Fushin von abgemeldet (Storyboard von 2006) ================================================================================ Prolog: Flashback ----------------- Mehr als zwei Jahre nachdem ich umgezogen war und meine Verlobte getroffen hatte, sass ich nun hier, in einem dunklen, ordentlich Raum, auf meinem Bett. Meine Arme hingen schlapp zur Seite. Die Kraft verliess mich immer mehr. Auch das Zeug, das ich zu mir nahm, brachte nicht mehr die Wirkung, die es früher erzeugt hatte. Schlaftabletten, Heroin oder andere Mittel, nichts konnte mich mehr beruhigen und mir meinen ersehnten Frieden bringen. So sass ich wieder da, mit einer Spritze neben mir: Erhöhte Dosis. Bereits jetzt fühlte ich, wie ich von diesem Gefühl umtänzelt wurde und welches mich langsam in eine Dunkelheit zog. Die Karte, die ich dauernd in meiner Hand hielt und nicht aus den Augen lassen wollte, entglitt aus meinem schwachen Griff, als ich rückwärts auf das Bett fiel. Ich spürte nur noch ganz leicht, wie das Telefonkärtchen ähnlich einer Feder auf meine Brust niedersank. Ich wollte das es nicht verlieren, so tastete ich meinen Körper ab, ohne jeglichen Orientierungssinn. Schliesslich hielt ich es in der Hand und umschloss es mit meinen Fingern, ganz fest. Kaum hörbar murmelte ich einen Namen vor mich hin. Ich lag regungslos auf dem Bett und musste einem Toten geglichen haben. Meine Haut war um einiges gealtert und hatte auch an Farbe verloren, da ich in den letzten Jahren jeglichen Kontakt zur Aussenwelt mied. So wusste ich nicht einmal mehr, wie lange es her war, seit ich das letzte Mal die Sonne erblickt hatte. Meine Haare, die einmal ein kräftiges Orange hatten, waren nun mehr braun-grau und ganz verfilzt und ungepflegt. Meine Verlobte musste sich ziemlich für mich schämen, bei meinem Zustand. Ich glich nicht mehr dem Sonnenschein, wie sie mich früher manchmal betitelte. Viel mehr war ich ein Häufchen Elend, welches keinen Sinn mehr im Leben sah, vor sich hin vegetierte, weil es diese graue Welt nicht verlassen durfte. Wenigstens blieb mir die Ausflucht in meine Träume. Ich brauchte sie, damit ich nicht gänzlich dem Wahnsinn verfiel. Zurück in die schönen Zeiten, als das Leben noch lebenswert war, zurück in das Leben, das dem Paradies glich. Kaum war ich ganz von diesem undefinierbaren Rausch erfüllt, öffnete sich vor mir eine Welt, jene von damals. Ich sah mich selbst, als 18-jähriger, munterer Junge, der vor jenem Haus stand, in welchem ich nun lag und vor mich hinträumte. Wie so oft versetzte ich mich in die Haut von diesem Jungen, um meine Geschichte ein weiteres Mal erleben zu können und auch um jene wieder zu treffen, die ich wohl nie wieder sehen würde. Es war nur ein kleiner Trost in meinem sinnlosen Leben aber ich gab mich damit zufrieden. Schliesslich würde ich nun wieder auf die Suche nach den Antworten auf so manche Fragen gehen können, was ich falsch gemacht hatte, weshalb alles so weit kommen musste, ob das Ganze wirklich krankhaft abnormal war und ob ich, oder jemand anderes, das Ganze hätte abwenden können, um somit einigen Menschen vor ihrem Unheil zu bewahren. Heute würde ich mir alles noch einmal mit seinen guten, wie auch schlechten Seiten vor Augen führen. Von Anfang an. Wobei sich bereits hier die Frage stellte; wo hatte alles begonnen? War es die Scheidung meiner Eltern? Der Umzug? Meine Geburt? Die Entstehung der Menschheit? Auf diese Frage wusste ich keine Antwort und ich entschloss mich, bei dem Ereignis einzusteigen, als ich ihr das erste Mal begegnete: Meiner grossen Liebe, die ihre Schicksalsfäden um mich wickeln sollte und mich zu dem machte, was ich jetzt war: Ein drogenabhängiges Häufchen Elend, dass sich eben in einem seiner Träume auf Zeitreise begeben hatte. In eine Zeit der Intrigen, der Lügen, der Liebe, der Drogen, der Treue, des Verrates und der Affären; dem Schauplatz eines Familiendramas. Kapitel 1: Doppeldate! ---------------------- Vor dem grossen Einfamilienhaus, das beinahe schon einer Villa glich, stand ich. Nervös vor dem, was mich jetzt erwarten würde. Ich war drauf und dran, mich ins Unglück zu stürzen, das glaubte ich jedenfalls. Es war an der Zeit die Eltern meiner Freundin kennen zu lernen. All die Geschichten von missglückten Dates mit den zukünftigen Schwiegereltern hatten mich ziemlich verunsichert. Bestimmt würde ich mich aufs Äusserste blamieren und mit hohem Bogen aus dem Elternhaus fliegen. Doch Kneifen war jetzt nicht angebracht. Ich schloss meine Augen, atmete einmal tief durch und klingelte entschlossen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis die Eingangstür endlich geöffnet wurde. Beim Anblick, welcher sich mir nun darbot, musste ich einige Male blinzeln, um das, was ich da sah, richtig wahrzunehmen. Seit wann hatte sie denn einen Bruder? Davon hatte sie mir ja gar nichts erzählt. Mir stand ein gross gewachsener Mann gegenüber, der so um die 30 Jahre alt sein musste. Da! Da war doch bereits die erste Panne! Ich brachte fürs Erste einfach kein Wort aus mir raus. Immer noch mit dem Vorsatz einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, verneigte ich mich krampfhaft, wobei das Letztere nicht gewollt war. Aber es wäre gesünder für mich gewesen, erst den Abstand zu dem Herrn einzuberechnen, denn nun knallte ich mit meinem Kopf gegen den fremden Oberkörper. Neben dem aufkommenden Schmerz an meiner Stirn, verspürte ich nun auch das Verlangen, mich auf der Stelle in Luft aufzulösen. Doch der schwarzhaarige Mann schien das nicht sonderlich zu stören. „Du bist also der Freund von Hinata? Kira, richtig?“ „Ja - ja genau d - der bin ich… entschuldige... äh... entschuldigen sie… ich - das tut mir schrecklich leid!“ Ich hatte mich wieder aufgerichtet und grinste nervös. Auch wenn mir immer noch der kalte Schweiss über den Rücken lief, irgendwie beruhigte mich die gelassene Reaktion des Älteren. „Darf ich Fragen, wer sie sind?“ Der Mann betrachtete mich für eine Weile und musste anschliessend etwas verlegen schmunzeln. „Das werde ich oft gefragt. Ich bin Hinatas Vater, auch wenn man mich dafür immer ein paar Jährchen zu jung einstuft.“ Darauf wusste ich nichts mehr zu entgegnen. Das war also der Vater meiner Freundin Hinata? Der sah dafür wirklich verdammt jung aus! „Komm doch rein.“, bot mir der Herr an, was ich dann auch tat. Der erste Eindruck, welcher ich von der Innenausstattung des Hauses bekam, war die vorherrschende Ordnung. So sah es also in einem Haus aus, in welchem wohlhabende Leute wohnten. Ich durfte gleich zu Beginn im Haus herumstöbern, bis Hinata und ihre Mutter fertig waren. Mit was sie fertig werden mussten, wurde mir später klar. Ich ging also durch die Räume, welche viel Platzt aufwiesen. Wunderschöne Kunstwerke zierten die Wände und die Winkel des Hauses. Die Möbeleinrichtung schien nicht alt zu sein. Sie wirkte modern und gut gepflegt - eben wie neu. Kaum war ich mit dem Rundgang zu Ende, spürte ich auch schon, wie sich plötzlich Arme um mich schlangen und eine Person an mir haftete. Ich musste nicht im Geringsten überlegen, wer sich da wortwörtlich an mich rangeschmissen hatte. Vor allem ihre freudige und lebendige Stimme hatte sie verraten. „Kiraaaaaaa!“, schrie sie mir energiegeladen ins Ohr. Ich verlor nur mein Gleichgewicht und knallte auf den harten, polierten Parkettboden. „Hinata…“, stöhnte ich nach der Bauchlandung, als sie scheinbar nicht von mir runtersteigen wollte. Sie schien sich wirklich über mein Dasein zu freuen, denn sie schmiegte sich an mich und stand erst nach einer Weile auf. Erst jetzt begrüsste ich sie und gab ihr einen Kuss. Nun bemerkte ich auch, dass wir bereits Zaungäste hatten. Der Herr, bei dem ich einen roten Fleck an meiner Stirn eingefangen hatte, stand da mit einer ebenso verhältnismässig jungen Frau im Arm, und grinste uns an. ‚Peinlich’ dachte ich. Die Mimik der Frau, wenn man das überhaupt als Mimik bezeichnen konnte, war kühl und glich mehr einem Gespenst. Sie schien keine Gefühle zu haben. Ein eigenartiges Bild war das: Ein grinsender, gut aussehender Mann, der eine lebende Leiche im Arm hielt. Ohne, dass ich diese zwei merkwürdigen Gestalten, die Hinatas Eltern sein sollten, weiter erforschen konnte, zerrte Hinata mich, wie auf der Flucht, die Treppe hoch in ihr Zimmer. Erst jetzt, als wir ungestört waren, konnte ich meine ganze Aufmerksamkeit diesem zierlichen Mädchen widmen. „Endlich Ruhe vor den beiden!“, stöhnte sie schwer und liess sich aufs Bett fallen. Ich stand da und realisierte jetzt erst, weshalb nicht sie es war, die mich an der Tür empfangen hatte. Hinata steckte in einem bezaubernden Kleid. Für normale Leute musste es das pure Kitschkostüm sein aber für mich unterstrich es nur ihren Charakter und ihre Figur. Es war verziert mit einer Menge an Details und Rüschchen. Um den Rock anzuziehen, musste es viel Zeit gekostet haben. Ich schien vorläufig die Sprache verloren zu haben, was bestimmt auch mit der stürmischen Begrüssung in diesem Haus zu tun hatte. Um wieder einen klareren Kopf zu kriegen, schaute ich mich im Zimmer um. Es gab aber nicht sonderlich viel zu sehen. In diesem Raum herrschte die gleiche Ordnung wie im Rest des Hauses. Die Oberflächen waren leer geräumt und glänzten vor sich hin. Nur etwas entdeckten meine Augen: Auf der Ablagefläche neben ihrem Pult war ein Foto zu sehen. Ich war so frei und betrachtete das Bild von nahem. Abgebildet war eine Frau, in ihren besten Jahren. Für mich hiess das, dass sie so um die 22 Jahre alt sein musste. „Wer ist das?“ Hinata gab mir nicht sofort eine Antwort und blickte mich nicht an. Das liess mich spüren, dass das ein besonderes Bild sein musste. Im Gegensatz zu der stürmischen Umarmung vorhin im Gang klang ihre Stimme nun ganz kleinlaut. „Das ist meine Mutter…ich weiss, ich habe es dir nie erzählt, aber Megami, die jetzige Partnerin meines Vaters, ist nur meine Stiefmutter…“ Ich schaute sie leicht ungläubig an. Hinata war ein offenes Buch für mich und konnte nicht vor mir verbergen, dass da noch mehr sein musste. In diesem Augenblick wurde mir das erste Mal klar, dass hinter der erfolgreichen Familie Kazumoto, welche im Besitzt der gesamten Sora-Hotelkette war, welche nicht nur Sitze in Japan hatte, sondern weit über das Land hinaus bekannt war, eine geheimnisvolle und finstere Geschichte versteckt war. Ich wollte vorläufig nicht noch weiter nachbohren. Hinata schaute mich anschliessend auch mit diesem Blick an, der darum bat, nicht über dieses Thema sprechen zu müssen. Ich versuchte die düstere Stimmung zu beheben. „…was werden wir heute machen? Du wirst dich wohl nicht meinetwegen so rausgeputzt haben, oder?“ Aufgrund des abrupten Themawechsels schaute sie mich unsicher und leicht irritiert an. Schliesslich stand sie auf und versuchte mir vorzuspielen, dass alles bestens wäre, so wie sie sich eben sonst immer verhielt. Sie setzte ein Lachen auf, welches alles rundherum auch zu einem Lächeln bewegte. „Wir machen ein Doppeldate!“, verkündete sie voller Begeisterung. „…ein Doppeldate.“, wiederholte ich skeptisch, als hätte ich eben eventuell etwas falsch verstanden. „Ja. Ein Doppeldate mit meinen Eltern.“ Mich trat der Esel. Ein gemeinsames Date mit ihren Eltern? Da hatte sich Hinata aber wieder einmal etwas ganz Originelles ausgedacht. „Jetzt guck doch nicht so, als würde gleich die ganze Welt einstürzen. Das wird bestimmt lustig. Die Zwei sind echt in Ordnung und schämen muss man sich bei den Beiden auch nicht.“ Nun liess auch ich mich mit einem Seufzer auf das weiche Bett plumpsen. Wieder konnte ich nur hoffen, das Hinata Recht hatte und sich dieser Tag nicht doch noch in die Hölle verwandelte. Einige Minuten später war es dann auch so weit. Alle vier, mich eingeschlossen, waren abmarschbereit. Ich kam mir eigenartig neben den restlichen Dreien vor. Alle waren rausgeputzt und gut gekleidet. Und ich? Ich stand in meinen gewöhnlichen Freizeitklamotten da: Jeans und ein T-Shirt. Um die Schultern hatte ich noch einen Pullover gebunden, für den Fall, dass es gegen Abend kälter werden würde. Immerhin war es bereits Herbst. Den ersten Teil des Nachmittags verbrachten wir mit einem Spaziergang. Wir, also Hinata und ich, gingen den Erwachsenen voraus. Wir hatten kein Interesse daran, hinter den zwei Turteltauben nachlaufen zu müssen. Der ganze Weg führte erst an einem Fluss entlang und mündete in einem Wald. Ich kannte die Gegend nicht und liess mich überraschen, was Hinata sich wohl sonst noch alles ausgedacht hatte. Nach ungefähr einer Stunde spazieren, kamen wir zu einer kleinen Waldlichtung, die vor allem von Nadelbäumen umgeben war. Mitten auf der Wiese stand ein altes Holzhaus, geschmückt mit bunten Details. Es war ein Restaurant, ein kleiner Privatbetrieb, der auf hausgemachte Eiscreme spezialisiert war. Ich musste Hinata nicht einmal danach fragen, weshalb wir ausgerechnet hier her gegangen waren. Das war zu offensichtlich. Diese Umgebung, die Gestaltung des Hauses, die Arbeitsuniform der Angestellten, alles mit Rüschchen und Spitzen verziert. Es musste einfach das Paradies für Hinata sein, hier her zu kommen. Obwohl - Eis im Herbst an einer kleinen Lichtung, an welche nur wenig Sonnenlicht vordrang? Das war für mich zwar nicht die gewohnte Umgebung zum Eisessen. Aber es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Ganz friedlich war es hier. Vor allem waren nur sehr wenige Gäste anwesend und wir konnten uns mehr oder weniger sicher sein, hier ungestört unseren Aufenthalt verbringen zu dürfen. Was dann doch nicht so toll war, kaum sassen wir und hatten die Bestellkarte zur Hand genommen, begann das ’Verhör’. Mich wunderte es nur, dass Megami nun langsam aufzublühen schien und ihre Sprache gefunden hatte, jetzt da wir in dieser idyllischen Umgebung waren. Durch ihren Gothic-Stil, den ebenfalls schwarzen Haaren und ihrem bleichen Gesicht, das noch immer sehr wenige Emotionen enthielt, war sie mir zwar immer noch sehr unheimlich. „So Kira, dann erzähl doch einmal. Hinata will es uns ja nie erzählen. Wie habt ihr Zwei euch denn gefunden?“ „Megami!“, zischten Hinata und ihr Vater gleichzeitig, um sie bereits jetzt etwas in Zaum zu halten, was jedoch nicht sonderlich viel half. So verbrachte ich einige Zeit damit, ihr meine ganze Geschichte darzulegen, dass sich meine Eltern geschieden hatten, und ich dadurch nach Osaka gezogen war, dass ich an der neuen Schule Hinata getroffen habe und dass wir dann mehr oder weniger durch Zufälle ein Paar geworden sind. Noch während ich am erzählen war, stellte uns die Serviertochter auch bereits die Coups auf den Tisch, die einfach unwiderstehlich gut aussahen. So waren wir uns schnell einig, dass wir uns erst einmal einem anderem Thema widmeten; Dem Eis-Löffeln. Es schmeckte wirklich hervorragend. Es schien mir, als hätte ich seit einer Ewigkeit kein Eis mehr bekommen. Geniesserisch leckte ich die kalte Leckerei vom Löffel. Das musste ziemlich zweideutig ausgesehen haben, denn es ging nicht lange, da konnte ich die Blicke der anderen an mir spüren. Vor allem jener von Hinata. Sie schien regelrecht auf mein Eis eifersüchtig zu werden und schaute mich schmollend an. Ich konnte nur mit Müh und Not mein Schmunzeln verstecken, als sie es mir gleich tat und sich leidenschaftlich ihrem Eis widmete. Das sah in der Tat sehr süss aus. „Darf ich von deinem Eis probieren?“, fragte ich mit einem unschuldigen Unterton. „Nein!“, fauchte sie mich an, fügte anschliessen undeutlich hinzu: „Du bist ja offensichtlich genug mit deinem beschäftigt.“ So ging es bei uns des Öfteren zu und her. Aber wir verstanden uns. So hielt mich auch nichts zurück, sie in aller Öffentlichkeit in einen etwas innigeren Kuss zu verwickeln. Für diese Aktion erntete ich zwar eine kleine Ohrfeige von ihr, dafür konnte ich wenigstens von ihrem Coup einen Versucher erhaschen. Bis auf diesen kleinen Vorfall ging der Rest des Tages friedlich vorbei. Wir diskutierten noch über allerlei Themen, die nicht jeder in Anwesenheit seiner Eltern zu besprechen wagte. Es war wirklich ein wunderschöner Tag gewesen. Hinatas Eltern schienen mich zu mögen. Es war richtig lustig mit ihnen. Da stimmte es mich schon beinahe traurig, als es Abschied nehmen hiess. Nach diesem Sonntag konnte ich bereits behaupten, die Familie Kazumoto zu kennen. Die Mutter, oder genauer genommen die Schwiegermutter von Hinata sah nur unheimlich aus aber ihr Charakter war eigentlich ziemlich sanft, wenn in gewisser Weise auch sehr neugierig. Eigentlich glich sie sehr meiner Mutter, was mich später auch noch sehr beschäftigen würde. Kazumoto-san (’-san’ ist in Japan eine höfliche Anrede, wie bei uns Herr/ Frau X) kam mir auch ziemlich sympathisch vor. Er war eher ein ruhiger Mensch und schien keine Macken zu haben. Er strahlte auch Geborgenheit und Schutz aus. Vielleicht empfand ich dies auch nur deswegen, weil ich keinen Vater mehr hatte. Den Kontakt zu meinem Vater hatte meine Mutter abbrechen lassen. Schlussendlich ging ich mit dem Gefühl nach Hause, eine neue Familie gefunden zu haben, eine Familie, die mir bereits jetzt sehr am Herzen lag. Kapitel 2: Eine private Führung ------------------------------- „Um Gottes Willen, Kira! Wir sind nun schon knapp vier Monate in dieser Stadt. Willst du nicht endlich in einen Club eintreten? Du rostest mir sonst noch ein.“ Das war eine meiner ’beliebten’ Arten von meiner Mutter begrüsst zu werden, wenn ich nach einem langen Schultag nach Hause kam und eigentlich nur meine Ruhe haben wollte. „Mama, ich werde mich ja darum kümmern aber lass mich jetzt bitte in Ruhe. Ich habe noch für eine Prüfung zu lernen.“ Es war Mittwoch, wenige Tage nach dem geglückten Treffen mit Hinatas Eltern. Ohne auch nur eine Reaktion von meiner Mutter abzuwarten verzog ich mich auf mein Zimmer und plumpste fix und fertig auf mein Bett. Es verstrich nicht viel Zeit, bis ich bereits eingeschlafen war. Jetzt hatte es selbst ein Attentäter schwer, mich aus meinem Tiefschlaf zu reissen. Und das lernen für die Prüfung? Das fiel für den heutigen Tag aus. Am nächsten Tag schaffte ich es gerade noch rechtzeitig in die Schule. Mein Pech, dass die Prüfung in der ersten Stunde war. Es war eine Wirtschaftsprüfung. Ein Fach, das ich erst hier an der neuen Schule kennen gelernt hatte. Die restlichen Schüler waren mit dem Fach bereits bestens vertraut. Sie kannten es schon seit der ersten Klasse. Das Lernen des Vorabends wäre für diese Prüfung gedacht gewesen. Kein Wunder, dass ich unter diesen Umständen mehr oder weniger ein Ratespiel daraus machen musste. Seit ich hier her gezogen war, hatte ich mich an einiges gewöhnen müssen. Dass ich ein Neuling an diesem Ort war, schrieb sich auch in meinen Noten nieder. Auch mein körperlicher Zustand musste indirekt darunter leiden. Meine Mutter hatte schon Recht. Es war nötig, dass ich wieder irgendwo in einen Sportclub eintrat, damit ich weiterhin physisch fit blieb. Nachdem der Schultag vorbei war, erkundigte ich mich bei Hinata nach ihr bekannten guten Clubs. „Du willst also in einen Club eintreten? Hast du denn schon genauere Vorstellungen, was du machen willst?“ Ich zuckte mit den Achseln. „Weiss nicht, etwas Neues würde mir nicht schaden.“ „Was hast du denn zuvor gemacht?“ „Kampfsport. Ich ging ins Judo. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Lust weiterhin ins Judo zu gehen. Ich brauche etwas Abwechslung.“ Hinata schaute mich mit einem begeisterten Blick an. So schaute sie immer, wenn sie neue Sachen an mir entdeckte. „Am besten wendest du dich an meinen Vater. Der kennt sehr viele gute Clubs und hat auch die richtigen Kontakte.“ So kam es, dass ich Hinata nach der Schule nach Hause begleitete, um bei dieser Gelegenheit gleich noch mit ihrem Vater zu sprechen. „Oh, Kira, welche Überraschung.“, Megami nahm uns in Empfang. „Guten Abend Megami.“ unserem ersten Treffen am vergangenen Sonntag, bot mir Megami an, sie beim Vorname nennen zu dürfen. Das war ein deutliches Zeichen für mich, dass sie mich als Freund von Hinata bereits vollkommen akzeptiert hatte. „Ist Kazumoto-san schon von der Arbeit zurück?“ „Er hat heute zu Hause gearbeitet. Komm doch herein. Er ist im Wohnzimmer.“ Ich betrat das Haus nun schon zum zweiten Mal. Hinata führte mich ins Wohnzimmer und da sah man Kazumoto-san hinter einem Notebook. Daneben stapelten sich Unterlagen und sonstige Akten. Ich wagte es gar nicht, ihn bei seiner Arbeit zu stören. Diese Aufgabe übernahm Hinata für mich. „Du, Papa? Kann ich dich kurz unterbrechen? Wir haben eine Frage an dich.“ Kazumoto-san schien uns erst jetzt bemerken zu haben. Er klappte den Laptop zusammen und schob ihn zur Seite. Schliesslich entledigte er sich auch seiner Lesebrille und rieb seine ermüdeten Augen. Diese kleine Situation ermöglichte mir einen Einblick in die Arbeitswelt eines erfolgreichen Geschäftmannes, der ein grosses Unternehmen zu führen hatte. Das Ganze schien nicht ein lockeres Leben zu sein, wie ich mir das als Kind immer gedacht hatte. „Was wollt ihr?“, erkundigte er sich, während er sich etwas streckte. Hinata trat absichtlich einen Schritt zurück, als Zeichen, dass ich mit ihm reden sollte. „Ich würde gerne in einen Sportclub einsteigen, so bald wie möglich eben. Hinata hat mir gesagt, sie wüssten gut Bescheid.“ Inzwischen war Hinatas Vater aufgestanden und betrachtete mich von oben bis unten. Er wirkte nun viel strenger als am vergangenen Wochenende. Bei ihm schien es eine deutliche Trennwand zwischen Beruf und Privatleben zu geben. „Du willst also, dass ich dir ein paar gute Clubs vorstelle?“ Er trat näher an mich heran und musterte mich mit einem Blick, der mich die Sprache vergessen liess. Ich konnte auf seine eben gestellte Frage keine Antwort geben und schluckte nur einmal. „Gut. Dann komm am Samstag auf 10 Uhr hier her. Ich will dir eine kleine Führung geben.“ Ohne dass ich mich bei ihm hätte bedanken können, schlenderte er auch schon an mir vorbei. Ich war ziemlich erstaunt über diesen Auftritt. Erst Hinatas bezauberndes Lächeln holte mich wieder zurück aus meinen Gedanken. „Na also. Er hat dir nicht den Kopf abgerissen. Jetzt kannst du dich freuen. Eine private Führung von meinem Vater durch die Clubs zu bekommen ist nicht schlecht für den Anfang. Er scheint etwas von dir zu halten, Kira“ Diese Worte erfreuten mich. Erst auf dem Rückweg realisierte ich richtig, was das Ganze so speziell machte. Hinatas Vater, welcher eigentlich rundum arbeitete und nebenbei noch für seine Familie zuständig war, nahm sich einen ganzen Tag Zeit, für einen Jungen, welchen er gerade zweimal gesehen hatte und nicht viel mehr von ihm wusste, als dass er der aktuelle Freund seiner Tochter war. Dieser Gedanke liess mich überglücklich nach Hause trotten. Die schlechte Prüfung, welche ich am Morgen geschrieben hatte, war vergessen. Komischerweise vergingen die restlichen Schultage wie im Flug und bereits war Samstag und ich stand punkt 10 Uhr vor der Haustür der Familie Kazumoto. Irgendwie war ich ganz aufgeregt, auch wenn dafür kein Grund vorhanden war. Kazumoto-san hatte mich bereits erwartet und es ging auch gleich los. Seine Laune war wieder locker und jene eines Familienvaters, schliesslich war Wochenende. „Du willst also in einen Sportclub, hast du dir schon ausgedacht, was genau du denn machen willst? Fussball, Kendo, Reiten, Judo?“ Wir machten uns gleich auf den Weg zu seinem Auto, einem dunklen, sportlichen Wagen, der ein Vermögen gekostet haben musste. „Irgendetwas, das mich körperlich fit hält. Ich werde mich mit allem zufrieden geben, mit allem bis auf Judo. Das habe ich nun doch langsam satt.“ „Dann hast du bisher Judo gemacht? Bist du weit gekommen?“ „Na ja. Ich war nicht schlecht, aber ich sah darin keine Herausforderung. Irgendwie war es öde.“ Wir stiegen in den Personenwagen, welcher mit Leder und edlem Holz ausgestattet war. Kazumoto-san liess den Wagen an und irgendwie war es ein tolles Gefühl in diesem Auto zu sitzen. Nachdem ich einen schnellen Gesamtüberblick über die Innenausstattung bekommen hatte, schaute ich zum Besitzer des guten Stückes. Dieser lächelte Breit, als er das Fahrzeug in Bewegung setzte, elegant und ruhig, aber trotzdem sicher und mit Kraft. „Dann wollen wir einmal herausfinden, was dir am besten gefällt. Solange die Beschränkung nur bei Judo liegt… Ich kann dir bereits jetzt versichern, dass du nachher die Qual der Wahl haben wirst.“ Danach herrschte zwischen uns für eine Weile Stille. Wir horchten den Geräuschen des Motors, die nur schwer wahrnehmbar waren. Nebenbei beobachtete ich die Umgebung. Es war nicht das schönste Wetter, aber dennoch war die Fahrt toll und hatte etwas Entspannendes an sich. „Wohin fahren wir als Erstes?“, fragte ich nach einiger Zeit, nachdem ich beobachtet hatte, dass wir aus der Stadt fuhren und die Besiedlung an Dichte verlor. „Lass dich überraschen. Wir sind so oder so bald da.“ Er hatte Recht. Nur etwa fünf Minuten später hielt er routiniert auf einem Parkplatz, welcher von einer wunderschönen Wasserlandschaft umgeben war. Wahrscheinlich war diese künstlich angelegt aber das konnte man als Laie nicht erkennen. Auf einer Halbinsel stand ein Dojo, in traditionellem japanischem Baustil. Eine Brücke führte uns über den kleinen Teich. Die ganze Umgebung zog mich in einen regelrechten Bann. Wenn alle anderen seiner ‚Clubs’ auf diesem Niveau waren, würde ich tatsächlich keine leichte Entscheidung haben. Am Eingang stand ein Mann mit silbernen Haaren. Grau wäre da nicht die richtige Bezeichnung gewesen. Sie waren tatsächlich blausilbern. An der Kleidung erkannte ich auch, dass es sich um eine alttraditionelle Nationalsportart handeln musste. Den Eingang erreicht, stellte uns Kazumoto-san vor: „Kira, das ist Kiyotani Teru. Im Geschäft ist er mein Manager. Er wird sicher nichts dagegen haben, wenn du ihn Teru nennst. Teru, darf ich vorstellen? Otawa Kira, mein wahrscheinlich künftiger Schwiegersohn.“ Bei diesen Worten konnte ich es nicht verhindern, dass ich knallrot anlief. Das Kazumoto-san so über mich denken würde, hätte ich nie zu glauben gewagt. Der Herr namens Teru lächelte mich beglückwünschend an. „Hast du dir endlich einen Nachfolger beschaffen können, Hiro?“ Dieser Teru schien kein Blatt vor den Mund nehmen zu können, so wie er über die Angelegenheit sprach. Ungläubig betrachtete ich die beiden. ‚Schön, dass ich das auch noch erfahren durfte’, konnte ich in diesem Augenblick nur noch denken. Ich, die Wirtschafts-Niete soll für eine Geschäftsleitung in dieser Dimension in Frage kommen? Bei diesem Gedanken wurde mir doch ganz anders, wenn nicht sogar etwas schwindelig. „Na ja, wir haben Feiertag, da sollte man nicht über das Geschäftsleben reden.“, brach Teru das Thema so schnell ab, wie er es auch zur Sprache kommen lassen hatte. Als nächstes wandte er sich mir zu. „Dann wollen wir dem Kleinen doch einmal Kyudo bekannt machen.“ Hier ging es also um Bogenschiessen. Ich wusste bisher nicht viel über diese Disziplin, nur dass sie nicht so einfach war, wie es auf Bildern immer dargestellt wurde. Gleich als erstes zogen wir unsere Schuhe aus und traten ein. Die Einrichtungen waren wunderschön. Ich bestaunte die vielen Trophäen, die man in Vitrinen finden konnte und all die Bögen und Pfeile, die schon mehr einem Kunstobjekt als einer Waffe glichen. Teru zeigte mir die wichtigsten Sachen und präsentierte auch sein eigenes Können. Dabei sah er wie eine Gottheit aus, das musste ich zugeben. Ich konnte mir durchaus vorstellen den Sport zu machen. Den schlechten Eindruck, welchen ich von Teru bekommen hatte, löste sich im Verlaufe der Führung auf. Es war eben sein Charakter, so unverblümt zu sprechen. Die Zeit verging wie im Fluge. Anschliessend besuchten wir noch alle möglichen Sportarten. Von Schwertkunst, bis zu Schwimmen und Klettern, hin zum reiten und auch Fussball war dabei. Es waren alles Vereine, in welche Kazumoto-san bei Gelegenheit ging. Das erklärte auch seinen gut trainierten Körperbau. Zum Abschluss besuchten wir ein Karatedojo. Erst dachte ich mir, wir könnten es gleich lassen, da ich mich für diesen Sport sowieso nicht begeistern könnte, da er aus der gleichen Gruppe wie Judo stammte aber ich hatte mich geirrt. Die Atmosphäre und die Leute diese Karateschule waren ganz anders als am alten Ort. Auch hier gab es eine Bekanntschaft von Kazumoto-san, welche mir die Anlage zeigte: Kurouchi Roy, einer, der bereits den schwarzen Gürtel besass. Nachdem er erfahren hatte, dass ich bereits Vorkenntnisse durch Judo erlangt hatte, testete er auch gleich mein Können. Während ich mich anschliessend etwas umschauen ging, konnte ich Roy und Kazumoto-san beobachten, wie sie etwas miteinander beredeten. Es musste etwas mit mir zu tun haben, denn sie schauten zwischendurch immer wieder zu mir. Ich ging somit zu den zwei Männern, um sie zur Rede zu stellen, über was sie gesprochen hatten. Roy lächelte mir zu: „Wir haben nur darüber geredet, dass du etwas in diesem Sport erreichen könntest. Du hast Talent. Es wäre schade, wenn du dein Können zum Fenster heraus werfen würdest. Überlege es dir doch noch einmal, ob du nicht vielleicht doch mit einer Kampfsportart fortfahren willst.“ Ich fühlte mich durch diese Worte richtig geschmeichelt. Damals hatte ich nie solche Rückmeldungen bekommen. „Ich werde es mir überlegen. Herzlichen Dank.“ Kazumoto-san deutete an, dass er langsam gehen wollte. „Vielen Dank für die Führung, Roy. Wir sehen uns nächste Woche wieder.“ Daraufhin sah ich ein ehrgeiziges Glänzen in Roys Augen. Zwischen ihm und Kazumoto-san schien eine freundschaftliche Rivalität zu bestehen. „Ja…wir sehen uns. Sorge dafür, dass du Kira mitnimmst, er soll Zeuge werden, wie ich dich auf den Rücken zwinge.“ Diese offensichtliche Herausforderung liess Hinatas Vater ganz kühl. Er musste nur amüsiert auflachen und verliess das Dojo ohne weitere Worte. Draussen nahm es mich dann doch wunder, ob ich nicht irgendwie falsch lag mit der Annahme, dass das eben eine Kampferklärung war. „Kazumoto-san? Findet nächste Woche irgendwie ein Turnier statt?“ „Wie kommst du denn darauf?“ Die Frage überraschte ihn doch etwas. „Na, dass Roy sie herausgefordert hat. Im Training kann man sich doch schlecht messen.“ „Ach so. Das meinst du. Nein, nein. Vorläufig steht kein Turnier an. Er hat es sich bloss zum Ziel gemacht, mich so schnell wie möglich zu bezwingen. Da kommt es zwischen uns gerne einmal zu kleinen Machtkämpfen, ist aber nichts Besonderes.“ Ich hatte zuvor einen kurzen Einblick in Roys Training erhascht und selbst mir fiel auf, dass er ausserordentlich gut war. So fragte ich mich nun doch, was dieser Kazumoto-san für ein Mann war, dass er so siegessicher wirkte. Ich wollte ihn auch einmal in Tat sehen. So hatte ich meine Entscheidung bereits mit grosser Sicherheit getroffen. Ich würde wieder in den Kampfsport einsteigen aber erst bräuchte ich eine Bestätigung. „Kazumoto-san? War das vorhin wirklich Roys ernst gewesen, dass ich Talent habe?“ Ich schaute ihn erwartungsvoll an. „Du hast eine gute Haltung und scheinst bereits jetzt jahrelange Erfahrungen im Karate zu haben. Du bist zwar noch lange nicht perfekt aber mit ein bisschen Training wärst du bestimmt bald reif für Turniere, solche in einer etwas höheren Klasse.“ Seine Stimme war stabil und nüchtern. Diese Worte waren wirklich sein voller Ernst. Auch wenn er mir keinen Blick würdigte und nur zielgerichtet geradeaus starrte. Ein wunderschönes Gefühl breitete sich in mir aus. Ein Gefühl der Freude und des Ehrgeizes. Ich würde meine Mutter darum beten, dass ich hier hin, genau an diese Schule gehen durfte. Da kam mir aber auch zugleich die Frage in den Kopf geschossen, wie viel das Ganze wohl kosten würde? Es war eine erstklassige Schule, in der selbst Profis trainierten. Würde das eine Familie aus dem Mittelstand überhaupt finanzieren können? Inzwischen sassen wir wieder im schwarzen Gefährt. Wir schwiegen vor uns hin. Ich bohrte weiter an dieser Frage wegen dem Geld herum. Auch wenn der Traum anschliessend vorbei wäre, ich müsste wohl oder übel nachfragen, mit wie viel Kosten ich rechnen musste. Kazumoto-san würde bestimmt darüber Bescheid wissen. „Kazumoto-san…?“ Ich wollte gerade nachfragen, da steuerte er mit einem urplötzlichen Ruck an den Strassenrand und stoppte abrupt. Er zog seine Sonnenbrille aus, denn inzwischen hatte die Sonne wieder an stärke gewonnen¸ und schaute mich erneut mit diesem Blick an, bei dem ich einfach kein Wort zu sagen wagte. „Hör mal, Kira…“ Ich zuckte zusammen und senkte meinen Blick. Ich dachte, dass er mir jetzt irgendwie sagen würde, dass ich mit meiner ständigen Fragerei nerven würde, dass er sich nur Hinata zu liebe Zeit für mich genommen hätte oder sonst irgendetwas, das mir mitteilen wollte, dass ich ihm im Grunde genommen egal war. „Erstens, nenn mich doch einfach Hiro. Wenn du mir ständig Kazumoto-san sagst, entfremdet uns das nur. Und zweitens; wenn du eben wegen den Kosten fragen wolltest, zerbrich dir da nicht den Kopf. Ich habe genügend Kontakte in dieser Schule und sie werden dir bestimmt entgegen kommen. Grüble also nicht so viel darüber nach.“ Ich blickte erstaunt zu ihm hoch. Dass er mir einfach so anbot, ihn beim Vorname nennen zu dürfen und dass er scheinbar meine Gedanken lesen konnte, überraschte mich wirklich sehr. Von einer Person mit einer solch gewaltigen Autorität hätte ich mir das selbst im Traum nur schwer vorstellen können. Ich brachte noch immer kein Ton über die Lippen und konnte nur zustimmend nicken. Er stand auf und begab sich aus dem Auto auf die Beifahrerseite und öffnete mir die Tür. „Und nun raus mit dir!“ Erst jetzt realisierte ich, dass wir vor einem Wirtshaus gehalten hatten. Zögernd setzte ich meine Füsse auf den gekiesten Vorhof. „Kazumo…äh Hiro-san, sagen sie nur, dass das hier ein Club ist, welcher sie mir noch kurzfristig zeigen wollen?“ Er gab mir auf diese Frage hin nur eine Kopfnuss mit den Fingern. „Hiro. H-i-r-o. Nicht mehr und nicht weniger.“ „Jawohl, Hiro-san!“ Er schüttelte resignierend den Kopf und betrat das Lokal. Ich folgte ihm. So verbrachten wir den Abend noch unter ‚leichtem’ Alkoholeinfluss. Es schien ihn nicht gestört zu haben, seine kostbare Zeit für mich herzugeben. Dass dies die Sympathie zu diesem Mann stärkte, war nur eine logische Folge. Irgendwie fühlte ich mich länger je mehr wie sein Sohn. Ich konnte schon regelrecht spüren, wie eine Vaterliebe zu ihm entstand. Über diesen Gedanken würde ich später nur noch lachen können. Kapitel 3: Nachhilfe -------------------- Das restliche Wochenende zog ohne weitere Zwischenfälle an mir vorbei. Erst am Montag sollte ich wieder mit einem unschönen Erlebnis von meinem kleinen Höhenflug herunter gerissen werden. Wir hatten Wirtschaft und erwarteten die Rückgabe der letzten Prüfung. Nun ja, der Lehrer hat mich am Ende der Lektion zu sich gerufen. Ich hatte gerade mal zwölf Punkte von den erreichbaren 100. Ich erduldete seine Standpauke, aber das Ganze kümmerte mich herzlich wenig. In den restlichen Fächern war ich schließlich genügend. Da würde ich wegen einem solchem Tiefschlag nicht gleich die Stufe wiederholen müssen. Ich würde eben für die nächste Prüfung mehr lernen müssen, dann würde sich das bestimmt wieder ausgleichen. Einige Wochen darauf, ich war bereits im Karate aktiv, gab es die nächste Prüfung. Und das Resultat? Gerade mal acht Punkte konnte ich holen. Und diese Nachricht musste mich ausgerechnet an einem Freitag ins Wochenende begleiten. Da überlegte ich mir gleich zweimal, ob ich das Samstagstraining nicht sausen lassen sollte. Aber es brachte schlussendlich nichts, wegen einer missglückten Prüfung Trübsal zu blasen. So ging ich am Samstagnachmittag, wie die letzten Male auch, ins Karatedojo. Meine Laune schien mir auf die Stirn geschrieben zu sein. Alle fragten mich, was mit mir los sei. Auch Hiro, so wie ich es mir inzwischen angewohnt hatte, ihn zu benennen. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du siehst aus, als wäre deine gesamte Verwandtschaft gestorben.“, erkundigte er sich führsorglich bei mir. „So schlimm ist es nicht. Ich habe zurzeit bloß nicht die wünschenswerten Noten in der Schule. Sonst fehlt mir eigentlich nichts.“ „Wo hapert’s denn? Mathematik, Sprachen?“ „Nein, nein, da werde ich keine Probleme haben zu bestehen. Mir fehlt einfach das Grundwissen vom ganzen Wirtschaftskram.“ Ich setzte mich auf die Bank in der Umkleidekabine, in welcher wir uns gerade aufhielten. Das Training war vorbei und ich war noch ziemlich fit, da ich mich nicht sonderlich angestrengt hatte, auch wenn ich gleich mit dem gelben Gurt einsteigen durfte. Jetzt kauerte ich auf der Bank. Irgendwie hatte ich dieses Fach bereits aufgegeben. Hiro setzte sich neben mich und legte freundschaftlich seine Hand um meine Schultern. Mit der freien Hand, hob er meinen gesenkten Kopf an und drehte ihn zu sich, so dass ich ihm ins Gesicht schauen musste. „Lass den Kopf deswegen doch nicht gleich so hängen. Das wird schon wieder. Auch wenn du zu mir kommen musst, damit ich dir den Kram in deinen Kopf hämmern kann.“, er zwinkerte mir aufmunternd zu. Aber das half mir jetzt auch nichts. Nur wenn er wirklich noch mehr Zeit für mich investieren würde, um mir das alles beizubringen, würde ich eventuell bei der nächsten Prüfung noch eine Steigerung hinbekommen. Aber Hiro hatte das Angebot bestimmt mehr zur Aufmunterung gemacht, als dass er sich tatsächlich wieder mit mir herumschlagen wollte. „Danke, dass du mich motivieren willst, aber ich lass es einfach mit diesem Fach, dann muss ich eben in den anderen zulegen, damit ich es kompensieren kann.“ Daraufhin bekam ich einen Stoss von der anderen Seite. Roy hatte sich zu uns gesetzt und schaut mich unverständlich an. „Hiro meint das ernst, du Idiot. Schlag ein solches Angebot nicht ab! Er will dir doch nur helfen.“ Ich wechselte meinen Blick noch einmal zwischen den Beiden, bevor ich aufgebracht aufstand und davonlief. Alle in der Kabine schauten mir verständnislos nach. Hiro konnte bei meiner Reaktion nur seufzen. Wenn ich seine Hilfe nicht annehmen wollte, konnte er daran auch nichts ändern. Außerdem hatten die mit dem schwarzen Gurt nun ihre Trainingseinheit, ich hatte meine längst beendet und somit auch keinen Grund noch länger zu bleiben. Ich war aus dem überbevölkerten Raum geflüchtet und kam erst wieder etwas zur Ruhe, als ich in der kühlen, frischen Herbstluft stand. Bevor ich nach Hause ging, beobachtete ich die Gruppe, in jener auch Hiro mitmachte. Es faszinierte mich jedes Mal von neuem, wenn ich ihm zuschauen konnte. Aber heute blieb ich nicht lange. Ich machte mich auf den Weg nach Hause um ein bisschen im Selbstmitleid zu versinken. Bis hin zum Montag döste ich vor mich hin und verplemperte meine Zeit. Ich hatte auch keine Lust, mich mit Hinata zu treffen, auch wenn sie mich vielleicht hätte aufheitern können. Jedenfalls war bereits wieder Montag und das hieß auch, dass eine neue Schulwoche ihren Lauf nahm, mitsamt meinem ‚Lieblingsfach’. Das neue Thema in Wirtschaft…, ich konnte wieder nichts damit anfangen. Für was brauchte man auch zu wissen, was eine Volkswirtschaft war, welche Faktoren dazugehörten und all das restliche Zeugs, das mir der Lehrer mühsam versuchte beizubringen? Allerdings musste ich mir ein weiteres Mal eingestehen, dass ich absolut nur Bahnhof verstand. Am darauf folgenden Samstag nahm ich dann doch meinen Mut zusammen und vergas meinen männlichen Stolz für einen kurzen Augenblick. Ich griff auf Hiros Angebot zurück und er besprach mit mir sogleich, wann es losgehen sollte. Er fand es auch für angebracht, so schnell wie möglich anzufangen, also trafen wir uns bereits am nächsten Tag. Angeblich hatte Hiro nichts Besseres zu tun, was ich zwar nicht glauben konnte. Aber wenn er das Ding unbedingt mit mir durchziehen wollte…? Ich hatte nichts dagegen. Dadurch hatte ich schließlich nichts zu verlieren, eher im Gegenteil. Durch die Nachhilfe konnte ich Hinata des Öfteren sehen. Es wirkte sich auch nicht negativ auf die Beziehung zu den restlichen Familienmitgliedern aus. Oft verbrachte ich den ganzen Sonntagnachmittag in den Gemäuern der Kazumotos. Nie hätte ich zu denken gewagt, dass Nachhilfe so viel Freude bringen konnte. Die ersten Resultate zeigten sich auch schon bald bei meinen Noten. So verging die Zeit. Bis in den Winter war mein Alltag geregelt. Montags bis Freitags stand die Schule auf dem Tagesplan, Samstag Karate und am Sonntag Nachhilfeunterricht. Bei jeder freien Minute, in der ich keine Arbeiten zu erledigen hatte oder lernen musste, unternahm ich allerlei Sachen mit Hinata. Es war eine wunderschöne Zeit. Im Nachhinein erkenne ich, dass es ein Abschnitt in meinem Leben war, in welchem ich keine Sorgen und Probleme hatte. Ich war rundum glücklich und hatte alles, was ich brauchte. Aber leider können auf die schönsten Zeiten nur noch schlechtere folgen. Es stand ein einschneidendes Ereignis vor der Tür, das mein Leben aus dem regelmäßigen und sicheren Rhythmus reißen sollte. Bis zu jenem kalten Wintertag, brachte ich aber weiterhin jede Woche im gewohnten Ablauf hinter mich. In der Nachhilfe entdeckte ich per Zufall auch noch andere Stärken von Hiro, bei jenen er mir immer wieder vor den Prüfungen unter die Arme greifen konnte, damit ich noch bessere Noten schrieb. Mein Aufstieg in der Schule blieb auch der Lehrerschaft nicht verwehrt. Bald gehörte ich zu den vorbildlichen Schülern, welche auch den Schutz der Lehrer genießen durfte. Aber das hieß nicht, dass ich im Schulgelände als Streber betitelt wurde. Nein. Mein Ruf, der bereits seit den ersten Minuten an dieser Schule ausgezeichnet war, änderte sich nicht. Im Gegenteil, ich schien noch beliebter zu sein als zuvor. Das erkannte ich auch an meinen Verehrerinnen. Die waren kurz davor einen Fanclub für mich zu Gründen. Ja- das waren wirklich schöne Zeiten gewesen. Kapitel 4: Fieberwahn? ---------------------- Es war kurz vor den lang ersehnten Winterferien. Die Tage waren sichtlich kürzer geworden und die Temperatur hatte Mühe über den Null-Grad-Wert zu klettern. Es hätte ein Sonntag wie jeder anderer werden sollen. So machte ich mich wie immer auf den Weg zu Hinata, um dort mit Hiro Nachhilfe abzuhalten. Heute kam ich wie vereinbart etwas später. Es war schließlich nur noch eine Woche Schule und es gab nur noch vereinzelte Prüfungen. Jedoch hätte ich die auch ohne Nachhilfe meistern können. Wie gewöhnlich klingelte ich und wurde wild von Hinata begrüßt. Eigentlich herrschte die gleiche Stimmung, wie sie auch all die vergangenen Sonntage vorhanden war. Aber etwas fehlte. Etwas, das nicht fehlen durfte. Hiro war nicht da. Es war das erste Mal, dass er nicht auf die vereinbarte Zeit anwesend war. Megami schien damit schon Erfahrungen gemacht zu haben. „Ihm wird etwas dazwischen gekommen sein. Vielleicht etwas Wichtiges für das Geschäft, ein kleiner Zwischenfall.“, versuchte sie mich zu beruhigen. Äußerlich erreichte sie ihr Ziel auch, aber innerlich herrschte eine Unruhe, die meine gute Laune auffraß. Ich sollte warten und derzeit etwas mit Hinata machen. Wir gingen also in ihr Zimmer. Dort versuchte sie mit allen erdenklichen Mitteln, mich aufzuheitern, was aber immer und immer wieder scheiterte. Ich wusste zwar, dass meine Sorgen unnötig waren, aber dennoch, irgendwie war der Tag für mich dadurch gelaufen. Zwei Stunden später, es war bereits dunkel, hatte ich das warten leid. Vor allem aber wollte ich Hinata und Megami nicht mit meiner muffigen Laune belästigen. So sagte ich ihnen, ich würde nach Hause gehen. In Tat und Wahrheit war ich aber so fahrlässig und setzte mich auf die Mauer, die das Grundstück umschloss, um auf Hiro zu warten. Er würde bestimmt bald kommen. Ich trug dieses sichere Gefühl in mir. Keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, bis ich einen Wagen halten hörte. Zwischendurch musste ich eingenickt sein. Für die vorherrschenden Temperaturen war mir eindeutig zu heiß, andererseits zitterte ich am ganzen Körper vor Kälte. Kurz gesagt; ich fühlte mich miserabel. Ich nahm nur noch ungenau war, wie Hiro zu mir gerannt kam, mir seinen Ledermantel umlegte und mich in seinen geheizten Wagen trug. Während er mich nach Hause brachte, schlief ich wie ein Stein, auch wenn ich von eigenartigen Träumen geplagt wurde, dessen Bedeutung ich nicht erraten konnte und deren Inhalt ich anschließend auch gleich wieder vergaß. Hiro brachte mich auf dem schnellsten Weg zu mir nach Hause. Er schien schon wieder meine Gedanken lesen zu können, denn er hatte später niemandem von diesem Vorfall erzählt, wie er es mir selbst einmal gesagt hatte. Am nächsten Morgen wachte ich auf. Draußen war es bereits hell, wenn die Sonne auch von Wolken verdeckt wurde. Es dauerte extrem lang bis ich realisierte, dass ich eigentlich schon längst in der Schule hätte sein müssen. Hektisch stand ich auf und begann mir die Schuluniform zusammen zu suchen, bis mir schwindlig wurde und ich mich an der Wand abstützen musste. Eine Feuerkugel schien durch meinen Körper zu rollen. Ich musste nach Luft schnappen. Von der Kraft verlassen, wandelte ich zurück ins Bett und ließ mich erschöpft fallen. Um den dünnen Schweißfilm von meinem Gesicht zu wischen, fasste ich mir an die Stirn. Ich glaubte, ich hätte meine Hand auf eine heiße Platte gelegt. Mein Kopf glühte förmlich. In diesem Moment klopfte es auch schon an meiner Tür und meine Mutter trat ein, mit einer Bettflasche unter dem Arm, einem Teekrug in der linken und einer Tasse in der rechten Hand. Sie lächelte mich liebevoll an und setzte sich neben mich auf die Bettkante. Sogleich legte sie ihre kalten Hände auf meine Stirn. Leicht besorgt schaute sie mich an. „Ich werde gleich den Fiebermesser holen gehen. Hier…“, sie füllte die Tasse mit dem dämpfendem Tee und reichte ihn mir, „…trink! Ich habe extra deinen Lieblingstee gemacht; Früchtetee.“ Sie stand auf und verließ den Raum. Ich schlürfte vorsichtig am Tee. Er war heiß, aber nicht so sehr, dass ich mir die Zunge verbrannt hätte. Als meine Mutter zurück war, hatte ich die erste Tasse bereits leer. Ich kam mir vor wie in einer Sauna. Das heiße Getränk beförderte den Schweiß erst recht aus meinen Poren. Mein T-Shirt, das übrigens noch dasselbe vom Vortag war, war schon völlig durchschwitzt. „Mund auf!“ Ich befolgte ihre Anweisungen ohne weiteren Protest und wartete geduldig das Pipen des Gerätes ab, welches kurze Zeit später auch schon mein Ohr erreichte. 40.73°C! Ich starrte gemeinsam mit meiner Mutter entgeistert auf das Display. Das Ding musste kaputt sein. Eine solch hohe Temperatur hatte ich noch nie. „Junge, Junge, was hast du bloß wieder angestellt?“, seufzte meine Mutter verständnislos. Sie packte mich anschließend wie ein kleines Kind in die Decke ein und legte mir einen kalten Lappen auf die Stirn, „Du schläfst mir heute, trinkst Tee und meldest dich, wenn du etwas brauchst. Ich werde die heutigen Gesprächsstunden zu Hause in meinem Büro abhalten, damit ich da bin, wenn was sein sollte. Sonst machst du mir nichts anderes, dass wir uns verstanden haben. Ich verschreibe dir absolute Bettruhe. Ich will nicht, dass du krank in die Ferien startest.“ Ich nickte nur. Ich war bereits wieder in einem Halbschlaf. Die Schule hatte ich bereits vergessen und die Ratschläge meiner Mutter, die sie mir eben mit diesem scherzvollen befehlerischen Unterton mitgeteilt hatte, hätte ich sowieso eingehalten. Ich wollte ohnehin nur noch schlafen. Man sollte vielleicht noch wissen, meine Mutter arbeitet als Psychologin, deswegen ist es für sie auch möglich, zu Hause ihren Job zu betreiben. Aber das spielte jetzt keine Rolle. Ich war bereits auf dem besten Weg in einen tiefen Erholungsschlaf. Gegen Abend ging es mir im Vergleich zum Morgen schon einen Deut besser, auch wenn in der Zwischenzeit noch Husten uns Schnupfen hinzugekommen war. Irgendwann am Nachmittag schaute auch einmal unser Hausarzt bei mir vorbei. Die Diagnose? Die hat mich nicht sonderlich überrascht. Was kann man auch erwarten, wenn man an einem Wintertag ohne Jacke, Stunden ohne Bewegung dasitzt und in der Kälte auch noch einschläft? Dass ich mir dadurch eine Lungenentzündung eingefangen hatte, schockte mich somit nicht sonderlich. Die letzte Schulwoche konnte ich dank dem gestrigen Abend wenigstens für den Moment vergessen. Ich würde mich bestimmt nicht anstrengen, gesund zu werden, um noch ein oder zwei Tage die Schulbank drücken zu dürfen und das noch mit Prüfungen. Da kam die Entzündung irgendwie gerade gelegen. In der Zwischenzeit war, wie ich bereits erwähnt hatte, Abend geworden. Ich hatte den Tag hindurch genug Kraft getankt, damit ich durchs Haus wuseln konnte und meiner Mutter beim Abendbrot Gesellschaft leisten durfte. Kurz darauf bekam ich auch schon einen Anruf. Von niemand anderem als Hinata natürlich. Sie sorgte sich schrecklich um mich und wollte wissen, wie das so plötzlich gekommen sei. Gerade gestern wäre ich doch noch quicklebendig gewesen. Den Vorfall von gestern konnte ich ihr aber nicht erzählen. Aus welchem Grund, wusste ich selbst nicht genau. Aber ein Gefühl sagte mir, ich sollte das besser für mich behalten. Die nächsten Stunden, bis hin zum Mittwoch, beschäftigte ich mich mit dieser und anderen Fragen. Weshalb hatte ich überhaupt auf Hiro gewartet? Was war an dem Tag mit mir los? Hatte meine unstabile Laune wirklich nur etwas mit der ausgefallenen Nachhilfe zu tun? Fragen über Fragen häuften sich in meinem Kopf und je länger ich darüber nachdachte, umso mehr Unklarheiten entstanden. Ich stieß auf Gefühle und Gedanken, die ich irgendwie immer im Vorhinein gleich verdrängt hatte. Aber jetzt, da ich Zeit hatte, um mir über alles mögliche Gedanken zu machen, kamen diese verdrängten Gefühle zum Vorschein. Es ging nicht lange, da konnte ich nicht mehr zwischen Einbildung und wahren Empfindungen unterscheiden. Aber eins fiel mir auf. Ich konnte nichts anderes machen, als über Hiro nachzudenken. Immer wieder hörte ich seine Stimme in meinem Kopf und immer häufiger kam der eine Gedanke vor, der Grund für mein Verhalten, meine Gefühle und alles, was in letzter Zeit vor sich gefallen war. Dieser eine, für mich absurd erscheinende Gedanke, den ich als Einbildung abstempeln wollte, welcher dadurch aber auch nicht verschwand. Jener, der mir selbst Angst machte, dass ich überhaupt so etwas in Wahrscheinlichkeit zog, bei jener Vorstellung es mich ekelte. Ob das jeder Jugendlich einmal in seinem Leben durchmachte? Zu glauben, er sei in jemanden verliebt, der biologisch gesehen, nicht zu einem passen konnte? So und ähnlich ging es in jeder Minute, in der ich meine Ruhe hatte, in meinem Kopf vor sich. All das ließ mir keine Ruhe mehr. Aber ich weigerte mich, solche Fiktionen bei mir zu zulassen. Ich zwang mich regelrecht dazu, das alles als Einbildung anzusehen. Ich war keine Schwuchtel! Ich hatte eine feste Freundin, mit der ich glücklich war und alles hatte, was man haben konnte. Weshalb waren da diese Hirngespinste? Ich hatte es nicht nötig, mir selbst unnötige Probleme zu erschaffen. Das Leben, wie es jetzt war, war perfekt. All diese Gedanken waren fehl am Platz. Immer wieder redete ich mir das ein, in der Hoffnung, ich hätte bald Ruhe und könnte mich mit anderem beschäftigen, als mit solchen Hirnspinnereien. Meine Gedanken drehten sich immer mehr nur um dieses eine Thema. Je mehr ich mich dagegen sträubte, umso mehr musste ich das Gefühl haben, dass doch etwas Wahres daran war. Das erste Mal als mein Kopf sich etwas entspannen durfte, war am Mittwochabend. Ich bekam Krankenbesuch. Kapitel 5: Aussprache --------------------- Hinata hatte Kisara und Mimori mitgebracht. Sie wollten mich unbedingt besuchen kommen und wissen, wie es mir ging. Kisara und Mimori waren Geschwister und unsere besten Freunde von der Schule. Ich schämte mich dafür, dass ich sie im Bett empfangen musste. Durch die ganze Grübelei konnte ich mich nicht wirklich erholen. Doch sie schien das nicht zu stören. „Wie geht’s dir?“, Hinata setzte sich neben mich auf einen Stuhl. Die anderen zwei wollten stehen bleiben, da sie nicht lange bleiben konnten. „Es geht, auch wenn ich mich schon gesünder gefühlt habe.“ Ich grinste. „Wollt ihr etwas trinken? Wir können ins Wohnzimmer gehen.“ „Nein, nein. Du bleibst uns im Bett. Erzähl uns lieber, was du gemacht hast.“ Hinata sorgte sich wirklich sehr um mich. Aber ich hatte mir noch gar nicht Gedanken darüber gemacht, was ich auf diese Frage antworten sollte. „Na ja, also…“, begann ich unsicher,“…ich bin wohl etwas leicht bekleidet durch die Gegend spaziert.“ „So…bist du…“, Hinata betrachtete mich skeptisch Ich bemerkte ihr Misstrauen sofort. So drehte ich mich zur Seite und zog die Decke etwas hoch. Ich wollte gestikulieren, dass ich müde war und alleine sein wollte. Bei den Geschwistern kam diese Nachricht auch an und sie verabschiedeten sich sofort unter dem Vorwand, sie müssten bald zu Hause sein. Aber Hinata sah keinen Grund, weshalb sie gehen sollte. Es ging nicht spurlos an ihr vorbei, dass ich in den letzen Tagen so wenig Interesse an ihr gezeigt hatte. „Schlaf ruhig. Ich bleibe noch etwas…“ So tat ich, als würde ich schlafen. Aber Hinata durchschaute mich ziemlich schnell. „Du bist doch gar nicht am schlafen.“ Sanft strich sie mir einzelne Haarsträhnen aus meinem Gesicht, „Irgendetwas stimmt mit dir doch nicht. Das sehe ich dir an.“ Ich öffnete meine Augen zur Hälfte und genoss die sanften Streicheleinheiten. „Ach Hinata“, ich musste schwerfällig seufzen, „Ich weiß auch nicht recht, was mit mir in letzter Zeit los ist, ehrlich. Keine Ahnung, an was das liegt, dass ich so mies gelaunt bin. Vielleicht liegt es auch am Winter, da fehlt dem Gemüt die warmen Sonnenstrahlen und die Helligkeit.“ „Du hast wirklich selber keinen Schimmer, was dich bedrückt? Liegt es an mir? Mach ich etwas falsch? Ich meine, wir sind nun doch schon eine Weile zusammen, vielleicht…“, sie brach ihren Satz ab und schaute beschämt zur Seite. Ich wusste, was sie mir mitteilen wollte. Wir traten gegen Außen als perfektes Paar auf aber für unsere Altersklasse fehlte bisher etwas zwischen uns. Wir hatten uns noch nie richtig geliebt, so wie man das nannte. Dass Hinata deshalb Schuldgefühle bekam, wollte ich nicht. Es hatte damit nichts zu tun…oder? „Hey, Süße, das liegt doch nicht daran. Denk so was nicht. Wir haben es doch nicht eilig. Ich will schon, dass unser erstes Mal wunderschön sein wird, für beide. Du sollst wegen dem doch nicht unter Druck geraten. Es hat wirklich nichts damit zu tun. Es liegt alleine an mir. Irgendetwas beschäftigt mich eben. Ich bin nur selber noch auf der Suche, was das ist. Aber vertrau mir und überlass mir das, ich werde schon zurechtkommen, was auch immer es ist. Und wenn es dich betreffen würde, dann werde ich dir davon erzählen, versprochen. Und jetzt schau nicht so besorgt.“ Ich richtete mich auf, setzte mich ihr gegenüber und zog sie in meine Arme. Sie klammerte sich an mich und nickte nur leicht. Wimmernd murmelte sie an meinen Hals, dass sie mich liebte. Ich schwieg und küsste sie stattdessen. Sie kroch anschließend zu mir unter die Decke und dann lagen wir für ein Weilchen da, Arm in Arm. Es fiel kein Wort. Jeder ging seinen Gedanken nach, wobei es sich bei mir wieder um das gleiche Thema drehte, wie in letzter Zeit auch. Als meine Mutter bei uns vorbeischaute, sah Hinata dies als Zeichen, langsam nach Hause zu gehen. Auch wenn sie es gewollt hätte, sie konnte nicht für immer hier bei mir bleiben. So verließ sie uns kurz darauf. Dafür leistete mir meine Mutter Gesellschaft. Mich hatte es ohnehin schon gewundert, weshalb sie in den letzen Tagen so zurückhaltend war, was das Nachfragen betraf. Sonst wollte sie immer alle Details wissen, interpretierte alles zu irgendwelchem Psychokram zusammen. Da war es ziemlich verdächtig für mich gewesen, dass sie in den letzen drei Tagen keine einzige Frage an mich hatte. Klar, das war zu meinem Vorteil aber damit schien es nun vorbei zu sein. Sie beobachtete mich schweigend, während ich eine weitere Tasse Tee runterkippte und mein Jogurt verschlang. Anschließend stellte sie das gebrauchte Geschirr zur Seite und schaute mich mit diesem Blick an. Ich wusste, was jetzt folgen würde. So bereitete ich mich darauf vor. Sie würde mir die gleichen Fragen stellen, wie das Hinata schon getan hatte. Was ich gemacht hätte, dass ich mich plötzlich so gravierend erkältet hatte und was mit mir in letzter Zeit eigentlich los war. Eben diese Fragen. Aber es kam nicht ganz, wie gedacht. „Kira, du hast mir gar nicht erzählt, aus welcher Familie Hinata kommt, dass sie die Tochter der Familie Kazumoto ist, die jeder Grundschüler kennt.“ Ich wusste nicht, was sie mir damit sagen wollte. „Das ist doch unwichtig. Es geht hier schließlich nicht um den Namen Kazumoto, sondern um die Person Hinata, welche meine Freundin ist. Wieso sollte ich dir so etwas auch sagen?“ „Kazumoto-san hat dich bei uns vor der Haustüre abgeliefert. Du warst nicht mehr bei Bewusstsein. Du willst mir doch jetzt nicht etwa auch noch die Version auftischen, dass du ein bisschen zu leicht bekleidet warst?“ Sie blickte mich prüfend an. Ich konnte nur auf die Decke runter starren. Was sollte ich ihr jetzt entgegnen? Am liebsten wollte ich gar nicht darüber reden, einfach nur abblocken aber sie würde nicht locker lassen, bis sie alle meine Gedanken aus mir raus gequetscht hatte. Aber ein Versuch war es wert. „Mama…ich will mit dir nicht darüber sprechen. Das ist meine Angelegenheit.“ Schweigend verharrte sie mit dem Blick auf meinem gesenkten Kopf. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis sie schließlich aufstand und mein Zimmer verließ. Sie hatte meinen Wunsch tatsächlich akzeptiert. Ich konnte es fast nicht fassen! Nur wenige Minuten später schaute sie zwar noch einmal bei mir vorbei und bot mir ihre Hilfe an aber ich schlug das Angebot ab. Bald war diese Woche um und ich wurde ziemlich genau auf den Ferienbeginn wieder gesund. Körperlich ging es mir jedenfalls schon wieder um einiges besser, aber innerlich, da tobte immer noch ein Gewitter von Gefühlen. Ich entschloss mich, kaum galt ich vom Doktor ausgesehen als genest, den innerlichen Kampf zu beenden. Ich wollte mir die Bestätigung holen, dass ich das innerliche Chaos nur meinem Fieber zu verdanken hatte. So ging ich bereits am ersten Wochenende wieder zu Hinata nach Hause. Ich wollte der Familie Bescheid geben, dass ich gerne auch über die Ferien zwischendurch zu ihnen kommen wollte. Sie hatten allesamt nichts dagegen und so kam es, dass ich eigentlich fast jeden Tag zu ihnen ging und alles Mögliche mit der Familie unternahm, vor allem mit Hinata. Ich wollte nicht, dass sie sich noch weiter vernachlässigt vorkam. Leider begannen wir eines Tages den Fehler, noch während der ersten Ferienwoche, auf das Thema Schule zu sprechen zu kommen. Es stellte sich heraus, dass ich in jener Woche, als ich gefehlt hatte, mehr verpasst hatte, als erst angenommen. Ich bat Hiro schweren Herzens darum, mir ab und zu auch in den Ferien ein bisschen zu helfen. Eigentlich hätte ich auch Hinata um Hilfe beten können aber ich hatte das Gefühl, dass das irgendwie verdächtig wirken könnte, als ob etwas vorgefallen wäre. Außerdem bot sich mir durch den vermehrten Kontakt mit Hiro auch die Gelegenheit, die Gedanken von der damaligen Woche endgültig auszulöschen. Aber ich musste schon bald lernen, dass man Gefühle nicht kontrollieren konnte. So zog ich die Sache mit Hiro anfangs durch aber ich bemerkte von Mal zu Mal mehr, dass ich mich nicht richtig konzentrieren konnte, da ich meine Aufmerksamkeit viel mehr Hiro widmete, weil ich mich noch immer viel mehr den Fragen widmete, die in der damaligen Woche aufgetreten waren. Immer öfter erwischte ich mich auch bei Fantasievorstellungen, die meinen verstoßenen Verdacht von neuem bestätigten. Mit jeder Stunde, die ich bei Hiro verbrachte, glaubte ich mehr diesem Gefühlschaos zu verfallen. Bereits in der zweiten Woche sah ich keinen anderen Ausweg mehr, als erneut vor mir selbst zu flüchten. Ich sagte Hinata, ich sei mit meiner Mutter kurzfristig in den Urlaub geflogen, obwohl wir das nicht taten. Es war bloß ein Vorwand, dass ich Hiro nicht wieder sehen musste. Denn jedes Mal, wenn ich ihn sah, musste ich mich von neuem meinen Gefühlen stellen, die immer intensiver wurden Mein Stolz war zu groß, als dass ich es überhaupt wagte, den Hauptgedanken innerlich auszusprechen. Dennoch drehte sich auch noch in den Ferien alles darum. Es war zum wahnsinnig werden. Irgendwann müsste ich jemandem davon erzählen. Was wusste ich, wie lange ich das noch so aushalten würde. Die Abhilfe kam dann tatsächlich auch, auch wenn es genau die war, die ich vermeiden wollte. Seit ich mich wie ein Straftäter durch die Gegend bewegen musste, so dass mich auch ja niemand, der mich kannte, zu Gesicht bekam, mied ich die Außenwelt. Nur bei Notfällen machte ich eine Ausnahme und schlich möglichst unauffällig in der Stadt herum. So musste ich einmal für meine Mutter einkaufen gehen, weil ihr etwas dazwischen gekommen war und unser Kühlschrank doch ziemlich leer ausschaute. Ausgerechnet an diesem Tag musste ich ihm über den Weg laufen. Wie bei unserer ersten Begegnung, prallten wir zusammen. „Was tust du denn hier? Ich dachte du hättest dich auf eine warme, sonnige Insel zurückgezogen um zu entspannen.“ Hiro schaute mich wirklich sehr überrascht an. Im Gegensatz zu mir behielt er aber wieder den kühlen Kopf. Ich hingegen war auf einen Schlag total durch den Wind. Ich wollte gar keinen Versuch starrten, mich herauszureden, sondern sorgte dafür, dass ich so schnell wie möglich von dieser Person wegkam. Er ließ mich laufen und ich dachte, er würde das Geschehnis nicht als nennenswert einordnen- aber falsch gedacht. Gerade mal vier Tage konnte ich mich in Sicherheit wiegen. Dann, an dem Dienstagmorgen der zweiten Ferienwoche, verließ meine Mutter wie immer das Haus, um zur Arbeit zu fahren. Nur wenige Zeit darauf klingelte es an meiner Tür. Ich hatte wohl noch nie in meinem Leben solche Bammel davor, die eigene Haustür zu öffnen. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher, der auf der Flucht war und jeden Moment die Polizei erwarten musste. Wenn man die Situation des Verbrechers mit meiner Verglich, stand die Polizei auch wirklich vor der Tür. Ich hätte mich bloß nicht zu erkennen geben müssen, dann wäre das alles eventuell gar nie geschehen aber mein Körper öffnete die Tür gegen meinen eigenen Willen. Ich mag mich nicht mehr daran erinnern, ob es für mich eine Überraschung war oder nicht. Jedenfalls stand niemand anderes vor der Tür, als diese groß gewachsene, gut durchtrainierte Persönlichkeit, die in ganz Japan bekannt war für seine ausgezeichneten Hotels und sein gutes Aussehen. Jene Person, welche man locker mit einem Schauspieler oder einem Model hätte verwechseln können. „Hiro…“, gab ich ungläubig von mir und wich gleich ein, zwei Schritte zurück. „W…was machst du denn hier?“ Hiro war so frei und trat in die Wohnung ein. Ich roch Ärger. „Das könnte ich dich auch fragen, nach unserer letzten Begegnung“ Er musterte mich streng. Schon wieder zeigte er mir diesen Blick, vor dem ich mich fürchtete und mir elend klein und schwach vorkam. Ich schluckte hart, drehte mich um und bat Hiro, allein durch Gesten, Platz zu nehmen. Dieser verzichtete vorläufig, dafür drückte er mich in den weichen Sessel. Ich starrte ihn an, jedoch nicht sehr lange. Hiro lockte das schlechte Gewissen aus mir heraus und ließ mich beschämt auf den Salontisch starren. „Schau mich an!“, forderte er mich mit einem harten und kühlen Tonfall auf. Ich zögerte, versuchte anschließend seinem durchdringenden Blick standzuhalten, aber ich konnte das nicht lange und schon kurz darauf, nur wenige Sekunden später, ließ ich meinen Kopf erneut hängen. Mein Haupt glühte vor Scham, je länger er mich so betrachtete, fast schon abschätzig. „Bei dir ist also alles bestens, so, so…“, Noch immer stand er dicht vor mir, hielt seine Hände auf meine gedrückt, so dass ich nicht davonlaufen konnte. Erst als er bemerkte, dass ich zitterte, ließ er von mir und setzte sich mir gegenüber hin. Er wartete ein Zeitchen ab aber als ich dann immer noch kein Wort über meine Lippen brachte, seufzte er. „Du willst also nicht reden. Meinetwegen. Aber beschwer dich später nicht, ich hätte dir nicht zugehört und dir nicht geholfen.“ Wieder musste ich schlucken. Es war so, als hätte ich all meine Gefühle in eine Kammer gesperrt und sobald diese geöffnet wurde, alles unkontrolliert herausströmen würde. Ich hatte einfach nicht den Mut, mich bei jemandem auszusprechen. Dennoch, irgendwie musste dieser Druck, der sich in den letzen Wochen in mir angestaut hatte, aus mir raus. Während ich noch darüber nachdachte, ob ich es ihm vielleicht nicht doch sagen sollte, stand er bereits wieder auf. „Hinata weiß übrigens nicht, dass du hier bist. Ich habe ihr nichts davon erzählt und auch nicht von dem Ereignis damals.“ Er schaute noch einmal zu mir, quasi gab er mir die letzte Chance mit der Sprache herauszurücken oder für den Rest meines Lebens zu schweigen. Jetzt war es mir doch irgendwie egal, ob ich nachher von ihm als ein erbärmliches Etwas dastand, welches keinen Stolz besaß. Dennoch war dieser eine Schritt ein sehr schwerer Schritt, der extrem viel Mut benötigte. Hiro hatte sich schon von mir abgewandt und war auf dem Weg zur Tür. Gerade noch im letzen Moment, wie mir schien, sprang ich auf und rannte ihm nach. „Nein! Geh nicht! Ich erzähle dir auch alles….aber bitte geh nicht!“ Ich flitzte an ihm vorbei und stellte mich vor die Tür, hielt sie zugesperrt. Ich stand da mit der Pose ‚nur über meine Leiche!’. „Na also, geht doch.“, Hiro wollte sich wahrscheinlich nichts anmerken, dass es ihn köstlich amüsierte, wie schusselig ich mich verhielt, dennoch entging mir sein Grinsen nicht. Als ob es selbstverständlich wäre und alles wie nach Plan liefe, trottete er zurück ins Wohnzimmer und setzte sich erwartungsvoll hin. Ich zögerte nun doch wieder, ob das eben die richtige Entscheidung war und es vielleicht nicht doch besser wäre, dass er jetzt gehen würde? Aber schlussendlich setzte ich mich hin und betrachtete ihn fürs Erste leicht skeptisch. „Habe ich etwas im Gesicht?“, wollte Hiro wissen, als ich ihn derart anstarrte. Ich schüttelte den Kopf. „Also, Kira, ich höre. Du weißt bestimmt weshalb ich hier bin.“ Ich hatte die Sprache immer noch nicht recht gefunden, dennoch begann ich zögernd: „Du wirst mich nicht verabscheuen, egal was ich sage? Ich werde immer noch in eurem Haus willkommen sein?“ Durch die Fragen die mir eigentlich hätten Sicherheit und Vertrauen geben sollen, erreichte ich eher etwas anderes. Hiro horchte auf. Ich schien jetzt endgültig die Neugierde in ihm geweckt zu haben „Ich will nichts erzählen, wenn ich dafür in Kauf nehmen müsste, dass ich dadurch etwas verliere, was mir wichtig ist.“ Endlich schien ich meinen Mut gebündelt zu haben, denn ich konnte Hiro Blick entschlossen und sicher erwidern. Sogleich nahm er mich auch vollkommen ernst. Er lehnte sich zurück. „Versprechen kann ich nichts, aber wir werden versuchen eine Lösung zu finden, für dein Problem. Es mag sich eingebildet anhören, aber bisher wurde ich noch mit jedem Problem fertig.“ Mein Herz raste immer mehr, ich fühlte, wie der Punkt, welcher Änderungen mit sich bringen würde, näher rückte, dass es nun zu spät war um noch irgendeine Ausrede zu erfinden oder Hiro aus dem Haus zu schicken. Man merkte, dass mir dabei nicht wohl war. Ich spielte mit meinen Fingern und meine Augen wichen unruhig hin und her, schienen keinen Fixpunkt zu finden, an welchem sie haften bleiben konnten. Nur ganz selten schaute ich direkt in Hiros Gesicht, um dort irgendetwas zu finden, dass mich in meinen Worten stärken vermochte. „Damals…als du mich da vor dem Haus gefunden hattest… Du bist bestimmt gekommen um zu wissen, weshalb ich das getan habe. Ich…“, Ich musste einmal tief Luft holen und durchatmen, „…ich bin mir nicht sicher weshalb, aber ich habe da auf dich gewartet…“ Unsicher beobachtete ich Hiro. Wie dieser jetzt wohl reagieren würde? Er starrte mich an und wusste erst nicht recht, wie er die eben gefallenen Worte deuten sollte. Ich konnte in seinen Augen erkennen, dass er nach Aufklärung verlangte, so erzählte ich weiter: „Es war absurd von mir. Ich weiß. Aber damals, es war das erste Mal für mich, dass du nicht wie vereinbart da warst. Sonst bist du doch immer eine überpünktliche Person. Ich wusste zwar, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, dass es für mich keinen Grund dafür gab…aber dennoch, nachdem ich gegangen war, wollte ich dich einfach sehen…irgendwie suchte ich nach einer Bestätigung, das wirklich nichts geschehen war. Wie du anschließend mitgekriegt hast, hatte ich dadurch Fieber bekommen und wurde krank. Die ganze Zeit danach blieb mir derart viel Zeit über mein Handeln nachzudenken, dass ich mir krankhafte Fantasien zusammen gesponnen habe, die mich bis heute nicht in Ruhe ließen. Ich weiß zwar, dass das alles nur Einbildung ist…aber dennoch…ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken. Ich könnte mich doch nie...! Ich bin doch mit Hinata zusammen.“ Es war nun das geschehen, was ich befürchtet hatte. Meine Gefühle überrumpelten mich und schossen einfach so aus mir heraus und breiteten sich vor Hiro aus, ausgerechnet vor ihm! Ich wollte ihn doch nicht auch noch dadurch verunsichern. Es genügte, dass bereits ich deswegen verwirrt war. Aber für Hiro gaben meine Worte noch keinen richtigen Sinn. „Was willst du dir eingebildet haben?“ Ich musste wiederum hart schlucken. Er verlangte von mir, das auszusprechen, was ich bislang nicht einmal zu denken wagte. Ich sollte ihm sagen, dass ich möglicherweise in… „Ich kann dir das nicht sagen, du wirst das nicht verstehen können! Nie!“, presste ich gequält hervor. Hiro versuchte, das was er bisher aus mir herausgebracht hatte, zusammenzuführen. Er schien tatsächlich langsam zu verstehen, was mich bedrückte. „Willst du wissen, ob es Einbildung oder ’was Ernstes ist?“, er lächelte mir zu und gab mir das Gefühl von Sicherheit. Wieder konnte ich nicht direkt mit Worten auf seine Frage Stellung nehmen. So nickte ich. Er streckte mir seine Hand entgegen. „Komm her, du willst dein Gewissen doch beruhigen können, oder?“ Ich stutzte. Es war, als ob ich mich in die Fänge des Teufels begeben würde, wenn ich jetzt aufstehen würde und zu ihm ginge. Dennoch, trotz diesem inneren Warnsignal, ging ich zu ihm. Ich wusste nicht, was er vorhatte. „…du willst doch wissen, ob es nur Einbildung ist, oder ob du dich wirklich in mich verliebt hast.“ Er sprach jene Worte aus, welche ich nicht einmal zu denken wagte. Vor Scham und steigender, innerer Hitze, musste ich meine Augen zusammenkneifen. Ich legte meine Hand auf die seine. Der Packt war geschlossen. Es gab einen Ruck, ich verlor mein Gleichgewicht und drohte auf Hiro zu fallen. Dieser fing mich aber noch rechtzeitig auf und er wagte etwas, was ich nicht zu träumen wagte. Er hatte mich zu sich gezogen, damit er mir einen Kuss geben konnte. Einen Kuss! Ich krallte mich in den Stoffüberzug des Sessels und hielt meine Augen zugedrückt. Das ‚Experiment’ ließ ich über mich ergehen und auch das Feuer in mir, welches wie auf Knopfdruck entfacht war, ließ ich gewähren. Gedanken, über die ich mir in den vergangenen Wochen den Kopf zerbrochen hatte, waren für diesen Moment wie weggeblasen. Ich konnte für einen kurzen Moment einfach an nichts mehr richtig denken. Hiro hatte mich mit dieser Aktion wirklich überrumpelt. Schlussendlich war ich es, der nach einer gewissen Zeit, keine Ahnung wie lange das dauerte, den Kuss zu Ende brachte. Wie in Trance schaute ich Hiro an. Ich musste träumen. So etwas konnte doch nicht die Realität sein. Aber als er mit seinem Daumen über meine Lippen strich, wusste ich, dass es die Wirklichkeit war. Ich wusste auch, dass mein Verdacht keine Einbildung gewesen war, sondern die reine Wahrheit. Ich hatte mich tatsächlich in den Vater meiner Freundin verliebt. Unglaublich, aber wahr. „Wie ich sehe, scheinst du jetzt zu wissen, woran du bist.“, er lächelte mich an, als wäre es für ihn das normalste auf Erden einfach mal so einen Jungen zu küssen. Da wunderte es mich nicht, dass es nicht lange ging, bis die nächsten Fragen bereits in meinen Kopf geschossen kamen. Weshalb tat er das so selbstverständlich? Spielte er mit meinen Gefühlen oder war das einfach das Verhalten eines Erwachsenen Mannes, der scheinbar alles hatte und bekam, was er wollte? Er grinste mich an. Ich bemerkte bereits jetzt, dass er schon wieder meine Gedankenzüge erkennen konnte. „Du wunderst dich, weshalb ich das eben getan habe? Nun, ich wollte dir helfen.“ Ich kauerte noch immer in der gleichen Position auf dem Sessel. Ganz benommen richtete ich mich schließlich auf und torkelte nach hinten, plumpste in meinen Sessel. Er wollte mir helfen. Na ja, das hat er auch. Schließlich hat er mir dadurch tatsächlich die Antworten auf einige Fragen geben können, die mich jetzt wohl nicht mehr belästigen würden. Dafür hatte er aber neue erweckt. Ich musste mich immer mehr und ernsthafter Fragen, wer war dieser Hiro Kazumoto? Umso länger ich ihn kannte, umso weniger schien ich über ihn Bescheid zu wissen. Er stand auf. Schließlich hatte er seine Antwort auf seine Fragen bekommen und hatte jetzt nicht wirklich einen Grund zu bleiben. Er trat noch einmal an mich heran und ging vor mir in die Knie, so dass wir auf gleicher Augenhöhe waren. „Wenn wieder was ist, dann komm einfach zu mir. Denk dran, für jedes Problem gibt es eine Lösung.“ Er grinste mich an und streichelte mir über die Wangen. Ich konnte noch immer nicht recht reagieren. Der Schock von vorhin saß zu tief. Ich schien erst wieder einen einigermaßen klaren Kopf zu haben, als er die Eingangstüre bereits geöffnet hatte und sich noch mit seinen letzen Worten zu mir wandte: „Übrigens, ich nehme dich ernst. Tut mir leid, wenn ich dich irgendwie durch mein Verhalten noch mehr verunsichert habe, als dass du es schon warst. Aber tu das Hinata bitte nicht noch einmal an, solche Probleme von alleine lösen zu wollen.“ Anschließend war er weg und ich nahm eine kalte Dusche. Kapitel 6: Unruhe ----------------- Dank Hiros unverschämtem Verhalten, konnte ich die restlichen Ferien mit einem etwas ruhigeren Gewissen verbringen. Dennoch von innerer Ausgeglichenheit konnte ich nicht sprechen. Die neuen Unruhen waren jene, die Hiro durch seinen Kuss in mir wach gekitzelt hatte. Ich musste mit ihm reden, ich musste ihn wieder sehen, mit anderen Worten, ich hatte Sehnsucht nach ihm und wollte, dass die Ferien so bald wie möglich vorbei waren, damit wieder der gewohnte Alltag einkehrte und ich einige Stunden am Wochenende mit ihm verbringen durfte. Ich verlangte ja nichts von ihm. Ich wollte einfach nur bei ihm sein und über Gott und die Welt quatschen. Vielleicht war auch der Drang in mir erwacht, mehr über ihn herauszufinden. Ein solcher Charakter wie Hiro konnte nicht einfach aus dem Nichts entstehen, das musste doch etwas dahinter stecken. Ich unternahm in den letzen fünf Tagen möglichst viele Sachen, welche die Zeit verkürzten. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich derart auf den Schulanfang gefreut, wie an diesem Montag, auch wenn Hinata mich gleich über die angeblichen Ferien auf der Südinsel ausfragte und ich noch die ganze Schulwoche hinter mich bringen musste, damit ich ins Wochenende starten konnte. Aber ich hielt mir diese Tage als Ziel vor Augen, die Schule möglichst kurzweilig hinter mich zu bringen, was mir teilweise auch gelang. Hinata fiel es schon früh auf, dass ich wieder vor Lebensenergie strahlte. Sie dachte, das käme vom erholsamen Aufenthalt am Strand, mit Sonnenbad und allem drum und dran, nicht aber, dass ich das der einen Person zu verdanken hatte. Ich passte auffällig gut im Unterricht auf, da ich bereits jetzt damit rechnete, dass ich mich bei der nächsten Nachhilfestunde mit anderem beschäftigen würde als mit Wirtschaft. Ich hatte noch so einige Fragen und Unklarheiten, die ich von Hiro beantwortet haben wollte, so schnell wie möglich. Vielleicht hoffte ich insgeheim auch auf eine ähnliche Handlung wie an dem Dienstag in den Ferien. So kämpfte ich dauernd mit der Zeit und trieb sie vorwärts. Die letzte Stunde am Freitag kam mir dann aber elend lang vor, dass ich es sogar riskierte meinen guten Eindruck beim Wirtschaftslehrer zu verspielen. Denn etwa eine Viertelstunde vor Schluss, stürmte ich aus dem Zimmer, obwohl wir noch mitten im Unterricht waren. Im Nachhinein merkte ich, dass mir das genau nichts brachte. Ich würde Hiro so oder so erst am Samstagnachmittag das erste Mal wieder sehen können. So sorgte ich weiterhin dafür, dass die Zeit irgendwie an mir vorbeiging. Ich war richtig ungeduldig. Irgendwann fand ich mich dann auch endlich im Karatedojo wieder. Auf die Worte meines Sensei konnte ich mich nicht wirklich konzentrieren. Allgemein war ich an diesem Tag zu hibbelig und unaufmerksam für Karate. Kaum war das Training zu Ende, rannte ich in die Umkleidekabine. Und da war er, bereits umgezogen. Ich strahlte vor mich hin und Hiro sah das auch. Scheinbar konnte man das gar nicht übersehen. Auch Roy wurde auf mich aufmerksam und fragte: „Was ist denn mit dir los? Hast du im Lotto gewonnen?“ „Nein, ich hatte Ferien und wunderschöne Erlebnisse!“ Ohne es zu wollen, linkste ich schnell zu Hiro. Roy bemerkte diesen Blick und hob seine Augenbrauen. Er legte seinen Arm um meine Schultern und flüsterte mir ins Ohr, so dass es Hiro nicht hören konnte: „Hat er dir etwa die Augen verdreht?“ Sofort schoss mir das Blut ins Gesicht. Ich schüttelte heftig den Kopf. „Nein! Hat er nicht“, schrie ich Roy förmlich an und entwich seiner Umarmung. Das erzeugte natürlich Aufsehen. Ich sorgte dafür, möglichst schnell meine Kleider anzuziehen und im Zuschauerraum zu verschwinden. Heute würde ich mir wieder das ganze Training von Hiro anschauen. Der Erste Teil war nichts Besonderes, aber im zweiten Teil, als es ans praktizieren einzelner Techniken ging, blickte ich erstaunt auf. Es war nichts Neues, dass Roy sich Hiro als Trainingspartner schnappte, aber so ernst bei der Sache hatte ich Hiro noch nie gesehen. Der wollte Roy regelrecht eine Lektion erteilen. Dieser kam dadurch auch ziemlich ins Schwitzen. Um was es da wohl ging? Durch irgendetwas musste Roy Hiro ziemlich gereizt haben. Am Ende der Einheit stampfte Hiro schnaubend vom Übungsplatz. Er wurde aber sogleich vom Sensei abgefangen, welcher ihm etwas zu sagen hatte. Ich verschwand draußen und wartete dort auf Hiro. Ich wollte wissen, was vorgefallen war. Ich musste mich nicht lange dulden. Er war ziemlich schnell fertig mit umziehen und bemerkte mich auch sofort, als er aus dem Gebäude trat. „Was machst du denn hier? Sag nur, du hast schon wieder das ganze Training mit verfolgt?“ Ich nickte eifrig. „Soll ich dich nach Hause fahren?“ „Wenn es dir nichts ausmacht? Das wäre nett.“ So saßen wir kurz darauf wieder gemeinsam in seinem Auto. „Sag mal, Hiro. Was war den heute im Training mit dir los, so habe ich dich ja noch nie gesehen.“ „Ich musste etwas Dampf ablassen.“ „Weshalb das denn? Ist etwas vorgefallen?“ Er legte seine Hand auf meinen Kopf und drückte diesen nach unten. „Du wirst mir langsam zu neugierig, Bürschchen.“ Ich kniff ein Auge zu. „Und wenn schon. Es interessiert mich eben, außerdem ist Fragen nicht verboten.“, schmollte ich. Ich hatte ihm all meine Gedanken auf dem Silbertablett serviert und er? Er will mir einfach nichts über sich erzählen. „Wirst du Morgen wieder bei uns vorbeischauen?“, Hiro lenkte sofort vom Thema ab. „Hm…ich hatte es vorgehabt.“ „Dann ist bei dir also wieder alles in Ordnung?“ Auf diese Frage hin schwieg dafür ich. Hiro verstand und machte das Radio an. Die restliche Fahrt sprachen wir kein Wort mehr miteinander. Erst als er mich bei mir zu Hause ablud, fielen noch einzelne Sätze. „Dann also bis Morgen.“ „Ich werde auf den früheren Nachmittag kommen.“ „Dir ist schon klar, dass Hinata morgen nicht zu Hause ist?“ „Ist mir bekannt.“ „…“ „Also dann, Tschüss und danke noch fürs mitnehmen.“ Ich spürte es, dass unsere Beziehung nicht mehr die Alte war. Es hatte sich etwas verändert und darüber wollte ich mit ihm reden. Ich wollte von ihm hören, wie er es sich vorstellte, wie das mit uns weitergehen sollte. Dieses Gefühl durchwühlte mich, bis ich am Sonntag vor der Tür stand. Diesmal war es nicht Hinata, die mich begrüßte, sondern Hiro. Ich hätte beinahe gleich das Thema aufgegriffen, als ich gerade noch realisierte, dass wir doch nicht alleine waren. Megami war noch zu Hause. „Und? Was soll ich dir dieses Mal erklären?“, Hiro führte mich in die Küche. Dort gab ich ihm irgendein Thema an, welches ich eigentlich schon begriffen hatte. … „…wenn du also als Privatunternehmer Geld anlegen willst, auf eine sichere Variante, dann solltest du dich an einem Fond beteiligen. Die Obligationen…Kira? Hörst du mir überhaupt zu?“ Ich starrte ihn schon die ganze Zeit an und machte keinerlei Notizen. Es war offensichtlich, dass ich wegen etwas anderem hier war. Deswegen erkannte er nun auch, dass es sinnlos war, weiterhin auf diese Variante den Nachmittag zu verbringen. Hiro seufzte und wandte sich zur Tür. „Schatz?“, rief er ins Wohnzimmer, „Wärst du so lieb und würdest mir ein paar Unterlagen aus dem Büro holen?“ Megami kam zu uns in die Küche. „Natürlich, wenn du mit Kira so sehr beschäftigt bist…“, sie lächelte freundlich und konnte dadurch als private Sekretärin von Hiro durchgehen. „Was brauchst du denn?“ „Die Wirtschaftsordner eins und zwei. Du wirst sie irgendwo finden.“ „Ich werde mich beeilen.“ „Lass dir ruhig Zeit, es eilt nicht.“ „In Ordnung.“ Megami stand neben Hiro und hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt. Er gab ihr noch einen kleinen Abschiedskuss und ich starrte irgendwohin, damit ich mir das nicht anschauen musste. Als sie gegangen war, schnappte sich Hiro das Telefon und tippte eine Nummer ein, die er auswendig kannte. „Ja, hallo, ich bin’s.“ Hiro horchte der Stimme. „Nicht jetzt. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass du Besuch bekommst. Halte sie auf, so lange du kannst, ja?“ Wieder horchte er. „Teru! Wag es nicht!“, fauchte er in den Hörer, „Wenn ich das bei mir zulasse, heißt das noch lange nicht, dass auch sie so tief sinkt!“ Kaum waren die Worte gefallen, hatte er das Telefonat auch schon beendet. Den letzen Teil des Gespräches flüsterte er mehr. Er wollte eigentlich nicht, dass ich etwas davon mitbekam, dafür hatte er mich aber unterschätzt. Es wurde immer spannender für mich und ich grinste frech, als er zurück in die Küche kam. Die Bücher hatte ich bereits zugeklappt und die Blätter in meiner Mappe verstaut. „So, sind wir jetzt alleine?“ „Ja sind wir. Und du kannst endlich mit deinem Anliegen herausrücken, weshalb du wirklich hier bist.“ Hiro war schon wieder vom einten Augenblick auf den anderen mit der Laune auf den Grund gesunken. Das Telefonat eben musste ihn ziemlich gereizt haben. Er rieb sich die Augen, was mir zeigte, dass er müde war. „Ich wollte eigentlich nur eines von dir wissen. Was hattest du dir damals dabei gedacht? Ich meine, ich kann mich unmöglich dir gegenüber so benehmen, als wäre nichts gewesen. Du hast mir die Wahrheit schonungslos vor Augen geführt. Kannst du mir sagen, was ich jetzt tun sollte?“ Ich schaute ihn auffordernd an. Er entgegnete aber nichts sondern stand einfach wieder auf und ging ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm aufgebracht. Sein Verhalten erschien mir inzwischen sehr verantwortungslos. „Du willst dazu keine Stellung nehmen? Ist es dir eigentlich egal, was du mit meinem Leben durch dein Handeln gemacht hast? Du hast mir die Bestätigung gegeben, dass ich mich in einen Mann verliebt habe! In jemanden, den ich nicht auf diese Art und Weise lieben darf! Ist dir das eigentlich klar?!!“ Ich stampfte zu ihm. Er hatte es sich bereits auf seinem Sessel bequem gemacht und schaute mich gelangweilt an. Diese offensichtliche Gleichgültigkeit brachte mich zum brodeln. Ich stand vor ihn hin und schaute auf ihn runter, mit einem wütenden Blick. „Was willst du von mir hören, Kleiner?“ Ungläubig musterte ich den Mann. Wie konnte er damit nur so gelassen und ruhig umgehen. Als ob nichts dabei wäre. „Ich will aus deinem Mund hören, was du dir dabei gedacht hast!“ „Nichts.“ Nichts? Nichts?! Er hatte sich also nichts dabei gedacht? Und mich einfach so, aus dem nichts spontan geküsst? „Ist dir eigentlich klar, was du damit angerichtet hast?!!“ Ich stand zitternd vor ihm. Meine Stimme bebte. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass ich Opfer einer unüberlegten Tat geworden war, welche mein Leben durch einen kleinen, mickrigen Kuss auf den Kopf gestellt hatte. „Tut mir leid, aber es ist über mich gekommen.“ Da biss mich doch ein Affe. So was sagte er mir einfach mit diesem uninteressierten Blick ins Gesicht? Das war ja wohl ein schlechter Scherz. Ich kochte immer mehr und regte mich über das Verhalten dieses Menschen auf. Das war unvorstellbar einfach nur lächerlich! „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“ Ich starrte auf ihn runter und erwartete weitere Worte. Aber nichts kam. Er kümmerte sich einen Scheiß darum, wie es mir ging! Von wegen ernst nehmen. Unkontrolliert knallte ich ihm eine. Für sein schamloses Benehmen kassierte er eine saftige Ohrfeige. Ich funkelte ihn an. Jetzt musste er doch eine Reaktion von sich geben. Aber fürs Erste er rieb sich nur die Wange. Und dann wagte er es mir so eine Frage zu stellen, als ob er an allem, was bisher geschehen war, überhaupt keine Mitschuld hatte. „Bist du gekommen, um dich mit mir zu streiten?“ Jetzt schaute er mich wenigstens wieder an. „Fühlst du dich jetzt besser?“ Wieso konnte er mich nur mit so wenigen Worten zum Schweigen bringen und mir dabei auch noch einen kalten Schauer über den Rücken jagen? „Habe ich Recht in der Annahme, dass du nur gekommen bist, um Gewissheit zu haben, ob du dir Hoffnungen machen kannst oder mich besser gleich ganz vergisst?“ Weshalb rückte Hiro erst jetzt mit der Sprache raus. Wieso hatte er mich erst noch derart provoziert, bis ich ihm sogar eine gescheuert hatte? Ich wurde aus diesem Menschen einfach nicht schlau. „Nein! Bin ich nicht!“, meinte ich protestierend. „…Nun. Weißt du Kira? Die Liebe kann man nicht planen. Die kommt und geht, wie es ihr gerade passt. Es bringt einem nicht viel, Pläne zu schmieden.“ „Wie meinst du das?“ Jetzt da er wieder auf mich einging, beruhigte ich mich allmählich wieder. Er zog mich nur zu sich und küsste mich schon wieder. Aber dieses Mal schockte es mich nicht mehr. Was machte es für einen Unterschied ob ein- oder zweimal? „Liebe ist vergänglich. Oft ist es nur ein kurzer Funken. Jeder muss selbst wissen, wie viel Wert ihm das ist und wie viel er dafür riskiert. Es wird dir nichts bringen, Sachen mit mir zu besprechen, wie du dich mir gegenüber verhalten sollst, wie es mit uns weitergeht oder was wir machen sollten. Du kannst so etwas nicht im Voraus bestimmen. Deine Gefühle werden immer eine andere Richtung einschlagen, als vorausgesehen oder gewollt. Hinata ist doch das beste Beispiel. Am Anfang eurer Beziehung hättest du doch nie damit gerechnet, dass du ihr einmal fremdgehen würdest, geschweige denn dass du das Ufer wechseln könntest.“ Hiros Worte hatten etwas an sich aber irgendwie half es mir nicht weiter. Ich fühlte mich, als stünde ich zwischen Stuhl und Bank. Jene Person welche mich liebte, schien ich nicht richtig zu lieben und jene, in die ich mich verliebt hatte, empfand nichts für mich. So war meine derzeitige Situation. Was sollte ich tun? So wie Hiro sprach, konnte ich gar nichts anders tun als abzuwarten und Tee zu trinken. Aber ich würde das doch nicht aushalten können, dafür war ich zu ungeduldig. Hiro bemerkte, dass ich mir schon wieder den Kopf zerbrach. „Jetzt grüble doch nicht immer so. Du schadest dir damit nur. Lass dich doch einfach von deinen Gefühlen treiben. Und wenn du etwas nicht willst, dann verhindere es. Wenn du also nicht willst, dass du mir noch mehr verfällst, unternimm etwas dagegen, aber nur mit nachdenken erreichst du das nicht. Ich habe es dir doch schon gesagt. Nenn mir deine Probleme und wir finden eine Lösung dafür. Aber alleine kriegst du das nicht auf die Reihe.“ Ich hörte ihm aufmerksam zu. Seine Worte hatten etwas Eigenartiges an sich, etwas Sonderbares und Verantwortungsloses. Aber gab es nicht immer wieder Situationen im Leben, in welchen man aus Egoismus unrecht handelte? Dass man Momente hatte, in denen man sich für einen moralisch unkorrekten Weg entschied, das Risiko für die Konsequenzen einging, nur um eine Zeitlang glücklich zu sein? Ich sollte mich also treiben lassen? Die Gefühle auf mich zukommen und auf mich einwirken lassen, in der Hoffnung, dass sie mich auf den richtigen Weg bringen? Dieser Gedanke erschien mir damals unheimlich. Es war der Weg ins Unbewusste, ins Leben voller Überraschungen und Risiken. „Du brauchst dazu nichts zu sagen.“ Ein kalter Schauer breitete sich auf meiner Haut aus. Ich stand noch immer vor Hiro, welcher zu mir hochblickte. „…aber irgendwann wirst du eine Entscheidung fällen müssen. Ich kann dir aber bereits jetzt sagen, ich werde dich dabei unterstützen.“ „was…was würdest du denn machen, wenn….wenn ich meine Gefühle zu dir…sagen wir… auskosten möchte?“ „Nun dann…müssten wir aufpassen, dass niemand davon Wind bekommt.“ Er grinste ungeniert. Er würde sich also tatsächlich mit mir einlassen? Einfach so? Es war so, als ob niemand diesen Charakter aus der Bahn werfen konnte und dafür bewunderte ich ihn. Noch einmal zur Absicherung, dass ich auch nichts von seinen Reden falsch aufgefasst hatte, fragte ich noch einmal nach seiner Meinung: „Du meinst also, ich soll mich entscheiden, in welche Richtung ich gehen soll und mich dabei auch ruhig von meinen Gefühlen treiben lassen?“ „Erraten, Kleiner. Und du musst keine Rücksicht auf mich nehmen. Ich werde mit jeder Entscheidung zu Recht kommen.“ Das Gespräch war sehr eigenartig verlaufen. Jetzt fühlte ich mich aber erleichtert. Ich vertraute Hiro vollkommen. Er war zwar eine eigenartige Person mit einer bizarren Einstellung aber scheinbar ging er selbst mit dieser durch das Leben und konnte sich nicht beschweren. „So, da bei dir nun endgültig alles klar zu sein scheint...könntest du eigentlich nach Hause gehen.“ Hatte ich mich jetzt eben gerade verhört? Er schickte mich aus dem Haus?! „Wer sagt denn, dass bei mir alles klar ist? Da sind noch lange nicht alle Fragen geklärt!“ „Was denn zum Beispiel nicht?“ „Ich weiß beispielsweise noch immer nicht, was du über mich denkst“, langsam wurde ich wieder skeptischer. „Du amüsierst mich. Aber ich bin es langsam müde mit dir über solche Themen zu reden. Du kannst mich weiter ausfragen, wenn du weißt, was du willst.“ Was ich wollte? Mit dieser Frage nahm ich den Rückweg in Anlauf. Was wollte ich eigentlich? Aber je länger ich darüber nachdachte, umso mehr Sachen fielen mir ein. Ich wollte von Hiro akzeptiert werden. Ich wollte nicht länger zu ihm hoch schauen müssen. Ich wollte, dass er mir genau so vertraute, wie ich das auch bei ihm tat. Ich wollte, dass er nur mich sieht, dass ich etwas Wichtiges für ihn bin. Ganz einfach, ich wollte von ihm geliebt werden. Und wenn ich dafür in den Abgrund sinken musste. Ich würde ihn mit mir ziehen, in die Tiefen einer verbotenen Welt. Ich würde herausfinden, wie weit ich bei ihm gehen konnte. Wenn er mit mir spielen wollte, dann konnte ich dies auch mit ihm tun. So kehrte ich bereits auf halbem Weg mit einer entschlossenen Haltung um, zurück zu Hiro. „Kira, ich dachte, du wärst bereits zu Hause.“ Hiro stand im Bademantel an der Tür. Das war für mich ein Zeichen, dass er nicht damit rechnete, dass ich es wagen würde, zurückzukommen. Aber jeder verschätzt sich einmal im Leben. „Ist Megami schon hier?“ „Nein, sie lässt sich Zeit.“, er lächelte lasziv, „Hast du etwas vergessen?“ „ich darf doch?“, ich trat in das Haus ein und schloss sofort die Tür hinter mir. Sogleich schnappte ich mir Hiro am Kragen und zog ihn etwas zu mir runter. Ich grinste selbstsicher. „Du hast doch gesagt, ich soll erst wiederkommen, wenn ich wüsste, was ich wolle.“ Wir blickten uns tief in die Augen, bis ich schließlich die Initiative ergriff und meine Lippen auf seine presste. Er staunte nicht schlecht. So viel Mut hatte er mir wohl nicht zugetraut. „Das ist es, was ich will. Ich will dich! Für mich alleine!“ „Dann hole es dir, wenn es so wichtig für dich ist.“, Er grinste prächtig amüsiert. Das reizte mich nur noch mehr, ihm zu zeigen, wie ernst es mir war. Ich schloss meine Arme hinter seinem Hals und wollte noch weitere Küsse ergattern, aber Hiro hielt mich zurück. „Nicht so stürmisch. Megami kann jeden Moment nach Hause kommen.“ Wenigstens wies er mich nicht vollkommen ab. „Aber du hast doch eben noch gesagt, dass sie sich Zeit lassen würde.“, protestierte ich. „Sie hat sich ja schon Zeit gelassen.“ „Darf ich aber wenigstens hier bleiben?“ „Meinetwegen. Ich muss mich aber noch anziehen gehen.“ Hiro stand schließlich noch ganz durchnässt im Eingangsbereich und es war Winter. Auch wenn die Tür geschlossen war, war es nicht gerade warm in diesem Bereich des Hauses. Kapitel 7: Vorbereitungen ------------------------- Es war ein Sonntag an einem frischen, winterlichen Januartag. Es war der Tag, an dem mein Schicksal endgültig besiegelt wurde. Denn von diesem Sonntag an hatte ich eine heimliche Liebschaft, eine eigenartige heimliche Liebschaft. Gerade saßen wir beieinander und tranken Kaffee und unterhielten uns über allerlei Sachen. Autos, Sport, Frauen - Typische Themen unter Männern eben; als mir Mitten im Gespräch plötzlich etwas wie Schuppen von den Augen fiel. „Ah! Mensch! Wie konnte ich das denn vergessen??!“ „Was ist denn jetzt wieder los mit dir?“ „Sag nur, du hättest das auch vergessen? Hinata hat doch schon bald ihren 18. Geburtstag!“ Ich unterhielt mich gerade mit dem Vater meiner Freundin, Hiro. Eigentlich sollten wir jetzt hinter einem Tisch hocken und über Wirtschaft diskutieren. Aber da wir beide nicht so recht bei der Sache waren, ließen wir es gleich ganz und machten dafür schon seit Beginn eigentlich nichts anderes als Pause. „Ja, hat sie. Aber bis dahin ist ja noch Zeit. Wieso bist du so entsetzt?“ „Hallo? Das ist ihr 18. Geburtstag! Den sollte man schon etwas feiern. Da kann man nicht einen Tag zuvor mit dem Planen beginnen.“ „Bist du etwa auch einer von denen, die auf Partys stehen?“ Ich schaute Hiro hoffnungslos an. „Jetzt sei doch nicht so eine Spaßbremse. Ich spreche bloß aus Erfahrung. Ich wünsche niemandem einen Geburtstag, wie ich ihn erleben durfte.“ „Wieso denn? Schlechte Erinnerungen an den Achtzehnten?“ Dieser Mann kannte mich langsam wirklich gut und wusste auch, dass ich bei solchen Fragen leicht zu ärgern war. „Nein! Ich hatte einen perfekten Achtzehnten!“, fauchte ich ihn deutlich ironisch an. „So, so, wie sah der denn aus?“ „Wieso sollte ich ausgerechnet dir davon erzählen?“ „Komm her und ich sag dir den Grund.“ Sein belangloses Grinsen, verriet mir sein Vorhaben. „Du willst mich doch nur wieder anheizen und mich anschließend links liegen lassen.“, schnaubte ich. „C’est juste, mon Chéri“, sprach er mit einer zugegeben exzellenten Aussprache. „Du kannst mich mal!“, fauchte ich ihn daraufhin an. „Gerne, aber biete deine Unschuld nicht so freizügig an. Sonst wirst du noch auf offener Straße überfallen.“ Sein Humor konnte mich wirklich innerhalb von wenigen Sekunden auf die Palme jagen. „Was tue ich überhaupt noch hier, mit einem Schwachkopf wie dir?“ Ich stand auf und wollte schon gehen aber ich konnte nicht, er ließ mich nicht. Hiro hatte mich am Arm geschnappt und mich auf seinen Schoss gezogen. Jetzt saß ich da, von diesem Monstrum umschlungen und kam nicht mehr weg. „Du kannst gehen, wenn du mir von deinem Geburtstag erzählt hast.“, wisperte er mir direkt ins Ohr. „Nicht…! Ich bin da zu empfindlich!“ Mit Absicht begann er nun auch noch daran zu knabbern. „Ich höre….“ „Das ist nicht fair…!“, wimmerte ich. Ich lag nun deutlich im Nachteil, „Wenn du so weitermachst, sterbe ich dir noch an einem Herzinfarkt.“ „So sehr liebst du mich also…?“ Es war zum verrückt werden. Wie konnte ein solch Großgewachsener Vollidiot so viel Einfluss auf meine Gefühlswelt haben? „jetzt…Jetzt lass los!“, schrie ich wehrlos. Genau in diesem Moment kam auch Megami wieder zurück, mit den zwei Wirtschaftsordnern. Sie schaute uns perplex an. „Hat dich Hiro wieder einmal geärgert?“ Ich nickte nur und spielte das unschuldige Opfer. Zum Glück hatte mich Hiro losgelassen, bevor sie ins Wohnzimmer eingetreten war. So kam ich noch einmal mit einem großen Schock davon. „So jetzt könnt ihr euch wieder normal benehmen und euch weiter mit Wirtschaft befassen.“, sie lächelte, freundlich. Das gleiche freundliche Lächeln, welches sie auch hatte, als sie aus dem Haus ging. Wir zwei flüchteten sofort in die Küche zum Esstisch und ließen uns auf die Stühle nieder. Da hatten wir echt noch einmal Glück gehabt. „Und du willst meinen, dass du solche Beziehungen schon irgendwie geheim halten kannst?“ Ich fixierte meinen Blick misstrauisch an Hiro. „Pst! Kein Wort mehr darüber! Wir reden jetzt nur noch über Wirtschaft, verstanden?“ Er hielt mir eine Buchseite vor die Nase: „Studier jetzt einmal diese Seite, damit du den Kindergartenstoff von Aktien endlich begreifst!“ Ich nahm das Buch und schloss es auch gleich wieder. „Mensch Hiro. Ich hab das alles doch schon längst kapiert.“, seufzte ich, „Du weißt doch ganz genau, dass ich heute von Anfang an nicht vor hatte, Wirtschaft zu büffeln.“ Hiro schaute schnell durch die Tür, und versicherte sich das Megami mit anderem beschäftigt war, nicht dass sie wieder unangemeldet reinplatze. Sie war mit anderem bedient. Sie arbeitete für eines ihrer Projekte, das Kindern in Not helfen sollte. Dann kam er zurück, setzte sich wieder mir gegenüber hin und lehnte sich über den Tisch, so dass zwischen unseren Gesichtern nur noch wenige Zentimeter Abstand vorhanden waren. „Jetzt hör mal gut zu. Wenn du nicht bereits am ersten Tag als Leiche enden willst, dann versuch erst gar nicht in der Gegenwart von irgendjemand anderem als mir, über das Thema zu reden, verstanden?“ Ich nickte. „Aber Hiro…über Hinatas Geburtstagsfest können wir schon sprechen, oder?“ Er schaute mich an und lehnte sich zurück. „Ja, darüber können wir natürlich miteinander sprechen.“ „Habt ihr schon etwas geplant?“ „Nein haben wir noch nicht, wir wollten ihr das eigentlich überlassen, sie ist alt genug für so etwas.“ „Hm...was denkst du, was soll ich ihr schenken?“ „Da fragst du sie am besten selbst. Jetzt bietet sich die beste Gelegenheit dafür.“ „Ich kann sie doch nicht einfach so aus dem nichts Fragen, was ihr noch fehlt.“ „Kira…du musste das eben mit dem richtigen Timing machen. Frag sie aber nicht, was sie für Geschenke will, frag sie nach ihren sehnlichsten Wünschen. Vielleicht ist einer darunter, welcher du ihr erfüllen kannst.“ „Wann kommt sie eigentlich nach Hause?“ „Heute Abend irgendeinmal. Wird wohl etwas später werden.“ „Dann lohnt es sich wohl nicht, dass ich auf sie warte.“, ich musste lächeln, „vielleicht sollte ich doch besser langsam gehen.“ „Ich begleite dich zu Tür“ So packte ich meine Schulsachen zusammen. „Hast du auch alles? Nichts vergessen?“ „Hab alles, danke.“ Während mich Hiro zur Tür begleitete, rief ich noch kurz ins Wohnzimmer: „Tschüss, Megami. Danke noch für die Ordner.“ „Schon in Ordnung, für einen solch zielstrebigen Jungen mache ich das gerne wieder. Dann standen wir auch schon vor der Eingangstür. „Also dann, Kira, komm mir gesund nach Hause.“ „Ich werde schon nicht gleich von einem Auto überfahren. Tut mir ja leid für dich, aber so schnell wirst du mich nicht los.“ „Der Meinung bin ich auch.“ Schweigen. Es herrschte ein eigenartiges Klima zwischen uns. Erst recht, weil wir kein Wort darüber verlieren durften. Es war unser beider Geheimnis. „Geh jetzt! Oder muss ich dich auch noch vom Grundstück jagen? „Nein danke, darauf verzichte ich.“ Es regte sich nichts. Es war irgendwie das Gefühl in mir, dass da doch noch etwas fehlte. „Auf was wartest du denn noch? Du sollst gehen.“ „Bin ja schon weg“ Und ich trödelte unwillig davon. Zu Hause angekommen, verschwand ich überglücklich in meinem Zimmer. Ich hatte das sichere Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das erste Mal in meinem Leben spürte ich, was es hieß, bis über beide Ohren in jemanden verliebt zu sein. Es war wirklich ein herrliches Gefühl. Ich grübelte in meiner Hosentasche und zog ein Zettel hervor, welcher mir Hiro am Ende des Nachmittags noch zugesteckt hatte. Darauf war eine Telefonnummer. Es musste seine Handynummer sein. Darunter hinterließ er noch eine Nachricht: Für Notfälle Ich musste schmunzeln. Wie lange es wohl ging, bis ich diese Nummer gebrachen würde? Ich hätte bereits jetzt schon anrufen wollen. Ließ es dann aber doch bleiben. Schon spannend, welche Überraschungen das Leben so mit sich bracht. Jetzt da ich alleine auf meinem Bett lag, wurde mir erst richtig klar, was an diesem Tag alles geschehen war. Ich hatte Sachen gemacht, welche ich nie von mir gedacht hätte, solche die ich zu bereuen geglaubt hatte, es nun aber nicht tat. Im Gegenteil. Ich war glücklich. Auch wenn es eine vollkommen neue und fremde Situation für mich war und ein schlechtes Gewissen gegenüber Hinata in mir hoch kroch. Ich hatte sie heute betrogen und das wäre erst der Anfang. Ich wollte gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn jemand davon Wind bekäme. Aber Hiro hatte mir ja versichert, dass nichts geschehen werde und dass ich mir keine Sorgen zu machen müsste. Mit einem warmen und wohligen Gefühl der Geborgenheit, schlief ich ein. Dieser Tag war der Beginn eines neuen Lebens für mich. Ich hatte die unschuldige Seele eines Kindes nun endgültig von mir getrennt. Ich war in die Welt von Erwachsenen eingestiegen und stand nun mit beiden Beinen darin. Es war aber auch der Beginn eines langsamen Absturzes in die Hölle, von dem ich aber noch nichts vernahm. Denn bis jetzt hatte ich eher das Gefühl zu fliegen. Es waren noch ganze drei Wochen hin bis zu Hinatas Geburtstag. In der nächsten Schulwoche nahm ich es mir gleich zum Ziel mich bei Hinata zu erkunden, was ihr größter Wunsch sei. „Hm…mein größter Traum?“, sie musste eine Weile nachdenken, „Eigentlich gibt es da nur etwas…“ Sie lächelte mich geheimnisvoll an. „Und das wäre?“ „Wieso willst du das eigentlich so plötzlich wissen?“ „Ich interessiere mich eben für dich.“, entgegnete ich. „Nun ja, dann will ich einmal nicht so sein. Mein größter Wunsch ist es natürlich glücklich zu sein. Und das heißt für mich momentan nicht anderes, als dich zu haben. Du bist das wichtigste für mich. Ich will dich einfach nicht verlieren. Das ist eigentlich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein.“ Wir wurden beide rot. „Da…das hast du jetzt wirklich schön gesagt, Hinata.“ Wegen diesen Worten war ich nun ganz baff. Ich betrachtete sie erstaunt. Sie konnte mich doch immer wieder überraschen. Dass sie mir so etwas sagen würde, das machte mich wirklich sehr verlegen. - Meine Mutter lachte los. „Du willst dich ihr als Geburtstagsgeschenk geben? Solche Ideen…typisch Kira.“ Ich kratzte mich am Hinterkopf. Weshalb konnte ich nicht meine Klappe halten? Die Reaktion meiner Mutter hätte ich gleich im Voraus berechnen können. Wenigstens beruhigte sie sich allmählich. „Darf ich Fragen, wie du dir das vorstellst? Willst du ihr als Geschenk verkleidet in die Arme springen?“ Sie kicherte noch immer vor sich hin. So langsam fand ich es aber überhaupt nicht mehr lustig. „Tut mir leid Kira, für meine Reaktion…aber…dieser Einfall, der ist doch schon etwas lächerlich, oder? Hat sie dich denn nicht bereits schon ‚bekommen’?“ Ich wusste genau, dass dem nicht so war. Aber meiner Mutter würde ich das nicht sagen. „Na ja…wie man’s nimmt eben…aber das geht dich ja eigentlich auch nichts an.“ Endlich schien sie meine Worte ernst zu nehmen: „Du wirst schon wissen, was du tust.“ Was hatte es jetzt gebracht, dass ich ihr von meinem Vorhaben erzählt hatte? Ich hatte nur ihren Segen bekommen, dass ich mich an Hinatas Geburtstag selbst zum Geschenk machen konnte und Hinata alles mit mir tun und lassen durfte, was sie wollte. Bis zum nächsten Wochenende hin plante ich mit Kisara und Mimori gemeinsam Hinatas Geburtstagsfete. Es sollte nichts Großes werden und bei ihr zu Hause stattfinden. Dafür bekamen wir auch ziemlich schnell die Erlaubnis von Megami. Ein Fest von der Dauer eines Tages. Mehr brauchte Hinata nicht. Nur mich plagte wieder mal etwas. So wartete ich am Samstag nach meinem Training wieder einmal auf Hiro. „Für dich scheint es ja langsam zur Gewohnheit zu werden, dass ich dein Chauffeur spiele. Tut mir leid, aber heute bin ich zu Fuß gekommen. Ich kann dich nicht nach Hause fahren.“ Welch glücklicher Zufall! Das kam mir gerade gelegen. „Ach das macht nichts. Ich wollte dich so oder so etwas Fragen. Da kann ich dich ja gleich begleiten, natürlich nur, wenn es dich nicht stört.“ Ich erwartete keine Antwort. Mit der Zeit lernte man, dass ein Mensch wie Hiro nicht unnötige Worte verlor, sondern einfach handelte. So schlug er seinen Weg ein, ich blieb kurz stehen und wartete ab. „Auf was wartest du noch? Komm oder du kannst alleine gehen!“, rief er mir mit einem schroffen Tonfall zu. Ich hatte nur auf die Bestätigung gewartet und rannte zu ihm. Solche Bestätigungen brauchte ich von Hiro des Öfteren, dass ich auch merken konnte, ob er mich überhaupt wahrnahm. „Was beschäftigt dich denn schon wieder?“ „Ach…ich wollte nur deine Meinung über das berühmte erste Mal hören.“, Scheinheilig kickte ich einen Stein vor mich hin und nahm diesen als Vorwand nicht in Hiros Gesicht gucken zu müssen. „…über das erste Mal…so, so. Wirst du doch langsam ungeduldig mit Hinata? Oder ist sie es, die es nicht mehr abwarten kann?“ Hiro schaute das Thema wieder völlig nüchtern an, was mich auch aufregte. Es wirkte, als wäre es ihm vollkommen egal, mit wem ich ins Bett stieg, als ob es ihn nichts angehen würde. Irgendwie hatte ich mir insgeheim erhofft, dass ich einen Funken Eifersucht bei ihm erkennen würde. Aber nichts. Rein gar nichts erkannte man da. „Denkst du, dass es eine gute Idee ist, wenn ich mich ihr quasi zu ihrem Geburtstag anbiete?“ Hiro schaute mich kurz an und musste dann auflachen. Die gleiche Reaktion wie bei meiner Mutter, nur dass mich seine mehr traf. Aber er lachte nur kurz, dann sah er es gleich wieder objektiv an. „Du solltest dein erstes Mal nicht einfach so darbieten. Such dir die richtige Person dafür und riskiere lieber mit deiner Unschuld ins Grab zu gehen, als dein erstes Mal unüberlegt und an die falsche Person zu verschenken. Das wird dich nur reuen, glaub mir, ich weiß von was ich spreche. Aber Hinata wird sicher nicht die falsche Wahl sein, solange sie sieht, dass du es euretwegen machst und nicht nur wegen ihr oder nur deinetwegen. Es muss einfach für euch beide stimmen aber schlussendlich musst du wissen, was du willst. Ich kann mich nur wiederholen, Kira, solche Entscheide liegen alleine bei dir.“ Er zog eine Zigarette aus seiner Manteltasche hervor. „Du auch?“ Ich sah ihn das erste Mal mit einer Zigarette in der Hand. „Nein danke, ich rauche nicht.“ Das akzeptierte er auch sofort und bevor er seine anzündete fragte er rücksichtsvoll nach: „Stört es dich, wenn ich rauche?“ „Gesund ist es nicht….“ Ich hielt meinen Kopf schon die ganze Zeit gesenkt, bemerkte trotzdem dass Hiros Blick auf mich fiel. Er zündete die Zigarette nicht an. Wahrscheinlich aus Rücksicht oder weil er kein schlechtes Vorbild sein wollte. Innerlich war ich enttäuscht. Hiro schien wirklich nichts Besonderes an mir zu finden. Das machte mich traurig. Ich trottete dementsprechend niedergeschlagen neben ihm her. Meine Körperhaltung sprach wie immer Bände. „Willst du, dass wir die Nachhilfe Morgen an einem ungestörten Platz verbringen?“ Hatte er wieder meine Gedanken gelesen? Aber ich wollte nicht, dass er nur so tat, als würde ich ihm etwas bedeuten. Ich sah so oder so irgendwie keinen Sinn mehr dahinter, weshalb er sich überhaupt mit mir einließ. „Nein, ist schon in Ordnung.“ Mein Verhalten schien auch Hiro nachdenklich zu stimmen. Wieder schwiegen wir beide aber noch nie schmerzte diese Stille, wie in diesem Augenblick. Ich ging meinen Gedanken nach. Lohnte es sich überhaupt für eine solche Beziehung so viel auf das Spiel zu setzen? Konnte man das, was zwischen uns war überhaupt eine Liebesbeziehung nennen? War das nicht viel eher die Neugierde eines Jugendlichen der auf das Mitleid eines Erwachsenen stieß? Brachte mir das alles überhaupt etwas außer neuen Problemen? War das alles nicht bereits jetzt schon zum Scheitern verurteilt? Machte es überhaupt Sinn, dafür zu kämpfen? Bevor ich ein neues Gesprächsthema hätte anschneiden können, sahen wir bereits den Umriss von Hiros Haus. Das war nur eine Bestätigung dafür, wie lange wir jetzt schweigend nebeneinander hergegangen waren, ohne dass einer wagte dem anderen seine Gedanken anzuvertrauen. Unsere Wege trennten sich an der Kreuzung. „Tschüss…“ Dann spürte ich plötzlich einen Regentropfen auf meine Nase fallen „Es beginnt zu regnen.“, stellte ich fest. Ich schaute hoch in den Himmel und hielt auch meine Hand prüfend in dieselbe Richtung. Es dämmerte bereits und das schwache Sonnenlicht wurde von zusätzlichen, dunklen Regenwolken abgeschwächt. „Willst du einen Schirm? Nicht dass du noch einmal krank wirst.“ Hiro begann bereits nach seinem Knirps zu suchen und fand ihn auch. Ich hatte nur genickt. Ich mochte gerade nicht mehr sprechen, dafür war ich zu deprimiert. Hiro öffnete den Schirm und gab ihn mir in meine Hand. Wir standen beide unter dem Schirm und wie auf einen Schlag begann es vom Himmel runter zu gießen. Unsere Köpfe steckten beide unter dem schwarzen Regenschirm. Hiro nutze die Gelegenheit und gab mir einen sanften Kuss. Der erste Abschiedskuss, den ich von ihm bekam, er fühlte sich an, als wäre es auch der letzte gewesen. Zwar entfachte dadurch wieder diese innere Hitze, aber mein Kopf zeigte kein Verständnis für diese Gefühle und ließ mich den Kuss emotionslos entgegennehmen. „Kira…ich kann keinen Einfluss auf deine Entscheidung nehmen.“ Das waren seine letzten Worte bevor er davonrannte, um möglichst schnell in das trockene und warme Haus zu gelangen. Ich wusste nicht, weshalb er mir so etwas zum Abschied sagte. Ich blieb für kurze Zeit wie versteinert stehen und blickte ihm nach, während ich mit meinen Fingern über meine Lippen fuhr. Dieser Mann konnte einfach sagenhaft gut küssen. Dagegen war meine Vernunft machtlos. Ich hatte mich einfach in diesen Mann verliebt, daran würde auch die Sinnlosigkeit unserer Beziehung oder sein verantwortungsloses Verhalten nichts ändern können. Es war von Anfang an eine Liebe, die keine Hoffnungen hatte. Aber was konnte ich schon gegen meine Gefühle machen? Ich konnte sie nicht ausschalten. Sie waren da und zogen mich in einen Bann, der mich selbst über Unerlaubtes hinwegsehen ließ. Den restlichen Weg beschritt ich unter Tränen. Ich konnte diese Bedrücktheit, diese Trauer, welche mir der heutige Tag deutlich spüren ließ, einfach nicht zurückdrängen. Am gleichen Tag an einem anderen Ort: Kisara erledigte eine Einkaufstour. Der beste Freund von Kira hatte ohne das Wissen der heimlichen Beziehung Kiras mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Auch er war hoffnungslos verliebt. Bei ihm war es keine andere Person als die bezaubernde Hinata, welche aber leider schon vergeben war. Gegen einen wie Kira hatte er so oder so keine Chance. Eigentlich hatte er Hinata schon längst aufgegeben. Es war zwecklos. Sie liebte Kira wirklich über alles. Das konnte man unmöglich übersehen. Kisara hatte sich damit schon seit Wochen abgefunden und verschwendete auch nicht mehr viele seiner Gedanken daran. Er wollte ihr wenigstens noch ein guter Freund sein, auf welchen sie sich verlassen konnte. Aber wie es der Zufall so wollte, tauchte vor seiner Nase eine Person auf, mit langen, blau-schwarzen Haaren. Diese Haare genügten und er wusste, um wen es sich da handelte. So schlich er sich an sie ran und wollte sie überraschen. Wie aus dem Nichts packte er sie an der Schulter und neigte sich nach vorne. Ihm kam dabei zwar etwas eigenartig vor, aber das würde sich gleich klären. „Hallo Hi…!“, Kisara verstummte. Das war ja gar nicht Hinata! Jedenfalls nicht die Hinata, die er kannte. Das war ein Junge. Deshalb kam es ihm auch so komisch vor, als er sie oder besser ihn von hinten schnappte. Der Kerl war um einiges größer als er. „Hey du, was sollte das?“, schnauzte der Kerl Kisara an. Aber es war wirklich verblüffend, wie er Hinata aus dem Gesicht geschnitten war. Er war eine Hinata in männlicher Form. Während Kisara das alles noch realisieren musste, bahnte sich der Typ bereits weiter den Weg durch die Menschenmenge. Aber bei Kisara ging ein inneres Alarmsystem in Betrieb. Er eilte ihm nach. „Du da, bist du neu hier in der Stadt?“, schrie ihm Kisara nach, „Jetzt warte doch einmal!“ Und tatsächlich. Der Junge blieb stehen, aber sichtlich genervt von der Verfolgung. „Sag mal, Blondi, was fällt dir ein mir einfach so auf offener Straße nachzurennen? Wenn das eine Anmache sein sollte, vergiss es! Ich gebe mich nicht mit Schwächlingen wie dir ab.“ „Und was gibt dir das Recht mich so anzuschnauzen? Ich wollte doch nur wissen, was du hier zu suchen hast. Du siehst einer Bekannten von mir nämlich sehr ähnlich.“ Sogleich zeigte der Fremde mehr Interesse. „So…du kennst also jemand, der mir sehr ähnlich sieht? Hast vielleicht auch gleich noch ein Foto von dieser Person bei dir?“, fragte er ihn mit einem spöttischen Unterton. Sofort zog Kisara ein Bild von Hinata aus seinem Geldbeutel, welchen er immer bei sich trug. „Überzeug dich selber! Hier!“ Das schien gewirkt zu haben, denn er Unbekannte machte keine Anzeichen mehr Kisara auf den Arm nehmen zu wollen, dafür grinste er und legte ihm den Arm um die Schulter und führte ihn in eine abgelegene Gasse. Dort drückte er Kisara etwas grob an die Wand. „Okay, Blondi. Ich glaube dir. Aber du hast mich nicht gesehen, ja? Ich warne dich, wenn du auch nur jemandem ein Wort über unsere Begegnung erzählst, bist du geliefert, dass wir uns verstanden haben! Wenn du dicht hältst, hast du was zu gut bei mir.“ Er drückte ihm einen Zettel in die Hand. Kisara schluckte eingeschüchtert und nickte, gab sich somit mit dem Deal kampflos einverstanden. Ihm war alles Recht, solange er nicht noch in irgendwelche kriminelle Tätigkeiten verwickelt würde. Obwohl, bei diesem Typen war ihm doch sehr unwohl. Was machte der auch ein Geheimnis darum, dass er hier in der Stadt war? „Dann sehn wir uns. Es liegt an dir ob das ein friedliches oder ein unangenehmes Widertreffen für dich sein wird. Und schon war er aus der Gasse verschwunden. Kisara blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Karte. Der Kerl hatte ihm eine Visitenkarte eines Nachtclubs in die Hand gesteckt! Es verging ein Weilchen bis Kisara auffiel, dass er den Namen des Jungen gar nicht kannte. Er rannte aus der Gasse und blickte um sich. Aber der Gesuchte war weg. Spurlos verschwunden! Der einzige Anhaltpunkt, welcher Kisara noch blieb, war diese Karte. Zu seiner eigenen Sicherheit entschloss er, Gras über die Sache wachsen zu lassen. Es war wieder einmal Sonntag geworden und ich wäre zu Hinata und Hiro gegangen um dort etwas für die Schule zu tun. Aber der Vorfall des Vortages beschäftigte mich noch zu sehr. Dieser Abschied im Regen, er hatte etwas Trauriges an sich, etwas sehr Trauriges. Immer wieder wendete ich meinen Blich zum Knirps, den ich von Hiro bekommen hatte und sogleich wurde mir kalt, wie auch warm zugleich. Ich würde heute nicht hingehen. Viel lieber verkroch ich mich unter meiner Decke und döste etwas vor mich hin. Aber ich hätte es eigentlich lassen können. Denn gegen Abend, als mich die Familie Kazumoto zu vermissen schien, stattete mir Hiro einen Besuch ab. Meine Mutter schien nicht sonderlich von diesem Besuch begeistert zu sein. Im Allgemeinen kam es mir vor, als könnte sie ihn nicht leiden. Aber trotz der offensichtlichen Feindschaft zwischen den Zweien, erlaubte sie ihm den Besuch und so waren wir kurz darauf auch schon alleine in meinem Zimmer. „Ich muss mich wohl bei dir entschuldigen, Kira, wegen meinem Verhalten dir gegenüber.“ Ich hatte mich auf mein Bett gesetzt und tat so, als würde es mich nicht kümmern, was er gerade zu sagen hatte. „Du bist mir böse, oder? Du denkst, dass ich das einfach so mache.“ „Das kann ich ja schlecht übersehen…“, entgegnete ich ihm mit einem sehr bedrückten Ton. All das ergab für mich einfach keinen Sinn. Hiro schien sich einfach etwas darauf einzubilden, dass ich ihm nahezu verfallen war. Das schien er bereits bemerkt zu haben. „Kira, denk nicht so über mich. Das hat alles seine Gründe. Ich werde dir davon erzählen, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.“ „So…dann kann ich mich also im nächsten Leben an dich wenden?“ Meine Stimmung war auf einem Tiefpunkt angelangt. Selbst Hiro würde mich nicht aufheitern können, jedenfalls nicht, wenn er sich mir gegenüber weiterhin so distanziert verhielt. „Hast du wirklich das Gefühl, dass du mir vollkommen egal bist?“ „Ja. Habe ich.“ Sogleich wandelte sich seine Miene. Aus Besorgnis wurde Wut „Ah! Und deswegen gebe ich mich mit dir ab, versuche alles Mögliche, dass es dir gut geht, opfere jede freie Minute für dich und stelle mich dir bedingungslos zur Verfügung? Weil du mir egal bist. Wenn das deine Meinung ist, kann ich daran auch nichts ändern.“ Jetzt hatte er es wieder erreicht das schlechte Gewissen und die Reue in mir hervorzurufen. Ich schaute ihn unsicher an. Er wirkte nun doch ziemlich getroffen von meinen Worten eben. Es schien ihm was auszumachen, dass ich so über ihn dachte. Da wurde mir glatt wieder zum heulen zu Mute. „Tut mir leid. Das habe ich nicht so gemeint…“, in meiner Stimmung war deutlich leichte Verzweiflung und Trauer wahrnehmbar. Hiro, der an der Tür stand, beobachtete mich, wie ich hilflos mein Gesicht zu verbergen versuchte. „Es kommt mir doch nur so vor, als hätte das alles überhaupt keine Bedeutung, als wären meine Gefühle wertlos. Du sagst mir schließlich auch nie, was du von mir denkst, was du von mir hältst und was du für mich empfindest. Versteh mich doch… Ich habe so viel aufgegeben für dich, weil ich durch deine Worte damals in meinem Entschluss gestärkt wurde. Ich wollte das Risiko eingehen. Aber ich hätte nie gedacht, dass es so deprimierend ist, immer auf der Hut sein zu müssen, nicht entdeckt zu werden, ohne jegliche Ziele vor Augen, welche die Beziehung bringen könnte. Da erscheint es mir doch alles nur Sinnlos und als unüberlegter Unsinn. Aber ich… ich mag dich eben. Ich kann doch auch nichts dagegen tun…!“ Und wieder einmal hatte mich ein Gefühlsausbruch überrumpelt. Dieses Mal noch intensiver. Einfach so spürte ich, wie meine Wangen schon ganz Nass von den Tränen waren. Mir war so kalt und ich zitterte. Aber es war eine Kälte, die aus dem Innern kam. Ich kauerte alleine auf meinem Bett und die einzige Person, die mir hätte Wärme geben können, stand noch immer an der Tür und betrachtete mich. Aber wenigstens erkannte Hiro dann doch endlich, dass ich ihn brauchte. So kam er zu mir und nahm mich in den Arm. „Bitte, heul nicht…das tut mir nur weh.“ Welche Aufforderung. Ich konnte diese Tränen jetzt nicht einfach runterschlucken. Sie mussten raus. Dafür brachte es Erleichterung. „Wieso kannst du nicht Hinata sein? Oder ich Megami? Dann wäre alles in Ordnung.“, schluchzte ich an Hiros Hals. Es tat weh in jemanden verliebt zu sein, in den man nicht verliebt sein durfte. Die Restliche Zeit weinte ich mich an seiner Schulter aus. Er sagte mir immer, dass er mich nicht traurig sehen will, dass ihn das schmerzen würde, mich seinetwegen Unglück zu sehen. Das erste Mal zeigte er mir, dass ich ihm wirklich nicht egal war. „Ich werde es übrigens tun…“, gestand ich ihm am Schluss, als er mich bereits durch sein liebliches Kraulen beruhigt hatte. Erst schien er noch auf der Leitung zu stehen, aber dann wusste er was ich gemeint hatte. Er sagte nichts dazu, dafür ließ er die Umarmung inniger werden. Ich war so dumm und erkannte erst den Sinn dieser innigen Umarmung, als es schon zu spät war. Die innere Kälte hatte sich verzogen und machte nun wieder einer unvergleichbaren Hitze Platz. Aber die verdrängte Trauer wollte nicht weichen. Das würde sie auch nie, solange das, was wir hier taten, als Verboten eingestuft wurde, als eklig, pervers und als Schandfleck der Menschheit. Ich würde lernen mit dieser bedrückenden Hoffnungslosigkeit leben zu müssen. Egal was auch geschehen würde, niemand würde unsere Beziehung akzeptieren, geschweige denn als normal und natürlich einstufen. Aber mir wurde damals doch klar, dass ich das alles in Kauf nahm, damit ich die Wärme bekommen konnte, die ich manchmal einfach brauchte. Kapitel 8: Gelungene Überraschung --------------------------------- Knapp eine Woche später stieg am ersten Wochenendtag der Lautstärkepegel im Hause Kazumotos allmählich an. Alle näheren Bekannten von Hinata strömten herbei. Obwohl, so viele waren es gar nicht. Neben dem Geburtstagskind war ihre Familie durch Hiro und Megami anwesend. Und natürlich ihr innerster Freundeskreis, welcher mit Kisara und Mimori vertreten war. Meine Mutter und ich durften auch nicht fehlen. Aber das waren auch schon alle aber Hinata reichte das vollkommen. Sie brauchte gar nicht mehr zu haben. Es war ein typisches Geburtstagsfest mit Kaffe und Kuchen, mit den kleineren und größeren Geburtstags-Geschenken und natürlich mit den bekannten alten Geschichten über die Vergangenheit. Jeder hatte seine Gesprächspartner, die sich ab und zu wieder neu durchmischten. Ich verbrachte verständlicherweise die meiste Zeit bei Hinata. Es war wirklich lustig zu hören, wie Hinata schon immer ziemlich Besitz ergreifend gewesen sein musste. Als Hiro seine neue Lebensgefährtin Megami das erste Mal mit nach Hause genommen hatte, präsentierte Hinata ihr zur Begrüßung ihre Zunge. Aber inzwischen war ihr Verhältnis zu Megami besser geworden, auch wenn sich Hinata bis heute noch strickt dagegen weigert, Megami als ihre Mutter zu sehen. Dagegen hatte sie sich, seit der ersten Begegnung mit ihr, gesträubt. Mit solchen und anderen Erzählungen verging der Tag wie im Flug und es wurde bereits Abend. Hinatas offizielle Geburtsstunde kündete sich an und auf die Sekunde genau hörte man es an der Tür klingeln. Niemand im Raum wusste, wer das sein könnte. Keiner hatte noch etwas geplant, jedenfalls war mir davon nichts bekannt. Hinata dachte natürlich, dass es für sie sein musste. So eilte sie voller Begeisterung zur Tür und öffnete sie. Diese Überraschung, die sich ihr da zeigte, war wirklich gelungen. Sie stand mit offenem Mund und aufgerissenen Augen ungläubig vor der Tür. Als wir im Wohnzimmer nichts mehr von Hinata vernahmen, packte auch uns die Neugierde und wir gingen nachschauen. Auch bei uns klappte der Kinnladen nach unter. Es mussten alle unter Alkoholeinfluss gestanden haben, obwohl es nur Mineralwasser und Fruchtsaft zum trinken gab. Jeder sah Hinata doppelt! Daneben stand eine Frau. Hiro war der Erste, welcher aus der Situation schlau wurde. Darauf folgte Kisara. Beide fragten wie aus einem Mund: „Was machst du denn hier?!!“, wobei Kisara das Abbild Hinatas meinte und Hiro die Frau. Alle waren nun bis aufs höchste Maß verwirrt. Es dauerte eine Weile, bis sich alle wieder etwas gefasst hatten und wieder einen klaren Kopf hatten. Aber die lustige und schrille Partystimmung hatte sich verzogen und dicke Luft breitete sich im Raum aus. Diese war vor allem Hiro und der fremden Frau zu verdanken, die sich mit funkelnden Augen musterten. Alle schwiegen und warteten auf eine Aufklärung. Hinata war dann auch die, die es vor Neugierde kaum noch aushielt und ergriff das Wort: „Kann uns jetzt mal jemand erzählen, wer die zwei sind?“ Die Frau lächelte und ging auf Hinata zu. „Groß bist du geworden. Du erkennst mich wohl nicht wieder. Das Foto ist ja auch schon einige Jahre alt.“ Jetzt schien auch bei Hinata der Groschen gefallen zu sein. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie konnte gar nicht glauben, was sie da hörte. „Du…du bist das...? Ma…Mama?“ Auf ein bestätigendes Lächelnd der Frau fiel ihr Hinata um den Hals. Die Emotionen überkamen sie und sie musste weinen. Auch meine Mutter stand wie angewurzelt da. Ich beobachtete, wie bei ihr die Tränen kamen. Es lag eine sehr spezielle Atmosphäre in der Luft, welche durch Worte nicht beschreibbar war. Jene die mit der Situation etwas anzufangen wussten, waren wütend oder zu Tränen gerührt, der Rest, der dem Geschehen nicht folgen konnte, war einfach nur noch verwirrt und erwartete ungeduldig eine Aufklärung. Nachdem sich Hinata wieder etwas von der plötzlichen Erscheinung beruhigt hatte, gab es endlich eine Erklärung, von dieser Frau: „Ich entschuldige mich gleich, für meinen unangemeldeten Besuch. Ich nehme es auf meine Kosten, dass ich hier eine ziemliche Verwirrung verursacht habe, deswegen fühle ich mich verantwortlich dafür, euch zu sagen, was hier los ist. Ich bin Hinatas leibliche Mutter. Ihr wisst bestimmt alle, dass die Lebensgefährtin von Hiro nur die Stiefmutter von Hinata ist. Der Junge, der Hinata so gleicht, ist ihr Zwillingsbruder. Ich hatte einmal was mit Hiro gehabt und daraus sind die Zwei entstanden aber mir war es unmöglich, zwei Kinder ernähren und erziehen zu können, deswegen hat sich Hiro angeboten, ein Kind zu übernehmen. Wir blieben nicht zusammen, weil es zwischen uns einfach nicht geklappt hätte. Ich darf mich also vorstellen? Ich bin Hitomi und das hier ist Hiroshi. Es freut mich, Bekanntschaft mit euch zu machen. Wir wollen auch nicht länger stören, ich wollte nur sehen, wie sich meine Tochter unter den Händen eines Geschäftsmannes entwickelt hat. Wie ich sehe, kann ich stolz auf das Mädchen sein.“ Auf die kleine Rede hin gab es von allen Seiten her Protest, dass sie schon gehen würden. Es gäbe doch noch so vieles zu besprechen. Vor allem Hinata wollte unbedingt noch mit ihrer Mutter reden. Verständlich. Sie hatten sich bestimmt so einiges zu erzählen. Hitomi und Hiroshi ließen sich überreden und gesellten sich zu uns. Sofort bildeten sich Grüppchen: Kisara schien mit Hiroshi noch etwas zu besprechen haben und in einer anderen Ecke gab es die reinste Frauengruppe. Hinata, Meine Mutter, Megami, Mimori und Hitomi. Alle schienen mit den Neuankömmlingen herzlich beschäftigt zu sein. Da war ich der Einzige, der bemerkte, wie sich Hiro zurück auf sein Zimmer zog. Ich folgte ihm. Er hatte mir von Anfang an den Eindruck hinterlassen, dass er vom Besuch nicht sonderlich begeistert war. Er schien mit der jetzigen Situation irgendwie überfordert zu sein. Ich klopfte an der Schlafzimmertür. Aus Prinzipien wollte sich Hiro nichts anmerken lassen und ließ mich eintreten. Als er dann sah, dass ich es war, gab er sich nicht weiter Mühe, sich zu beherrschen und seine Emotionen hinter einer Maske zu verbergen. Er saß auf der Bettkante und hatte seine Krawatte gelöst und auch die obersten Knöpfe seines Hemdes geöffnet. Er war eindeutig wütend und sehr aufgebracht. Er machte mir Angst. Hiro funkelte mich an, als würde er mir gleich an die Gurgel springen wollen, um sich etwas zu beruhigen. „Soll….soll ich dich in Ruhe lassen?“ Ich stand dicht an der Tür und blieb auf Sicherheitsabstand. Hiro musste durch meine offensichtliche Körperhaltung gemerkt haben, dass er mir Furcht einjagte. So gab er sich Mühe, nicht mehr so bedrohlich zu wirken und atmete durch um sich zu beruhigen. „Nein, du kannst bleiben. Du kannst auch ruhig zu mir kommen, ich reiße dir schon nicht den Kopf ab. Dazu habe ich schließlich keinen Grund.“ So begab ich mich zu ihm und setzte mich dicht neben ihn hin und wollte mich schon an ihn kuscheln, als er mich davon abhielt. „Setzt dich auf den Stuhl. Es könnte jeden Moment jemand reinplatzen.“ Natürlich. Ich war wieder unachtsam gewesen. Wir mussten ja aufpassen, dass niemand davon erfuhr. So setzte ich mich, wie aufgefordert, auf einen Stuhl. „Weshalb freust du dich denn nicht über den Besuch? Ist doch toll, wenn Hinata ihre Mutter sieht.“ „Toll?“, Hiro lachte höhnisch auf, „Und dass sie euch das Blaue vom Himmel erzählt ist ebenso toll oder wie?“ Ich zuckte zusammen. Da lag etwas in der Luft, etwas das Hiro dieser Hitomi nicht verzeihen konnte. „Wie? Wieso? Was hat sie denn falsch erzählt? Sie ist schon Hinatas leibliche Mutter, oder?“ „Ja. Natürlich ist sie das, wie könnte es auch anders sein.“ „Aber weshalb regst du dich denn so auf? Ich kann das nur zu gut verstehen, wenn sie ihre Tochter wieder sehen will.“ Hiro schaute mich hoffnungslos an. „Weshalb sprichst du über Sachen, von denen dir nicht das Geringste bekannt ist?“ „Dann erzähl es mir doch!“, erwiderte ich inzwischen auch von Hiros Laune angesteckt mit einem gehässigen Ton. „Du willst mir ja gar nicht die Möglichkeit geben, hinter deine Fassaden schauen zu dürfen. Weshalb erzählst du mir nicht, was war? Hast du Angst, dass ich dich anschließend verspotte oder das du dein Gesicht verlierst oder sonst einen Unsinn?!!“ Ich hatte es langsam wirklich satt, nichts über ihn zu wissen. Wie sollte ich ihm da je helfen können? „Geh doch Hitomi fragen. Die wird dir gerne noch einmal ihr Märchen erzählen!“ „Dann geh ich eben! Idiot! Dir kann man echt nicht helfen, so kindisch wie du dich aufführst!“ Ich stand auf und verließ das Zimmer. Soll Hiro doch die Wut bei sich selber auslassen. Ich war doch nicht sein Abtretkasten. Ich stampfte durch den Gang und hatte bereits die Treppe erreicht, als ich dann doch noch aufgehalten wurde. „Kira! Warte! Ich habe das nicht so gemeint. Lass uns nach draußen gehen und ich erzähl dir davon.“ Hiro kam auf mich zu gerannt und blieb ergeben vor mir stehen. Erst schaute ich ihn an, als wäre ich wütend auf ihn. Als er mich dann aber auch noch mit diesem anflehenden Blick anschaute, musste ich lächeln. „Okay, lass uns spazieren gehen!“ Ich ging noch schnell bei Hinata Bescheid geben, nicht dass sie uns vergebens suchen würde. Ich musste ihr dann noch sagen, dass Hiro mir die Geschehnisse von damals berichten wollte. „Ich wollte dir eigentlich nie davon erzählen, nicht dass du einen falschen Eindruck von mir bekommen würdest.“ „Das werde ich nicht.“ Ich war zuversichtlich, dass sich dadurch nichts zum Negativen wenden würde, eher zum Positiven. „Nun…wo soll ich beginnen…? Na ja, wenn wir schon dabei sind, kann ich dir ja auch gleich alles erzählen. Also. Du weißt ja, die Hotelkette ist ein Familiengeschäft und ich gehöre der dritten Generation an. Damals, als mein Vater noch auf dem Chefsessel war, erlebte ich eigentlich keine elterliche Liebe. Meine Mutter hatte meinen Vater schon ziemlich früh satt, weil dieser nur die Arbeit im Kopf hatte. Eigentlich heiratete er meine Mutter nur, damit er für Nachwuchs sorgen konnte. Irgendwann musste er das Geschäft ja jemandem übergeben können. Ich war da die Ideale Person. Wenn er etwas mit mir gemacht hat, dann hat er sich Mühe gegeben, mir schon möglichst früh das Wissen über das Geschäft weiterzugeben. Aber wenn er am arbeiten war, hatte er nie den Überblick darüber, was ich gerade tat. In jeder freien Minute machte ich das, wonach mir gerade war. Das war kein Problem. An Geld mangelte es uns nie. Es wundert mich nicht, dass ich bereits mit 13 Jahren in Bars herumhing und mich zutrank und alles Mögliche ausprobierte. Die ersten Erfahrungen mit Frauen hatte ich mit guten 14 Jahren. Meine Stammkneipe wurde ein Nachtlokal. Ich war dort beliebt, was wohl weniger an mir sondern viel mehr an meinem Vater und dem Geld lag. Aber die Mädels gaben viel dafür, mich in die Kiste zu bekommen. Wie du siehst, meine Vergangenheit ist nicht die vorbildlichste.“ Da hatte er allerdings Recht. Und erst jetzt fiel mir auch wieder sein Alter auf. Ich hatte das Thema irgendwie zur Seite geschoben, aber nun wurde die Frage wieder präsent. Wie alt war Hiro überhaupt? „Und wann war die Geschichte mit Hitomi?“ „Die spielte sich in meinem 15. Lebensjahr ab. Ich war ein frühreifer Junggeselle und inzwischen hatten die Weiber auch Interesse an meinem Körper gefunden, nicht nur am Geld. Mir ging zwar der Ruf voraus, dass ich nie in eine feste Beziehung einsteigen würde und ich sämtliche Herzen brechen würde, dennoch verliebten sich einzelne in mich. Darunter war auch Hitomi. Sie war eine der Wenigen, mit denen ich mehrere Nächte zusammen war. Irgendwie musste sie dadurch blauäugig geworden sein und geglaubt haben, ich hätte Interesse an ihr. Auf ihre Anforderung hatten wir es dann einmal ohne Kondom getrieben, wobei sie mir versichert hat, dass sie die Pille nimmt. Aber sie hatte gelogen. Danach hatte ich sie bis heute nie mehr gesehen. Aber kaum berichteten die Zeitungen darüber, dass der Chef der Sora-Hotelkette verstorben sei und ein 18-jähriger in seine Fußstapfen trat, erlebte ich mein blaues Wunder. Als ich einmal nach Hause kam, saß vor der Eingangstür ein Kind, mit einem Zettel um den Hals. Hitomi hatte Hinata einfach vor meiner Haustüre ausgesetzt. Sie war noch so nett und schrieb Hinatas Name auf den Zettel mit einem Vaterschaftstest. Wie sie den gemacht hatte, ist mir bis heute noch ein Wunder. Aber das war es auch schon. So hatte ich meine Kindheit hinter mich gebracht.“ Wir waren inzwischen am Quai angekommen. Dort setzten wir uns hin. Diese Geschichte kam ziemlich schnell für mich und überwältigte mich. Ich konnte mir wahrscheinlich gar nicht genau vorstellen, was das für ein Leben gewesen war. Deswegen konnte ich auch keine Stellung dazu nehmen. Und das alles kam so schnell auf mich eingeschossen, dass ich gar nicht Fähig war, irgendwelche Fragen zu stellen. „Du bist ziemlich geschockt, wie ich es gedacht habe.“, er lachte. Ihm schien seine Vergangenheit nichts mehr auszumachen. Aber ich musste erst einmal alles Verarbeiten. Das war doch sehr viel auf einmal für mich gewesen. Hiro hatte sich in seiner ganzen Jugend bereits mit den Themen eines Erwachsenen beschäftigt. Er übernahm, kaum war er 18, ein solch großes Unternehmen. Das war kaum vorstellbar. Aber jetzt wusste ich wenigstens, weshalb er so unerfreut über die Überraschungsgäste war. Eine Mutter, die ihre Tochter einfach im Stich gelassen hatte, meldet sich und stellt sich in ein gutes Licht. Außerdem taucht sie mit einer ‚zweiten Hinata’ auf. „Und du wusstest nichts von diesem Hiroshi?“ „Wie denn auch? Ich hatte keinen Kontakt mehr zu all den Nachclubs, seit ich ins Geschäft eingetreten bin. Dafür blieb mir keine Zeit mehr. Zum Glück war Teru noch da, der mir helfen konnte und ihm habe ich es zu verdanken, dass wir die Hotels allesamt über Wasser halten konnten.“ Ich war nun zufrieden. Endlich hatte er mir auch seine Vergangenheit anvertraut, das machte mich wirklich sehr glücklich. „War es jetzt so schlimm, mir davon zu erzählen?“ Hiro musste zugeben, dass es wirklich nicht schlimm war, sogar irgendwie beruhigend. Beruhigend. Das Wort traf wirklich zu. Wenn ich diesen Hiro mit dem im Schlafzimmer verglich, hatte er sich wirklich beruhigt. So konnten wir wieder zurückgehen und uns in den Diskussionsrunden mitmischen. Während Hiro anschließend noch etwas mit meiner Mutter und Hitomi zu besprechen hatte, ging ich zu Kisara und Hiroshi. Bei denen interessierte es mich auch, weshalb sie sich schon kannten. Sie erzählten mir auch sofort vom vergangen Wochenende und ihrem zufälligen Treffen. Auf das Ende der Party stellte sich Hinata in Pose, bereit für eine Rede. Man merkte, dass sie extrem nervös war. Sobald sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, räusperte sie sich: „Ich möchte mich erst einmal für den wunderschönen Tag bedanken. Es geht leider bereits allmählich dem Ende entgegen. Aber bevor ihr alle das Haus verlässt, will ich noch etwas verkünden oder besser gesagt, habe ich eine Frage an eine Person in diesem Raum zu stellen. Ich habe mir das ganz gut überlegt und die gefragte Person soll sich auch genug Zeit lassen um zu Antworten. Ich will nichts überstürzen.“, Sie war angespannt und ganz hibbelig. Ich hatte keine Ahnung, um was es ging, bis ich bemerkte, dass sie mich auffallend viel ins Visier nahm. „Kira…“, sie kam auf mich zu, „…ich weiß, dass wird jetzt eine ziemliche Überraschung für dich sein aber…würdest du gerne mein Verlobter werden?“ Ich starrte sie an, sprachlos. Aber nicht nur ich schien hinweg von dieser Rede zu sein. Alle anderen wussten nichts davon. Hiro und Megami warfen sich ungläubige und hilflose Blicke zu. Scheinbar kannten sie ihre Tochter gar nicht von dieser Seite. „Du musst natürlich nicht sofort eine Antwort geben. Ich verstehe auch, wenn du dazu zurzeit auch gar nicht in der Lage bist.“, sie lächelte mich nervös an. „Und an alle anderen: Hiermit ist die Feier beendet.“ Bevor die große Abschiedszeremonie begann, erntete ich noch ein paar Glückwünsche. Mir war es aber ziemlich unangenehm. Hinata konnte ja nicht ahnen, dass ich nicht nur von der Plötzlichkeit der Nachricht überrumpelt wurde, sondern auch weil ich in einem gewissen Zwiespalt stand; wegen Hiro. Als sich dann alle am verabschieden waren, erlaubte mir meine Mutter hier bleiben zu dürfen, was ich auch tat. Es ging noch ein Weilchen, bis alle ihre Diskussionen und Gesprächsthemen beendet hatten und das Haus verließen. Es war 20 Uhr. Hinata sauste davon, sie würde duschen gehen. Es war offensichtlich, was jetzt vor der Tür stand. Megami ging in Hinatas Zimmer um ein paar Einzelheiten herzurichten. Ich stand derzeit alleine mit Hiro in der Küche um aufzuräumen und ich schämte mich. Mir war äußerst unwohl in der Haut und meine Stimme versagte wieder einmal. Hiro stand schließlich auf, als Megami runterkam. „Wir gehen dann mal und machen uns einen schönen Abend. Das Haus gehört für heute euch.“ Ich schluckte nur und verabschiedete mich sichtlich nervös. Megami war bereits vorgegangen. Hiro legte mir noch ermutigend die Hand auf die Schulter. „Viel Glück!“, er zwinkerte mir zu und dann war er auch schon weg. Ich starrte nur ungläubig aus dem Fenster und sah wie die Beiden sich in den schwarzen PW setzten. War es Hiro eigentlich wirklich so egal, was ich tat? Mein Entsetzen wurde aber sogleich von zwei Händen verschlungen. Hinata stand hinter mir und umarmte mich. Bei mir schlug das Herz vor Aufregung wie wild. Ich drehte mich zu ihr um und wir schauten uns kurz tief in die Augen, waren dann aber beide zu verlegen um den Blick aufrecht zu erhalten. Ich ergriff Hinatas Hand und führte sie ins Zimmer. Wir hatten uns in dem Moment nichts zu sagen. Wir wussten beide, was uns bevorstand und bei mir war es an der Zeit, ihr mein Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Ich küsste sie ganz sanft aber zugleich auch innig und drückte sie aufs Bett. Ich mag mich noch deutlich daran erinnern, wie sie hoffnungslos versuchte, ihre Erregung vor mir zu verbergen und sich ihre zitternden Hände in meinen Rücken krallten. Am nächsten Morgen lagen wir nur leicht bekleidet im Bett. Es war schon 11 Uhr und Megami war so lieb und klopfte bei uns an um uns zum Frühstück zu holen. Wir wachten beide gleichzeitig auf und eine unübersehbare Stimmung lag zwischen uns. Wir versuchten wenigstens Hiro und Megami vorzuspielen dass alles in Ordnung war und so erschienen wir Hand in Hand am Morgentisch und lächelten, als gäbe es keine Sorgen und Probleme auf dieser Welt. Vielleicht hätten wir in einen Theaterclub einsteigen sollen. Die Zwei nahmen unsere Vorstellung tatsächlich ab und man bemerkte nichts von dem, was in dieser Nacht wirklich geschehen war. Ich hatte mit meinem Geschenk versagt. Kapitel 9: Nachhilfe einmal anders ---------------------------------- Nach dem Frühstück wollte ich gleich gehen. Hiro erkundigte sich noch bei mir, ob ich heute Nachhilfe haben wollte. Es war schließlich Sonntag. Wieso auch nicht? „Wenn du willst können wir zur Abwechslung einmal zu dir gehen.“ Das war gar keine schlechte Idee. Aber wäre meine Mutter damit einverstanden? Sie mochte Hiro ja nicht sonderlich. „Ich habe nichts dagegen. Ich gebe dir Bescheid, ob du von meiner Mutter aus auch willkommen bist.“ „Sie wird nichts dagegen haben, nachdem wir uns gestern so nett unterhalten hatten aber ruf mich an, wenn ich kommen kann.“ Ich nickte, verabschiedete mich bei allen und schlenderte nach Hause Die Sache mit meiner Mutter hatte sich schnell erledigt. Die war gar nicht zu Hause. Sie hatte mir einen Zettel hinterlassen, dass sie mit Hitomi im Ausgang sei und sie wisse nicht, wann sie wieder kommen würde. Es könnte wohlmöglich sehr spät werden. So rief ich sogleich Hiro an, dass er kommen könnte. Bis er bei mir zu Hause angekommen war, überlegte ich mir, was wir überhaupt für die Schule machen könnten. Den Schulstoff, welchen ich nicht begriff, wurde von Sonntag zu Sonntag rarer. So konnte ich mich heute auf einen Nachmittag in entspannender Zweisamkeit einstellen. Wie ein hungriger Tiger ging ich beim Eingangsbereich auf und ab und als ich das ersehnte Klingeln vernahm, hetzte ich zur Tür und öffnete diese, so schnell ich konnte. „So sehen wir uns also wieder.“ Meine Augen glitzerten vor purer Begeisterung und Vorfreude auf den heutigen Nachmittag. Das Geschehnis der vergangenen Nacht hatte ich bereits wieder vergessen. Da ich in einer Wohnung etwas abseits von der dicht bevölkerten Stadt zu Hause war und ihm bekannt war, dass meine Mutter nicht da war, erlaubte es sich Hiro, mich noch in der Tür zu küssen. Schnurrend zog ich ihn in die Wohnung und schloss, immer noch in den Kuss vertieft, die Tür. Mein Herz war kurz davor aus mir herauszuspringen, es klopfte dermaßen fest allein vor Freude. Auch Hiro kam auf seine Kosten. Er fühlte sich immer geschmeichelt, wenn er sah, wie ich auf ihn reagierte und wie er mich, trotz der Situation, glücklich machen konnte. Als die Knutscherei dann doch zu intensiv wurde, so dass mein Hirn abzuschalten drohte, beendete Hiro sie. „Du wirst ja immer anhänglicher. Pass auf, dass du mir nicht noch ganz verfällst. Das könnte ungesund für dich enden.“ Ich stand dicht an Hiro geschmiegt und hatte meine Hände hinter seinem Hals verschränkt. „Stört dich das etwa?“ Ich verzog meine Lippen zu einem kleinen Schmollmund. „Natürlich nicht. Aber eigentlich bin ich wegen etwas anderem hier oder habt ihr seit neustem in Sexualkunde auch die Praxis zu erlernen?“, er musste grinsen. Ich amüsierte ihn einfach immer wieder. „Nein, haben wir noch nicht. Aber wer weiß? Vielleicht haben wir das ja noch. Da schadet es nichts, Vorkenntnisse anzuschaffen.“ Ich musste ebenfalls frech grinsen. „Dann komm einmal mit!“ Hiro zog mich ins Wohnzimmer und schmiss mich auf das Sofa. Wie jetzt? Meinte er das etwa ernst? Er würde doch nicht etwa…! Ich starrte ihn fassungslos an. „Kira, ich bin vollkommen deiner Meinung. Aber bei dir muss man scheinbar noch bei null anfangen, wenn du nicht einmal bei Hinata einen hochkriegst.“ Sogleich war mein Kopf rot wie eine Tomate. Von wo wusste Hiro davon? Was sollte ich ihm dazu jetzt bitte schön sagen und was musste er jetzt über mich denken? Umso länger ich schwieg und darüber nachdachte, umso mehr gab ich Hiro die Bestätigung, dass es stimmte. Ich saß wieder unfreiwillig auf dem Sofa und Hiro stand erneut überlegen vor mir, auch wenn es das letzte Mal ein Sessel war, das spielte jetzt auch keine Rolle. Das war erniedrigend und mein Kopf glühte vor Scham. Hiro kniete sich vor mich hin. Das tat er immer, wenn er mir bei einer solchen Situation direkt in die Augen schauen wollte. Aber da gab es nicht besonders viel zu betrachten. Ich hatte vor Verlegenheit meine Augen wieder fest zu gekniffen. „Also wenn du bei Hinata auch so verklemmt bist, wundert es mich nicht, dass nichts aus eurer letzen Nacht geworden ist. Entspann dich doch einmal.“ Entspannen? Ich hätte loslachen können, wenn es nicht gerade so ein ernster Moment gewesen wäre. Wie bitte sollte ich mich denn entspannen, wenn er sich mir gegenüber so freizügig benahm? Wenn ich mich jetzt gehen lassen würde, dann konnte ich mein Hirn gleich in den Abfall schmeißen. Hiro konnte mich doch alleine schon durch seine durchdringenden Blicke und Küsse wahnsinnig machen! Er strich mir hauchzart durch mein Haar, über den Hals, herunter bis zum Kragen meines Hemdes. Während er mir einen Kuss auf die Wange hauchte, öffnete er bereits den ersten Knopf. Er meinte es ernst! Wie weit er wohl gehen würde? „nein…aufhören…“, wimmerte ich hilflos. Ich drohte zu zerschmelzen. Die innere Hitze war einfach zu groß. Wenn er so weitermachen würde, dann fiele ich wirklich noch in Ohnmacht. Ich versuchte ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, indem ich seine Hand, die einen Knopf nach dem anderen löste, von mir wegzuziehen versuchte. Aber sogleich presste er seine Lippen auf meine und raubte mir meinen Verstand. Benommen öffnete ich meine Augen und ließ mich besiegt ins Sofa fallen. Ich vernahm das Rauschen meines Blutes und das Schlagen meines Herzens, welches immer schneller wurde. Anschließend leckte er mir über meine entblößte Brust und begann an meinen Brustwarzen zu knabbern. Verzweifelt schnappte ich nach Luft und musste mich dabei erwischen, wie ich eigenartige Geräusche von mir gab. Ich schämte mich dermaßen und hielt mir meinen Mund zu. Mir war unwohl zumute, vielleicht weil ich es mir im Inneren immer noch nicht eingestanden hatte, dass ich einen Mann liebte. Einen Mann…war das nicht abnormal und Ekel erregend? „Hiro bitte…“, versuchte ich es noch einmal. Bereits sah ich alles um mich herum verschwommen, da sich ein salziges Nass in meinen Augen angesammelt hatte. Daraufhin öffnete Hiro aber nur meine Hose und glitt mit seiner Hand unter meine Shorts. Er erfasste meine Erregung. Als er seine Hand zu bewegen begann, riss ich meine Augen auf. „Also an der Stehfähigkeit deines kleinen Freundes kann man nicht zweifeln. Daran liegt es nicht.“ Ich musste mich zusammenreißen, nicht gänzlich wegzutreten aber Hiro nahm keine Rücksicht darauf, dass seine Berührungen eine Überforderung für mich waren. Er zog meine Hose mitsamt den darunter liegenden Boxershorts aus. „So…und jetzt schließe deine Augen und präge dir dieses Gefühl ganz genau ein.“ Er begann meine Erektion mit seinem Mund zu befriedigen. Das war definitiv zu viel für mich. Bevor ich ihn noch hätte vorwarnen können, kam ich auch schon. Ich zitterte an meinem ganzen Körper. Nur langsam kehrte der Verstand wieder zurück und ich realisierte erst, was geschehen war. Ich schluckte und sah Hiro mit Ungewissheit an. Der wischte sich nur über den Mund und reichte mir die Hose entgegen. Ich nahm sie unsicher an mich und zog mich zu einem skeptischen Menschenknäuel zusammen. Hiro musste beim Anblick von diesem unschuldigen Verhalten liebevoll lachen. Er setzte sich neben mich, legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich zu sich. Ich sah immer noch leicht geschockt aus, aber langsam legte sich das wieder. „Wenn du es mit Hinata noch einmal versuchen willst, wird es klappen und wenn es Probleme gibt, denke einfach daran, ja?“ Er hat das gemacht um das Problem zwischen Hinata und mir zu beheben? Konnte er dass den nicht einfach mit Worten erledigen oder mich wenigstens Fragen, ob es für mich in Ordnung war, bevor er einfach so über mich herfiel? „Hast du das nur ihretwegen gemacht? Von wo weißt du überhaupt, dass ich…?“ „Na ja, ich habe nur meine Vaterpflicht erfüllt. Hinata hat mich heute auf dein kleines Problem angesprochen und sie wollte, dass ich das mit dir anschaue. Aber ich bin nicht gut in Worten.“ Sofort setzte ich mich wieder, offensichtlich beleidigt, neben ihm hin. „Dann bist du also doch nur Hinata zu liebe über mich hergefallen?!!“ Hiro hob eine Augenbraue. „Sag nur, es hat dir nicht gefallen.“ Sofort schoss mir das Blut wieder ins Gesicht. Und ob es mir gefallen hatte. „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du das für Hinata gemacht hast.“, widersprach ich. „Kira, du bist wirklich süß, wenn du schmollst.“, stellte Hiro mit einem unterdrückten Lachen fest, „aber wenn du es unbedingt aus meinem Mund hören willst. Ich habe es natürlich hauptsächlich deinetwegen gemacht.“ Er sagte tatsächlich das, was ich von ihm hören wollte, obwohl ich nie damit gerechnet hatte, so oft wie ich auch schmollen würde und jetzt? Jetzt hat er es einfach so gesagt. Ich musste ihn mit einem glücklichen und verliebten Gesichtsausdruck anschauen. „Du musst schließlich wissen, auf welche Gefahren du dich bei mir einlässt.“, ergänzte Hiro mit einem frechen Lächeln. Sogleich wandelte sich meine Miene wieder. Dieser eingebildete Schnösel! Ich stand auf und zog mir die Hose an. Hiro beobachtete mich mit einem breiten Grinsen, das entging mir nicht, obwohl ich ihm den Rücken zugedreht hatte. „Bilde dir ja nichts darauf ein! Ich kann auch locker ohne dich leben. Von mir aus kannst du gehen. Ich brauche dich nicht länger hier. Ich habe schließlich keine Fragen mehr.“, labberte ich eingeschnappt, ohne ihm auch nur einen Blick zu würdigen. Wie aufgefordert stand Hiro darauf hin auch schon auf und trat dicht an mich heran. Er brauchte sich nur wenige Zentimeter vorzubeugen, dass er mein Ohr vor seinem Mund hatte. „Gut. Wie du eben gesehen hast, komme ich auch ohne dich zurecht.“, flüsterte er mir anzüglich ins Ohr. Ich zuckte zusammen und wollte nicht wahrhaben, dass ich die Worte von eben bereits wieder bereute. Auch wenn diese Neckereien demütigend waren, irgendwie brachten sie auch leben in die Beziehung. Aber dennoch; diese letzen Worte war keine Fopperei mehr für mich, ich nahm sie sehr persönlich und sie verletzten mich. Es war so, wie ich es mir doch schon immer gedacht hatte. Er fand gar nichts aus mir. Wahrscheinlich tat er dies alles nur aus Langeweile oder weil er etwas Abwechslung in seinem Leben brauchte. Realistisch betrachtet konnte an mir doch gar nichts vorhanden sein, was diesen Herrn wirklich interessieren würde. Hiro schien gemerkt zu haben, dass ich das eben nicht als Scherz aufgefasst hatte und umarmte mich versöhnlich. Aber da hatte er seine Rechnung ohne mich geschrieben. Ich schlug ihm hart in den Bauch und riss mich aus seinen Fesseln. Mit wütend funkelnden Augen stand ich ihm gegenüber. „Hiro! Wenn dir langweilig ist und du jemanden suchst, der nach deiner Nase tanzt und welchen du nach Lust und Laune auf den Arm nehmen kannst, bist du bei mir an der falschen Adresse gelandet. Du kannst dich meinetwegen in dein altes Stammlokal verziehen, wenn du ein Püppchen zum spielen brauchst! Aber mit mir machst du das nicht.“ Ich war wirklich wütend auf ihn. Wahrscheinlich war ich das noch nie so fest, wie in diesem Augenblick. Ich starrte ihn an und würde weiter so verharren, bis er seinen Fehler eingestehen würde. Aber ich kannte Hiro wohl wirklich noch nicht gut. Meine kleine Meinungsäußerung hatte ihn stocksauer gemacht. Er kam auf mich los und ich hatte schon die Befürchtung, dass er mir eine reinhauen würde. Aber zum Glück siegte sein Verstand und er ließ es dabei, mich gegen die nächste Wand zu drängen und mich dort festzuhalten, so dass ich ihm hilflos ausgeliefert war. „Du hast wohl schon wieder vergessen, was ich dir das letzte Mal gesagt hatte! Aber wenn du darauf wartest, dass ich dir meine Liebe oder etwas anderes gestehe, kannst du dein Leben lang darauf warten. Vergiss das schon einmal im Voraus. Ich bin nicht eine Person die an etwas namens Liebe glaubt. Du hast es richtig erkannt. Ich mach das alles nur um Abwechslung in mein Leben zu bekommen und um irgendwo abschalten zu können. Aber bestimmt nicht, um sich anhören zu müssen, dass man wieder in das Loch zurückkriechen soll, aus dem man sich mühsam heraus gekämpft hat! Aber meinetwegen. Wenn du so viel von dir hältst, dass du mit einer Frau mithalten könntest? Dann kann ich auch nichts für deine Naivität. Denkst du ich sei einer, der einfach mit der nächstbesten Person ins Bett springt, egal ob männlich oder weiblich? Denkst du das von mir?!“ Endlich hörte er auf und schwieg. Ich konnte ihm jetzt nur noch mit einem durchmischten Gefühl unsicher ins Gesicht blicken. Schon wieder war es zwischen uns dazu gekommen, dass wir uns mit Worten verletzt hatten. War es das wirklich wert? War es das wert für Küsse und Liebkosungen? „Lass uns aufhören damit! Bevor noch mehr kaputt geht!“ Ich schaute ihn gequält an. Es tat weh, zusehen zu müssen, wie die Verbindung zwischen einem mehr und mehr zu Bruch ging, je näher man sich kam. „Du hast doch immer gesagt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt. Dann mach, dass ich dich nicht mehr liebe!“ Die Verzweiflung trat in mir wieder zu Tage und Hiro bemerkte es. Es konnte nichts Neues für ihn sein, dass ich so darüber dachte, dennoch traf es ihn. „Ich geh jetzt wohl besser.“ Ich gab keine Gestik von mir. Ich wollte keine Antwort mehr geben auf solche Fragen, weil ich Angst hatte, einen Fehltritt zu machen. So ließ ich ihn gehen und blieb versteinert stehen. Als ich die Tür ins Schloss fallen hörte, sank ich zu Boden und brach in Tränen aus. Weshalb musste ich mich ausgerechnet in diesen Mann verlieben? Wieso ausgerechnet in diesen einen Menschen? Kapitel 10: Das berühmte erste Mal ---------------------------------- Die Sache schien vom Tisch zu sein. Es war aus – vielleicht war das auch besser. Was konnte man in der heutigen Gesellschaft schon erwarten? Das jeder nach Lust und Laune leben konnte? Bis hin zum neuen Schultag setzte ich mich damit auseinander, dass das alles wirklich nur Unsinn war. Ha! Selbst wenn in der heutigen Zeit schon in vielen Ländern Schwule anerkannt worden sind und auch gesetzlich nun unter einem gewissen Schutz standen, so einfach war das trotzdem nicht. Eine Beziehung mit einer Frau wurde überall akzeptiert. Wenn ein Mann einmal fremdging, verletzte das zwar auch, aber man muss ja beinahe damit rechnen, dass der größere Teil der männlichen Bevölkerung einmal einen Seitensprung macht. Das lag in der Natur des Mannes. Es war nur eine Bestätigung für den ungestillten Sexualtrieb. Aber wenn sich zwei Männer miteinander vergnügten? Selbst wenn man sie auf dem Papier akzeptiert hatte…in der Praxis war es doch noch eine andere Welt. Beziehungen zwischen Männern, die machen das doch nur, um sich gegenseitig einen runterzuholen oder weil sie das Gegacker der Weiber nicht mehr erdulden konnten. Aber dass da wirklich auch Liebe dahinter stecken konnte, darauf achteten noch immer nur die wenigsten. Was brachte es da noch, sich mühsam sein Recht zu erkämpfen? All den Kraftaufwand konnte man sich ersparen, wenn man sich einfach der Gesellschaftsordnung fügte und wie ein gewöhnlicher Mann eine Frau heiratete, Kinder mit ihr bekam und arbeiten ging, damit man das Geld für die Familie zusammen bekam. Und wenn es zusätzlich noch eine Beziehung war, bei der man sich nicht einmal sicher war, ob es so viel Risiko wert war? Weil es eventuell nur ein Hirngespinst eines pubertierendes jungen Mannes war, der seine Hormone noch nicht ganz unter Kontrolle hatte? Dann war es nicht wert für ein kleines Abenteuer Kopf, Kragen und Ruf zu riskieren. Ich hatte bloß nur zu lernen, wie man damit umzugehen hatte. Der Grundstein für eine gute Zukunft war mir Gesetzt. Ich besuchte eine Schule, deren Abschluss sehr gut war, hatte eine Freundin, die sich zeigen ließ und mir waren Tore in die obere Schicht der Bevölkerung geöffnet worden. Was musste ich mich da auch noch versuchen von diesem sicheren Weg abzudriften? Wahrscheinlich war ich wirklich nicht der einzige in diesem Alter, der mit solchen Gedanken und Gefühlsproblemen zu kämpfen hatte. Rein biologisch war das ganz normal, also bestand kein Grund zur Aufregung. Viel wichtiger war es nun für mich, das kleine Problem mit Hinata wieder in den Griff zu bekommen. Die Aktion, die Hiro gestartet hatte, sah ihm echt ähnlich. So hatte ich wenigstens schon einmal eine Hemmschwelle übersprungen, auch wenn das nicht freiwillig geschah. Nach dem Reinfall am vergangenen Wochenende durfte ich nun keine unnötige Zeit mehr verstreichen lassen, sonst wäre die Beziehung mit Hinata dahin und ich könnte auch sie vergessen. Mir entging natürlich nicht, dass sie mir auffallend aus dem Weg ging. Es schien ihr unangenehm in meiner Gegenwart zu sein. So würde bald jeder wissen, dass wir eine Krise in der Beziehung hatten. Ich drängte mich selbst dazu, die Angelegenheit in die Hand zu nehmen und so schnell wie möglich zu den Akten zu legen. Das stellte sich aber schwieriger heraus, als erwartet. Jedes Mal, wenn ich sie ansprechen wollte, fand sie irgendeinen Vorwand, möglichst schnell von mir wegzukommen. So musste ich eben zu härteren Maßnahmen greifen. Ich zerrte sie am Arm in einen etwas abgelegenen Winkel des Schulhausareals. „Ich will jetzt gar nicht erst mit dir zu reden beginnen, weshalb du mir so aus dem Weg gehst. Ich wollte nur von dir wissen, ob du nächsten Samstag zu mir kommst.“ Sie schaute mich aus dem Konzept gerissen an und wusste erst recht nicht, was sie jetzt sagen sollte. Klar wusste sie sofort, um was es ging. „ich...also…sind wir alleine?“ Welch unnötige Frage…“Und ob wir da sind.“, gab ich in einem leicht schroffen Ton zur Antwort. Ich wollte endlich beweisen, dass bei mir doch noch alles im Lot war und diese lachhafte Geschichte mit Hiro wirklich nur eine voreilige Handlung war. Sie versuchte sich wieder von mir loszureißen und das Weite zu suchen, doch dieses Mal hatte ich sie fest im Griff. Ich würde sie nicht gehen lassen, bevor ich meine Antwort hatte und genau so schaute ich sie auch an. „Ich…ähm…ich muss schauen…Ich werde kommen, wenn nicht noch etwas…dazwischen kommt.“ Das genügte mir dann auch schon und ich ließ sie los. Es war klar ersichtlich, dass sie von meinem Auftritt eben eingeschüchtert worden war. Am Samstag im Training ignorierte ich Hiro mehr oder weniger. Meine Laune hatte sich nicht wirklich beruhigt. Die würde wahrscheinlich erst wieder zur Ruhe kommen, wenn die Sache mit Hinata erfolgreich abgehackt war. Zum Glück unternahm Hiro auch gar keinen Versuch irgendwas mit mir besprechen zu wollen. Das wäre etwas gewesen, das ich jetzt am wenigsten hätte gebrauchen können. Ich verlor auch keine Zeit auf dem schnellsten Weg nach Hause zu gelangen und noch ein bisschen Ordnung in mein Zimmer zu schaffen. Ich sorgte für alles vor, beschuf Kondome, Kerzen, die für Mädchen angeblich extrem romantisch sein sollten und noch ein etwas Kleines zum knabbern und trinken. Jetzt brachte ich nur noch zu warten. Ich wartete und wartete. Draußen dämmerte es bereits. Wenigstens hatte ich die Garantie von meiner Mutter bekommen, dass sie es nicht wagen würde, zu stören. Aber als ich auf die Uhr schaute und diese bereits kurz vor 23 Uhr anzeigte, glaubte ich nicht mehr daran, dass Hinata kommen würde. Ich begann bereits einzelne Sachen zusammen zu räumen und zog mich um. Nachdem ich das Licht in der Küche abgeknipst hatte vergingen noch gute 20 Minuten, bis tatsächlich die Klingel erklang. Ich war schon auf dem besten Weg in einen tiefen Schlaf, als ich durch das Geräusch doch wieder aus meinem Bett gekrochen kam. Noch im Halbschlaf schlürfte ich zum Eingangsbereich und öffnete die Tür. Hinata stand total unsicher und verlegen da. „Also…ich bin da...wie du wolltest…“, begann sie zögernd, „Tut mir leid, dass ich jetzt erst da bin. Ich…ich war mir nur nicht so sicher, ob ich wirklich kommen sollte…ich will schließlich nicht, dass wir uns…!“ Aber ihren hektischen Aufklärungsversuch wollte ich mir jetzt nicht anhören. Ich zog sie zu mir und küsste sie gierig. Das verschlug ihr zum Glück für die ersten Sekunden die Sprache aber danach begann sie sich zu wehren. Es passte ihr nicht, dass ich mich so an sie ranschmiss. Mit größter Mühe konnte sie dem intimen Kuss entkommen. „Genau das will ich nicht! Hör auf das für das Wichtigste in der Welt zu halten! Du sollst dich zu nichts zwingen, zu dem du noch nicht bereit bist. Ich will nicht, dass unser erstes Mal eine schnelle Nummer wird, die nur zur Überbrückung von diesem kleinen Problem dienen soll…“ Sie wirkte aufgebracht und verzweifelt. So wollte sie es also nicht. Es stimmte zwar, dass ich einen gewissen Druck, der nun auf mir lag, loswerden wollte aber andersrum hatte ich nun wirklich Lust, mit ihr zu schlafen. Aber Hinata zu liebe, beherrschte ich mich nun wieder und bat sie erst einmal rein. Das tat sie dann auch. „Eigentlich habe ich mir ein Gespräch mit dir erhofft und nicht, dass du gleich in der Tür so über mich her fällst…ich weiß ja nicht von wo du diese Manieren auf einmal hast…aber für mich ist es nicht gerade so schön, nur deswegen zu dir gerufen zu werden.“ Sie schaute mich wieder mit diesem unsicheren und unschuldigen Blick an und ich musste seufzen. „Tut mir Leid…aber ich habe heute wirklich den ganzen Tag nur daran gedacht, dass ich das bald mit dir tun könnte…und da hat sich eben was angestaut. Aber wenn du nicht willst, dann ist das schon in Ordnung. Ich wollte dir eigentlich nur zeigen, dass das letzte Mal wohl zu plötzlich für mich gekommen war…und das ich wohl wirklich noch nicht bereit dafür war. Aber das hat sich nun geändert…ich wollte nur, dass du das weißt.“ Dass das nicht stimmte, wusste ich nur zu gut, aber Hinata würde diese Ausrede schlucken, das war mir klar. Und ihre Reaktion bestätigte meine Vermutung. Sie schaute mich mit großen, glänzenden Augen an und fiel mir dann um den Hals. „Wirklich? Wirklich? Und ich dachte schon, es läge an mir, dass dich mein Körper nicht ansprechen würde, dass ich nicht gut genug für dich wäre…“, schluchzte sie schon fast. Daraufhin konnte ich nur unverständlich die Augen verdrehen. Frauen und ihre Probleme. Hinata bereute es nun schon fast, dass sie vorhin das gesagt hat, wegen dem Gespräch und dass sie heute nicht mehr wollte. Sie wusste wohl genau, dass ich es nicht wagen würde nun doch noch zu versuchen, sie ins Bett zu kriegen. Aber sie nahm mir den Teil so oder so ab. Erleichtert küsste sie mich. Sie schämte sich noch immer aber vielleicht lag das auch viel mehr daran, dass sie noch etwas vorhatte. Ihre Hände ruhten auf meiner Brust. Ich fühlte, wie sie zitterten und sich unsicher in den Stoff des Schlafanzuges krallten. Aber der Druck auf meinen Brustkorb vergrößerte sich. Sie stieß mich rückwärts zu meinem Zimmer. Irgendwie wollten wir nun beide nicht mehr sprechen. Es dauerte nicht lange, bis wir eng umschlungen auf dem Bett lagen, uns stürmisch die Kleider auszogen und uns mit immer heißeren Küssen anheizten. Hinata hatte sich über mich gebeugt und schaute mich immer mehr verlegen an, bis sie es schließlich wagte. Sie tat doch tatsächlich das Gleiche, was Hiro eine Woche zuvor bei mir tat. Sogleich schnappte ich nach Luft und schloss verkrampft meine Augen. Nun musste ich schon wieder an ihn denken! Dieser Typ hatte sich wie ein lästiger Wurm in meine Gedanken gebohrt und sich dort festgebissen. „Hi…ngh…!“, entwich es mir vor Erregung. Ich hätte fast Hiros Namen erwähnt, aber zum Glück verschlug mir die Aktion mehr oder weniger die Sprache. Aber dass es wirkte, konnte man nicht verleugnen. Ich wollte aber nicht, dass Hinata bei ihrem ersten Mal die Arbeit übernahm, so unterbrach ich sie bei ihrem Unterfangen und begann nun auch sie ‚startklar’ zu machen. Einige Minuten daraufhin führten wir unseren ersten Liebesakt aus und es war gar nicht schlecht, nein, nicht im Geringsten. Viele Jungs hätten mich bestimmt beneiden können, dass dieses erste Mal bei mir so geschmiert lief. Nachher waren wir beide sehr müde und schliefen aneinander gekuschelt ein. Hinata strahlte pure Glückseligkeit aus. Mir ging es nicht viel anders. Ich gebe zu, dass ich mich danach selbst zu loben schätzte. Nur dass Hiro auch danach noch in meiner Gedankenwelt präsent war, störte mich wirklich. Noch während ich einschlief, musste ich aber ebenfalls lächeln. So war das leben doch genießbar und am nächsten Tag könnte ich Hiro schön unter die Nase reiben, dass ich scheinbar auch ohne ihn in Sache Liebe prächtig zu Recht kam. So ging ich am nächsten Tag gleich mit Hinata zu ihr, mitsamt den Schulmaterialien. Es war schließlich Sonntag und Sonntag bedeutete Nachhilfe bei diesem groß gewachsenen, notgeilen Kerl namens Hiro. Aber ich musste von Megami erfahren, dass dieser Mann heute gar nicht da war. Er sei sehr beschäftigt und würde den Tag im Büro verbringen. Und nun? Wie sollte ich ihm jetzt die freudige Botschaft überbringen? Musste ich jetzt ernsthaft noch eine Woche warten, damit er es in dieser Zeit von der eigenen Tochter erfährt? Nein, nein, nicht mit mir. „Denkt ihr, ich dürfte ihm einen kurzen Besuch im Büro abstatten? Natürlich zur Mittagspause, ich will ihn ja nicht bei seiner Arbeit stören. Ich hätte nämlich wirklich etwas Dringendes mit ihm zu besprechen.“ „Natürlich“, bestätigte Megami mir ohne zu zögern, „ich zeige dir, wo das Büro ist, okay? Ich kann dich leider nicht hinfahren, weil ich aus Prinzipien nur mit die öffentlichen Verkehrsmitteln gebrauche.“ „Ach, das ist schon in Ordnung, kein Problem. Mein Orientierungssinn wird dafür schon ausreichen.“ Sie zeigte mir also auf einer Karte, wo das Gebäude lag, nannte mir die Zimmernummer von Hiros Büro und gab mir noch einige Tipps, wie ich am besten mein Ziel erreichen könnte. Ich erkannte, dass Hinata nicht so begeistert war, dass ich den Tag nicht lieber mit ihr verbrachte und die Schule einfach einmal vergessen würde aber ich konnte mich schließlich doch noch durchsetzen. Ich hatte wirklich ein gutes Timing. Kurz vor zwölf Uhr stand ich vor dem Eingang eines großen Gebäudes. Nach der Zimmernummer zu Urteilen musste sich Hiros Büro in der oberen Hälfte befinden. Nr.1205 Ich machte mich per Treppe auf den Weg in das zwölfte Stockwerk. Ich konnte es wirklich kaum erwarten ihm davon zu erzählen. Voller Vorfreude und Spannung auf sein Gesicht erreichte ich sein Abteil. Schon wollte ich anklopfen, da hörte ich etwas. Seit gestern wusste ich nur zu gut, was das für eigenartige Geräusche waren, die nun mein Ohr erreichten. So klang es eindeutig, wenn man sich bestimmte laute Töne verkneifen wollte. „hng…man! Nicht so fest, Idiot...!“ Das war Hiros Stimme, die erkannte ich sofort. Aber mit diesem Unterton hatte ich sie noch nie gehört. Wehe, wenn es sich um kein Missverständnis handelte und der wirklich was mit einer Sekretärin oder einem Dienstmädchen am Hut hatte! Ich wollte wissen, was in diesem Zimmer von Statten ging und klopfte an. Daraufhin herrschte wie auf einen Schlag totale Ruhe, danach vernahm ich das hektische herum eilen einer Person bis aus dem Lautsprecher neben mir ein Signal kam oder besser Hiros aufgebrachte Stimme: „Wie oft muss ich euch noch sagen, dass ich am Mittag meine Ruhe will und keine lästigen Besuche empfange??!“, schrie er genervt. „Ich weiß ja nicht, ob ich auch zu den lästigen Besuchen für dich zähle, aber ich bin’s, Kira. Wenn du aber…“ „Was? Kira? Warte…! Ich komme gleich.“ Er schien sich bereits wieder zu beruhigen. Vielleicht erholte sich sein Körper auch nur von einer gewissen Höchstleistung. Genervt lehnte ich mich an die Mauer neben der Tür und wartete ab. Hiro konnte die Tür ja plötzlich so schnell auftun. Er schaute mich wirklich sehr überrascht von meinem Besuch an. „Was machst du den hier?“, fragte er mich leicht außer Atem. Aber der Anblick seiner leicht durchwühlten Haaren und seinem eindeutig erregten Gesichtsausdruck genügte mir aber vollkommen. „Ich geh auch gleich wieder. Wollte dir eigentlich nur sagen, dass deine Nachhilfe in Sexualkunde wirklich nützlich gewesen ist. Aber Hinata erzählt dir bestimmt gerne davon, was bei uns in der letzten Nacht alles abgegangen ist…“ Ich schaute ihn mit einem desinteressierten und genervten Blick an. Schnell schielte ich über seine Schulter hinweg. Es nahm mich schließlich schon wunder, mit wem er sich hier vergnügt hatte. Und bei dem Anblick traf mich wohl ein Blitz! Das konnte ja wohl nicht wahr sein?!! Da stand doch der gleiche Kerl der mir einmal mit dieser göttlichen Ausstrahlung das Bogenschießen demonstriert hatte! Und so lasziv wie der schaute, musste da eben die Post abgegangen sein. Ich widmete meinen Blick nun wieder ungläubig Hiro. In mir stieg bei dem Gedanke eine innere Übelkeit auf. Ich knirschte mit den Zähnen, weil ich jetzt nicht etwas Falsches sagen wollte, aber dass ich eindeutig wütend und angeekelt schaute, konnte ich Hiro wohl nicht verbergen. „Ach…du scheinst ja ein ausgefallenes Hobby zu haben…viel Spaß noch!“, zischte ich ihn an und wollte hier nur noch weg. Was war ich nur für ein einfältiger Narr! So schnell ich nur konnte, rannte ich zum Lift. Als dieser scheinbar nicht extra nur auf mich wartete, entschloss ich mich wieder die Treppe zu nehmen. Hektisch rannte ich nach unten. Jeder Schritt fiel mir schwerer, aber nicht wegen der körperlichen Leistung, viel mehr, weil mir jetzt bewusst vor Augen geführt worden war, was Hiro doch für ein Mann war. Der hatte sich mir gegenüber nur so verhalten, dass er mich bei Gelegenheit mal in die Kiste bekommen konnte, darauf hätte ich in diesem Moment alles wetten können. Ich vergas alles rund um mich herum. Selbst die Schritte, die ebenso schnell wie meine waren, hörte ich nicht. Hiro folgte mir. Völlig aufgelöst rannte ich aus dem Bau heraus in irgendeine Richtung. Ich wollte wirklich einfach nur weg von da. Es kreisten Bilder in meinen Gedanken, die mich zur Verzweiflung brachten. Ich hörte Aussagen von Hiro, die mich verletzten und musste immer wieder an Worte denken, die er zu mir gesagt hatte. Mit wie vielen anderen Personen trieb er es wohl noch? Vielleicht hatte er schon sein ganzes Personal durchgevögelt. Ich rannte und rannte, bis ich schließlich unfreiwillig gestoppt wurde. Hiro hatte mich eingeholt und mich am Arm geschnappt. „Lass mich los du notgeiler Idiot!“, fauchte ich ihn auf offener Straße an. Einzelne Personen drehten sich schon zu uns um, das lag natürlich überhaupt nicht im Interesse von Hiro. Er hatte einen bedeutenden Ruf, der aber auch ziemlich zerbrechlich war. Ein Skandal und er wäre weg vom Fenster. So klatschte er mir seine Hand auf den Mund und zog mich in das nächstbeste Lokal. Mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, als ich sehen musste, dass es ein Lovehotel war! Ich versuchte mich verzweifelt loszureißen und mich wenigstens von der Hand die noch immer auf meinem Mund harte, zu befreien. Aber daraus wurde nichts. Hiro ging zielstrebig an allen Leuten vorbei, drückte mich einmal gegen die Wand, damit er eine Hand frei hatte um seinen Schlüsselbund hervorzusuchen und ein Zimmer zu öffnen. Er ignorierte das Pärchen, das gerade wild zur Sache ging und schickte es raus. Sie könnten sich ein anderes Zimmer suchen gehen. Kaum waren die draußen, schloss er die Tür auch schon ab und gab meinem Mund endlich wieder die Freiheit zurück. Nun herrschte erst einmal Ruhe. Ich strich mir über den Mund und funkelte Hiro mit einem enttäuschten uns sehr wütenden Blick an. Hiro schaute gelassener und kühler, aber dass auch er sauer war, entging mir nicht. Na toll! Und jetzt? Was wollte der Kerl von mir, dass ich ihm etwa die Meinung ins Gesicht schrie? Schließlich konnte ich diesem Mann nicht länger ins Gesicht schauen. Es ekelte mich einfach nur an und machte mich sack wütend. Ich drehte ihm den Rücken zu und setzte mich auf das Bett und legte ein Kleidungsstück zur Seite, das das vorige Pärchen in der Hektik wohl vergessen hatte. „Und jetzt? Was willst du tun? Wenn du dich herausreden willst, das wird dir nichts bringen, die Sache war deutlich genug für mich...“ Ich starrte zur Seite. In diese Face wollte ich jetzt nicht noch einmal schauen müssen. „Man! Jetzt tu nicht so eingeschnappt! Ich muss mich dir gegenüber doch nicht zur Verantwortung ziehen lassen!“ „Ach, stimmt, da hast du recht. Ich bin ja auch nur ein kleiner, unerfahrener Junge, der von dir das erste Mal einen geblasen bekommen hat.“, entgegnete ich ihm, „Warum bist du mir denn überhaupt nachgerannt, wenn du mir nichts zu erklären hast?“ „Weil du mir verdammt noch mal wichtig bist!“ Hiro kam auf mich zu und stütze sich auf dem Bett ab, neigte sich dadurch zu mir. Sein Gesicht war nun wieder so verflucht nahe an meinem. „Komm mir nicht zu nahe, Perverser!“ Ich scheute nun nicht, den harten Blick zu erwidern, „Du mit deinen ach so tollen Einstellungen gehst mir gegen den Strich! Als ob ich mich in jemanden wie dich hätte verlieben können. Dass ich nicht lache! Was versuchst du mich nun auch noch flach zu kriegen, wenn dir eh alle Weiber kreischend hinterher rennen und dich einmal in der Kiste haben wollen? Aber bei mir musst du das gar nicht erst versuchen. Ich habe eine Freundin und habe mich vor wenigen Stunden erst richtig bei ihr ausgetobt, du musst mir ab nun also keine Abhilfe mehr verschaffen. Am besten du lässt mich gleich wieder gehen, Deine Visage kotzt mich an!“ Auch wenn ich in einer ganz normalen Lautstärke sprach, kamen die Worte extrem aggressiv bei Hiro an. Aber dass er sich eine solche Umgangsart mit ihm nicht tolerierte, hätte ich von Anfang an ahnen können. Ab seinem Blick merkte ich, wie er ziemlich getroffen wurde und seine Wut um einiges anstieg. „Hör auf jemanden so mit Füssen zu treten. Dir ist wohl immer noch nicht klar, um was es hier geht! Du hast es aber richtig erkannt, dass ich es eben mit Teru getrieben habe aber ich bin nun mal ein Mann, den man als Sexsüchtig bezeichnen könnte. Denkst du, ich sei perfekt? Perfekt ist niemand. Aber es ist nicht so, dass ich wie früher einfach mit der nächstbesten Person ins Bett springe. Teru ist mein bester Freund. Er hat mich immer unterstütz. Ohne ihn wäre ich jetzt nicht da, wo ich stehe. Aber was erzähl ich dir das, das kannst du gar nicht verstehen. Du willst es doch gar nicht verstehen. Du bist froh, wenn du ein ausgewogenes Leben hast und alles nach deinem Plan läuft. Aber du würdest nie deinen Arsch für etwas aufreißen, das dir keine Sicherheit bietet. Meinetwegen kannst du dir schon vorgaukeln, dass du nichts für mich fühlst, dass ich dir vollkommen egal bin. Ich lass dich meinetwegen auch in Ruhe. Dann werde ich mich eben des Öfteren mit Teru austoben. Vergiss einfach alles, was zwischen uns war, besorge dir einen neuen Nachhilfelehrer und du wirst dich nicht mehr bei mir beschweren können. Ich will aber ganz ehrlich zu dir sein. Ich mag dich, ich mag dich sehr. Aber so nervst du mich echt. Wenn du einfach alle noch einmal komplizierter machst, als es schon ist.“ Ich starrte ihn an. Was sollte ich denn jetzt dazu sagen? Er hatte eigentlich vollkommen Recht. „Und weshalb lässt du mich denn nicht einfach in Ruhe? Du hättest mich doch eben einfach laufen lassen können, warum rennst du mir überhaupt noch nach?“ Hiro dachte kurz nach. „ehrlich gesagt…weiß ich das nicht. Vielleicht wollte ich einfach nicht, dass du eine falsche Meinung von mir bildest.“ Er rieb sich am Kinn. „Okay…lass uns die Sache einfach vergessen. Wir sollten uns das Leben wirklich nicht unnötig schwerer machen.“ Er stand wieder auf und schloss die Tür auf. „Es freut mich, dass mit dir und Hinata nun wieder alles in Ordnung ist. Verzeih meine Überreaktion, das hier war wohl wirklich unangebracht. Ich werde dich in Zukunft einfach wieder wie en eigenen Sohn behandeln, ja?“ Es überraschte mich, dass Hiro nun endlich mal etwas machte, das man als vernünftig bezeichnen konnte. Das zähmte auch mein Zorn und ich beruhigte mich. „Danke, du machst mir damit einen großen Gefallen.“ Ich stand auf und ging an ihm vorbei. Für mich war die Sache nun abgeschlossen und vorbei. Zum Glück war es nie etwas Ernstes, sonst hätte diese Trennung, ja man konnte es so bezeichnen, vermutlich viel mehr geschmerzt. Wir gingen nun wieder beide unsere Wege. Ich war zu bedrückt, als dass ich mich jetzt noch hätte mit Hinata vergnügen können, so begab ich mich sofort nach Hause. Kapitel 11: Alte Zeiten ----------------------- Hiro machte sich wieder auf zurück ins Büro zu Teru und ließ sich von ihm aufheitern. Teru versuchte es jedenfalls. „Der Junge liegt dir wirklich sehr am Herzen, nicht?“ „Ja, das tut er mir wirklich. Wage es jetzt bloß nicht zu fragen, weshalb ich ihn so mag. Das weiß ich selber nicht.“ „Gib’s zu, du willst ihn doch nur ins Bett kriegen.“, Teru grinste ihn unverfroren an. „Ach halt deine Klappe! Schließe nicht von dir auf andere. Du weißt ganz genau, dass unsere Beziehung eine reine Sexbeziehung ist.“ „Och, Hiro, deine Worte verletzen mich.“ „Ja, ja…rede du nur. Du bist doch mindestens so kaltherzig wie ich.“ Hiro verdrehte die Augen. Teru konnte ihn manchmal echt auf die Palme bringen. „Ich mag dir viel zu verdanken und mache auch immer schön brav die Beine für dich breit aber du solltest dir darauf nichts einbilden. Ich kann auch gerne wieder meiner alten Gewohnheit nachgehen und mich jeden Abend in Nachtclubs rum treiben.“ Der Mann mit den silbernen Haaren umschloss Hiro und gab ihm einen Kuss. „Jetzt fass das doch nicht wieder so persönlich auf. Du weißt ganz genau was ich meine und du weißt auch, wie wichtig du für mich bist. Aber dass wir diese Beziehung hier führen“, er legte provozierend seine Hand auf Hiros beste Stück, „das kannst du dir selber zuschreiben. Wer hat mich einmal unverschämt verführerisch gebeten, dass ich mich bitte an ihm austoben würde? Na?“ Teru lachte los, „Wir haben wirklich eine eigenartige Beziehung. Dabei kennen wir uns nun schon so lange.“ „Jetzt fängst du auch schon an wie die alten Leute zu reden. Fang bloß nicht mit diesem ‚ach die alten schönen Zeiten, weißt du noch…?’ an. Ich komme mir schon genug alt vor.“ „Wieso denn? In alten Erinnerungen zu schwelgen kann doch auch ganz schön sein aber stimmt ja – du hast noch einen Stapel von Arbeit vor dir liegen und die Mittagspause ist eigentlich schon längst um. Da hast du wohl gar keine Zeit mehr darüber nachzudenken, wie ich dich damals auf deine Aufforderung hin fast in den Wahnsinn getrieben habe.“ Hiro löste sich sofort aus der Umarmung indem er dem anderen hart eine ins Gesicht klatschte. „Wag es nicht, mich von der Arbeit abzulenken. Du kannst meinetwegen einen Pullover stricken und dabei wie eine Oma den alten Zeiten nachtrauern. Lass mich aber gefälligst in Ruhe. Ich habe keine Nerven mir deine humorlosen Sprüche anhören zu müssen.“ „Wie sie wünschen, Meister. Ich empfehle mich.“ Teru verneigte sich und setzte sich mit übereinander geschlagenen Beinen auf den Sessel und beobachtete Hiro, wie er sich genervt dem ersten Dossier widmete. Dabei musste er schräg schmunzeln. ‚Du hast dich kein bisschen verändert, Hiro…’, dachte er sich dabei und wie ihm erlaubt wurde, dachte er an die alten Zeiten. Teru war als junger Sekretär bei Hiros Vater angestellt. So hatte er schon vor Hiros Antritt in das neue Geschäft einen großen Einblick in dieses Unternehmen. Immer wenn es dem kleinen Sohn des ehrenwerten Chefs langweilig war, trieb er sich hier rum, jedenfalls bis am Abend, wenn sich für ihn die Türen zu den spannenden Lokalen öffneten. Alle Schulkameraden waren für Hiro damals unter seinem Niveau. Eben kleine Bengel, die den reinsten Unsinn vor sich her quasselten. So wandte sich der Junior immer an Teru, der ihm irgendwie durch seine unbefangene Redensart sehr sympathisch war. Sie konnten nebeneinander sitzen und Stunden lang einfach schweigen, ohne dass sich jemand dabei gestört fühlte. Wenn sie sich etwas zu sagen hatten, dann sagte man sich knallhart die Meinung. Dass Hiro so wurde liegt wohl daran, dass ihm schon immer die elterliche Liebe fehlte. Seine Mutter verstarb schon recht früh und sein Vater war durch das Unternehmen zu sehr beschäftigt, als dass er sich noch hätte viel Zeit für seinen Kleinen nehmen können. Das führte dazu dass Hiro schon recht früh in manchen Situationen auf sich alleine gestellt war und sich schon wacker in manchen Sachen selbst durchs Leben schlug. Hiro war also nichts anderes als ein frühreifer Bursche, der in einem goldenen Käfig hauste. Teru war wahrscheinlich der erste der von Hiros täglichen Ausflügen ins Rotlichtmilieu erfuhr. Er griff aber nicht ein, sondern ließ ihn. Teru fühlte sich wie der große Bruder für Hiro und wollte ihn nicht ‚verraten’. Von Anfang an hatten sie ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zueinander. Als Teru als Praktikant zur Sora-Hotelkette einstieg, konnte er Hiro noch als Säugling auf den Armen wiegen. Er konnte zusehen, wie aus ihm ein junger Mann wurde, der einen starken Charakter hatte und sich scheinbar von niemandem klein machen ließ. Aber der Tod von Hiros Altem kam sehr überraschend. Auch wenn der Mann einige Jahre zuvor schon Herzleiden hatte, so dachte niemand, dass er bereits so frühe verstarb. Er hatte sich wohl zu viel zugemutet und sich übernommen. Teru zeigte sich bereit dazu, provisorisch die Geschäftsleitung zu übernehmen. Für ihn war das ganze Unternehmen eine zweite Familie geworden, die er um alles in der Welt beschützen und hüten wollte. Wenigstens bis der offizielle Nachfolger so weit war, wollte er so weit wie möglich behilflich sein. Aber da zeigte sich das erste Mal, dass er Hiro wohl doch nicht so gut kannte. Als er von der Nachricht des Todes seines Vaters erfuhr, zeigte er ein total anderes Gesicht. Er fühlte sich verantwortlich, das Familienunternehmen unter seiner Hand weiterzuführen. Aber seine Marktwirtschaftlichen Kenntnisse waren überhaupt noch nicht ausgereift genug. Hiro zeigte aber Willen und streifte sein bisheriges Leben wie eine alte Schlangenhaut ab und zog einen Schlussstrich. Wenn aber nur Hiro über das Geschäft richten würde, dann hätte es nicht lange weiter bestanden. Teru griff ihm also tatkräftig unter die Schultern und unterstütze ihn, wo es nur ging. Er brachte ihm schnell bei, was man in diesem Business alles wissen musste. Zum Glück hatte Hiro den sechsten Sinn um ein solches Großunternehmen leiten zu können. Aber kaum stand er als neues Firmenoberhaupt da, musste er sich schon mit der Presse auseinandersetzten. Es war eine anstrengende und schwere Phase für ihn. Nach Außen gab er sich noch immer unverletzlich und stark aber es sah damals viel anders aus. Wirklich, ohne den Jungen Geschäftsmann Teru wäre das Geschäft schnell unter Schulden und dem Druck der Medien zunichte gemacht worden. Hiro wusste Terus Hilfe zu schätzen und einer der ersten Schritte, den er unternahm, war ihn zu seinem persönlichen Manager zu ernennen. Aber was damals für Hiro wohl das schwerste war, dass er sich über Nacht in einem total neuen Leben befand. Sein Verstand hatte diesen Schritt wahrgenommen, aber sein Körper noch nicht. Jeden Abend sehnte er sich mehr zurück in die alte Zeit, als er noch in den Clubs rum hing und sich dort nach Lust und Laune austobte. Es war für ihn fast schon ein Entzug, dass er vor anhäufender Arbeit im Büro festgebunden war und nicht mehr seinen damaligen Aktivitäten nachgehen konnte. Als es ihn schon nahezu wahninnig machte, richtete er sich wieder einmal an seinen alten Freund, Teru. Es war Abend und das Regenwasser lief wie ein Fluss über die Fensterscheiben. Hiro lehnte sich nach in seinen Stuhl und seufzte. „Teru, was würdest du alles für mich tun?“ Er machte eine Geste und forderte ihn auf, zu ihm zu kommen. Der andere folgte ihm, weil es für ihn das Selbstverständlichste war. „Ich würde viel für dich tun, das weißt du doch. Du musst mir sagen, was du dir wünschst. Hat es mit deinem abendlichen Konzentrationsnachlass zu tun?“ „Teru, ich brauche Sex.“ Hiro schaute noch immer fast gedankenlos aus der verregneten Scheibe. „Du weißt ganz genau, wie mein Leben vor wenigen Wochen noch ausgesehen hat. Ich habe mich wohl überschätzt, aber ich kann mich nicht vom einen auf den anderen Tag grundlegend verändern.“ „Dann besorg dir doch ne Freundin oder geh wieder in die Clubs.“ „Du solltest am besten wissen, dass ich das nicht verantworten kann, aus zeitlichen Gründen. Bei so viel Arbeit, wie zurzeit ansteht, liegt das einfach nicht drin.“ Teru musste lachen. „Sag doch gleich, dass du jemanden brauchst, der es dir auf die schnelle besorgen kann.“ Nun setzte sich Hiro wieder aufrecht auf den Stuhl hin und drehte sich zu Teru um. Kommentarlos blickte er ihm in die Augen. Teru erwiderte den Blick. Es dauerte eine Weile, bis bei ihm der Groschen endlich gefallen sein zu schien. „Das ist nicht dein ernst oder? Ich soll...?“ „Wow, Teru, Respekt. Das war eben dein erster Satz, den du nicht zu Ende gesprochen hast. Du musst ja ziemlich überrascht sein, was meine Bitte an dich betrifft.“ Teru strich sich leicht aus dem Konzept geworfen durchs Haar. Er musste sich jetzt erst einmal besinnen. „Dir ist schon klar, was du da von mir verlangst? Ich weiß nicht, ob ich dafür die richtige Person bin. Wir kennen uns zu lange und ich will ehrlich gesagt nicht unsere gute Beziehung riskieren.“ Hiro grinste nur lasziv, stand auf und trat dem anderen gegenüber. „Wenn du Angst davor hast, bei mir keinen hochzukriegen und dadurch deine Aufgabe nur halbwegs erfüllen könntest….da mach dir mal keine Gedanken. Ich bin mir sicher, dass auch du deinen Spaß haben wirst.“ Hiro war es aufs Gesicht geschrieben, dass er jetzt einfach nur das eine wollte. Tja und die nächstbeste Person musste nun eben daran glauben. Ohne nun noch länger auf das Einverständnis von Teru zu warten. Er legte seine Arme um die Schultern des anderen und ging gleich zur Sache. Erst waren es nur gierige und unerwiderte Küsse, bis er sich an die Wäsche des anderen machte. Als er Teru mit nacktem Oberkörper vor sich hatte, strich er mit seinen Fingern über die Brust des anderen. Das es Hiro ernst meinte, Begriff Teru nun und er zog seufzend seine Brille aus. „Aber beklag dich bitte nicht, dass es dir zu schnell gegangen ist. Ich erfülle nur meine Pflicht und besorg es dir schnell aber intensiv, so wie du dir das gewünscht hast.“ Danach gab es zwischen beiden keinen Halt mehr, wobei Hiro seinen Manager wohl ein bisschen unterschätzt hatte. Teru ließ keine Verschnaufpause zu und nahm allgemein keine Rücksicht. Auch als er bemerkte, dass es für seinen kleinen Schützling das erste Mal sein musste, dass er einen Mann an sich ran ließ. Danach schmollte Hiro ein bisschen, da ihm sein Hintern doch mehr schmerzte, als das er sich das vorgestellt hatte aber er beschwerte sich nicht sondern machte sich wie ein trotzender Bengel wieder an die Arbeit und Teru musste bei dem Anblick nur herzhaft lachen. Mit denselben Augen musterte er Hiro nun wieder. Es hatte sich wirklich rein gar nichts geändert. Nur dass einige Jahre verstrichen waren und sie beide um gute 15 Jahre gealtert waren. Nachdem sich das Geschehnis mehrfach wiederholte, trennte sich Teru von seiner Freundin. Er wollte vollkommen für Hiro da sein. Aus Sympathie wurde Freundschaft, Bruderliebe und für Teru sogar noch mehr. Es war eine eigenartige Liebe die er für Hiro empfand aber genau so beobachtete er ihn nun. Dass es für Hiro wirklich nur um die Stillung seiner Gelüster ging, war ihm auch vollkommen bewusst. Er wollte ja auch nur das Beste für Hiro. „Hey, Teru! Komm schon. Ich warte nicht ewig auf dich.“ Teru war wohl zu sehr in alten Erinnerungen vertieft gewesen und hatte nicht bemerkt, wie Hiro nach ihm gerufen hatte. „Ich eile.“ Wieder war dieses unbeschwerte Lächeln auf seinem Gesicht. „Komme ich heute doch noch zu arbeit?“ Er setzte sich vor Hiro auf den Arbeitstisch und guckte auf Hiro runter. „Hier!“, Hiro drückte ihm einen Stapel von Fakten in die Hände, „es haben sich kurzfristig irgendwelche Fernsehtypen bei uns angemeldet. Geh dich vorbereiten, dass du Stellung nehmen kannst.“ „Jawohl, Boss.“ Kapitel 12: Das Spinnennetz --------------------------- Seit ich mich mit Hiro ‚ausgesprochen’ hatte, ging wieder alles seinen gewohnten Gang. Ich war auch extrem froh, als sich mein innerer Aufstand wieder legte und ich tatsächlich sagen konnte, dass ich für Hiro nichts mehr fühlte. Seit der Nacht mit Hinata hatte ich erst recht die Liebe zu ihr entdeckt. Wir kosteten nun nahezu jede freie Minute miteinander aus und jedes Mal wuchs unsere Liebe mehr an. Der Sonntag hatte sich zum Glück doch nicht umgestaltet. Ich ging weiterhin zur Nachhilfe aber nun nur noch, wenn ich es wirklich nötig hatte. So blieb mir natürlich auch mehr Zeit für Hinata. Es nahm also alles wieder seinen gewohnten Lauf. Nur dass die einen Sachen extremer wurden und andere nachließen. So verzeichnete ich beispielsweise im Karate immer mehr Fortschritte, bis ich von Roy einmal die Aufforderung bekam, dass ich es doch beim nächsten Turnier versuchen sollte. Ich wusste nicht so recht, ob ich dafür wirklich schon bereit war. So viel Erfahrung hatte ich schließlich noch nicht. Aber jeden, den ich nach der Meinung fragte, wollte mich zusätzlich dazu überreden, doch beim Wettkampf teilzunehmen. Auch Hiro war von dieser Idee begeistert und versprach mir hoch und heilig, dass er zuschauen kommen würde. Im Sommer, kurz vor Ferienbeginn stand ich dann ganz nervös am Rande des Dôjo. Bald würde mein Namen im Lautsprecher bekannt gegeben und ich würde den ersten richtigen Zweikampf bestreiten. Ob der erfolgreich sein würde oder nicht, war mir eigentlich egal. Roy hatte mich in eine untere Kategorie geschickt. Er beachtete sehr wohl, dass ich gerade mal seit einem halben Jahr Karate machte. Aber irgendwie waren mir die Gegner auf einem zu niedrigen Niveau. Ich hatte kein Problem damit ihnen zu zeigen, wer hier das Zepter in der Hand hatte. Aber ich wurde mit der Zeit immer nervöser, was ja eigentlich genau nicht sein sollte. Ich sah Hiro nämlich nirgends. Er war noch nicht gekommen. Dabei hatte er versprochen von Anfang an dabei zu sein. Hinata, Kisara, Roy und sogar dieser Hiroshi waren anwesend. Auch meine Mutter feuerte mich in Gesellschaft von Megami und Hiromi an. Alle waren Da! Nur Hiro, der einzige, der mir versprochen hatte zu kommen, ließ sich einfach nicht blicken. Meine Unsicherheit und Besorgnis wuchsen derart stark an, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren vermochte und bei jedem Gegner immer mehr Fehler machte, obwohl die Gegner von Runde zur Runde besser wurden und ich mir das eigentlich nicht leisten konnte. Als dann auch noch dieser Teru erschien, platzte mir der Kragen. Für diesen kurzen Augenblick war ich derart abseits vom richtigen Geschehen, dass mein aktueller Gegner den Siegespunkt holen konnte und für mich das Turnier zu Ende war. Teru stand da und schien auf mich zu warten. Die Sympathie hatte er bei unserem letzten ‚Treffen’ definitiv bei mir verspielt aber er wollte mir offensichtlich etwas Mitteilen. In der Besorgnis, dass Hiro etwas geschehen sein könnte, eilte ich zu diesem Mann hin, auch wenn ich auf eine Unterhaltung mit ihm gut hätte verzichten können. „Was…Was ist mit Hiro? Warum ist er noch nicht hier?“, fragte ich völlig verstört. Es musste ja wohl etwas geschehen sein, wenn extra dieser Typ mir etwas mitteilen wollte „Hiro lässt ausrichten, dass er im Stau steht. Auf die letzte Runde würde er es aber schaffen. Er erwartet dich im Einsatz zu sehen…aber wie ich sehe, wird daraus wohl nichts. Bist du wirklich bereits schon jetzt ausgeschieden? Dabei waren sich alle einigen, dass du es mit deinem Können mindestens in den Final schaffen solltest.“ „Ich wüsste nicht, was ich ihnen zu sagen habe! Danke aber für die Nachricht.“, zischte ich ihn an. Dieser Mann reizte meine Nerven doch sehr, dabei regte ich mich schon genug darüber auf, dass ich es nicht weitergebracht hatte. Ich war mir nach den ersten Kämpfen selber sicher, dass ich es weit schaffen würde, aber jetzt war ich nicht einmal unter den ersten 20! Und wem hatte ich das wieder einmal zu verdanken? „Dieser Idiot…!“, zischte ich ganz leise und wandte mich vom Brillenträger ab. Der wagte es aber mich festzuhalten. „Stimmt es eigentlich, dass zwischen dir und Hiro nicht das Geringste läuft?“ Was? Was fiel diesem Mann ein, eine solche Frage an mich zu stellen? Als ob ich was mit einem Typen hätte! „Nur weil sie in wahrscheinlich jedes Mal zum Mittag vernaschen, heißt das noch lange nicht, dass ich das ihnen gleich tun muss! Ich habe eine Freundin und das genügt ja wohl auch schon. Guten Tag noch!“ Mit einem Ruck hatte ich mich befreit und ging davon. Auf schnellstem Weg verschwand ich in der Umkleidekabine, zog mich an und wetzte an die frische Luft. Ich hatte mich bei den anderen nicht verabschiedet, aber das war mir jetzt auch egal. Ich war wütend und vor allem enttäuscht. In erster Linie auf mich selber aber vor allem auch von Hiro. Immer bei solchen Momenten kam ihm etwas dazwischen. Wahrscheinlich steckte er gar nicht in einem Stau sondern hatte es in dieser Hitze bloß zu bunt getrieben, als dass er noch hätte hier her kommen wollen. Im nächsten Park setzte ich mich hin. Irgendwie wollte ich über etwas nachdenken, aber es schien, als sei mein Kopf ausgeschaltet. Das einzige, was mir einfiel war, dass es vielleicht doch besser war, wenn ich wieder zu den anderen ging, nicht dass die sich noch Sorgen machten, so wie ich dies vorhin bei Hiro tat. Genauso gedankenlos wie ich mich im Park aufhielt, kehrte ich also wieder zurück. Ich musste über eine Straße, die sehr dicht befahren war, aber ich war derart mit den Gedanken abwesend, dass ich nicht auf den Verkehr achtete. Erst das Quietschen von Autoreifen holte mich wieder zurück aber da war es bereits zu spät. Ich sah nur noch einen dunkeln Wagen, der auf mich zufuhr. Das letzte was ich sah, bevor mir schwarz vor den Augen wurde, war Hiros entsetztes Gesicht, danach war ich fürs erste einmal weggetreten. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich bewusstlos war. Als ich aber wieder zu mir kam, spürte ich, dass ich in einem Bett lag. Langsam und noch ganz benommen öffnete ich die Augen. Um mich herum war alles verschwommen. Als erstes erkannte ich das Fenster. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das dunkle Zimmer. Ich schaute mich um. So wie das eingerichtet war, musste ich mich im Krankenhaus befinden. Es verging noch geräumige Zeit bis sich auch mein Verstand langsam wieder klärte. Ich spürte einen gewaltigen Schmerz am Kopf. Geschaffen richtete ich mich auf um zu überprüfen, was das war. Ich zuckte zusammen, als ich meine Hand auf den Verband legte. Stimmt ja - wahrscheinlich war ich von einem Auto angefahren worden und hatte mich am Kopf gestoßen. Ich legte mich wieder hin und wollte nur wieder schlafen. Aber irgendwie konnte ich das jetzt nicht mehr, so starrte ich zur Decke hoch. Nach einer gewissen Zeit viel mir plötzlich das Ticken einer Uhr auf. Ich ging auf die Suche nach dem Gerät und fand es dann tatsächlich auch auf meinem Tischlein. Es war drei Uhr. Der Dunkelheit nach zu urteilen war es Nacht. Zwischendurch schaute ich mich im Raum um. Es schien die Notfallstation zu sein und ich war nicht alleine. Neben mir lag noch jemand, aber ich konnte die Person nicht erkennen und um nachzuschauen, dafür war mein Körper noch zu angeschlagen. Ich ließ die Zeit weiter verstreichen. Eine knappe Stunde verging, bis sich die Person neben mir auch rührte. Ich hörte einen Ton, der wohl den aufkommenden Schmerz erleichtern sollte. Die Person drehte sich um, schien es jedenfalls zu wollen und es raubte mir den Atem als ich die Stimme, die nun leise zu fluchen begann, zuordnen konnte. Aber das musste sich um ein Missverständnis handeln. Es war unmöglich dass er…! Nun war es definitiv vorbei mit dem Schlaf. Als es neben mir wieder ruhiger wurde, stand ich auf. Ich wollte es einfach nicht wahrhaben aber leider bestätigte sich mein Verdacht. Ich stolperte zurück in mein Bett und stütze mich dort mit aufgerissenen Augen ab. Mein Kopf pochte. Ich hätte nicht aufstehen dürfen. Neben mir lag doch wirklich… Hiro. Ich schaute gequält und hielt mir die Hand geschockt vor den Mund. Hiro sah schlimm aus. Sein Gesicht war von kleinen Prellungen und Schnittwunden überdeckt und seinen einen Arm hatte man sorgsam eingegipst ruhig gestellt. Irgendwie fühlte ich mich nun ganz eigenartig. War er deswegen nicht am Turnier erschienen? Oder - nein, es war anders. Das Auto - kein Wunder kam es mir so bekannt vor. Das war Hiro, dem ich vor den Wagen gelaufen war. Aber ein solcher Zufall, das konnte doch gar nicht wahr sein. Ich kam mir je länger je mehr wie in einem schlechten Film vor. Da war die Möglichkeit auf einen Milliardengewinn im Lotto ja noch realistischer. Ich musste mich doch geirrt haben. Dieser Mann in diesem Zimmer konnte unmöglich Kazumoto-san sein. Außerdem war Hiro eine Person mit hoher Autorität, den man bestimmt nicht in diesen Raum brachte. So stand ich noch einmal auf und ignorierte das immer heftig werdende Pochen im Kopf. Ich stand noch einmal neben den Mann hin und musste Schlucken. Es bestand kein Zweifel. Das war Hiro. Sofort holte ich mir einen Stuhl und setzte mich neben ihn hin. Da ich nun so oder so nicht schlafen konnte, wollte ich wenigstens ein bisschen bei ihm sitzen und ihn beobachten. Ich war ja nicht ganz unbeteiligt daran, dass er nun hier lag. Sein Arm, das sah mir nach mehr als nur einem Bruch aus. Es schnürte mir den Hals zu, als ich ihn hier so liegen sah. Er hatte seinen Mund leicht geöffnet. Sein Atem ging ruhig, aber das unruhige Zucken seiner Augenbrauen verriet mir, das er schmerzen haben musste. Sein Haaransatz war nass, er schwitzte scheinbar. Ich legte ihm meine Hand auf die Stirn weil ich wissen wollte, ob er Fieber hatte. Er hatte auch einen sehr heißen Kopf. Bei meinen Berührungen entspannten sich seine Gesichtszüge wieder. Ich beobachtete jede Bewegung, auch wenn sie noch ach so klein war. Ganz gegen meinen Willen musste ich an gewisse Sachen zurückdenken, an alle die Tage, an denen er mir auf sonderbare Weise Liebe geschenkt hatte. Es schnürte mir die Kehle noch mehr zu. „Hiro…“, klagte ich mit Leidensmiene, „das….das wollte ich doch nicht.“ Ich legte vorsichtig meinen Kopf neben seinen. Inzwischen hatte ich mich vom Stuhl runter begeben und mich neben das Bett gekauert. Ohne ihn zu berühren zeichnete ich seine Gesichtskonturen mit meinen Fingern nach und schaute verträumt auf die geschlossenen Augen, mein Blick wurde aber wieder von den Lippen angezogen. Als er mich damals geküsst hatte, war da wirklich keinen Sinn dahinter gewesen? Meine Augen blieben auf dem leicht rosa schimmernden Teil des Gesichtes haften. Ich konnte meinen Blick nicht mehr davon wenden. Nur noch einmal. Nur noch einmal wollte ich ihn küssen. Er schlief, er würde nichts davon mitbekommen. Wenn er aufwachen würde, dann wäre wieder alles beim alten. Aber ich zögerte. Was ist wenn er doch aufwacht? Dann würde bestimmt wieder alles von vorne beginnen. Dann durfte er eben nicht aufwachen. Nur ein kleiner Kuss, den man kaum spürt, das sollte doch drin liegen. Noch während ich hin und her überlegte, verkleinerte sich der Abstand zwischen meinen und seinen Lippen immer mehr, bis ich sie schließlich an mir spürte. Und genau in diesem Augenblick flammten wieder all die Gefühle auf, die ich eigentlich vergessen gehabt zu glauben. Ein Kuss, den man nicht fühlte, das war gar nicht so einfach. Ich versuchte mich wieder von ihm zu lösen aber jedes Mal wenn ich erneut nach dem Mund des anderen Schnappte, wollte ich noch einmal und es wurde immer wärmer. Ich bereute es bereits schon, dass ich überhaupt damit begonnen hatte, dass ich überhaupt zu ihm gegangen war, dass ich überhaupt so gedankenlos die Straße überquert hatte. Jetzt war ich ihm wieder auf einen Schlag verfallen. Ich wünschte mir, ich hätte diese Gefühle nicht. Ich ekelte mich vor mir selbst, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Ich wollte nicht wieder von ihm weggehen. Meine Augen hatten auch zu kämpfen, mit den Tränen. Mein Stolz wollte keine Tränen zulassen. Immer wieder schluckte ich sie runter, aber dass ich kurz vor dem losheulen war, das war leider so. Plötzlich bewegten sich die Lippen, die ich unerlaubt überfiel, meinen entgegen. Er wachte auf! Normalerweise wäre ich vor Schreck und alleine schon vor Vernunft längst weggesaust, aber ich klebte regelrecht an ihm und wollte nicht gehen. Egal was er nun sagen würde, egal welche Worte er über mich schütten würde, ich wollte diesen Moment jetzt auskosten. Mit Hinata war es ja auch ganz schön, aber dieses prickelnde Gefühl fehlte bei ihr. Vielleicht unterstütze die Verletzung an meinem Kopf die Tatsache, dass ich nun gegen meinen Willen handelte. Ich kroch aufs Bett und begab mich über Hiro. Er machte auch kein Anzeichen den Kuss zu unterbrechen sondern trieb mich noch viel mehr in diesen Hitzeschleier. Ich verlor immer mehr die Beherrschung über mich, ich begann mein Hemd aufzuknöpfen und verfiel gänzlich an den Kusskünsten Hiros, die scheinbar nicht unter dem Umfall gelitten hatten. Es war wie ein Rausch, der mich überkam. Ich wollte diesem Menschen nahe sein und ihm verfallen. Als würde es eilen, als wäre alles bald vorbei, zog ich die Bettdecke von Hiro weg und begann gierig dessen Hosen zu öffnen. Ich dachte nicht darüber nach, dass es eigenartig war, dass sich Hiro nicht wehrte sondern mich machen ließ. Aber das spielte mir jetzt keine Rolle mehr. Mein Stolz spielte keine Rolle mehr. Die ganze Welt um mich herum spielte keine Rolle mehr. Hiro wusste, was ich von ihm wollte und er gab mir Hilfestellungen dabei. Seine Verletzung hinderte ihn daran, dass er mir ebenso viel Liebe geben konnte. Mit seinem verschonten Arm platzierte er mich auf seiner Hüfte. Er lächelte mich voller Zuversicht an und streichelte mir über die Wange. Dadurch bremste er etwas mein überstürztes Handeln ab und mir wurde bewusst, was ich da gerade tat. Aber er erreichte nur etwas, dass ich mich nun schämte, was ich vorher irgendwie nicht tat. Aber das Gefühl, dass ich jetzt um keinen Preis in der Welt damit aufhören wollte, war noch nicht weg. Aber die Angst vor dem Schmerz, den ich jetzt dann bald erfahren würde, kroch in mir auf. Was würde geschehen, wenn ich irgendetwas falsch mache? Wenn ich für Hiro nicht gut genug war? Mit einem Blick voller Unsicherheit betrachtete ich ihn. Er nickte nur aufmunternd. Dann hatte ich seine Hand vor mir, an meinem Mund. Er öffnete es und führte die Finger ein. Ich konnte gar nichts anderes tun als darüber lecken. Immer mehr geriet ich in Ekstase. Meine Erregung war schon so stark, dass sie schmerzte und mir die Luft abzuschnüren drohte. Da Hiro nur einen Arm gebrauchen vermochte, konnte er mich nicht länger alleine durch Gestiken führen. „Komm, küss mich.“, flüsterte er mir zu. Mir fiel erst jetzt auf, dass das die ersten Worte waren, die er heute direkt zu mir sagte, so trafen sie mich erst recht. Ich folgte seiner Anweisung und neigte mich zu ihm runter um ihn zu küssen. Er machte dies aber nur, um beim befeuchten der Finger zu helfen. Das kam mir extrem…versaut vor, was wir da taten, aber ich konnte nicht aufhören damit. Es ging kürzer als vermutet, bis er es für genug befand und die Finger meinen Hosenbund legte, diesen runter zog, so gut es ging. Er unterbrach den Kuss derzeit aber nicht. Ich schaute ihm hoffnungslos verfallen in die Augen. Am liebsten hätte ich die Hosen gleich von mir gerissen, aber mir schien die Kraft dazu zu fehlen. Hiro schwächte mich alleine mit diesem Blick der volles Vertrauen ausstrahlte. Ich stützte mich vorne etwas ab, als ich seine Finger da spürte, zuckte ich zusammen. Nun war es wieder der Scham, der mich beherrschte. Ich versteckte meinen erhitzen Kopf an Hiros Schultern, während er immer wieder mit den Fingern da rein und raus ging. Es fühlte sich total eigenartig an und der Bauch zuckte dabei manchmal so ungewohnt. Ich wusste, dass ich nicht laut werden durfte, aber es war so schwer jetzt noch zu schweigen und still zu halten. Schließlich fühlte ich nur noch, wie er seine Hand wieder da raus zog und sie auf meine Seite legte. Ich schämte mich. Das war doch schmutzig, was wir da taten. Wenn ich wenigstens zuvor geduscht hätte und mich darauf hätte vorbereiten können…aber die Gedanken schalteten bei mir auf einen Schlag ab. Ich spürte ihn. Hiros hartes Glied das an dieser Stelle andockte und immer mehr Druck ausübte. Ich schnappte nach Luft. Ich hatte Angst, Angst dass ich anschließend vor Schmerz erstarren würde. Aber Hiros Blick gab mir das Vertrauen, dass ich nun auch zu ihm haben sollte. Ich krallte mich im Laken fest und hoffte, dass ich es mir nur so schlimm vorstellte und es nicht so schlimm war. Mit jedem Zentimeter den er tiefer eindrang, zog sich bei mir die Bauchmuskulatur zusammen und ich versuchte mich automatisch irgendwie zu entspannen, damit es wenigstens erträglich wurde. Noch während ich mich darauf konzentrierte den Schmerz möglichst niedrig zu halten, zog er mich auch schon zu einem Kuss zu sich. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin schon drin. Lass dir ruhig Zeit.“ Seine Ruhige, leise Stimme spendete mir Mut. Er war wirklich in mir drin. Ich musste leicht lächeln. Es reizte meine Haut da zwar sehr und ich hatte das Gefühl, an diesem Ort würde was reisen, sobald ich mich nur ein kleines bisschen bewegen würde. Aber es gab mir Sicherheit, dass ich mir Zeit lassen durfte. Als ich mich an das eigenartige Gefühl gewöhnt hatte, atmete ich einmal tief durch. Ich hatte mich wieder etwas beruhigt. Nun bewegte ich mich ganz vorsichtig, erst nur ganz wenig zum Test, dann immer mehr. Ich hätte nie wahrhaben können, dass sich das so gut anfühlen könnte. Mein Atem wurde immer stoßweisender. Bald hatte die Lust den Scham und die Angst in den Schatten gestellt und ich konnte selbst nicht mehr glauben, was ich da tat. Nur, dass ich all die Laute die mir auf der Zunge lagen, irgendwie unterdrückten musst, machte mir mühe und hemmte mich ein Stück weit. Nachdem ich mich derart ausgetobt hatte, brummte mein Schädel umso mehr und auch Hiro ging es dadurch anschließend wohl nicht gerade besser. Gerne hätte ich mich an ihn heran gekuschelt und bei ihm geschlafen, aber da wir uns in einem Krankenhaus befanden, ging das leider nicht. Aber wenigstens ermüdete mich diese Partie und ich wollte nur noch eins: schlafen. Glücklich, auch wenn mit starkem Kopfschmerzen und der Befürchtung von Muskelkater am nächsten Tag, sammelte ich meine Kleider zusammen und wollte schon gehen. Viel hatten wir nicht gerade gesprochen. Vielleicht wollten wir das auch nicht weil wir wussten, wie bei uns Gespräche enden konnten. Hiro packte mich aber noch am Arm, er stütze sich dabei sogar auf seinen Verletzten, nur damit er mich noch erreichen konnte. Er wollte wahrscheinlich noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber doch und ließ es. Unsere Blicke sagten wohl genug. Man sah im Dunkeln zwar nicht sonderlich viel aber beide von uns erkannten, dass wir das eben nicht im Geringsten bereuten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis das geschah. Jegliche Diskussionen darüber ob man zusammen war oder nicht, brachten es nicht, denn wir waren weder noch. Auch wenn wir uns nahe standen, so waren wir doch nicht zusammen und wir wussten auch, dass das nie so sein wird, nicht ehe ein Wunder geschehen würde. Ich ging also voller Zufriedenheit in mein Bett. Ich hatte es einfach aufgegeben darüber nachzudenken. Umso mehr ich mich dagegen sträubte, umso mehr verfing ich mich im Ganzen. Ja, vielleicht könnte man es als ein Netzt von Schicksalsfäden bezeichnen, wie ein Spinnennetz, in das ich mich schon hoffnungslos verheddert hatte. Ich war schon längst darin gefangen und wollte mich befreien, aber das hat mich nur noch mehr in Gefangenschaft gebracht. Es würde so kommen, wies kommt, sich befreien zu wollen, brachte es nicht. Es kostete nur Kraft und Anstrengen aber weiter nichts. Mit diesen Gedanken und ähnlichen fiel ich in den Schlaf Kapitel 13: Einfahrt in die Sackgasse ------------------------------------- Part 13 – Einfahrt in die Sackgasse Ich weiß nicht, ob ich je in meinem Leben so gut geschlafen hatte. Dieses Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit hatte mich heimgesucht und wiegte mich im Schlaf. Auch als ich am nächsten Morgen aufstand, fühlte ich mich so, dass ich zu einem sanften Lächeln einfach gezwungen war. Das erste was ich tat? natürlich drehte ich meinen Kopf zu Hiro und schaute nach, ob auch er schon wach war oder nicht. Als ich meinen Blick erwidert bekam, wusste ich natürlich nur zu genau, dass er schon wach war, wahrscheinlich schon länger als ich. Ob er überhaupt geschlafen hatte? Ich hätte nachfragen können aber unsere Schweigephase des Vortages hielt weiter an. Unsere Blicke sprachen einfach nur Bände und niemand von uns wollte diese Stimmung, die zwischen uns herrschte, unterbrechen. Erst als die Krankenschwester uns einen Besuch abstattete, fand die Stille zu ihrem Ende. "Wie geht's unserer Herrschaft heute? Ich hoffe, es ist nicht all zu schlimm, wenn sie ins gleiche Zimmer verlegt worden sind. Leider ist unser Krankenhaus bis auf das letzte Zimmer besetzt und wir konnten es nicht anders einrichten." Hiro wandte sich von mir ab und zeigte mir die kalte Schulter. Ich setzte mich auf und nickte etwas zaghaft. Die Schwester schaute uns fraglich an, ließ aber zum guten Glück die Nachfrage. "Der Chefarzt kommt gleich bei ihnen vorbei, Kazumoto-san. Und sie junger Mann, von ihnen bräuchten wir noch die Personalien, damit wir den formalen Kram erledigen können." "Belästigen sie den Jungen jetzt nicht mit diesem klimperlichen Zeug. Sorgen sie dafür, dass wir hier nicht noch Wurzeln schlagen müssen!" "ja...Jawohl, Kazumoto-san!" Wie von der Tarantel gestochen, sauste sie aus dem Zimmer. Ich widmete meine Aufmerksamkeit wieder Hiro. Der setzte dich genervt auf, versuchte es jedenfalls. Wieder musste ich lächeln. Er mochte es wohl nicht ans Bett gefesselt zu sein. Er bemerkte, dass ich lachte und schaute mich nun fast schon so gereizt wie die Schwester an. "Was lachst du?" "Wer lacht hier?", fragte ich mit einem extra provozierenden Grinsen nach. Hiro musterte mich noch eine Weile scharf, bis er sich mit einem Seufzer wieder hinlegte. "Wegen gestern....", begann er Richtung Decke zu sprechen und machte anschließend eine verdammt lange Pause, die mich mit jedem verstrichenen Moment mehr zum Nachdenken anregte. Wegen gestern? Was meinte er damit? Meinte er die Nacht? Wollte er mir etwa wieder in seinen großen Tönen sagen, dass ich das vergessen sollte? "...danke.", beendete er seinen begonnenen Satz und ich schaute ihn völlig perplex an. Was bedankte er sich jetzt auch noch und für was überhaupt? Die gleiche Verwirrung, die in meinem Kopf vorhanden war, widerspiegelte sich nun auch in meinem Gesicht. Er musste mich nicht einmal betrachten um zu wissen, dass ich genau nichts verstand, was er mir eben gesagt hatte. "Danke?", fragte ich nach einer Weile doch noch nach, nachdem er nicht die erhoffte Ergänzung gebracht hatte. "Für das was du gestern getan hast. Du musst das nicht verstehen. Ich will mich einfach nur bei dir bedanken, dass du so gehandelt hast." ich verstand je länger je weniger. Mit immer weniger Verständnis hielt ich den Blick aufrecht. "Gestern...? Doch nicht etwa weil ich...?" Schweigen. Ich fiel prompt auch wieder auf mein Bett zurück. Wir beide konnten unmöglich vom gleichen sprechen! Genau wegen solchen Situationen hielten wir es wohl für besser zu schweigen als auch nur das Kleinste zu sagen. Und dann platzte auch schon die Tür auf und ein extrem gut gelaunter Typ mit sonnigem Gemüt kam herein getanzt. Er war etwas mollig und nicht sonderlich groß. Sein Kopf hatte ebenfalls schon gewaltige Mengen an Haaren verloren, so dass nur noch ein kleines Ringlein übrig geblieben ist. "Guten Morgen, meine Patienten! Ich hoffe, ihr habt eure erste Nacht in diesem wunderschönen Krankenzimmer, dass wir extra für sie freigemacht haben, genossen und habt wunderschön schlafen können. ich bin übrigens der Chefarzt. Es freut mich, mit einem solch besonderen Gast wie ihnen, Kazumoto-san, Bekanntschaft zu machen." Weshalb ich mir ignoriert vorkam, das konnte man schlecht übersehen. Der Typ strahlte nur Hiro mit seinem 'bezaubernden' Lächeln an. Vielleicht war das auch besser so. Ich hätte wohl kaum wie Hiro die Ruhe bewahrt sondern wäre so schnell wie möglich aus dem Krankenhaus geflüchtet. Aber Hiro wusste sich zum guter Glück zu beherrschen. Er lächelte den Oberarzt genau so sonnig an und..., "natürlich hatten wir eine ausgezeichnete Nacht. Ich bin ja auch nur aufgewacht, mit einem eingegipsten Arm und extremen Schmerzen und konnte für den Rest der Nacht nicht mehr schlafen. Ansonsten geht’s mir wirklich prächtig.", schnell wandelte sich seine Miene in ein ungeduldiges und genervtes Gesicht. "Würden sie so gütig sein und endlich mit der Diagnose herausrücken? Ich will heute noch nach Hause, wenn dass möglich wäre. Und scheuen sie sich nicht das Gleiche auch mit meinem Nachbarn zu machen!" Hiro wusste wohl, dass er ziemlich viel Macht besaß und er somit einen solchen Ton auflegen konnte. Aber so hatte ich ihn noch nie erlebt, Nun ja, er steckte wohl wirklich voller Überraschungen für mich. Der Chefarzt wusste gar nicht, wie ihm geschah. Aber er verstand die Versteckte Nachricht ziemlich schnell, rückte seine große Brille zurecht und zog die Dossiers hervor. Endlich schaute er auch so in die Welt, wie es sich für einen Arzt gehört, nämlich ernst. "Also...Hier...Kazumoto Hiro...und...ja von diesem Jungen bräuchten wir noch die Personalien..." "Er heißt Kira, Kira Otawa. Das sollte genügen damit hier die angestellten die restlichen Daten ermitteln können." "Kira also... Ihr seit gestern gleichzeitig eingeliefert worden. Dieser Kira ist ihnen vor das Auto gelaufen und sie sind beim Ausweichmanöver gegen eine Mauer geprallt, besser gesagt ihr Wagen. Der Junge ist mit einer leichten Gehirnerschütterung davongekommen, aber bei ihnen, Kazumoto-san, sieht es nicht danach aus, als dass sie heute schon nach Hause könnten. ihre Rechte Seite hatte unter dem Aufprall zu leiden. Ihr rechter Arm ist zertrümmert und sie haben einzelne Quetschungen. Aber es ist nicht so gravierend, wie ich das nun eben erläutert habe. Die Quetschungen werden in zwei-drei Wochen kaum mehr spürbar sein. Der Arm hat im Gesamten sieben Brüche, wobei alle bis auf einen gut stellbar waren und wir eigentlich alles schon gestern, als sie eingeliefert wurden, richten konnten. Aber wir müssen sie für mindestens eine Woche hier unter Kontrolle behalten. Es könnte sein, dass sie noch andere Schäden davongetragen haben, die uns leider entgangen sind. Es ist nur für ihr Bestes, wenn sie noch einige Tage hier verweilen." Das erste Mal wagte sich der Herr auch zu mir zu wenden und mich direkt anzusprechen, "Und für dich, Kira, geht es schon heute nach Hause. Du darfst dich einfach nicht überanstrengen und für die nächsten zwei Wochen bist du vom Sport dispensiert." So viele Informationen auf einmal musste ich erst einmal verdauen. Um Hiro stand es einiges schlimmer als um mich und ich habe es noch gewagt, so was mit ihm zu machen, bei seiner Verfassung. Ich hatte doch die ganze Zeit gesehen, wie er schmerzen hatte, dennoch hatte ich nicht aufgehört. Was war ich bloß für ein Idiot! Und weshalb lag er überhaupt hier im Krankenhaus? Weil ich, wie schon vermutet, vor seinen Wagen gerannt war. Hiro nahm die Nachricht entgegen. ich erkannte schon, wie es ihn aufregte. "Na toll. Ich kann hier doch nicht einfach rum liegen. Ich habe noch Sachen zu erledigen, Herr Gott!" "Nun denn, wenn keine Fragen mehr sind, dann werde ich mich meinen anderen Sorgenkindern zuwenden. Kira, du kannst deine Sachen packen und gehen." Wir hatten beide keine Fragen mehr und dieser Strahlentyp verschwand zu seiner eigenen Sicherheit ziemlich schnell. „Ach verdammter Mist.“, fluchte Hiro noch immer leise vor sich hin, während ich mich aus dem Bett machte, was mich auch den entstandenen Muskelkater spüren ließ. Für mich war es nicht gerade amüsant, dass meine Hüften schmerzten, aber Hiro schien es etwas aufzuheitern. "Du gehst also sofort nach Hause?" Nun hatte er sich wieder aufgesetzt und beobachtete mich bei jedem einzelnen Schritt. "Ja...Ich habe nun wirklich keine Lust hier noch länger den Patient spielen zu müssen." Meine Sachen packen - was gab es da großartiges zu packen? War es denn nicht so, dass ich zurzeit nichts mehr als mich selbst hatte? "Nun denn, ich wünsche dir noch einen spannenden Aufenthalt. Du wirst bestimmt bald mit Blumen und Geschenken überschüttet, da wirst du das hier schon aushalten." "Danke auch!", entgegnete er mir beleidigt. Ich fühlte mich aufgefordert, mich noch einmal zu ihm umzudrehen und ihm ins Gesicht zu blicken. Schweigend musterte ich ihn. Wollte er noch etwas von mir hören? Aber ich hatte nichts mehr zu sagen. "Schau nach, ob nicht gleich jemand rein platzen könnte und nachher kommst du gefälligst noch einmal zu mir." Hiro schaute schmollend zur Seite. Das war wieder eine neue Seite, die ich an ihm entdecken durfte. Ich tat, was mir gesagt wurde und stand kurz darauf auch schon neben Hiros Bett. Wir blickten uns wieder einmal schweigend in die Augen, bis ich eine Geste von ihm vernahm, die zu einem Stuhl verwies. Ich holte ihn und setzte mich neben ihn hin. Er drehte sich ab, kniff dabei unter dem aufkommenden Schmerz ein Auge zu und saß mir schlussendlich gegenüber. Ich zuckte zusammen, als er seine Hand hob und kurz davor war, mich zu berühren. Mein Blick, der bis eben noch entspannt und neutral war, änderte sich abrupt. Er war hilflos und qualvoll und beinhaltete eine Priese von Verwirrung. Was hatte er vor? Mir war nicht klar, was meine Aufmerksam mehr in den Bann zog, ob es sein eigenartiger Blick war, den ich in dieser Nacht das erste Mal gesehen hatte oder vielleicht seine Hand, die noch immer unschlüssig vor meinem Gesicht lauerte und deren kleinstes Zucken mich beinahe in die Verzweiflung stieß. Fasst hätte ich mich um den Sinn der Sache hinterfragt, schob diese Gedanken aber gleich wieder von mir. Das war nicht der richtige Zeitpunkt. Hiro fasste dann nach einer Strähne, die locker in mein Gesicht hing und blickte mich so eigenartig an. Diese Augen, dieses Handeln, diese Ausstrahlung, sie schnürten mir den Hals zu. Mein Mund klappte zu einem hauchdünnen Spalt auf. Das alleine genügte aber schon, dass mein Mund auszutrocknen drohte. Mein Blick strahlte immer mehr Unsicherheit aus. Was musste er mich auch so anschauen, als ob gleich jemand sterben würde? Hiro strich einige der Strähnen hinter mein Ohr und seine Augen wanderten über mein ganzes Gesicht. Die Stille machte es für mich nicht unbedingt einfacher. Als er auch noch mit seinem Gesicht näher kam, war es bei mir aus. Angespannt presste ich meine Augen zusammen und schluckte einmal hart. Noch immer sah ich seinen Blick vor mir. Er hatte sich in meinen Kopf gebrannt. Dann spürte ich seine wichen Lippen auf meiner Stirn und sein warmer Atem, der meine Haut streichelte. Ich öffnete meine Augen, ganz benommen. "Ka...kann ich gehen?", schoss es mir ungebremst aus dem Mund. Hiro nickte nur zustimmend. Ich stand auf und verließ den Raum mit einer steifen Haltung. Erst musste ich meinen Kopf irgendwo abkühlen gehen. Nur zu gerne hätte ich nach dem Grund seines Handelns gefragt aber das war wohl nicht der richtige Zeitpunkt dazu gewesen. Ich musste feststellen, dass mein Atem bereits wieder an Tempo zugenommen hatte, wie auch mein Herzschlag. Bei der ersten freien Parkbank, die ich zu Gesicht bekam, setzte ich mich nach Luft schnappend hin. Ich starrte hoch in den Himmel. Beruhigen...beruhigen... das war das einzige, was mir zu dem Zeitpunkt durch den Kopf ging. Irgendetwas hatte sich durch diesen Krankenhausaufenthalt verändert. Es lag mir auf der Zunge, was das war aber dennoch konnte ich es nicht definieren. Ich fühlte mich nicht fähig nach Hause zu gehen. Ich spürte nur das Verlangen dieses Gefühl der Verwirrung und des Unklaren loszuwerden. So schloss ich meine Augen und versuchte klare Gedanken zu fassen. Daraus wurde aber nichts. Ich verlor mich in einer Welt von durchmischten und ungeordneten Gedanken. Alle Bilder von so vielen Ereignissen kreisten durch meinen Kopf. Meine Familie, der alte Ort, meine Mutter, Hinata, meine Freunde und vor allem Hiro. Musste ich das verstehen, was da mit mir los war? Wollte ich überhaupt verstehen, was das alles zu bedeuten hatte? Gab es überhaupt einen Sinn dahinter? Sinn - Was bedeutet 'Sinn machen'? Umso mehr Zeit verstrich, umso verwirrter wurden meine Gedanken und ich schreckte zusammen, als mir das alles bekannt vorkam. Das Gleiche, genau so hatte ich doch schon einmal gedacht, als ich krank und mit Fieber im Bett lag. Waren das überhaupt meine Gedanken oder waren es nur solche, die sich mein Kopf zusammen bastelte? Immer mehr Fragen kamen mir in den Kopf, die sich so sinnlos anhörten aber nach einer Antwort verlangten. Aber in der alten Stadt, da waren diese noch nicht da. Ich hatte meinen Seelenfrieden, auch wenn sich meine Eltern ständig stritten und mich das doch sehr mitnahm und mir schlaflose Nächte brachte. Ich saß wohl dutzende von Minuten, wenn nicht sogar Stunden auf dieser Bank, bis ich eine Stimme vernahm. "Huch, dass ist ja Kira! Oh Gott! Was macht er denn hier und dieser Verband!" Ich öffnete schwerfällig meine Augen. Diese Stimme - Hinata? War sie es. Natürlich. Sie hatte bestimmt von Hiros Unfall vernommen und ist nun hier um ihn zu besuchen. Kaum waren die Gedanken gefallen, klebte sie auch schon an mir. "Du verdammter Idiot! Weißt du eigentlich, was wir uns gestern für Sorgen um dich gemacht haben? Da haust du einfach ab und kommst nicht mehr zurück." Sie küsste mich, vor Freude und Erleichterung, dass ich doch noch ganz munter war. Aber ich sah überhaupt nicht danach aus. Noch immer war ich halbwegs in meiner Gedankenwelt und nahm das um mich herum noch nicht ganz scharf wahr. Die Küsse, die Hinata über mich schüttete, brachten mir aber etwas anderes, eine Bestätigung zu einer der vielen Vermutungen und Ängste, die mich heimsuchten. Das Feuer für sie war für mich erloschen. Nur zu gerne hätte ich sie von mir gestoßen und einfach nur gesagt, was Sache war. Immer mehr gestand ich mir ein, dass ich eine gefährlich starke Schwäche für Hiro hatte. Aber eine Lektion hatte ich mit den Ereignissen der letzten Zeit gelernt. In meinem Alter Pläne in Beziehungsfragen zu schmieden, das brachte nichts. Das Blatt würde sich gegen den eigenen Willen wenden. Solche Gefühle waren man nicht imstande kontrollieren zu können. Ich handelte also, wie ein Freund ein solch charmantes Mädchen eben behandeln sollte und erwiderte den Kuss mit einem aufgesetzten Lächeln. Bestimmt würde ich schnell lernen meine wahren Gefühle hinter einer Maske zu verbergen. Ich wäre nicht die erste Person, die zu solchen Mitteln greifen würde. "Tut mir Leid. Es wird nicht mehr vorkommen, dass ihr euch um mich sorgen müsst. Gestern war wohl nicht so mein Tag." Ich streichelte ihre Wangen und gab ihr noch ein kleines Küsschen, bevor ich aufstand. "Dann seit ihr also hier um Hiro zu besuchen? Erschreckt euch nicht bei seinem Anblick, der Doktor hat gesagt, es sieht schlimmer aus, als es ist." "Dann warst du schon bei ihm?" "Kann man so sagen. Wir waren im selben Zimmer in der Notfallstation. Es war auch dumm von mir, dass ich ausgerechnet vor sein Auto rennen musste." Noch immer lächelte ich. Ich hoffte, dass sie bald gehen würde und ich somit langsam den Heimweg beschreiten könnte. "Dann wünsche ich euch noch viel Spaß beim Besuch." Ich gab ihr zum Abschied noch ein Küsschen auf die Wange, ehe ich mich von ihr abwandte. Der drohende Blick von Megami entging mir dadurch. Sie hatte wahrscheinlich noch mitbekommen, was die Ursache für Hiros Unfall war. Als ich zu Hause angekommen war, setzte ich mich im Wohnzimmer hin und durchstöberte die Wochenzeitschriften und die aktuelle Zeitung. Ein Artikel auf den ersten Seiten erweckte besonderes Interesse in mir und ich begann gespannt zu lesen „Kazumoto Hiro – Opfer eines Suizidversuches. Gestern um 14:45 Uhr wurde der Leiter der bekannten und erfolgreichen Sora-Hotelkette schwer verletzt. Ein Junge ist ihm vor den Wagen gerannt. Man nimmt an, dass der Unbekannt Selbstmord begehen wollte und deshalb vor den edlen Luxuswagen gerannt ist. Kazumoto Hiro ist vorübergehend in der Notfallstation einer öffentlichen Klinik stationiert. Sein Manager bat im Anschluss eines Interviews darum, dass man ihn nicht stören sollte. Es heißt, dass Kazumoto Hiro außer Lebensgefahr sei, dennoch schwerwiegende Verletzungen hat und man langfristigen Schäden noch nicht ausschließen kann…“ Es folgten noch ein paar andere Informationen, aber dieser Teil genügte mir. Mir wurde sogleich wieder bewusst, dass ich schuld an Hiros Verletzungen war. Das stimmte mich nachdenklich. Irgendwie musste ich meine Schuld doch begleichen können. Ob es etwas gab, das sich Hiro von mir wünschte? Was er überhaupt über mich dachte? Ich kuschelte mich an ein Kissen und versank in Gedanken. Da mein Kopf doch sehr angeschlagen war, kam mir nichts Besseres in den Sinn, als dass ich ihn das nächste Wochenende wieder besuchen gehen würde, damit ich mich bei ihm richtig entschuldigen konnte. So klopfte ich eine Woche darauf an der Tür an. Inzwischen wurde er in ein Einzelzimmer verlegt. Es erstaunte mich ein wenig, dass ich scheinbar der einzige Besucher zurzeit war. Ohne mich erst auffordern zu müssen, setzte ich mich neben ihn hin. Es ging ihm schon etwas besser auch seine mürrische Laune hatte sich in der Zwischenzeit etwas verzogen und er kam schon recht gut mit der neuen Situation zurecht. „Kira, mit dir hätte ich jetzt am wenigsten gerechnet.“, er lächelte mich an, als wäre nichts, „Du hast bestimmt einen Grund, dass du dich hier her traust.“ „Ich….also… es tut mir leid. Ich wollte eigentlich vorbeischauen, um zu wissen, wie es dir geht. Wirst du bald entlassen?“ Ich hatte irgendwie Angst ihm in die Augen zu blicken. Allgemein war ich nervös. Ich sagte überhaupt nicht das, was ich eigentlich zu sagen hatte und mit ihm bereden wollte. Stattdessen harrte mein Blick auf meinen Fingern, die sich nervös ineinander verflochten hatten. Hiro bemerkte meine Nervosität und Verlegenheit. So tat er mir den Gefallen und wandte den Blick von mir ab um zur Decke hoch zu starren. „Ich denke morgen oder übermorgen sollte es allmählich Zeit sein. Ich fühle mich hier immer mehr am falschen Platz. Auch wenn ich es verstehe, dass sie mich noch unter Kontrolle haben wollen, wegen eventuellen inneren Verletzungen aber eine Woche sollte da wohl genügen.“ Ich musste nur schlucken. Ein total mieses und bedrückendes Gefühl kam in mir auf. „Wenn ich nicht so unüberlegt herumgelungert wäre…dann…“, murmelte ich. Hiro richtete sich auf, um mich wieder genauer beobachten zu können. Er streichelte mir sanft über die Wange. „Du machst dir deshalb doch nicht etwa Vorwürfe? Das war reiner Zufall, dass ausgerechnet ich der betroffene Fahrer war, mach dir daraus doch nichts.“ Die Hand brennte auf meiner Wange. Ich legte meine Hand auf die seine und zog sie weg, nur um sie festhalten zu können. Ich wollte nichts erwidern. Er würde mir meine Schuldgefühle nur austreiben wollen. Ich kippte einfach nur nach vorne und schmiegte mich an die warme Hand, die für mich auch gleichzeitig die Schutzbietende Hand eines Vaters war. „Ich kann es noch immer nicht wahrhaben…stören dich meine Gefühle denn nicht? Behandelst du mich nur so, weil du mir nicht die kalte Schulter zeigen willst oder hast du gar Mitleid mit mir?“ Ehe er mir aber eine Antwort hätte geben können, musste ich wahrnehmen, wie die Tür aufplatzte und Roy uns überrascht anstarrte. Ich schreckte sofort zusammen, als ich realisierte, wobei er uns gerade erwischt hatte. Ich stand auf, klopfte meine Kleider zu Recht, schluckte einmal leer und verabschiedete mich mit knappen Worten, ehe ich an Roy vorbei marschierte und das Weite suchte. Beide starrten mir kommentarlos nach. „Oh, Oh, bist du wieder auf ‚Weiberjagd’? Du fühlst dich wohl immer noch wie 18.“ „Halt einfach deine Klappe und erzähl niemandem davon. Du hast nichts gesehen, ja?“ „Ist es denn was Ernstes oder hast du ihm einfach nur den Kopf verdreht?“ „Bin ich hier bei einem Verhör oder was?“ „Natürlich kann ich auch zu Megami gehen und sie danach fragen. So sehr wie sie dich liebt…“ „Halt deine verdammte Klappe, Roy! Ich mag ehrlich gesagt auch nicht darüber sprechen. Wenn du gekommen bist um mich zu nerven, dann kannst du gleich wieder gehen und ein anderes Opfer suchen.“ „Du bist ja wieder einmal freundlich auf mich zu sprechen, mein Freund. Dann werde ich die Antworten eben von jemandem anderem einholen müssen. Viel Spaß noch mit diesem öden Zimmer.“ „Fahr zu Hölle!“, zischte ihm Hiro noch nach, ehe er wieder von der Stille umgeben war. Seufzend strich er sich die Strähnen aus dem Gesicht. Eine weitere Woche verging, bis ich wieder im Training erschien. Hiro wurde wie erwartet entlassen. Ich hoffte nur, dass Roy allfällige Kommentare unterlassen würde. Er war wahrscheinlich der Erste, der etwas davon mitbekam. Aber da war ja nicht einmal meine Hauptsorge, ich hatte noch immer ein schlechtes Gewissen. Hiro hatte sich meinetwegen so schwer verletzt. Es hätte zwar noch schlimmer kommen können, aber das spielte doch keine Rolle. Tatsache war, dass ich ihn in diese Lage gebracht hatte. Eigentlich war ich so oder so kurz davor, das Training abzublasen. Immerhin befand ich mich in den Ferien und da hatte ich eigentlich keinen Grund das Training weiter besuchen zu müssen aber ich bin dennoch gegangen. Vielleicht aus dem Grund, weil ich mich etwas ablenken und auf andere Gedanken bringen wollte. Nach dem Training fiel ich aber in meine alte Nachdenkphase zurück. Ich konzentrierte mich gar nicht recht aufs Umziehen und saß mehr oder weniger in der Kabine, in Gedanken versunken. Erst als ich den Seufzer von Roy vernahm, blickte ich wieder auf. „Wenn du willst, kannst du mit mir reden. Ich lade dich zu einem Drink ein.“, er lächelte mich mit einem verständnisvollen Blick an. Ich nickte einverstanden. Es war vielleicht gar nicht so schlecht, dass er am vergangenen Wochenende davon erfahren hatte. So hatte ich vielleicht einen vertrauenswürdigen Freund gewonnen, der unsere Beziehung nüchtern und als Außenstehender beurteilen konnte und der nicht von Gefühlen beeinflusst war. Außerdem hatte Roy mich schon bei vielen anderen Sachen unterstützt, Mut gemacht und mir unter die Arme gegriffen. Da konnte ein offenes Gespräch mit ihm nicht schaden. Ich wartete somit auf ihn, bis auch er mit dem Training fertig war und folgte ihm dann in sein Appartement. Er hauste nicht gerade in den schönsten Räumen aber die heruntergekommenen Zustände der Einrichtungen wie auch des Gebäudes selbst störten mich nicht weiter. „Was arbeitest du eigentlich so?“ „Hm…ich halte mich gerade so über Wasser, beschaffe mir immer wieder kleine Jobs die mir das nötige Geld zum überleben liefern.“ Roy führte mich in seine schmähliche Zweizimmerwohnung. „Und unter diesen Umständen bekommst du das Geld für die Karateschule zusammen?“ Ich schaute mich um, wobei es nicht viel zu sehen gab. Es war das vorhanden, was man in jedem normalen Haushalt vorfand. „Ach das…Da sind wir in einer ähnlichen Situation. Wir leben beide von Spenden aber ich muss mein Können unter Beweis stellen, dass ich weiter ins Dôjo gehen darf.“ Ach deshalb war er auf die Zweikämpfe mit Hiro aus. Langsam fügten sich die vielen bedeutungslosen Puzzleteile zu einem großen Bild zusammen. „Nimm doch schon einmal platz. Tut mir leid aber ich bin nicht sonderlich auf Besuche vorbereitet aber auf dem Bett ist es ziemlich gemütlich. Willst du Wasser, Bier, Tee oder sonst etwas? Muss ‚mal sehen, was es überhaupt noch hat…“ Ich setzte mich auf das Bett, dass mehr eine hochgestellte Matratze war. „Gegen ein Fläschchen Bier hätte ich natürlich nichts einzuwenden.“, gab ich ihm zur Antwort. Nach einem kleinen Augenblick, kam er auch schon und reichte mir meine Flasche, stieß gleich seine dran. „Kampai…“, murmelte er. Es herrschte schließlich nicht die Stimmung einer Fete oder etwas ähnlichem, das einen feierlichen Ton forderte. Erst tranken wir beide einen Schluck. Ich wollte nicht unbedingt mit dem Thema beginnen, dass überließ ich schön meinem Gesprächspartner und dieser ließ auch nicht lange auf sich warten. „Ich kann es jetzt noch nicht fassen…du und Hiro….Seit wann geht das denn schon?“ „Das kann ich selber nicht genau sagen. Es ist nun einfach so, wie es ist…“ Roy zündete eine Zigarette an und begann zu rauchen. Es schien mir, als würde er sich jetzt das erste Mal bewusst mit dieser Tatsache auseinandersetzten, da er einige Züge nahm, bis er wieder Worte an mich richtete. „Na ja, dass er eine Schwäche für dich hat, kann ich noch halbwegs verstehen. Für einen Jungen bist du ja nun wirklich nicht übel.“, er streifte mit seinem Blick über mein Antlitz und mir wurde etwas unwohl, „Aber meinst du nicht, dass er vielleicht nur ein bisschen mit dir spielt? Ich kenne ihn und seine Macken in diesem Bereich nun schon genug lange. Bei jeder Person, in der er eine Herausforderung oder Unterhaltung herauslesen kann, wird er schwach und versucht sie ins Bett zu bekommen. Es würde mich nicht wundern, wenn er mit dir dasselbe Spielchen machen würde. Du solltest dich jedenfalls vor ihm in Acht nehmen. Dieser Mann kann einem erst in den siebten Himmel bringen und gleich darauf in die Hölle stoßen.“ Erst war ich über diese Worte geschockt und fühlte mich auch wieder verunsichert und hintergangen, aber dann sah ich diesen gefühlsvollen Blick von Hiro vor mir, der niemals gespielt oder aufgesetzt war. Ich schüttelte leicht den Kopf: „Nein…nein, ich denke nicht, dass er das mit mir tut. Dafür war er von Beginn an zu ehrlich zu mir und ich denke ich hatte von Anfang an…nun…den ‚richtigen’ Hiro vor mir, der sich nicht hinter einer Maske zu verstecken brauchte. Was mich viel mehr beschäftigt, ob ich ihm nicht eine Last bin…ich meine, er lag meinetwegen im Krankenhaus, meinetwegen haben sich tausende Menschen Sorgen um ihn gemacht und wegen mir hat er nun für einige Wochen ein Handicap und kann seine Gewohnheiten nicht mehr wie üblich ausführen. Aber er, er tut so viel für mich. Er kann mich nur schon mit seinem Dasein glücklich machen aber ich…ich habe immer mehr das Gefühl, dass nur ich die Früchte ernte und ich ihm nichts gebe, was auch ihn glücklich macht. Ich will doch nicht der einzige von uns beiden sein, der etwas profitiert und Sinn hinter der Beziehung sieht. Manchmal scheint es mir, er würde das nur aus Mitleid machen…“ Ich nahm die Flasche und nippte etwas dran. Ich musste ziemlich besorgt und hoffnungslos ausgesehen haben, dass Roy nun seufzte und seine Zigarette ausdrückte. „Es hat dich wirklich schwer erwischt, hm? Ich möchte nur nicht, dass du eine Enttäuschung erlebst. Dafür wärst du viel zu schade.“, Roy bewegte sich etwas. Er war wohl nicht so ein geduldiger Mensch. Dennoch hörte er mir zu. Das war wirklich sehr lieb von ihm. Er musterte mich wieder mit einem scharfen Blick, hob dann seine Flasche an. „Darauf, dass dir kein Unglück widerfährt.“ „Darauf, dass ich es nie bereuen werde…“, erwiderte ich und nahm einen großen Schluck. Anschließend erzählte ich ihm noch ein bisschen davon, wie das mit uns überhaupt zustand gekommen ist. Als ich aber langsam die Müdigkeit bemerkte, wollte ich mich allmählich verabschieden. Aus Höflichkeit trank ich noch aus. Ich war wirklich schrecklich müde und wollte nur noch ins Bett. An der Tür angekommen, wurde es mir auch noch komisch und es drehte sich alles. Ich stütze mich am Türrahmen ab in der Hoffnung, dass ich mich erholen würde. Aber es verschlimmerte sich nur noch. „Kira…? Geht’s dir nicht gut?“ Roy tauchte hinter mir auf und schaute mich besorgt an. „Mir ist schwindlig. Aber das geht schon bald vorbei.“ Roy stützte mich und brachte mich ohne zu zögern zum Bett. „Soll ich dir Wasser geben oder Tee…sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann.“ Ich konnte nur angeschlagen den Kopf schütteln. „Ich brauch nichts…aber ich verstehe nicht, was mit mir los ist… ich fühl mich so eigenartig…mir wird heiß.“, Ich strich mir über die Stirn um die Temperatur zu prüfen, aber ich konnte nicht mal mehr richtig wahrnehmen, ob es da kalt oder warm war. Um mich herum wurde immer mehr unscharf, dann sah ich nur noch ein furchteinflößendes Grinsen und es wurde schwarz um mich herum. Als ich wieder ‚aufwachte’, hatte sich Hiro über mich gebeugt und liebkoste mich. Die Tür ging auf und Hinata schaute durch den Spalt. „Oh…lasst euch nicht stören...schließt das nächste Mal aber ab, ja? Sonst platz ich noch in einem ungünstigeren Zeitpunkt herein. Gerne sehe ich das schließlich nicht…aber es ist okay“ Sie lächelte etwas traurig, verschwand dann aber wieder. „Werden wir…“ Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Das musste doch definitiv ein Traum sein….aber wenn ich Hiro berührte, fühlte ich ihn. „Hiro….bitte, kneif mich einmal!“ Und er kniff mich und ich spürte es. Ich setzte mich auf und alles war so real! „Ich träume doch…“ Aber Hiro drückte mich wieder zurück. „Nein, tust du nicht. Roy hat dich hier hergebracht, mir eine Standpauke gehalten und Hinata und Megami total ignoriert. Tja, so haben sie es eben erfahren. Ich musste erst ihr Geflenne anhören, ehe sie es akzeptierten, dass es so ist. Aber lange Rede, kurzer Sinn…“ Er stand auf, schloss wie von Hinata gefordert die Tür und kam wieder zu mir zurück. „Wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken, jedenfalls nicht mehr hier in der Familie.“, er gab mir einen Kuss. Aber ich war noch immer recht skeptisch. Da stimmte einfach etwas nicht, das alles war einfach zu schön, um wahr zu sein. Mein Blick fiel auf seinen rechten Arm. „und weshalb hast du keinen Gips mehr? So schnell kannst du doch nicht wieder genest sein.“ „ach Kira, von was träumst du Nachts sonst noch. Er legte sich neben mich hin und kraulte mir das Haar. Aber wenn das so war, dann war das damals im Krankenhaus auch nur ein Traum? „Sag mir…was hast du schon mit mir gemacht?“ „was tust du denn so skeptisch? Jetzt grüble nicht wieder so viel nach sondern genieße unsere Zweisamkeit.“ Es konnte unmöglich die Realität sein aber nun raubte mir Hiro so oder so den Verstand. Er fiel über mich her und ich spürte Empfindungen, die ich noch nie hatte. Egal wie mysteriös es war, es war bezaubernd. Er blieb danach noch bei mir, bis ich eingeschlafen war. Am nächsten Tag wachte ich auf und war noch immer nackt. Ich wollte schon nachschauen, ob Hiro schon aufgewacht war und da musste ich feststellen, dass ich nicht in einem Doppelbett lag, sondern auf dem Bett von Roy. Nun verstand ich überhaupt nichts mehr. Ich setzte mich auf und prüfte nach, ob das, was ich befürchtete, auch Wirklichkeit war. Und ich sah meinen Körper von Spuren der Nacht übersät. Aber dafür war es der falsche Raum. „Hiro…?“, fragte ich unsicher und hielt schützend die Decke an meinen entblößten Körper. Aber wer sich mir zeigte, war Roy. Er war nur mit einer Hose bekleidet. Ich schaute geschockt zu ihm. Vor allem sein total anderer Gesichtsausdruck machte mir Angst. Er schaute mich mit diesem Blick, der von einem Irren stammen könnte, an. „Ach…dann hast du tatsächlich von Hiro geträumt?“, er begann zu kichern, „Wenn du wieder Sehnsucht nach ihm hast, kannst du wieder zu mir kommen.“ „Was…was hast du mit mir getan? Wo sind meine Kleider? Gib sie mir! Ich will weg von hier!“ Und schon landeten meine Klamotten vor seinen Füssen am Boden. „Komm sie dir holen, wenn du so gerne nach Hause willst.“ Jetzt war ich wütend. Ich schnappte mir die Decke und hielt sie weiterhin schützend vor mich hin. Dann stampfte ich zögernd zu ihm, hob die Kleider auf und zog mir vor seinen Augen an. Ich musste gar nicht mehr nachfragen, was er mit mir angestellt hatte, dafür spürte ich die Folgen davon deutlich genug. Er hatte sich an mir vergangen und musste mir irgendetwas eingeflößt haben „Du wirst mich nie mehr mit deinen dreckigen Fingern anfassen!“, zischte ich ihn an, ehe ich verschwand. Ich fühlte mich eigenartig. „Hiro…!“, zu gerne wäre ich jetzt bei ihm gewesen und hätte mich von ihm beruhigen lassen aber das würde wohl nicht gehen. Dann wollte ich wenigstens wieder einen solchen Traum haben… aber nein! Ich durfte nicht so denken! Das war falsch. Ich rannte davon, nach Hause uns sperrte mich im Zimmer ein. Ich stand mehrmals kurz davor Hiro anzurufen. Er hatte mir schließlich einmal diese Nummer gegeben. Aber wenn ich ihn sehen würde, dann würde er auch davon etwas mitbekommen und ich wusste nicht, wie er mit so etwas umging. Ich hatte Angst davor. Ich kam mir schmutzig vor, dass ich von ihm geträumt hatte, während sich jemand anderes an mir vergnügte. Dafür schämte ich mich und ich konnte diese Hemmschwelle einfach nicht nehmen, obwohl ich die ganze Zeit das Kärtchen in der Hand hatte. Der Hiro aus dem Traum…er war dennoch, trotz der Tatsache, dass es nur ein Traum war, so realistisch. Ob er mir einen Tipp geben konnte, wie ich mich dem richtigen Hiro gegenüber verhalten sollte? Ich könnte Roy ja fragen, was er mit mir gemacht hatte… und danach, je nachdem wie gefährlich oder schändlich es war, noch einmal in einen solchen Traum fallen. Auch dieser Gedanke beschäftigte mich. Lange versuchte ich diese Gedanken weg zu schieben, aber irgendeinmal erwischte ich mich wieder vor Roys Haustüre, ich bat ihm um das ‚Geheimnis’ dieses Rausches und er brachte mich wieder in diese Traumwelt, als Gegenleistung gab ich meinen Körper. Ich wusste nicht, dass dieser Typ schwul war und dunkle Geschäfte mit Drogen machte. Dennoch, um endlich glückliche Momente mit Hiro genießen zu können, in einer Welt, in der ich mich nicht zu verstecken brauchte, in einer Welt in denen wir respektiert wurden, nahm ich diese Schande gerne auf mich. Was spielte es schon für eine Rolle, ob ich ein- oder zweimal, wenn nicht sogar dreimal mit diesem Roy im Bett landete? Hinata hatte ich so oder so schon auf ganzer Linie betrogen und belogen und Hiro gegenüber hatte ich keine Pflicht. Ich wusste auch, dass sich daraus eine Sucht entwickelte aber ich war mir sicher, dass es eine Sucht war, die mir nicht weiter Schaden zufügen konnte. Diese Droge, SweetDream genannt, mit der Abkürzung SD hatte keinerlei Nachwirkungen zur Folge. Und das bisschen Sex, was machte das schon aus. Ich kam davon ja nicht einmal richtig etwas mit, zu sehr war ich in dieser Zeit mit den Träumereien und Hiro beschäftigt. Kapitel 14: Entzug ------------------ Aber etwas hatte sich dadurch schon verändert. Ich wagte es gar nicht mehr zu den Kazumotos zu gehen. Ich dachte das, was ich da tat, sei auf mein Gesicht geschrieben, eintätowiert, mit Großbuchstaben, quer übers ganze Gesicht. Aber das war ja nicht weiter schlimm. Schließlich waren nun schon Seit längerem Ferien und ich hatte keinen Grund die Nachhilfe besuchen gehen zu müssen. Aber damit meine Tätigkeiten im Verborgenen geblieben wären, hätte ich das schon anders machen müssen. Mein größter Fehler war es, wie so oft, Hinata zu vernachlässigen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Hinata eines Abends zu Hiro gegangen war, in Sorge um mich. „Du, Papa…hast du eigentlich in letzter Zeit etwas von Kira gehört? Er hat sich bei mir seit deinem Umfall nicht mehr gemeldet. Er wird doch wohl nicht etwa ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle haben, deswegen...oder?“ „Ach, sicher nicht. Er ist bestimmt nur kurzfristig in die Ferien und hat dir nicht Bescheid sagen können oder es ist sonst was dazwischen gekommen.“ Hiro hatte viel mehr den Verdacht, dass sich Kira wegen der Nacht im Krankenhaus nicht meldete. „..Kann schon sein…aber…schon ganze drei Wochen habe ich jetzt nichts mehr von ihm gehört, nicht das Kleinste…Ich mach mir wirklich Sorgen um ihn.“, kurz schrak sie zusammen, „er wird sich doch wohl nicht etwas getan haben…vielleicht ist ihm auch etwas zugestoßen…!“, Entsetzt von all diesen Gedanken, die nun in ihr wach wurden, schaute sie Hiro verzweifelt an. Dieser lächelte nur und strich ihr über den Kopf. „Geh du jetzt schlafen, ich kümmere mich darum.“ Man sah es Hinata zwar an, dass sie jetzt nicht einschlafen konnte, dafür war sie zu aufgewühlt. Aber sie nickte und ging in ihr Zimmer. Hiro rief sofort bei Kira zu Hause an. Yura nahm das Telefon entgegen. „Otawa Yura.“ „Hallo, ich bin’s, Hiro. Ich rufe nur wegen Kira an. Er erscheint nicht zur Nachhilfe und ich sehe ihn kaum noch. Weißt du, wo er ist?“ „Ach, Hiro…ich wüsste nicht, was dich das angeht. Außerdem nimmt man in den Ferien doch keine Nachhilfe aber um dich zu beruhigen, wo sich Hinata immer mit ihm herumtreibt, er ist gerade mit ihr unterwegs und sie machen sie ein paar schöne Tage.“ Mit Hinata unterwegs? Die war doch eben voller Sorgen in ihrem Zimmer verschwunden. Da musste etwas nicht stimmen! „Yura…“, begann er nun mit einem ernsten Ton, „wenn er das nächste Mal nach Hause kommt, sag mir bitte sofort bescheid. Es ist wirklich wichtig, ja?“ Eine Weile hörte man nichts mehr von Yura, dann seufzte sie und willigte ein. „Hmm…vielleicht sollte ich meine Vorurteile gegenüber dir endlich unter Wasser setzten…ich glaube du hast dich inzwischen wirklich verändert. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend“, verabschiedete sie sich und legte sogleich den Hörer auf. Hiro war nun genau so aufgewühlt wie Hinata. Diese kam auch gleich wieder herunter und fragte nach, was denn sei. „Wie vermutet….er ist in den Ferien.“, belog er seine Tochter. Er wollte jetzt einfach nicht unnötige Besorgnis verbreiten, da noch gar nicht klar war, was überhaupt mit Kira los war. Und wenn es etwas mit dieser Nacht auf sich hatte, dann durften die anderen erst recht nichts davon erfahren. Es vergingen einige Tage und dann kam der Anruf. Hiro ließ alles stehen und liegen um Kira noch zu erwischen. Yura verstand nicht, weshalb Hiro deswegen so aufgebracht wäre, als müsste er jemandem vom Selbstmord abhalten, aber sie gewährte ihm den Eintritt. Auf Hiros bitte hin, ja nicht ins Zimmer zu kommen, setzte sie sich verdutzt hin. Ich hatte mich diesmal etwas länger bei Roy aufgehalten. Mit dem konnte man sich noch ziemlich gut unterhalten, fiel mir mit der Zeit auf. Durch die plötzlichen Schritte, die ich von der Treppe vernahm, zuckte ich zusammen. Das war nicht meine Mutter, das musste jemand anderes sein…bloß wer? Viele Personen blieben mir ja nicht in der Auswahl. Wessen Schritte hörten sich schon so an und wer brachte es immer hin, in einem unerwarteten Moment aufzutauchen? Die Antwort darauf erledigte sich gleich von Selbst. Hiro riss die Tür auf und stand mit gegenüber. Die Drogen hatten mich verändert, sie ließen mich kühler und gelassener auf das Leben und die Ereignisse vor mir blicken. Mit einem fast schon leeren Blick schaute ich Hiro an, musste dann ironisch und leise lachen. Was suchte dieser Mann noch hier? Er musste doch nicht zu mir kommen, wenn ich ihn sehen wollte, dann konnte ich das auch…ich brauchte nur zu Roy zu gehen… Hiro ließ mich gar nicht weiterdenken. Er packte meinen Arm und schob den einen Ärmel zurück. Ziemlich kühl und gelassen sah er auf die Spuren von Einstichen. Ich lachte immer noch etwas. Wollte er wieder den Held in der Not spielen? Wie lustig. Ich brauchte diesen Mann nicht mehr, ich hatte es geschafft von ihm loszukommen, ich liebte jetzt einen anderen, den Hiro, denn ich immer mehr treffen konnte, wenn mir danach war. „Sag nur…du hast dir Sorgen um mich gemacht?“ Ich lächelte, ja es musste ziemlich krank gewirkt haben. „Deine Mutter muss blind gewesen sein!“ Er packte mich, legte mich auf die Schulter und trug mich die Treppe herunter. Ich wehrte mich wild. „Lass mich los! Was fällt dir ein, mich so anzufassen?!! Lass mich runter!“, fluchte ich und hämmerte immer wieder wild gegen den Rücken des anderen. Aber der machte kein Anzeichen, mich runter zu lassen. Irgendwann gab ich’s dann auch auf und schaute nur geschlagen zu meiner Mutter. Die stand natürlich auf und wollte wissen, was das alles soll. „Ich entführe ihn für die nächsten Wochen. Werde so bald wie möglich vorbei kommen und dir alles erklären. Aber zur Vorinformation. Der Junge ist krank, ist wohl in Berührung mit Drogen gekommen. Ich bring ihn jetzt unter Zwangsentzug. Es liegt also in deinem Interesse, mich nicht an meinem Handeln zu hindern.“ Und schon stand er mit mir draußen im Dunkeln der eintretenden Nacht und warf mich in sein Auto herein. Das alles machte er noch ohne Problem, auch mit gebrochenem Arm. Wir fuhren dann eine ganze Weile, schweigend nebeneinander sitzend bis in die Tiefe eines Waldes. Vor einer kleinen Waldhütte hielt Hiro und öffnete mir die Tür. „Raus mit dir!“ Ich stieg aus, was blieb mir auch Großes übrig. Jetzt hatte ich keinen blassen Schimmer mehr, wo ich mich gerade aufhielt. Ich stand also aus dem Wagen und wartete nur noch so darauf, dass Hiro die Tür in diese Bruchbude öffnete und ich die Erlaubnis bekam, da rein zu gehen. Ich mochte jetzt nicht rum stehen. Ich wollt schlafen. Hiro öffnete mir dann auch die Tür, kam selbst mit rein. Von innen sah es gemütlicher aus, als erst angenommen, aber man merkte, dass hier schon lange niemand mehr war, so verstaubt und verschmutzt wie alles war. Hiro machte erst einen kleinen Kontrollgang, kam dann wieder zu mir zurück. Ich hatte mich bereits im Eingangsbereich, also in der Küche niedergelassen und lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch. Er staubte erst einmal die Oberfläche des gegenüberliegenden Stuhles ab, ehe er sich darauf setzte und mich ins Visier nahm. Sein bis dahin noch strenger Blick, lockerte sich nun. Er seufzte, legte seine Hand auf meine und etwas Besorgnis machte sich in seinem Gesicht breit. „Was machst du nur für Dummheiten, Mensch, Kira.“ Ich schaute ihn benommen und mit Fragezeichen an. Irgendwie schien sich mein Verstand erst jetzt so langsam zu klären. „Weshalb hast du damit angefangen, sag mir den Grund, bitte!“ Aber ich schüttelte nur meinen Kopf. Wenn er das hört, dann…dann…! Nein, er dürfte es nicht erfahren. Seine Hand, die auf meiner Ruhte, packte mehr zu. „Schau mich an, wenn ich mit dir Rede!“ Vorsichtig, für einen kurzen Augenblick schaute ich hoch, senkte meinen Blick aber sogleich wieder. Weshalb ausgerechnet jetzt musste ich Reue spüren? Meine Hand zitterte. Gedemütigt hielt ich meinen Kopf gesenkt. Daraufhin stand Hiro auf, ging in einen Raum und ich hörte, wie er da einige Sachen machte. Nach einer Weile kam er zu mir und bat mich ins Zimmer. Es war das Schlafzimmer. „Leg dich erst einmal hin. Morgen reden wir, wenn es dir wieder besser geht.“ Ich nickte nur und verschwand unter der Decke. Irgendwie konnte ich nicht einschlafen. Lange lauschte ich dem Werken von Hiro, der bereits damit begonnen hatte, das Notwendige für das Leben in dieser kleinen Hütte startklar zu machen. Am nächsten Morgen wartete er auch schon mit Frühstück auf mich. Durch den Schlaf hatte ich mich erholt, zu gut erholt, nach meinem erachten, denn mich biss das schlechte Gewissen. „Guten Morgen.“, begrüßte er mich und rückte mir einladend den Stuhl zurecht. Ich setzte mich noch halb schlafend darauf. Als gäbe es noch etwas zu verbergen, hielt ich meine Linke Armbeuge. „Was magst du essen?“ Ich starrte weiter vor mich hin, ohne eine Antwort zu geben. Hiro konnte mich nur wieder mit einem Seufzen betrachten. Schließlich zog er meinen Stuhl in seine Nähe, packte mich und kein Moment verging, da lag ich auch schon in seinen Armen, mit den Wangen fest an seine Brust gedrückt. Er strich mir durchs Haar und ich musste dadurch einfach, wie aus dem nichts anfangen zu weinen. Als würde er mir weglaufen, wenn er etwas erfährt, klammerte ich mich an ihn und heulte einfach drauf los. Es vergingen wohl einige Tage, die ich weiterhin schweigsam verbrachte. Hiro gab mir einige Aufgaben, die ich erledigen konnte. Die meisten betrafen das Saubermachen der Hütte. Ich führte diese auch ohne Widerstand aus. Aber eines Abends, da fühlte ich, wie mir ganz kalt wurde, wie mein Körper zitterte. Wieder kugelten die Tränen unkontrolliert über mein Gesicht und ich hielt die Decke ganz fest an mich gedrückt. Nie hätte ich gedacht, dass ich süchtig danach werden könnte, jedenfalls nicht so heftig. Ich wollte wieder einen solchen Traum haben, ich wollte wieder unter Hiro weg schmelzen, in seine Arme genommen werden, von ihm geliebt werden. Aber wie so oft in solchen Momenten, er war nicht da und ich hatte nicht einmal die Möglichkeit wieder dieses wahre Wundermittel zu mir zu nehmen. So schlich ich zur Tür und ging nach draußen. Ich blickt mich um, sah nur einen Waldweg. Ich wusste nicht einmal mehr, in welche Richtung ich gehen müsste, damit ich irgendwann einmal wieder zu Hause ankommen würde. So setzte ich mich an den Wegrand, in der Hoffnung, dass in dieser verlassenen Umgebung irgendwann einmal ein Auto vorbeikommen würde, dass mich zurück fahren könnte. Zum Glück war es Sommer. Sonst hätte ich nicht bemerkt, wie ich langsam erfror, denn mein Körper strahlte schon so viel Kälte aus, dass ich nichts mehr um mich herum wahrnahm. Irgendeinmal überkam mich dann auch die nagende Müdigkeit aber einschlafen konnte ich Trotzdem nicht. Die ganze Nacht hindurch verharrte ich so, von meinem Körper spürte ich nichts mehr. Nur meine Augen blieben geöffnet und nahmen unscharf das wahr, was sich in meinem Blickfeld abspielte. Als alles um mich herum schon von der Sonne erhellt worden war, trat ein Mann vor mich. Kraftlos schaute ich hoch. War ja klar, dass das Hiro war. Als hätte sich der Sinn dieser stundenlangen Warterei nun ergeben, kippte ich nach hinten, um mich herum wurde wieder alles so schwarz wie eine Winternacht bei Neumond. Irgendwann wachte ich dann auf und dachte im ersten Moment, dass ich bereits wieder alleine war. Meist schaute Hiro ja nur am Morgen vorbei und überließ mich die restliche Zeit mir selbst. Aber diesmal war es anders. Er saß neben mir auf einem Stuhl und beobachtete mich mit diesem durchdringenden Blick. „Willst du mir nicht langsam erzählen, was war? Oder vor was hast du Angst?“ Wieder schüttelte ich meinen Kopf. Ich wollte sagen, dass es mir Leid tut, dass mir Roy was ins Getränk gemischt hat, dass ich von ihm geträumt hatte…ich hätte es ihm echt gerne erzählt, alleine damit ich diese Last, diesen Druck, in mir los werden würde aber ich konnte es nicht sagen, ich konnte nur denken, was ich gerne sagen würde. Gerne hätte ich ihn darum gebeten, mich in den Arm zu schließen, aber es ging einfach nicht! Es ging verdammt nochmal nicht! „Hast du Angst davor, dass ich dir böse sein könnte, dass ich dich deswegen von mir weisen würde?“ Wieder konnte ich nichts sagen. „Kira…ich werde nur böse und wütend, wenn du nicht endlich sagst, was geschehen ist. Ich wollte es ihm ja erzählen. Ich wollte wirklich endlich mit jemandem darüber reden, aber ich konnte nicht. Mein Mund war wie zugeschnürt. Wieder musste ich anfangen zu weinen. Geduldig, wie ich es gar nicht von ihm kannte, strich er mir besänftigend über den Kopf und wartete ab, dass ich mich wieder beruhigt hab. Dann krallte ich mich an seinem Hemd fest. „..Nach Hause…“, murmelte ich. Ich wollte nach Hause. Ich wollte nicht so leiden. Hiro drückte mich nur wieder ins Bett zurück. „Schweig dich meinetwegen aus, bis du hier vergammelt bist, aber ehe ich es nicht für richtig empfinde, halt ich die hier eingesperrt, meinetwegen auch die ganzen nächsten Schuljahre. Er stand schon auf und stand in der Tür. Ich bewegte mich etwas, wollt meine Hand nach ihm ausstrecken, ihn danach bitten, doch hier zu bleiben aber wieder versagte ich. Ich schluckte, fuhr über meinen Mund, als müsste ich mich vergewissern, ob der überhaupt noch vorhanden war. Hiro war gegangen. Viele Zeit verbrachten wir so. Dass ich Tag zu Tag mehr unter dem regelrechten Entzug stand, bemerkte man schon. Es fiel mir immer schwerer, irgendetwas normal zu tun. Ich musste mir auch eingestehen, dass ich Hiro von Mal zu Mal eine größere Last wurde und ich wusste auch, dass mein Schweigen die Sache nur unterstützte. Irgendeinmal nahm ich allen meinen Mut zusammen und riskierte es. Ich erzählte ihm, was war, was ich mir dabei gedacht habe und was ich davon halte. Erst war es schwer für mich den Mund aufzutun, aber durch das aufmerksame und ernste Zuhören von Hiro, ging es dann doch irgendwie. Eine Rückmeldung bekam ich von ihm nicht. Ich weiß nur, dass er am selben Abend noch einmal weggefahren war. Wahrscheinlich um die Wut, die ich in ihm geweckt hatte, an Roy auszutoben. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er noch am selben Tag wieder zurückkommen würde aber er tat es. Er hatte von Roy vermutlich erfahren, was es mit der Droge auf sich hatte. „Mensch Kira, wenn das der einzige Grund war, dass du damit angefangen hast…du hättest doch zu mir kommen können, ich hätte dir behilflich sein können. Sag mir gefälligst bescheid, wenn du etwas von mir haben willst.“ Ich betrachtete ihn leicht verunsichert. Hiro wusste nun also wirklich alles. Wieder schluckte ich und schon wieder drohte meine Stimme zu versagen. „Kira, wenn du dich nach Wärme sehnst, dann sag mir das einfach. Hab Vertrauen in mich.“ Seine Stimme, sie brannte sich in meinen Kopf und es war wie damals im Krankenhaus, ich konnte mich nicht mehr zügeln, ich konnte mich nicht mehr zurück halten und fiel ihm um den Hals. Ganz fest drückte ich mich an ihn und es ging nicht lange, da tat er es mir gleich und erwiderte die Umarmung. „Willst du, dass ich mit dir schlafe?“, fragte er, mit dem Mund direkt an meinem Ohr. Ich konnte nicht richtig Antwort geben sondern nickte nur schüchtern. Danach küsste er mich und ich erlebte das richtige zweite Mal mit ihm. Es war wunderschön. Auch wenn er noch immer wegen dem Armbruch eingeschränkt war. Danach lagen wir zu Zweit auf dem Bett, das eigentlich für eine Person gedacht war. Ich ließ ihn mit meiner Körpersprache spüren, wie wichtig er mir war, und wie sehr mir das gefiel, was er da mit mir tat. Irgendeinmal hielt ich es vor Neugierde nicht mehr aus und fragte nach: „Du, sag mal, Hiro…wo warst du vorhin?“ „Ach…ich hab dem ehrenwerten Verursacher von dem Ganzen hier nur einen kleinen Besuch abgestattet und ihm mächtig eine übergebraten.“ „An Roy? Mit nur …einem Arm?“, erneut verdutzt musterte ich Hiro. Der war echt für Überraschungen zu haben „Jepp. War kein Problem. Der Gute wusste schließlich auch nicht, zu was ich tauge, wenn ich einmal ernst mache. Der wird sich wohl in den nächsten Wochen auch nicht mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen.“ Hiro drehte sich auf den Rücken, drohte dadurch fast vom Bett zu fallen, „aber genug jetzt. Du solltest besser schlafen. Es ist Zeit dass du dich wieder erholen kannst. Jetzt musst du nämlich endlich lernen, dass dieser Drogenmist keine Lösung ist. Wenn du es nötig hast, bevor du zu Roy in die Kiste springst… ruf mich an und ich besorge es dir.“ Er grinste wieder einmal typisch unverschämt. Und genau daran hielt ich mich ab sofort auch. Ich sagte Hiro nun alles ganz direkt, meine Verlangen, meine Gelüster, meine Sorgen, meine Gedanken, alles sagte ich ihm und mein Vertrauen zu ihm wuchs und stabilisierte sich. Er wendete so viel Zeit für mich auf, dass er selbst die Firma und seine Familie total vernachlässigte. Dadurch kamen uns Teru und Hinata auch ziemlich schnell auf die Schliche. Aber wir sagten ihnen nichts alles. Roy hielten wir aus der Geschichte heraus. Aber das mit den Drogen hielten wir nicht weiter geheim. So war es nun unter den vertrauten Personen bekannt, dass ich in einen Drogensumpf gefallen war und ich mich auf Entzug befand. Teru übernahm auf Hiros bitte hin einen großen Teil der Geschäftsführung. Wann auch immer ich mich nach Hiros Wärme verzerrte, war er nun da für mich, so verlor ich doch langsam den Sinn in den Drogen, bis ich sogar wieder nach Hause durfte. Irgendeinmal klingelte es an meiner Haustür und Hinata stand da, mit einem verheulten Gesicht. In ihren Augen widerspiegelte sich Misstrauen und Angst. Ihre Körperhaltung zeigte, dass sie momentan niemanden an sich heranlassen wollte. Ihre Kleider waren verschmutzt und zerrissen. Sie sagte mir nicht einmal hallo, sondern fragte verzweifelt: „Das stimmt doch nicht! Sag mir, dass das nicht stimmt. Du hast nichts mit meinem Vater…oder?!! Das ist nicht wahr!“, von neuem weinte sie los. Ich schaute sie erschrocken an. Ich durfte jetzt nichts Falsches sagen. „Was….was redest du denn für einen Unsinn? Wie kommst du denn auf so eine absurde Idee? Ich habe doch nur Augen für dich…außerdem, ich bin doch nicht schwul…wieso fragst du so was überhaupt?“ Sie schaute mich mit ihren rot unterlaufenen Augen an, versuchte sich wieder etwas zu beruhigen. „Wirklich…? Da ist nichts…?“, hoffnungsvoll sah sie zu mir hoch, entspannte etwas ihre Körperhaltung. Ich nickte nur. „Da ist wirklich…nichts. Er ist nur wie ein Vater für mich, aber mehr….“, bestätigend schüttelte ich den Kopf, strich über ihre Wangen, strich ihr die Tränen weg, „Aber sag, wie kommst du nur auf so eine Idee?“ Sogleich fiel sie mir um den Hals. „Roy….dieser Typ aus dem Karate…er hat mich...!“ Wieder hörte man ein Schluchzen, das von ihr ausging. Trost und Hilfe suchend klammerte sie sich an mich. Ich drückte sie nur an mich. Starrte voller Entsetzen ins Leere. Was hatte er mit ihr gemacht? Was will dieses Schwein eigentlich sonst noch alles zerstören? „Komm, meine Süße, gehen wir hoch in mein Zimmer.“ Sie folgte mir dann schüchtern, hielt sich mit großem Druck an meiner Hand fest. Oben im Zimmer, ließ ich sie erst einmal Platz nehmen und ich ließ ihr Zeit, strich durch ihr Haar, gab ihr einen Kuss in dieses. Sie sollte Zeit haben, um von sich aus zu erzählen. Nur langsam taute sie dann auf. „Er…er stand einfach plötzlich vor mir…packte mich und zog mich….“, scharf zog Hinata die Luft ein, zitterte unter den erlebten Geschehnissen, „Er…er hat mich angefasst…“, Sie krallte ihre Finger an ihren Brustkorb und die andere Hand presste sie auf ihren Schoss, „…und hat mir gleichzeitig Sachen erzählt…von dir…und Papa.“ Mit einem vor Angst bebenden Körper, lehnte sie sich an mich heran, schlang ihre Hände um mich, „Er hat gesagt, dass du…dass du…es für die Drogen…dass du mit ihm….geschlafen hast.“ Und wieder überkam sie eine Heulattacke. Ich hielt vorläufig einfach meine Klappe und versuchte sie mit Streicheleinheiten zu trösten und zu beruhigen. „Dann…dann hat er noch gesagt, dass…dass ich ein naives Mädchen wäre….und vor blinder Liebe gar…gar nicht sehen würde, wem du alles schöne Augen machst…dass du es angeblich….damals im Wald…ständig…mit meinem Vater gemacht hast.“ Wieder überkamen sie die Tränen. Vor lauter Schluchzer und Geheule, verstand ich sie fast nicht mehr. Aber das, was ich verstehen musste, bekam ich mit. Ich war nun stocksauer. Überführt fühlte ich mich nicht. Hinata würde diesem dahergelaufenen Perversen kein Wort glauben. „Sag mir, hat er dich vergewaltigt?“, die Frage stellte ich zurecht. So wie Hinata aussah und sich verhielt, hätte mich diese Tat von Roy auch nicht weiter überrascht. Hinata schüttelte allerdings nur den Kopf, „Nein…nein…er hat mir nur…betatscht…und…“, weiteres wollte sie nicht erzählen. Es kostete ihr ohnehin schon genug viel Mut und vertrauen das hier so zu sagen. Sie Strich ihre Haare zurück, entblößte dadurch ihren Hals, auf dem ein Knutschfleck sichtbar wurde. Ihre Hände zitterten noch. Der Schock saß noch tief in ihren Knochen. Ich streichelte schließlich über den Fleck, zog sie dann wieder etwas an mich heran. „Du brauchst dich dafür bei mir nicht zu schämen.“ Ich schluckte, „es stimmt…es stimmt, dass ich die Drogen von ihm hatte…“, bei dem, was ich ihr jetzt sagen wollte, zog es mir die Kehle zusammen, „…es stimmt auch, dass ich es mit ihm getan habe…aber ich war nicht bei Bewusstsein, er hatte mir die Drogen heimlich eingeflößt und mich…auf diese Weise genommen. Ich wusste nicht, dass er ein krimineller und zusätzlich auch noch schwul ist….ich wusste das nicht.“ Ich verdeckte mein Gesicht mit der Hand. Jetzt war es raus. „Hiro hatte ihn dann zur Rechenschaft gezogen und ihn verprügelt…Roy schien seine Rache nun durch dich ausgelebt zu haben….er wollte das Vertrauen zwischen uns Dreien zunichte machen…das mit Hiro…das stimmt aber nicht, das ist bei den Haaren herbeigezogen.“ Sie schaute mich überrascht an, dann musste sie lächeln. Es war ein vertrauensvolles Lächeln, das sie mir schenkte. Dadurch, dass ich nun auch mit der Sprache rausgerückt war, nahm ich ihr gleichzeitig etwas die Last von der Schulter. Das wollte ich damit auch bezwecken, auch wenn ich sie nun auf eine sehr schlimme Art belogen hatte. Kaum war Hinata gegangen, zog ich mich an. Wenn dieser Roy etwas von mir wollte, musste er dafür doch nicht noch unschuldige Personen in die Sache reinziehen. Nur zu gut wusste ich noch, wo seine herabgekommene Wohnung zu finden war und stand auch bald schon vor der Tür. Ich klingelte und hörte daraufhin Schritte. Es dauerte ein Weilchen, bis er mir die Tür aufmachte und mich mit seinem tückischen Grinsen hereinbat. Diesmal blieb ich aber hart und wagte es nicht in die Wohnung einzutreten. Dieses Unterfangen barg zu viele Risiken für mich. „Was willst du eigentlich von uns? Ich mache bei deinen kranken Spielchen nicht länger mit! Und lass gefälligst Hinata aus dieser Angelegenheit raus. Das ist eine Sache die alleine dich und mich etwas angeht!“ Er hatte mich wohl noch nie mit diesem entschlossenen Blick gesehen. Man sah ihm noch an, dass er von Hiro einmal in den Schwitzkasten genommen worden ist, das war nicht zu übersehen. Aber er schien aus all dem noch keine Lehre gezogen zu haben. So spürte ich ziemlich bald seine Hand, die sich um meinen Arm krallte und mich in die Wohnung zog, mich regelrecht zu Boden schmetterte. Ein ‚Klick’ verriet mir, dass er die Eingangstür verriegelt hatte. Nun wandte er sich meiner Wenigkeit zu. Ich knirschte mit den Zähnen und knurrte, wie ein gefangenes Raubtier. Er neigte sich nur über mich, setzte sich auf meine Beine, so dass ich mich schon mal mit diesen nicht weiter wehren konnte, und drückte beide meiner Arme fest dem Boden entgegen. Ich war ihm nun wieder wehrlos ausgeliefert und sein Grinsen…ich verleugne es nicht, es jagte mir Angst ein. Dann kam er mir mit seinem Gesicht auch noch so bedrohlich nahe, hauchte mir seinen Alkohol getränktem Atem entgegen. „Was ich will? Verstehst du das noch nicht? Ich will deinen geliebten Hiro ins Unglück stürzen, ihm das nehmen, was ihm lieb ist. Ich will sehen, wie er vor mir am Boden kriecht und mich anfleht Gnade walten zu lassen…“, raunte Roy mir gegen die Lippen, grinste noch bestialischer. Bei diesen Worten zuckte ich zusammen. Der reine Hass umgab diese Person. Er hielt ab sofort meine Hände nur noch mit einer fest, war aber genug stark, dass ich mich nicht befreien konnte. Mit der freien Hand, schnallte er sich seinen Gürtel auf und benutze ihn, um meine Hände still zu legen. Dann zog er sein Shirt aus, wand es und machte es zu einem Stoffknäuel, den er mir gewaltsam in den Mund stopfte und mich so zum Schweigen brachte. Er grinste mich hinterhältig an, schnappte sich meinen Kopf und rammte ihn gegen den Boden. Sogleich verlor ich mein Bewusstsein. Ich wachte erst wieder auf, als ich langsam wieder etwas Leben in mir verspürte. Ich fand mich irgendwo in einer Lagerhalle wieder, total benommen. Mein Körper schmerzte. Wenigstens war er noch durch eine Decke geschützt. Eine Ewigkeit schien ich da zu sitzen, ohne klaren Gedanken, ehe ich langsam wieder zu mir kam. Ich war nackt, eben noch ziemlich geistesabwesend, hatte Schmerzen an meinen Gliedern...ein sehr bekanntes Gefühl. Nach Bestätigung meines Verdachtes suchend, hob ich meinen tauben Arm an, schaute auf die Armbeuge...wie gedacht, da waren neue, frische Einstiche erkennbar. Da ich aber keinen Traum hatte, musste das etwas anderes gewesen sein. Ich schwankte etwas, bis ich mit dem Oberkörper, der bislang noch an der Wand angelehnt war, zur Seite kippte. Weiterhin starrte ich vor mich hin, ins Leere. Noch immer schien es zu wirken. Kaum konnte ich mich auf den Beinen halten, wollte ich mein Handy hervor holen, aber das war weg. So suchte ich nach Geld oder sonst etwas, alles war weg. Das einzige, was ich noch finden konnte, war Hiros Nummer. Mit ihr in der Hand schlenderte ich aus der Halle, umwickelt mit dem Tuch. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Auf diesem Gelände war ich noch nie gewesen. Inzwischen war Herbst. War ich froh, als ich nach langem Gehen in der Kälte endlich an einer Straße ankam. Es schien nicht sonderlich viel Verkehr zu haben, dennoch lehnte ich mich an einen Straßenbeleuchter. Ich konnte mich nur mit Müh und Not auf den Beinen halten. Irgendwann kippte ich dann auch wieder um. Es war verdammt kalt und mein Körper war extrem mitgenommen. Roy schien mir eine ziemlich hohe Dosis verpasst zu haben. Schließlich wachte ich durch ein andauernd wiederholendes Klatschen auf meine Wange auf, ein leichtes Rütteln nahm ich auch war und eine Stimme eines Mannes. „Hey, Junge! Wach auf…komm zu dir!“ Ich schlug die Augen auf und sah ins Gesicht eines älteren Mannes. Sogleich richtete ich mich auf. Es ging mir mal wieder miserabel. „Handy….“, nuschelte ich, „haben sie ein…Telefon?“ Der Mann musterte mich skeptisch. Ich merkte, dass wir irgendwo an einem Straßenrand standen. Schließlich reichte er mir sein Handy. Ich tippte mit meinen zitternden Finger Hiros Nummer ein. Während ich darauf wartete, dass er annahm, fragte ich den Herrn noch, wo wir uns gerade aufhielten. Etwa eine halbe Stunde darauf, übernahm mich Hiro und trug mich in sein Auto. Er steckte dem Herrn noch ein Dankensgeld zu, ehe er sich verabschiedete. Ohne nach meiner Meinung zu fragen, fuhr er mich direkt wieder zur Waldhütte. Die ganze Zeit schlief ich, in der schönen Wärme des Autos. Hiro hatte mich noch mit einer zweiten Decke warm gehalten. Als der Weg dann langsam holpriger wurde, öffnete ich meine Augen. Ich setzte mich etwas auf und sah als erstes durch die Fenster. Sie zeigten mir nichts anderes als einen dichten Wald. „Na, wach, Sorgenkind?“, fragte Hiro und nahm mich per Rückspiegel ins Visier. Ich saß beziehungsweise lag nämlich auf der hinteren Sitzreihe. Die Frage beantwortete ich mit einem Nicken. Dann setzte ich mich ganz auf, mir war immer noch kalt. Aber die Kälte kam aus meinem Innern. Ich befand mich nun direkt hinter Hiro, so streckte ich meine Hand nach vorne, legte sie auf seinen warmen Hals. Mein Oberkörper folgte der Hand und neigte sich nun ebenfalls gegen den Fahrersessel. „Wir sind gleich da. Dann mache ich dir einen warmen Tee.“ Wieder nickte ich nur. Schon wie beim letzten Mal schien es mir einfach die Sprache verschlagen zu haben und sie wollte gar nicht mehr wiederkommen. Das Telefonat hatte ich ja aus reinem Überlebenstrieb hinter mich bringen können, aber nun...ich schwieg. Schätzungsweise zehn Minuten später hielt Hiro vor der bekannten Hütte. Ohne, dass er mich hätte auffordern müssen, stieg ich aus dem Auto heraus, wollte schon herein gehen, als ich bemerkte, dass die Tür abgeschlossen war. So stand ich zur Seite und wartete darauf, dass er die Tür auftat. Schließlich trat er ein und schaute in meine Richtung, wollte dass ich ihm folgte. Aber ich umschloss mir nur mehr mit der Decke, blieb stehen. Ich schaute Hiro erst noch in die Augen, ehe ich dem Blick nicht weiter standhalten konnte und raus Richtung Auto blickte. Meinen Körper lehnte ich an den Eingangsbereich. Hiro beobachtete mich, trat dann vor mich hin und strich mir die Strähnen aus dem Gesicht, strich mir mit der Hand bis an den Hinterkopf und verübte einen einladenden Druck aus, dem ich dann auch dankbar nachgab und mich gegen seinen stark gebauten Oberkörper pressen ließ. Schwer seufzend schloss ich meine Arme um ihn, versteckte nun mein Gesicht an seinem Körper. Er geduldete sich, aber ich merkte bald, dass er das nur aus Liebe zu mir machte und er eigentlich rein wollte. Somit löste ich die tröstende Umarmung, um hinein zu gehen. Noch immer hatte ich nichts an, außer die Decke und hier würde es wohl auch keine Klamotten geben. So begab ich mich gleich aufs Bett und kuschelte mich in die Decken. Ich horchte den Lauten in der kleinen Küche. Ohne Zweifel, er machte gerade Tee. Es war ein komisches Gefühl, das nun in mir inne wohnte. Als hätte ich mehrere Personen zu tiefst enttäuscht. Irgendwie schämte ich mich auch dafür, dass mir das, was heute geschehen war, gar nichts mehr geschadet hatte. So sehr war mein Stolz schon angefressen. Ich legte mich auf den Bauch, hielt den Kopf der Tür zugedreht, dass ich Hiro gleich sehen würde, wenn er kommt. Das tat er bald darauf auch schon, überreichte mir die dampfende Tasse. Ich setzte mich auf und nahm sie in Empfang, blies etwas dagegen, damit ich mir nicht gleich etwas weg brannte, bei der ersehnten Wärme. Hiro setzte sich neben mich, legte seinen Arm um meine Schultern und kraulte mich in den Haaren. „Wieso bist du wieder zu ihm gegangen? Ich habe dir doch gesagt, wenn du es nötig hast, dann sollst du mich anrufen.“ Zum Glück sagte er mir das nicht mit einem verärgerten sondern einem ganz sanften und lieben Ton. Sonst hätte ich mich aus reinem schlechtem Gewissen nicht getraut zu sagen, was war. „….Es war dumm von mir zu glauben, dass ich ihn mit Worten zu anderem Handeln hätte bringen können. Er ist mir einfach zu weit gegangen. Er hat Hinata einfach so mit reingezogen und ihr von uns erzählt…aber ich konnte es ihr zum Glück noch als Unsinn verklickern.“ Vorsichtig schlürfte ich an der Tasse. Der Tee war wirklich noch verdammt heiß. Ich wollte gar nicht sehen, wie überrascht und verärgert Hiro jetzt schaute, also sah ich auf die Flüssigkeit in der Tasse, die unter meinen leichten Bewegungen etwas schwankte. Was mich dann doch etwas wunderte, dass so kein Wort von Hiro kam. Ich schaute zu ihm hoch aber er sah nachdenklich und ziemlich ernst auf seine Hände, die er nun wieder zurückgezogen hatte. Was er sich jetzt wohl überlegte? Irgendwie war er mir immer noch gleich fremd, wie anfangs. Ich hatte keinen Schimmer, was in der Gedankenwelt dieses Mannes vor sich ging. „…Wir müssen langsam auf der Hut sein. Wenn das so weitergeht, wird das bald kein Geheimnis mehr sein und das wird Folgen haben – gravierende!“ Hiro stand auf. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. Er war unruhig. So starrte ich wieder auf meine Teetasse. „ich…ich werde sonst versuchen einen Beitrag meinerseits zu leisten, damit niemand dahinter kommt…“ Hiro drehte sich um. „Und was wäre das bitteschön? Teru ist kurz davor handfeste Hinweise zu haben, das wir was miteinander haben, auch wenn ich bei ihm nicht Angst haben müsste, dass er das gegen mich ausspielt…aber bei Hinata…sie wird sich mit deinen Worten alleine nicht zu Frieden geben. Sie wird dich im Auge behalten, bis sich ihr Verdacht bestätigt oder ohne Zweifel niederlegt.“ Das hatte etwas an sich… „Außerdem“, fuhr Hiro fort, „…wir wissen nicht, zu was Roy sonst noch fähig ist. Er ist ein verdammt guter Schauspieler und spielt mit seinen Opfern, bis es ihm genug ist.“ Noch ernster und nachdenklicher schaute ich in die Tasse. Um einfach so zu tun, als wäre nie etwas geschehen, war es jetzt wohl ohnehin schon zu spät. „…ich werde ganz einfach ihre Verlobung annehmen…“ Unsicher, ob das eine gute Idee war, schaute ich nun wieder hoch zu Hiro. Der sah mich mit undefinierbarem Ausdruck an. Ich dachte schon, da käme ein ‚spinnst du jetzt vollkommen?!!’ oder ‚Geht’s noch?!!“. Aber ich sollte Hiro besser kennen. Seine Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Das musst du wissen.“ Er wollte schon gehen, da fasste ich mir ans Herz. Wir hatten es schließlich schon oft genug getan, da war das doch nur normal, dass ich es wieder wollte…vor allem jetzt, in einer solchen Situation. Die Decken, die mich ‚bekleideten’ fielen von meinem Körper und ich umschlang seinen Bauch nun vollkommen nackt von hinten. Ich streckte mich hoch zu seinem Nacken, strich die Haare da weg und küsste diesen. „Du willst gehen…? Mich einfach wieder hier alleine lassen?“ Fest schmiegte ich mich an seinen Körper, „Du weißt doch, wie sehr ich dich brauche…“ Klar wusste er gleich, worauf ich hinaus wollte. Er legte seine Hand auf die meine, welche auf seiner Brust verharrte. Erst glaubte ich, er würde sich doch dazu um entscheiden, zu bleiben, doch dann löste er meine Hand und zu Schluss sich selbst ebenfalls. Er drehte sich nicht noch einmal zu mir um, bis er in der Tür stand. „Ich besorge dir doch nur neue Kleider. Du kannst nicht ewig so rumlaufen….außerdem mute ich deinem Körper nicht noch mehr Strapazen zu.“ Dann war er wieder einmal weg. Aber ich verlor keine unnötige Zeit sondern schmiss mich unter die bescheidene Dusche. Na ja…warmes Wasser hatte es ja, auch wenn es nicht endlos vorhanden war. Aber jetzt verstand ich, was er meinte. Es musste wohl schlimm auf ihn gewirkt haben, überall Flecken…ob es Prellungen oder Knutschflecken waren…das spielte hier jetzt keine Rolle. Es war ihm wohl nicht entgangen, dass mich Roy wieder einmal mit Gewalt genommen hatte. Und die Spuren des Gurtes…wie könnte Hiro so was übersehen haben… Unter der Dusche versuchte ich wenigstens einen kleinen Teil der sichtbaren Zeichen wegzubekommen, aber mehr als meine Haut unnötig zu reizen, lag nicht drin. Ich versuchte mich auf den möglicherweise folgenden Sex mit Hiro vorzubereiten, wollte schon meinen After säubern, als ich merkte, dass dieser fürchterlich brannte. Hiro hatte vor mir erkannt, dass ich dazu jetzt nicht in der Lage war, obwohl er nicht in meinem Körper steckte. Ich schnappte mir ein Tuch, wickelte mich in dieses ein und legte mich hin. Jetzt konnte ich gerade nichts anderes machen, als warten. Ein Weg mit dem Auto dauerte eine gute Stunde…somit musste ich jetzt mindestens noch so lange rum liegen, abwarten und Tee trinken eben. Inzwischen war es wieder spät abends geworden. So langsam hätte Hiro schon wieder hier sein dürfen. Ob er es sich anders überlegt hatte und doch nicht wiederkam? Nein – so ein Mensch war er nicht. Ich schaute in die leere Tasse, stand dann schließlich auf um mir neuen Tee zu machen. Kaum war das Wasser in der Pfanne, hörte ich, wie die Tür aufging. Sofort ließ ich alles stehen und liegen um zu Hiro zu eilen. Ich wollte ihm schon um den Hals fallen, da drückte er mir eine Tüte ins Gesicht. „Geh dich erst einmal anziehen, bevor du dich so an mich ranschmeißt.“ Wie gesagt so getan, wenn auch sichtlich schmollend. Durch das Geräusch, dass das dämpfende Wasser auslöste, zog es Hiro wieder einmal mehr in die Küche. Ich blieb erst mal im Bett, auch als ich schon längst angezogen war. So langsam hatte ich genug davon, ständig von ihm abgewiesen zu werden. Sonst war er nie so, aber heute… Irgendwann stand ich dann auf, lehnte mich gegen den Türrahmen und musterte ihn von hinten. „Sag mal Hiro,….hast du heute schon wieder zu viel mit anderen rum gevögelt, oder wieso zeigst du mir ständig die kalte Schulter?“ „…Das hat damit nichts zu tun. Du musst einfach nicht glauben, dass du ungeschoren davon kommst. Da sorgt man sich wochenlang um dich, nur dass du wieder einen Rückfall bekommst. Außerdem, was verlangst du eigentlich von mir?“, Er drehte sich zu mir um, „Ich bin nur ein gewöhnlicher Mann auf dem Weg in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Es mag sein, dass ich ein notgeiler, sexbesessener Kerl bin, aber auch ich komme so langsam in eine ruhigere Phase.“ Ich versuchte ihn ernsthaft zu mustern, vor allem wegen dem zweiten Teil, konnte mir das Lachen dann aber doch nur schwer unterdrücken. „..und das sagt mir der Nimmersatt?“ Ungläubig schaute ich ihn an, musste mir sichtlich einen Lacher verkneifen, ich entspannte mich dann allerdings wieder, seufzte etwas, „Du kannst es ruhig zugeben, dass du nur Angst davor hast, irgendwelche Narben und Wunden in mir aufzureißen…“ „Red nicht so einen Unsinn. Das eben war mein voller Ernst.“ Immer skeptischer wurde ich, bis ich schließlich auf ihn zuging und mich an der Wahrheit seiner Worte selbst überzeugen wollte. Den Sommer hindurch hatte ich mich wirklich sehr entwickelt, zu einem frechen, unverschämten jungen Mann eben. Und wer war der Schuldige daran? Ich drückte Hiro gegen die Einrichtung und verwickelte ihn sogleich in einen meiner Küsse…aber wirklich. Es kam keine Reaktion. Irgendwann gab ich es dann auf, schaute schmollend zu ihm hoch, drehte mich dann ab, „Maa~an…“, stöhnte ich leicht beleidigt und eingeschnappt. Hiro ließ mich obendrein auch noch einfach ziehen. Sofort verzog ich mich wieder auf mein Bett, blies dort eine Weile Trübsal. Draußen, beim Auto, da tat sich derzeit etwas. Der Wagen wippte etwas auf und ab, bis sich schließlich die Klappe beim Kofferraum öffnete. Zwei türkisfarbene Augen linksten aus dem Spalt heraus, nahmen erst einmal die Umgebung war, ehe die Person den Kofferraum ganz öffnete. Das Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren ließ ein Stück Pappe fallen und schlich an die Hauswand, pirschte sich eng an diese gedrückt zum Fenster, das Licht aufwies. Ganz vorsichtig schaute sie herein und sah nur Hiro, der gerade den Tee fertig machte, dann auch schon verschwand. Sie – Hinata – schlich weiter um das Haus herum, bis zur Wand, durch die sie nun undeutlich Stimmen vernehmen konnte. „hier, dein Tee“ „….“ „jetzt tu nicht so eingeschnappt deswegen. Wir müssen wirklich vorsichtig sein.“ „Ich bin nicht eingeschnappt“ „…ach nein…kein bisschen. Dann trink doch endlich.“ Eine Weile war Ruhe, aber Hinata verharrte weiter an Ort und Stelle. Das war doch mal spannend. Sie mussten also vorsichtig sein…so, so…Klar, es gab ja auch böse Wölfe und Löwen in diesem Wald. Vielleicht sogar Monster. Hinata konnte nur die Augen verdrehen. Sie wollte zwar nicht glauben, was dieser Roy ihr da verzapft hatte, aber irgendwie ließ es ihr doch keine Ruhe. Vielleicht war wirklich etwas daran. Schließlich hatte sie mit mir verdächtig wenig Sex…allgemein trafen wir uns immer weniger. „…wieso bist du heute bloß so’ Sonst bist du doch immer anders.“ „Ich mag jetzt einfach nicht….außerdem habe ich ein ungutes Gefühl“ „…das würde ich an deiner Stelle auch haben.“ Und wieder war eine kleine Ruhepause. „…bitte, nur einmal…nur ein Kuss…“ Hinata wollte ihren Ohren nicht trauen. Hatte sie da eben Kuss gehört??? Dann war da wirklich etwas dran. Sie entschloss sich, für ein und alle Mal Klarheit zu verschaffen. So versuchte sie zu dem schwer zugänglichen Fenster zu kommen, um sich einen eigenen Eindruck zu ermöglichen, was da gerade ablief. Aber dann stand sie auf einen dürren Ast, der laut knackste. Sofort ging sie in Deckung, verharrte und kam sofort ins Schwitzen. Wenn wir sehen würde, dass sie uns nachspioniert…sie wollte gar nicht wissen, was dann geschah. Hiro öffnete sogleich das Fenster, stieg aus diesem heraus. Ein lautes, schmerzhaftes Jaulen verriet ihm sogleich den Täter…oder besser, die Täterin. „…Hinata? Du? Hier?“ Sie hielt noch immer ihre Hand fest, auf die Hiro mit voller Wucht gelandet war. Sie wimmerte unter dem Schmerz etwas. Nun lehnte auch ich mich aus dem Fenster heraus und wollte sehen, was da von statten ging. „Wa...??! Hinata? Was machst du denn hier?!!“, fragte ich sichtlich ertappt nach. „Komm erst einmal herein….Dann sehe ich gleich noch nach, ob du dir nicht noch etwas verstaucht oder gar gebrochen hast. Hiro führte seine Tochter vorsichtig wieder um das Haus herum zum Eingang. Derzeit überlegte ich mir scharf, wie er diese Situation jetzt glaubwürdig retten konnte. Dass sie das mit dem Kuss gehört hatte, das war ja klar…aber ob sie auch gesehen hatte, wie ich mich zu ihm vorgeneigt hatte, um ihn zu küssen? Wie viel hatte sie gesehen…und wie viel gehört? Also wenn wir hier mit einem blauen Auge davon kamen, dann wäre das noch ziemlich gut. Aber schon wurde meine verzweifelte Pläneschmiederei durch das hysterische und erzürnte Geschmetter und Gestampfte von Hinata unterbrochen. „Erzählt mir jetzt ja nichts von …von…irgendwelchen Märchen und Heldengeschichten! Was spielt ihr hier eigentlich? Sagt jetzt bloß nicht, ihr hättet nichts miteinander? Gott….Kira…KIRA??! Wo bist du, verdammt noch mal?!!“ Ui, ui, ui…da war jemand wirklich sauer…und mit einem Märchen würde sich da nichts retten lassen. So kam ich, wie ein begossener Pudel vor sie gedackelt. Dass ich nur ein langes Hemd von Hiro anhatte, machte mir das alles nicht gerade leichter…und dann all die Flecken und Spuren, die noch von Roy übrig waren…Das konnte man nur eindeutig auffassen. „Hallo, Hinata…wie kommt’s, dass du hier bist?“ Dass ich mich bei etwas Unerlaubtem ertappt fühlte, das war mir fast schon auf die Stirn geschrieben. Das machte Hinatas Blick nur noch härter und erbarmungsloser. „.Sag bloß, dass ich mir einen schwulen Freund geangelt habe??!“ Kurz schaute ich zu Hiro. Irgendwie war es auch gut, dass sie mit dem Blick so auf mich fixiert war. So konnte sich Hiro in aller Ruhe etwas ausdenken…ich musste nur schauen, dass ich es ihm nicht vermasselte…na ja…zu verlieren gab es nicht sonderlich viel. Noch gab ich keine Antwort auf ihre Fragen sondern versuchte ihr auszuweichen. „…willst…willst du dich nicht lieber hinsetzen…und etwas trinken…zur Beruhigung?“ Unsicher schaute ich sie an. Aber das verärgerte sie nur noch mehr. Ich hatte sie wirklich noch nie so aufgebracht und wütend erlebt. „Ich will nichts zu trinken! Ich will auch gar nicht erst zur Ruhe kommen! Ich will verdammt nochmal, dass du jetzt gefälligst mit der Wahrheit rausrückst! Und zwar sofort! Sag mir, was ihr zu verbergen habt….wieso ihr euch wohl so unwohl fühlt und ein ungutes Gefühl habt…und wieso du um Gottes Willen MEINEN VATER um einen KUSS anbettelst?!!“ Sie glich mir irgendwie langsam wie ein überkochender Wasserkocher. Aus Angst, sie würde mir gleich den Kopf abreißen, machte ich zwei, drei Schritte rückwärts. „Das….das können wir dir erklären…stimmt’s Hiro?“ Hilflos schaute ich an. Er ging nur auf Hinata zu, legte ihr die Hand auf die Schulter. „Bitte, reg dich nicht so auf. Es handelt sich um ein Missverständnis. Du solltest uns doch genug gut kennen, dass wir so was nicht machen würden.“ Hinata drehte sich um, glaubte nun weder richtig hören, noch richtig sehen zu können. „Aha! Ein Missverständnis….dann erklär mir doch einmal wie es dazu kommen kann, dass Kira dich darum bittet, ihn doch wenigstens ein einziges Mal zu küssen? Auf DIE Erklärung bin ich jetzt doch gespannt!“ Auch mich nahm es wunder, wie Hiro uns jetzt aus der Klemme befreien wollte. „Hinata, du weißt doch, dass Kira Drogen bekommen hat…“ „…von Roy, wie ich es dir gesagt habe….“, ergänzte ich, nun mit eindeutig mehr Beherrschung. „Genau, von Roy. Weißt du, was das für Drogen waren?“ Hinatas Blick wechselte immer wieder die Richtung. Einmal sah sie mich an und dann wieder Hiro. Diese ernste Stimmung, die nun aufkam, schien sie etwas beruhigen zu können zugleich aber hatte sie mit einem unguten Gefühl zu kämpfen. Auf die Frage hin, schüttelte sie dann nur bescheiden den Kopf. „…das sind Drogen, die einem die Umgebung falsch wahrnehmen lassen…und es sind Aufputschmittel für sexuelle Sachen. Kira ist heute noch einmal zu Roy gegangen und wollte alles diplomatisch regeln….als Belohnung hat er eine Überdosis verabreicht bekommen, die bis eben noch etwas gewirkt hatte. Er wollte nur etwas diesen Gefühlen entkommen, indem er sich bei irgendjemandem abreagierte…so bat er mich darum. Ich habe ihm aber klar gesagt, dass das nicht in Ordnung ist. Dann wollte er wie gesagt…einen Kuss von mir, aber das hast du scheinbar mitbekommen.“ Ich nickte nur verlegen und zustimmend zu. Ob sie uns diese Geschichte abkaufte. Zum Teil stimmte sie ja. „….ach…und wieso habt ihr denn so reagiert, als ob ihr gleich beim Flagranti erwischt worden wärt?“ Hinata schenkte uns doch noch nicht ihren vollen Glauben. „Wie würdest du denn reagieren? Jeder würde diese Situation falsch auffassen…die Knutschflecken, die stammen noch von Roy. Dass Kira so leicht bekleidet ist, das ist auch nur, weil ich ihm etwas Provisorisches von mir gegeben habe. Wir wussten schließlich beide nicht, dass wir wieder hier landen werden. Und dass Kira sich so eigenartig benimmt, das ist doch nur verständlich. Er wurde heute vergewaltigt…Herrgott. Also wirf uns bitte nicht solche Sachen vor.“ Das schien zu sitzen. Sie senkte getroffen und fürs erste geschockt den Kopf. „Das…das wusste ich nicht…Da…das tut mir leid…wirklich.“ Ich senkte nun ebenfalls meinen Kopf. Puh! Der Happen war geschluckt. Ich krallte nun meine Hand in mein Hemd, spielte das arme, arme Opfer und schaute geschändet zur Seite. „Ihr…ihr hättet mir das doch sagen können…“ Ich sah es ihr an, wie sie mich schon trösten wollte, wie sie mir ihr Mitleid austeilen wollte…ich hoffte, dass mich Hiro nun auch vor diesem Geschnulze bewahren würde. „Komm, Hinata, ich bring dich nach Hause. Wir können hier nicht zu dritt bleiben. Es hat nur ein Bett.“ Hinata nickte, schaute mich noch einmal an, kam auf mich zu und streifte kurz meine Hand. „…Sag mir bitte bescheid, wenn ich dir helfen kann…bitte…ich will nicht teilnahmslos zuschauen müssen, wie du leidest.“ Schien es mir nur so….oder traute sie mich nun gar nicht mehr anzufassen? Schon hatte sie sich zu Hiro umgedreht, welcher sie auch schon nach Draußen führte, fiel mir noch etwas ein. „Hinata…! Warte….!“, ich sprang den Beiden nach, bis ich ihre Hand erreichte. „Ich…ich wollte dir eigentlich noch etwas sagen….Du hast mich doch einmal gefragt, ob ich dich heiraten würde…und…ich kann dir nur so viel sagen, Ja, ich will. Es soll nicht nur ein versprechen sein, dass ich dich irgendeinmal zu meiner Frau nehmen werde, sondern auch, dass ich dich liebe und niemanden anderes. Egal war Roy erzählt hat, es stimmt nicht. Er ist bloß eifersüchtig auf Hiro, wie auch auf mich.“ Kurz streichelte ich ihr über die Wange, zog ihr Gesicht an mich heran und küsste sie. Hiro wandte sich ab und stand bereits am Auto, schloss den noch immer geöffneten Kofferraum. Er wartete, bis wir fertig waren, fuhr dann Hinata nach Hause. Ich wusste nicht, ob er wiederkommen würde. So wartete ich nicht extra auf ihn, sondern legte mich gleich schlafen, Aber einschlafen konnte ich nicht. Zum einen, weil ich fast schon den ganzen Tag hindurch geschlafen hatte und zum Zweiten, weil es mir einfach keine Ruhe ließ. Wenn es wieder zu einer solchen Situation kam, ob Hiro da wieder einen solchen Einfall bereit hatte um uns aus dem Schlamassel zu holen? Ich lag noch lange wach. Dass ich sogar noch mitbekam, wie der Wagen draußen parkierte zeigte mir, dass es nun wirklich schon spät abends sein musste. Dann hörte ich das Klimpern der Schlüssel. Ich lag noch immer wach. Meine Augen glitzerten im Dunkeln des Raumes. Das mehrfach aneinander folgende Quietschen verriet mir immer, wo er sich gerade aufhielt. Als ich dann merkte, wie seine Schritte immer näher ans Bett kamen, drehte ich mich um, schaute hoch zu ihm. Irgendwie hatte ich Sehnsucht nach ihm. Der Sommer hatte mich süchtig nach ihm gemacht. Ich richtete mich etwas auf, machte ihm zuvor noch Platz auf dem Bett. Er setzte sich allerdings nur hin. „…ich habe es dir doch gesagt, wir müssen vorsichtig sein…außerdem habe ich das Gespür dafür, das etwas nicht stimmt.“, unterbrach er die Stille. Ich setzte mich nun nur ganz auf und umschlang ihn von hinten, schmiegte meinen Kopf an seinen Rücken. „…und was verrät dir dein Gefühl jetzt? Herrscht immer noch eine Gefahr?“ Als gäbe es etwas zu überlegen, schwieg er eine Weile „…es herrscht die Ruhe vor dem Sturm.“, stellte er dann mit ernster Miene fest. „Wir müssen wirklich vorsichtig sein.“ Wieder begann ich ihn zu liebkosen. „Hmm….dass du dich so einer Gefahr ausliefert…zeugt das von Übermut oder darf ich mir Hoffnungen machen, dass du etwas mehr als nur Nächstenliebe zu mir empfindest?“ Ich streckte meinen Kopf nach vorne. „Gibst du mir jetzt das, was uns Hinata vorhin geraubt hat?“ Hiro seufzte, drehte sich zu mir und gab mir einen Kuss, wie immer war er einfach nur göttlich. „Hiro….du weißt, dass das mit der Verlobung nur Klischee ist, oder? Wenn ich mir die Person aussuchen könnte, der ich das Ja-Wort geben würde…du weißt schon, wer das sein würde, oder?“ Ich vernahm nur ein Nicken, ehe er sich wieder meinen Lippen widmete und diese immer und immer wieder küsste, mich schließlich aufs Bett nieder drückte und mich wie so oft in den siebten Himmel brachte. Wobei dieses Mal beschränkte er sich auf die reine Handarbeit, im wahren Sinn des Wortes. So begann eine neue Zeit des Entzuges. So langsam glaubte ich, wenn ich wieder Drogen nehmen würde, dann alleine aus dem Grund, dass ich mit Hiro zusammen sein konnte, aber dem Echten. Das neue Schuljahr hatte schon längst begonnen. Aber ich saß noch immer in der Hütte festgebunden. Hiro ließ mich einfach nicht zur Schule gehen. Dadurch, dass mir Roy das letzte Mal härtere Drogen verabreicht hatte, fielen dieses Mal die Entzugserscheinungen auch verstärk aus. Damit ich aber trotzdem den Anschluss in der Schule nicht verlor, gab mir Hiro täglich Hausaufgaben und Nachhilfe. Teru fiel das auf, dass Hiro immer weniger Zeit für das Geschäft hatte und immer mehr Arbeit an ihm hängen blieb. Irgendwann war es ihm dann einmal genug. Er gab Hiro zwar die Möglichkeit, sich etwas freier zu bewegen, aber irgendwo war dann auch Schluss. Teru wollte es erst einmal mit dem direkten Ansprechen versuchen, aber Hiro blockte sogleich ab. Dass er außerdem schon seit vielen Wochen keinen Sex mehr in Anspruch nahm, weckte noch mehr Verdacht, dass da etwas nicht stimmte. Teru mobilisierte all seine Kontakte um die Ursachen für Hiros eigenartiges Verhalten ausfindig zu machen. Die Hauptgründe waren auch schnell gefunden…zum einen Kira, da gab es nicht viel zu machen und zum anderen Roy. Dem stattete Teru höchst persönlich einen Besuch ab. Roy beging aber einen großen Fehler. Er zeigte vor Teru seinen Hass, den er Hiro gegenüber hatte. Teru machte mit solchen Leuten kurzen Prozess. Er ließ sie verschwinden, so dass sie nie mehr auftauchten. Er machte sie ganz einfach kalt. Kapitel 15: Die ganze Geschichte -------------------------------- Einmal, an einem regnerischen Herbsttag, bekam ich Besuch. Es war nicht gerade üblich, dass jemand bei mir vorbei sah, oder sollte ich besser bei ‚uns’ sagen? Hiro hatte erst vor kurzem seinen Gips entfernen dürfen. Er musste seinen Arm zwar noch immer schonen, aber immerhin war dieses behindernde Ding weg. Zurück zum Besuch. Die Person, die ich hinter Hiro erkennen konnte, war niemand anderes als meine Mutter. Sie hat es wohl doch einmal für nötig befunden, mir einen Besuch abzustatten. Aber irgendwie entging es mir mal wieder nicht, dass zwischen ihr und Hiro extrem dicke Luft herrschte. Dabei hatten sie noch nie ein großartiges Gespräch miteinander. „Hallo Kira.“, sie schritt an Hiro vorbei und nahm mich erst einmal fest in den Arm. Über ihre Schulter hinweg konnte ich Hiro beobachten, wie er die Augen verdrehte und uns beiden den Rücken zuwandte. Kaum war er im nächsten Raum verschwunden, hatte die Tür hinter sich zu gemacht, löste ich sofort die Umarmung. „Sag mal. Was ist eigentlich mit euch Zweien los? Habe ich irgendetwas verpasst? Ihr benehmt euch wie ein Ehepaar, das kurz vor der Scheidung steht.“ Aber anstatt mir eine Antwort auf die Frage zu geben, zog sie mich noch einmal an sich ran und roch an mir. „Du riechst nach ihm…“, stellte sie prompt fest. Ich starrte sie nur etwas verpeilt an. „…Ja und? Er ist auch die einzige Person, mit der ich zurzeit regelmäßig Kontakt habe. Sag mal, bist du irgendwie eifersüchtig auf ihn, dass ich ihm mehr Aufmerksamkeit schenke als dir? Nur weil ich in ihm einen Vaterersatz gefunden habe?“ Mit einem Blick, als hätte ich gerade das Dümmste, das man überhaupt sagen konnte, von mir gegeben habe, genau mit einem solchen schaute sie mich gerade an. Und wieder gab sie keine Antwort auf meine Frage, sondern fasste nur an den Kragen meines Rollkragenpullovers und zog diesen nach unten, was blöderweise einen großen Knutschfleck offenbarte. Ertappt und leicht verlegen knallte ich sogleich meine Hand auf die verruchte Stelle. „…Der ist von Hiro, oder? Du musst gar nicht versuchen, mich anzulügen. Komm, wir gehen nach draußen, einen Spaziergang machen, da kannst du mir schön erzählen, was er schon mit dir gemacht hat.“ Noch nie, wirklich noch nie hatte ich so einen arroganten Ton bei meiner Mutter vernommen. Selbst damals, als sie ständig mit meinem Vater stritt, hörte sie sich nie so….so…emotionslos an. Das verunsicherte mich. Ich schaute sie mit einem verwirrten Blick an, als sie dann aber schon Richtung Eingangstür ging, folgte ich ihr dann doch. Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander her. Ich musste mir überlegen, ob ich mich nicht vielleicht doch noch versuchen sollte, mich herauszureden. Aber ich sah bald, dass das keinen Sinn machte. Dass sie mit ihrem Verdacht richtig lag, habe ich ihr mit meiner nachdenklichen Schweigepause nur bestätigt. „…wie….wie bist du darauf gekommen? Am Geruch alleine wirst du das ja wohl nicht erkannt haben, oder?“ Noch würdigten wir uns keinen Blick. „Weißt du Kira, ich kenne Hiro, ich weiß wie er ist. Jemanden wie er kann sich nicht ändern. Er ist und bleibt ein notgeiler, schwanzgesteuerter Vollbluthengst, der von niemandem die Finger weglassen kann, außer von der eigenen Tochter vielleicht.“ Sie ‚kannte’ Hiro? Von wo….erlaubte sie sich eine solche Aussage? Noch verwirrter schaute ich sie kurz an. Sie hatte noch immer diesen etwas gereizten arroganten, aber sichtlich gefassten Blick. „Hiro ist nicht so! Wieso sagst du so etwas Gemeines? Es stimmt zwar, dass unsere Beziehung etwas vom hinterhältigsten ist, was man nur tun kann. Es ist auch wahr, dass ich wohl nicht seine erste heimliche Affäre bin…aber du übertreibst ja wohl.“ „Ach? Dann hat er dir wohl in eurer ‚vertrauten Beziehung’ wohl doch nicht so alles erzählt. Aber du hast Recht, ich habe eigentlich kein Recht so über ihn zu sprechen…“ Sie legte eine Pause ein, schaute um sich und erblickte eine kleine Feuerstelle. Dort hin ging sie, setzte sich auf einen der platzspendenden Baumstämme. Ich folgte ihr. „Wirklich…ich habe nicht das Recht. Tut mir leid….Eine Mutter, die ihrem Sohn 19 Jahre etwas vorgemacht hat, dürfte so etwas gar nicht erst einmal denken.“ „….Du hast mir etwas vorgemacht?“ Ich verstand immer weniger. Was lief hier eigentlich ab? „…So langsam ist es an der Zeit, dass ich dir meine Beichte ablege. Du bist jetzt schließlich genug alt für solche Themen. Du hast dich schon gewundert, wieso Hiro und ich uns nicht leiden können? Du wusstest ja nicht, dass wir uns schon seit langem kannten. Erinnerst du dich noch an den Grund, weshalb dein Vater und ich uns ständig gestritten hatten?“ Sprachlos schüttelte ich den Kopf. „Es hat ihn rasend gemacht als er erfuhr, wo ich meinen Nebenverdienst einholte. Hat dir Hiro erzählt in welchen Lokalen er gute zehn Jahre lang verkehrte? Ich kannte ihn von da, aus dem lieben Rotlichtmilieu.“ Jetzt hatte es mir endgültig die Sprache verschlagen. Nun war ich nur noch fähig zum zuhören, wenn es gut kam, konnte ich gerade Mal mit dem Kopf nicken oder diesen schütteln. Ironisch lachte meine Mutter auf, „Hiro hatte damals ein Lieblingslokal. Blöder Zufall, dass es dasselbe war, in dem ich arbeitete. Und es gibt noch einen verfluchteren Zufall. Magst du dich noch an die Mutter von Hinata erinnern? Hitomi, sie war meine damalige beste Freundin. Was für Zufälle es doch gibt. Aber der Grund, weshalb ich Hiro nicht ein Stück leiden kann? Er ist ein eiskalter Herzensbrecher. Hitomi war ja nicht einmal die einzige, die damals in ihn verschossen war. Das was sie durchgemacht hatte…so erging es noch einigen der anderen Mädchen ebenfalls. Hiro hat mit ihnen geschlafen, weil sie dies sogar ohne Bezahlung taten. Erst hat er seinem neuen Opfer die Augen verdreht, anschließend ausgesaugt, bis er es satt hatte und dann wie Abfall fallen lassen. Was ich dir sagen will, hör auf mit dem Unsinn! Es lohnt sich nicht. Auch dich wird er früher oder später abschieben und glaub mir, es wird um einiges mehr schmerzen, als wenn du jetzt einen Schlussstrich ziehst. Beende es. Du bist noch jung. Meinetwegen, wenn du dich mehr von Männern angezogen fühlst, ich will dir da keinen Stein in den Weg legen. Ich unterstütze dich, wo ich nur kann, aber glaub mir, er ist es nicht wert.“ Geschockt sah ich sie an. Ungläubig schüttelte ich den Kopf…vielleicht wollte ich das auch nicht wahrhaben. Das war alles so viel…“Das…das stimmt nicht. Er ist nicht so…er hat mir immer geholfen…er war immer für mich da, nie hat er mich im Stich gelassen….nur…nur weil du ihn nicht magst, musst du mir doch nicht so eine Lüge auf den Tisch stellen…!“ Ich hörte mich immer verzweifelter an. Wimmernd schaute ich meine Mutter an. „…wenn du mir das all die Jahre verschwiegen hast, wieso kommst du jetzt plötzlich damit? So wie es in den letzen Wochen war…ich war so glücklich, wieso willst du mir dieses Glück nehmen? Und wenn…wenn es wahr wäre…ich würde es nicht bereuen es bis zuletzt ausgelebt zu haben…selbst wenn er mir auch eine Abfuhr erteilen würde, ich ….ich würde es nicht bereuen….ich….ich liebe ihn! Mehr als alles andere!“ Allmählich schaute mich meine Mutter wieder so an, wie sie es immer tat….mit Fürsorge und Liebe. Etwas traurig lächelte sie. „Das gleiche habe ich vor ein paar Jahren gehört, von Hitomi, als sie zu mir kam und gesagt hat, sie sei schwanger. Sie war glücklich. Am nächsten Tag stand sie wieder vor meiner Tür, mit einem verheulten Gesicht. Wäre sie nicht schwanger gewesen, hätte sie nicht gewusst, dass ein Teil von Hiro nun immer bei ihr wäre, hätte sie sich das Leben genommen. An ihr habe ich irgendwie erkannt, dass man die Personen die man hat und die man wirklich liebt….man sollte sie nicht verletzen, man sollte Sorge um sie tragen.“ Sie strich mir durchs Haar und über die Wange. „Die Entscheidung wirst du für dich treffen. Ich werde daran nichts ändern können. Aber ich würde gerne wenigstens einem geliebten Menschen etwas Glück schenken können. Bitte bring es zu Ende, bevor es noch tragisch endet.“ Hilflos, alleine, traurig, verwirrt und bedrückt…mit extrem gemischten Gefühlen schaute ich meine Mutter nun an. „…Er hat sich doch bestimmt geändert…oder? Er ist nicht mehr so wie damals…er…er hat eine Frau und eine Tochter…“ „die er am laufenden Band betrügt…“, ergänzte mich meine Mutter. „Tut mir leid, wenn ich dir das so sagen muss, aber es hat sich wirklich nichts geändert. Er vergnügt sich mit seiner Frau, ab und zu mit irgendwelchen willigen Leuten aus dem Personal…und jetzt hat er auch noch dich. Für ihn ist es ebenfalls wie eine Droge zu sehen, wie Menschen langsam immer mehr abhängig von ihm werden, wie sie ihm immer mehr verfallen…und dann, wenn es keine Steigerungsmöglichkeit mehr zu geben scheint, wirft er sie weg. Er ergötzt sich daran. Vielleicht fragst du dich, weshalb er das noch nicht mit Megami gemacht hat. Er hat immerhin noch eine Firma hinter sich. Eine Scheidung aus einem so niedrigen und gemeinen Grund würde ihm Schaden.“ Immer mehr schüttelte ich meinen Kopf. Das…das war nicht wahr…aber dann viel mir Roy ein….auch er hatte schon oft etwas in diese Richtung erwähnt. Mir wurde immer kälter. Vielleicht wäre es doch besser….einen Schlussstrich zu ziehen, irgendwann in der nächsten Zeit. Außerdem….das mit Hiro…das hatte gar keine Zukunftsperspektive. Irgendwo musste ich in der Realität bleiben. Ohne, dass ich ein weiteres Wort darüber verlor, kehrten wir zurück. Kapitel 16: The End ------------------- Die wenigen Wochen, die ich noch in der Waldhütte mit Hiro verbrachte, nahmen ihren Lauf wie üblich. Trotz dem Gefühl, dass ich bald einen Schlussstrich ziehen würde, ging meine Liebe, meine Gefühle zu ihm nicht verloren. Sie wurden eher noch viel intensiver. Kaum war der Entzug vorbei, kehrte ich wieder zurück, in den Schulalltag. Dadurch nahm auch die Verbindung zu Hiro etwas ab und ich konnte mich, ohne sein Wissen, langsam von ihm entwöhnen. Dafür unternahm ich immer mehr mit Hinata. Wir besorgten uns die Verlobungsringe um auch dieses Ereignis Symbolisch festzuhalten. Um genauer zu sein, erledigte Hiro die Sache mit dem Ring. Die Nachhilfe besuchte ich weiterhin bei ihm. Dadurch dass ich gute zwei Monate im Unterricht gefehlt hatte, entging mir auch einiges und ich musste so Manches nacharbeiten. Von Tag zu Tag wurde es kälter. Wenn ich alleine war oder gerade in Hiros Arme lag und wir nichts miteinander sprachen, dachte ich oft daran zurück, wie es überhaupt dazu gekommen war, wie alles seinen Lauf nahm. Vielleicht hätte man es verhindern können, vielleicht…aber es war nun mal, so wie es war. Es wurde Winter. Ein Jahr nach dem Tag, als alles Begann, als wir uns das erste Mal geküsst hatten, an diesem Tag sollte es auch wieder enden. Hiro wusste genau wie ich, dass das ein spezieller Tag war. Man könnte sagen, es war unser Einjähriges. Wie vor einem Jahr fiel dieser Tag in die Ferienzeit. Hiro organisierte für Hinata und Megami Konzertkarten einer Sängerin, die beide sehr mochten. Hiro animierte die beiden, ein paar Stunden früher zu gehen, damit sie auch ja gute Plätze bekamen. Kaum waren sie außer Haus, rief er mich an, dass ich kommen könnte. Ich beeilte mich natürlich. Es sollte schließlich der letzte Abend…die letzte Nacht mit ihm werden. Ich hatte mich fest dazu entschlossen, danach ein für alle Mal Schluss zu machen. Damit ich das einhielt, hatte ich sogar meiner Mutter Bescheid gesagt. Während ich mich auf dem Weg zu ihm machte, bereitete er etwas Champagner vor. Mein Herz raste, als ich klingelte. Er ließ mich auch nicht lange in der Kälte draußen warten, sondern holte mich herein. Kaum war die Tür hinter uns geschlossen, konnten wir wieder leben, wie ein glückliches Liebespaar. Es gab erst einen Begrüßungskuss, anschließend ein kleines Gespräch mit einem Gläschen Champagner dazu. Hiro wusste nicht, dass dies noch ein speziellerer Abend werden würde, als er gedacht hatte. So wunderte es ihn vielleicht auch, dass ich nicht lange auf mich warten ließ und schon nach wenigen Schlücken das Glas nieder stellte und mich ans vernaschen seiner Lippen machte. Ich drückte ihn auf die Polstergruppe nieder, küsste ihn fleißig weiter. Ich wollte jeden Moment auskosten, der mir noch blieb. Ich wollte ihn heute so lange und intensiv spüren, dass es für den Rest meines Lebens genügte. Bald hatte ich ihn auch so weit, dass er ebenfalls mitmachte. Ich öffnete sein Hemd und er meins. Wir liebkosten uns gegenseitig, wobei ich immer etwas die Oberhand hielt und ihn verwöhnte. Bei der nächsten Runde könnte er mich dann in den Wahnsinn treiben, wobei ich bereits jetzt mit einem Bein darin stand. Die Kleider fielen, wir küssten uns immer inniger, leidenschaftlicher, intensiver, fester. Um uns entstand eine erhitze Atmosphäre, so dass wir all das, was um uns herum war, gar nicht mehr wahrnahmen. So zum Beispiel verstummte das leise Knarren der Tür, die aufging, die Schritte, die immer näher zu uns kommen, die zwei Personen, die vor Schreck erstarrten bei diesem Anblick – Hinata und Megami standen da, starrten uns zwei an, wussten nicht, was um sie geschah. Es herrschte Ruhe, nur die keuchenden und stöhnenden Geräusche die von uns aus kamen, erfüllten die Luft des Raumes. Irgendwann war das dann doch zu viel für die zwei Frauen. Megami stampfte erzürnt in die Küche und Hinata schrie auf. Es war wie eine verzögerte Reaktion. Ob sie erst jetzt geschrien hatte, weil sie erst jetzt wusste, dass das hier die Wirklichkeit war, dass ihr eigener Freund, ihr Verlobter sich gerade mit ihrem Vater vergnügte und dieser offensichtlich nichts dagegen hatte? Oder weil sie einfach nur wollte, dass wir zwei nicht mehr weitermachten, dass wir endlich bemerkten, dass hier zwei ‚ungebetene Gäste’ im Raum standen? Der Schrei allerdings, kam bei uns an. Erschrocken sahen wir uns erst an und synchron wanderte unser beider Blick zu Hinata, die völlig entgeistert dastand und uns anstarrte. Jetzt gab es keine Ausrede mehr, die uns hätte retten können. Wieso musste das ausgerechnet jetzt geschehen? Nur wenige Stunden hätten noch vergehen müssen und so etwas hätte gar nie geschehen können. Aber bevor jemand von uns Dreien überhaupt ein Wort in den Mund nehmen konnte, vernahmen wir auch schon Schritte aus der Küche. Megami stand da, sie kam auf uns zu, erst mit gesenktem Kopf, dann aber sah sie langsam nach oben und offenbarte uns einen Blick, der töten könnte, wenn das ginge. Sie war stocksauer und was mir am meisten Angst machte, dass ihr Blick eindeutig mich fixierte. Hinata die nun hinter Megami stand, riss ihre Augen auf. „NEIN! Nicht! Bleib stehen! Tu das nicht! Magamiii!!!!“ Noch nie sah ich ein solches Entsetzen in Hinatas Augen. Megami kam uns immer näher und plötzlich ging alles so schnell. Ich hörte noch wie sie mir den Tod wünschte, dann stürzte sie sich auf mich und ich sah, wie Blut in ihr Gesicht spritze, in das Gesicht, welches ich nur zur Hälfte sah, weil sich Hiro vor mich geworfen hatte. Ich wusste nicht, was um mich geschah, ich sah nur, wie nun auch Megamis Blick immer mehr dem reinen Entsetzen glich, wie ich spürte, dass etwas auf mich tropfte und wie Hiro, der sich regelrecht schützend auf mich geworfen hatten, sich nur mit Mühe und Not aufrappeln konnte. In mir saß der reine Schock. Megami hörte ich, wie sie sich erst zögernd, dann immer schneller von mir weg begab, bis sie davon sprang, aus dem Wohnzimmer und aus dem Haus heraus. Von Hinata vernahm ich langsam ein Schluchzen. Aber auch sie rannte dann irgendwann einmal weg. Ich hörte, wie sie das Telefon nahm und ihre weinerliche, verzweifelte Stimme, die um einen Krankenwagen und um Hilfe flehte. Und über mir war der Grund für dieses Geschehen. Hiro hatte sich aufgerichtet. Er hatte sich nach vorne gebeugt und hustete, spuckte Blut. In seinem Rücken steckte noch immer das riesige Küchenmesser. Ich zitterte, rappelte mich schließlich auf. Er sah mit einem schwachen Blick zu mir, ehe er nach vorne Kippte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ihn auffangen. „Hiro….Hiro…!“, meine Stimme war ganz kleinlaut, wurde von den auftretenden Tränen unterdrückt. Ich versuchte sie runterzuschlucken, dadurch wurde es aber nur noch schlimmer. Ich wusste nicht, was ich machen soll. „…Hinata…sie hat bereits Hilfe gerufen…bald…bald ist ein Krankenwagen da…bitte…bitte...halte durch.“ Ich hielt ihn aufrecht und richtete ihn so, dass er mit dem ganzen Gesicht seines Oberkörpers gegen mich lehnte. Dadurch hatte ich zwar die Blutende Wunde mit dem Messer vor mir, das ziemlich tief in ihm steckte, so dass mehr oder weniger nur noch der Griff erkennbar war. Ich hatte Angst um ihn, riesige Angst. Die Tränen liefen nun ungebremst über mein Gesicht, versickerten auf seiner Schulter. Ich merkte auch, wie er sich immer weniger selber halten konnte. Er würde bald bewusstlos…werden…oder noch mehr. Wie es schien mit letzter Kraft, hob er seine Hand an und röchelte etwas undeutlich, weil er immer und immer wieder hustete und Nach Luft schnappte, verstand ich nur ein Wort: „…Ring..“ Ich sah seine Hand an, hielt sie fest „…schau dir den Ring an….“ Dann drückte sein ganzes Gewicht an mich. Sein Atem ging immer flacher. „…Hiro…? Sag doch noch etwas….sag noch irgendwas...meinetwegen, dass ich nur eine billige Nummer für dich war…aber sag was! Hiro! …. “ Ich stützte nun meine Stirn gegen seine Schultern, hielt ihn in meinen Armen und weinte, „….ich liebe dich doch….verdammt….du kannst dich doch nicht auf eine solche Art von mir verabschieden! Das lasse ich nicht zu….Hiro!!!“ Eine Ewigkeit schien zu vergehen. In dieser Zeit wagte sich auch Hinata zu uns. Sie kniete neben uns nieder, sagte kein Wort und berührte nichts, außer den Boden. Wenigstens spürte ich Hiros Herzschlag, dadurch, dass seine Brust an meine gedrückt war. Aber auch dieser schien immer schwächer zu werden. „Wo bleiben die??! Hilfe….er braucht Hilfe! Er darf nicht….er darf nicht …einfach so gehen…ohne mir einmal die Meinung gesagt zu haben!“ Immer mehr wimmerte ich. Wir waren einfach nur hilflos. Und dann…spürte ich es nicht mehr. Sein Herz…es schlug nicht mehr. Ich riss meine Augen auf. Was sollte ich tun? Ich konnte nichts tun! „…er braucht Blut…“, nuschelte Hinata. „…Was hat er für eine Blutgruppe? Sag mir…welche verdammte Blutgruppe hat er?!!“ Hinata zuckte nur mit den Schultern. Sie war zu geschockt um richtig reagieren zu können. „Was sitzt du so rum. Schau nach! Such irgendwo, in seinen Urkunden! Und gib mir das Telefon.“ Sofort stand sie auf, drückte mir zuvor noch das Telefon in die Hand, das sie seit dem Notruf umklammert hatte. Ich suchte in den gespeicherten Nummern nach jener von Teru und fand sie zum Glück. Ich rief ihn an. Währenddessen kamen dann endlich Ärzte. Die waren überhaupt nicht vorgewarnt, mit dem Anblick, denen sich ihnen nun Bot. Hiro und ich waren beide noch nackt…und blutbesudelt….und Hiro hatte ein Messer im Rücken stecken. Sie nahmen ihn mir ab. Auch sie wussten, dass die Blutung nur noch stärker würde, wenn man das Messer herauszog. So legten sie ihn mit dem Bauch auf die Barre und trugen ihn heraus. Ich eilte ihnen nach, mit dem Telefon. Einer fragte erst Hinata nach der Blutgruppe, die immer noch verzweifelt und fast schon hoffnungslos nach den Papieren suchte. Und endlich nahm Teru ab. Ich verlor keine Zeit „Was hat Hiro für eine Blutgruppe, schnell! Fragen kannst du mir später stellen.“ Nicht verwunderlich, dass Teru erst stutzig war und alles realisieren musste, zumal sich meine Stimme ganz schön verzerrt und verheult anhören musste. „ A positiv“ „A positiv“ leitete ich weiter, legte sogleich auf. Ich wollte ihnen schon nacheilen, da hielt mich Hinata fest. Sie schaute mich weinerlich, aufgelöst und völlig durch den Wind an. Schließlich zog sie ihren Mantel aus, den sie noch immer anhatte und überreichte ihn mir. Stimmt…ich konnte ja nicht einfach so, ganz ohne etwas an zu haben, mitgehen. Dankend lächelte ich sie an. Dann gingen wir beide mit, stiegen in den Krankenwagen. Hinata ging freiwillig mit nach vorne, während ich mir hinten einen Platz ergatterte und alles mit ansehen musste, wie sie ihn verzweifelt irgendwie am Leben hielten. Hinata und ich wurden dann schließlich beim OP-Bereich zurückgehalten. Jetzt hieß es warten. Wir schwiegen. Die Fragen, die es zu stellen gab, hätten nur noch unnötige Unruhe ausgelöst. Irgendwann stieß dann auch Teru zu uns. Ich erzählte ihm alles. Es schien, als wären meine Gefühle zum Selbstschutz ausgeschalten. Und dann warten wir zu dritt, schweigend. Mittlerweile interessierte es mich kein Stück mehr, weshalb Hinata und Megami in einem Moment erschienen sind, in dem sie das nicht hätten sein sollen. Ich wollte jetzt nur noch eins, dass Hiro lebt! Stunden vergingen. Hinata schlief einmal aus Erschöpfung ein. Ich blieb wach. Irgendwann am nächsten Morgen kam dann ein Arzt zu uns. Er sah nicht gerade glücklich aus. „Sie können zu ihm. Ich nehme an, sie sind Familienangehörige von Kazumoto-san?“ Ich rüttelte Hinata wach. Teru zögerte erst, dann schüttelte er den Kopf, „nein, ich bin sein Manager.“ Sollte ich schummeln oder die Wahrheit sagen? Schließlich war es bekannt, dass zuerst nur Familienangehörige auf die Intensivstation durften. Dann schluckte auch ich. Ich schüttelte den Kopf. „…nein, ich bin nicht mit ihm verwandt. Aber ich war bist gestern…sein Liebhaber.“ Für mich gab es jetzt eh nichts mehr zu verlieren. Diese Aussage brachte mir natürlich verschiedene Blicke ein, vor allem überraschte. „Er darf mitkommen. Er ist ein eng Vertrauter meines Vaters“, unterstütze mich Hinata dann schließlich. So gingen wir beide zu ihm hinein, ohne Teru. Bei diesem Anblick schnürte es mir die Kehle zu „Stirb du Unglück bringendes Rabenkind!“, widerhallte Megamis Stimme in meinem Kopf. Da wo Hiro jetzt lag, das war eigentlich für mich gedacht. Ich setzte mich hin. Hinata ertrug diesen Anblick nicht lange und verlies den Raum bald darauf wieder. Ich griff nach Hiros Hand, streichelte darüber. Der Arzt stand noch hinter mir. „Ich will ehrlich zu ihnen sein. Er wird den heutigen Tag nicht überstehen. Der Einstich hat das Herz getroffen, beide Herzkammern sind schwer geschädigt. Das einzige, was ihn retten könnte, wäre ein Spenderherz, aber leider steht uns keines zur Verfügung.“ „….Dann nehmen sie meines.“, sprach ich, ohne mir genau zu überlegen, was ich da sagte. Der Arzt war über diese mutige Aussage erstaunt, schüttelte dann allerdings den Kopf und legte seine Hand auf meine Schulter. „Ich liege doch recht in der Annahme, dass er sie beschützt hat. Das zeigt, dass er wollte, dass sie weiterleben. Wenn ihm sein Leben wichtiger gewesen wäre, als ihres, hätte er dies nicht gemacht.“ Ich hatte immer mehr Probleme damit, mich stark zu geben. Ich nickte nicht schüttelte aber auch nicht meinen Kopf. Weiter streichelte ich Hiros Hand. Prägte mir jedes Detail ein. „Gehen sie besser nach draußen. Es gibt noch zwei andere Personen, die von dieser Nachricht erfahren sollten.“ So ging der junge Arzt dahin. Ich blieb noch. Mein Blick ruhte nun auf dem Ring. „…Ring…schau dir den Ring an…“ Hiros letzte Worte. Ich nahm seine Hand und zog ihm den Ring aus. Das…das war ja derselbe…das gleiche Modell, das ich am Finger trug. Ich schaute mir die Innenseite an und da war eingraviert: K. Otawa 03.01.19XX Ich nahm meinen Ring nun ebenfalls vom Finger und sah ihn mir an. Wie konnte mir das bloß entgehen. Das Datum, es war nicht das Datum von Hinatas und meiner Verlobung….es war das Datum des vergangenen Tages, vom 03.01.19XX und davor stand H. Kazumoto. Das ‚H.’ Es war nicht für Hinata gedacht…es war für Hiro gedacht. Ich verzog mein Gesicht, umschloss die Ringe ganz Fest und musste anfangen zu weinen. Dann steckte ich ihm wieder seinen Ring an und ich mir meinen. Schon vernahm ich, wie die Tür wieder einmal aufging. Diesmal war es Teru. Ich drehte mich um, wischte die Tränen weg. „Du? …“, mehr brachte ich nicht heraus sondern heulte einfach wieder los. Ich hielt Hiros Hand fest, drückte sie. „…bitte…lasst ein Wunder geschehen!“ Mein Oberkörper lag nun auf Hiro. Teru trat an mich heran und legte mir tröstend die Hand auf die Schulter. So verharrten wir. Erst der lang gezogene Piepton ließ mich wieder aufsitzen. Die Ärzte kamen, schalten die Maschinen aus und deckten ihn zu. Kaum stand ich auf, ging aus dem Raum hinaus, kippte ich auch schon um. Epilog: Ruhet in Frieden ------------------------ Ich riss meine Augen auf. Mein Atem ging rasend und die Tränen liefen über mein Gesicht. Ich schaute mich um mich. Stimmt. Seither waren nun zwei Jahre vergangen. Ich lebte mit Hinata in Kazumotos Haus. Nach Hiros Tod hat sich herausgestellt, wie sehr sie mich doch liebte….aber auch, wie groß meine Liebe zu Hiro war, so groß, dass keine Liebe mehr zu anderen Personen mehr übrig blieb. Trotzdem wollte sie ihr Leben mit mir verbringen, also haben wir geheiratet. Der Grund, dass sie damals schon so früh wiederkamen – sie hatten ganz einfach die Konzertkarten vergessen. Was aus Megami geworden ist, weis bist heute niemand. Nachdem sie weggerannt war, wurde sie nirgends mehr gesehen. Seit neustem heißt es, sie sei ‚verschollen’. Weil sich Hiro das wohl gewünscht hat, lebte ich weiter. Auch wenn ich mir am liebsten gleich die Kugel gegeben hätte. Aber ich bin wieder zurück im Drogensumpf gelandet. Teru hat vorläufig die Firma übernommen. Wahrscheinlich wird Hinata oder eventuell sogar ihr Zwillingsbruder die Nachfolge antreten. Ansonsten gibt es nichts Großartiges zu erzählen. Naja, Hinata wollte einmal den dummen Versuch wagen und Hiro ersetzen. Als ob man das alleine durch ein bisschen Haare schneiden erreichen könnte. Ich schaute um mich, entdeckte die Resten der Drogen und all die Hilfsmittel. So räumte ich sie zusammen und verstaute sie in einer Schublade. Ich legte mich wieder hin und starrte zur Decke hoch. Dann vernahm ich ein Quietschen, das eindeutig von meiner Zimmertür stammt und bei dem Anblick, wusste ich nun wirklich nicht, ob das Traum oder Realität war. „H…Hiro?“ Das war er doch, oder? Dieselbe Größe, dieselben Haare, dieselben Augen, dieselbe Gestik….dieselben Klamotten. Ich schloss meine Augen, öffnete sie wieder. „…Ich….ich träume doch nicht, oder?“ „Nein…du träumt nicht. Komm her und du wirst merken, dass du nicht träumst.“ Dieselbe Stimme, dasselbe sanfte Lächeln…dieselbe Haltung. Sofort stand ich auf, rannte auf ihn zu. Noch nie…noch nie hatte ich ein solches Glücksgefühl in mir. Ich fiel ihm um den Hals…selbst der Geruch war derselbe. „Hiro….“ Fest atmete ich ein und aus. Dann viel ich auf einen Schlag in Tiefe Dunkelheit. Meine Sinne, meine Gedanken…alles schien sich zu verstreuen. Ich war in einen Schlaf gefallen, aus dem es kein erwachen mehr gab. -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)