Frozen Codex von Sengo-sun (Sparrington) ================================================================================ Kapitel 5: Freezed News ----------------------- Eine kalte Nachricht * Niemals hätt’ ich gedacht, niemals hätt’ ich geglaubt, niemals hätt’ ich geahnt, dass sich dunkle Gitterstäbe aufbauen, um mich herum, mir meine Flügel drohen zu brechen, mir meinen Kopf nach unten biegen würden, als wär’ ich ein Getier, ohne jeglichen Willen, ohne jegliches Recht auf Freiheit. Rost und Eisen bohren sich in mein Gefieder. Der Schlüssel steckt im Schloss, doch ist’s für mich unerreichbar, oder schaff ich’s doch? Hinaus in die Freiheit? Wo der Wind verspielt um meine Nase weht, wo die Luft angefüllt von Freiheit ist, wo die Sonne strahlt, wie sie’s nur außerhalb von Gittern tut, wo Wolken so schön sind, wie’s in einem Käfig nie zu sehen wär, wo mich Freiheit umfängt. Ja, der Rost zerstört Eisen, bringt die Gitter zu fall, lässt mich frei! * N. J. M. James hatte Kopfschmerzen, mächtige Kopfschmerzen, die ihm erbarmungslos am Denken hinderten. Grummelnd fuhr er sich übers Gesicht. Das konnte einfach nicht wahr sein! Wütend presste er die Lippen aufeinander. Das konnte einfach nicht in diesem verfluchten Brief stehen! Er war Commodore der Royal Navy und kein Babysitter für diverse Piraten. Seufzend ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Das eingeschüchterte Schlucken von Edward ignorierte er gewissendlich. Mit vor Angst großen Augen starrte der kleine Junge ihn schon seit Stunden an. James korrigierte seinen Gedankengang, der Junge starrte ihn seid dem Moment ängstlich an, seit dieser in seinem Büro war. Normalerweise verlor James nicht seine eiserne Selbstkontrolle vor anderen Menschen, doch jetzt konnte er einfach nicht anders. Dieser Tag fiel definitiv nicht unter die Kategorie: Normal! Nach einer Weile stand er auf und trat an das Fenster seines Büros. Die Gewohnheit zwang ihn dazu seine Hände hinter seinem Rücken zu verkreuzen. Hinter seiner Stirn pochte es zwar immer noch doch so langsam bildeten sich klare Gedanken in seinem Hirn. Er spürte wie der Blick von Edward jede seiner Bewegungen verfolgte. “Wer hast du gesagt hat dich geschickt?” fragte James, drehte sich jedoch nicht um, sondern starrte weiterhin aus dem Fenster auf die See, die in diesem Moment so unweigerlich nahe und gleichzeitig verdammt weit weg war. Ein zögerliches Schlucken, gefolgt von einem leisen Räuspern zeigte ihm, dass Edward fieberhaft nach einer Antwort suchte. “Mein Captain.” fiepte der Gefragte leise. Die Augenbrauen des Commodores zogen sich zusammen. Ein harter Zug bildete sich um seine Lippen. “Wie heißt dein Captain?” fragte er ruhig, doch dem kleinen Jungen rann es bei dem Klang seiner Stimme eiskalt den Rücken runter. “Captain Frank-” fing Edward piepsend an wurde jedoch von einem energischen Kopfschütteln vom Commodore unterbrochen. Langsam holte James tief Luft und stieß sie hörbar aus. “Dein Captain heißt mit Sicherheit nicht Franklin. Also noch mal Junge: Wie heißt dein Captain?” kam es bedrohlich über seine Lippen. Langsam drehte er sich um und sah den eingeschüchterten Jungen streng an. Dieser kauerte sich tiefer in seinen Sitz, der auf lächerliche Art viel zu groß war für einen so kleinen Knaben. Ängstliche Kinderaugen starrten ihn an. Der kleine Mund öffnete sich und schloss sich wortlos wieder. Nervös kaute Edward auf seiner Unterlippe herum und senkte den Blick, nur nicht in diese stechenden grünen Augen starren, schoss es ihm durch den Kopf. Er hatte Angst und was für welche! Ein seltenes Lächeln huschte kurz über das Gesicht des Piratenjägers. Erinnerte ihn das Verhalten des Kleinen schmerzlich an seine eigene Kindheit. “Nun gut. Dann werde ich dir wohl verraten müssen wie dein Captain heißt.” meinte er, wieder seine kalte, abweisende Maske von Selbstdisziplin aufsetzend. Erschrocken sah Edward auf. Hatte er seinen Captain verraten? Aber wie? Und wann? Konnte dieser große, schlanke Mann Gedanken lesen, wie behauptet wurde? Er versuchte sich tiefer in den Sitz zu pressen in dem er saß doch es ging nicht. Sein Vater hatte Recht behalten, er war ein mieser Pirat! Nur seinen Trotz, den er von ganz klein auf hatte ließ den Piratensohn nicht vollends verzweifeln. Trotzig sah er auf, direkt in zwei abwartende grüne Smaragde. James hatte das stumme Mienenspiel des Jungen beobachtet und war leicht erstaunt als er in zwei graue, trotzig dreinblickende Augen sah. Er trat einen Schritt auf den Jungen zu, dessen Blick hektisch jede seiner Bewegungen verfolgte. “Dein Captain, korrigiere mich, wenn ich falsch liege, hört auf den Namen Merris Frank, nicht wahr Edward?” James deutete auf das so harmlos wirkende Blatt Papier, das seelenruhig auf seinem Schreibtisch lag. Für einen kleinen Moment konnte James amüsiert beobachten, wie das Gesicht von Edward vollkommen entgleiste und zu einer entsetzten Grimasse wurde. Große Augen starrten auf den Brief, der Mund war aufgeklappt und die Augenbrauen waren ebenfalls verrutscht. Doch schnell hatte sich der Kleine wieder gefangen. Hastig schüttelte Edward seinen blonden Schopf. Die Augenbrauen hebend meinte James: “Das, nehme ich an, heißt Ja.” “N- Nein!” brach es aus Edward hervor. “Nein? Bist du dir sicher?” provokant wanderte eine Braue nach oben. “Ja... Also nein... also ich meine... Er heißt nicht Merris Frank. Wer heißt, denn schon Merris Frank?” nervös grinsend plapperte Edward los. “Nun, es gibt einen gesuchten Piraten der den selben Namen trägt, wie dein Captain. Also vermute ich, dass ein Pirat so heißen würde.” James drehte sich weg von dem kleinen Häufchen Elend, dass Edward nun bot. Verzweifelte Tränen stiegen in die Kinderaugen. Er versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken doch konnte er ein leises, klägliches Wimmern nicht aufhalten. “Keine Angst Edward. Ich werde dich weder verhaften noch hängen lassen.” kam es ungewohnt sanft über die Lippen des gefürchteten Piratenjägers. Nein, Kinder konnte James nicht hängen, man konnte sie noch retten, wie er es zu nennen pflegte. Durch seine Hand wurde noch kein Kind gehängt, außerdem... Sein Blick fiel wieder auf den Brief... hatte er eine Übereinkunft - ein sogenanntes Versprechen - zu erfüllen. “Kannst du lesen, Edward?” sprach er weiterhin mit sanfter Stimme, während er auf seinen Schreibtisch zuging um den Brief zu holen. Zögerlich nickte Edward. Man hatte ihm lesen beigebracht, als er noch an Bord seines Captains war. Der Captain höchstpersönlich hatte ihm Unterricht gegeben, darauf war er ziemlich stolz. Er hatte einen besonderst ehrenwerten Mann als seinen Captain, der jedem in seiner Crew lesen und schreiben beibrachte. “Was ist? Kannst du lesen oder nicht?” fragend drehte sich James um, in einer Hand hielt er den ordentlich geöffneten Brief. Da er Edward den Rücken zu gewand hatte, hatte er das Nicken des Jungen nicht bemerkt. Dieser nickte erneut. “Gut. Hier ließ.” James streckte ihm den Brief entgegen. Misstrauisch beäugte er zuerst den wartenden Commodore, dann den Brief. Was soll´s, dachte er bei sich und griff nach dem Stück Papier. Langsam flogen seine Augen über die geschriebenen Wörter, formte sie mit seinem Mund zögernd nach, las manche Sätze mehrmals um ihren Zusammenhang und deren Inhalt zu verstehen, bis er ans Ende des Briefes kam. Kurz runzelte er die Stirn. Das war ein ziemlich ungewöhnlicher Brief, wenn er richtig gelesen hatte - er blickte erneut prüfend auf die geschwungenen Wörter - war dieser Brief völlig unlogisch und die darin enthaltene Bitte nicht erfüllbar. Es sei denn, Edward sah auf und starrte seinen Gegenüber an. Dieser hob abwartend eine Braue. “Das, was hier drin steht ist...” er sah wieder auf das vergilbte Papier, ehe er murmelnd fortfuhr,“... unmöglich.” James nickte zustimmend. Der junge Bursche war also keineswegs auf den Kopf gefallen, dachte er im stillen. Er scheint sogar ziemlich intelligent zu sein für sein Alter und seine Herkunft, prüfend betrachtete er Edward und dessen schmutzige Erscheinung. “Das ist richtig. Die Bitte deines Captains ist nicht möglich.” hörte er sich selbst sagen. Er sah wie der kleine Junge vor ihm hörbar schluckte. “Aber-” fuhr er unbeirrt fort, “- dein Captain scheint diverse Kontakte zu haben, denn mich erreichte vor kurzem ein mysteriöses Schreiben von oberster Stelle der Royal Navy, darin steht, dass sobald mich ein Brief von einem Mister Merris erreichen würde, ich die Bitte in folgendem Brief zu erfüllen habe, dieses Schreiben wurde von drei hohen Amtmitgliedern der Royal Navy beglaubigt und unterschrieben.” er zog aus seinem blauen Uniformrock einen weiteren Brief zum Vorschein. “Das heißt, obwohl diese Bitte gegen jegliche Rechte verstößt und auch gegen jede meiner Prinzipien bin ich dazu gezwungen sie zu erfüllen.” Erneut meldeten sich diese verfluchten Kopfschmerzen wieder, diesmal heftiger als vorher. Fest kniff sich James in die Nasenwurzen. Zum erstenmal in seiner Karriere als Navy- Offizier wollte James den Befehlen trotzen und sich ihnen widersetzen, doch er konnte es nicht. Er war an das Gesetz gebunden. “Was wird jetzt aus mir, Commodore Norrington?” die flüsternde Frage riss ihn aus seinen verdrießlichen Gedanken. Fragende graue Kinderaugen sahen ängstlich zu ihm hoch, als wäre er der Tod höchstpersönlich, nun für die Piraten bin ich das wohl, dachte James grimmig. “Du hast den Brief gelesen, dann weißt du auch, was mit dir passiert.” einen Augenblick weilten seine Augen auf die Gestalt des Jungen, ehe er etwas lauter rief: “Lonley!” Die Tür zum Büro des Commodore wurde geöffnet und der Fettsack streckte seinen Kopf herein. “Ja, Sir?” “Begleite den jungen Mister Edward in mein Heim und sorge dafür, dass er gewaschen wird und neue Kleider bekommt.” meinte James und nahm den verwirrt dreinblickenden Edward den Brief wieder ab. “Aber Sir!” wollte Lonley protestieren doch ein scharfer Blick aus grünen Augen ließen ihn verstummen. Brummelnd nickte er und fixierte Edward böse funkelnd. “Geh schon.” sagte James zu dem völlig irritierten Jungen, bevor er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ, den Brief auseinander gefaltet in den Händen. Als von den beiden - Edward und Lonley - keine Reaktion kam, wiederholte James seinen Befehl leicht genervt: “Mister Lonley, haben sie mich nicht verstanden? Sie sollen den jungen Mister Edward in mein Heim geleiten und dafür sorgen, dass er gewaschen wird und neue Kleidung bekommt.” Eilig nickend griff Lonley nach Edwards Hand und zog diesen aus dem Büro. Als die Tür mit einem erlösenden dumpfen Laut ins Schloss fiel, seufzte James erleichtert auf. Endlich Ruhe. Erlösende, guttuende Ruhe. Nachdenklich betrachtete er die geschriebenen Zeilen vor sich: Mein hochverehrter Commodore Norrington, Ihr wurdet derweil bestimmt schon längst über mein Schreiben informiert, so wie ich die ordentliche, stets disziplinierte Navy kenne. Ich werde vorneweg anmerken, dass dies Euch höchstwahrscheinlich weder gefallen noch zusprechen wird. Mein Name ist Merris Frank, ehemaliger Offizier der Navy, ich habe folgende Bitte an Euch, werter Commodore und ich hoffe sie wird Eure so hochgepflegten Grundprinzipien nicht über den Haufen werfen: Ein guter Freund von mir steckt seid geraumer Zeit in großen Schwierigkeiten. Er ist Euch sehr bekannt, schließlich habt Ihr ihm, ehrenwerter Weise, einen Tag Vorsprung gewehrt. Bestimmt ahnt Ihr bereits um wen es sich handelt. Ich bitte Euch ihn auf seiner folgenden Reise zu Unterstützen, indem Ihr ihn begleitet, in ein Meer jenseits das unsere. Er wird nach Port Royal kommen um zu Euch zu kommen. Ich habe auch ihm ein Schreiben zukommen lassen, in dem ich ihm von Eurer Hilfe berichtet habe. Folgt meiner Bitte Commodore, zu Eurem eigenen Wohl. Merris Frank. Diese seltsamen nachdrücklichen Worte machten ihm, auch wenn er es nicht zugeben wollte, ein kleinwenig Angst. Er, James Norrington, sollte auf Sparrow [style type=“italic”]aufpassen[/style]? Was um Gotteswillen hatte er verbrochen, dass er sich mit einem [style type=“italic”]Piraten[/style] verbinden sollte - wohl viel eher musste -, noch dazu mit einer chaotischen, dauerbetrunkenen Nervensäge mit Namen Jack Sparrow. Lange Zeit saß er so da, in seinen eigenen düsteren Gedanken versunken, bis er sich aufraffte und nach Hause ging. Die Nacht war Sternklar, der Wind rauschte in den Palmen und das Meer blieb ruhig. Eine entspannte Stille legte sich über Port Royal. Eine tiefempfundene idyllische Ruhe senkte sich über die Gemüter der Bewohner der Hafenstadt. Es war Nacht, Zeit zum schlafen, doch der Commodore fand keinen Schlaf, nur dunkle eisige Träume angefüllt voll Schmerz und Tod breiteten sich vor seinen Augen aus, sobald er die Lider schloss. Es war ihm unbegreiflich, was er träumte, denn es schien ihm, dass er durch die Augen eines anderen mit ansehen musste wie er selber starb! Das schlimmste an diesen Träumen war, dass er die Angst und den seelischen Schmerz des anderen fühlte als wäre er sein eigener. So verbrachte er die Nacht damit sich unruhig im Bett zu wälzen. Schweiß glitzerte an seinem Oberkörper, der sich dem warmen Griff der Decke entwunden hatte. Die helle Haut des Commodore glänzte matt im fahlen Licht des Mondes. Kühle Meeresluft strich über den erhitzten Körper und ließ diesen erschauern. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihm aus. Plötzlich riss James die Augen auf und schnellte hoch, die Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet. Keuchend sah er sich um. Nach einigen Augenblicken, in denen er panisch nach Luft rang, sickerte in sein aufgewühltes Gehirn, dass er in seinem Bett lag und er nicht in Gefahr war. Erleichtert sank er zurück in die weichen Kissen. Fahrig fuhr er sich durch das verschwitzte Haar, das unangenehm auf seiner Stirn klebte. “Ein Traum.” hörte er sich selbst sagen, mit ungewohnt brüchiger Stimme. “Ein Traum, weiter nichts.” wiederholte er seine Worte und schloss erneut die Augen. Doch ruhige Träume kamen in dieser Nacht nicht. Alle waren voll mit eisiger Kälte, die nach dem wild schlagendem Herz von ihm Griff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)