dem Stein hinüber, auf dem Wynn saß. Der Rabe trat unruhig von einem Bein auf das andere; er hatte es ebenfalls sofort bemerkt. „Das sieht nicht gut aus.“, erklärte er und schlug einige Male mit seinen Schwingen ohne sich in die Luft zu erheben. Neji schüttelte den Kopf. „Ich werde sehen, ob ich herausfinden kann, wohin die Gruppe ging.“, erklärte er mit einem Nicken in Richtung des Lagerfeuers, obwohl es überflüssig war zu bekräftigen, wen er meinte. Wer käme denn sonst in Frage? „Vielleicht kann ich ihnen folgen.“ Wynn stieß sich von seinem Sitzplatz ab und flog zu ihm herunter, um sich auf seiner Schulter niederzulassen. „Denkst du, sie haben mit den Entführungen zu tun?“, wollte er wissen. Neji warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Es wäre ein großer Zufall, wenn sich zwei schwarze Hexen zur gleichen Zeit hier befinden würden, oder?“ Der Rabe wackelte unschlüssig mit dem Kopf. „Es soll schon seltsamere Zufälle gegeben haben. Ich wollte es erwähnt haben.“ Der Hagawar schnaubte. „Aber nicht bei so etwas. Außerdem achten schwarze Hexen in der Regel darauf, dass sie sich nicht gegenseitig in die Quere kommen.“ Wynn sagte nichts mehr – sie beide wussten, dass seine Bemerkungen eher rhetorischer Natur waren und Neji hatte sowieso recht. Aber dass die schwarze Hexe den Steinkreis für ihr Ritual benötigte, war beunruhigend, nicht nur, weil niemand von ihnen über ihn und seine Symbole Bescheid wusste. Kreise wie diese multiplizierten die Magie des Rituals um ein Vielfaches. Was auch immer die Hexe vor hatte – es war etwas Großes, etwas Herausragendes. Nichts, was Neji näher kennen lernen wollte. Er nahm die Zügel seines Ponys auf und begann seine Kreise außerhalb des Steinkreises zu ziehen, den Blick weiterhin aufmerksam auf den Boden gerichtet. Die Spuren waren durcheinander, vermischt und oft bereits zerstört von Leuten, die darüber gelaufen waren. Aber er konnte noch genug erkennen. Sie hatten Ponys, so viel war zu erkennen, aber nicht so viele wie Leute. Die genaue Anzahl von beidem war nicht genau zu bestimmen, aber es waren genug, um ihm Sorgen zu bereiten. Dann stieß er auf die großen Pfotenabdrücke, Hunde oder vielleicht sogar Wölfe. Aber diese Spuren groß, so groß wie seine Hand, wenn er die Finger spreizte. Etwas Ähnliches hatte er noch nie gesehen – Wölfe und Hunde wurden nun mal nicht so groß wie die gigantischen Höhlenbären. Doch ehe er etwas Genaueres herausfinden konnte, durchzuckte plötzlich ein Gefühl seinen Körper wie ein Blitzschlag. Er war schon auf den Beinen und zwei Schritte von seinem Pony entfernt, ehe er überhaupt reagieren konnte, der plötzliche Zwang trieb ihn weiter, verursachte beinahe körperliche Schmerzen. Er blieb taumelnd stehen, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Wynn schwang sich laut krächzend in die Luft und Neji drehte sich automatisch in die Richtung des Flammentals. Dorthin, wo Konan war. Etwas war geschehen, auch wenn sie nicht verletzt war und keinen aktiven Hilferuf in seine Richtung geschickt hatte. Aber er konnte es fühlen; er war ihr Hagawar. „Verdammt!“, fluchte er. Er hätte sie niemals zulassen dürfen, dass sie sich trennten. Mit einem Satz sprang er auf den Rücken seines Ponys, riss es herum und trieb es zum Galopp an. Die Hufe des Tieres warfen das weiche Erdreich auf, als es den Hügel hinunterstürmte. Wynn war ein schwarzer Schatten über ihnen und Neji duckte sich tief über den Hals seines Reittieres, als er es weiter antrieb. Die Spuren hier würden warten müssen, bis seine Hexe in Sicherheit war. Peins Fluch riss hart und scharf durch die Dunkelheit und Konan zuckte zusammen. Als sie aufgebrochen waren, um eine schwarze Hexe und ihre Schergen zu stellen, hatte keiner von ihnen gerechnet, es mit einem Drachen zu tun zu bekommen. Der hier mochte klein sein, aber das war alles nur relativ – selbst ein kleiner Riese unter Giganten war noch groß, wenn man ihn neben einen Menschen stellte. Dazu kam noch, dass jeder gefährlich werden konnte, wenn er nur Waffen hatte, die mächtig genug waren, etwa wie scharfe Klauen, spitze Zähne und alles vernichtendes Feuer. Konan duckte sich hinter einige Stalagmiten, die aus dem Boden ragten. Ihre Gedanken rasten, krampfhaft darauf bedacht, nicht zu sehr über die Gefährlichkeit ihres Gegners nachzudenken. Sie hatte keine Zeit für Panik. Der Drache würde sich schnell genug an die Situation gewöhnen und bis dahin brauchte sie eine Lösung oder sie und der Krieger waren so gut wie tot. Sie hatte gewusst, woher das Flammental und das Drachenhorn ihre Namen hatten, aber sie hatte nicht gedacht, dass noch immer eine der namensgebenden Kreaturen hier hauste, so nahe bei den Dörfern. Offensichtlich war es auch den ansässigen Bauern so gegangen, ansonsten hätte man sie gewarnt. Anscheinend jagte das Monster in einer anderen Richtung… Oder es hatte geschlafen, was wahrscheinlicher war, mit dem Lager der schwarzen Hexe vor der Haustür. Aber diese Fragen konnten sie später klären, wenn sie es lebend hier herausgeschafft hatten. Doch der Höhleneingang war bis auf weiteres versperrt, also konnten sie nicht einfach fliehen. Sie brauchten Licht, denn durch den Felssturz war die Höhle auch in Dunkelheit gehüllt. Außerdem brauchten sie einen Schutz gegen das Feuer, das in diesem beengten Raum die größte Gefahr darstellte. Konan schloss die Augen und atmete tief ein. Es stank nach Drache, durchdringend und scharf. Sie konnte die Bestie atmen hören und das Schaben, das die Schuppen auf dem Stein verursachten. Pein dagegen machte kein Geräusch. Hoffentlich war auch er in Deckung gegangen. Sie fragte sich, ob er bis dahin überhaupt an die Existenz dieser machtvollen, schönen, tödlichen Kreaturen geglaubt hatte. Sein entgleister Gesichtsausdruck, als sie das Tier zu Gesicht bekommen hatten, hatte ihr gezeigt, dass dem wohl nicht so war. Konan dagegen mochte nie einem Drachen so nahe gekommen sein, doch es war nicht das erste Mal, dass sie einen erblickt hatte. Sie hatte den Schatten gesehen, als er über das Land hinweggeglitten war, die gigantische Silhouette gegen den Himmel – und die Zerstörung, die er hinterlassen hatte, das niedergebrannte Gehöft, die verbrannten Leichen der Bewohner und die halb verschlungenen Kadaver der Tiere. Aber jetzt mochte dies ihnen zugute kommen, hatte bei ihr dieses Erlebnis dazu geführt, wie besessen einige Zauber zu lernen, die halfen, zumindest doch einem qualvollen Feuertod entrinnen zu können. Dummerweise hatte sie hier nicht viel Zeit, sie anzuwenden – und sie musste auch erst Pein finden, um ihn ebenfalls zu schützen. Ohne ihn… ohne ihn hatte sie keine Chance, nicht gegen den Drachen und auch nicht hinterher. Sie brauchte ihn. Ihre Hände suchten fieberhaft in ihrer Tasche nach den benötigten Materialien, während sie angestrengt auf ein Zeichen von Pein horchte und dabei gleichzeitig versuchte, den Drachen nicht zu verlieren. Es war kein Wunder, dass sie nichts davon zustande brachte und beinahe aufschrie, als der Krieger sie unvermittelt an der Schulter berührte. Seine Hand legte sich fest auf ihren Mund, so dass jedes Geräusch noch im Ansatz erstickt wurde. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, sie konnte es gegen ihre Rippen fühlen. Das Atmen des Drachen wurde lauter, anscheinend versuchte er sie zu erschnüffeln, doch wurde durch seinen eigenen Geruch, der schwer und beinahe greifbar in der Höhle lag, daran gehindert. Außerdem war der Drache, wie die meisten fliegenden Lebewesen, ein Augentier. Er sah besser, als dass er riechen konnte. „Hast du eine Idee, wie wir heil aus dieser Sache herauskommen?“ Pein war ihr so nah, dass sie seinen Atem auf der Haut spüren konnte, und seine Stimme nur ein Hauch, dass sie ihr einen Schauer über den Rücken jagte. „Wir müssen den Drachen töten.“, antwortete sie ebenso leise. „Der Eingang ist versperrt. Warne mich.“ Jetzt, da sie sich ganz auf die Aufgabe konzentrieren konnte, fand sie die gesuchten Dinge relativ schnell: einen Kohlestift und zwei Feueropale, kleine rote Steine. Sie drückte ihm den größeren der Steine in die Hand; er würde wirksamer schützen und zweifelsohne war es der Krieger, der den eigentlichen Kampf führen musste und damit dem Drachen näher kam. Den kleineren steckte sie in die eigene Tasche. „Der Zauber wird dich vor dem Feuer schützen. Er ist nicht stark genug, dass du einen direkten Feuerstoß aushältst, doch die Hitze und einzelne Feuerzungen werden nicht mehr gefährlich sein. Aber er wird mit jedem Mal, wo er benötigt wird, schwächer!“ Ihre Finger fanden sein Gesicht und während sie nach der schlummernden Macht des Opals griff, zeichnete sie einige Symbole auf seine Stirn und seine Wangen bis hinunter zum Kinn. Sie spürte, wie die Magie anfing zu wirken und in seine Haut einsank. Sie würde nicht ewig halten, aber hoffentlich lange genug. Der Drache, der unvermittelt eine Lanze aus Flammen gegen die Decke spie, um sich selbst Licht zu verschaffen, entlockte ihr einen erschrockenen Aufschrei. Sie konnte die Hitze auf ihrer Haut spüren, roch versengtes Haar und Ruß. Pein zerrte sie auf die Beine und tiefer in die Höhle hinein, während der Drache hinter ihnen ein grollendes Knurren ausstieß. Er hatte sie entdeckt und würde sie nicht mehr so leicht verlieren. Pein war es zu verdanken, dass die junge Hexe nicht als eine weitere verkohlte Leiche endete, als er sie aus der Schussbahn des Drachen riss und mit dem eigenen Körper schützte. „Wie kann ich das Vieh töten?“, wollte er wissen, ohne sich weiter die Mühe zu machen, die Stimme zu senken. Sie duckten sich hinter einige durchgängige Tropfsteinsäulen, um etwas Schutz zu haben. „Drachen sind verletzlich im Gesicht und an der Kehle, die Schuppen dort sind nicht sehr stark.“, antwortete Konan. „Besonders am Halsansatz sind sie sehr dünnhäutig, aber Nacken, Brust und Bauch sind sehr geschützt. Triffst du ihn dort, könnte dein Schwert brechen.“ Sie duckten sich, als der Drache eine erneute Flammenlanze in die Dunkelheit schickte, haarscharf an ihren Felsen vorbei, so dass Konan die Hitze erneut spüren konnte. Die Flammen brüllten tosend an ihnen vorbei wie Wasser, das von einem Hindernis abgelenkt wurde. „Kannst du uns ein Licht erzeugen?“ Sie nickte, auch wenn er es nicht sehen konnte. Aber anscheinend konnte er die Bewegung spüren, denn er antwortete: „Warte einige Augenblicke.“ Sie nickte wieder, verwirrt diesmal. Was hatte er vor? Der Drache grollte und knurrte, tief aus der Kehle; ein Geräusch, das ihr Innerstes zum Vibrieren brachte. Peins Hand schloss sich um ihre Finger und drückte sie kurz ermutigend. Dann ließ er sie los und lief los, zurück in den großen Eingangsbereich. Seine Schritte erzeugten dumpfe, aber klar vernehmbare Töne auf dem Boden, hin und wieder stieß er einen Kiesel davon, deren Aufschläge auf dem Stein in der Dunkelheit verschwanden. Der Drache fuhr sofort herum und folgte seiner Beute, seine Bewegungen ungleich lauter. Konan schloss die Augen. Sie wartete einen Moment, dann rief sie ein Hexenlicht, so hell es ihr möglich war und schickte es unter die Höhlendecke. Das gleißende Licht erleuchtete alles mit Klarheit, die Tiefe der Höhle, die Unebenheiten des Bodens, die Tropfsteine, die überall verteilt waren, von der Decke hingen oder hinaufwuchsen, Pein, trotzig und entschlossen gegenüber einem mächtigen Feind, und natürlich den nachtblauen Drachen. Die Bestie stieß ein verwirrtes Grollen aus, doch anscheinend interessierte ihn nicht, wo die Lichtquelle so plötzlich herkam, nicht, wenn diese Kreatur, die sich so frech in sein Nest geschlichen hatte, direkt vor ihm stand, das Schwert angriffslustig vorgereckt. Konan konnte von ihrem Platz hinter den Tropfsteinsäulen nur mit aufgerissenen Augen zusehen, wie der Kopf des Drachen schlangengleich herunterfuhr. Doch Pein war schnell, er wich behände zur Seite aus und schlug zu, testend beinahe. Der Schlag traf das geschuppte Haupt, knapp über der Braue. Blut sammelte sich in dem Schnitt, wenig nur, aber Pein hatte getroffen. Das Tier brüllte auf, ob nun von Schmerz oder doch eher vor Wut war nicht zu erkennen. Der Krieger wich hastig zurück, das Schwert mit beiden Händen vor sich haltend. Vor dem nächsten Flammenstoß brachte er sich nur mit Mühe hinter einigen Stalagmiten in Sicherheit, doch anscheinend schien der Zauber zumindest seine Wirkung zu tun. Die Hexe wurde sich wieder des Kohlestiftes in ihrer Hand gewahr und tastete nach dem Opal in ihrer eigenen Tasche, während sie den Stift zu ihrem Gesicht führte um auch dort die Feuerschutzsymbole anzubringen. Dann ließ sie den Kohlestift wieder in die Tasche fallen und suchte nach einem anderen Hilfsmittel. Sie konnte nicht viel tun, in einem direkten Kampf würde sie sich nur selbst in Gefahr bringen und Pein in den Weg geraten. Es gab natürlich immer noch diesen einen Trumpf, den sie als Hexe der Silbernen Flamme besaß, doch ob er viel Wirkung zeigen würde, blieb eine Frage. Immerhin bekämpfte man Drachen nicht mit Feuer, sondern besser mit blankem Stahl… Aber sie hatte noch andere Möglichkeiten. Ihre Hand fand endlich das Gewirr von Schnüren in den Tiefen ihres Beutels und sie holte es heraus. Mit geschickten Fingern zog sie die Fäden auseinander, bis sie ein einzelnes Band in der Hand hielt, und verließ dann ihr Versteck. Sie brauchte eine klare Sicht auf ihr Opfer und die Situation. Pein tanzte um das mächtige Tier herum, das ihn mit Zähnen und Klauen und Feuer zu erwischen versuchte. Einer seiner Ärmel war verkohlt, die freigelegte Haut rosig, aber nicht verbrannt. Die Symbole auf seinem Gesicht waren längst verschmiert, aber da sie ihre Arbeit bereits getan hatten, spielte das keine große Rolle mehr. Der Dachte blutete aus einem weiteren, ebenso oberflächlichen Schnitt am Hals und wirkte wütender denn je. Einige kleine Feuer waren entstanden; allem Anschein nach waren es Gräser und hereingeschlepptes Holz, das hier brannte. Wenn der Kampf so weiterging, würde der Drache seinen kleinen Gegner über kurz oder lang erwischen. Konan konzentrierte sich auf den Faden in ihrer Hand und griff nach ihrer Magie. Es war ein einfacher Zauber, den sie schon oft angewandt hatte, nichtsdestotrotz war er beeindruckend wirkungsvoll. Oft genug waren die einfachsten Dinge einfach die besten. Sie knüpfte einen Knoten und dann noch einen und das nächste Mal, als Pein zurückwich, folgte der Drache nicht – sein Versuch endete mit einem donnernden Aufschrei und das Tier ging in die Knie, festgehalten durch magische, unsichtbare Fesseln. Pein brauchte nur einen Moment um die Lücke zu erkennen und griff an. Sein Schwert beschrieb einen silbernen Halbmond im hellen Licht des Hexenfeuers und für einen Moment dachte Konan, dass er es schaffen würde, dass es gleich vorbei wäre… Doch der Drache war schneller. Mit einem wütenden Grollen fuhr er nach vorn, schnappte mit den Zähnen nach dem Angreifer. Dem Schwert war es zu verdanken, dass Pein nicht zumindest ein Körperteil verlor, dem Schwert und des Kriegers schneller Reaktionsfähigkeit. Innerhalb eines Augenblicks brach er die Attacke ab und ging zur Defensive über, riss die Klinge herum und wich wieder zurück. Der Drache brüllte wütend auf und aus seinem Maul troff dampfendes Blut wie roter Geifer. Konans Hände arbeiteten fieberhaft an ihren Fäden, knüpften neue Knoten, verstärkt und verbunden durch Magie, ihre Augen starr auf die ungleichen Kämpfenden gerichtet. Ihr Herz schlug laut, so dass sie sich wunderte, warum der Drache sie nicht hörte, laut und so hart, dass es beinahe aus ihrem Brustkorb sprang. Sie webte ein Netz aus Magie um das Monster, während Pein noch immer Klauen und Zähnen und Feuer auswich und nach einer Lücke suchte, nach einer Möglichkeit, selbst zuzuschlagen. Sein Verhalten war ganz und gar defensiv, obwohl sein Gegner manchmal wankte und stolperte, als sei er betrunken, gehindert von unsichtbaren Ketten. Doch die Fäden rissen, Mal um Mal, und schwebten nutzlos zu Boden, die Zauberkraft wieder erloschen. Unruhig suchte Konan in ihrem Gedächtnis nach weiteren Möglichkeiten, ihren Kämpfer zu unterstützen, nach einem Weg, den Drachen weiter zu behindern, vielleicht sogar so sehr, dass Pein doch den tödlichen Schlag anbringen konnte. Und zwar schnell. Sie konnte von ihrem Platz aus sehen, wie er schwitzte, sein Brustkorb sich vor Anstrengung schwer hob und senkte… Lange würde er das nicht durchhalten. Doch ihre Gedanken kehrten wieder und wieder zu dem stärksten Zauber zurück, den sie in ihrem Repertoire besaß und innerhalb eines Moments ausführen konnte, dem einen, einzigen… Aber würde er wirklich Erfolg bringen? Und was wenn sie versagte; danach wäre sie ausgelaugt, kaum mehr in der Lage, etwas stärkeres zu wirken als ein Hexenlicht… Doch sie fand keinen anderen Ausweg gefunden, keine weitere Chance – der Schwanz des Drachen fegte plötzlich herum und riss Pein von den Beinen. Sie konnte den dumpfen Aufschlag des Körpers bis zu ihrem Versteck hören und schrie erschrocken auf. Der Kopf der Kreatur zuckte herum und sie fixierte die Hexe aus glühenden Augen. Konan starrte zurück, fieberhaft nach einer Möglichkeit suchend, zu entkommen und gleichzeitig Pein die Chance zu geben, sich wieder aufzurappeln. Doch der Krieger bewegte sich nur langsam, als sei er benommen, auch wenn er, der Göttin sei Dank, leise dabei war. Konan selbst half das jedoch nicht weiter. Wenn sie vorher gedacht hatte, sie hätte Angst, so war das nichts im Vergleich dazu, direkt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, diese golden glühenden Augen auf sich gerichtet zu fühlen, beinahe versteinernd wie der Blick eines Basilisken… Rauch schlängelte sich aus den Nüstern des Monsters, seine Zähne blitzten im Hexenlicht, weiß und lang und spitz… Wie hypnotisiert starrte Konan zu dem Monster hinauf, realisierte nur am Rande das Glitzern der nachtblauen Schuppen und das rote Glühen hinten in der Kehle… „Beweg dich, Hexe!“, brüllte Pein und riss sie aus ihrer Starre. Sie warf sich zur Seite, gerade als der geschuppte Kopf nach vorne ruckte. Zähne, so lang wie ihre Arme, krachten knirschend aufeinander, und der Drache stieß ein wütendes Gebrüll aus, als er mit der Schnauze gegen die Stalagmiten stieß, vor denen sie gestanden hatte. Staub und Steinbrocken rieselten von der Decke. Das gab der jungen Hexe die entscheidenden Sekunden, hinter ein paar weiteren Tropfsteinen in Deckung zu gehen. Keinen Augenblick zu früh, denn einen Moment später rauschten Flammen links und rechts an ihr vorbei. Sie spürte die Hitze kaum, geschützt durch ihre eigene Magie, doch es war keinen Moment zu früh gewesen. Die Flammen waren noch nicht einmal verloschen, als sie sich aufrappelte und losstürmte. Der Überraschungseffekt war auf ihrer Seite, so dass sie an dem Tier vorbeistürzten und mit Hilfe einiger weiterer Hindernisse einigen Abstand zwischen sie bringen konnte. Auch Pein schien die Benommenheit abgeschüttelt zu haben. Er hielt einen großen Stein in der Hand, den er nach dem Drachen schleuderte, kaum dass der den Kopf herumdrehte. Der Felsen traf ihn mitten auf die Schnauze und entlockte ihm ein wütendes Brüllen, das die Höhle erneut zum Beben brachte. Konan kauerte sich erneut hinter einige Tropfsteine und hoffte, dass ihr Begleiter wusste, was er da tat. Sie konnte die Aufschläge hören, wann immer ein weiterer Stein die nachtblauen Schuppen traf. Der Drache schien einen Moment zu zögern, doch dann wandte er sich mit einem verärgerten Grollen wieder dem gefährlicheren Gegner zu. Aber er schien nicht gewillt zu sein, den zweiten Eindringling erneut zu vergessen. Immer wieder schickte er eine Feuerlanze in ihre Richtung, so dass die Hexe ausweichen musste und sich nicht mehr so komplett auf ihre Ablenkungsmanöver konzentrieren konnte. Als ihr Ärmel Feuer fing, riss sie ihn herunter ohne Schaden zu erleiden. Als Peins Ärmel Feuer fing, keuchte sie erschrocken auf und die Sorge ging nicht ganz weg, auch wenn der Krieger die Flammen auf gleiche Art loswurde. Doch die Haut darunter wirkte rot und verbrannt – der Schutzzauber ließ nach. Und sie musste jetzt etwas tun. Selbst wenn es vielleicht nicht funktionierte, selbst wenn es sie danach hilflos zurückließ. Aber es war das einzige… Sie wünschte sich, Wynn oder Neji oder beide bei sich zu haben, selbstsichere Präsenzen, klug und begabt und ein Teil von ihr. Aber Pein war da und er war beinahe ebenso gut wie ihr Hagawar. Auch wenn sie die Hilfe eines der beiden Vertrauten für einen solchen Zauber, wie sie ihn im Kopf hatte, begrüßen würde, vor allem in diesem geschwächten Zustand, so würde es auch ohne sie gehen. Den Drachen nicht aus den Augen lassend holte sie ihren Kohlestift wieder aus der Tasche. Auf einer halbwegs ebenen Fläche auf dem Boden wischte sie den Dreck beiseite, um den kleinen Zauberkreis mit raschen, sicheren Bewegungen aufzuzeichnen. Es war einer der mächtigsten Zauber, den die Hexen aus dem Zirkel der Silbernen Flamme lernten. Tsunade ließ ihn ihre Schülerinnen üben, bis sie umfielen oder ihn im Schlaf konnten. Sie war sich noch immer nicht sicher, dass er bei diesem Gegner überhaupt wirken würde – immerhin war er selbst eine Kreatur des Feuers. Welche Rolle spielte denn, welche Farbe die Flammen hatten? Aber sie musste es zumindest versuchen, wenn ihr schon nichts Besseres einfiel. Als sie in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm, war es schon zu spät. Mit einem verzweifelten Sprung versuchte sie sich außer Reichweite zu bringen, doch das Monster war einfach zu schnell. Der lange, geschuppte Schwanz erwischte sie direkt am Bauch und trieb ihr die Luft aus den Lungen und die Tränen in die Augen. Sie krachte schwer gegen die Wand, halb mit dem Rücken, halb mit der Seite. Benommen fiel sie auf den Boden, schlug sich dabei die Stirn auf und das Kinn. Pein brüllte wütend auf, riss die Aufmerksamkeit des Drachen wieder auf sich, mit Schlägen seines Schwertes, wenn man nach den Geräuschen ging. Als sie sich mit den Händen aufzurichten versuchte, trug ihr linker Arm ihr Gewicht nicht und sie sackte wieder zurück. Brennender Schmerz zuckte das Körperteil hinauf. Beinahe verwirrt starrte sie auf ihren Unterarm, der in einem seltsamen Winkel verdreht war. Sie brauchte einen Moment um zu realisieren, dass er gebrochen war. Und sie hatte es noch nicht einmal geschafft, den Zauber zu vollenden! Mühsam rappelte sie sich auf, den gebrochenen Arm an die Brust gepresst. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen, aber er klärte auch ihren Kopf. Sie hatte jetzt keine Zeit für solche Zipperlein. So schnell wie möglich stolperte sie zu ihrem halbvollendeten Zauber zurück und merkte doch, dass ihr etwas Wichtiges fehlte, um das Vorhaben zu vollenden: den Stift. Sie hatte ihren Stift verloren! Innerlich fluchend riss sie an ihrer Tasche, doch es war ein Ding der Unmöglichkeit, rechtzeitig einen zweiten zu finden. „Tu was!“, brüllte Pein. Zum ersten Mal seit Beginn des Kampfes wirkte er gehetzt. Der Drache drängte ihn langsam zurück, sein Grollen und Knurren jetzt siegessicher. Die Hitze von kleinen Feuern erfüllte die Luft und Rauch hing tief unter der Decke. Sie waren beinahe schachmatt und Konan hatte nichts mehr vorzuweisen als einen halbfertigen Zauber, gebrochene Knochen und Blut im Gesicht. Moment, Blut… Ihre Hand tasteten zu der Wunde, fühlten, wie die Flüssigkeit über ihre Haut floss. Sie fuhr mit den Fingerspitzen hindurch und setzte die feuchten Finger wieder auf die Erde, um die Zeichen zu vollenden. Ein letztes Mal für diesen Kampf rief sie nach der Magie und mit einem Wort der Macht erwachte ihr eigenes Feuer zum Leben. Es war strahlend hell, heller noch als das tanzende Hexenlicht, und rein silber und weiß. Des Drachen Kopf schnellte herum, doch die Flammen hatten ihn schon erreicht, sie züngelten um sein Hinterbein und an seinem Bauch herum. Aber das Monster zeigte keine Reaktion, die Flammen schienen seine Schuppen nicht durchdringen zu können… Und dann wurden sie schon wieder schwächer, als ihre Magie aufgezehrt wurde. Konan schluchzte verzweifelt auf – das war ihre letzte Hoffnung gewesen! Was sollten sie jetzt tun, wenn das versagte?! Sie würden hier sterben, der Drache würde sie fressen, ihre Aufgabe würde unvollendet bleiben und die Entführten zu wahren Opfern werden- Dann schrie der Drache auf, ein lautes, schmerzerfülltes Heulen, das beinahe ihre Trommelfelle zerriss und von den Wänden zurückgeworfen wurde. Die Flammen fraßen sich in das Bein, unglaublich heiß, unglaublich mächtig – und doch so schnell wieder tot und verloschen. Danach ging alles sehr schnell. Pein sprang nach vorn und schlug zu. Das Monster ging schwer zu Boden, mit einem Geräusch wie ein fallender Baum oder Donner und unter sich begrub er den Krieger, der ihn getötet hatte. Konan schrie entsetzt auf und stürzte nach vorn. Mit einer raschen Bewegung wich sie dem Schwanz aus, der noch schwach in ihre Richtung zuckte, aber sie konnte sehen, dass das Tier in den letzten Atemzügen lag. Das Schwert steckte wie ein grotesker Auswuchs in seinem Hals und das viele siedende Blut, das aus der Wunde floss, zeigte, dass es eine Schlagader getroffen hatte. Eines seiner Beine wirkte wie seltsam zerlaufen, wie geschmolzen, der Fuß völlig verkrüppelt – dort, wo sich das silberne Feuer in ihn gefressen hatte. Pein wirkte allerdings ähnlich angeschlagen. Sein Gesicht war bleich und als sie näher kam, erkannte sie, dass der Schlag des Drachen ihn erwischt hatte. Die Klauen hatten sein Kettenhemd völlig zerfetzt und eine der fingerähnlichen Krallen steckte tief in der Seite des Kriegers. Sein Blut vermischte sich mit dem heiß dampfenden Lebenssaft des Drachen, eine riesige, schrecklich rote Lache auf dem schmutzigen Steinboden. Ihr Arm pochte schmerzhaft von dem Stoß, als sie sich neben den Krieger auf den Boden fallen ließ. Peins Augen waren noch offen und für einen langen, grausamen Moment dachte sie, dass er tot wäre. Seine Haut war bleich, außer an dem Arm, wo das Drachenfeuer ihn verbrannt hatte, seine Brust schien sich nicht zu bewegen und die Klaue bot einen entsetzlichen Anblick, wo sie in sein Fleisch eindrang. Dann blinzelte er langsam und drehte mühsam den Kopf zu ihr. „Konan?“ Seine Stimme klang schwach und rau. „Ich lebe noch.“, antwortete sie. Sie ließ ihren Arm in den Schoß sinken und tastete vorsichtig nach der Verletzung ihres Begleiters. Auf seiner Brust waren schreckliche Wunden, tiefe Kratzer, nicht nur die Klaue, die sich durch seinen Körper bohrte. Sie riss Teile ihres Hemdes ab, um sie darauf zu drücken und den Blutfluss zu stoppen oder doch zumindest zu dämmen. Das Material sog sich voll von der roten Flüssigkeit; sie fragte sich, wie viel ihre Handlungen brachten. Er rührte sich dabei nicht – anscheinend bemerkte er nichts davon… Verdammt. Sie konnte doch nicht zulassen, dass er hier und jetzt starb. Sie brauchten ihn doch noch, ihn und seine Akatsuki. Die würde sein Ableben sicher nicht gut annehmen, wenn sie es überhaupt selbst überleben würde. Konan hatte doch gesehen, wie stark sich diese Krieger auf ihren Anführer bezogen, wie er ihr Mittelpunkt war und das, was sie zusammenhielt. Und Konan selbst – mit jäher Klarheit wurde ihr bewusst, dass auch sie nicht wollte, dass er starb. Er musste ihre Gedanken in ihrem Gesicht gelesen „Hey.“ Seine Stimme war noch immer leise, aber sie konnte ihn deutlich hören. „Das ist kein so schlechter Abgang. Wer kann schon sagen, an einen Drachen sein Leben verloren zu haben? Einen, der selbst dabei starb?“ Sie runzelte die Stirn und dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Hör auf so zu reden.“ Sie griff nach seinen Fingern und schloss die rechte Hand um sie, während sie darum kämpfte, ihre Fassung zurückzugewinnen. Seltsamerweise war es der Händeruck, den er erwiderte, der ihr die Kraft dafür gab. Ein Befehlston schlich in ihre Stimme, als sie fortfuhr: „Du wirst nicht hier sterben, Krieger. Halte durch.“ Pein versuchte, den Kopf zu schütteln und sie konnte die Zweifel in seinem Gesicht ablesen, also beharrte sie: „Ich rede hier nicht hoffnungsloses Zeug daher. Halte durch, bis Sakura hier ist. In deinem Land wäre eine solche Wunde vielleicht tödlich, aber wir Hexen haben andere Möglichkeiten. Halte durch.“ Sie drückte seine Hand noch einmal, die rau und hart und schwielig war. Sein Blick war undurchdringlich, aber sie erwiderte ihn entschlossen, weil ihre Worte die Wahrheit waren. Er hatte immer noch eine Chance. Ihr Kampf hier unten hatte lang gedauert, wenn vermutlich auch nicht so lang, wie sie hoffte. Den anderen musste inzwischen aufgefallen sein, dass sie nicht mehr da waren, gehörten sie doch zu den Anführern ihrer Gruppe. Irgendwer musste sich zusammenreimen, wo sie waren, und dann würden sie sich daran machen, den Eingang der Höhle freizuräumen. Und Sakura brauchte noch nicht einmal viel Platz, eine Katze kam beinahe überall herein… Ach, warum hatte sie Neji und Wynn weggeschickt?! Ihr Hagawar hatte so recht gehabt, als er dagegen protestiert hatte… Die beiden konnten mit Leichtigkeit sagen, wo sie sich befand. Dann würde das alles hier viel schneller gehen… „In Ordnung.“, murmelte Pein und riss sie aus den Gedanken. „Aber du musst…“ Seine Stimme verblasste und er blinzelte heftig. „Aber du musst mit mir reden.“ Er verstummte wieder und sein Kopf sank langsam zur Seite. Sie legte die Hand auf seine Wange, um seine Augen wieder auf sich zu richten. „Pein, nicht gehen. Bleib hier.“ Einen langen Moment tat sich gar nichts und ihr Herz schlug wieder so laut wie vorhin, als der Drache sie angestarrt hatte. Dann fokussierte sich sein Blick wieder und richtete sich scharf auf sie. „Rede…“ „…mit dir, ja.“, antwortete sie, aber ihr fiel nichts ein. „Ich versuche es. Bleib nur bei mir. Höre auf meine Stimme. Du wirst das schaffen. Bleib hier bei mir und wir können dich retten.“ Die Worte gingen ihr aus, also griff sie nach dem nächstbesten, das ihr einfiel. „Das ist der erste tote Drache, den ich sehe, und ich weiß, dass er der erste tote Drache dem Einfall der Dykae in Silvurra ist.“ Sie lachte leise, auch wenn an der Situation überhaupt nichts komisch war. „Vermutlich hat er geschlafen und wenn nicht, in den Gegenden gejagt, wo ihn niemand sehen konnte. Ich habe einmal gesehen, was ein Drache aus einem Gehöft machen kann…“ Ihre Stimme verklang und sie musste sich einen innerlichen Ruck geben, weiterzusprechen. Peins Augen waren noch immer auf sie gerichtet, sein Blick nicht mehr ganz klar, aber spürbar. Er war noch da. Er hörte ihr noch zu. Und sie musste dafür sorgen, dass es auch so blieb. „Weißt du, was man mit Drachen alles anfangen kann? In der Magie, meine ich. Die mächtigsten Zauber können mit solchen Zutaten gesprochen werden…“ Sie verstummte wieder. Pein würde sich sicher nicht für die Möglichkeiten interessieren, wie man einen Drachen in der Magie verwenden konnte. Aber vermutlich spielte es keine Rolle, was sie ihm erzählte, solange er nur etwas hatte, auf das er sich konzentrieren konnte. Sie hoffte wirklich, dass Sakura kurz davor war, in die Situation zu platzen. Mit nur einer Hand und einer Aversion gegenüber Heilzaubern konnte sie selbst nicht viel ausrichten. Sie öffnete wieder den Mund, trocken und unbeholfen, als hätte sie Kiesel auf der Zunge. Doch alles, was ihr einfiel, war ein altes Lied, dessen Worte in ihrem Kopf widerhallten. Ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren rau und kratzig, aber das machte nichts. „Und mir sprießen Rabenfedern und so flieg ich unerkannt über Grenzen in das Leben wie der Wind schnell übers Land. Und ich breche alle Regeln, um heut Nacht bei dir zu sein. Fühl mein Rabenherz, es schlägt so, schnell und nur für dich allein.“ Der Ursprung des Liedes war längst vergessen und es gab unzählige Versionen der Geschichte um die beiden Liebenden. Die Wahrheit war verschwunden im Laufe der Zeit, doch die Ballade war noch immer beliebt überall in Silvurra. Konan fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee gewesen war, immerhin war es ein Liebeslied und sie kannte den Krieger kaum, auch wenn er ihr so vertraut erschien. Doch Peins Finger streiften leicht ihren Handrücken, was sie ermutigte, fortzufahren: „Schenk dir eine Rabenfeder, unsrer Liebe Unterpfand. Denk an mich, ich komme wieder, denk an mich, hältst du sie in der Hand…“ Ihre Stimme verhallte wieder, doch bevor sie wieder ansetzen konnte, ertönte ein leises Geräusch. Von irgendwoher drang ein Scharren, wie Stein, der über Stein kratzte. Sakura war zu dem Schluss gekommen, dass der Tag erfolgreich gelaufen war. Sie hatten zwar nur zwei Gefangene gemacht und drei weitere Feinde erschlagen, aber auch damit war etwas anzufangen. Was sie gehofft hatten, das ein großes Lager der schwarzen Hexe war, stellte sich eher als kleiner Außenposten heraus, hineingekauert zwischen Findlingen und mannshohem Unterholz, kaum sichtbar von jeder Seite. Selbst von oben musste der Platz schwer einsehbar sein. Was die Krieger hier überhaupt machten, war ihr ein Rätsel. Das einzige, was ihr noch Sorgen machte, war die Tatsache, dass der Kinderdieb, dessen Blut sie hergeführt hatte, nicht unter den Anwesenden war, wie die Abwesenheit von älteren Wunden irgendeiner Art zeigte. Die Akatsuki war erneut ausgeschwärmt, um ihn vielleicht noch zu finden, doch bis jetzt ohne Erfolg. „I…ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“, bemerkte Hinata. Die Hagawar hatte ihr Schwert locker in der Hand, die Sonne glänzte auf der silberglatten Schneide und ließ die eingravierten Runen darauf tiefe Schatten werfen. Aya hockte auf ihrer Schulter und nickte zustimmend. Die junge Frau sah zu ihrer Hexe hinüber. „Irgendwas ist komisch.“ Sie zuckte mit den Schultern um zu verdeutlichen, dass sie allerdings auch nicht näher wusste, was genau. Sakura hatte gelernt, auf die Bauchgefühle der Hagawar vertrauen zu können, und blickte sich suchend um. „Lass uns Konan finden und Pein.“ Nach einem Augenblick fügte sie hinzu: „Und Lord Shikamaru.“ Er schien vernünftig zu sein – jedenfalls um einiges mehr als sein Schwiegervater, der bei den Gefangenen stand und ihnen lautstarke, immer ungeduldiger werdende Fragen über den Verbleib seiner Enkelin stellte. Die beiden Frauen mit den großen Hunden, die die gefesselten Männer bewachten, warfen ihm immer wieder Blicke zu, doch bis jetzt war nichts Gravierenderes geschehen. Lord Shikamaru stand einige Schritte entfernt und ließ den Blick suchend durch das Tal schweifen, als würde seine Tochter gleich hinter einem Busch hervorspringen. Doch von Pein oder Konan war nichts zu sehen. Mit gerunzelter Stirn sah Sakura sich noch einmal um, konzentrierte sich auf alles, was sie von dem kleinen Hügel aus sehen konnte, auf dem sie stand, doch sie konnte keinen von ihnen entdecken. Als sie sich gerade an Hinata wenden wollte, lenkte eine Bewegung ihre Aufmerksamkeit auf sich. Neji kam in vollem Galopp aus dem Wald und quer durch das Tal geprescht; sein Reittier wirkte erschöpft, als hätte es ein ganzes Stück in dieser Geschwindigkeit hinter sich gebracht. In diesem Moment wusste sie, dass etwas sehr, sehr falsch gelaufen war. Sie wünschte sich ihr eigenes Pony herbei, doch ihr blieb nichts anderes, als dem Hagawar zu Fuß zu folgen. Also rannte sie los, Hinata hart auf den Fersen. Auch die Hagawar wirkte beunruhigt, so sehr, dass Aja sich an ihrer Jacke festkrallen musste, um nicht hinunterzufallen. Glücklicherweise war Nejis wilder Ritt schnell zu Ende – er steuerte direkt auf den Steilhang zu und auf eine Geröllhalde, die auf den zweiten Blick aussah wie ein frischer Steinsturz. Was war geschehen?! Konan war doch nicht etwa dort begraben…? Plötzlich stürzte eine Gestalt aus dem Gebüsch und überraschte sie so sehr, dass sie taumelnd zum Stehen kam. Hinata stieß ein erschrockenes Quieken aus. Doch ihr unbekanntes Gegenüber wirkte ebenso verblüfft. Er wirkte jung, abgerissen, die Kleidung schmutzig, als wäre er auf dem Boden herumgekrochen, und er griff rasch zu dem Dolch, den er am Gürtel trug. Doch auch die Hagawar fasste sich schnell; für jemanden, der sie noch nie hatte kämpfen sehen, kamen ihre raschen Reflexe und sicheren Bewegungen immer eine Überraschung. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog sie ihr Schwert und drang auf den Fremden ein wie ein Sturmteufel. Der junge Mann hatte keine Chance, weder so gut ausgebildet noch so gut bewaffnet wie Hinata verlor er seine schartige Klinge schon nach wenigen Schlägen und lag kurz darauf im Dreck, das Schwert seiner Gegnerin an der Halsschlagader, die Augen angstvoll aufgerissen. Sakura ließ ihr Athame los, nachdem sie im Reflex gegriffen hatte. „Hinata?“ Aja huschte aus dem hohen Gras; Sakura hatte gar nicht bemerkt, wie sie zu Boden gesprungen war. Nun schlich sie lauernd um den Geschlagenen herum, der sich nun anscheinend nicht entscheiden konnte, wen er am meisten im Auge behalten sollte. Also huschte sein Blick unstet von einer zur nächsten. „Ich habe ihn unter Kontrolle. Geh.“ Hinatas Worte waren genug und die Hexe stürmte an ihrer Kriegerin vorbei, dorthin, wo Neji im Unterholz verschwunden war. Sie holte ihn rasch ein, denn er hatte angehalten und kauerte vor einer Geröllhalde, die ihr schon vorher aufgefallen war. Sein Pony stand einige Schritte entfernt, noch immer mitgenommen von dem wilden Ritt. Schweiß bedeckte seine Flanken und den Kopf hatte es gesenkt. Der Hagawar hatte sie anscheinend gehört, denn er drehte sich um. „Sakura…“ Neji blickte sie voller Furcht an und der Angesprochenen wurde kalt. „Was … was ist mit Konan?“ Sie war doch nicht etwa dort, begraben unter diesen Steinen und der Erde, einem Felssturz, dem jetzt deutlich anzusehen war, dass er erst kürzlich heruntergekommen war?! „Sie ist nicht in Lebensgefahr.“, erklärte Neji bestimmt und die Welle der Erleichterung, die sie durchflutete, ließ sie einen Moment wanken. „Aber wir müssen uns beeilen, sie dort herauszubekommen. Wo ist die Akatsuki?“ Wynn krächzte laut und durchdringend, er hüpfte unruhig über die Steine, war aber zu schwach um etwas zu bewirken, was ihn nur noch mehr zu frustrieren schien. Sakura richtete ihren Blick erneut auf die gefallenen Steine. „Ich … ich hole sie.“ Und sie hatte auch schon die richtigen Argumente dafür. Denn war Pein nicht bei Konan gewesen? War er auch dort, verborgen hinter Geröll und Erde? Unmöglich war es nicht, war er doch schon seit einiger Zeit ebenso vom Erdboden verschluckt wie die ältere Hexe, im wahrsten Sinne des Wortes, wie es schien. Sakura schluckte und wandte sich um, während Neji hinter ihr begann, die Steine zu entfernen. Rasch war sie wieder bei Hinata, die durch ihren Gefangenen inzwischen die Aufmerksamkeit einiger Krieger auf sich gezogen hatte. Itachi war nur noch wenige Meter entfernt und näherte sich mit raschen Schritten. Itsumo und Kotetsu folgten hinter ihm. Aus der anderen Richtung eilte Tsume mit ihrem Sohn und den beiden Hunden heran. Hinata bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. „Wa… Was ist los?!“, wollte sie von ihrer Hexe wissen und ihre Stimme war nicht ganz so schwankend und bebend wie üblich. „Ein Steinsturz.“, antwortete Sakura mit nüchterner Stimme. Der Gefangene zuckte zusammen, doch sein Gesicht zeigte keine Regung. War da etwas…? „Ich befürchte das Schlimmste.“ Die Hagawar riss die Augen auf. „Ist Konan…?“ Sakura schüttelte den Kopf. „Sie schwebt nicht in unmittelbarer Lebensgefahr.“ Diesmal zuckte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht, halb Triumph, halb … Überlegenheit. Wieso trug jemand, der in einer solch schlechten Situation war, so eine Mimik? „Du!“, herrschte die Hexe ihn an und packte ihn am Kragen, um ihn halb zu sich hoch zu zerren. „Was weißt du?“ Aja kletterte auf ihre Schulter um ihn aus goldenen Augen durchdringend anzustarren. „Das wüsstest du wohl gern, was, Hexe?“, war die Antwort, auch wenn der junge Mann einen Moment später aussah, als würde er sich lieber auf die Zunge beißen, als noch einmal etwas zu sagen. Sakura schwante Schlimmes. „Was hast du getan?!“ „Was ist passiert?“, mischte Itachi ein, ehe der Gefangene noch etwas von sich geben konnte. Sakura stieß ihn auf den Boden zurück, wo er mit einem leisen, überraschten „Uff!“ aufkam, und wandte sich dem Fragenden zu. „Ein Steinsturz.“, wiederholte sie. „Konan … ist wohl darunter oder dahinter eingesperrt.“ „Und … und unser jüngster Ge…Gefangener weiß etwas.“, fügte Hinata leise, aber sicher hinzu. „Vie…Vielleicht hat er den Sturz ausgelöst…“ „Geschieht euch recht!“, fauchte Genannter, dann verzerrte er das Gesicht und zog es klugerweise vor, lieber zu schweigen. Aja fauchte ihn wütend an, eine Tatze wütend zum Schlag erhoben, die scharfen Krallen ausgefahren. „War Pein nicht bei ihr?“, wollte Tsume wissen, die sie inzwischen auch erreicht hatte. Kiba fummelte an seiner Gürteltasche herum und förderte einen Moment später einige dünne Fesseln zutage. Während er und Hinata sich daran machten, den Gefangenen die Hände hinter dem Rücken zusammenzubinden, wechselten Sakura, Tsume und Itachi einen besorgten Blick. „Hol die anderen her.“, befahl der schweigsame Krieger Tsume und wandte sich dann an die Hexe: „Führ mich hin, ich muss mir das ansehen.“ Sakura kam der Aufforderung umgehend nach. Neji war noch nicht weit gekommen mit seiner Arbeit, auch wenn er fieberhaft Steine entfernte. Er blickte auf, als sie aus dem Gebüsch traten. „Beeilt euch.“, knurrte er, nur um sich gleich wieder seiner Arbeit zu widmen. „Irgendetwas ist passiert.“ Itachi starrte die Überreste der Lawine einen Moment an. Dann murmelte er: „Verdammt.“ Kiba stieß einen ähnlichen Fluch aus, als er mit Hinata und dem Gefangenen aus dem Unterholz kam. Hinata sagte gar nichts, warf nur einen Blick auf ihren Cousin und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. Dann wandte sie sich wieder um und übernahm die Überwachung des Gefangenen, während sich die anderen Anwesenden Neji anschlossen. Nach und nach tröpfelte der Großteil der Krieger ein, auch Minato und Naruto gesellten sich zu ihnen und die Arbeit ging schneller voran. „Hier ist eine Öffnung!“, rief Ino irgendwann, als sie bereits alle schmutzig von Staub und Erde waren und verschwitzt von der harten Arbeit. „Ich glaube, da ist eine Höhle.“ Aya war wie der Blitz bei ihr und steckte den kleinen Katzenkopf hinein. „Es geht ziemlich tief hinein.“, bestätigte sie und blickte ihre erwartungsvollen Zuhörer an. „Konan?“ Keine Antwort. Hatten sie sich etwa geirrt und wertvolle Zeit auf eine nutzlose Arbeit verschwendet? Wynn flog auf und ließ sich neben Aja auf den Steinen nieder, um ebenfalls den Kopf in die Öffnung zu schieben. „Konan!“, versuchte er es diesmal und erhielt die Erwiderung, auf die sie alle gewartet hatten: „Ich bin hier.“ Die Stimme seiner Hexe klang beherrscht, aber angestrengt und rau. Als hätte sie Schmerzen. „Der Göttin sei Dank!“, rief Sakura aus. Jetzt konnte sie auch die Schritte der anderen hören, die stetig näher kamen. Wenn Konan laufen und reden konnte, konnte sie nicht zu stark verletzt sein. „Ist Pein bei dir?“, wollte Itachi wissen, ehe jemand anderes etwas sagen konnte. „Ja.“ Für einen Moment war es still. „Sakura, er braucht deine Hilfe.“ Konans Stimme klang drängend und der Angesprochenen wurde es eiskalt. Es gab nur eine Sache, in der die Ältere ihren Beistand so dringend benötigte. Pein musste in wirklich schlechter Verfassung sein, wenn die blauhaarige Hexe so ernst und mitgenommen klang. „Was ist passiert?!“ Wieder war es Itachi, der allen zuvor kam. Aber Konan antwortete nicht auf seine Frage. „Sakura, beeil dich.“ Dann konnten sie hören, wie sich ihre Schritte wieder entfernten. Die Höhle musste ziemlich groß sein. Aber ihre Worte ließen selbst den Dümmsten unter den Söldnern begreifen, dass ihr Anführer verletzt sein musste. Schwer. Wynn wartete nicht auf sie, sondern hüpfte in das Loch und sie konnten an seinem Flügelschlag hören, wie er sich entfernte. „Noch passt du da nicht durch.“, entschied Kisame grimmig, nachdem er die Hexe einen Moment taxiert hatte. Das Loch war tatsächlich viel zu klein für irgendeinen Menschen. Nicht einmal die kleine Harusame hätte hindurch gepasst. Aber Sakura wischte den Einwand beiseite. „Nein, das geht schon. Aber beeilt euch trotzdem.“ „Aber du…!“, begann Ino, doch Sakura kümmerte sich nicht um sie, sondern ließ die Verwandlung über sich kommen. Eine Katze würde sehr wohl durch dieses Loch passen, wie Aya just in diesem Moment bewies. Die Kraft und Geschmeidigkeit des Katzenkörpers erstaunten sie immer wieder, aber sie hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Sie konnte die Blicke der fremden Krieger auf sich spüren, als sie Aya die Geröllhalde hinauf durch dem Loch folgte. Für eine Katze war der holprige Weg kein Problem und nicht zum ersten Mal war sie dankbar für die natürliche Eleganz und Gewandtheit des Tieres. Sie blickte sich noch einmal kurz um und ruckte mit dem Kopf, um den starrenden Leuten zu zeigen, dass sie gefälligst ihre Arbeit wieder aufnehmen sollten, dann folgte sie ihrem Familiar in die Höhle hinein. Hinter ihr begann die Arbeit wieder, wie sie an den Geräuschen vernehmen konnte, die zu ihr hereindrangen. Die Höhle, bemerkte sie im Schein eines kleinen Hexenlichtes, war tatsächlich groß. Wie groß jedoch, das wurde ihr erst klar, als sie den Kadaver des Drachen sah. Das Schwert in seinem Hals und das frisch verkrüppelte Bein sagten ihr genug über den Kampf, der noch vor kurzer Zeit stattgefunden hatte, um vorerst keine Fragen stellen zu müssen. Genau wie der Körper, der halb vergraben unter dem Drachen lag, eine lange Klaue im Fleisch. Pein. Konan hatte Recht – hier wurde sie wirklich dringend gebraucht. Der Krieger schien bereits das Bewusstsein verloren zu haben, was schlecht war, aber glücklicherweise lebte er noch, was das einzig Positive war, das sie im Moment feststellen konnte. Die jadeäugige Hexe kauerte neben dem Mann und blickte sie fragend und hoffnungsvoll an. Wynn hockte auf ihrer Schulter und rieb beruhigend den Schnabel an ihrem Kopf. Sie sah schlecht aus, mitgenommen, Blut und verwischte Feuersymbole im Gesicht, den linken Arm eng an den Körper gepresst. Ihr Blick war unstet und das Hexenlicht über ihnen flackerte manchmal, was kein gutes Zeichen war. Sakura brauchte nur wenige Augenblicke um zu entscheiden, wie sie vorgehen sollten. Hier konnte sie nicht viel ausrichten und vor allem nicht allein. Konan war in keiner Verfassung, ihr zu helfen; selbst verletzt, vermutlich mit Gehirnerschütterung, und erschöpft von dem Kampf gegen das Biest selbst, und außerdem nicht begabt für diese Art der Magie. Nein, hier mussten andere Leute her und sie betete zu allen Göttern, dass Shizune das Dorf inzwischen erreicht hatte. Sie nahm wieder menschliche Gestalt an und ließ sich neben den beiden auf den Boden sinken. „Einen Stasiszauber, schnell!“ Konan brauchte eine Weile, aber dann nickte sie und begann, in ihrer Tasche herumzuwühlen, vermutlich nach ihrem Kohlestift. Ihre Bewegungen waren langsam und schwerfällig und sie benutzte nur die eine Hand. Sakura warf ihr einen weiteren besorgten Blick zu, erfasste die aufgeplatzte Haut am Kinn, die offene Wunde an ihrer Stirn und den gebrochenen Unterarm genauer. Wahrlich, auch Konan würde ihrer Hilfe bedürfen, aber sie würde noch eine Weile unbehandelt überleben. Mit diesem Gedanken wandte sie sich voll und ganz ihrem anderen Patienten zu, der unnatürlich still da lag. Pein war auch vorher kein energetischer Mensch gewesen, doch die ihm eigene stille Wachsamkeit und der trotz der wenigen Worte deutlich erkennbare Scharfsinn waren der Bewusstlosigkeit gewichen. Seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, war sie sich seiner Präsenz bewusst gewesen, sicher, stark und anwesend auf eine Art, wie nur wenige Menschen es schafften. Aber davon schien nichts übrig zu sein, als hätte der Kampf ihn alles gekostet. Sakura tat die Brandwunde an seinem Arm als unbedeutend ab – später würde sie eine Rolle spielen, aber sie war nur oberflächlich – ebenso wie die verschiedenen Schrammen und Kratzer, die er während des Kampfes davongetragen hatte. Das einzige, was lebensbedrohlich war, war diese letzte Wunde, die der Drache geschlagen hatte. Konan hatte ein Tuch auf seine Brust gepresst, doch es war inzwischen vollgesogen von Blut und nahm ihr die Sicht, also schälte sie es langsam und vorsichtig herunter, um sich den Schaden genauer ansehen zu können. Das Kettenhemd musste den schlimmsten Teil des Schlages abgefangen haben. Es war im Brust- und Bauchbereich völlig zerfetzt und Einzelteile lagen noch um sie herum, der Stelle, wo Pein gefallen war. Die Krallen hatten tiefe Wunden geschlagen, vier parallele Linien, die sich von seiner Brust bis hinunter zur Hüfte zogen. Auch das wäre nicht so schlimm gewesen, überlebbar auch ohne der Hilfe einer Hexe, wäre nicht eine der Klauen in den letzten Zuckungen in den Bauchraum eingedrungen. So wie Sakura das sah, war sie am Rücken wieder ausgetreten. Das war der wirklich schlimme Teil der Verletzungen. Tödlich, außer unter den geschickten Händen der begabtesten, schnellsten Ärzte – oder denen von heilkundigen Hexen. Sakura wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Konan zu, die inzwischen begann, den Zauber vorzubereiten. Sie hatte ihren Stift gefunden und die erforderlichen Symbole fein säuberlich auf Peins Hände gemalt und begann mit den Zeichen auf seiner Stirn, direkt über alten Malen. Ebenfalls Feuersymbole, wie Sakura vermutete. Um die Füße würde sie sich wohl selbst kümmern oder dem Patienten zumindest die Stiefel ausziehen müssen. Konan würde das mit der einen Hand, die sie zur Verfügung hatte, nicht in der erforderlichen Zeit schaffen. Außerdem mussten sie die Klaue entfernen, bevor der Zauber gesprochen wurde, ansonsten müssten sie den Drachen mitnehmen und das wäre im Moment ein Ding der Unmöglichkeit. Der Stasiszauber bewirkte, dass sich nichts am Objekt veränderte – und durch die enge, körperliche Verbindung, die die beiden gefallenen Gegner innehatten, würde die Magie den Drachen mit einbinden. Zum Glück würde der Zauber schnell wirken, was den weiteren Blutverlust auf ein Minimum beschränken würde. Rasch machte Sakura sich daran, Pein die Stiefel auszuziehen und die magischen Symbole auch an ihnen anzubringen. Als sie aufblickte, kauerte Konan neben dem Kopf des Kriegers, eine Hand leicht in seinem Haar. Eine solch zärtliche Geste war ungewöhnlich für die sonst so distanzierte Hexe, aber die Jüngere ignorierte sie fürs erste. Sie hatte später Zeit, über diese Entwicklung nachzudenken, die sie schon viel früher hatte ahnen sollen. „Bereit?“, wollte sie wissen und Konan nickte. Sie legte Pein die Hand vorsichtig auf die Brust, flach und mit gespreizten Fingern, um so viel Fläche wie möglich abzudecken. Wynn flatterte von ihrer Schulter um sich auf seinen Arm zu setzen und Aja rollte sich auf seinem Bein zusammen. Sakura griff gleichzeitig nach der mächtigen Tatze des Drachen; sie brauchte beide Hände und einiges an Kraft, um sie zu heben. Vorsichtig, aber gleichzeitig so schnell wie möglich, zog sie die Krallen aus Peins Fleisch, darauf achtend, den Krieger nicht zu berühren. Das würde nur den Zauber schwächen und sie brauchten hier alle Vorteile, die sie bekommen konnten. Als sie die Klaue komplett gelöst hatte, nickte sie der anderen Hexe zu und spürte einen Moment später das Prickeln der sich sammelnden Magie. Sie ballte sich und legte sich dann innerhalb von Augenblicken über den Krieger. Keinen Moment zu früh, denn das Herausziehen der Klaue hatte die heftige Blutung wieder ausgelöst, die nun ungehindert Leben aus seinem Körper trug. Doch der Blutfluss verging in dem Augenblick, in dem der Zauber einsetzte. Die Stasis lag nun über ihm. Während dieser Zauber anhielt, würde sein Zustand sich nicht weiter verschlechtern – doch auch nicht verbessern. Sakura atmete erleichtert auf und legte die Klaue auf dem Boden ab. „So weit, so gut.“, murmelte sie. Sie blickte zu Konan auf, die jetzt grau im Gesicht war, völlig ausgelaugt. Dieser letzte Zauber musste ihr noch den Rest an magischen Reserven abverlangt haben, den sie gehabt hatte. Aber da war keine andere Wahl gewesen – Konan hätte niemals die Kraft aufgebracht, die andere Aufgabe zu übernehmen, und beides gleichzeitig hätte Sakura überfordert. Der Stasiszauber mochte ein grundlegender Zauber sein, relativ einfach auszuführen, da er nicht viel Magie benötigte – aber er forderte alles an Konzentration. „Du setzt dich da rüber, während ich versuche, Pein unter diesem Monster hervorzuziehen.“ Denn seine Beine waren noch teilweise unter dem massigen Leib begraben. Hoffentlich hatte er sich bei dem Sturz nichts gebrochen. Das hätte ihnen gerade noch gefehlt. Natürlich war auch diese Lage der beiden Gegner dem Zauber abträglich, aber das hatten sie nicht ändern können. Es würde ausreichen, bis sie im Dorf und zumindest die gröbsten Wunden versorgt waren. Es musste ausreichen. Später würde sie nicht mehr sagen können, wie lange sie sich an dieser Aufgabe versucht hatte, doch viel konnte sie nicht ausrichten. Der Drache war einfach zu groß und auch wenn sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte, Pein weiter zu verletzen, half alles Ziehen und Zerren nichts. Hier musste jemand stärkeres her. Als Hinatas Stimme vom Eingang herüberdrang, stand sie auf um hinüberzugehen. Aja huschte als schwarzer Schatten vor ihr her, während Wynn bei seiner Hexe zurückblieb. Sie warf jener noch einen kurzen Blick zu, aber Konan schien nichts mehr um sich herum mitzubekommen, auch wenn ihre Augen noch weit offen waren, den Blick starr gen Höhlendecke gerichtet. Ein Schock, vermutlich. Sakura war nur froh, dass ihr Familiar bei ihr war; das würde helfen. Sonne drang durch das inzwischen beachtlich große Loch, das nun wieder freien Weg ins Tal bot. Hinata war schon einige Schritt in die Höhle vorgedrungen, Itachi folgte ihr. Neji stand im Eingang und starrte ihr entgegen, das Gesicht unleserlich und kalkweiß. Der Rest von Akatsuki und ein paar der Männer des Kazekagen, inklusive Shikamaru, wenn Sakura das richtig erkannte, arbeiteten weiter. „Was … was ist passiert?“, wollte Hinata wissen, mit nur einem Blick auf Sakuras inzwischen blutverschmierte, verschmutzte Kleidung und den ernsten Ausdruck in ihrem Gesicht. „Ist Konan…?“ Sakura schüttelte den Kopf und richtete den Blick auf Itachi. „Konan ist verletzt, aber nicht in Lebensgefahr. Pein auf der anderen Seite…“ Sie ließ den Satz in der Luft hängen. In Itachis Gesicht zuckte ein Muskel, aber ansonsten blieb es unbeweglich. „Wie schlimm ist es?“, wollte er nach einem Moment wissen. Neji schob sich ohne ein weiteres Wort an ihm und den beiden Frauen vorbei und Sakura ließ ihn gehen. Er musste sich jetzt um seine eigene Hexe kümmern. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Frage, auf die sie keine Antwort hatte. „Kommt am besten selbst und macht Euch ein eigenes Bild. Die anderen sollen weitermachen, den ganzen Eingang freilegen.“ Itachi nickte Kisame zu, der Nejis Platz am Höhleneingang übernommen hatte. Der riesenhafte Fischmensch drehte sich um und bellte noch ein paar Befehle. Dann führte Sakura die anderen beiden tiefer in die Höhle hinein, dorthin, wo Konan, Pein und der Drache waren. Itachi stieß einen seltsamen Laut aus, als er des Kadavers ansichtig wurde. Sein Gesicht versteinerte, als er Pein gewahr wurde, der unnatürlich still da lag. Neji kümmerte sich inzwischen um seine Hexe, die ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte, was Sakura sehr erleichterte. Ihre abwesende Haltung und der ins Nichts starrende Blick hatte die jüngere Hexe verstört. Konan war immer so stark, so beherrscht, so selbstsicher – in Sakuras Kopf war da kein Platz für Schwäche, selbst nicht nach einem so unerwarteten Kampf gegen einen so übermächtigen Gegner, bei dem der Kampfgefährte so schwer verwundet wurde. Jetzt so plötzlich die menschlichere Seite der anderen zu sehen war bestürzend. Beinahe gewaltsam wandte sie sich wieder Itachi zu, der inzwischen neben Pein in die Knie gesunken war. Er wagte anscheinend nicht, seinen Anführer zu berühren, aber seinen scharfen Augen entging nichts. „Momentan besteht keine Gefahr für ihn.“, erklärte Sakura dem dunkelhaarigen Krieger. „Wir haben einen Zauber über ihn gelegt, der verhindert, dass sich sein Zustand verändert. Wir werden in ins Dorf bringen, bevor wir versuchen, seine Wunden zu heilen. Das hat höhere Chancen auf Erfolg.“ „Sakura und Shizune sind gute Heilerinnen.“, warf Konan von der Seite ein. Neji hatte ihr aufgeholfen und sie sah etwas besser aus als noch vor wenigen Minuten, doch ihr Gesicht war immer noch grau und das Blut darauf hob sich in starkem Kontrast von der blassen Haut ab. Sakura nickte, seufzte aber gleichzeitig. „Und Tsunami ist auch noch da.“ Das war die Dorfhexe von Birkenhain, selbst auf dem Gebiet der Heilkunde erfahren. „Ich will nicht lügen. Seine Verletzungen sind schwer – es ist immer noch möglich, dass er ihnen erliegt. Aber es ist eine Chance.“ Itachis Blick wanderte zu seinem Anführer. Einige Minuten blieb es still, dann nickte er. „Ich verstehe. Aber egal, wie das Ergebnis ist, wir sollten keine weitere Zeit vertun. Ich hole Kisame und Kakuzu, mit ihnen haben wir die größten Chancen, ihn unter diesem … Monster hervorzuholen.“ Er drehte sich um. „Ihr solltet Euch währenddessen um Eure Gefährtin kümmern. Sie sieht aus, als würde sie gleich zusammenbrechen.“ Kiba war sich nicht sicher, was er davon halten sollte, als Itachi wieder erschien um Kisame und Kakuzu abzukommandieren, ihm in der Höhle zu helfen. Irgendetwas war vorgefallen und es war schlimm. Seine Bedenken wurden nicht gebessert, als Neji seine Hexe herausführte, die ziemlich mitgenommen aussah, die Wunden im Gesicht, der offensichtlich gebrochene Arm… Er konnte seine Sorge auf den Gesichtern der anderen gespiegelt sehen, selbst die Soldaten des Kazekage, die sich zu ihnen gesellt hatten, um ihnen bei der Arbeit zu helfen. Akamaru neben ihm winselte laut, verhielt sich aber sonst so unsichtbar wie möglich. Nur Shikamaru wirkte lediglich nachdenklich. Kiba versuchte seine aufgewühlten Gefühle damit zu beruhigen, dass der Adlige sich während der Reise und vor allem in letzter Zeit sehr unterstützend und entgegenkommend verhalten hatte. Vermutlich plante er einfach schon die nächsten Schritte, das musste es sein. Ansonsten hätte Kiba ihn vermutlich vor Wut angeschrien. Niemand durfte so kaltschnäuzig sein, wenn etwas mit dem Anführer von Akatsuki nicht stimmte. Hinter Neji und Konan folgte das andere Hexe-Hagawar-Paar, die sich flüsternd unterhielten. Sakura schüttelte einmal den Kopf, dann nickte Hinata und eilte davon. Aja, die sprechende, schwarze Katze, die im Moment auf Sakuras Schulter saß, blickte ihr nach. Es waren die Leute, die folgten, die Kiba so schockten, dass er den Stein, den er gerade auf die Seite schaffen wollte, beinahe auf seinen Fuß fallen ließ. Itachi war der erste, der auftauchte, sein Gesicht grimmig und verschlossen. Dann kam Kakuzu, der die beiden Speere trug, die er vorhin so eilig geholt hatte. Kisame machte den Abschluss und er trug Pein. Sie hatten ihn in einen Umhang gewickelt, doch auch ohne die Verletzungen zu sehen, wusste Kiba, dass sie schlimm sein mussten. Nicht nur durch die Blässe, die unnatürliche Stille, ja, schon Starre zu nennen, oder das verschmierte Blut in seinem Gesicht… Schon allein die Tatsache, dass Pein nicht von selbst ging und sei es gestützt auf jemand anderen, sagte alles. Schweigend verfolgten die Krieger, wie Kisame ihren Anführer an ihnen vorbeitrug. Es herrschte eine tödliche, angespannte Stille, die die Härchen in Kibas Nacken aufrichtete. Er tastete blind nach Akamarus Kopf, krallte seine Hände haltesuchend in das dichte Nackenfell des Hundes. Es war, als warteten sie nur alle darauf, dass jemand etwas sagte. Dass Pein das Kommando übernahm, das Schweigen mit kurzen Befehlen durchbrach und alles in hastige Bewegung schickte. Aber Pein … war nicht da, nicht wirklich zumindest. Und die bleierne Stille blieb, schwer und unbeweglich. Sakura war es, die diese schwere Aufgabe auf sich nahm und auch wenn nur die Hälfte der Worte bei Kiba ankamen, so war es doch genug, ihn zumindest aus dem Schock zu reißen. Die rosenhaarige Hexe schwor hoch und heilig, dass Pein noch lebte und dass seine beste Chance auf Heilung darin bestand, ihr zu vertrauen. Das war viel verlangt, denn immerhin ging es hier um das Leben ihres Anführers. Und ihr Anführer… Ihr Anführer war Akatsukis Herz und Akatsukis Hirn. Er war ihr bewunderter, geachteter Mittelpunkt, der Stern, um den sie sich drehten. Ohne ihn… Ohne ihn wäre alles vorbei. Ohne ihn würden sie auseinanderbrechen wie ein Boot, das mit voller Wucht auf einen Felsen aufgelaufen war. Ob es nun bereits dieser Auftrag war, der ihr Ende wäre oder der nächste, es würde vorbei sein. Itachi war ein guter Vize, aber er würde niemals Pein ersetzen können. Und Itachi wusste dies und wollte es auch gar nicht anders. Doch jetzt riss er rasch die Aufmerksamkeit wieder an sich, ehe die Gedanken der Söldner in allzu düstere Gefilde abdriften konnten. „Kotetsu, Izumo. Ihr begleitet sie.“, befahl er mit scharfer Stimme. „Wir anderen werden für eine Weile hier bleiben und uns um unsere Gefangenen … kümmern. Wenn Pein wieder auf den Beinen ist, wird er Ergebnisse hören wollen.“ Die beiden Angesprochenen nickten. In diesem Moment kam Hinata mit einem Pony sowie den Pferden von Kisame, Kotetsu und Izumo zurück. Anscheinend war bereits alles abgesprochen. Es war deutlich, dass Itachi bereits entschieden hatte, dass die einzige Chance bei den Hexen lag. Blieb nur zu hoffen, dass sie wirklich wussten, was sie taten… „Kiba, Ibiki, holt unsere restlichen Gefangenen und gebt dem Kazekage bescheid. Er will sicher mit ins Dorf zurück.“ Diesmal wartete Itachi gar nicht auf eine Antwort, sondern wandte sich an die nächsten: „Hana, Tsume, durchsucht ihr Lager, sammelt alles Brauchbare ein und reißt den Rest ab. Ihr anderen… Legt den Rest des Eingangs frei.“ „Was?“, entfuhr es Deidara. „Aber warum?!“ Kakuzu grunzte und stieß ihn am Arm. „Tu, was er sagte. Ihr werdet den Grund früh genug erfahren.“ Das erklärte nichts und das Murren unter den Söldnern sagte genug. Doch auch Itachi schien das Thema für erledigt zu halten, denn er nahm Minato am Arm und führte ihn ein paar Schritte beiseite. Aber es war deutlich, dass er nichts vor seinen eigenen Leuten verbergen wollte, denn Kiba und Hana standen nah genug, um seine Stimme deutlich zu verstehen. Es waren die anderen, denen diese Worte nicht galten. „Tut mir einen Gefallen und behaltet den Kazekage und seinen Anhang im Auge.“ Der Schwarzhaarige warf einen kurzen Blick hinüber zu Shikamaru, der noch immer nachdenklich in den Himmel starrte. Ein paar der dykaischen Soldaten standen herum, ohne zu wissen, was sie im Moment tun sollten und tuschelten miteinander. Auch sie respektierten Pein und konnten sich gut ausrechnen, dass sein Tod keine positiven Auswirkungen haben konnte. „Der Kazekage wird sicher nicht hierbleiben und sich an der Arbeit beteiligen, sondern ins Dorf zurückkehren und ich muss wissen, ob er uns irgendwelche Knüppel zwischen die Beine wirft oder was er sonst plant. Euch vertraue ich mehr als allen anderen, die Zugang zu ihm haben.“ Der blonde Mann nickte bestätigend. „In Ordnung.“ Er drehte sich um. „Komm, Naruto! Deine Mutter wartet sicher schon auf uns.“ „Was? Aber ich wollte…“ „Nein. Komm. Wir holen die anderen Pferde her und begleiten die Hexen zurück.“ Naruto zog einen Flunsch, aber seinen Protest bekam Kiba nicht mehr mit, denn eine andere Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. „Na komm.“ Ibiki, ein Hüne mit mehr Narben, als Kiba zählen konnte, legte dem Jüngeren die schwere Hand auf die Schulter. „Lass uns diese Sache hinter uns bringen.“ Kiba seufzte schwer. Dem Kazekage diese Nachricht zu überbringen, würde nicht angenehm werden. Und sie wussten noch nicht einmal, was wirklich passiert war! Wer versteckte sich in abgelegenen Höhlen und kämpfte gegen Hexer und Krieger und auch noch so erfolgreich? Itachi hatte sich mit Absicht über den Kampf ausgeschwiegen, bei dem ihr Anführer so schwere Verletzungen zugezogen hatte und auch Kakuzu schien nicht gewillt, irgendetwas darüber preiszugeben, was er in der Höhle gesehen hatte. Vermutlich auf Befehl, Kakuzu konnte ein richtiges Klatschmaul sein, wenn der Anreiz groß genug war. Jedenfalls, so beschloss Kiba, war es keiner der Schergen der Hexe oder gar die Hexe selbst gewesen, denn zumindest das hätte Itachi ihnen gesagt. „Zerbrich dir nicht den Kopf darüber.“, bemerkte Ibiki neben ihm. Kiba warf dem großen, kompakt gebauten Mann einen Blick zu. Doch der sah ihn nicht an, sondern blickte geradeaus sein scharfes Profil gegen die Sonne nur eine Silhouette. „Wir erfahren schon noch, was passiert ist.“ Kiba verzog missmutig das Gesicht und Akamaru, der seine Unruhe bemerkte, blickte zu ihm auf und winselte erneut. „Du hast gut reden, du hast viel mehr Geduld als ich.“ Aber das war nicht der Grund für seine gesunkene Laune. Natürlich nicht, was interessierte ihn ein vergangener, wenn auch nur knapp gewonnener Kampf, wenn ihr Anführer im Sterben lag?! Ibiki klopfte ihm noch einmal auf die Schulter, aber er sagte nichts mehr. Nur zwei Soldaten, Gaara und der Kazekage waren bei den beiden Gefangenen zurückgeblieben, die sie während des kurzen Kampfes gemacht hatten. Die Schergen der Hexe hatten keine Chance gehabt, nicht gegen diese Übermacht – vor allem diese sehr viel besser ausgebildete Übermacht. Als die beiden Söldner näher kamen, blickte der Kazekage von seinem Gespräch – oder vermutlich eher Monolog, denn Gaara sprach nie viel – mit seinem Sohn auf. „Na endlich!“, murrte er, als er sie erkannte. „Wo ist Pein? Ich muss mit ihm sprechen. Und warum dauert das hier so lange?“ Kiba schnaubte verächtlich, die einzige Reaktion, zu der er sich durchdringen konnte, während Ibiki es vorzog zu antworten: „Wir sind auf einige Probleme gestoßen, die jetzt behoben sind, und außerdem noch einen Gefangenen gemacht. Pein ist bereits wieder auf dem Weg zurück ins Dorf.“ Für einen Moment verschlug diese Aussage dem Kazekagen die Sprache. Gaara zog lediglich eine Augenbraue hoch, erkennend, dass das ein befremdendes Verhalten für den Anführer Akatsukis war. Doch er fragte nicht, denn der Kazekage übernahm das schon für ihn: „Warum hat er das getan?! Er wird hier benötigt und sollte gefälligst auf mich warten, bevor er solche Entscheidungen eigenmächtig trifft!“ Akamaru bellte laut, die Ohren eng am Kopf angelegt. Kiba dachte, dass solche Entscheidungen selbst zu fällen durchaus nicht Peins Fähigkeiten übertraf und war froh, dass er nicht antworten musste – das hätte den Kazekagen nur noch mehr aufgeregt. Ibiki dagegen schien das nichts auszumachen, denn er zuckte nur mit den Schultern. „Er hat einige Verletzungen davongetragen und die Heiler hielten es für das beste.“ Kiba fiel auf, dass er nichts über die Hexen sagte, was vermutlich auch besser war. Trotz der zuvorkommenden, freiwilligen Hilfe der beiden silvurranischen Frauen und ihrer Krieger waren sie noch immer ein rotes Tuch für den hochgestellten Adligen. „Kommt, wir bringen die Gefangenen hinüber. Itachi möchte sie hier verhören, bevor auch wir ins Dorf zurückkehren und denkt, dass sie etwas Ansporn brauchen, bevor sie uns behilflich sein werden.“, fuhr Ibiki ohne Umschweife fort, in einem Ton, der zeigte, dass er keinen Widerspruch erwartete. „Das müssen die Bauern nicht unbedingt sehen.“ Dass er selbst den größten Teil der ‚Überzeugungsarbeit‘ leisten würde – gemeinsam mit seinem Lehrling, Ino – sagte er nicht. Der Kazekage, nicht zimperlich wenn es um Folter ging, schnaubte nur abschätzig, ließ aber zu, dass seine Soldaten die Gefangenen hochzerrten. Als sie zurückkamen, war von Sakura, Kisame, Kotetsu und Izumo nichts mehr zu sehen. Anscheinend waren sie schon aufgebrochen. Die anderen drei Silvurraner waren allerdings noch da. Auf seinen erstaunten Blick erklärte Neji kurzangebunden: „Sie wollten keine Zeit verlieren. Konan kann sowieso nicht so schnell reiten wie sie, darum sind sie schon los.“ Besagte Hexe saß neben ihm auf einem Stein, den gebrochenen Arm inzwischen in einer behelfsmäßigen Schlinge. Hinata stand neben ihr, anscheinend als zweite Bewacherin abkommandiert. Sie begegnete kurz Kibas Blick, lächelte leicht und wandte sich errötend wieder ab. In einer anderen Situation wäre er sofort darauf angesprungen und hätte sie in ein Gespräch verwickelt. Aber nicht heute. Wie konnte er seinen Spaß haben nach solchen Ereignissen? Darum half er den Soldaten, die beiden Gefangenen zu dem dritten zu bringen und schloss sich dann Inoichi und Deidara an, die das Geschehen schweigend beobachteten. Der Kazekage hatte sich an Itachi gewandt, der das Kommando übernommen hatte, und schnauzte ihn an. Wie Itachi unter diesen Umständen so ruhig bleiben konnte, war bewundernswert. Hana und Tsume waren noch nicht da, aber jemand hatte all ihre Reittiere herbeigebracht, die in einiger Entfernung friedlich grasten. „Schluss jetzt.“, unterbrach Kakuzu den drohenden Streit zwischen Itachi und dem Kazekagen auf seine eigene, unnachahmliche Art. „Wir haben keine Zeit dafür. Wir haben hier noch einiges zu tun, Peins Beute zerlegen, Gewinn zu zählen, Gefangene zu foltern. Reitet unserem Anführer doch hinterher, wenn Ihr ihn so dringend sprechen wollt.“ Der letzte Satz war an den dykaischen Adligen gerichtet, der den großen Söldner pikiert anstarrte. Gaara hinter seinem Vater stieß ein lautes Schnauben aus, unterdrückte jedoch jedes weitere Geräusch. Auch der Kazekage beherrscht sich und erklärte hochmütig: „Ist auf jeden Fall besser als bei euch Gesindel zu bleiben. Außerdem wartet meine Tochter auf eine Antwort.“ Niemand klärte ihn darüber auf, dass Pein im Moment nicht in der Lage war irgendwelche Fragen zu beantworten. „Gut.“, bemerkte Itachi. „Wir kümmern uns um die Probleme hier. Ihr könnt die andere Hexe ins Dorf eskortieren – wie Ihr seht, hat auch sie etwas abbekommen.“ Der Blick des Dykae wanderte zu Konan hinüber, die ihn komplett ignorierte und leise mit Neji, der neben ihr hockte, Hinata, die dabei stand, und Wynn auf ihrer Schulter sprach. Etwas mehr Farbe war in ihr blasses Gesicht zurückgekehrt; was auch immer Sakura gemacht hatte, es schien zu wirken. Eine Tatsache, die Kiba hoffen ließ, dass sie auch Pein helfen konnte. Der Kazekage verzog verächtlich das Gesicht und spukte aus, sagte aber nichts. „Shikamaru wird hier bleiben und euch unterstützen.“, bestimmte er stattdessen. Für seinen Schwiegersohn kam diese Aussage sichtbar überraschend, aber anscheinend nicht ganz ungelegen, denn er protestierte nicht. Gaara war es, der missmutig das Gesicht verzog, anscheinend hatte er auf diese Rolle gehofft. Doch er protestierte nicht, als der Kazekage ein paar Soldaten losschickte, damit sie die Pferde fertig machen sollten. Itachi nickte, sein Gesichtsausdruck befriedigt, auch wenn das nur Leute erkennen konnten, die ihn schon lange kannten. Anscheinend lief alles so, wie er es gehofft hatte. Kiba konnte die Vorteile darin sehen, den Kazekage für die bevorstehende Aufgabe aus dem Weg zu haben. Und was hatte Kakuzu eigentlich mit gemeint, als er von Peins Beute gesprochen hatte? „Ich will jede Neuigkeit sofort wissen.“ Der Kazekage wandte sich ab. „Du solltest dich beeilen, Hexe, wenn du mit uns kommen willst.“ Seine Stimme troff vor Abscheu. Konan blickte zu ihm auf und ihr gelang es, trotz ihrer Position auf dem Boden und ihren Verletzungen noch immer überlegen und stark auszusehen. Sie erwiderte den Blick des Adligen für einen Moment unter zusammengezogenen Augenbrauen, dann wandte sie sich ruhig ab und nickte Hinata zu. Diese ging sofort zu den Ponys hinüber um noch einmal Sättel und Zaum zu überprüfen. Neji half seiner Hexe währenddessen hoch und führte sie ebenfalls zu den Reittieren. Konan schien seine Hilfe nicht zu brauchen, ließ aber zu, dass er an ihrer Seite blieb. Nach einigen Schritten blieb sie noch einmal stehen, als wäre ihr etwas eingefallen. Sie drehte sich um und fixierte ihren neuesten Gefangenen, der noch immer in der Nähe mit gebeugtem Kopf und resigniert auf dem Boden kauerte. Ihr Mund verzog sich verächtlich und sie deutete auf ihn. „Es war seine Schuld. Er hat den schlafenden Drachen geweckt.“ Damit wandte sie sich um und ließ sich von Neji auf ihr Pony helfen. Kiba konnte spüren, wie die Aufmerksamkeit der Söldner von ihr zu dem jungen Mann wandte, der nahezu in sich zusammenschrumpfte, als konnte er schon spüren, was ihn erwartete. Irgendwer ließ die Knöchel knacken und auf Ibikis Gesicht zeichnete sich ein leichtes, bitteres Lächeln ab, aber in seinen Augen glomm ein finsterer Funke. Seine Kampfgefährten wussten, was dies zu bedeuten hatte. Ibiki war Akatsukis Foltermeister und einige seiner Methoden hatte er unfreiwillig aus erster Hand erlernt. Nicht als der Schüler eines Foltermeisters, sondern als sein Opfer. Auch Ino, die seit einiger Zeit bei ihm lernte, hatte ihre Erfahrungen auf der falschen Seite des Messers gemacht – der Grund, warum Ibiki sie unter seine Fittiche genommen hatte. Für Kiba war sie schon immer eine schreckliche Furie gewesen, niemand, mit dem er engeren Kontakt pflegte als nötig. Sie war seine Kampfgefährtin, ja, aber darüber hinaus verband sie nichts. Im Gegenteil, er hatte sie immer ein wenig furchterregend gefunden. Er selbst hielt nicht viel von Folter, damit mochte es zusammenhängen. Er wusste, dass es manchmal notwendig war, doch er selbst war ein Jäger. Er bevorzugte den schnellen Tod, einen Zweikampf oder einen Schuss oder Falle aus dem Hinterhalt. Aber er sorgte dafür, dass es schnell ging und schmerzlos war. Darum verabschiedete er sich meist und verschwand aus dem Umkreis der Befragung, wenn es dazu kam. Aber jetzt würde er am liebsten selbst ein paar Schläge anbringen und alle seine Gefährten trugen einen ähnlich blutrünstigen Ausdruck im Gesicht. Ihnen allen war klar, dass Itachi das nicht zulassen würde, aus mehr als einem Grund. Doch schon allein der Gedanke daran beruhigte manch aufgewühltes Gemüt. Die Tatsache, dass im Moment alle Gefangenen aussahen, als würden sie sich einmachen, war nur noch der Honig auf ihrem Brot. Aber im Moment rührte niemand einen Finger, während der andere Part ihrer Gruppe sich bereit machte, in das Dorf zurückzukehren. Erst, als die Reiter schon den Hang erklommen, den sie vor all diesen Ereignissen heruntergelaufen waren, wandte Itachi sich um. Er ließ seinen Blick über die Söldner schweifen, über die paar wenigen dykaischen Soldaten, die bei Shikamaru zurückgeblieben waren, und den jungen Adligen selbst. „Nun gut, worauf warten wir noch?“, unterbrach er schließlich die angespannte, erwartungsvolle Stille. „Ibiki, Ino, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Kakuzu, unterstütze sie. Shikamaru, Ihr solltet sie auch begleiten. Ich werde euch gleich folgen.“ Die Angesprochenen machten sich ohne ein weiteres Wort an die Arbeit. Ino ging und holte zwei Bündel, die sie und Ibiki in ihren Satteltaschen getragen hatten. Ibiki, Kakuzu und Shikamaru ‚halfen‘ den Gefangenen auf die Beine und steuerten sie Richtung Gebüsch, gegen die Windrichtung weg von den Pferden. Itachi wandte sich an die zurückgebliebenen Soldaten. „Stellt ein paar Wachen auf. Ich will nicht, dass uns ein paar ungebetene Gäste überraschen. Und kümmert euch um die Pferde.“ Die Männer nickten. Auch sie folgten den Befehlen ohne Widerspruch, vermutlich froh, dass überhaupt jemand das Kommando übernommen hatte. Dann drehte sich ihr zeitweiliger Anführer zu den drei verbliebenen Kriegern um, Inoichi, Deidara und Kiba selbst. „Ihr kümmert euch um Peins … Gegner. Sakura hat mich um ein paar Dinge gebeten und darum, alle Chancen auszuschlachten, die uns diese Möglichkeit gibt, wäre … vorteilhaft. Kommt.“ Damit marschierte er auf die inzwischen beinahe freigelegte Öffnung der Höhle zu. Kiba wechselte einen wachsamen Blick mit den beiden anderen. Auch wenn er sicher nicht der Klügste war, Itachis seltsame Wortwahl war ihm durchaus aufgefallen. Sobald sie den Kadaver erblickten, wurde ihm auch klar, wieso: als Konan von einem schlafenden Drachen gesprochen hatte, hatte sie das nicht bildlich gemeint. Nein, vor ihnen lag ein echter, wortwörtlicher Drache. Und er war tot, wie Peins Schwert in seinem Hals deutlich zeigte. In diesem Licht der Dinge, fuhr es Kiba durch den Kopf, war es kein Wunder, dass selbst jemand wie ihr Anführer derartig geschlagen aus dem Kampf herauskam. Geschlagen, ja – aber nicht besiegt. Die Hexen mochten ihre Magie einsetzen und alles in ihrer Macht stehende tun die Wunden zu heilen, die dieses gigantische, sagenhafte Monster geschlagen hatte. Aber es würde Pein sein, der den Kampf gegen einen Drachen überlebte und am Ende davon erzählen konnte. Kapitel 5: In patience we wait for the light -------------------------------------------- Der Ritt zurück ins Dorf tat Konan nicht gut. Die Geschwindigkeit, die der Kazekage vorgab, war nur ein kleines bisschen zu schnell, um höflich zu sein. Schon nach kurzer Zeit war sie wieder totenblass im Gesicht, Schweißperlen auf der Stirn, den gebrochenen Arm an den Körper gepresst. Sakura hatte ihn nur behelfsmäßig geschient und der Heilzauber, den sie darüber gelegt hatte, war nur minimal gewesen. Erstens war dies weit schneller und zweitens wollte sie ihre magischen Reserven für Pein aufsparen, der sie dringender benötigte. Doch es war Konan, die dafür den Preis zahlen musste, auch wenn sie ihn alle akzeptiert hatten. Sie brauchten Pein für ihre Aufgabe und selbst wenn nicht, hatte Neji den starken Verdacht, dass seine Hexe nichts anderes akzeptiert hatte. Nicht aus Freundlichkeit oder ähnlich sentimentalen Gefühlen, sondern wegen dem Krieger selbst. Er fragte sich, ob sie bereits gemerkt hatte, was sich zwischen ihr und dem Anführer von Akatsuki entwickelte. Sie hatte es Neji überlassen, ihr Pony zu führen und hin ihren eigenen Gedanken nach oder vielleicht versuchte sie auch nur, nicht vor Schmerzen zu schreien. Aber natürlich war sie zu stolz darum zu bitten, eine Pause einzulegen oder das Tempo zu drosseln. Dem Kazekagen, der sie noch immer behandelte wie das Ungeziefer unter seinen Stiefeln, wollte sie diesen Triumph nicht gönnen. Also biss sie die Zähne zusammen und hielt durch. Wenigstens einen positiven Effekt hatte dies: den Soldaten, die inzwischen langsam die Scheu vor den dämonisierten Hexen und ihren gefürchteten Kriegern verloren, verlangte ihr Verhalten Respekt ab. Als sie im Dorf ankamen, herrschte eine spürbare Unruhe. Die Bewohner standen in kleinen Grüppchen zusammen und tuschelten, wenn sie keiner Arbeit nachgingen. Sie warfen der Reitergruppe Blicke zu, aber keiner wagte es, in der Anwesenheit der Dykae näherzukommen und nachzufragen. Neji würde nachher selbst im Gasthaus Frage und Antwort stehen, auch wenn es noch nichts zu berichten gab. Doch für die Dorfbewohner stand ebenfalls viel auf dem Spiel, nicht nur für den Kazekagen, obwohl dieser sich so aufführte. Sie fanden Temari vor dem Gasthaus, wo sie unruhig hin und her ging. Als sie die Gruppe näher kommen sah, hellte sich ihr Gesicht auf. Aber ihr Blick verdüsterte sich wieder, als der Kazekage nur den Kopf schüttelte, statt etwas zu sagen. Noch hatten sie nichts Neues zu berichten, geschweige denn Harusame und die anderen entführten Opfer gefunden. Neji lenkte sein und Konans Pony wortlos an der Herberge vorbei. Hinata folgte ihm, während die Dykae am Gasthaus abstiegen. Minato und Naruto, bemerkte der Hagawar, blieben ebenfalls zurück, doch erst nachdem Minato ihm diskret zugenickt hatte. Was Neji jedoch mehr erstaunte, war das Gefühl, dass er die Sache in den Händen des blonden Dykae lassen konnte – der Mann würde ein Auge auf den Kazekagen haben, so viel jedenfalls war sicher. Denn Neji selbst konnte diese Aufgabe nicht übernehmen, nicht einmal, wenn der Adlige dies erlaubt hätte. Konan musste zur Heilerin, außerdem wollten sie alle wissen, wie es um Pein stand. Sie fanden die drei bereits vorausgerittenen Akatsuki vor dem Haus der Dorfhexe, Tsunami, einer erstaunlich mächtigen Hundehexe mit einem langbeinigen Pinscherfamiliar. Auch sie war Heilerin, darum war es logisch, dass sie den Verwundeten in ihr dafür ausgestattetes Haus gebracht hatten. Die Söldner wirkten unruhig und nervös, Kisame ging in großen Schritten vor dem Haus auf und ab, Izumo saß auf der Treppe, stand aber immer wieder auf, nur um sich nach einigen Schritten wieder niederzulassen. Einzig Kotetsu wirkte einigermaßen gefasst, doch seine Hände schienen nicht still halten zu können. Als Silvurraner setzte er anscheinend weit mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Hexen als seine Freunde. Er lehnte an der Wand neben dem Fenster, unter dem ein Kräuterkasten hing, und unterhielt sich mit Genma, der wie immer auf einem Senbon herumkaute. Neji konnte fühlen, wie ein Teil der Anspannung von ihm, Hinata und Konan wich, als sie ihn ansichtig wurden. Seine Anwesenheit bedeutete, dass auch Shizune da war – und sie war eine mächtigere, erfahrenere Heilerin als Sakura. Mit ihr standen Peins Chancen weitaus höher. „Dem Gehörnten sei Dank.“, hörte er seine Cousine neben sich flüstern und fühlte dieselbe Erleichterung. Genma blickte auf und warf ihnen ein kurzes Lächeln zu. „Bei euch ist ja ganz schön was los.“, bemerkte er. „Schwarze Hexen mit Untergebenen, Söldner aus fernen Ländern und jetzt auch noch ein Drache?“ Neji schnaubte. „Darauf hätten wir gerne verzichten können.“ Er schwang sich aus dem Sattel um Konan zu helfen, die die Geste dankbar annahm. Jetzt, wo der Kazekage nicht mehr zusah, konnte sie ein wenig Schwäche zulassen, auch wenn sie darauf bestand, selbst zum Haus zu gehen. „Wie geht es ihm?“, wollte sie wissen. Für einen Moment herrschte Schweigen, dann zuckte Genma die Schultern. „Wir haben noch nichts gehört, was zu diesem Zeitpunkt nur als gutes Zeichen zu werden ist. Sie sind noch dabei.“ „Wann seid ihr angekommen?“ „Kurz nachdem ihr los seid. Der Wirt hat uns von den Ereignissen hier erzählt und wir haben beschlossen, hier auf euch zu warten.“ „Habt ihr etwas herausgefunden?“ „Einiges. Zu viel, wenn du es genau wissen willst. Wir werden Probleme haben, das Ganze auseinander zu klamüsern.“ „Also hat es nichts gebracht?“ „Das würde ich jetzt nicht sagen. Es zeichnet sich hier zumindest ein bestimmtes Muster ab.“ „Gebracht?“, mischte sich Kotetsu ein. Sein Blick wanderte von Konan zu Genma und zurück. „Was?“ „Shizune und ich waren oben beim Einsiedler.“ Genma machte eine Handbewegung in die generelle Richtung, in die der eigenbrötlerische Mann lebte. „Um einen Sichtritual durchzuführen. Wir haben gehofft, so von Anfang an einen Überblick zu bekommen und vielleicht ein paar Informationen. Ich glaube, über die Ergebnisse sollten wir ein andermal reden, wenn wir alle in besserer Verfassung und versammelt sind.“ Sie bekamen sowieso keine Gelegenheit mehr, tiefer darauf einzugehen, denn just in diesem Moment kamen ein kleiner Junge und ein schlanker, schwarzer Hund mit kurzem Fell und langen Beinen um die Ecke geschossen. Der Junge trug einen Korb und der Hund die Macht eines Familiars. „Ah, Tekal.“, sagte Wynn und plusterte sich auf Nejis Schulter auf. Der Hund blieb hechelnd stehen. „Da seid ihr ja.“, bemerkte er. „Die Hexen warten schon auf euch. Konan, du sollst gleich hereinkommen, auch wenn du vielleicht etwas warten musst. Jemand anderes muss mit den Dorfleuten sprechen. Außerdem schafft uns diese Söldner von der Türschwelle.“ Er trabte die paar Schritte zur Tür, den Jungen auf den Fersen. „Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir irgendetwas sagen können. Nutzt sie für etwas Sinnvolles!“ Besagte Söldner verzogen missmutig das Gesicht, aber Konan ließ ihnen keine Zeit zum Protestieren. „Worauf wartet ihr? Diese guten Leute hier haben ein Recht zu erfahren, was wir herausgefunden haben.“ Sie machte eine scheuchende Geste mit der unverletzten Hand und öffnete die Tür, um Hund und Kind hineinzulassen. Nach einem kurzen Blickwechsel mit Neji folgte sie ihnen und schloss die Tür wieder fest hinter sich. Der Hagawar seufzte. Er war sich bewusst, dass es unfair war, aber er war nur froh, dass es nicht seine Hexe war, die diese schweren Verletzungen davon getragen hatte, sondern sie verhältnismäßig ungeschoren davongekommen war. Natürlich war es auch nicht vorteilhaft, dass es gerade Pein getroffen hatte… Nicht nur für die bevorstehende Aufgabe – Konan schien auch noch etwas in ihm zu sehen, das sie noch nirgendwo anders angetroffen hatte. Sie schien tatsächlich Herz an ihn gehängt zu haben – und das nach so kurzer Zeit. Wohin würde sich das nur entwickeln? Neji seufzte wieder und riss sich von diesen fruchtlosen Gedanken los. Jetzt hieß es erst einmal, hier etwas Ordnung zu schaffen und Tekals Wünschen nachzukommen. „Kommt. Im Gasthaus warten sie sicher schon auf uns.“, wandte er sich an die drei Söldner. Kotetsu löste sich bereitwillig genug von seinem Platz an der Wand, doch die anderen beiden zögerten. „I…Ihr könnt hier nichts tun.“, bemerkte Hinata leise, während sie selbst sich auf den beiden Stufen niederließ, die zu Tsunamis Tür hinaufführten. Sie würde wie Genma zurückbleiben, falls sie gebraucht wurde. Dann musste Sakura nicht erst Inuki, Tsunamis Sohn, der vorher mit Tekal angekommen war, losschicken. „Hexen brauchen ihre Hagawar manchmal.“, erklärte Neji auf einen Blick von Kisame kurzangebunden. „Apropos, wo ist Raidou?“ Die letzte Frage, die auf Tsunamis Krieger hinwies, hatte er an Genma gerichtet, der eine vage Handbewegung machte. „Tsunami hat ihn vorher losgeschickt, ein paar Zutaten zu holen. Er wird wohl bald zurückkommen.“ Neji nickte. „Falls ihr Hilfe braucht…“ „…wissen wir, wo ihr seid.“, vollendete Hinata den Satz. Damit wandte ihr Cousin sich ab und führte die Söldner durch zwei Gassen zum Hintereingang des Gasthofes. Die drei sahen noch immer nicht glücklich aus, doch wussten sie so gut wie alle anderen, dass sie nichts tun konnten und zur Not doch ganz in der Nähe waren. Das einzige, was ihnen im Moment übrig blieb, war abzuwarten. In der Herberge herrschte eine angespannte Unruhe, die sich einerseits durch Stille und andererseits durch Lärm bemerkbar machte. Es waren keine Leute da, die Gespräche miteinander führten, lachten oder spielten, keine Kinder, die allen im Weg herumgingen und selbst die Tiere wirkten geknickt. Auf der anderen Seite gab es Themen, über die zu sprechen man nicht vermeiden konnte, und diese Gespräche wurden zu laut geführt, zu fahrig, wie um die lähmende Stille zu kompensieren. Die Köchin scheuchte dauernd ihre Helfer von einem Ort zum anderen, ohne das wirklich etwas bewegt wurde. Der Wirt ließ die Schankmädchen ihre Aufgaben doppelt und dreifach verrichten. Der Kazekage hatte sich anscheinend nicht dazu herabgelassen, den Bewohnern von Birkenhain von ihrem Ausflug zu erzählen – von ihm und seiner Familie war nichts zu sehen. Die Soldaten hatte er ins Lager vor der Stadt geschickt, dass sie und die Söldner noch immer bewohnten, obwohl inzwischen mehr Platz im Gasthof war. Außerdem war es außergewöhnlich voll für diese Tageszeit – später Nachmittag, doch noch lange nicht Abend. Aber das wunderte Neji nicht. Neuigkeiten reisten rasch in kleinen Dörfern wie diesen. Darum war er auch nicht überrascht, als alle Gespräche verstummten und alle Aufgaben stehen und liegen gelassen wurden, als er mit den Söldnern eintrat. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf sie, doch anscheinend konnte sich niemand dazu überwinden, den Anfang zu machen. „Geht es Konan gut?“, wollte eines der Schankmädchen schließlich wissen, als die Anspannung unerträglich wurde, und Neji nickte. „Sie hat nur ein paar Kratzer und einen gebrochenen Arm.“ Ein hörbares Aufatmen ging durch den Raum. Alle waren froh, dass es der Hexe gut ging. Allerdings war damit war auch der Damm gebrochen und die Fragen schlugen wie eine Sturmflut über dem Hagawar zusammen. „Was ist geschehen?“, fragte jemand und ein anderer warf ein: „Habt ihr Hinweise auf die Hexe gefunden? Auf unsere Frauen und Mädchen?“ „Was ist mit dem Söldner? Ist er noch am Leben?“ „Was wird jetzt geschehen?“ „Dieser verdammte Dykae-Adlige hat kein Wort gesagt, er ist einfach an uns vorbeigestürmt…“ „Was hast du von denen erwartet?!“ „Wo sind die anderen?“ Die Fragen schwirrten nur so durcheinander, so dass es schlichtweg unmöglich war, auf sie zu antworten. Also schwieg Neji und machte sich gar nicht erst die Mühe. Mit überkreuzten Armen wartete er darauf, bis die Fragenden von selbst verstummten, so dass er oder einer der Söldner antworten konnte. Er würde ganz sicher nicht gegen dieses Stimmengewirr anbrüllen. Doch Kisame war es, der schließlich alle zum Schweigen brachte, als viele Fragen schon das vierte oder fünfte Mal gestellt wurden. Er schuf sich einen Weg zum Tresen hinüber, lehnte seine Streitaxt daran und schlug mit der flachen Hand auf das polierte Holz. „Wirt!“ Mit seinem lauten Organ übertönte er mühelos das Stimmgewirr im Raum. „Einen Whisky für mich – und alle anderen hier, die einen haben wollen. Und beeilt Euch!“ Der Wirt starrte ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. „Was von dem guten Zeug, von dem ich weiß, dass Ihr es irgendwo versteckt habt!“, dröhnte Kisame und das scheuchte den anderen Mann in hastige Bewegungen. Die meisten Anwesenden lehnten ab, doch weder Kotetsu und Izumo noch Neji sagten Nein zu dem Angebot. Nach einem solchen Tag hatten sie sich das verdient. Schweigend nahm Neji das kleine, breite Glas mit der goldenen Flüssigkeit entgegen Es dauerte eine Weile, bis alle, die sich ihnen anschlossen, bedient waren, und dann richteten sich alle Blicke auf Kisame, der aufmerksam in die Runde sah. Izumo hatte sich auf einem der hohen Stühle bequem gemacht und Kotetsu stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tresen ab. Beide schienen sie zu ahnen, was folgen würde, kannten sie ihren Kampfgefährten doch gut genug. Dieser nickte befriedigt, als sich die Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. „Ein Hoch auf Pein“, begann er und hob seinen Whisky um in die Runde zu prosten. Kotetsu, Izumo und Neji taten es ihm nach und zögernd folgten die Leute im Raum, so dass der riesenhafte Söldner endlich fortfuhr: „Ein Hoch auf Pein, der heute einen Drachen erschlagen hat. Möge er uns morgen davon erzählen.“ Damit kippte er den Inhalt seines Glases mit einem Zug herunter. Der hochprozentige Alkohol schien ihn kaum zu beeindrucken; er knallte das Gefäß auf den Tresen und verlangte nach mehr. Neji nippte nur an seinem Glas – er wollte einen kühlen Kopf behalten. Auch Izumo und Kotetsu sprachen dem Alkohol nicht ganz so enthusiastisch zu. Nachdem Kisame das zweite Glas geleert hatte, stellte er es wieder dem Wirt hin, der erneut einschenkte. Diesmal leerte der riesenhafte Fischmensch es jedoch nicht sofort, sondern nahm es in die Hand und drehte sich um zum Raum um. „Wenn sich alle jetzt beruhigt haben, können wir ja anfangen, die Fragen zu beantworten.“, bemerkte er. „Wir haben übrigens keine schwarzen Hexen gesehen. Auch keine Opfer.“ Damit war das Wichtigste gesagt und die Stimmung im Raum kippte wieder ins gedrückte, niedergeschlagene. „Wir haben aber ein paar Gefangene gemacht.“, fügte Kotetsu hinzu. „Sie werden gerade … ähm … befragt. Um wirklich etwas sagen zu können, müssen wir also auf die anderen warten.“ Der Tag war also kein kompletter Reinfall, schoss es Neji durch den Kopf, aber im Anbetracht der Tatsache, dass sie noch immer ihren wichtigsten Verbündeten verlieren konnten, war das kein großer Trost. „Wartet.“, warf dann ein junger Mann in Jägerskluft ein. „Da war tatsächlich … ein Drache … im Drachental?“ Neji nickte. „Konan hat noch nichts über den Kampf gesagt, also weiß ich nicht, was wirklich abgelaufen ist.“ „Er war ziemlich schwer.“, murmelte Kisame in sein Glas, doch niemand beachtete ihn. „Aber … ein Drache. Im Drachental.“ Allein diese Tatsache schien den Jäger zu überfordern. Vermutlich, weil er unzählige Male dort auf der Jagd gewesen war und nie etwas gesehen hatte. Neji hob die Schultern. „Er hat vermutlich in einer anderen Richtung gejagt und viel geschlafen. Sie machen das manchmal.“ „Geschlafen?“, fragte Izumo verwirrt. „Wie eine Art Winterschlaf.“, erklärte Neji. „Nur dauert es länger – Jahre. Einige der Alten schlafen sogar über Jahrzehnte.“ „Es gibt ziemlich viele Geschichten darüber.“, bemerkte eines der Schankmädchen und balancierte einen Stapel inzwischen geleerter Whiskygläser zum Tresen zurück. „Manche sollen so alt sein, dass sie inzwischen sprechen und…“ „Mir ist der Drache ziemlich egal.“, unterbrach ein bejahrter, knorriger Mann. Tiefe Furchen, eingegraben von Wind, Kälte und Alter, zierten sein Gesicht. Neji erkannte ihn als den Vater eines der Opfer, einen alten Hirten. „Was wird aus unseren Mädchen? Aus den Frauen?“ „Wir haben noch Zeit.“, bemerkte der Hagawar mit fester Stimme. „Zeit? Ihr Hexen und Krieger… Ihr kommt weit her und wenn es vorbei ist, ganz gleich das Ergebnis, werdet ihr wieder dorthin zurückkehren. Aber wir… wir müssen damit leben, dass diese Hexe die wichtigste Person in unserem Leben genommen haben. Dass da ein Loch ist, das einmal ausgefüllt gewesen ist.“ In seiner Stimme schwang unterdrückte Wut mit und Hass – der Hagawar ignorierte beide Emotionen. Sie waren nicht gegen ihn gerichtet, er war nur das einzige Ziel, das zur Verfügung stand. „Es ist Samhain.“, erklärte er in unverändertem Tonfall. „Wenn diese Nacht vorüber ist, darfst du trauern. Aber bis dahin, Hirte, solltest du daran glauben, dass dein Kind noch lebt.“ Er sah scharf in die Runde. „Ihr solltet alle daran glauben.“ Die düstere Stimmung, die so unvermittelt zurückgekommen und sich wie ein Tuch über die jetzt schweigende Gesellschaft gelegt hatte, war beinahe sichtbar. „Und bedankt euch bei den Söldnern. Ohne sie würde diese Aufgabe schwerer werden, als wir alle dachten. Der Zirkel würde auf die Schnelle nicht einmal genug Ressourcen aufbringen können. Diese Hexe… Wer auch immer sie ist, sie ist mächtig und hat etwas zu bieten, was Gesindel anlockt. Sie arbeitet nicht allein, hat es nie getan.“ „Diese Söldner.“, knurrte der Hirte höhnisch. Würde er den Wirt nicht so respektieren, er hätte voller Verachtung auf den Boden gespuckt. „Die helfen euch nur, weil die Dykae sie dafür bezahlen, weil diese Hexe das kleine Mädchen entführt hat. Wegen dem Kazekagen.“ Der Abscheu, der in dem Titel lag, war nicht in Worte zu fassen, nur zu spüren. Neji hätte sich am liebsten die Hand vor die Stirn geschlagen. Er konnte die Frustration der Dorfbewohner verstehen – einige der Opfer waren immerhin schon seit Monaten verschwunden. Wäre er nicht überzeugt, dass das geplante Ritual der schwarzen Hexe tatsächlich mit dem Samhainfest zu tun hatte, würde auch er sie für tot halten. Wie viel schwerer musste es ihren Verwandten und Freunden fallen, daran zu glauben, die nur das Schlimmste befürchten konnten? Aber Schläge, seien sie nun wortwörtlich oder im übertragenen Sinne, wahllos nach allen Seiten hin zu verteilen, war der falsche Weg. Sie würden nur die Verbündeten treffen; die, die helfen wollten und konnten. Sie vor den Kopf zu stoßen würde ihrer Sache nicht von Nutzen sein. Kisame beugte sich vor, sein Gesicht ausdruckslos. Seine riesige, drohende Gestalt wirkte nicht gerade beruhigend und die Tatsache, dass er noch immer dem Whisky zusprach, war ebenfalls nicht vertrauenerweckend. „Der Kazekage“, erklärte er mit gefährlich leiser Stimme. „ist mir egal. Selbst seine Enkelin ist mir egal. Mir ist meine Aufgabe wichtig, meine Kampfgefährten und unser Anführer. Ihm folge ich.“ Er richtete sich wieder auf und prostete den ihn feindselig anstarrenden Leuten zu. „Ihr habt Glück, dass Pein das anders sieht.“ „Hört nicht auf ihn.“, erklärte Izumo. In seiner Stimme schwang ein schwer zu definierender Tonfall mit. „Er ist ein grober Klotz und die meisten von uns denken eher wie Pein.“ „Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um die Hexe zu finden.“, schob Kotetsu hinterher. Da es sich inzwischen herumgesprochen hatte, dass auch er ein Silvurraner war, neigten die Leute dazu, ihm zu glauben und als einen der ihren zu sehen. Trotzdem würde die Situation wieder sehr schnell kippen können, wenn jemand nicht die letzten Wogen glättete. Und Neji wusste, an wem diese Aufgabe hing. Er blickte den alten Hirten fest an. „Wir sind uns wirklich sicher, dass sie bis Samhain noch alle am Leben bleiben werden. Die Hexe braucht ihre Opfer. Lebend. Es sind eure Leute. Glaubt.“ Der Mann erwiderte seinen Blick für einen Moment, dann wandte er ihn ab, Wut, Scham und Hoffnung ins Gesicht geschrieben. Für eine Weile sagte niemand etwas, dann fragte ein Junge, der kaum älter als vierzehn sein konnte: „Was, glaubt ihr, hat die schwarze Hexe vor?“ Neji zuckte mit den Schultern. „Etwas Großes. Aber mehr wissen wir auch nicht.“ Das stimmte nicht ganz, aber er war sich ziemlich sicher, dass alles, was so offen gesagt wurde, auf die eine oder andere Weise seinen Weg zu ihren noch unbekannten Gegnern fand. Vielleicht war hier im Dorf jemand, der auf die Einflüsterungen und Versprechungen der schwarzen Hexe hereingefallen war. Vielleicht würden ihre Schergen nur lauschen, wenn die Leute untereinander redeten. Aber geheim war nichts mehr, was so öffentlich besprochen wurde, und es gab noch einige Dinge, die wollte er lieber für sich behalten. Zumindest so lange, bis Konan entscheiden konnte, was sie mit den Informationen tun würden. Jetzt, da Shizune und Genma ebenfalls angekommen waren, würden sie richtig planen können. Und sie brachten noch weitere Informationen mit, ansonsten hätte Genma ihn bereits vor Tsunamis Haus darüber aufgeklärt. Gedankenverloren nahm er noch einen Schluck von seinem Whisky, ein wahrlich hochwertiger Tropfen, während um ihn herum wieder Fragen gestellt wurden, diesmal direkt den Tag betreffend. Ob die Hexe wohl viele Untergebene hatte? Wie viele waren gestorben, wie viele gefangen? Konnten die denn etwas wissen und wenn ja, würde man diese Informationen auch bekommen? Wie waren die Kämpfe gelaufen? War da wirklich ein richtiger, echter Drache gewesen und hatten sie ihn fliegen sehen? Neji überließ es größtenteils den Söldnern zu antworten. Das hatte einen ganz praktischen Grund: er war selbst nicht dabei gewesen, wusste nur, was man ihm zwischen Tür und Angel erzählt hatte, direkt nachdem Kisame mit seinen Begleitern Pein weggebracht hatten. Während es draußen langsam dunkel wurde und die Gaststube sich mit immer mehr mit Dorfbewohnern füllte, ließen die brennenden Fragen nach der schwarzen Hexe und ihren Opfern nach. Es gab einfach noch keine Antworten und erst recht keine Ergebnisse. Also schwieg man lieber über dieses Thema. Die Söldner waren irgendwann während des Abends dazu übergegangen, Geschichten von vergangenen Abenteuern zu erzählen, eine Entwicklung, die seltsam, aber nicht unwillkommen war. So hatte Neji Zeit, sich zurückzuziehen und seine Gedanken zu ordnen, ohne unhöflich zu sein und den Raum zu verlassen. Als einziger, momentan ansprechbarer Vertreter des Hexenzirkels hatte er hier zu bleiben. Also saß er mit dem Rücken gegen die Wand, einem Platz, von wo aus er den ganzen Raum überblicken konnte, und löffelte langsam den Eintopf, den der Wirt vorsetzte. Die Zutaten waren von den anderen Dorfleuten gespendet worden, so dass sich heute niemand um Bezahlung und Geld Sorgen machen musste. Der Kazekage und seine Familie aßen in einem privaten Hinterzimmer, eine Mahlzeit, die die Köchin extra für sie hatte anfertigen müssen. Doch Minato und seine Familie hatten sich zu den Dorfbewohnern gesellt und waren erstaunlich freundlich aufgenommen worden, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie – im Gegensatz zu den meisten der Söldner – tatsächlich Dykae waren. Das konnte nicht an den umgänglichen, offenen Wesen der Familie liegen, zumindest nicht nur. Neji hatte die Theorie, dass die Leute diese Tatsache einfach vergessen hatten: die drei waren einfache Leute, selbst Minato mit seinem militärischen Hintergrund. Da waren keine Uniformen, auf die Hass projiziert wurde, kein Reichtum, kein affektiertes Gehabe, keine Titel. Sie waren auch nicht anders als die Dorfbewohner selbst. Neji würde sicher nicht hingehen und die Leute nach seiner Theorie hinterfragen, das würde nur böses Blut geben und Realisationen, für die die meisten Beteiligten noch nicht bereit waren. Darum ließ er die Sache einfach auf sich beruhen und konzentrierte sich lieber auf das, was wirklich wichtig war. Als Kotetsu sich in den Stuhl neben ihn sinken ließ, blickte er überrascht auf. Er hatte bemerkt, wie der silvurranische Söldner sich aus der allgemeinen Unterhaltung herausgezogen hatte, aber nicht gedacht, dass er der Grund gewesen war. „Wo hat Konan dich hingeschickt?“, wollte Kotetsu ohne Umschweife wissen und drehte langsam den Bierkrug, den er sich mitgebracht hatte, in den Händen. Dabei hielt er seine Stimme gesenkt, so dass nur Neji ihn verstehen konnte. Für einen Moment antwortete der Hagawar nicht, überlegend, wie viel er dem anderen Mann erzählen konnte. Dann zuckte er die Schultern. Die Hexen und ihre Krieger hatten beschlossen, den Söldnern zu vertrauen. Sie wussten, was auf dem Spiel stand, und sie wussten, wie weit sie gehen durften. Früher oder später würden sie es also sowieso erfahren, weil sie sie brauchen würden. Und Kotetsu würde, wie sonst kein anderer von Akatsuki, wiederum ihnen vertrauen und das war ebenso wichtig. „Hier in der Nähe gibt es einen Steinkreis.“, erklärte er darum. „Wir waren bereits an dem Tag dort, an dem ihr hier angekommen seid, aber wir hatten nicht die Zeit, ihn uns genauer anzusehen. Ein sehr starker Nexus liegt unter ihm und er war mit Symbolen geziert, die wir nicht kennen.“ Kotetsu rieb sich nachdenklich das Kinn. Nach einigen Augenblicken blickte er auf. „Hat er etwas mit der Hexe zu tun?“ „Das wissen wir nicht. Wir haben keine Spuren von gerichteter Magie gefunden, weder schwarzer noch weißer. Aber als ich heute dort war, fand ich die Überreste eines frisch aufgegebenen Lagers.“ „Klingt …“ Kotetsu verstummte, als würde ihm kein passendes Wort einfallen und Neji nickte bestätigend. Das Lager konnte alles bedeuten. Vielleicht waren es nur Reisende, die vorbeigekommen waren. Doch in einer menschenleeren Gegend wie dieser wäre das ein sehr großer Zufall. Darum würde Neji rundheraus davon ausgehen, dass das Lager etwas mit der schwarzen Hexe zu tun hatte. Aber sie konnten nicht wissen, ob der Steinkreis für das folgende Ritual von Bedeutung sein würde. Möglich war es auf jeden Fall. „Scheint, als würde uns noch einiges erwarten, bevor das Ganze vorüber ist.“, murmelte Kotetsu und leerte sein Bier. Neji konnte nur zustimmend nicken. Es war Nacht, als Konan erwachte. Durch das Fenster der Hütte konnte sie einen klaren Sternenhimmel sehen und im Herd glommen noch die Reste des Feuers. Sie lag auf einem weichen Lager, das zwischen zwei hohen Regalen gebaut worden war. Auf der anderen Seite des Zimmers befand sich ein ähnliches Bett. Neben der großen Feuerstelle war die Tür in die Wand eingelassen, die in den Flur führte und das einzige Fenster ging gegenüber in einen kleinen Garten hinaus. Von den schweren Deckenbalken hingen Bündel an Kräutern, die die Luft mit ihrem Duft schwängerten, der sich mit dem Geruch von Holzrauch und Blut mischte. Links und rechts neben dem Fenster hingen zwei gewebte Teppiche, deren magische, beruhigende Energien beinahe greifbar waren, und darunter stand ein langer Tisch, auf dem Boxen, Schüsseln und andere Gefäße standen, dazwischen waren Verbandsmaterial, Halbedelsteine, Bücher und weitere Materialen verteilt, die eine Dorfhexe, die vor allem als Heilerin tätig war, zur Ausübung ihrer Aufgaben brauchte. Unter dem Tisch stand ein großer Korb, der gefüllt war mit Stoff und Wolle und einem halbfertigen, farbenprächtigen Quilt. Mit den Erinnerungen kehrten auch langsam die Schmerzen zurück, die sie vom Kampf gegen den blauen Drachen davongetragen hatte. Ihr Kopf dröhnte. Ihr gesamter Körper tat weh. Schmerz pochte in ihrem linken Unterarm, der sorgsam geschient worden war. Vorsichtig griff sie nach ihrer Stirn, ertastete aber nur den Stoff eines Verbandes, und dann nach ihrem Kinn, wo sich bereits eine Schorfschicht gebildet hatte. Wenigstens schien alles gut zu heilen, soweit sie das beurteilen konnte. Aber drei gut ausgebildete Heilhexen hatten sich am letzten Abend noch um ihre Wunden gekümmert, ehe Shizune sie in tiefen Heilschlaf versetzt hatte. Eigentlich sollte sie sich noch in der magischen Traumwelt befinden; was hatte sie also geweckt? Vorsichtig richtete sie sich auf, um ihren Körper nicht zu überbeanspruchen, entzündete ein winziges Hexenlicht und sah sich suchend um. Wynn hockte auf einem der Regale und schlief. Das zweite Bett im Raum war ebenfalls belegt; Tsunami hatte Pein dort untergebracht und auch er rührte sich nicht. Vorsichtig stellte Konan ihre nackten Füße auf den kalten Holzboden, während ihre Augen bereits erspähten, was sie suchte: ihre Tasche und daneben das Athame, das sie zu ihrer ersten Weihe überreicht bekommen hatte. Die rituelle, aber dennoch scharfe Klinge war lang wie ihr Unterarm und meisterhaft gefertigt. Trotz aller abstrakten Dinge, zu der man sie größtenteils verwendete, war sie dennoch auch für den ursprünglichsten Zweck aller Klingen gut – als eine Waffe. Als sie sicher war, nicht gleich wieder stöhnend vor Schmerz ins Bett zurück zu sinken, stand sie auf und stakste sie auf noch wackeligen Beinen zum Tisch hinüber um das Messer an sich zu nehmen. Was auch immer es war, das sie geweckt hatte, es konnte nichts Gutes sein. Sie fröstelte, da sie nur ein langes Leinenhemd trug, das ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte, aber sie hatte jetzt keine Zeit sich etwas anzuziehen. Leise ging sie zu dem anderen Bett hinüber um sich zu vergewissern, dass Pein zumindest noch atmete. Sein Gesicht war blass selbst auf beigefarbenen Laken, aber sein Haar war noch immer leuchtend orangerot und sein exotischer Gesichtsschmuck hob sich dunkel und hart von der bleichen Haut ab. Auch er befand sich im Heilschlaf, nachdem die drei Heilerinnen gestern all ihr Können, ihr Wissen und ihre Macht aufgebracht hatten, um ihn aus den Klauen des Todes zu befreien. Noch war er nicht außer Gefahr, doch Konan war hoffnungsvoll. Der bunte Quilt, der ihm als Decke diente, war bis zu seinen Schultern hochgezogen worden, doch sie konnte sehen, wie sich seine Brust leicht hob und senkte. Die einzige Magie, die sie auf ihm spüren konnte, waren die heilenden Kräfte von Shizune, Sakura und Tsunami. Im Moment war er nicht in Gefahr, aber sie brauchte einen Augenblick, um sich von seinem schlafenden Gesicht loszureißen. Sie drehte sich um; es fühlte sich beinahe an wie ein gewaltsamer Akt. „Wynn.“ Ihre Stimme war nur ein Wispern, doch der Rabe zuckte und erwachte bereits. „Wynn, komm. Spürst du denn nichts?“ Der Rabe schüttelte sich, als er vollständig erwachte und reckte leicht die Flügel. „Was ist?“, krächzte er ungehalten und starrte sie aus schwarzen Augen an. „Spürst du nichts?“, wiederholte sie ihre Frage, die er mit einer eigenen beantwortete: „Solltest du nicht schlafen?“ Sie nickte und unterließ es, ihn auf die Implikationen aufmerksam machen. Doch er verstand schnell genug und hüpfte von seinem Sitzplatz herunter, um auf ihre Schulter zu wechseln. „Ich habe nichts bemerkt.“, antwortete Wynn. „Aber so widersprüchlich es klingt, es könnte am Zauberschlaf liegen – er macht empfänglich für bestimmte Energien als jeder andere Zustand.“ Konan gab ein zustimmendes Geräusch von sich und drückte gegen die Tür, die ohne ein Geräusch aufschwang. Sie führte in einen Flur, den sie am Nachmittag nur am Rande wahrgenommen hatte. Mehr Kräuter hingen von der Decke und zwischen zwei weiteren Türen hing ein handgewebter Teppich, diesmal ohne eingewirkte Magie. In beide Flurenden waren weitere Türen eingelassen; Konan wählte jene, die auf die Straße hinausführte. Sie fragte sich, ob sie Neji rufen sollte, entschied sich aber vorerst dagegen. Noch wusste sie nicht, was passiert war, was sie geweckt hatte oder ob da überhaupt etwas war. Es konnte einfach sein, dass der Zauber nachgelassen hatte, was nicht unmöglich war nach den Anstrengungen, die Shizune vorher aufgebracht hatte. Manchmal, durchfuhr es Konan, als sie auf die unebene, kalte Straße hinaustrat, war es erstaunlich, wie viel man in solchen Situationen, die wirkten wie ein Traum, wahrnahm. Die Nachtluft war klar und kalt und aus dem Norden blies ein scharfer Wind, der ihr unter das Hemd fuhr und sie frierend zurückließ. Wynn plusterte sich auf, eine warme Präsenz an ihrer Wange. Sie ließ den Blick über die schwarzen Silhouetten der Häuser schweifen, die still und verschlossen waren. Auch in der Herberge leuchtete kein Licht mehr und einzig ein paar flackernde Schatten, die sie zwischen den Häusern sehen konnte, zeigten, dass im Lager der Söldner und Soldaten Feuer brannten. Vermutlich war dort auch noch jemand wach, der die undankbare Aufgabe hatte, Wache zu halten. Konan machte einige Schritte die Straße hinunter, aber sie konnte weder etwas sehen noch etwas hören, das nicht zu dieser Zeit an diesen Ort gehörte. Der sternenübersäte Nachthimmel spannte sich über ihr, schwarz wie ein gewebtes Tuch, in das glitzernde Perlen genäht worden waren. Wind rauschte in den Bäumen und irgendwo schrie eine Eule. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Etwas war falsch. Ein Geräusch ließ sie herumwirbeln und sie sah sich einer dunklen, unförmigen Silhouette gegenüber. Ihre Knöchel traten hervor, als sie den Griff des Athame fester umklammerte, während sie ihr Hexenlicht heller brennen ließ. Es war ein Mensch, erkannte sie, und die Person war ebenso überrascht jemanden zu dieser nachtschlafenden Zeit zu sehen wie sie selbst auch. Zumindest entnahm sie dies der Gestik, denn die Person war in einen langen, dunkelgrauen Mantel gewickelt und hatte die große Kapuze so tief über das Gesicht gezogen, dass es vollständig im Schatten lag, trotz des hellen Lichtes. Zu ihren Füßen stand eine große, getigerte Katze mit langem Fell und leuchtend gelben Augen, aus denen sie sie feindselig anstarrte. Es war eindeutig nicht Aja und außer Sakura sollte es in der Nähe keine andere Katzenhexe geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass zufällig zu dieser Zeit eine unbeteiligte Reisende vorbeikam, lag bei null. Doch noch eine Tatsache war Konan sich bewusst: dies war nicht die schwarze Hexe, nach der sie suchten. Aber vielleicht lagen sie mit der Vermutung, dass diese eine Gehilfin hatte, gar nicht so falsch. Die fremde Hexe erholte sich schneller von ihrer Überraschung, wirbelte herum und rannte mit fliegendem Umhang davon. Konan erwischte nur einen kurzen Blick auf eine weite Hose und schwere Stiefel, dann nahm sie die Verfolgung auf. „Bleib stehen, Hexe!“, brüllte sie. „Bleib stehen, im Namen der Weißen Göttin!“ Sie hatte keine Antwort erwartet, in keiner Form, und bekam auch keine. Die fremde Hexe bog um eine Ecke, doch als Konan ebenfalls in die Seitengasse trat, schien sie wie vom Erdboden verschluckt. Wynn warf sich mit raschen Flügelschlägen in die Luft, doch da er ihr keine Richtungen gab, musste auch er die andere Hexe und ihren Begleiter verloren haben. Konan blieb stehen und holte tief Luft. Blut pochte in ihren Ohren und ihr Atem ging schnell. Mit einem Gedanken vergrößerte sie ihr Licht noch einmal, um auch den dunkelsten Winkel auszuleuchten, während sie sich langsam voran tastete. Sie wollte nicht überrascht werden, das konnte schlimm für sie enden… Jetzt wurde sie sich gänzlich ihrer heiklen Situation bewusst und fragte sich, warum die andere Hexe sie nicht angegriffen hatte. Konan befand sich nicht in bester Verfassung, nicht auf einen Kampf eingestellt und auch nicht ausgerüstet dafür. Die andere dagegen war zumindest vollständig bekleidet. „Da ist irgendetwas…“ Wynns Stimme drang leise aus der Dunkelheit, dann glitt er wie ein Schatten in ihren Lichtkreis um sich auf einem Stapel leerer Kisten niederzulassen. „Aber ich weiß nicht was.“ Ein kratzendes Geräusch wie von Krallen auf Stein hinter ihr schickte einen Schauer über ihren Rücken und sie wandte sich um. Das letzte Mal, als sie etwas Ähnliches gehört hatte, war sie zusammen mit einem Drachen in einer Höhle eingesperrt gewesen. Aber dies war kein Drache. Es war viel schlimmer. Die Kreatur, die sich langsam in den Kreis ihres Hexenlichtes schob, ähnelte entfernt einem Wolf, aber viel war nicht mehr von der ursprünglichen, wilden Gestalt des schönen Tieres zu erkennen. Hörner wanden sich um seinen Kopf, aus dem Rücken ragten lederartige, fleischige Auswüchse, die entfernt an Flügel erinnerten und das Fell war zum größten Teil ausgefallen. Nur noch Flecken von grauem Pelz zierten den muskulösen Tierkörper. Dafür waren die Zähne und die Klauen größer, lang wie ihre Hände, und rasiermesserscharf. Die Bewegungen dagegen wirkten steif und unsicher. Der Gestank von schwarzer, verdorbener Magie haftete an ihm wie Dreck. Konan schlug die Hände vor das Gesicht, fühlte sich plötzlich krank und verunreinigt. Sie hatte noch niemals eine derart verunstalte, deformierte, gewaltsam verdrehte Kreatur gesehen. Es war widerlich. Die Bestie stürzte sich mit einer Plötzlichkeit auf sie, dass sie sich mit einem erschreckten Aufschrei zur Seite warf – das einzige, was sie vor dem sicheren Tod rettete. Ein jähes Brennen in ihrem Gesicht sagte ihr, dass das Wesen sie erwischt hatte, und sie hoffte, dass diese gigantischen Klauen nicht auch noch vergiftet waren. Das Tier schlitterte hinter ihr über den Boden, als könne es den eigenen Schwung nicht auffangen, und Konan folgte seinen lauernden Bewegungen mit den Augen. Sie hielt das Athame abwehrend vor sich, während sie fieberhaft nach einer Möglichkeit suchte, die Kreatur so schnell wie möglich loszuwerden. Mit grollendem Knurren pirschte diese sich näher heran, den Körper in geduckter Angriffsstellung. „Feuer.“, krächzte Wynn und schlug heftig mit den Flügeln. Das Geräusch lenkte die Aufmerksamkeit der Bestie auf ihn, doch Wynn, als Vogel, war außerhalb ihrer Reichweite, egal wie sehr sie versuchte, ihn mit Tatzen und Zähnen zu erwischen. Konan verbiss sich eine scharfe Erwiderung, sondern konzentrierte sich auf die Magie. Es war schwerer, die Flammen ohne Hilfsmittel zu rufen, aber Feuerzauber gehörten zu den Spezialitäten ihres Zirkels und hier brauchte sie nicht mehr als eine einfache Flamme, nicht wie gegen den Drachen, der selbst das silberne Feuer überlebt hatte. Mit entschlossenem Blick fixierte sie das Tier, das vorsichtig auf Abstand blieb, nicht wissend, woher die so schwächlich aussehende Beute die Selbstsicherheit nahm, und tastete nach dem Kratzer in ihrem Gesicht. Mehr war es tatsächlich nicht, aber es blutete genug, dass sie etwas der klebrigen Flüssigkeit aufnehmen konnte. Ironischerweise war der einzige mögliche Zauber, zu dem sie sich im Moment in der Lage fühlte, inspiriert von Drachen. Mit geübten Bewegungen malte sie einen Strich vertikal über ihre Lippen und ihr Kinn, während die Wolfsbestie grollend näher kam, angetrieben von dem Geruch nach Blut. Gerade, als es sprang, holte sie tief Luft, hielt die Hände wie ein Trichter vor das Gesicht und blies. Flammen schlugen der Kreatur entgegen, wie aus dem Maul des Drachen, heiß lodernd und brüllend. Sofort erfüllte der Gestank von verbranntem Haar und Fleisch die Luft, ekelerregend und beißend. Wynn krächzte laut und triumphierend, doch sein Ruf ging in dem schmerzerfüllten Geschrei des Tieres unter. Konan ließ den Zauber fallen, als die Flammen vergingen, und sprang nach vorne, stieß mit dem Athame zu, während das Tier sich noch vor Schmerzen wand. Die Klinge schnitt wie Butter durch Haut und Fleisch und das Tier kreischte jämmerlich auf. Viel zu heißes Blut ergoss sich über Konans Hände und spritzte auf ihre Füße. Mit einem Aufschrei wich sie zurück und ließ beinahe ihr Messer fallen. Die Kreatur sah noch schrecklicher aus vorher schon, bedeckt von zu dunklem Blut und noch schwelenden Brandwunden, sich windend vor Schmerzen. Seine Augen waren riesig und gelb wie die eines Wolfes und so voller Qual, die nichts mit körperlichen Schmerzen zu tun hatte. Konan starrte es an und die schwarze Magie war wie Dreck auf ihrer Hand, das schwarze Blut schien sich in ihre Haut zu fressen und brannte wie die Flammen, die sie eben gespien hatte. Mit einem erstickten Geräusch taumelte sie zur Seite und übergab sich. Was war dieses Tier nur? Was war mit ihm geschehen?! Was hatte die schwarze Hexe ihm nur angetan? Es war, als hätte sie den Wolf genommen und verdreht und verbogen, bis nichts mehr übrig war als Schmerz und Hass und der Wunsch zu töten. An die Wand gelehnt sah Konan zu, wie die Kreatur sich aufrappelte und geschlagen in die Dunkelheit floh. Eine ganze Weile noch stand sie dort und atmete tief und gleichmäßig, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen und den Schrecken zu überwinden. Irgendetwas … irgendetwas noch viel Grausameres ging hier vor, als sie bis jetzt angenommen hatten. Dies reichte viel weiter und viel tiefer, als selbst Tsunade vorausgesehen hatte. Wenn die Entführung der Frauen und Mädchen nur ein einziger Stein in einem viel größeren Spiel war, wie konnten sie darauf hoffen, sie lebend aus der Sache herauszuholen? Sie wussten ja noch nicht einmal, wer ihr Gegner war. Aber ihr Feind wusste spätestens jetzt genug über sie… Ihre Gedanken verschwanden im Nichts. Als sie sich weit genug gefasst hatte, taumelte Konan zu einer Regentonne hinüber, um sich notdürftig zu säubern und das unreine Blut von der nackten Haut zu waschen. Doch unter ihren Fingernägeln blieben dunkle Ränder zurück und noch immer spürte sie die entstellte Magie, als hätte sie sich in ihre Haut gefressen wie Maden in eine Leiche. Wie mit schlafwandlerischen Schritten ging sie zurück zu Tsunamis Hütte, Wynn auf der Schulter, der keinen Laut von sich gab. Auch jetzt begegnete ihr niemand; eigentlich ein Wunder, bei all dem Krach, den sie und vor allem die Wolfskreatur gemacht hatten… Sie dimmte ihr Licht wieder, als sie das stille Haus betrat und zurück in das Krankenzimmer schlüpfte. Der Duft nach Kräutern schlug ihr beruhigend entgegen und Pein schlief noch immer unverändert. Wynn flog auf um sich erneut auf seinem Sitzplatz niederzulassen, als sie die Tür lautlos hinter sich zu zog und für einen Moment zögerte. Dann trat sie wieder an Peins Bett um ihn gründlich zu mustern. Er sah unverändert aus und sie konnte nicht sagen, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Diesmal hob sie die Hand und strich vorsichtig eine der hellen Haarsträhnen aus der Stirn. Mit den Fingerspitzen fuhr sie ihm über Schläfe und Wange, ehe sie die Hand wieder wegzog. Was tat sie hier eigentlich? Noch nie … nie hatte jemand eine ähnliche Wirkung auf sie gehabt und jetzt wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte. Was es überhaupt war, das sie fühlte. Vorsichtig beugte sie sich zu ihm hinunter, um sein markantes Gesicht genauer zu studieren. Sie konnte seinen schwachen Atem auf der Haut spüren, so nah war sie ihm. „Überlebe.“, flüsterte sie in sein Ohr. Dann richtete sie sich wieder auf und kehrte zu ihrem eigenen Bett zurück. Als sie am nächsten Morgen erwachte, fragte sie sich, ob sie nur geträumt hatte. Ihr Familiar konnte ihr keine Antwort auf diese drängende Frage geben. Weder ihr Hemd noch ihre Haut trugen Spuren von Blut und ihr Athame lag sauber und unberührt auf dem Tisch neben ihrem Beutel, wo sie es am letzten Tag hingelegt hatte. Doch auf ihrer Wange zog sich ein langer, dünner Kratzer, von ihrer Schläfe bis hinunter zum Kinn. Als Sakura das Krankenzimmer in Tsunamis Haus betrat, schnürte Konan sich gerade das Mieder zu. Zumindest versuchte sie es, denn der gebrochene Arm behinderte sie, so dass sie immer wieder von neuem anfangen musste. „Warte, ich helfe dir.“, unterbrach sie die Bemühungen der Freundin und Konan blickte auf. Durch ihr Gesicht zog sich eine neue Wunde, bereits verschorft, aber deutlich genug. Sakura stellte das schwere Tablett, das sie mitgebracht hatte, auf eine freie Ecke des Tisches und wandte sich ihr zu. „Wo ist das her?“, wollte sie mit einem Blick auf den frischen Kratzer wissen, während sie die Miederschnüre aufnahm. Konan blickte zur Seite. „Ich bin mir noch nicht sicher.“ Sakura schwieg einen Moment, dann nickte sie. „Du solltest dir ziemlich bald sicher werden. Itachi und seine Leute sind zurück; sie wollen wissen, was mit ihrem Anführer ist. Der Kazekage wird mit jeder Sekunde ungeduldiger. Die Dorfbewohner sind aufgebracht. Wir müssen die Wogen glätten, bevor etwas passiert, dass eine Zusammenarbeit unmöglich macht.“ Konan sah sie wieder an. „So schlimm?“ Sakura zog die Schleife fest und wich zurück. „Ja. Der Kazekage macht es nicht gerade besser. Itachi ist nicht so umgänglich wie Pein – und ist die Situation einfach schlimmer. Shizune ist gestern Nacht noch einmal fortgeritten um Kräuter zu suchen. Sie muss bald zurück sein.“ Konan nickte und schwieg für einen Moment nachdenklich. „Ich möchte auch wissen, was mit Pein ist.“, erklärte sie dann. Überrascht sah die grünäugige Hexe auf und dann hinüber zu dem zweiten Bett. Besagter Krieger lag still und blass unter dem wahrlich farbenfrohen Quilt, aber Sakura, auf ihn eingestellt, konnte seine Lebensenergie spüren, schwach, aber konstant. Magie summte um ihn herum, heilende, stärkende Macht. Konan schien wirklich einiges für ihn übrig zu haben. Hoffentlich würde es ihr nicht das Herz brechen, wenn sie verschiedene Wege gingen, sobald dies alles hier vorbei war. Soweit Sakura wusste, war dies das erste Mal, dass die andere Hexe jemandem derartig zugetan war. Sie seufzte. Als hätten sie nicht schon genug Probleme! Dann trat sie an das Bett und begann, systematisch die Wunden zu untersuchen. „Hilf mir.“, befahl sie Konan, die widerstandslos zu ihr kam, um ihr zumindest benötigte Gegenstände zu reichen. Mehr konnte sie nicht tun, aber allein das würde Sakura unterstützen. Schweigend arbeiteten sie Seite an Seite, nur hin und wieder unterbrochen von Fragen nach Wasser, nach Verbänden, Kräutern oder etwas anderes. Für Sakura hatte der Heilungsprozess, die Arbeit, die nach der ersten Hektik kam, immer etwas Beruhigendes, Kathartisches gehabt. Zu fühlen, wie Magie in ihren Adern sang und durch ihre Hände floss, pure, reine Energie, fest und sicher und heilend. Zu spüren, wie schwache Lebenskraft erstarkte und wieder zu einem unermüdlichen, pulsierenden, elektrisierenden Strom wurde, der ewig zu sein schien und unverwüstlich. Zu wissen, dass sie dieses Leben dem Tod entrissen hatte, zumindest für diesen Moment, hier und jetzt. Denn der Tod gehörte zum Leben wie das Leben zum Tod, wie Mond und Sonne, Winter und Sommer, wie der Wechsel zwischen dem Stechpalmkönig und dem Eichenkönig, ein ewiger Kreislauf. Nachdem sie den letzten Verband wieder zugeknotet hatte, nickte Sakura befriedigt. „Wir sind guter Dinge.“, erklärte sie Konan, die mit unbewegtem Gesicht auf den Krieger hinunterstarrte. Aber da glomm etwas in ihren Augen… „Komm. Tsunami wird sich darum kümmern, dass er nachher Nahrung und Wasser bekommt. Wir haben andere Aufgaben.“ Für einen Moment schien es, als hätte Konan ihr gar nicht zugehört oder zumindest die Worte nicht wahrgenommen. Doch dann löste sie sich aus der Starre und sie nickte. „Lass uns gehen. Wenn Pein aufwacht, müssen wir handeln können. Oder ihm zumindest die Ergebnisse vorlegen.“ Sie ging hinüber zum Tisch, um ihr Athame zu holen, und marschierte dann entschlossenen Schrittes zur Tür, plötzlich wieder distanziert und sachbezogen. „Ich muss mit Neji sprechen. Und ich will wissen, was Itachi uns zu erzählen hat.“ Sakura folgte ihr ohne Widersprüche. Diese andere Seite von Konan verwirrte sie – sie kannte sie nicht und konnte sie noch nicht einordnen. Und jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Unsicherheiten. Darum war sie froh, dass Konan zu ihrer normalen Persönlichkeit zurückgekehrt war. Die älter Hexe behielt ihr zügiges Tempo bei, als sie zur Herberge liefen. Die Dorfbewohner bleiben stehen und starrten sie an, manche begannen zu tuscheln. Konan schien es nicht einmal zu bemerken, obwohl Sakura dies bezweifelte. Inzwischen hatte sich herumgesprochen, was genau sie und Pein in dieser Höhle gegenüber gestanden hatten. Auch wenn Konan von Anfang an klar gemacht hatte, dass der Krieger den Hauptteil erledigt hatte und Kisame nicht zuließ, dass sein Ruhm auch nur um einen Fingerbreit geschmälert wurde, betrachteten die Leute auch die Hexe mit neuem Respekt. Es war eine Sache eine Hexe in ihr zu sehen, die ungleich mächtiger war als ihre eigene Dorfhexe, aber dennoch dasselbe. Doch kaum jemand begriff, was hinter dem Wort Schlachtenhexe stand. Das war weit mehr als nur eine Schwäche, wenn es darum ging, Heilzauber zu wirken – es ging weitaus tiefer, lag im Kern ihres Seins. Aber es gab nicht viele Schlachtenhexen und seit den Hexenkriegen waren sie noch weniger, weswegen die Leute es vergessen hatten und jetzt nicht mehr bemerkten, dass Konan und Tsunami so verschieden waren wie Tag und Nacht. Im Grunde ließ sich das genau so beschreiben. Tsunami war der Tag, das Licht, die helle Seite der Magie und der Göttin. Konan war die Nacht, der Schatten, die dunkle Seite. Rabenhexen genau wie Schlangenhexen und zu einem gewissenpunkt auch Eulengebundene waren von einem anderen Schlag. Zum Glück ließen sich Gut und Böse nicht in solch einfache Kategorien einteilen und schon gar nicht rundheraus auf ganze Gruppen anwenden. Sie trafen kurz vor der Herberge auf Shizune und Tsunami, die sich hastig und leise unterhielten. Shizune sah müde und schmutzig aus, ihr Pony, das sie noch immer am Zügel hielt, sowie Genma und dessen Reittier ebenso. Tsunami dagegen wirkte aufgebracht. Sie war eine hochgewachsene, schlanke Frau mittleren Alters, mit langem schwarzen Haar und dunklen Augen. Tekal saß neben ihr und blickte von ihr zu Shizune und zurück. Als Konan sie sah, änderte sie ihr Ziel und steuerte auf sie zu. Beide wirkten erfreut, sie wieder auf den Beinen zu sehen, und Shizune rang sich sogar ein müdes Lächeln ab. „Schön, dich wieder wohlauf zu sehen.“, bemerkte sie. Am letzten Tag hatte sie kaum mit Konan gesprochen, erst Peins Heilung, dann Konans eigene, bevor sie sie in Schlaf versetzt hatte. Die Rabenhexe nickte ihr zu. „Was ist los?“ „Nichts.“, erklärte Shizune. „Zumindest nichts, was wir im Moment ändern können.“ „Ich mag es nicht.“, warf Tsunami dennoch ein. „Diesen Dykae so einfach erzählen, was wir sind. Wer weiß, was sie tun werden, wenn das hier alles vorbei ist und sie das kleine Mädchen zurück haben.“ Sie blickte sich um und schlang die Arme um den Oberkörper. „Ihr könnt nachher wieder gehen, aber ich werde hier bleiben. Sie wissen genau, wo sie mich finden werden. Und ich muss an Inari denken.“ „Wir können es nicht geheim halten.“, bemerkte Shizune. „Wir werden eine Lösung finden, dass die Dykae dich in Ruhe lassen.“ „Mir fällt dazu aber nichts anderes ein, als von Birkenhain fortzugehen und diese Leute hier verlassen sich auf mich. Ich will nur sagen, dass es gefährlich werden kann.“ Konan nickte. „Du hast recht. Geh, und kümmere dich um Pein. Das andere ist unsere Aufgabe. Wir werden dich so weit wie möglich heraushalten. Shizune?“ Die dunkelhaarige Hexe seufzte und nickte. Dann zog sie ein in Leinen gewickeltes Bündel aus der Tasche. „Hier. Ich habe alles gefunden.“ Sie reichte es Tsunami, die es erleichtert annahm. Sakura, die bis jetzt alles schweigend verfolgt hatte, warf ein: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir es überhaupt noch brauchen. Die Wunden heilen ungewöhnlich gut. Und schnell.“ Die anderen beiden starrten sie an. Dann seufzte Shizune erneut und fuhr sich durch das Gesicht. „Ich bin zu müde, mir jetzt darüber Gedanken zu machen.“ Sie wandte sich an die Dorfhexe, die fragend von einer Heilerin zur anderen blickte. „Schaden wird es auf keinen Fall, also mach weiter wie geplant. Und wir anderen werden jetzt diese Besprechung hinter uns bringen, ich will so bald wie möglich schlafen. Ich bin auch nicht mehr so jung wie früher, dass ich eine durchgemachte Nacht so einfach wegstecken kann.“ „Alt bist du aber auch noch nicht.“, warf Genma ein und übernahm die Zügel ihres Ponys. „Ich komme gleich nach.“ Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln – für beides, die Worte und die Hilfe – und blickte sich um. „Wo sind Aja und Wynn? Sie sollten dabei sein.“ Genau auf dieses Stichwort glitt ein dunkler Schatten über sie und Shizune streckte ihren Arm aus, so dass ihr Familiar darauf landen konnte. Levai war eine große Graueule, mit majestätischem, glänzendem Gefieder und dem strengen, starren Blick, der diesen nächtlichen Greifvögeln eigen war. Er blickte kurz grüßend in die Runde, sagte aber nichts. „Und Neji und Hinata, wenn wir schon dabei sind?“, fügte Sakura an. „Bereits in der Herberge.“ Genma grinste schief und ging dann davon, um die Ponys im Stall von besagtem Gebäude unterzubringen. Konan legte den Kopf schief. „Wynn ist bei Neji.“ „Und Aja kommt da gerade.“, fügte Sakura hinzu und wies mit dem Kopf die Straße hinunter. Ein kleiner schwarzer Schatten huschte auf die Gruppe zu und kurz darauf kletterte die Katze an Sakura hoch. „Irgendetwas Seltsames geht hier vor.“, erklärte sie und Konan nickte, als wüsste sie bereits, wovon der Familiar sprach. „Lasst uns die Informationen zusammentragen und dann ergibt sich vielleicht ein Bild.“ Sie fanden die Söldner sowie den Kazekagen und dessen Familie in der Gaststube, wo sie ein ausgiebiges Frühstück einnahmen, das nach der Menge der Teller, Schüsseln und Nahrung, die überall verteilt waren, bereits eine Weile vonstatten ging. Man hatte Tische zusammengeschoben, so dass alle an einer Tafel Platz hatten. Dem sauertöpfischen Gesichtsausdruck des Kazekage nach zu urteilen, war es nicht seine Idee gewesen. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf die drei eintretenden Hexen, die die Blicke ruhig erwiderten. Auf Kotetsus Gesicht breitete sich ein erfreutes, wissendes Lächeln aus, als hätte er von Anfang an gewusst, dass es früher oder später darauf hinauslaufen würde. Auch Itachi und die anderen anwesenden Akatsuki – Kisame, Izumo und der muskulöse, kompakt gebaute Mann mit den vielen Narben – wirkten erfreut eine dritte Hexe zu sehen, auch wenn sie die Bedeutung darin nicht erfassen konnten. Bei den Dykae fielen die Reaktionen unterschiedlich aus, von einem zufriedenen Nicken Seitens Shikamaru bis zu einer unansehnlichen Grimasse seines Schwiegervaters. Das hätte allerdings auch schlechter laufen können. Der erste, der die Stille unterbrach, war der Kazekage, der aufstöhnte: „Noch eine von denen? Aus welchen Löchern kommen die denn immer gekrochen?“ Kisame lachte. „Je mehr, desto besser.“ Konan konnte ihnen erzählen, dass Shizune neue Informationen brachte. Dass drei Leute naturgemäß mehr ausrichten konnten als zwei. Dass sie zu dritt, in einer vollständigen Dreieinigkeit weit mehr Macht und Möglichkeiten hatten als drei allein. Stattdessen überließ sie es Shizune, müde und schmutzig wie sie war, zu fragen: „Ist der Mann immer so höflich?“ Sakura schnaubte, doch ehe jemand antworten konnte, wollte Itach ruhig wissen: „Wie steht es um Pein?“ Sakura setzte Aja auf der Theke ab und ließ sich auf den Stuhl neben Hinata sinken. Shizune und Konan taten es ihr nach und Levai spazierte auf den Tisch, als würde er ihm gehören. Wynn dagegen flatterte von seinem Balken hinunter und setzte sich auf Konans Schulter. Die Anspannung im Raum ließ Sakura alle Nackenhärchen stehen und sie faltete nervös die Hände, um nach den richtigen Worten zu suchen. Noch war Pein nicht darüber hinweg. „Er …“, begann sie. „Wird er sterben?“, wollte Izumo wissen und seine Stimme war leise, aber fest. „Nein!“, rief sie spontan aus und zuckte dann mit den Schultern. „Ich… Hört zu. Wir haben getan, was wir tun konnten. Wir werden das weiterhin tun. Die Dorfhexe ist in diesem Moment bei ihm. Aber die Wunden waren schwer. Wir sind positiv eingestellt, aber es kann immer etwas geben, das schief läuft.“ Trotz ihrer warnenden Worte ging ein erleichtertes Aufseufzen durch den Raum. Als hätte sie gesagt, dass er überleben würde. Sie warf Shizune einen hilflosen Blick zu, doch die lächelte nur beruhigend. „Mach dir nicht zu viele Sorgen.“, bemerkte Hinata neben ihr leise. „Der Mann ist stark. Er muss es sein um mit Leuten den Mitgliedern von Akatsuki fertig zu werden. Und du selbst hast seine Aura gesehen.“ Sakura holte tief Luft und nickte. Das war wohl wahr. „Wenn wir das erledigt hätten…“, durchschnitt die Stimme des Kazekagen die Luft, scharf wie ein Messer. „…dann könnten wir ja zu den anderen Themen zurückkehren.“ Kisame knurrte und warf dem Mann einen Blick zu, doch Itachi legte ihm die Hand auf den Arm. „Bleib ruhig.“ „Themen, die Ihr noch nicht anschneiden wolltet, solange unsere … Verbündeten hier noch nicht anwesend sind.“ Der Kazekage ließ sich nicht von dem Ärger des großen Fischmenschen beeindrucken. „Nun, jetzt sind sie da. Fangt an.“ „Du machst die Sache nicht unbedingt einfach für uns, Vater.“, wies Temari ihn zurecht. Sie klang müde, aber auch hart. Dann wandte sie sich zu Itachi um. „Aber auch ich möchte Eure Ergebnisse hören.“ Dieser nickte. „Aber das sollte keine öffentliche Besprechung sein.“, bemerkte er und drehte sich zu dem Wirt um. „Gibt es einen Raum, wo wir ungestört sein können?“ Der Mann sah aus, als wollte er protestieren – immerhin ging das sie alle an – doch Konan stand auf. „Er hat Recht. Lasst uns allein.“ „Aber…“, begann der Wirt, doch Konan schüttelte den Kopf. „Wir werden genug Schwierigkeiten haben, alles geheim zu halten bei einer großen Runde wie der unseren. Die schwarze Hexe hat bereits Späher ausgesandt.“ Der Wirt seufzte und nickte. Er gab seinen Bediensteten einen Wink, die daraufhin flink die Tische abräumten, die Fenster schlossen und dann hinauseilten. Genma gesellte sich währenddessen zu ihnen und ließ sich neben Shizune, wo er noch etwas zu essen bekam. Auch die drei Hexen genehmigten sich noch einen Bissen. Obwohl Konan ziemlich abgelenkt wirkte, denn sie flüsterte leise, aber rege mit Neji und Wynn. „Was meintet Ihr damit, dass die Hexe Späher ausgeschickt hat?“, wollte Shikamaru unverzüglich wissen, nachdem sich die Tür hinter dem Wirt als letztem geschlossen hatte. „Gestern Nacht bin ich einem Späher des Feindes im Dorf begegnet.“, erklärte Konan und der Aussage folgte Schweigen. „Konan… Du hast gestern Nacht geschlafen.“, warf Shizune vorsichtig ein. „Ich war die ganze Zeit im Krankenzimmer.“ Konan warf ihr einen Blick zu. „Ich weiß.“, antwortete sie und ihre Hand tastete unbewusst nach der neuen Wunde in ihrem Gesicht. „Oh.“, machte Shizune und auch Sakura schwante langsam, worauf die Rabenhexe hinauswollte. „Was ‚oh‘?“, verlangte der Kazekage zu wissen. Er klang ziemlich grob, doch auch die anderen sahen aus, als würde die Antwort sie interessieren. „Der Späher der Hexe war nicht wirklich hier. Jedenfalls nicht körperlich.“, erklärte Shizune nachdenklich. „Während eines Schlafes wie dem Heilschlaf ist eine Hexe besonders empfänglich für gewisse andere Zauber. Störungen der Traumwelt und dergleichen.“ „Willst du damit sagen, dass sie davon geträumt hat, dass der Späher hier war? Und darum sollten wir uns jetzt Sorgen machen?!“ „Ihr versteht nicht. Es spielt keine Rolle, ob die Hexe tatsächlich hier war oder nur auf der spirituellen Ebene. Die gewünschten Informationen bekommt sie auf beide Arten.“ „Verdammt.“, murmelte Itachi. „Allerdings bestätigt es uns, dass es mindestens zwei Hexen sind – einen Zauber wie diesen kann man nicht alleine durchführen.“, warf Sakura ein. „Es war eine Katzenhexe.“, erklärte Konan. „Ich habe den Familiar gesehen. Aber ich glaube nicht, dass sie die Anführerin war.“ „Du hast erstmal Glück, dass du nicht fehl gegangen bist.“, knurrte Shizune. Konan zuckte die Schultern. „Ich habe es nicht einmal bemerkt bis heute Morgen. Und Wynn war bei mir.“ „Es war dennoch gefährlich!“ „Zurück zum Thema.“, knurrte der Kazekage und Itachi fügte ohne Umschweife hinzu: „Was hat die Hexe herausgefunden?“ „Lässt sich unmöglich sagen. Vielleicht nichts. Vielleicht alles. Ihr solltet lieber fragen, was ich herausgefunden habe. Die Hexe war nämlich nicht allein unterwegs.“ In kurzen Worten berichtete sie von der wolfsähnlichen Kreatur, mit der sie gekämpft hatte. Neji ließ sie die ganze Zeit nicht aus den Augen, als suche er nach Anzeichen von … irgendetwas. Sein Gesicht war dabei unbewegt, also konnte Sakura nicht sagen, ob er etwas fand. Auch Genma und Hinata sahen besorgt drein und Sakura konnte sehr gut verstehen, warum. Dieser Missbrauch der Hexenkunst für naturwidrige Bestien, dieses Verbiegen der Magie zu etwas gewaltsam, irreversibel Entstellendem war böse und falsch. Tsunade musste davon erfahren, unverzüglich bei ihrer Rückkehr. Oder vielleicht schon früher, vielleicht sollten sie eine Nachricht schicken… „Was bedeutet das für uns?“, wollte Itachi wissen und Sakura konnte beinahe sehen, wie hinter seiner Stirn die Gedanken hin und her flitzten. „War diese Kreatur ein Auswuchs des Traumes?“ Das wäre natürlich eine Möglichkeit, wenn… „Nein.“, sagte Konan so bestimmt, dass es selbst Sakura überraschte. Wynn krächzte und breitete kurz die Schwingen aus. „Nein und wir müssen uns darauf einstellen, dass es nicht die einzige dieser Art ist. Dass es noch mehr gibt.“ Shizune tippte nervös mit den Fingernägeln auf der Tischplatte herum. „Es sind Auswüchse dunkler Magie, aber ich…“ „Aber sie sind zu töten wie ganz normale Tiere?“, warf Kisame ein und Konan nickte zögerlich. „Nach allem, was ich gesehen habe.“ „Wo ist dann das Problem? Wir werden mit solchen Viechern fertig. Ich bin mehr gespannt darauf, was Ibiki so herausgefunden hat.“ Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein. Doch der schnaubte nur. „Nicht sonderlich viel… “ „Was soll das bedeuten?“, knurrte der Kazekage aufgebracht und auch Sakura fürchtete die Antwort. „Hattet ihr keine Gefangenen?“ „Sie sind alle tot.“, antwortete Itachi. „Verstehen Eure Folterknechte denn ihre Arbeit nicht?“ Diesmal war es Ibiki, der antwortete, ruhig, aber scharf: „Doch, das tun wir. Wir haben ein paar Informationen, doch unsere Verhörten sind einer nach dem anderen tot umgefallen.“ „Die Schwarze Hexe…“, murmelte Konan und Shizune fasste sich an die Stirn. „Wir hätten das schon längst in Betracht ziehen sollen. Jemand so mächtiges und dunkles wird niemals auf diese Art der Blutmagie verzichten. Vermutlich hat sie ihre eignen Leute auf diese Art getötet, aus der Ferne.“ Der Kazekage gab ein wütendes Geräusch von sich. „Dann hättet ihr verdammten Hexen das verhindern können, wenn ihr nur daran gedacht hättet?!“ Sakura schnaubte. „Wohl kaum. Gegen diese Magie gibt es keinen Schutz. Aber keine Sorge – ohne ausrechende Mengen eures Blutes kann Euch niemand ähnliches antun.“ „Beruhigend.“, knurrte Kisame und Konan schnaubte. „Es ist sogar relativ leicht, das zu tun, aber es hinterlässt einen Makel auf der Seele des Anwenders.“ „Einen Makel?“, wollte Shikamaru wissen, die Stirn gerunzelt. „Eine Verunreinigung, die eine ganze Reihe Dinge zur Folge hat, zum Beispiel, dass bestimmte Zauber nicht mehr ausgeführt werden können.“, erklärte Shizune. „Allerdings sind das Zauber, für die jemand, der solch dunkle Magie anwendet, sowieso keine Verwendung hat.“, fügte Genma hinzu und zuckte mit den Schultern. „Spielt das eine Rolle? Wir wussten schon vorher, dass diese Hexe böse ist.“, knurrte Gaara. Er saß unter dem Fenster, außerhalb der Runde, als wollte er sich an der Diskussion gar nicht beteiligen und wäre nur an den Ergebnissen interessiert. „Jedenfalls“, fuhr Ibiki lauter fort, um die Aufmerksamkeit wieder zum Thema zu wenden. „haben wir erfahren, dass der schwarze Hexenmeister sehr mächtig ist, er jede Menge treu ergebener Krieger hat, die für ihn sterben werden und noch Schlimmeres zur Verfügung hat als ‚nur‘ Magie.“ „Es ist ein Mann?“, entfuhr es Sakura unwillkürlich und auch die anderen beiden Hexen wirkten überrascht. Konans Gesicht glättete sich schnell wieder zu einer unlesbaren Maske, während Shizune nachdenklich den Kopf senkte. Hatte sie etwa einen Verdacht? Wenn ja, dann war sie nicht bereit, darüber zu sprechen, denn sie sagte nichts. Doch Levai ließ von dem Schinken ab, an dem er gerade zupfte und stakste wieder zu ihr. Itachi nickte. „So viel konnten wir jedenfalls erfahren, bevor…“ Er breitete vielsagend die Hände aus. „Ändert das unsere Situation?“, wollte Shikamaru wissen und Sakura schüttelte den Kopf. „Nein. Die Kräfte von männlichen und weiblichen Hexen unterscheiden sich nur in wenigen Punkten, die hier alle keine Rolle spielen sollten. Hexer gibt es einfach seltener, woran auch immer das liegen mag.“ „Was uns Sorgen machen sollte, ist die Tatsache, dass sie ihn Hexenmeister genannt haben. Nur wenige dürfen diesen Titel tragen.“, bemerkte Neji leise, aber dennoch hörte ihn jeder. „Muss er ihn denn legitim erworben haben?“, warf der Kazekage ein. „Viele Leute nennen sich Ritter oder Fürst, aber da war kein Herrscher, der sie anerkannt hat, sie haben sich einfach dazu gemacht.“ Shizune seufzte wieder. „Nein, natürlich nicht. Aber wir sollten dennoch davon ausgehen, dass der Hexer zumindest ähnlich starke Kräfte hat.“ Temari schnaubte sehr undamenhaft. „Solange wir nichts Genaueres wissen, werden wir gar nichts ausschließen.“ Sie trommelte mit den Fingernägeln auf dem Tisch herum. „Die ganze Sache wächst uns über den Kopf.“, murrte Shikamaru neben ihr. „Mehr Gegner mit noch gefährlicheren Waffen, unbekannten Möglichkeiten und Geiseln in ihren Händen. Und wir wissen noch nicht einmal, wer sie sind!“ Der Aussage folgte eine Stille, die in den Ohren dröhnte. Temari hörte auf mit ihrem nervösen Klopfen und griff nach der Hand ihres Mannes und drückte sie. Sakura fühlte für sie. Der Kazekage mochte sich quer stellen, herumnörgeln und gegen alles und jeden sein. Aber diese beiden wussten genau, was auf dem Spiel stand. Hier und jetzt waren sie keine dykaischen Adligen mehr. Sie waren nur noch Eltern, deren Tochter in einer tödlichen Gefahr schwebte, die so wenig wussten, was sie tun sollten, dass sie sich an unbekannte Leute wandten, die ihnen Hass entgegenbrachten… In einer solchen Situation wollte Sakura niemals stecken. „Das ist wahr.“, antwortete Konan, doch ihr Tonfall ließ ahnen, dass da noch etwas folgen würde und alle Blicke richteten sich auf sie. „Das ist der Grund, warum ich den Genius Loci rufen werde, der beim Steinkreis lebt. Alles hängt damit zusammen.“ Ihre Stimme war so ruhig, dass sie gar nicht zu der verrückten Aussage zusammenpasste. Shizune jedoch sprang auf. „Das ist zu gefährlich!“ Auch Konan erhob sich nun, ihr Blick entschlossen. „Aber das einzige, was uns übrig bleibt.“ Nejis Gesicht hinter ihr wirkte verschlossen und sein Mund war nur eine zusammengepresste Linie, doch er widersprach nicht. „Konan…“, versuchte es nun auch Sakura, doch die andere Hexe unterbrach sie. „Er wird uns Antworten geben können. Er wird uns sagen können, was das für Symbole auf den Steinen sind und wofür der Kreis gebaut wurde.“ „Es ist trotzdem gefährlich.“, erklärte Genma und überkreuzte die Arme vor der Brust. Er sah, im Gegensatz zu Sakura und Shizune, nicht aus, als würde er die Idee rundheraus ausschließen. „Vergiss das nicht. Außerdem wissen wir nicht, ob er dir wirklich etwas erzählen wird.“ „Zu gefährlich.“, erklärte Shizune bestimmt. Ihre dunklen Augen funkelten. „Du wirst das nicht tun. Der Genius Loci wird dich eher töten als dir Informationen liefern!“ „Was ist ein Genius Loci?“, fragte Kisame dazwischen, doch niemand achtete auf ihn. „Was bleibt uns für eine andere Wahl?!“, fauchte Konan. Sie sah wütend aus, wild. Ganz anders als die beherrschte Frau, die sich immer so unter Kontrolle hatte. „Nein, die besten Chancen haben wir jetzt, mit so vielen außergewöhnlichen Kriegern hier!“ „Was ist ein Genius Loci?“, wollte Kisame noch einmal wissen, energischer diesmal. „Konan…“ Shizunes Stimme klang gefährlich und beunruhigend, obwohl sie sehr leise sprach. Die Angesprochene starrte sie an, dann richtete sie sich auf und holte tief Luft. „Es ist meine Entscheidung.“ Damit drehte sie sich um und ging. Neji folgte ihr ohne ein Wort, Wynn auf der Schulter. Shizune starrte ihnen nach, dann bot sie Levai die Hand an, der ohne Widerspruch auf ihren Arm kletterte, und sie und Genma verließen die Herberge ebenfalls. „Was ist ein Genius Loci?“, wiederholte Itachi Kisames Frage. Diesmal antwortete Sakura: „Eine Kreatur, mächtiger und gefährlicher, als Ihr es Euch vorstellen könnt.“ Dann ging auch sie hinaus, Hinata und Aja auf den Fersen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)