Bomb Run von KateFromHighburyPark (Eine US-Bomberbesatzung im 2. Weltkrieg) ================================================================================ Kapitel 4: Hannover ------------------- „Heck an Pilot.“ „Hier Pilot.“ „Da wir ja heute, wie die Deppen, am Schluss dieser Formation fliegen, haben wir ein Problem.“ „Und was für eins?“ mischte sich Matt ein. „Ich hasse Probleme.“ „Ein Haufen Messerschmitts, von sechs Uhr tief!“ „Diese Probleme hasse ich auch!“ schimpfte Danny und begann die feindlichen Flugzeuge anzuvisieren. Kurz darauf begann das Flugwerk der Liberty Lilly unter den Rückstößen der Rumpf- und Heckgeschütze zu beben. „Navigator. Welcher Kurs?“ Keine Antwort. Wieder mal. Davis stampfte wütend mit dem Fuß auf. Ging das schon wieder so, dass Chase ihn ignorierte? Was war da vorne in dieser Kuppel nur ständig los? „Navigator!?“ Chase saß in sich zusammengesunken auf dem Boden der Plexiglaskuppel und übergab sich in eine seiner Papiertüten. Und Gorsky hing zusammengesunken über seinem Bombenzielgerät und richtete sich auf, als er den Ruf nach dem Navigator hörte. Er kam schwankend auf die Beine und gab Chase einen Tritt in die Seite. „Steh’ auf, um Gottes Willen!“ Chase ließ einen letzten Schwall in seine Papiertüte, richtete sich dann auf und wischte sich mit dem Handschuh über den Mund. Er knüllte die Papiertüte zusammen und schmiss sie durch die MG-Luke, durch die Gorskys Geschütz ragte. Dann setzte er sich auf seinen Stuhl vor dem kleinen Tisch, auf dem seine Karten und Tabellen lagen, und machte weiter als sei nichts gewesen und geschehen. „Kurs sechs-zwo-zwo.“ „Danke, Navigator. Wurde auch Zeit.“ Davis hielt die Steuersäule fest umklammert und versuchte den Propellerböen der vor ihnen fliegenden Maschine auszuweichen. Die vielen Flugzeuge hatten sich, wie verängstigte Glucken, zusammengeschoben, als hofften sie dadurch auf mehr Schutz. Was sich allerdings für die Bordschützen als Nachteil auswirkte, denn sie hatten kein freies Schussfeld, ohne die Maschine neben sich zu erwischen. Die ganze Formation begab sich jetzt in eine leichte Rechtskurve. Sie befanden sich über den Niederlanden, knapp vor der deutschen Grenze und hielten direkt auf Hannover zu. Doch die Messerschmitts und Focke-Wulfs verfolgten sie. Im Moment feuerte nur vereinzelt die Flak. Chase blickte auf die Karte, wo der rote Strich sich quer hindurchzog, wie ein Pfad ins Verderben. Auf ihrem Weg würden sie Osnabrück überfliegen. Ob die Flak dort stark sein würde? Ob Jäger da waren? Über Hannover würde die Flak jedenfalls stark sein, das wussten sie aus der Einsatzbesprechung. Auch lagen in der Nähe deutsche Jägerflugplätze. Einsatz Nummer vier, dachte Verge in seinem Kugelturm Gestern Krefeld, heute Hannover. Die werden uns doch nicht jetzt schon erwischen. Gerade jetzt, als wir uns einigermaßen zusammengerauft haben. Sogar er selbst hatte beinahe kein Magenflattern mehr, obwohl er einen der gefährlichsten Plätze im Flugzeug hatte. Unter ihm schoss plötzlich ein grau-brauner Blitz vorbei. Eine Focke-Wulf. Er konnte sie, in dem kurzen Moment in dem er sie nur sah, an der charakteristischen gedrungenen Schnauze erkennen. Doch sie war so schnell aus seinem Blickfeld verschwunden, dass er nicht mal den Finger zum Abzug bewegen konnte. Er drückte das Pedal und der Kugelturm bewegte sich mit einem Surren nach links und wieder zurück. Immer wieder. Er durfte nicht unaufmerksam werden. Don hielt sich an den Seiten seines Funkertischs fest und betete, diese Stöße, woher sie auch kamen, würden endlich aufhören. Auf seinem Tisch herrschte Chaos. Alles war durcheinander geflogen. Karten, Funktabellen, Positionsangabenblätter und sein Logbuch, welches sich irgendwo unter den Tisch verabschiedet hatte. Hinter ihm im Rumpf schrien sich Matt, Curtis und im Heck Danny gegenseitig Positionen von feindlichen Flugzeugen zu. Auch Verge wurde nicht ausgelassen. Die deutschen Jäger stürzten sich, wie wütende Bienenschwärme, aus allen Richtungen auf den amerikanischen Bomberverband. „Er kommt von unten, Kugelturm. Siehst du ihn?“ „Klar, doch.“ Verge blinzelte und feuerte mit Vorhalt auf die Messerschmitt, die ihm ihre gelbe Nase entgegenstreckte. Seine Garben, jedes dritte Geschoss war ein Leuchtspurgeschoss, gingen weit vorbei. Doch der deutsche Pilot ließ seine Maschine trotzdem abkippen. Verge sah, dass sie viel weiter unten wieder abgefangen wurde, aber in eine andere Richtung verschwand. Er atmete erstmal auf. „Matt, wie sieht’s bei dir aus?“ „Beschissen sieht’s hier aus. Überall schwirren die Hunnen herum. Und eben haben sie der Montana Miss den Rumpf durchlöchert. Aber ihre beiden Schützen feuern noch.“ „Die Montana Miss, sagst du? Hoffentlich macht sie’s bis heim. Ihr Funker schuldet mir noch Geld vom Pokern.“ „Die schaffen es, keine Sorge. Die bleiben an uns hängen, wie ein schlechter Penny.“ Die Montana Miss war wirklich übel angeschossen wurden. Als Davis die Liberty Lilly näher an sie heranrücken ließ, erkannte er, dass ihr ein Stück der rechten Tragfläche fehlte. Zudem war ein Geschoss von unten eingedrungen und hatte sich den Weg quer durch den Rumpf gebahnt. Der rechte Rumpfschütze hatte ein paar Splitter abbekommen, war aber nur leicht verletzt worden. Ihre Motoren waren auch in Ordnung. Sie konnte ihren Weg nach Deutschland ungehindert fortsetzen. Osnabrück. Dieser Ortsname würde Verge noch lange in Erinnerung bleiben, obwohl sie die Stadt nur streiften. Ihr Kurs führte sie etwa drei Kilometer an der Stadt vorbei, aber die Flakgeschütze schienen sich außerhalb um die Stadt zu postiert haben. Die müssen geschossen haben, dass ihnen die Läufe geglüht haben, dachte Verge und schüttelte sich. Er saß auf dem Rumpfboden, den blutenden Arm an sich gepresst. Es war vor zehn Minuten passiert. Sie streiften Osnabrück auf ihrem Weg nach Hannover. Der Verband war immer noch dicht zusammengedrängt. Die Piloten hielten krampfhaft die Steuersäulen umklammert. Sie befanden sich eigentlich schon beim direkten Anflug auf das Ziel . Nach Hannover waren es noch knapp 100 Kilometer. Dann war es passiert. Ein Flakgeschoss war direkt neben Verge’s Kugelturm in den Rumpf eingedrungen. Und explodiert. Verge hörte den Knall, etwas im Kugelturm klirrte und er stieß gleichzeitig die Hände nach oben, um die Einstiegsklappe zu öffnen. Seine tragbare Sauerstoffflasche kapselte er mit einem automatischen Handgriff von der Leitung. Da merkte er, dass der Kugelturm schwankte. Wie eine Schaukel, hin und her. Sein Magen begann, so fühlte es sich zumindest an, in freien Fall überzugehen. So wie er selbst gleich, dachte er, wenn er nicht bald aus dem schwankenden Turm herauskam. Mit Mühe öffnete er die Einstiegsklappe und stemmte die Hände auf die Seitenränder. Langsam zog er sich hoch. Da kamen zwei Paar helfende Hände in Sicht und packten ihn an den Oberarmen „Komm, alter Junge“, ächzte Matt. „So schnell werden sie dich nicht los.“ Er verzog vor Anstrengung das Gesicht. Soviel konnte Verge von dessen Gesicht über der Sauerstoffmaske sehen. Curtis begann ebenfalls schwer zu schnaufen, als er Verge aus dem Kugelturm hievte. Das letzte Stück schafften sie mit Schwung und die drei Männer landeten auf einem Haufen im Rumpf. Matt fluchte phantasievoll und befreite sich aus dem Menschenknäuel. Er warf einen Blick auf den Kugelturm und stieß einen verdutzten Pfiff aus. Curtis und Verge wandten die Köpfe. Da bekam die Lilly wieder einen Schlag ab und bockte. Matt ging neuerlich zu Boden. In dem Moment löste sich der Kugelturm aus seiner Verankerung. Aus der Verankerung, die durch das Flakgeschoss von vorhin sowieso schon beschädigt war. Verge steckte den Kopf durch das Loch und schluckte. Das hätte er sein können, der da zu wie ein Stein Boden fiel. Plötzlich packte Curtis ihn am Arm und zog ihn zurück. „Lass sehen!“ Er inspizierte Verge’s Arm. „Den sollten wir verbinden und dann setzt du dich da neben Don und bleibst ruhig.“ Der hört sich an wie ein Sanitäter, dachte Verge und brüllte vor Schmerzen, als Curtis ihm die dicke Schaffelljacke auszog. Da begann das Heckgeschütz zu feuern und das Flugzeug erbebte. Curtis schnaufte und plärrte dann in den Äther. „Don, beweg’ deinen Hintern mal hier rüber!“ Don blickte erstaunt von den Funktabellen auf und um die Rückwand, wo Verge am Boden saß und sich den Arm hielt. Curtis saß neben ihm, er winkte Don zu, stand auf und begab sich wieder an sein MG. Don griff unter den Funktisch und zog den Erste-Hilfe-Koffer heraus. Er warf noch einen Blick zum Funkgerät und horchte aufmerksam in den Äther. Keine Angaben oder Rufe an ihre Maschine. Dann stand er auf und huschte zu Verge hinüber. „Übrigens, Skip, “ sagte Curtis durch die Bordsprechanlage, als das Geballer um ihn herum wieder ein wenig ruhiger geworden war. „Unser Kugelturm ist futsch.“ Es war kurz still im Äther. Dann sagte Davis, seine Stimme war heiser, anscheinend war er sichtlich erschrocken. „Und Verge?“ „Hier im Rumpf, dem geht’s gut. Du weißt ja, Skip, Unkraut vergeht nicht.“ Curtis hörte, wie Davis erleichtert aufatmete und Verge ihm einen Blick zuwarf, unter seiner Sauerstoffmaske aber keine Grimassen ziehen konnte. „Chase, wie wär’s, wenn du dem Skipper endlich mal den genauen Kurs zum Zielanflug steckst?“ Gunny grummelte ins Mikrophon. Chase schreckte aus einem schlechten Tagtraum auf und blinzelte. Sein Atem flog. Er hatte ihn gesehen. Den Deutschen, der das letzte Mal die Hun Jumper aus dem Himmel geschossen hatte. Und er hatte die Männer der Besatzung der Hun Jumper gesehen. Wie sie neben der Lilly her flogen und ihm zuwinkten. Dann waren sie in einem grellen Licht verschwunden. Wenn ein Traum auf der Liste schlechter Träume den ersten Platz hatte, dann dieser. Er schüttelte noch einmal den Kopf um die Gedanken davonzutreiben, dann blickte er auf seine zitternden behandschuhten Hände und auf den roten Strich, der knapp vor Hannover stand. „Kurs halten, Pilot. Halten direkt aufs Ziel zu.“ „Zeit?“ „Etwa drei Minuten bis zum Zielanflug.“ „Danke.“ Gorsky begab sich auf diese Unterhaltung nach hinten in den Bombenschacht und machte die Bomben scharf. „Bombenschütze?“ „Aye, Skipper.“ „Alles klar zum Flugzeug übernehmen?“ „Alles klar. Ich übernehme.“ Davis drückte den Knopf und schaltete den Autopiloten ein. Dann ließ er langsam die Steuersäule los. Die Lilly hielt sich sicher. Gorsky blinzelte und wischte sich über die Augen. Dann blickte er wieder durch das Visier des Norden-Bombenzielgeräts. Unter ihm befanden sich noch grüne Felder, dunkle Flecken, wahrscheinlich Wald. Nach ein paar Sekunden änderte sich jedoch das Bild. Hausdächer kamen in Sicht. Breite Straßenzüge. Dann Fabrikdächer, die die sie suchten. „Etwa eine Minute bis zum Ziel“, sagte Chase. „Alles klar“, sagte Gorsky. „Skip? Bombenklappen auf.“ „Bombenklappen offen.“ Die Flak begann so urplötzlich zu schießen, dass keiner der Männer in den Flugzeugen darauf gefasst war. Gorsky zuckte zusammen und brachte die Lilly zum schwanken. Doch er hatte sie gleich wieder ruhig in der Luft liegen. Die Flak schoss, doch die Flying Fortresses flogen so ungerührt weiter, als könne ihnen keiner etwas anhaben. Gorsky atmete noch mal tief durch und beugte sich tiefer über das Zielgerät. Das Fadenkreuz des Visiers überflog langsam die Fabrikdächer. Auf der Einsatzbesprechung hatten sie sich die Luftbilder von Hannover angesehen. Von den Fabriken, die sie bombardieren sollten. Es waren langgezogene Dächer, länger als die, die er gerade unter sich hatte. Dann kamen sie in Sicht. Die richtigen Dächer. Auf einmal waren sie da. „Achtung!“ sagte Gorsky und ließ den Zeigefinger über dem Auslöseknopf kreisen. Dann drückte er ihn. „Bomben los!“ Rund um sie herum begannen viele kleine schwarze Gebilde aus den Rümpfen der Bomben auf den Boden zu zutorkeln. Die Liberty Lilly bäumte sich auf, wie ein Lastpferd, das eben von großem Ballast befreit wurde und nun über die Weide davon stürmen wollte. Davis übernahm sie in diesem Moment wieder und hielt das große Flugzeug auf Kurs. Dann flogen sie die Wendung und waren drauf und dran den Luftraum über Hannover hinter ihnen zu lassen. Verge lehnte an der Rückwand des Rumpfes und starrte gebannt aus dem großen Loch, dass der Kugelturm hinterlassen hatte. Unten erblickte er die Feuerblitze, die die explodierenden Bomben hinterließen. Es waren ganze Reihen von Explosionen. Danach stiegen Rauchsäulen auf. Die Flak blies ihnen weiter die Geschosse entgegen. Die Aufklärungsflugzeuge würden nachher ihren Heidenspaß daran haben, Rauch und Nebel zu fotografieren. Mehr würden sie nicht sehen. Außer sie warteten lang genug, bis der Qualm sich legte. Sein Arm schmerzte, das Blut sickerte langsam durch den Verband. Das Geschoss hatte ihn irgendwo am Oberarm erwischt, und offenbar schlimmer als erwartet. Don hatte die Blutung erstmal stillen können, doch als die Lilly einen Schlag abbekommen hatte, hatte er sich abstützen müssten und wäre beinahe verrückt vor Schmerzen geworden. Und dann hatte die verdammte Wunde wieder zu bluten begonnen. Danny im Heck traute seinen Augen nicht. Weit und breit keine Jäger. Nur Flak. Flak soweit das Auge reichte. Überall kleine schwarze Wölkchen, die, wenn sie nicht schwarz gewesen wären, wie Wattebäusche angemutet hätten. „Die Kerle ballern auf uns, was sie an Geschossen haben“, sagte er. „Was du nicht sagst. Ich habe den Verdacht, ich übersehe die Jäger, falls es so weitergeht.“ Matt starrte durch die geschossgeschwängerte Luft und hielt sich, als das Flugzeug bockte, an seinem MG fest. „Haltet die Augen offen, denn sobald wir aus der Reichweite der Flak heraus sind…“ Davis ließ den Satz unvollendet, denn seine Besatzung wusste was dann kommen würde. Kurz nach der niederländischen Grenze kamen sie dann. In Schwärmen. Anscheinend waren die Niederlande reich mit deutschen Jägerflugplätzen beschenkt worden. Die Niederlande, schon 1940 von deutschen Truppen besetzt, waren ein Land, das von Bombern, englische in der Nacht und amerikanische am Tag, also beinahe ständig überflogen wurde. Außer sie waren auf einer Mission nach Süddeutschland. Dann überflogen sie Belgien oder Luxemburg. Ein Luftraum, der jedoch meistens beim Überfliegen vermieden wurde, war der des Ruhrgebiets. Über dem Ruhrgebiet keinen Flaktreffer abzubekommen galt als Wunder. Ebenso stark verteidigt waren Bremen, Hamburg und Berlin. Allesamt Ziele, die bei den Einsatzbesprechungen lautes Lamento und Gestöhne auslösten. Die Liberty Lilly bekam Geschosse von allen Seiten zu spüren. Die ersten Angriffe gingen an ihnen vorbei und richteten sich auf die unteren Flugzeuge. Die deutschen Jäger kamen von schräg unten. Die Lilly flog zwar am Schluss, aber in der mittleren Staffel. Die ersten Angriffe konzentrierten sich also meistens, falls die feindlichen Jäger genug Höhe hatten, auf die oberen hinteren Flugzeuge. Sonst, wie in diesem Fall, wurden die unteren zuerst aus dem Himmel geschossen. Am Heck jagten die schmalen Rümpfe von Messerschmitts und Focke-Wulfs, wie graue Schatten, vorbei. So schnell, dass Danny sie nicht erwischen konnte. Er fluchte phantasievoll. Schräg unter ihm konnte er den Navigator einer anderen Maschine in der Astrokuppel stehen und hinausschauen sehen. Ihr eigener Navigator Chase saß allerdings meistens wie festgewachsen auf seinem Sitz, außer er musste seine vollen Tüten aus der MG-Luke werfen. Das war das einzige Mal, dass er aufstand. Danny rieb sich den schmerzenden Rücken mit einer Hand und versuchte dann eine bequemere Position zu bekommen. Was allerdings kläglich scheiterte. Das Heck war zu eng, das MG zu groß und er selbst war auch nicht der kleinste Mensch. Er war zu lang, so sah es aus. Seine langen Beine passten nicht so richtig hier rein. Wieso zum Teufel hatte man ihn bei der Grundausbildung zum Heckschützen gemacht? Matt und Curtis hatten mehr Glück, da die meisten Angriffe von seitlich kamen. „Hier linker Rumpf. Ich hab hier eine ganze Ladung Krauts von der neun Uhr. Nimm’ sie dir vor, Thomps!“ Thomps, dem noch die Nachwirkungen der durchzechten Nacht, eine von viel zu vielen durchzechten Nächten, nachhingen, rieb sich die Augen und kniff sie dann zusammen um besser sehen zu können. Der Himmel war dunstig und trüb. Ob es an der Hochwetterlage lag, die die Wetterfrösche für die ganze Woche voraussagte, schien ihm komisch. Normalerweise war der Himmel bei solch einer Wetterlage klar. Oder die Wetterfrösche hatten bei ihrem Bericht gepatzt. Thomps tippte auf letzteres, denn das war meistens der Fall. Einmal hatten sie klare Sicht am Zielort vorausgesagt, als sie dann über dem Ziel hingen und außer riesigen Wolkentürmen nichts sehen konnten, schimpfte sogar der Kommandeur herum. Wie aus dem nichts schossen plötzlich drei Focke-Wulf 190 an ihm vorbei. Er riss sein Geschütz herum und jagte ihnen eine Ladung Blei hinterher. Der letzten Maschine brachen Teile von der Tragfläche ab, sie flog aber ungerührt weiter. Die Piloten machten einen Abschwung über die linke Fläche, den Thomps neidisch bewundert hätte, wenn er auf einer Vorkriegsluftshow stattgefunden hätte. Doch er biss die Zähne zusammen und behielt den Luftraum über sich im Auge. Gegen halb drei Nachmittags landeten sie sicher in Donthorpe. Als Davis die Lilly auf der Asphaltbahn aufsetzte atmeten alle hörbar auf. Dieser Einsatz war wahrlich kein Zuckerschlecken gewesen. Davis’ Hände zitterten immer noch, als er seinen großen Bomber parkte und die Motoren abstellte. Dann schnallte er sich ab und stieß die Ausstiegsluke auf. Mit den Füßen zuerst schwang er sich hinaus und sackte beinahe zusammen, so weich waren seine Knie. Eine ganze Weile später, als das De-Briefing mit den Nachrichten-Offizieren vorbei war, ging Luke Gunn hinaus zu den Flugzeugen und um einen kleinen Spaziergang zu machen. Die anderen hatten sich entweder in ihrer Baracke niedergelassen oder den Pub aufgesucht. Auf keines der beiden Möglichkeiten hatte Gunny Lust. Weder wollte er schlafen, noch sich betrinken. Alkohol war sowieso nicht sein Ding. Und schlafen konnte er nicht, weil seine Gedanken immer noch über Deutschland fest hingen. Und das war zuviel des Guten. So ließ sich kein guter Schlaf finden. Er schlenderte an den Maschinen vorbei, die zum Teil sehr mitgenommen aussahen. Aber majestätisch standen sie da, im fahlen Abendlicht. Die Sonne stand schon tief und schickte ihre warmen Strahlen über das flache Land von East Anglia. Gunny erblickte die Montana Miss, deren Rumpf halbwegs wieder geflickt worden war. Überall prangten silberne Flecken, die von Nieten gehalten wurden und an dem Flugzeug aussahen wie Narben. Narben vom Kampf. Flaknarben. Die Granate, die dich trifft, siehst du nicht. So pflegten die Männer es zu sagen und beließen es dabei. Auch Gunny. Wenn eine Granate oder ein Geschoss für ihn bestimmt war, war es eben so. Und solange nicht, tat er seine Arbeit. Egal ob ihm da oben schlecht vor Angst war, oder nicht. Er strich über die raue Außenhaut des Rumpfbodens der Maschine, knapp vor dem Kugelturm. Der Kugelturm ihrer eigenen Maschine fehlte noch. Aber Verge war sicher auf dem Boden und nur leicht verletzt, das war das Wichtigste. Hosted by Animexx e.V. 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