Bomb Run von KateFromHighburyPark (Eine US-Bomberbesatzung im 2. Weltkrieg) ================================================================================ Kapitel 2: Der erste Einsatz ---------------------------- Dann endlich flogen sie ihren ersten Einsatz. Etwa drei Wochen, nachdem sie in Donthorpe angekommen waren. Um fünf Uhr in der Früh wurde Davis unsanft von einer Ordonnanz geweckt. „Guten Morgen, Lieutenant, Sie fliegen heute.“ Davis schüttelte die Hand ab, die ihn an der Schulter hartnäckig schüttelte. „Schon gut, ich bin wach. Verflixt noch mal.“ Er schwang die Beine aus dem Bett und stützte seine Hände auf die Knie. Neben ihm schälte sich Gunny aus seinen Decken und gegenüber fiel Don aus dem Bett, und krachte auf den harten Holzboden. „Himmelnochmal, musst du mich so erschrecken?“ fuhr er die Ordonnanz, einen jungen Private, an, der sich schleunigst zum nächsten Bett verzog, um dessen Bewohner Chase, und danach Gorsky, zu wecken. Man musste den Männern nur aus dem Weg gehen, wusste er, es gab kaum einen, der kein Morgenmuffel war. Es war ihnen auch nicht zu verdenken, bedachte man, was sie erwarten würde. Don kam auf die Beine und fluchte weiter. „Da kriegt man ja die Krätze. Mann. Mist!“ Er warf einen Blick zu Davis, der eine Grimasse zog. Dann begann er seufzend seine Uniformteile zusammenzusuchen, die er am letzten Abend überall verteilt hat. Er quälte sich in die beheizte Unterwäsche, zog seine Uniform und darüber seinen Schaffellanzug an. Fünfzehn Minuten später stand Davis fertig angezogen vor der Baracke und rauchte, während er auf die anderen wartete. Sein Blick schweifte über den Flugplatz. Es war beinahe noch dunkel, doch langsam begann sich am Horizont ein leuchtender Streifen zu zeigen. Verfärbte Wolken in rosa und orange, vermischten sich mit dem dunklen Blau des Nachthimmels. Langsam wurde es hell. Die B-17, die gegenüber der Baracken vor den Hangars standen, waren bedeckt von feuchtem Morgentau und die Nebelschwaden der Nacht, die sich ihre Tragflächen und Fahrwerke umgaben, begannen sich langsam zu lichten. Kleine Gestalten huschten zwischen den Maschinen umher, die Mechaniker, die die Flugzeuge vorbereiteten. Sie mussten wohl schon Stunden auf den Beinen sein, um die Mashcinen zu betankten, mit Bomben zu beladen, die Motoren zu prüfen. Gerade erwachte ein Motor stotternd zu Leben, nur um kurz darauf wieder zu verstummen. Stille senkte sich wieder über den Platz, dessen Luft in einer, vielleicht eineinhalb Stunden von Motorengebrüll erfüllt sein würde. Nach dem Frühstück, das sehr üppig ausfiel und zu dem Gorsky bemerkte, das es wohl ‚das letzte Abendmahl’ darstellen sollte, gesellten sich alle Männer im Besprechungssaal zusammen und nahmen in eine Reihe platz. Gunny, Davis, Gorksy, Chase und Don nahmen an den Besprechungen teil, da ihre Aufgaben die wichtigsten im Flugzeug waren. Für Chase waren die Wetterberichte, die Sammelpunkte wichtig, Davis und Gunny mussten die Route kennen, Don bekam Funkanweisungen, die Erkennungs- und Rufzeichen, und Gorsky die Zielkoordinaten. Andere Daten die für den Bombenabwurf, wie Boden- und Windgeschwindigkeiten, die wichtig waren, würde er von Chase während des Fluges erfahren. Es herrschte gedämpftes Gemurmel im Saal, wo sich ungefähr hundert Männer befanden, und warteten dass ihnen das Ziel ihres Fluges bekanntgegeben wurde. Vorne hing eine große Europa-Karte, die mit einem schwarzen Tuch verdeckt worden war. Hinter dem schwarzen Tuch war mit einem roten Strich die heutige Einsatzroute eingezeichnet. Davis knetete nervös seine Hände. Nur jetzt nicht vor Nervosität unkonzentriert werden, schoss ihm durch den Kopf. Das hatte schon viele Männer gekostet. Einen Navigator auf der Nachbarbasis hatte es damals erwischt, als er übermüdet in der Besprechung saß, sich den falschen Kurs aufgeschrieben hatte und seine Maschine frontal gegen einen Berg in Südwales gesteuert hatte. 10 Mann tot, ohne Feindeinwirkung. Wie der Navigator sich so verrechnen konnte, war den Männern die den Unfall untersucht hatten, immer noch schleierhaft. Aus diesem, und vielen anderen Gründen, schrieb Davis immer alles mit, damit er im Notfall eingreifen konnte. Nicht dass er Chase nicht vertraute, aber man wusste nie. Es konnte ja auch über dem Ziel irgendein unvorhergesehener Zwischenfall passieren. Chase neben ihm auf dem Stuhl war aschfahl. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst und seine rechte Hand lag auf seinem Magen. Außerdem krümmte er sich regelmäßig nach vorne, als litt er unter Magenkrämpfen. Vor seinen Augen flimmerte es, er sah schwarze Flecken und die senkten sich über seine Pupillen und engten sein Sichtfeld beträchtlich ein. Und genau in dem Moment wurde der schwarze Vorhang vor der Tafel weggezogen und das Einsatzziel verkündet. Saint-Malo in Frankreich. Ein Bombenangriff auf deutsche U-Boote, die im Hafen lagen. Es gab Aufklärer-Fotos, die an die Wand gepinnt worden waren, und den Hafen von oben zeigten. Chase krümmte sich wieder nach vorne. Wenn es so weiterging, würde er sein Frühstück über den Boden des Besprechungssaals verteilen. Doch insgeheim war er froh, dass ihr erster Einsatz sie nicht nach Deutschland führen würde. Eine Stunde später saßen die Männer auf ihren Plätzen in der Maschine. Im Cockpit waren die Startchecks gemacht und dann die Motoren angeworfen worden. Alle vier Motoren brummten gleichmäßig und warteten darauf, dass Davis die Bremsen lösen würde. Davis’ Finger hatten die Steuersäule im Schraubstockgriff. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Auch Gunny sah nicht aus, als würde er sich auf den kommenden Einsatz besonders freuen. Freuen konnte man sich sowieso nicht. Sie konnten sich nachher freuen, falls sie den Einsatz unbeschadet überstehen würden. Gunny warf einen Blick nach rechts durch die Cockpitseitenscheibe. Ihre Maschine, Liberty Lilly, stand noch auf der Wartepiste, währenddessen neben ihnen, auf der Hauptstartbahn schon die ersten Fortresses mit aufheulenden Motoren und züngelnden Flämmchen an den Auspuffrohren, in den sich langsam erhellenden Himmel, starteten. Fünf Minuten später röhrten auch die Motoren von Liberty Lilly auf, und Davis jagte sie über die Startbahn dem Himmel entgegen. Das Rumpeln der Räder über den rauen Asphalt ließ plötzlich nach und Lilly war in der Luft. „Fahrwerk einziehen.“ Gunny drückte den Schalter und wartete auf das Rumpeln, als die Räder in den Tragflächen verschwanden. „Fahrwerk drin.“ Davis nickte und wandte sich an Chase. „Welchen Kurs, Navigator?“ Es knisterte im Äther. „Navigator?“ Vorne in der Kuppel gab Bombenschütze Gorsky Chase einen Stoß in die Rippen, damit dieser sich endlich aus seiner Starre löste, die ihn, seit sich die Räder des Flugzeugs vom Boden gelöst hatten, befallen zu haben schien. „Sorry, Skipper. Kurs drei-vier-zwo.“ „Danke.“ Davis wunderte sich über Chase, sagte aber nichts. Er stellte den Kurskreisel auf den von Chase vorgegebenen Kurs, und legte sie sanft in eine Rechtskurve, um sie zum Sammelpunkt über Maidstone zu führen. Über Maidstone kreisten sie eine halbe Stunde, bis alle Flying Fortresses der vielen verschiedenen Verbände die den Einsatz mitflogen, sich in ihre jeweilige gestaffelte Formation begeben hatten. „Navigator, wie weit noch bis zum Ziel?“ „Zielanflug einleiten. Etwa 10 Minuten noch.“ Chase richtete sich von seinen Karten auf, zog mit dem Lineal den letzten Strich und sah dann zu Gorsky hinüber, der über seinem Bombenzielgerät hing. „Gut“, antwortete Davis und richtete sich an Gorsky. „Bombenschütze, bereit zu übernehmen?“ „Yeah, Skipper. Mehr als bereit.“ Gorsky spähte durch sein Bombenzielgerät, sah unter sich aber nur das bleigraue Wasser des Ärmelkanals vorbeiziehen. Spätestens in drei, vier Minuten hatten sie das Zielgebiet erreicht und dort würde sie höchstwahrscheinlich die Flak erwarten. Wenn nicht sogar ein Haufen deutscher Jäger, die auf Beute aus waren. Gorsky richtete sich ein Stück auf und sah nach vorne, wo ihnen die weißen Kreidefelsen der normannischen Küste entgegenblitzen. Und dann sah er etwas, was ihm ganz und gar nicht behagte und was er schon die ganze zeit gefürchtet hatte. Kleine schwarze Punkte. Eine ganze Masse davon, schräg rechts oben. „Du lieber Himmel, Leute. Seht ihr das, was ich sehe?“ Curtis, der über seinem MGs und durch die Luke spähte, klang entsetzt. „Ich sehe auch welche. Unter mir, sie kommen von der Halbinsel her. Und ich kann es nicht erwarten, ihnen eins zu verpassen.“ Heckschütze Danny zog krachend den Ladeschieber seines MGs zurück und feuerte eine kurze Salve ab, um sein MG zu testen. Matt und Curtis taten es ihm nach. Ebenso Thomps im oberen Geschützturm und Kugelturmschütze Verge in seiner ‚Mausefalle’. Davis sah die deutschen Jäger ebenfalls. Die Punkte wurden schnell zu kleinen silbernen Kreuzchen, deren Tragflächen in der Sonne glitzerten. Sie waren gut tausend Meter höher als der Bomber-Verband und machten sich zum Angriff bereit. Sie teilten sich in Schwärme zu je 4 Flugzeugen, kippten über die Flächen ab und griffen, wie ein wütender Bienenschwarm, den Verband an. Die Piloten der Bomber konnten nichts tun, außer sitzen zu bleiben und zu beten, dass der Angriff nicht ihre Maschine erwischen würde. Sie saßen da wie Tauben auf der Stange. Die ersten beiden Messerschmitt-Jäger zischten im negativen Sturzflug vorbei und stürzten sich auf den unteren Verband. Sofort begannen die Bordgeschütze der B-17 zu rattern und bald bedeckten Geschosshülsen den Boden rund um die MGs. „Bombenklappen auf.“ „Offen.“ Davis blickte auf das grüne Licht, das anzeigte, dass die Klappen offen waren und nickte. „Bombenschütze?“ „Hört.“ „Übergebe die Maschine.“ Davis schaltete den Auto-Piloten ein. „Alles klar, Skipper. Ich übernehme.“ Davis ließ seine Hände langsam von der Steuersäule gleiten. Die Maschine machte keine Anstalten auszubrechen. Der Auto-Pilot funktionierte also anstandslos. Jetzt konnte er nur dasitzen und warten. Warten darauf, dass Gorsky die Bomben mitten ins Ziel schmiss und dann wieder an ihn übergab. Dannys Blick hing an der Fortress hinter ihm, die auf sechs Uhr unter ihm hing und von deutschen Messerschmitts bis aufs Blut beharkt wurde. Er linste durchs Visier, ließ seinen Zeigefinger über den Abzug gleiten, spähte noch mal durchs Visier und dann hatte er den Kerl endlich mitten im Visier. Sein MG begann zu rattern und die ganze Hecksektion der B-17 schien unter den Rückstößen zu beben. Er sah seine Leuchtspurgeschosse weit an dem Rumpf der Messerschmitt vorbeigehen und fluchte unterdrückt. Aber zumindest ließ der Deutsche von seinem Opfer ab und scherte unter der B-17 weg. Danny verlor ihn aus den Augen. Matt und Curtis standen Rücken an Rücken im Mittelteil der Fortress und feuerten, dass ihre MG-Läufe glühten. „Kugelturm, da kommt gleich einer von rechts, “ brüllte Curtis über das Knattern des MGs hinweg. „Ich seh’ ihn. Scheiße, der stürzt sich frontal auf die Hun Jumper.“ „Der Kerl dreht nicht ab. Er feuert und feuert, “ schrie Thomps. Und plötzlich war es still im Äther. Eine plötzliche Explosion ließ Lilly erbeben und eine schwarze Wolke zog von rechts über sie hinweg. Davis hatte alle Hände voll zu tun, das Flugzeug wieder in seine Gewalt zu bringen, denn es zuckte und bockte wie ein junges Pferd, dem man zum ersten Mal einen Sattel aufgelegt hatte. Curtis hatte den Kopf eingezogen und linste über seinen MG Lauf hinweg, durch die schmale Luke, durch die er normalerweise seine Geschosse feuerte. „Verdammt“, murmelte er. „Verdammt, noch mal.“ „Der Kerl hat sie gerammt.“ „Er hat sie nicht gerammt. Er hat sich in einfach in sie hineingeflogen, “ sagte Danny kopfschüttelnd. Die Männer sahen den Resten nach, die einmal Hun Jumper gewesen waren. Ein Teil der Tragfläche trudelte wie ein Blatt Papier auf die grünen Felder Nordfrankreichs zu. Es war das größte Teil, dass von der Fortress, die normalerweise über 30 Meter Spannweite hatte, übrig geblieben war. Von dem deutschen Jäger war gar nichts mehr da. Nur noch die schmutzig-braune Rauchwolke hing am Himmel und zeugte davon, dass hier vorhin noch zwei Flugzeuge, in denen Männer gesessen hatten, gewesen waren. Die dreihundertzweiunddreißigste hatte zwei Maschinen über dem Zielgebiet von Saint-Malo verloren. Die restlichen zehn Fortresses wurden auf dem Rückweg von einem weiteren Haufen Jägern beharkt, aber sie kamen davon, wenn auch manche mit irreparablen Schäden. Eine Maschine musste kurz vor der englischen Küste eine Notwasserung machen. Die Männer der Liberty Lilly sahen den Männern der notgewasserten B-17 zu, wie sie über die Tragflächen kletterten und sich ins Wasser stürzten, um nicht vom Sog der untergehenden Maschine unter Wasser gezogen zu werden. Kurz darauf erblickten sie einen kleinen gelben Punkt, das Schlauchboot, und atmeten erleichtert auf. Auf Donthorpe baute die Tasty Tottie eine Bruchlandung inmitten des Runways und musste erst von einigen Zugmaschinen von der Piste geschleppt werden, bevor die anderen Maschinen landen konnten. Zum Abschluss der ganzen Mission wurden bei der anschließenden Nachbesprechung die Nachrichtenoffiziere aufs wildeste beschimpft, wieso kein Geleitschutz aufgetaucht war. Die Kerle wussten doch, wieviele deutsche Jagdstaffeln in Nordfrankreich stationiert waren. Davis war mit seiner Besatzung zufrieden, besonders mit Danny, der eine andere Maschine vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt hatte. Er selbst war nicht stolz auf sich, weil er da oben Todesängste ausgestanden hatte, außerdem zitterten seine Hände wie bei einem alten Mann. Zum Verwundern aller, hatte Gunny auf dem Rückweg sein Muffensausen soweit in den Griff bekommen, dass er die Maschine sogar sicher und ohne Hopser gelandet hatte. Verge und Curtis waren nach der Nachbesprechung auf Nimmerwiedersehen verschwunden und würden vor dem Abend sicher nicht mehr auftauchen. Ebenso wie Matt und Thomps, die sich ein Paar Fahrräder von den Mechanikern ausgeliehen hatten und ins Dorf gestartet waren. Davis legte sich auf die Tragfläche seiner Maschine und wollte seinen Gedanken nachhängen, wollte ergründen was er besser machen konnte. Doch nach kurzer Zeit war er eingeschlafen, und die beklemmenden Gedanken ließen ihn vorerst in Ruhe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)