50 Mio Yen von Kiru (Hakuei x Rose (Blut und Horror)) ================================================================================ „Ein bisschen wie ein gehetztes Tier.“ -------------------------------------- Beta’d: nach einigen... Zwischenfällen (xD) dann endlich von Tattoo (die IMMER Tattoo bleiben wird, egal, ob sie sich kurz zu YukiAddict umbenennt oder nicht |D) A/N: woah… endlich mal eine FF, die ich auch nach dem ersten kompletten Durchlesen nicht bescheuert finde... |D ich hoffe, sie gefällt euch! Ach ja, und 50 Mio Yen sind etwa 480.000$, also schon eine ganze Menge ^^ ~*~*~*~ Ich hatte den Wahnsinn vor Augen. Jeden Tag begegnete ich Leuten, die psychisch krank waren, die Verfolgungswahn, Platzangst oder sonstige Paranoia hatten. Tag für Tag hatte ich mit ihnen zu tun. Nun ja, Tag für Tag klang vielleicht ein wenig übertrieben, ich war erst seit ungefähr vier Monaten in der Klinik. Aber dennoch machte es sich schon bei mir bemerkbar, dass ich fast ausschließlich mit Geistesgestörten zusammen war. Ich selbst war nicht krank. Gut, das sagten wahrscheinlich viele, aber in meinem Fall stimmte es sogar – ich war kerngesund. Ich hatte mich freiwillig einweisen lassen. Jetzt könnte man argumentieren, dass jemand, der sich freiwillig in eine Nervenheilanstalt einweisen ließ, nicht mehr ganz dicht sein konnte. Ich hielt dagegen. Denn ich hatte einen guten Grund dafür. Dieser betrug 50 Millionen Yen und hatte auch einen Namen: Rose. An meiner Tür klopfte es. Ich lag gerade auf dem Rücken und ohne Shirt auf meinem Bett und las eines der Bücher, die ich mir aus der hauseigenen Bibliothek ausgeliehen hatte. Wenigstens gab es so was, dann musste ich mich nicht die gesamte Zeit mit den restlichen Irren herumschlagen. Wobei ‚herumschlagen’ bei manchen der richtige Ausdruck war. Einen kurzen Blick zur Tür werfend, sagte ich ‚herein’ und ließ mein Buch sinken, als geöffnet wurde. Shizuko betrachtete mich einen Moment, ich erwiderte ihren Blick unschuldig. „Habe ich Ihnen nicht schon einige Male gesagt, dass Sie sich gefälligst vernünftig anziehen sollen?“, fragte sie und man hörte deutlich das Missfallen in ihrer Stimme. Shizuko war eine der Schwestern in der Abteilung, in der ich untergebracht war, sie war zwar streng, aber ansonsten ganz sympathisch. „Ist das meine Schuld oder die des Instituts, wenn die Klimaanlage kaputt ist?“, fragte ich zurück und setzte mich auf. „Was ist denn?“ „Sie bekommen endlich einen Mitbewohner“, meinte sie und ein leicht schadenfreudiges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Vielleicht lernen Sie dann, sich anständig zu benehmen. Ich rieche schon wieder Rauch im Zimmer.“ Ich seufzte leise. Shizuko hatte mir bereits von Anfang an einen Mitbewohner andrehen wollen, einmal, weil sie der Ansicht war, dass ich dann ‚sozialer’ werden, dann, weil sie definitiv einen überzeugten Nichtraucher aussuchen würde, der mich am Rauchen hinderte, und schließlich, damit ich nicht mehr so ‚frech’ war, wie sie es nannte. „Und dabei hab ich schon am Fenster geraucht“, überlegte ich. „So viel kann man hier eigentlich nicht riechen. Was ist es denn für eine Person?“ „Was ich nur für Sie hoffe, ist, dass Sie die Zigarettenstummel nicht wieder nach unten auf den Rasen geworfen haben“, bemerkte Shizuko und hob eine Augenbraue. Ich schürzte lediglich die Lippen, jetzt selbst unschuldig aussehend. „Wie auch immer“, jetzt seufzte sie ebenfalls, „Ihr zukünftiger Zimmernachbar heißt Rose, ist deutlich jünger als Sie und scheint sehr nett zu sein. Er ist ein bisschen verängstigt, das werden Sie dann merken.“ „Warum hatte ich eigentlich dabei kein Mitspracherecht?“, merkte ich stirnrunzelnd an. „Ich muss schließlich wahrscheinlich noch einiges an Zeit mit ihm verbringen...“ „So ist das nun mal, Sie können sich nicht aussuchen, mit wem Sie sich ein Zimmer teilen, das kann keiner hier“, belehrte Shizuko mich ernst. „Da werden wir auch für Sie keine Ausnahme machen.“ „Aber ich bin sicher, Sie haben ihn absichtlich nur für mich persönlich herausgepickt, nicht wahr?“, erwiderte ich amüsiert. „Wie ich Sie kenne, ist er so ziemlich das genaue Gegenteil von mir. Allein der Name – klingt Rose nach jemandem, mit dem ich mich gut verstehen würde?“ Shizuko musterte mich noch einen Augenblick lang. „Ich sage ihm, dass Sie sich sehr über seine Anwesenheit freuen, ja?“ Da musste ich lächeln. „Vielen Dank“, konnte ich noch sagen, dann hatte sie schon wieder die Tür hinter sich geschlossen. Ich mochte Shizuko, man konnte sie ein bisschen triezen, ohne Angst zu haben, dass sie es gleich persönlich nahm. Ich war auch davon überzeugt, dass sie mich ziemlich gut leiden konnte, sonst würde sie mich nicht so behandeln. Eher widerwillig stand ich auf und streifte mir schnell ein Shirt über. Es war noch nicht unerträglich heiß, aber der herannahende Sommer machte sich schon deutlich bemerkbar, daher verbrachte ich meine Zeit lieber im kalten Gebäude. Dort lief ich auch weniger Gefahr, schief angeschaut zu werden, wenn ich oben ohne herumlief. Ich meine, ich sah schon ungewöhnlich aus mit meinen ganzen Tattoos, das stimmte. Aber ich zeigte sie sehr gerne, eigentlich gerade weil mir die negativen Reaktionen gefielen. Gerade, als ich mich umsah, ob ich noch irgendetwas wegräumen sollte, wurde meine Tür unvermittelt aufgerissen, jemand huschte ins Zimmer und knallte die Tür hinter sich wieder zu. Es war ein Jugendlicher, er wirkte, als hätte er noch nicht einmal die zwanzig erreicht, mit strahlend weißblonden schulterlangen Haaren und einem ärmellosen pinken Top. Natürlich hatte er auch noch Hosen an, aber die fand ich in dem Moment nicht ganz so interessant wie sein Oberteil. Ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können, wanderte eine Augenbraue von mir nach oben. Was mich allerdings ebenfalls irritierte, war, dass der Jugendliche ziemlich gehetzt und außer Atem wirkte. „Rose?“, riet ich neugierig. Der Blonde fuhr zusammen und drehte sich zu mir um, starrte mich mit großen Hundeaugen an. Ansonsten keine Reaktion. „Bist du Rose?“, versuchte ich es ein zweites Mal. Er kam mir vom Gesicht her etwas bekannt vor, aber der Rose, dessen Bild ich vor mehr als einem halben Jahr gesehen hatte, hatte schwarze Haare gehabt. Daher war ich mir nicht ganz sicher. Keine erkennbare Regung, bis auf dass er sich an die Tür zu drücken schien. „Mein Name ist Hakuei“, redete ich einfach weiter. „Wenn du Rose bist, dann sind wir ab jetzt Mitbewohner. Falls nicht, bitte ich dich, den Raum wieder zu verlassen.“ Der Jugendliche tastete nach der Türklinke und umfasste sie, unternahm aber nichts weiter. Er zuckte ein zweites Mal zusammen, als es an der Zimmertür klopfte, rührte sich aber ansonsten keinen Millimeter. „Egal, wer auch immer du bist, wärst du so freundlich und würdest einen Schritt zur Seite gehen, damit man die Tür aufmachen kann?“, bat ich ihn so höflich wie nur irgend möglich. Keine Reaktion, wie auch zu erwarten. Daher tat ich etwas, das ihn merklich verängstigte: Ich ging auf ihn zu. Wenn er sich nicht bewegt hätte, dann hätte ich ihn kurzerhand genommen und woanders abgestellt, so ein Fliegengewicht wie ihn hätte ich ohne Probleme tragen können. Aber, wie erwartet, flüchtete er sich vor mir an der Wand entlang zur anderen Ecke des Raumes. „Ist er schon hier?“, wollte Shizuko wissen, nachdem ich die Tür geöffnet hatte, und betrat den Raum anschließend. „Ah, da ist er ja. Haben Sie sich schon mit ihm angefreundet?“ „Und ob, wir sind die besten Freunde, ich werde nicht mehr von seiner Seite weichen“, nickte ich mit einem gleich ernsten Gesichtsausdruck und nahm ihr den Koffer ab, trug ihn dann zum zweiten Bett im Zimmer und stellte ihn daneben ab, worauf Shizuko sich bedankte und mir gleich einen zweiten Koffer in die Hand drückte. Rose hatte sich in die Ecke gedrängt und beobachtete uns nervös. „Ich glaube, ich brauche Sie beide nicht bekannt zu machen, das werden Sie selbst übernehmen“, meinte die Schwester und sah von mir zu Rose, welcher sie angsterfüllt anstarrte. „Über alles andere haben wir Sie bereits informiert, wenn Sie irgendwelche Fragen haben, Hilfe möchten, egal in welcher Art, wenn irgendetwas sein sollte, wir sind rund um die Uhr für Sie da. Fühlen Sie sich hier wie zuhause. Okay?“ Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln, was ihn vollkommen kalt zu lassen schien. „Ihnen muss wirklich was an ihm liegen“, flüsterte ich Shizuko zu, während ich ihr noch zurück zur Tür folgte. „Das ist das erste Mal, dass ich Sie habe lächeln sehen.“ „Fangen Sie schon wieder so an?“, gab sie zurück, musste aber jetzt erneut etwas lächeln. „Er ist der Sohn einer bekannten Persönlichkeit, dass Sie mir ja auf ihn Acht geben. Wenn herauskommt, dass Sie ihm irgendetwas angetan haben, können Sie sich auf etwas gefasst machen. Bitte, passen Sie etwas auf ihn auf. Normalerweise würde ich das nicht von Ihnen verlangen, aber unter diesen Umständen...“ Ich nickte. „Kein Problem. Ist er mit einem Star verwandt, oder warum?“, wollte ich wissen. Shizuko erwiderte nichts, sondern zog die Tür einfach hinter sich zu. Ich wandte mich wieder dem Blonden zu, der mich mehr und mehr an ein in die Enge getriebenes Tier erinnerte. „Möchtest du nach draußen gehen?“, fragte ich ihn. Er schüttelte heftig den Kopf. „Bleibst du lieber hier?“ Auf diese Frage zögerte er und schien sich nicht ganz im Klaren zu sein, was die bessere Alternative wäre. „Dann pack doch am besten erst einmal aus, ja? Vielleicht fühlst du dich dann ein wenig sicherer.“ Damit ging ich zurück zu meinem Bett, streckte mich darauf aus und nahm mir wieder mein Buch. Während ich entspannt weiterlas, passierte eine lange Weile erst einmal gar nichts. Dann musste Rose wohl aufgegangen sein, dass ich nicht jeden Moment aufspringen und ihn anfallen würde, denn er rutschte an der Wand entlang in Richtung seines Bettes. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass er immer wieder zu mir blickte, merklich verstört, um sich zu vergewissern, dass ich auch ja liegen blieb. Als er erst einmal bei seinem Bett angekommen war, hievte er den ersten Koffer darauf, öffnete ihn und begann vorsichtig, seine Kleidungsstücke im geräumigen Schrank hinter sich zu verstauen. Ich musste mich zwar zwingen, aber ich schaute nicht zu ihm herüber, um ihn nicht weiter zu verunsichern. Sollte er erst einmal richtig hier ankommen. Etwa eine halbe Stunde später war der Blonde fertig und hatte sich auch – soweit ich das feststellen konnte – beruhigt. Er hockte sich auf sein Bett und starrte mich durchdringend an, als würde er sagen wollen ‚spiel mit mir!’. Als ich ihm jedoch den Kopf zudrehte und ihn ansah, schaute er sofort weg, beinahe schuldbewusst. „Wenn du fernsehen möchtest, tu dir keinen Zwang an, das stört mich nicht“, versicherte ich ihm. Er schüttelte nur leicht den Kopf. „Willst du dich denn ein wenig umsehen?“ Wieder ein Kopfschütteln ohne mich eines Blickes zu würdigen. „Möchtest du was lesen?“ Da hob er den Blick endlich und musterte mich neugierig. „Ich habe einige Bücher aus der Bücherei, die kannst du dir gerne fürs erste ausleihen, bis du einen eigenen Ausweis hast“, bot ich an. „Was interessiert dich denn, Politik?“ Auf der Stelle nickte er. Volltreffer. Ich zeigte in Richtung des kleinen Tisches. „Schau mal, die Bücher auf der rechten Seite könnten interessant für dich sein.“ Noch immer etwas verunsichert stand Rose auf und ging zum Tisch herüber, um dann kurz darauf wieder zu seinem Bett zurückzukehren, ein Buch in der Hand. Nachdem er es sich auf dem Bauch bequem gemacht hatte, sah er mich von der Seite an. „Danke“, murmelte er sehr leise, kaum hörbar. Ich lächelte schwach, ohne seinen Blick zu erwidern. „Kein Problem.“ Und so verbrachte ich den ersten Nachmittag mit meinem Auftrag lesend und in Ruhe. ~*~ Ich war kein Yakuza, war niemals einer gewesen. Ich arbeitete 80% meiner Zeit auf der illegalen Seite des Gesetzes, ich sympathisierte mit vielen Yakuza und ich bekam auch von sehr vielen Yakuzachefs Jobangebote, aber ich hatte mich nie, in meinem ganzen Leben nicht, für eine oder mehrere Yakuza-Gruppen entschieden. Ich war sehr zufrieden damit, hatte ich doch den ganzen Stress mit den Clankriegen und den Feindschaften auch innerhalb eines Clans nicht am Hals. Manchmal hatte ich für die Polizei gearbeitet, wenn die Bezahlung oder die Belohnung gut gewesen war, wenn ich meinen Kopf dadurch noch aus der Schlinge ziehen konnte oder wenn mich der Auftrag gereizt hatte, aber fast immer konnten die Ganoven mir bessere Angebote machen. Ich nahm alle möglichen Jobs an – einmal hatte ich mich als Transvestit verkleidet, um Zugang zu geheimen Informationen zu bekommen, ein anderes Mal hatte ich mich als Diener in einen Haushalt einer sehr angesehenen Familie eingeschlichen, um unbemerkt den Hausherren zu ermorden, der einem Yakuza ein Dorn im Auge gewesen war. Ich liebte meine verdeckte Arbeit, wenn ich mich als jemand ausgeben konnte, der ich nicht war. Die positiven Seiten an meiner Art zu arbeiten waren offensichtlich: Es gab extrem gute Bezahlung, es war abwechslungsreich, herausfordernd und spannend, ich bekam Anerkennung dafür und es machte mir Spaß. Genauso klar waren allerdings auch die Nachteile: Es war oftmals sehr gefährlich, anstrengend und nervenzehrend, teilweise regelrecht frustrierend, und dadurch, dass ich für jeden arbeitete, konnte leicht Misstrauen entstehen. Fassten wir es zusammen: Ich lebte auf einem gefährlichen Pflaster und tat es gerne. Und so war ich auch in der Klinik gelandet – durch einen Auftrag. Oder vielmehr durch zwei. Eine Kurzfassung: Es gab zwei verfeindete Clans, den Maihara- und den Suzuki-Clan. Die Bosse beider Clans hatten mehrere Kinder, damit die Thronfolge gesichert war, allerdings war der Maihara-Clan so unvorsichtig gewesen und hatte lediglich den ältesten Sohn zum Yakuzachef ausgebildet. Der wurde natürlich auch prompt mit fünfundzwanzig umgebracht, vom Suzuki-Clan, der drei ausgebildete Erben hatte, die alle drei indirekt am Mord des Maihara-Erben beteiligt gewesen waren. Allerdings wusste nur einer der drei, nämlich der jüngste, wer welche Rolle inne gehabt hatte und wer letztendlich der Mörder gewesen war. Das war bekannt, weil er sich einmal verplappert hatte. Und nun hatte der Suzuki-Clan ein Problem, weil der jüngste Sohn gleichzeitig Vaters Liebling war und auf keinen Fall sterben durfte. Deshalb musste er beschützt werden. Andererseits wollte der Maihara-Clan Rache für seinen Erben und das ging nur, wenn man wusste, wer verantwortlich war. Deshalb musste der jüngste Suzuki-Erbe erst reden und dann umgebracht werden. Konsequenz: Beide Clans heuerten mich an. Ich hätte fast laut losgelacht, als ich vom Maihara-Clan den Auftrag bekam, den jüngsten Suzuki auszuquetschen, wo ich vorher vom Suzuki-Clan eben genau den Auftrag bekommen hatte, so etwas zu vermeiden. Der Plan des Suzuki-Clans war der folgende: Da der jüngste Sohn, Min Woo No, ein Halbkoreaner, genannt Rose, psychisch noch nie wirklich stabil gewesen war, wollte man ihn in eine Nervenklinik einweisen, und zwar in DIE Nervenklinik überhaupt – die renommierteste, sicherste, teuerste und erfolgreichste in ganz Japan. Dort würde der Kleine sicher sein, da der Maihara-Clan niemals auf die Idee kommen würde, dort zu suchen, und wenn, dann hätten sie keine Möglichkeit, Rose irgendetwas anzuhaben. Trotzdem sollte er doppelt abgesichert werden. Das Problem dabei war, dass die Maiharas sämtliche Mitglieder des Suzuki-Clans kannten und sofort nach ihnen suchen lassen würden, würde jemand zusammen mit Rose verschwinden. Ein Außenseiter, dem man trotzdem vertrauen konnte, musste her. Dieser sollte sich erst als normaler Patient in die Anstalt einweisen lassen, um dann anschließend wie zufällig auf Rose zu treffen und ihm fortan nicht mehr von der Seite zu weichen. So lange, bis ein bisschen Gras über die Sache gewachsen war oder man sich dazu entschloss, Rose für eine Zeit ins Ausland zu bringen. Bezahlung dementsprechend hoch, Unterkunftskosten für die Klinik wurden gestellt. Da sagte ich nicht nein. Der Plan des Maihara-Clans dagegen war nicht weniger durchdacht: Durch ein Leck im Suzuki-Clan wussten die Maiharas, dass Rose in Sicherheit gebracht werden sollte, und zwar in ebenjener Nervenklinik. Da sie wussten, dass sie ihm als Außenstehende nichts würden anhaben können, wenn er erst einmal eingewiesen war, beschlossen sie, jemand anderes, jemand Unbekanntes für sich arbeiten zu lassen, der sich vor Roses Ankunft bereits freiwillig in die Anstalt einweisen ließ, damit niemand Verdacht schöpfte. Durch indiskrete Manipulation würde irgendwie dafür gesorgt werden, dass dieser Außenstehende mit Rose in Kontakt kam, sich mit ihm anfreundete und soweit sein Vertrauen gewann, dass er ihm freiwillig alles erzählte – natürlich auch die Informationen über den Mord. Anschließend sollte man es wie einen Unfall aussehen lassen. Soweit auch kein Problem, die Bezahlung ebenfalls mehr als angemessen. Da konnte ich ebenfalls nicht ablehnen. Und nun befand ich mich genau in der Mitte. Zumindest, was die Entscheidungen betraf. Sorgte ich dafür, dass Rose die nächsten Monate heil überstand, würde ich 50 Millionen Yen, also nicht ganz 480.000 Dollar, bekommen. Schaffte ich es, die Informationen aus ihm herauszukriegen und ihn danach unauffällig verschwinden zu lassen, bekam ich ebenfalls 50 Millionen Yen. Ich konnte mich nicht entscheiden – es reizte mich beides, einmal die Pflicht, für jemanden verantwortlich zu sein und mich um ihn zu kümmern, andererseits die Herausforderung, mich so skrupellos auf Roses Kosten zu verstellen. Das Schöne im Moment allerdings war, dass ich noch Zeit hatte, mich zu entscheiden. In beiden Aufträgen ging es erst einmal darum, dass ich mich mit Rose anfreunden sollte, also würde ich das zu Beginn tun. Vielleicht konnte ich mich besser entscheiden, wenn ich ihn näher kannte. Ging er mir auf die Nerven, würde ich ihn aus dem Weg räumen, war er nett, würde ich ihm helfen. Natürlich müsste ich auch mit Konsequenzen rechnen, das war mir klar. Wenn ich ihn umbrachte, konnte ich hinterher bei den Suzukis behaupten, es wäre wirklich ein Unfall gewesen oder aber es wäre alles so schnell gegangen, dass ich nicht mehr hätte reagieren können. Wenn ich ihn am Leben ließ, wurde es schon schwieriger, mich bei den Maiharas zu rechtfertigen – ich könnte behaupten, dass ich nicht an ihn herangekommen sei, aber in dem Fall hätte ich sie kontaktieren und sie darüber informieren müssen.... Na ja, mir würde schon etwas Passendes einfallen, wenn es so weit kommen würde. Jetzt wollte ich erst den Auftrag noch genießen. ~*~ Am Abend des selben Tages, an dem Rose eingewiesen worden war, gab es die erste kleinere Krise. Jeden Tag gab es ab sieben Uhr Abendessen, und spätestens bis halb acht musste man im Essenssaal sein, ansonsten ging man mit knurrendem Magen schlafen. „Komm mit, ich bring dich zum Esssaal, ja?“, bot ich Rose freundlich an, bereits auf meiner Bettkante sitzend und ihn erwartungsvoll ansehend. Er drehte mir den Kopf zu und betrachtete mich ein paar Momente wortlos. Dann schüttelte er den Kopf. „Möchtest du nichts essen?“, fragte ich ihn. Rose runzelte etwas die Stirn und verneinte erneut geräuschlos. Anmerkung: Er war eine Bohnenstange. Er war eine Sellerie, eine Stange Lauch oder eine Laterne, wie man’s haben wollte. Er war deutlich untergewichtig und spindeldürr, was mir besonders auffiel, da er etwa so groß war wie ich, also über 1,80m. „Aber danach hast du keine Möglichkeit mehr, etwas zu essen“, warnte ich ihn, worauf er nur mit einem Schulterzucken antwortete. „Ist das, weil du generell nichts isst?“ Er schwieg. „Oder fühlst du dich hier einfach noch nicht wohl?“, fragte ich weiter. Er senkte lediglich seinen Blick. Ohne weiteren Kommentar stand ich auf und verließ das Zimmer. Obwohl er mir ein wenig auf die Nerven ging, wollte ich ihn nicht anfahren oder ihn gleich vorverurteilen. Wer wusste, was er in seinem Leben durchgemacht hatte. Außerdem brauchte er wahrscheinlich erst einmal Ruhe und einige Tage, um sich in den Alltag einzufinden. Beim Essen unterhielt ich mich mit einem genialen, aber leider schwachsinnigen Wissenschaftler. Er hatte eine unheimliche Kombinationsgabe und konnte sich unendlich lange Zahlenreihen merken, allerdings hielt er sich für Albert Einstein, Isaac Newton und Charles Darwin zugleich. Er hatte zu viel Zeit in Europa verbracht, bekam ich das Gefühl. Andererseits war es erfrischend, wenn man das Gefühl hatte, mit drei verschiedenen Personen an einem Tisch zu sitzen, und dabei nicht immer hin- und herschauen musste. Da er sich logischerweise an seinen vorherigen Namen nicht mehr erinnerte, verpasste ich ihm insgeheim einen neuen: Albert Newin. Um nett zu sein, stapelte ich einige von den Sachen, die man auch kalt essen konnte, auf einem Teller und nahm ihn mit mir auf mein bzw. Roses und mein Zimmer. Vielleicht bekam er ja doch noch Hunger. Fehlanzeige. Er bedankte sich zwar einsilbig dafür, würdigte anschließend aber weder mich noch das Essen eines Blickes, so vertieft schien er in das Buch. Oder aber er wollte bloß keinen Kontakt mit seiner Umwelt und sich langsam zu Tode hungern. Sollte mich erst einmal nicht interessieren, ich würde schon eingreifen, wenn es ernst würde. Um noch einmal an die frische Luft zu kommen, unternahm ich einen Spaziergang auf dem Klinikgelände. Es war sehr gepflegt, der Rasen hatte eine exakte Länge von vier Zentimetern, in den Blumenbeeten wuchs kein einziges Unkrautpflänzchen, die Wege waren immer sauber. Es missfiel mir zutiefst. Ich mochte lieber die Natur, so wie sie war, eine Vegetation, durch die man sich erst einmal durchkämpfen musste. Unbehelligt von menschlichen Eingriffen. Als ich zurückkam, las Rose noch immer. Auch noch, als ich schlafen ging. Er hatte seine Nachttischlampe angeschaltet und so von mir weggedreht, dass ich durch das Licht nicht gestört wurde. Ich kümmerte mich nicht weiter darum, sondern schlief zufrieden ein. In der Nacht wachte ich kurz auf, nur, um festzustellen, dass Rose noch immer las. Auch am nächsten Morgen, als ich aufwachte, las er. Er wirkte sehr müde und ausgelaugt. Hatte er die gesamte Nacht gelesen? Er hatte sich nicht einmal umgezogen. Was sollte das? Wollte er versuchen, ohne Schlaf auszukommen? Misstraute er mir so sehr, dass er sich in meiner Gegenwart keine Schwächen erlauben wollte? Wenigstens war das Essen, das ich ihm am vorigen Abend mitgebracht hatte, verschwunden. Das war ja schon mal ein Anfang. Ich stand auf, ging in dem Badezimmer, das zu unserem Zimmer gehörte, duschen und zog mich an. Rose rührte sich nicht von der Stelle. „Hast du die ganze Nacht nicht geschlafen?“, wollte ich von ihm wissen. Er hob den Kopf und blinzelte mich schläfrig an. Er wirkte, als würden ihm jeden Moment die Augen zufallen. Das reichte mir. Ich stapfte zu seinem Bett herüber, weshalb er auf der Stelle verängstigt daraus flüchtete und hinter dem Tisch in Deckung ging. Kurzerhand nahm ich seine Bettdecke und sein Kissen, legte beides kurz auf meinem Bett ab, ehe ich seine Matratze nahm und sie ins doch sehr geräumige Badezimmer trug. Dort legte ich sie auf den Boden, warf dann noch seine Decke und sein Kissen darauf und nahm genügend Abstand vom Bad, dass Rose ohne Probleme hinein konnte. Mehr als verwirrt hatte mich der Blonde beobachtet und die Stirn gerunzelt. „Schlaf da“, befahl ich ihm. „Das Badezimmer kannst du abschließen, da musst du keine Angst haben, dass dir irgendetwas passiert. Ich werde den ganzen Morgen weg sein, bis etwa zwei Uhr, da musst du dir auch keine Sorgen machen. Ach ja, und ich bring dir gleich ein bisschen Frühstück. Okay?“ Mit großen, verwunderten Augen nickte Rose langsam. Ich wünschte ihm noch freundlich eine gute Nacht und verließ das Zimmer. „Fällt es nicht auf, wenn du ständig das Gelände verlässt?“ „Hm.“ Ich zündete mir eine Zigarette an und legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen. Ich mochte es, wenn mir die Sonne ins Gesicht schien. „Da ich freiwillig hier bin, kann ich machen, was ich möchte. Es wurde zwar gesagt, dass es besser sei, wenn ich die gesamte Zeit in Reichweite bliebe, aber dazu zwingen können sie mich nicht. Und da in der Klinik sowohl Zigaretten als auch Alkohol verboten sind, denken sich die Pfleger schon ihren Teil.“ Ich warf Gara einen Blick zu. „Allerdings solltest DU dich nicht erwischen lassen, ansonsten fällt der gesamte Auftrag ins Wasser, das ist dir klar?“ Er trat seine Zigarette auf dem Boden aus und seufzte. „Natürlich weiß ich das. Aber wir brauchen doch Gewissheit, dass du uns nicht hintergehst und deinen Auftrag auch gewissenhaft ausführst. Wir zählen auf dich.“ „Aber ich denke, dass du nicht so selbstlos bist und dich freiwillig in Gefahr begibst, oder sehe ich das falsch?“, bemerkte ich und hob eine Augenbraue. Sein Gesicht verdüsterte sich. „Wenn du versagst, bin ich dran. Ich war es schließlich, der dich vorgeschlagen hat.“ Wenn er damit mal keinen Fehler gemacht hatte, dachte ich mir schadenfroh. „Dann werde ich mich doch besonders anstrengen, wenn es hier nicht nur um deinen Ruf, sondern auch um dein Leben geht“, versicherte ich ihm. Er musterte mich skeptisch. „Mach keine Scheiße. Sonst kannst du dich auch auf was gefasst machen. Und außerdem brauchst du die 50 Millionen doch, oder nicht?“ „Dann kann ich mich ganz in die USA absetzen“, stimmte ich ihm zu und verkniff mir ein Lächeln. Und egal, wie es ausging, 50 Millionen bekam ich so oder so. „Ach ja, er ist übrigens gestern angekommen“, warf ich noch beiläufig ein. Garas Neugier war geweckt. „Und? Wie sieht er aus, was macht er für einen Eindruck? Konntest du dich schon mit ihm gut stellen?“ „Er hat keine schwarzen Haare mehr, sondern weißblonde“, begann ich mit dem, was ihn wahrscheinlich am wenigsten interessierte. „Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Er wirkt extrem verstört und unsicher, hat absolut kein Vertrauen in niemanden. Ein bisschen wie ein gehetztes Tier. Letzte Nacht hat er nicht mal geschlafen, und essen tut er auch nur, wenn ich nicht dabei bin oder schlafe. Oh, und er redet nicht.“ „Ist er stumm?“ „Nein, das nicht, er KANN, wenn er möchte. Er will nur anscheinend noch nicht. Ich bin erst einmal ein bisschen auf Distanz gegangen, war aber trotzdem freundlich zu ihm, sodass er das Gefühl kriegt, er muss mir irgendetwas zurückgeben.“ Ich war auf seine Persönlichkeit gespannt. Als Sohn eines Yakuzabosses und als dessen Liebling war er bestimmt eine interessante Person. „Du solltest trotzdem so schnell wie möglich an ihn herankommen“, widersprach Gara ungehalten. Ich nickte, war aber anderer Meinung. Ich würde Rose Zeit lassen, sich an mich zu gewöhnen. Wenn ich ihn drängte, dann würde dabei nichts herauskommen. Als ich gegen zwei Uhr ins Zimmer zurückkehrte, saß Rose weinend neben meinem Bett auf dem Boden. Er hatte die Knie an die Brust gezogen, die Stirn darauf gelegt und schluchzte leise. Ich schloss die Tür hinter mir geräuschvoll, damit er mich bemerkte und ich ihn nicht unabsichtlich erschreckte. Keine Reaktion von seiner Seite. „Rose?“, fragte ich leise. Als wieder nichts kam, sprach ich weiter. „Darf ich mich zu dir setzen?“ Entweder er ignorierte mich oder er realisierte überhaupt nicht, dass ich da war und mit ihm redete. Langsam schritt ich zu ihm und ließ mich neben ihn sinken. Wahrscheinlich hätte ich genauso gut auf dem Tisch tanzen können, und es wäre ihm egal gewesen. „Darf ich dich anfassen?“, wollte ich wissen. Erneut keine Regung seinerseits. Also strich ich ihm vorsichtig über den Kopf, aber das einzige, was ich dadurch erreichte, war, dass Rose meine Hand wegschlug. Als er den Kopf hob und mich endlich ansah, lag in seinen Augen sowohl Angst als auch Wut und Hilflosigkeit. „Verschwinde“, murmelte er leise. „Hast du gut geschlafen?“, erinnerte ich ihn daran, was ich unaufgefordert für ihn getan hatte. So etwas funktionierte immer – zumindest mit netten Leuten. Erinnere sie daran, was du für sie getan hast, und sie fühlen sich verpflichtet, freundlicher zu dir zu sein. Auch bei Rose schien es zu wirken. Er senkte seinen Blick für einen Moment. „Ich will hier weg“, wisperte er. „Warum?“, fragte ich sanft. Er musterte mich. „Es ist unheimlich hier. Überall ist es dunkel, und die Leute sind viel unheimlicher als bei mir zuhause. Viel, viel unheimlicher. Viele sind viel heller, haben eine fast schon weiße Aura. Das beunruhigt mich“, fuhr er sehr leise fort. Er sprach schnell, als müsste er das alles unbedingt loswerden. „Was meinst du mit heller?“ Jetzt hatte ich ihn, dachte ich. „Ihre Aura“, wiederholte er. „Sie leuchten. Das macht mir Angst. Bei mir zuhause sind sie alle dunkel, da ist alles düster. Das bin ich gewohnt. Du bist auch dunkel. Aber... du hast einen Schatten hinter dir, einen großen Schatten, er folgt dir überall hin, er lässt dich nicht in Ruhe... Ich habe ihn auch. So einen Schatten.“ Wow, der Kleine war wirklich ziemlich abgedreht. „Schatten?“ Er nickte langsam. „Ja“, wisperte er. „Den Tod. Du trägst ihn mit dir herum, er folgt dir und wartet. Er wartet nur...“ Gegen meinen Willen bekam ich eine Gänsehaut. Was erzählte Rose da? Der Tod folgte mir? Die Leute hier hatten eine leuchtende Aura? .... Aber wenigstens redete er mit mir. „Bist du deshalb hier?“, wollte ich wissen. „Weil du diese Schatten und diese Auren siehst?“ „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin hier, weil ich bin, was ich bin.“ Ich hatte das Gefühl, dass er nicht viel präziser werden würde, und ich fand es unhöflich, jetzt schon nachzuhaken. Also ließ ich seine Aussage erst einmal im Raum stehen. „Du wirst auch erst einmal deine Zeit brauchen, bis du dich hier eingewöhnt hast. Aber ich kann dich beruhigen, eigentlich sind alle sehr nett hier, und wenn du irgendwelche Fragen oder Probleme hast, kannst du dich ohne Bedenken an die Pfleger wenden. ... Oder an mich“, fügte ich noch hinzu und lächelte beruhigend. „Da wir jetzt zusammen wohnen, möchte ich, dass wir uns auch gut verstehen.“ Der Blonde blinzelte zu mir hoch. „Ja...“, murmelte er leise und betrachtete mich dann einen Moment eingehend. „Willst du mir etwas Böses?“, wollte er anschließend leise wissen. Wie kam er denn jetzt darauf? Ich schüttelte den Kopf. „Nein, will ich nicht. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ „Gut.“ Er schenkte mir ein angedeutetes Lächeln. „Das ist gut.“ Und damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein. An diesem Abend ließ er zwar das Licht an, ging aber dennoch schlafen. ~*~*~*~ to be continued~ ist Rose nicht ein Herzchen? |D und ein großes Danke schön an Tattoo, die sich jetzt doch aufraffen konnte, das Ding hier zu beta'n ;) alle im Chor: DANKE 3 [Wen's interessiert - die nächsten Kapitel haben etwa alle die Länge 3.500-4.000 Wörter, und insgesamt sind es acht Kapitel ^^] „Aber ich... ich werde von meinen Opfern verfolgt.“ --------------------------------------------------- Beta’d: von meiner langsam wieder auf Touren kommenden Beta-Leserin, der wundervollen Tattoo ^_____^ A/N: bevor ihr fragt: JA, ich habe zu viele Filme gesehen/Spiele gespielt |D (hey, die sind echt gruselig >_>) ##### = Flashback / Flashback Ende ~*~*~*~ Ich war naiv gewesen. Oder vielleicht auch einfach nur optimistisch. Zu glauben, dass Rose mich an sich heran lassen würde, war wirklich einfältig gewesen. Seitdem wir das eine Mal miteinander geredet hatten, war er wieder in sein einsilbiges Vokabular verfallen, er beschäftigte sich fast ausschließlich mit Büchern oder Fernsehen, verließ das Zimmer so gut wie nie (außer zum Essen) und tat, als wäre ich nur ein lästiges Insekt, das man geflissentlich ignorieren musste, bis man es nicht mehr nicht beachten konnte. Und das ganze zwei Wochen lang. Es war frustrierend. Nicht, dass ich so unbedingt wollte, dass er mich beachtete, aber irgendwo verletzte es meinen Stolz, so übergangen zu werden. Es hatte noch nicht einmal etwas gebracht, dass ich nur in Shorts vor ihm herumgerannt war. Er hatte mich nicht einmal ANGESEHEN. Trotz meiner Tattoos, die er wohl schlecht hatte nicht bemerken können. Und außerdem sollte ich mich ja mit ihm anfreunden, und das ging schlecht, wenn er nicht mit mir sprach. Allerdings gab es einen Punkt, der erfreulich war – er vertraute mir inzwischen so weit, dass er in meiner Begleitung zum Frühstück und Abendessen ging und dass er sich traute, in meiner Gegenwart zu schlafen. Berühren durfte ich ihn trotzdem nicht, und auf Fragen, die nach einer längeren Antwort als ‚ja’ oder ‚nein’ verlangten, was er auch durch Gestik darstellen konnte, antwortete er grundsätzlich nicht. (Es gab jedoch sehr seltene Ausnahmen) Entschieden, welchen der beiden Aufträge ich annahm, hatte ich mich immer noch nicht. Ich stand am Fenster und rauchte. Ich hatte die Möglichkeit genutzt, Rose war von einem Pfleger abgeholt worden, da offenbar ein Anruf für ihn eingegangen war. Wir hatten auf den Zimmern keine Telefone. In Roses Gegenwart hatte ich noch nicht geraucht, da ich wusste, dass er ein strikter Nichtraucher und Nichttrinker war und beides auch bei anderen nicht duldete, zumindest nicht in seinem Beisein. Ich dachte darüber nach, was Rose an diesem Morgen gesagt hatte. Als wir beim Frühstück saßen, hatte er auf den verrückten Wissenschaftler gedeutet und etwas sagen wollen, sich aber nicht dazu durchringen können. Erst auf mein Nachfragen, was mit diesem Albert Newin sei, hatte der Blonde gemeint, dass auch er einen Schatten hinter sich habe, nur bei ihm würde dieser die Hände bereits nach ihm ausstrecken und sie ihm langsam um die Kehle legen... Das einzige, was ich über Roses Geisteszustand erfahren hatte, war, dass er nicht immer ein einfaches Kind gewesen war. Mit der Zeit sei es besser geworden, aber stabil war er wohl noch immer nicht. Genaueres hatte ich allerdings nicht erfahren. Mir kam es so vor, als sei er wirklich gestört, wenn er meinte, irgendwelche Auren und Schatten zu sehen. Ich hatte den Verdacht, dass er mit diesen Auren meinte, dass er sehen konnte, ob die jeweiligen Menschen ‚gut’ oder ‚böse’ waren. Bei ihm ‚zuhause’, also in seinem Clan, waren alle dunkel. Das würde hinkommen, schließlich waren sie alle keine Unschuldslämmer. Und dass ich ebenfalls ‚dunkel’ war, stimmte auch. Ob hier so viele ‚gute’ Menschen herumliefen, das konnte ich nicht beurteilen. Vielleicht hatte Rose einfach nur eine sehr gute Beobachtungsgabe und wandelte diese Beobachtungen in ‚Auren’ der jeweiligen Personen um. Das mit den Schatten schrieb ich einer Paranoia zu. Er sagte von sich selbst, dass er von einem verfolgt würde, so wie ich. Wahrscheinlich hatte er Angst vor dem Tod. Was das allerdings mit dem Wissenschaftler zu tun hatte, blieb mir schleierhaft. Ohne ein Klopfen wurde die Zimmertür aufgerissen und sofort darauf wieder zugeknallt. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Rose war. Er hatte die Angewohnheit, sich auf den Gängen zu beeilen, als habe er Angst, irgendetwas oder –jemand würde ihn dort angreifen. Das Zimmer hingegen war offenbar ein Ort des Schutzes für ihn, schließlich brachte er sich hier vor den Gängen in Sicherheit. Bevor ich irgendetwas sagen oder tun konnte, hatte Rose mir meine Zigarette abgenommen und sie im Aschenbecher, den ich hierher geschmuggelt hatte, ausgedrückt. Finster sah er mich an. „Hey, die kosten Geld“, meinte ich sanft. „Sie können dich umbringen“, erwiderte er ernst. „Ach, es gibt so vieles, das mich umbringen kann“, seufzte ich. „Da begehe ich lieber Langzeit-Selbstmord. Lass mich raten – du trinkst auch nicht?“ Er schüttelte den Kopf und schürzte unzufrieden die Lippen. „Was begehst du denn dann für Sünden?“, fragte ich scherzhaft. Roses Gesicht wurde ausdruckslos. „Meine Existenz ist verknüpft mit einer einzigen Sünde“, antwortete er leise. Dann drehte er sich um und legte sich hin, streckte sich auf seinem Bett aus. Ich betrachtete ihn. Wenn er nur nicht solche Andeutungen machen, sondern auch mal konkreter werden würde... Es interessierte mich. Am diesem Abend fing alles erst richtig an. Nach dem Abendessen liefen Rose und ich Shizuko über den Weg, die ein wenig abwesend wirkte und beinahe an uns vorbei gegangen wäre. „Guten Abend“, begrüßte ich sie, als sie schon halb an mir vorüber war. Sie blieb stehen und schaute mich wortlos an. „Ist irgendetwas passiert?“, wollte ich wissen. Sie seufzte leise. „Ich weiß, dass es mich nicht so treffen sollte, wenn einem Patient etwas zustößt, aber über so etwas komme ich immer sehr schlecht hinweg“, gab sie ehrlich zu. „Kennen Sie den Mann, der sich für diese drei Wissenschaftler gleichzeitig gehalten hat? Er hatte heute Nachmittag einen Schlaganfall und ist gestorben. Entschuldigen Sie mich, aber ich muss deshalb noch einiges regeln. Gute Nacht, schlafen Sie beide gut.“ Ich starrte ihr einen Moment hinterher, sprachlos geworden. Das war.... Dann wandte ich mich Rose zu. Der blinzelte mich mit großen angsterfüllten Augen an. „Geh“, befahl ich ihm knapp. Er zögerte. „Geh, oder ich ziehe dich den ganzen Weg“, fügte ich leise hinzu. Das schien ihn überzeugen, denn er ging los zum Zimmer, schneller als vorher. Dort angekommen, schloss ich die Tür hinter uns. „Rose“, begann ich kurz angebunden. „Ich war es nicht!“, rief er sofort und wich vor mir zurück. „Ich habe nichts gemacht! Ich war die ganze Zeit hier, du warst doch mit mir hier, du weißt es doch, ich habe nichts gemacht!!“ Ihm stiegen Tränen in die Augen. „Bitte, denk nichts Falsches von mir, es ist nicht meine Schuld, es tut mir leid, ich...“ Er brach ab und ging noch ein paar Schritte rückwärts, weshalb er über einen Stuhl stolperte und zu Boden fiel. Irritiert beobachtete ich ihn. Hatte ich ihm irgendeinen Grund gegeben, so zu reagieren, solche Angst vor mir zu haben? „Rose...“, fing ich an, hielt dann aber inne und schüttelte den Kopf. „Beruhig dich erst mal.“ Er zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. „Ich kann nichts dafür“, wiederholte er leise. „Ich habe nichts getan, ich war es nicht...“ „Das behauptet doch auch keiner“, meinte ich ruhig. Er sah unsicher zu mir auf. „Ich wollte lediglich eine Erklärung von dir. Wie kommt es, dass du wusstest, dass dieser Mensch kurz vor dem Tod stand?“ „Der Schatten hinter ihm war so nah“, murmelte er. „So nah an ihm...“ „Du meinst, von der Entfernung des Schattens zu der jeweiligen Person hin kannst du darauf schließen, wie lange diese Person noch lebt?“, fasste ich zusammen. Rose nickte leicht. „Deshalb möchte ich hier weg... als ich hier angekommen bin, ist mein eigener Schatten viel zu nah an mich herangetreten...“ Ich atmete einmal tief durch. Ich hielt das, was er da erzählte, für kompletten Schwachsinn, aber irgendwoher musste er gewusst haben, dass dieser Typ sterben würde. Vielleicht hatte der Blonde es ihm auch lediglich angesehen, dass er sehr schwach gewesen war, und darauf geschlossen, dass er in den nächsten Tagen sterben würde. Irgendeine Erklärung dafür gab es bestimmt. „Aber du hasst mich doch jetzt nicht, oder?“, flüsterte er. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich es sehe...“ Kurzerhand hockte ich mich vor ihn und war schon froh, dass er nicht weiter nach hinten krabbelte, sondern mich nur bittend ansah. „Nein, ich hasse dich nicht“, beruhigte ich ihn. „Wie du schon sagtest, es war nicht deine Schuld. Nichts von allem.“ „Danke“, erwiderte er aufrichtig und erlaubte mir wieder einen flüchtigen Blick auf ein Lächeln. „Du bist so nett zu mir... freiwillig, und das, obwohl du mich nicht kennst...“ „Was hältst du dann davon, wenn du mir von dir erzählst?“, fragte ich sanft. „Damit ich eine Chance bekomme, dich kennen zu lernen.“ Er musterte mich überlegend und nickte dann zögernd. „Okay... macht man das normalerweise so, wenn man sich kennen lernt? Man erzählt sich gegenseitig von sich selbst?“ „Nicht immer“, erwiderte ich. „Aber ein guter Anfang ist es auf jeden Fall. Warum fragst du?“ „Ich... hatte nie wirklich die Chance, andere Menschen richtig kennen zu lernen“, meinte er mit einem traurigen Gesichtsausdruck. „Dann wird es mal Zeit.“ Ich stand auf und hielt ihm eine Hand hin. Er ergriff sie vorsichtig und gab ein erschrockenes Geräusch von sich, als ich ihn auf die Beine zog. Sofort löste er seine Hand wieder von meiner und sah mich halb erstaunt und halb verschreckt an. Wie ein verängstigtes Tier, dachte ich. „Setzen wir uns woanders hin als auf den Boden, ja? Das ist wahrscheinlich bequemer.“ Ich nahm auf meinem Bett Platz und Rose, wie erwartet, auf seinem. Er hielt zu mir noch immer seine körperliche Distanz. Das würde sich bestimmt legen, wenn unsere psychische sich verringerte. „Was... möchtest du denn wissen?“, fragte er unsicher. „Mh...“ Ich dachte nach. „Warum du hier bist. Das ist das Naheliegendste, finde ich.“ „Das ist.... nicht so schnell erklärt“, meinte er stirnrunzelnd. „Macht nichts. Wir haben Zeit“, versicherte ich ihm. „Uhm...“ Rose überlegte eine Weile. „Ich bin... ziemlich streng erzogen worden, wenn ich nicht das tat, was von mir verlangt wurde, dann wurde ich bestraft. Wenn ich allerdings die Erwartungen erfüllte, wurde ich jedes Mal mit Lob, Liebe und Anerkennung überschüttet, also war es nicht ganz so schlimm. Trotzdem konnte ich mich nicht so entfalten, wie ich es vielleicht hätte tun sollen.... Viel Individualismus wurde in meiner Familie auch nicht geduldet.“ Ja, das hörte sich nach dem Suzuki-Clan an. Herzlich, aber erdrückend. Und vor allem bei den Erben. „Irgendwann als kleines Kind begann ich, Auren wahrzunehmen. Erst nur als unscheinbares Licht auf der Brust, aber mit der Zeit wurde es immer deutlicher, weshalb manche Menschen regelrecht leuchteten und andere die gesamte Gegend verdunkelten. Und dann kamen noch die Schatten hinzu... als ich meiner Familie davon erzählte, versuchten sie erst, es mir mit aller Kraft aus dem Kopf zu schlagen, diese Seite an mir zu unterdrücken, mich wieder ‚normal’ zu kriegen... Es hat nichts gebracht. Aber das alles war nicht so schlimm wie das, zu dem ich gemacht wurde. Das war der eigentliche Auslöser dafür, dass ich hier hin gekommen bin, von meiner Familie quasi ‚abgeschoben’ wurde... das, was ich bin. Die Kreatur, die ich bin... Sie wollten mich loswerden, deshalb bin ich hier. Und jetzt bin ich an diesem unheimlichen Ort, an dem viel zu helle Auren und viel zu viele Schatten sind... und alles ist fremd und neu und ungewohnt und ich bin einsam.“ Während er erzählte, schaute der Blonde mich nicht an, sondern sprach mehr mit dem Boden. Sein Gesichtsausdruck war abwesend und niedergeschlagen. Das, was er war? Und was sollte das sein? Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Er sollte eine Kreatur sein? Also auf mich wirkte er wie ein ganz normaler Mensch. Ich mochte mich täuschen und in Wirklichkeit war er ein Alien oder so etwas. Außerdem passte das, was er da erzählte, nicht so ganz zu der Information, dass Rose der Liebling seines Vaters war. Mir war gesagt worden, dass er immer von ihm bevorzugt und speziell behandelt wurde... „Aber es gibt eine Sache, die mir alles ein bisschen einfacher macht“, fügte Rose noch hinzu und sah mich wieder mit diesem halb lächelnden Ausdruck an. „Ich merke sofort, wenn jemand lügt.“ Das ließ mich stutzen. Er bemerkte es auf der Stelle, wenn jemand ihn anlog? „Falls dich das erstaunt hat, dass ich dir nach diesem einen Mal vor zwei Wochen mehr vertraut habe als vorher... ich hatte dich ja gefragt, ob du mir etwas Böses willst, und du hast nein geantwortet. Und das war die Wahrheit.“ Er schwieg einen Augenblick. Ich hatte nicht gelogen? Irgendwie glaubte ich ihm nicht so ganz. Er konnte ja wohl schlecht Leuten, die er überhaupt nicht kannte, ansehen, ob sie die Wahrheit sagten oder nicht. Der Kleine schien sich ziemlich viel einzubilden, von Auren über Schatten zu solchen Sachen. Aber vielleicht hing es ja mit seiner Daseinsform zusammen, was auch immer er sich da zusammenfantasierte. So langsam konnte ich nachvollziehen, warum seine Eltern für ihn ausgerechnet so einen Ort ausgewählt hatten, um ihn zu verstecken. „Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum du dich so um mich kümmerst“, sprach er nachdenklich weiter. „Und vor allem ganz am Anfang, als du mich überhaupt noch nicht kanntest...“ Ihm schien ein Gedanke zu kommen. Er hob den Blick und musterte mich skeptisch, betrachtete die Tattoos auf meinen Armen. Ich konnte mir denken, was er dachte. Vielleicht hätte ich ein wenig subtiler vorgehen sollen und nicht gleich so für ihn sorgen sollen... Er schien den Verdacht bekommen zu haben, dass ich irgendetwas mit seiner Familie zu tun hatte – so viele Tattoos hingen meist mit Yakuza zusammen. Andererseits konnte er sich nicht selbst als Yakuza outen und mich direkt darauf ansprechen. Ich musste vorsichtig sein. „Erzähl doch mal von dir“, forderte er mich neugierig auf. „Warum bist du hier?“ Hm. Eine Gegenfrage hatte ich nicht erwartet. Wenn ich jetzt das antwortete, was ich normalerweise erwidert hätte, könnte es sein, dass er es als Lüge erkannte. Ich glaubte ihm zwar nicht, dass er wusste, wann ich log, aber andererseits wollte ich auch kein Risiko eingehen und sein Vertrauen in mich zunichte machen. „Ich... rede nicht so gerne darüber“, gab ich zögernd zurück und wusste selbst, dass es eine schlechte Ausrede war. „Bitte, sag doch mal“, drängte Rose mich auch sofort. „Ich hab dir auch von mir erzählt.“ „Na ja... das hört sich jetzt ein wenig seltsam an, aber ich sehe tote Menschen.“ ##### „So... und Sie haben sich freiwillig einweisen lassen?“, stellte der Psychiater fest und fixierte mich scharf über den Rand seiner halben Brille hinweg. Ich nickte, erwiderte aber nichts. „Obwohl Sie der Ansicht sind, soweit bei Verstand zu sein?“, fügte er hinzu, um mich zum Reden zu bewegen. Wieder nickte ich. „Ich weiß, dass ich normal denken kann. Wenn man mich kennt, wenn man mich sieht, mich reden hört, dann würde man niemals auf den Gedanken kommen, dass ich nicht bin wie alle anderen. Ich tue nichts, wofür ich seltsam angesehen werde, ich kann logisch denken, solche Sachen. Alles kein Problem.“ „Und was IST das Problem?“, wollte er in seiner ruhigen Art und Weise wissen, die mich bereits jetzt schon reizte. Er gab mir das Gefühl, unendlich schlauer und höhergestellter zu sein als ich, und solche arroganten Ärzte hatte ich schon mein Leben lang nicht ausstehen können. Es war allerdings unabdinglich, dass ich meine Rolle durchzog, egal, ob mir die Seelenklempner sympathisch waren oder nicht. „...Das ist ein vertrauliches Gespräch, oder?“, stellte ich eine Gegenfrage. „Natürlich. Alles, was Sie hier sagen, wird strengstens vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben“, beteuerte er so glaubwürdig, dass er mir beinahe hätte eine Versicherung andrehen können. Dadurch wurde ich nur noch skeptischer, aber ich ließ mich dadurch nicht beirren. „Ich denke, bevor Sie mich hier aufgenommen haben, sind Sie bereits mein Vorstrafenregister durchgegangen, nicht wahr?“, fragte ich weiter. Es schien ihn zu beunruhigen, dass nicht er es war, der die Fragen stellte, dennoch nickte er. „Die ganzen Diebstähle, Geldbußen wegen Körperverletzung und so weiter dürften Sie allerdings nicht so sehr interessiert haben wie die Tatsache, dass mehrere Male gegen mich wegen Mordes ermittelt wurde“, fuhr ich fort. Glücklicherweise hatten die Zeugen immer kurz vor dem Urteil noch ihre Aussage zurückgezogen oder waren auf seltsame Weise tödlich verunglückt. „Ich sage Ihnen auch ganz offen, dass ich bereits gemordet habe. Nicht nur das, ich habe auch genügend Leichen gesehen, dass es für einen großen Friedhof gereicht hätte.“ „Und das unterscheidet Sie von den ‚normalen’ Leuten?“ Schwach lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Nein. Das ist für die Leute, mit denen ich verkehre, der Normalzustand. Aber ich... ich werde von meinen Opfern verfolgt. Nicht nur von meinen Opfern, von allen Leichen, die ich je gesehen habe.“ Der Psychiater lehnte sich etwas vor. Anscheinend wurde es interessant. „Inwiefern verfolgt?“, wollte er wissen. „Ich unterhalte mich mit einem Bekannten, biege um die Ecke und mit einem lauten Schreien fällt eine in einen Kimono gekleidete Frau vom Himmel, direkt vor meine Füße. Sie hat sich das Genick gebrochen, liegt auf dem Rücken und starrt mich mit schreckgeweiteten Augen an. Das wäre ein Beispiel“, erzählte ich ruhig, als würde ich einen Film wiedergeben, den ich mal gesehen hatte. „Und.. diese Frau haben Sie mal gesehen?“ „Dieser Frau habe ich beim Sterben zugesehen, ja“, bestätigte ich. „Alle Leute, die ich gesehen habe, während sie gestorben sind oder als sie schon tot waren, tauchen immer wieder unvermittelt auf. Ein erwürgter älterer Mann, zum Beispiel, erscheint manchmal, wenn ich aus der Dusche steige. Er greift mit seinen Händen nach mir, aber sie berühren mich nicht, sie gehen durch meinen Körper hindurch... und irgendwann bricht er zusammen und verschwindet. Das tun sie alle, wenn ich lange genug warte, irgendwann verschwinden sie wieder.“ Der Doktor räusperte sich leise und setzte seine Brille ab, musterte mich eindringlich. „Und... gibt es irgendetwas Besonderes an diesen... toten Menschen? Wirken sie wie Geister, oder...“ „Ihre Gesichter sind unscharf“, antwortete ich nachdenklich. „Sie sehen wie ganz normale Menschen aus, jedes Detail ist vorhanden, nur ihre Gesichter sind schwer erkennbar. Ansonsten sind sie weder durchsichtig noch haben sie keine Füße. Wie Menschen eben. Das ist eben das Schlimme, wenn man immer wieder irgendwelche sterbende oder tote Menschen sieht...“ Ich schüttelte wieder den Kopf. „Mit der Zeit wurden es immer mehr. Und es beginnt sich zu wiederholen, eine Frau, die erst vergewaltigt und dann zu Tode gestochen wurde, erscheint ganz besonders oft, etwa einmal im Monat. Ihr läuft das Blut noch die Oberschenkel hinunter, dann kommen nach und nach immer mehr Wunden hinzu, bis das Blut schließlich noch auf den Boden tropft und sie langsam in sich zusammen sinkt, die Hände in ihren Haaren vergraben, den Mund zu einem lautlosen Schreien geöffnet...“ Es war sehr schwer, mir ein Grinsen zu verkneifen, als der Arzt fast unmerklich schauderte. „Gut, also ich denke, für den Anfang reicht es erst einmal“, meinte er und nickte. „Warum haben Sie sich denn dazu entschlossen, gleich in unsere Klinik zu gehen, anstatt es erst einmal so mit einem Psychiater zu versuchen?“ „Ganz einfach.“ Ich lächelte leicht. „Hier komme ich nicht so sehr in Versuchung, wieder zu morden. Und mit Leichen werde ich hier auch nicht so viel zu tun haben.“ Das schien ihn zu überzeugen. Angeordnet wurden mir vier Sitzungen pro Woche. Mit einem anderen Psychiater als der, mit dem ich das erste Gespräch hatte, mit einem, der etwas härter im Nehmen schien. Ich machte es mir als Ziel, ihn auch noch klein zu kriegen. Bis Rose in die Nervenklinik kommen würde, dauerte es bestimmt noch etwas, also verbrachte ich viel meiner Zeit damit, mir immer neue Seiten meiner erfundenen Persönlichkeit auszumalen. Ich hatte vom Suzuki-Clan eine neue Identität bekommen, musste diese allerdings noch anschaulicher gestalten, ihr Farbe geben. Als sie in die Anstalt kam, war sie noch ein weißes Blatt, das beschrieben werden musste. Ich verlieh ihr immer makaberere Züge, ließ sie in manchen Räumen eine Ansammlung Gehängter von der Decke baumeln sehen und Angst vor großen Menschenmengen bekommen. Während sie vom Auftreten her immer gelassener, immer ruhiger und stoischer wurde, verfächerte sich ihr Inneres zu einer Vielfalt aus Empfindungen, Ängsten und schrägen Eigenschaften. Es machte mir Spaß, mir neue Geschichten für den Seelendoktor auszudenken, um ihn langsam aber sicher selbst fertig zu machen. Da ich in meinem gesamten Leben bereits viele verschiedene Persönlichkeiten dargestellt hatte und teilweise auch für Jahre geworden war, bereitete es mir keinerlei Schwierigkeiten, die Dinge, die ich im Kopf hatte, glaubwürdig auszudrücken. Ich erfand eine liebevolle Mutter, die allerdings früh gestorben war, eine todessehnsüchtige Schwester, die sich letztendlich auch umbrachte sowie einen Vater, der sich nicht um seinen Sohn scherte. Ich ersann ein Leben auf der Straße, geprägt durch Brutalität, Verzweiflung und Hass sowie unzähligen Leichen. Ich erdichtete mir Opfer, als Material dienten mir Menschen, die ich eigenhändig umgebracht hatte, bei deren Tod ich hatte dabei sein dürfen oder müssen oder die ich lediglich im toten Zustand kennen gelernt hatte, manchmal ließ ich mich durch Filme, Spiele oder Bücher inspirieren und arbeitete das alles in mein feines Netz aus tödlichen Verstrickungen hinein. Es war unterhaltsam, spannend und interessant. Nicht nur, diese völlig neue Person zu schöpfen, sondern auch miterleben zu können, wie sie bei anderen ankam. Die Reaktionen des Arztes waren manchmal regelrecht erheiternd, wenn er so vertieft in meine neue Erzählung schien, als wäre ich ein Geschichtenerzähler und er das erwartungsvolle Kind zu meinen Füßen. Die Schwestern, die natürlich Bescheid darüber wussten, was ich dem Psychiater berichtete, beäugten mich entweder misstrauisch oder neugierig, manche wandten sich von mir ab, andere hingegen wirkten beinahe angezogen, fasziniert von mir. Und wieder anderen schien es egal, was ich hatte, Hauptsache, ich brachte ein wenig Abwechslung in ihren Alltag. So jemand war Shizuko. Sie hatte mich gleich an meinem ersten Tag in der Klinik angesprochen und seitdem herrschte eine gewisse Sympathie zwischen uns beiden. Im Gegensatz dazu stand die Beziehung eines anderen Pflegers zu mir. Sein Name war Nao, und er war der einzige, der mir, wenn überhaupt, mit offener Feindseligkeit begegnete. Ich wusste auch nicht, warum, ich hatte ihm nichts getan. Wie auch immer. Zumindest half mir diese Beschäftigung, die Langeweile in der Anstalt teilweise zu verdrängen. ##### ~*~*~*~ tbc~ Hoffnung ist die Freundin der Träume und die Schwester der Illusionen. *random Spruch anbring* also ICH hoffe ja, dass ihr noch weiterlest, weil die guten Stellen sowieso erst später kommen ;) „Ich vergreife mich nicht an Kindern.“ -------------------------------------- Beta’d: von der unvergleichlichen Tattoo, die immer noch Zeit und Geduld hat A/N: es geht so langsam los... ;) ~*~*~*~ Nach diesem einen Tag wurde es merklich angenehmer. Ich wurde nicht mehr so oft von Rose angeschwiegen und allgemein schien er immer mehr Vertrauen zu mir zu fassen. Er erlaubte es sich zunehmend, Schwächen vor mir zu zeigen und auch zuzugeben, er wurde offener und erzählte mir mehr von sich. Im Gegenzug erzählte ich ihm mehr von mir. Nicht von der Person, die ich mir erschaffen hatte, das hätte er gemerkt. Ich stellte ihn einmal auf die Probe und behauptete, dass ich für mein Leben gern Zitroneneis essen würde, dabei hasste ich es wie die Pest. Sofort schaute mich der Blonde irritiert an und fragte mich, warum ich ihn angelogen hatte. ...Unheimlich. Seitdem gab ich mir Mühe, nie wieder in seiner Gegenwart zu lügen, was sich als sehr schwierig herausstellte, bis ich irgendwann beschloss, ihm mehr von mir, von meiner eigenen Person preiszugeben. Sonderlich schaden konnte es ja nicht, der einzige Effekt war, dass er mir nur noch mehr vertraute. Entschieden, ob ich ihn nach getaner Arbeit umbringen oder ihm sein Leben lassen würde, hatte ich auch nach weiteren zwei Wochen, also insgesamt bereits seit einem Monat nicht. Es kam mir kürzer vor. Nach genau dreißig Tagen unserer Bekanntschaft konnte ich ihn das erste Mal dazu bewegen, das Klinikgebäude zu verlassen. „Warum gehst du denn nur so selten nach draußen?“, wollte ich wissen, nachdem wir an die frische Luft getreten waren. Rose atmete einmal tief ein und sah sich anschließend misstrauisch um, ehe er hinter mir her hastete. „Draußen ist es gefährlich“, erwiderte er und berührte kurz meinen Unterarm. „Das habe ich schon als Kind gelernt, überall sind Leute, die mir nichts Gutes wollen. Und außerdem macht es mich unsicher, wenn ich den großen weiten Himmel sehe, weil ich wissen sollte, wie unwichtig ich eigentlich bin, ich kann es mir nur nicht vorstellen...“ Ich lächelte leicht. „Aber wenn diese Leute dir wirklich Böses wollen, dann werden Mauern sie nicht aufhalten. Und kommst du dir nicht auch unwichtig vor, wenn dir aufgeht, wie groß die Welt eigentlich ist, dass jeder sein eigenes Leben führt und dass man selbst für den einen der Mittelpunkt seines Daseins, für den anderen aber nur der Arsch, der einem die Vorfahrt nimmt, sein kann?“, bemerkte ich und schritt weiter den Weg entlang. Ich wollte zu einer bestimmten Stelle, und das möglichst, bevor der Blonde wieder umkehren wollte. Er konnte ziemlich dickköpfig sein, das hatte ich bereits erleben dürfen. „Natürlich, aber für mich ist Draußen-Sein immer mit Bedrohung verbunden“, meinte Rose, der unsicher hinter mir her gegangen war und unvermittelt stehen blieb. „Warte mal!“, forderte er bestimmt. Irritiert hielt auch ich inne und drehte mich zu ihm um. „Was ist denn?“, fragte ich ihn besorgt. Er wirkte ein wenig aufgewühlt und schien nicht so ganz zu wissen, was er machen sollte. „Fass mich an“, murmelte er leise und wich dabei meinem Blick aus. Ich hob eine Augenbraue. „Bitte?“ Kurzerhand griff er nach meiner Hand und schlang seinen anderen Arm um meinen, drückte sich etwas an mich. „Das beruhigt mich“, erklärte er noch immer leise. „Ach Rose“, seufzte ich und schüttelte leicht den Kopf, ging dann weiter, bis zu einer Bank, die genau der Sonne zugewandt war und vor einem Blumenbeet mit unheimlich farbenfrohen Blüten stand. Die meisten von ihnen waren pink. „Oh, das gefällt mir“, meinte der Blonde schwach lächelnd und ließ sich mit mir zusammen auf die Bank sinken, schmiegte sich dabei aber weiterhin dicht an mich. Eine Weile saßen wir nur schweigend da, genossen die warmen Sonnenstrahlen und die erfrischende Brise, die von Zeit zu Zeit wehte. Irgendwann zog ich meinen Arm aus Roses Umklammerung, was er mit einem widerwilligen Geräusch quittierte, dann allerdings lächeln musste, als ich ihm den Arm um die Schultern legte. Auf der Stelle kuschelte er sich dichter an mich und legte mir den Kopf an die Schulter. „Wie kommt es, dass du mit einem Mal so anschmiegsam wirst?“, fragte ich leise und warf ihm einen kurzen Blick zu. Bis heute hatte er mir nicht erlaubt, ihn zu berühren, daher überraschte mich sein unvermittelter Sinneswandel. „Mir war danach“, antwortete er leichthin. „Eigentlich hatte ich es schon viel eher gewollt, nur da war ich mir nicht sicher, ob du davon so begeistert wärst... oder ob du es falsch verstehen würdest.“ „Und was hat dich dazu gebracht, dir so sicher zu sein, dass ich das nicht tue?“, wollte ich weiter wissen. „Nichts.“ Er zuckte die Achseln. „Ich hab es einfach ausprobiert.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. Hatte ich so distanziert gewirkt oder hatte er einfach so viel Angst, zurückgewiesen zu werden? Auf jeden Fall war es niedlich. Und ich sollte es nicht falsch verstehen? Gab es denn da etwas, das ich falsch verstehen könnte? Hm, ich war mir sicher, wenn ich es drauf anlegen würde, dann könnte ich ihn ohne Probleme verführen. Die Frage war, ob das für die Aufträge förderlich wäre. Und ob ich es überhaupt wollte. Und ob Rose es wollte. Da kam mir ein weiterer Gedanke und ich sah ihn wieder kurz an. „Hast du schon mal jemanden geküsst?“ Rose schürzte die Lippen. „Nein“, gab er langsam zurück. Nicht? Bei seinem Aussehen müssten die Mädchen doch scharenweise hinter ihm her sein. „Wirklich nicht? Und die Frage, ob du schon mal Sex hattest, erübrigt sich dann, oder?“ Er nickte leicht. „Und wie hältst du dann den Druck aus?“, fragte ich weiter. Ich kam nicht umhin, ihn ein wenig zu triezen. „Druck?“, wollte er mit gerunzelter Stirn wissen. Ich sah ihn einen Moment wortlos an. „Was... oh!“ Seine Augen wurden groß, als er verstand, was ich meinte. „Oh. Uhm... ich muss ihn ja aushalten, wenn ich selbst was dagegen machen würde, dann würde ich doch blind, oder nicht?“ Bitte?? Ich starrte ihn an. „Ich glaube, du hast ... einiges an Nachholbedarf“, bemerkte ich trocken. Rose hob den Kopf und schaute mich an. „Hilfst du mir dabei?“, bat er. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nein, lass dir das mal schön von jemand anderem zeigen, ich werde deine Situation ganz bestimmt nicht ausnutzen...“ Langsam breitete sich ein echtes Lächeln auf Roses Gesicht aus, das erste, was ich je zu Gesicht bekommen hatte. Es stand ihm ausgesprochen gut. „Was denkst du von mir?“, wollte er wissen und knuffte mich in die Seite. „Klar hatte ich schon mal Sex, natürlich hab ich schon mal jemanden geküsst... aber ich sag dir nicht, wen, sonst denkst du wirklich was Falsches von mir.“ .....Also bitte. Nicht nur, dass er es sich erlauben wollte, mich zu verarschen, er schaffte es auch noch. Ich lächelte leicht. „Lass mich raten – es war ein Mann?“ Wieder wurden seine Augen groß. „Woher weißt du das? Merkt man mir das an?“ Nur ein bisschen, Kleiner, dachte ich mir im Stillen. Ich hätte mich selbst darauf verwettet, dass er schwul war, so, wie er sich verhielt und redete... und er mochte pink. „Na ja, wenn man weiß, worauf man achten muss...“ Ich zuckte mit den Schultern. „Du...“ Roses Augen zeigten immer mehr Erstaunen. „Du auch?“ „Glaubst du, ich hätte dich sonst mit mir kuscheln lassen?“, wollte ich wissen und strich ihm eine Haarsträhne zurück. „Aber bitte, fang gar nicht erst an, dir Hoffnungen zu machen. Obwohl ich dich unheimlich nett finde und kein Problem darin sehe, mit dir zu kuscheln, schlafen werde ich nicht mit dir. Dazu bist du mir ein bisschen zu jung und unerfahren“, fügte ich hinzu. „Jung?“, wiederholte er unzufrieden. Ich lächelte leicht. „Ich bin mehr als zehn Jahre älter als du.“ Das schien er durchgehen zu lassen. Er lehnte seinen Kopf wieder an mich. Einige Minuten herrschte angenehmes Schweigen, man hörte nur gelegentlich Vogelgezwitscher. „Darf ich dir mal eine persönliche Frage stellen?“, murmelte Rose anschließend. „Klar, was denn?“, gab ich zurück und erwartete schon das Schlimmste. „....Wie heißt du noch mal?“ Das ließ mich breit grinsen. „Du vertraust mir so weit, dass ich dich anfassen darf und dass du mir persönliche Dinge erzählst, und du weißt nicht mal meinen NAMEN?“ Er wurde rot. „Erst war es mir ziemlich egal, und dann war es mir zu peinlich zu fragen...“, verteidigte er sich schwach. „Ich bin Hakuei“, lächelte ich und strich ihm zärtlich über den Nacken. „Hakuei“, wiederholte er und nickte. „Okay, ich merk es mir dieses Mal.“ ~*~ Rose hatte mir die Sache mit den toten Menschen anstandslos geglaubt. Dadurch wurde alles etwas komplizierter, da mir nicht klar war, ob er nur manchmal wusste, wann ich log, oder ob er es eigentlich nicht wusste, sondern nur so getan hatte. Dennoch passte ich weiterhin auf, was ich von mir gab. Schwierig wurde es erst, wenn er mir eine direkte Frage stellte wie die, ob ich mit seiner Familie zu tun hatte. Wich ich aus, dann wusste er die Antwort auf jeden Fall, log ich, war ich mir nicht sicher. Aber was sicher war: Danach würde er mir nicht mehr vertrauen, egal, was ich tat. Es war schwierig, aber ich versuchte, solchen Fragen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Was allerdings zunehmend zu einem Problem wurde, war die Tatsache, dass der Blonde immer häufiger offene oder diskretere Annährungsversuche startete. Es störte mich nicht, wenn er beim Fernsehen zu mir aufs Bett kam, ich hatte auch nichts dagegen, wenn er dabei kuscheln wollte, aber wenn er dabei meinen Hals anknabberte und sich eine Hand auf meinen Oberschenkel verirrte, wurde es mir doch zu viel. Nicht, dass ich so von Rose abgeneigt wäre, ich fand ihn durchaus attraktiv, wenn auch etwas dünn. Aber er war nun mal nicht mein Typ. Ich stand nicht auf diese niedlichen, fluffigen, dackeläugigen und pinkfarbenen Bishônen. In weiblicher Ausführung könnte ich jedes Mal kotzen, wenn ich so jemanden sah. Was ich wollte, war etwas anderes – ich wollte jemanden, der nicht so schwach, nicht so kümmer-dich-um-mich-ich-bin-doch-soooo-süß war. Ich hatte schon einige Menschen kennen gelernt, die genau das waren, was ich mir unter einer guten zweiten Hälfte vorstellte, Männer wie Frauen. Aber es hatte nie etwas Dauerhaftes werden können, länger als ein Jahr war unmöglich. Entweder bekam ich einen Auftrag, der mich zwang, die Beziehung aufzugeben, die jeweilige andere Person wurde umgebracht, fand jemand anderen oder wollte mich nicht mehr. Aber so wirklich interessieren tat es mich nicht – ich wartete. Ich war mir sicher, irgendwann würde ich mein Gegenstück finden, das genau das war, wonach ich suchte. Vielleicht hatte ich es bereits seit Jahren vor Augen und bemerkte es nur nicht. Ich hätte kein Problem damit, mit Rose zu schlafen, schließlich war er mir wirklich sympathisch. Aber genauso gut hatte ich kein Problem damit, keinen Sex mit ihm zu haben. Er sah das definitiv anders. „Also so langsam werde ich echt ungeduldig“, knurrte Gara leise, als ich mich neben ihn stellte. „Und der Grund dafür wäre?“, wollte ich wissen und hob eine Augenbraue. „Wenn du meinst-“ „Du hattest bereits über einen Monat Zeit, fast eineinhalb, und du machst immer noch keine Fortschritte. Wir wissen nicht, wann die Suzukis ihn wieder da raus holen, deshalb würde ich dir wirklich raten, dass-“ „Halt erst mal die Luft an“, unterbrach ich ihn ruhig. Er musterte mich finster. Ich mochte ihn nicht wirklich, er war zu sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Würde es bei dem Auftrag nicht um seinen eigenen Kopf, sondern um den eines lange ohne Grund verhassten Verwandten gehen, dann würde er mich beschwichtigen, dass es nicht so wichtig wäre, den Auftrag auszuführen. Na ja, er war nun mal Yakuza. Das war es auch, was mich an ihnen störte – sie waren viel zu sehr auf ihre eigene Person bezogen. Anders gedacht – unterschied ich mich da so viel von ihnen? Ich löschte Menschenleben aus, um Geld zu bekommen. Und die Tatsache, dass ich es nicht allzu gerne tat, machte es auch nicht besser. Was höchstens noch zählen könnte, war, dass ich nach diesem Auftrag ganz aufhören würde, dann hätte ich endlich ausreichend Geld, um mir ein schönes Leben, fern von Gewalt, Verrat und Leichen zu machen. Nun ja, ich konnte es auch verstehen, wenn andere Menschen mich unsympathisch fanden, aber bis sie keine Heiligen waren, fand ich, konnten sie mir nichts erzählen. „Fortschritte gibt es durchaus“, redete ich weiter. „Er vertraut mir immer mehr und erzählt mir immer persönlichere Dinge. Es läuft schon in die gewünschte Richtung.“ „Dann frag ihn doch gleich, dann hast du’s hinter dir“, versuchte Gara mich zu drängen. „Ich sagte, dass er mir ‚immer mehr’ vertraut, nicht ‚vollkommen’“, korrigierte ich ihn sachlich. „Gib mir Zeit, das ist alles, was ich brauche. Mehr Zeit, und er frisst mir aus der Hand. Du willst doch, dass ich meinen Job ordentlich erledige, oder?“ „Natürlich, aber wenn ich dir noch mehr Zeit gebe... wie gesagt, die Suzukis-“ „-werden ihn ganz bestimmt nicht JETZT verschwinden lassen.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wenn sie auch nur ansatzweise wissen, was in ihm vorgeht, dann werden sie ihn nicht einen Monat in eine ihm völlig unbekannte Umgebung stecken, um ihn hinterher an einen ihm nur noch fremderen Ort zu bringen. Ich denke, ein Vierteljahr wird er mindestens bleiben, bis er sich etwas eingewöhnt hat. Außerdem ist er wirklich krank. Hat irgendwelche Halluzinationen und glaubt, sehen zu können, wenn eine Person kurz vor dem Tod steht... Er wird wahrscheinlich noch einiges an Zeit hier verbringen.“ „Was ich allerdings immer noch nicht verstehe, ist, warum sie ihn völlig ohne Schutz in der Klinik lassen“, sprach Gara einen wunden Punkt an, über den er sich jedes zweite Mal aufregte. Ich war jedes Mal kurz davor, ihm zu sagen, dass sie ihn ja nicht ohne Schutz in der Anstalt untergebracht hatten und dass besagter Schutz gerade vor ihm stand. „Das ist doch vollkommen... irrational.“ „Dazu kann ich dir auch nichts weiter sagen.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Aber ich glaube, ich sollte jetzt wieder zurück, bevor er merkt, dass ich nicht da bin.“ „Hat er so einen leichten Schlaf? Oder... fehlt ihm die Wärmequelle neben sich?“, fragte Gara anzüglich grinsend. Ich betrachtete ihn kalt. „Was unterstellst du mir gerade?“, wollte ich leise wissen. Er zuckte die Achseln. „So ... liebevoll und beinahe zärtlich, wie du über ihn sprichst...“ „Ich vergreife mich nicht an Kindern“, antwortete ich kühl. „Ich glaube, er ist nicht mal volljährig. Außerdem soll ich ihn umbringen. Wofür hältst du mich?“ „Mach keinen Scheiß“, warnte Gara mich ernst. „Ich sag es dir, wag es dich nicht, irgendeine Scheiße zu bauen.“ „Hab ich euch je sitzen lassen?“, fragte ich und wandte mich ab. „Komm nicht mehr so oft, sonst wird es noch auffällig. Wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt – ich kann dir per Telefon Bescheid sagen.“ „Mach keinen Scheiß“, wiederholte er zum Abschied. Ich erwiderte nichts, sondern stapfte einfach zurück zum Klinikgebäude. Auf dem Rückweg sah ich im schwachen Licht der Nachtlaternen eine dunkle Gestalt, die es scheinbar gerade noch so torkelnd um die Ecke schaffte, dann allerdings – wie es aussah – zusammenbrach. Als ich um die Ecke bog, konnte ich niemanden erkennen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass mir die Figur der Person bekannt vorgekommen war. Woher, hätte ich nicht sagen können. Seltsam. Ich schaute mich noch etwas um, entdeckte aber nichts. Nein, ICH machte keinen Scheiß. Ich war ja auch vernünftig, bei Verstand, wusste, was ich wollte und was nicht, war erwachsen und hatte schon einiges an Lebenserfahrung. Auf Rose traf keiner dieser Punkte zu. Und so kam es, dass ich zwei Nächte später dadurch wach wurde, dass ich etwas Warmes und Schweres spürte. Auf mir. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, wahrscheinlich das naheliegendste, nämlich, dass Rose seine Annäherungsversuche auch noch auf die Nacht ausgeweitet hatte und mich offenbar im Halbschlaf verführen wollte. Als ich dann allerdings etwas ziemlich Kaltem und Scharfem an meinem Hals gewahr wurde, schlug ich sofort die Augen auf. Rose saß, wie erwartet, auf mir, aber statt seinen Lippen hatte ich ein Messer am Hals. Nun ja. Ich war es gewohnt, aufzuwachen und mich direkt in einer lebensbedrohlichen Situation zu befinden, allerdings ging ich meist nicht davon aus, von einem geistesgestörten Halbstarken angegriffen zu werden, der noch am vorigen Tag die gesamte Zeit ziemlich an mir gehangen hatte. Dadurch ließen auch meine Reflexe oder vielmehr Reaktionen nach, wodurch ich erst reagieren konnte, als die Klinge meine Haut anritzte. So, wie Rose aussah, hatte er überhaupt nicht bemerkt, dass ich bereits aufgewacht war, er schien völlig in einer eigenen Welt versunken. Kurzerhand packte ich das Handgelenk, mit dem er das Messer hielt, drückte es erst von meinem Hals weg und warf ihn dann seitlich vom Bett, sodass er mit einem Aufkeuchen auf dem Boden landete. Blitzschnell folgte ich ihm, setzte mich auf seine Beine und packte seine Handgelenke, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte. Das alles geschah mehr instinktiv, weshalb ich erst dann Zeit bekam zu realisieren, dass ROSE mich gerade hatte umbringen wollen. Da stimmte irgendetwas nicht. „Hakuei... lass mich los!“, forderte der Blonde gequält und wand sich etwas unter mir, versuchte, seine Hände loszureißen, aber ich verstärkte meinen Griff nur so sehr, dass er, vor Schmerz das Gesicht verziehend, das Messer los ließ. „Lass mich los.....“ „Was sollte das?“, flüsterte ich und starrte ihm dabei direkt in die Augen, obwohl er versuchte, meinem Blick auszuweichen. „Sag mir, was sollte das?“ „Ich...“ Er brach ab und sah mich flehentlich an. „Bitte, lass mich wieder los, du tust mir weh.“ „Ich werde dir noch sehr viel mehr wehtun müssen, wenn du mir nicht sagst, was das sollte“, gab ich zurück. „Und danach werde ich dafür sorgen, dass du in ein Einzelzimmer kommst, sodass du gar keinen mehr hast, der sich um dich kümmert. Und das willst du doch nicht, oder? Du willst nicht von mir getrennt, du willst nicht ganz alleine sein, oder?“ An diesem Punkt begann er zu weinen. Ich hätte auch nicht sagen können, aus welchem Grund er es tat, ob er Mitleid wollte, Reue zeigte oder einfach da erst realisierte, dass er mich fast umgebracht hatte. Vor allem verstand ich es nicht – ich wäre fast ermordet worden, und er war es, der heulte. Da konnte doch irgendetwas nicht ganz richtig sein. „Rose, sag mir einfach, warum du mir gerade ein Messer an die Kehle gehalten hast, ja?“, versuchte ich es wieder auf die liebe Tour. Ich hatte das Gefühl, dass diese bei ihm besser funktionierte. „Ich wollte dein Blut“, schniefte er leise und blinzelte mich schuldbewusst an. An seinen Wimpern hingen noch Tränen, und insgesamt machte er einen so miserablen und bemitleidenswerten Eindruck, dass es überhaupt kein Zufall mehr sein konnte. Ich begann mich zu fragen, inwieweit er seine Niedlichkeit auch mit Berechnung einsetzte. „Mein... was?“, fragte ich irritiert. „Dein Blut“, wiederholte er und schluchzte wieder leise. „Aber ich brauche es eigentlich gar nicht, ich habe mich vergessen, es tut mir leid, Hakuei...“ Er sah mich eindringlich an. „Es tut mir wirklich leid, ich wusste nicht mehr, was ich tat. Das wird nicht wieder vorkommen. Auf keinen Fall. Verzeih mir...“ Es wurde alles immer rätselhafter, je mehr er redete. Er wollte mein Blut? Und jetzt bereute er es auf der Stelle? Ich verstand ihn nicht. Aber wahrscheinlich musste ich das auch nicht. Vielleicht ging es überhaupt nicht bei ihm. „Ist okay“, murmelte ich besänftigend. „Entschuldige dich nicht weiter...“ Da er sich nicht mehr wehrte und entspannt hatte, hatte ich auch meinen Griff gelockert, weshalb er nun langsam seine Hände daraus befreite und kurz über einen meiner Unterarme strich, um zu zeigen, dass er mir auch nichts mehr übel nahm. „Wenn so etwas nicht noch mal passiert, kann... nnnh...“ Ohne jegliche Vorwarnung hatte Rose sich auf seine Ellbogen gestützt und mich geküsst. Ich hätte mir auch nicht ausgemalt, dass unser erster Kuss gleich nach einem Mordanschlag von ihm auf mich und seiner sofortigen Reue sein würde. Nun ja, eigentlich hatte ich mir unseren ersten Kuss überhaupt nicht ausgemalt, weil ich darauf gehofft hatte, dass er nie passieren würde. Aber jetzt lagen seine Lippen auf meinen und bewegten sich dagegen, beinahe auffordernd. Nach kurzem Zögern erwiderte ich den Kuss. Warum genau, wäre kompliziert zu erklären. Eigentlich hatte ich so etwas ja vermeiden wollen, allerdings war es nicht von mir, sondern von Rose aus gekommen, dann fühlte es sich wirklich nicht schlecht an und außerdem tat ein Kuss nun mal keinem weh. Während wir allerdings noch einen Schritt weiter gingen und unsere Zungen anfingen, miteinander zu spielen, wurden mir fünf Probleme bewusst. Erstes Problem: Rose war ziemlich hübsch. Zweites: Ich hatte seit etwas mehr als einem halben Jahr keinen Sex mehr gehabt. Drittes: Ich hielt nichts von Selbstbefriedigung. Viertes: Rose wirkte nicht, als würde er sich mit einem Kuss zufrieden geben. Fünftes: Je mehr ich über die Sache nachdachte und auch begann, sie mir grafisch vorzustellen, desto schwieriger wurde es, mich zurückzuhalten. Allerdings gab es noch eine klitzekleine Schwierigkeit: Irgendetwas in mir stellte sich quer. Und dieses Irgendetwas hielt Roses Hand fest, als diese meinen Oberschenkel entlang wanderte, es beendete den Kuss und besaß die Kraft, dem Blonden vor mir ins Gesicht zu sagen, dass es ihm zwar leid tat, es aber nicht mit ihm schlafen würde. Dieses Irgendetwas wurde anschließend von allen gehasst, von meinem Körper und von Rose gleichermaßen, aber es selbst war mit sich zufrieden. Wenigstens besaß es noch den Anstand, mit Rose im Arm ins Bett zurückzukehren und ihn die gesamte Nacht festzuhalten. ~*~*~*~ tbc~ an alles, was hier angedeutet wurde, wird in den nächsten Kapiteln angeknüpft, also bleibt bitte dran und schreibt mir Kommentare, weil sie mich zum glücklichsten Kiru der Welt machen 3 „Hast du schon mal einen Menschen umgebracht?“ ---------------------------------------------- Beta’d: dankenswerterweise von der reizenden Tattoo 3 *schleim* A/N: ich glaube, ich habe noch nie eine so seltsame Person geschrieben wie Rose o_O ~*~*~*~ Ich schwankte. Selbst nach beinahe zwei Monaten war ich mir immer noch nicht sicher, welchen Auftrag ich annehmen würde. Brachte ich Rose unauffällig um, hätte ich die wenigsten Schwierigkeiten – dem Suzuki-Clan könnte ich erzählen, dass ich einen Moment nicht aufgepasst hätte oder so etwas in der Art. Das Problem war: Ich wollte ihn überhaupt nicht töten. Ich fand ihn eine höchst interessante Persönlichkeit, die nicht so viel mit sich anzufangen wusste. Er müsste sich noch weiter entwickeln, mehr Erfahrungen sammeln, einfach noch etwas länger leben, damit er zu einem verantwortungsbewussten und vernünftigen Erwachsenen heranreifen konnte. Aber das würde er, das merkte man in Ansätzen bereits jetzt. Er wirkte auch nicht, als hätte er je etwas Schlimmes getan, und wenn, dann war es eindeutig der schlechte Einfluss seiner Familie gewesen, der ihn dazu gebracht hatte. Ich lebte nach einem Prinzip: Ich versuchte nach bestem Wissen und Gewissen, keinen unschuldigen Personen zu schaden. Dabei ging es nicht um ‚Unbeteiligte’, sondern wirklich ‚Unschuldige’. Kinder gehörten dazu. Naive Menschen ebenfalls – sie hatten ein so vollkommenes Vertrauen in ihre Umwelt, dass ich nicht derjenige sein wollte, der es ihnen nahm. Und Rose war auch unschuldig. Vielleicht nicht so sehr wie ein Kind, aber trotzdem in gewisser Hinsicht unschuldig. Er wusste so wenig vom wirklichen Leben, er war als Yakuzasohn aufgewachsen und zum Erben erzogen worden, er hatte nie ein normales Leben geführt. Er war so zerbrechlich, unwissend, und dabei noch so niedlich wie ein kleiner Welpe. Ein kleiner, verängstigter, schwer Vertrauen fassender Hundewelpe. Wenn ich Rose allerdings am Leben ließ, gab es viel zu viele Komplikationen. Erst mal müsste ich dem Maihara-Clan irgendwie klar machen, warum ich ihren Auftrag nicht ausgeführt hatte. Wobei ich nicht glaubte, dass ich das überleben würde. Entweder würde Gara seine Wut an mir auslassen oder später sein Chef. Ich hatte es mir bis dahin noch nicht erlaubt, auch nur bei einem Auftrag von ihnen zu versagen, und gerade wenn es um Rache ging, waren die Maiharas extrem empfindlich. Ich würde dann jedoch nicht der Einzige sein, dessen Leben in Gefahr wäre – ich war mir sicher, dass die Maiharas da keinen Schlussstrich ziehen würden. Sie würden weiter hinter Rose herjagen, so lange, bis sie von ihm die Wahrheit erfahren und ihn anschließend umbringen würden. Kurz gesagt: Ich hatte einen inneren Konflikt. Die mehr praktische Seite an mir drängte mich, Rose umzubringen, während sich der gesamte Rest – und das war nicht wenig – dagegen sträubte. Aber das alles wurde noch einmal über den Haufen geworfen in einer ganz bestimmten Nacht. Ich wachte dadurch auf, dass ich ein Geräusch hörte. Ich konnte es nicht direkt zuordnen, es klang wie wenn jemand mit langen Fingernägeln über den Parkettboden kratzte. Für einen Augenblick befürchtete ich, dass Rose wieder einen seiner Annäherungsversuche gestartet hatte, dann überlegte ich, ob er mich wieder umbringen wollte, aber als ich die Augen aufmachte, sah ich nichts anderes als die Zimmerdecke über mir. Es war bereits hell, hatte ich so lange geschlafen? Ich drehte den Kopf zu Roses Bett. Er lag auf dem Rücken, hatte die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen und schien friedlich zu schlafen. Ein beruhigendes Bild. Ich seufzte leise und streckte mich kurz, gähnte einmal und richtete mich dann etwas auf, stützte mich mit den Ellbogen ab und sah mich im Zimmer um. Hinter dem Tisch war ein Haarschopf. Dieses kratzende Geräusch ertönte ein weiteres Mal, jetzt ungleich lauter und eindringlicher. Der schwarze Haarschopf, den ich hinter dem Tisch sehen konnte, bewegte sich etwas nach vorne und verschwand dann für einen Moment. Ich zwang mich, ruhig zu atmen. Wer auch immer da war, er oder sie würde sich gleich zeigen, wahrscheinlich war es nur jemand anderes aus der Klinik, der sich verlaufen hatte oder so etwas in der Art. Kein Grund, gleich panisch zu werden. Aber warum schlug mein Herz dann so schnell? Durch die Stuhlbeine hindurch konnte ich nur eine dunkle Gestalt erkennen, dann tauchte eine Hand, ein Arm neben dem Stuhl ganz rechts außen auf, es folgte der Kopf mit den sehr langen, blauschwarzen Haaren, dann kam der zweite Arm hinzu und so langsam krabbelte die Gestalt, eine Frau, hinter dem Tisch hervor. Sie kam mir bekannt vor, und während sie mit ihren Fingernägeln über das Parkett scharrte, wurde mir bewusst, dass ich auch dieses Geräusch nicht zum ersten Mal hörte. Und plötzlich, viel zu plötzlich, zu schnell für einen Menschen, stand die Frau aufrecht, es war, als hätte sie jemand blitzschnell vom Boden hochgezogen, als hätte eine unsichtbare Kraft sie auf die Füße gestellt. Die Haare hingen ihr ins Gesicht, das dunkelblaue Kleid, das sie trug, war verschlissen, ihre Arme und Beine waren dreckig. Ich starrte sie regungslos an, war wie gelähmt. Ich kannte sie, das wusste ich, mir fiel nur nicht mehr ein, woher. Aber aus der Klinik war sie definitiv nicht. War sie... Die Frau begann langsam, auf mich zuzugehen, mit ungelenken, beinahe maschinellen Schritten stakste sie auf mich zu, was mich veranlasste, etwas zurück zu rutschten, aber auch das brachte nichts, als sie unvermittelt schon auf meinem Bett stand und weitere, langsame Schritte auf mich zu machte. Ich wollte sie ansprechen, wollte irgendetwas sagen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt, das Ganze hatte etwas Unwirkliches und gleichzeitig war es so real, dass ich nicht einmal richtig Luft bekam. Da erst bemerkte ich das kleine Rinnsal Blut, das innen an ihrem Bein herunterlief, und auf den zweiten Blick schien auch ihr Kleid nass zu sein... auch Blut, es lief an ihrem Kleidungsstück herunter und tropfte auf das Bett. Und mit einem Mal stürzte sie beinahe in sich zusammen, sie brach, klappte zusammen, wodurch ihre Haare endlich für einen Augenblick ihren Kopf freigaben. Ich konnte ihren zum Schreien weit geöffneten Mund sehen, aber ihr sonstiges Gesicht war unscharf. Mit einem Ruck saß ich nach Atem ringend aufrecht im Bett, krallte mich in die Bettdecke. Mir war eiskalt; ich hatte eine Gänsehaut und zitterte am ganzen Körper, mein Herz raste und das Blut rauschte mir in den Ohren. Es war stockfinster, also war das erste, was ich tat, das Licht anzuknipsen und mich umzuschauen. Niemand zu sehen. Ein Traum. Es war ein Traum gewesen. Es war nur ein Traum... Und dennoch hatte es sich so wirklich angefühlt, ich hatte die Matratze gespürt, wie sie unter dem Gewicht der Frau nachgegeben hatte... Ich vergrub das Gesicht in den Händen und zwang mich, tief weiterzuatmen. So etwas war mir noch nie passiert. Noch nie hatte ich solche intensiven Alpträume gehabt, noch nie war ich durch einen aufgewacht. Noch nie hatte es sich so echt angefühlt. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Jetzt wusste ich, woher ich die Frau kannte. Sie hatte wissentlich einen ziemlich hochgestellten Yakuza betrogen, mehrere Male, und als er das herausgefunden hatte, ließ er sie erst von seinen Männern vor Publikum vergewaltigen und dann erstechen. Im Vorfeld hatte er sogar Einladungen verteilt. Ich war Zeuge dieses brutalen Blutbades gewesen, hatte mit unbewegter Miene neben dem Betrogenen gestanden, der sich köstlich amüsiert hatte, und dieses grausame Schauspiel mitangesehen. Mir war mit dem Tod gedroht worden, daher hatte ich keine andere Wahl gehabt, als es mir anzutun. Lange hatten mich diese Bilder nicht mehr losgelassen, sogar in meine Träume verfolgt, wenn auch nur kurz. Ich hatte diese Frau als Vorlage für einen meiner ‚Geister’ benutzt, von denen ich dem Psychiater berichtete. Warum aber hatte ich jetzt von ihr geträumt? Und warum war es mir so unter die Haut gegangen? Einige Minuten brauchte ich, um mich wieder zu beruhigen, dann endlich hatte sich mein Puls wieder normalisiert. Ich hatte schon viel in meinem Leben erfahren, aber eine solche Angst noch nie. Es beunruhigte mich, dass ein einziger Traum so viel bei mir bewirken konnte. Aber wenigstens würde ich nach diesem Auftrag nie wieder mit solch blutigen Dingen zu tun haben, das hatte ich bereits entschieden. Da drängte sich mir eine weitere Frage auf: Wo war eigentlich Rose? Als ich ihn beim Lichtanmachen nicht im Bett gesehen hatte, hatte ich vermutet, er sei im Badezimmer. Dort allerdings war, wie mir erst jetzt auffiel, das Licht ausgeschaltet. Okay. Jetzt musste ich ruhig bleiben und durfte nicht sofort anfangen, mir Sorgen zu machen. Vielleicht war er aufgewacht und hatte sich dazu entschlossen, einen Spaziergang zu machen. Rose. Nachts. Ein Spaziergang. ALLEINE. Ich stieg aus dem Bett und dachte nach, während ich zur Tür ging. Rose könnte etwas passiert, er könnte gekidnappt worden sein, er könnte aber auch einen Anfall, welcher Art auch immer, haben. Als ich die Zimmertür öffnete, erübrigten sich alle Fragen auf einmal. Rose kniete auf dem Boden, den Kopf gesenkt, die Haare unordentlich, sichtlich angespannt. Er schien zu zittern und trug noch seine Schlafsachen – ein weißes Top und gestreifte Shorts. Beides war von oben bis unten mit Blut bespritzt, teilweise sah es auch so aus, als hätte jemand seine Hand daran abgewischt. Die dunkelrote Flüssigkeit befand sich ebenfalls an seinen Händen und Unterarmen und so, wie ich es sehen konnte, auch an seinen Haarspitzen. Vor Rose, auf dem Boden, lag Nao. Der Pfleger, der mich noch nie hatte leiden können. Sein Arm, neben dem Rose kniete, war ebenfalls blutbesudelt, wie es aussah, waren nicht nur die Pulsadern, sondern auch die Vene in der Ellenbeuge aufgeschnitten worden. Es hatte sich bereits eine große Blutlache gebildet, allerdings nicht so groß wie die an seinem Hals. Dort konnte ich ungelenke Schnitte erkennen, die offenbar irgendwann seine Halsschlagader getroffen hatten. Das Messer, das der Blonde in der Hand hielt, war dasselbe, mit dem er mich hatte umbringen wollen. Bei Nao hatte er es offenbar geschafft. „Rose?“, murmelte ich vorsichtig. Ich wusste nicht, wie er auf mich reagieren würde, ob er mich ebenfalls angreifen würde... In diesem Moment war ich mir nicht einmal sicher, ob die Person vor mir saß, mit der ich die letzten beiden Monate verbracht hatte. Der Angesprochene hob kurz den Kopf und schien aus seiner Trance zu erwachen, schließlich rührte er sich jetzt endlich. „Sieh mich nicht an“, bat er flüsternd und mit zitternder Stimme, wandte sein Gesicht ab, bevor ich es richtig sehen konnte. „Ich will nicht, dass du mich... dass du meine Existenz so siehst...“ Seine Existenz? Wovon, zur Hölle, redete er? „Was meinst du?“, wollte ich sanft wissen. „Was meinst du, was du bist?“ Jetzt kam wirkliches Leben in den Blonden. Er funkelte mich wütend an und umfasste das Messer in seiner Hand fester. Auf seinen Wangen hatte er verschmiertes Blut, aber ansonsten sah er so aus wie immer, in seinen Augen vielleicht noch eine Spur mehr von diesem Abgrund, den ich manchmal zu sehen glaubte. „Verstehst du es immer noch nicht??“, fauchte er mich gereizt an. „Nicht mal, als ich DEIN Blut trinken wollte? Habe ich es nicht deutlich genug gemacht?“ In einem Akt schierer Verzweiflung rammte er der Leiche vor sich das Messer in den Bauch, zog es wieder mit einigen Schwierigkeiten heraus und stach ein weiteres Mal zu, während er mit brüchiger Stimme fortfuhr. „Ich bin ein Vampir, Hakuei, ich lebe vom Blut von Menschen wie dir, ich bin ein verdammter VAMPIR!!“ Ihm fiel das Messer auf den Boden und er wischte sich die blutige Handfläche mehr provisorisch an seinem Oberteil ab, ehe er mich verärgert fixierte. „Begreifst du es jetzt endlich??“ Es war noch schlimmer als ich gedacht hatte. Völlig verständnislos schüttelte ich schwach den Kopf, unfähig, mich irgendwie zu bewegen. „Nein“, widersprach ich leise. „Du bist kein Vampir, Rose. Du bist ein Mensch.“ Als hätten rationale Argumente in diesem Moment helfen können. „Du glaubst mir nicht?“, wollte der Blonde verletzt wissen. „Soll ich es dir zeigen? Soll ich dir zeigen, wie ich Blut trinke?“ Damit beugte er sich zu der dunkelroten Pfütze neben dem starren Gesicht des Pflegers und begann, das Blut zu schlürfen, es sogar vom Boden aufzulecken. Noch bevor ich ihn erreichen konnte, fing Rose bereits an zu würgen, kaum dass er den ersten Schluck getrunken hatte, er kniff die Augen zusammen und spuckte den Rest des Bluts zurück auf den Boden, umfasste mit beiden Händen seinen Bauch, würgte ein weiteres Mal und hielt sich dann den Mund zu, schluckte schwer. Wortlos hob ich ihn schnell hoch, trug ihn ins Badezimmer und zwang ihn, Leitungswasser zu trinken. „Du bist kein Vampir!“, fuhr ich ihn an, als er schwer atmend unter dem Waschbecken auf den Fliesen saß, noch etwas Blut im Mundwinkel und mit einem völlig verlorenen Gesichtsausdruck. „Du bist zwar blass, aber du kannst an die Sonne gehen, dich nicht in eine Fledermaus oder einen Wolf verwandeln, du ernährst dich genau wie ich, ich habe dich bereits essen sehen, du hast weder spitze Zähne noch schläfst du in einem Sarg!“ Ich hockte mich vor ihn und sah ihn ärgerlich an. „Du bist kein Vampir, Rose, du bist ein Mensch wie jeder andere auch!“ Er sah mich schweigend an, aber ich hatte das Gefühl, dass sein Blick durch mich hindurch ging. „Steh auf“, befahl ich ihm, „und hilf mir, die Leiche wegzubringen. Wenn jemand das rauskriegt, dann wird es sehr schwerwiegende Folgen nach sich ziehen, das kann ich dir sagen.“ Ich richtete mich auf und zog Rose anschließend erst auf die Füße und dann mit mir aus dem Zimmer zum Flur. Kurz überlegte ich, was das Beste zu tun wäre, dann musterte ich Rose. Er wirkte wie weggetreten, als würde er überhaupt nichts mehr mitbekommen, und gleichzeitig sah er noch so fragil aus... Und trotzdem hatte er gerade einen Menschen umgebracht. „Nimm die Beine, wir schaffen ihn hier raus und begraben ihn draußen“, murmelte ich ihm zu. Weiterhin schweigend, gehorchte der Blonde mir, und zusammen brachten wir die Leiche aus dem Gebäude. Die Nachtlampen beleuchteten unseren Weg, beunruhigten mich aber gleichzeitig, da uns jeder ohne Probleme hätte sehen können. Allerdings – wer glaubte schon einem Geisteskranken, wenn er darauf schwor, dass zwei andere Insassen einen toten Pfleger herumgeschleppt hätten? Trotzdem war mir nicht ganz wohl bei der Sache. Erst, als wir das Gelände verlassen hatten, konnte ich wieder durchatmen. Ich nahm Rose wieder mit mir zurück, um nach einem Spaten zu suchen, ich traute es ihm nicht zu, alleine bei der Leiche zu bleiben. Wer wusste, was er noch mit ihr anstellte. Oder mit sich. Auf dem Weg zurück warf ich dem Blonden, den ich an der Hand hinter mir her führte, einen prüfenden Blick zu. Er schien weiterhin körperlich, aber nicht mental anwesend zu sein. Doch das war es nicht, was mich beunruhigte. Gerade, als ich wieder auf den Weg vor mir achten wollte, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, wie eine dunkle Gestalt genau an mir vorbei ging. Einfach so, wie selbstverständlich. Blitzschnell drehte ich mich um. Gar nichts. Ich konnte niemanden sehen. Ich schauderte unmerklich. Als wir die Eingangstür erreichten, lehnte genau neben ihr eine Schaufel an der Wand. So langsam wurde es verdächtig. Trotzdem – ich hatte keine andere Wahl – nahm ich das Werkzeug mit und verbrachte die gesamte nächste Stunde damit, ein Grab auszuheben. Rose hockte neben mir auf dem Boden, hatte die Knie an die Brust gezogen und schien nichts mehr mitzubekommen. Gerade, als es langsam immer heller wurde, war ich fertig. Nao lag unter der Erde und wenn man es nicht wusste, dann würde man nie auf die Idee kommen, dass an dieser einsamen Stelle ein Grab war. Völlig ausgelaugt nahm ich Rose mit mir zurück zum Gebäude, stellte den Spaten wieder neben die Tür. Schon als ich das Haus betrat, wurde ich misstrauisch. Der Boden war so sauber. Mir kam ein Verdacht, und ich beschleunigte meinen Schritt, blieb erst vor unserem Zimmer wieder stehen. Kein einziger Tropfen Blut war mehr zu sehen. Hier hatte jemand offensichtlich ziemlich gründlich gewischt. Darum konnte ich mich zu dem Zeitpunkt nicht kümmern. Rose war viel wichtiger – ich wusste nicht, was mit ihm los war. Er starrte nur wortlos in der Gegend herum und sprach kein Wort, selbst wenn ich ihm Fragen stellte. Es war anders als beim ersten Mal, als wir uns begegnet waren – er war weder verängstigt noch wirkte er, als ob er sprechen könnte. „Geh jetzt duschen und dann wieder schlafen, ja?“, sagte ich ihm. Nichts, er sah mich nicht einmal an. Also schob ich ihn ins Badezimmer, zog ihm seine blutgetränkten Sachen aus, warf sie in eine Ecke und stellte ihn unter die Dusche. „Hakuei?“, hörte ich ihn leise fragen und dankte im Stillen dafür, dass er seine Sprache nicht ganz verloren hatte. „Bitte, komm her...“ Er klang so, wie ich mich fühlte – erschöpft und leer. Kurzerhand zog ich mich ebenfalls aus und gesellte mich zu ihm unter die Dusche, wusch mir das Blut, den Dreck und die Angst ab. Als ich ihm kurz über die Wange streichen wollte, drehte er den Kopf beiseite. Ich unternahm keinen Versuch mehr, ihn zu berühren, auch, wenn ich ihn gerne umarmt hätte. Ob um seinet- oder meinetwillen, wusste ich nicht so recht. Die gesamte Nacht fand ich keinen Schlaf. Nicht, weil ich so geschockt darüber war, einen so zugerichteten Menschen zu sehen (damit meinte ich Nao, nicht Rose), das hatte ich oft, zu oft bereits erlebt. Es war die Tatsache, dass Rose es gewesen war, der es getan hatte. Das wollte lange nicht in meinen Kopf hinein. So langsam begann ich, ihn als schizophrene Person zu sehen: Die eine Seite an ihm, die versuchte, mich zu verführen, die Nao umgebracht hatte, die glaubte, ein Vampir zu sein, das war seine dunkle Seite. Die andere war die unschuldige – das war die, die verängstigt war, die aus Vertrauen meine Nähe suchte, die von mir beschützt werden wollte. Die, die ich beschützen wollte. Es war alles so unheimlich... krank. Rose hielt sich für einen Vampir! Ich wusste nicht einmal, wie er darauf kam, er hatte nichts mit einer solchen Kreatur gemein. Dabei war Rose im Moment nicht so das Problem, das mich beschäftigte und mich wach hielt. Vielmehr war es der große Unbekannte. Irgendjemand in der Klinik musste entweder von Roses oder von meiner wahren Identität wissen, so viel war sicher. Irgendjemand hatte eine Schaufel bereit gestellt, irgendjemand hatte das ganze Blut auf den Fluren entfernt, sodass keine einzige Spur mehr zu entdecken gewesen wäre. Vielleicht hatte dieser Irgendjemand auch seine Hände im Spiel gehabt, dass Rose unter allen Umständen auf jeden Fall in mein Zimmer eingeteilt wurde. Ich wusste viel zu wenig. Konnte es jemand von den Suzukis sein, Roses eigener Familie? Der bereitwillig hinnahm, dass der jüngste Sohn des Chefs sich mit einem professionellen Killer und Schauspieler anfreundete und andere Menschen umbrachte? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Jemand von den Maiharas? Es wurde immer rätselhafter. Und was sollte der Traum diese Nacht, warum hatte ich mir auf dem Rückweg eingebildet, dass jemand an mir vorbei gehen würde, wenn weit und breit niemand in Sicht war? Da fiel mir ein, dass ich auf dem Rückweg von meinem letzten Treffen mit Gara auch eine Gestalt gesehen hatte, die um die Ecke getorkelt und dann plötzlich spurlos verschwunden war. Wo sollte das noch hinführen? In einer sehr undurchsichtigen Anstalt, mit einem Jugendlichen, dessen nächsten Schritt man niemals würde voraussehen können, selbst wenn man ihn sein ganzes Leben lang gekannt hätte, und dazu kam noch jemand, der im Schatten versteckt operierte und dessen Intentionen ich höchstens erraten konnte... Ich musste dann wohl doch irgendwann eingeschlafen sein. Durch die Anstrengung der letzten Nacht funktionierte meine innere Uhr auch nicht mehr richtig, weshalb ich viel später als normalerweise aufwachte. Und zwar dadurch, dass mir jemand über die Wange strich. Begrüßt wurde ich von einem angedeuteten Lächeln, das mir inzwischen schon so vertraut geworden war, dass es mich schmerzte. „Bist du endlich wach?“, fragte Rose, der ausgeschlafen und gut gelaunt klang. „Was hast du in der letzten Nacht gemacht, dass du so lange schläfst? Ich hätte sonst was mit dir anstellen können und du hättest es nicht gemerkt.“ Das alles sagte er in einem scherzhaften Tonfall, stand von meiner Bettkante auf und schüttelte seine Bettdecke auf, was er wahrscheinlich bis dahin vermieden hatte, um mich nicht aufzuwecken. „Du hast das Frühstück verpasst, es ist schon fast zwölf Uhr“, fuhr er ungerührt ob meines Schweigens fort. „Ich hab dir ein bisschen was zurücklegen lassen, damit du nicht völlig ausgehungert durch den Tag musst. Hast du denn wenigstens gut geschlafen?“ Ich versuchte, mir meine Ungläubigkeit und mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Was ich in der letzten Nacht gemacht hatte? Hatte er es etwa vergessen? Verdrängt? Da beschlich mich ein weiterer bedrohlicher Gedanke – was, wenn ich alles nur geträumt hatte? Jetzt im Nachhinein kam es mir schon irgendwie unwirklich vor... dass Rose einfach so einen Menschen umbrachte, weil er sich einbildete, ein Vampir zu sein. Wortlos stand ich auf und ging mit zögernden Schritten ins Badezimmer. Dort blieb ich ein paar Sekunden regungslos stehen, bis ich zu Boden sank und mir hilflos durch die Haare fuhr. In der Ecke lagen noch Roses Klamotten, das Blut war inzwischen eingetrocknet und hatte eine braune Farbe angenommen. Ich hatte es nicht geträumt. Es war wirklich passiert. Mir fiel ein Stein vom Herzen. „Was machst du?“, wollte Rose hinter mir wissen und hockte sich dann neben mich. „Rose?“, fing ich an und überlegte einen Moment, wie ich die Frage am Besten stellen konnte. „Hast du schon mal einen Menschen umgebracht?“ Verwirrt blinzelte er mich an. „Umgebracht?“, wiederholte er erstaunt. „Nein, noch nie.“ Er schüttelte den Kopf, hielt dann allerdings inne. „Obwohl... doch. Jetzt, wo du es sagst. Ja, habe ich schon mal. Aber das ist schon etwas länger her und das war eigentlich auch nur Notwehr.“ Damit stand er auf. „Du solltest jetzt frühstücken gehen, sonst kommst du zu dem Termin mit dem Doktor noch zu spät.“ Eine Weile blieb ich auf den kalten Fliesen sitzen und machte mir bewusst, wie abstrus, wie abgedreht, wie abstrakt und wie vollkommen makaber die Situation war. Rose hatte geantwortet, als hätte ich von ihm wissen wollen, ob er schon mal Ski gefahren war, und sich auch nicht über die Frage gewundert. Und, was noch viel wichtiger war: Er hatte vergessen, dass er in der vorherigen Nacht einen Menschen brutal getötet hatte. Obwohl direkt vor seiner Nase seine eigenen, blutigen Klamotten gelegen hatten. Unwillkürlich drängte sich mir die Frage auf, wie viel Blut dieser weltfremde Jugendliche bereits an seinen Händen hatte. „Sie wirken ein wenig abgelenkt heute“, stellte der Psychiater mit sanftem Tonfall fest. „Ach?“, fragte ich leise. „Ich habe Ihnen bereits drei Mal dieselbe Frage gestellt, nämlich ob es irgendetwas gibt, das Sie zur Zeit beschäftigt oder ob Sie einfach schlecht geschlafen haben, und zwei Mal haben Sie mit ja und einmal mit nein geantwortet. ... Schauen Sie mich bitte an, wenn ich mit Ihnen rede.“ Eher widerwillig blickte ich den Mann vor mir an. Er schien nicht viel älter als ich zu sein, wie mir zum ersten Mal auffiel. „Glauben Sie, dass man vergessen kann, einen Menschen getötet zu haben?“, wollte ich geradeheraus wissen. Er wirkte zwar verwundert über die Frage, antwortete aber dennoch. „Ich würde sagen, es kommt darauf an, erst mal auf den Geisteszustand der jeweiligen Person natürlich, dann auf die äußeren Umstände-“ „Aber Sie glauben, dass es möglich ist?“ „Es gibt partielle Amnesie, natürlich ist es grundsätzlich möglich“, stimmte er zu. Ich schwieg eine Weile und dachte nach. Er war so höflich, mir die Zeit zu lassen. „Wie, glauben Sie, könnte man dafür sorgen, dass die Person sich daran erinnert?“ Er zögerte, und ich schüttelte den Kopf. „Nein, vergessen Sie die Frage. Entschuldigung, das ist alles viel zu speziell, allgemein kann man da nichts sagen, das seh ich ein. Verzeihung.“ Er winkte ab. „Kein Problem, wenn es Sie beschäftigt, hilft es Ihnen vielleicht, Ihre Gedanken laut auszusprechen. Ich würde Ihnen allerdings auch ans Herz legen, sich zu fragen, ob es wirklich so erstrebenswert wäre, die betroffene Person mit allen Mitteln dazu bringen zu wollen, sich daran zu erinnern, dass sie einem anderen Menschen das Leben genommen hat. Das hängt natürlich ganz von den Umständen ab, aber überlegen sollten Sie es sich trotzdem.“ Nachdenklich nickte ich und sagte nichts weiter, in Gedanken versunken. „Warum beschäftigt Sie das Thema denn zur Zeit, wenn ich fragen darf?“, wollte er höflich wissen. „Glauben Sie, dass Sie vielleicht jemanden-“ „Nein, nicht ich“, unterbrach ich ihn kopfschüttelnd. „Dieses Mal geht es nicht um mich. Trotzdem danke.“ Er lächelte. „Keine Ursache. Ich bin auch nicht auf der Höhe heute, da ein Pfleger, mit dem ich befreundet war, sich offenbar über Nacht dazu entschlossen hatte, doch zu seiner Familie zurückzuziehen. Er ist einfach ausgezogen, können Sie sich das vorstellen? Hat seine Sachen genommen und ist verschwunden...“ Mit einem leisen Seufzen schüttelte er den Kopf. „Na ja, ich würde vorschlagen, dass wir die heutige Sitzung abbrechen, weil Sie wirklich unkonzentriert wirken. Es muss etwas Ernstes sein, denn so habe ich Sie nicht ein Mal bis jetzt erlebt.“ Dankbar nickte ich. „Ja, das würde ich begrüßen.“ Ich hatte ja auch bis jetzt noch nie so etwas erlebt. Nur eine Frage stellte ich mir noch: Nao soll seine Sachen genommen haben und verschwunden sein? ~*~*~*~ tbc~ creepy, oder? vielen Dank fürs Lesen 33 ihr seid toll :* „Du solltest besser das tun, was ich will.“ ------------------------------------------- Rating: R (noch nicht NC-17 ;) Beta’d: zum Glück von der unbeschreiblichen Tattoo, die sich trotzdem gut beschreiben lässt, nämlich als die beste Beta’in, die man sich wünschen kann A/N: ich liebe Daisuke. erwähnte ich das schon? ^^; ~*~*~*~ „Hast du irgendwas mit meiner Familie zu tun?“ Diese verhängnisvolle Frage wurde mir am Abend gestellt. Es war inzwischen eine weitere Nacht vergangen, also war es der Tag nach dem Tag nach der einen Nacht, in der ich eine Leiche vergraben hatte. Ich saß auf meinem Bett und hatte eigentlich gelesen, bis Rose aus dem Badezimmer zurückgekehrt, sich auf sein Bett gesetzt und mir ebenjene Frage, vollkommen ohne Kontext, an den Kopf geworfen hatte. Ich ließ mein Buch sinken und wandte mich ihm zu. Er betrachtete mich aufmerksam, während er an seinen noch feuchten Haaren zupfte. „Warum fragst du?“, wollte ich nach einigem Zögern wissen. „Nur so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und? Hast du?“ Langsam schüttelte ich den Kopf. „Ich weiß nicht mal, wer deine Familie ist, wie könnte ich...“ Ich brach ab, als Rose lächelte. Keins seiner angedeuteten, halben Lächeln, sondern ein echtes, aufrichtiges Lächeln. Schlagartig wirkte er einige Jahre jünger und um einiges hübscher. Er sollte eigentlich öfter lächeln. Nur gefiel mir in diesem Fall der Grund für sein Lächeln nicht. „Du glaubst mir immer noch nicht, dass ich merke, wenn jemand lügt, oder?“, wollte er beinahe amüsiert wissen. Kaum vorstellbar, dass er dieselbe Person sein sollte, die erst einen Menschen getötet hatte und dann völlig apathisch geworden war. „Selbst wenn du nicht so ein schlechter Lügner wärst, würde ich es trotzdem merken. Aber du bist kein Yakuza, nicht wahr? Trotz deiner Tattoos...“, wechselte er wieder das Thema. Ich schüttelte lediglich den Kopf. Verdammt, wie viel wusste er? Hatte er mit jemandem aus seiner Familie, aus seinem Clan gesprochen? „Egal, was ich jetzt sage, du musst nicht antworten“, fuhr Rose fort. „Wenn du von meiner Familie geschickt wurdest, dann hast du dich nicht freiwillig um mich gekümmert, sondern es war dein Job, du hast es wahrscheinlich wegen Geld oder aus sonst irgendeinem nichtigen Grund gemacht. Aber dir sollte klar sein, dass es keinen plausiblen oder entschuldigenden Grund dafür gibt, was du mit mir angestellt hast.“ „Verzeih, wenn ich dich unterbreche, aber worauf genau beziehst du dich gerade?“, fiel ich ihm schnell ins Wort. Er musterte mich einen Augenblick schweigend. „Du hast dir langsam aber sicher mein Vertrauen erschlichen, du hast vorgetäuscht, mit mir befreundet sein zu wollen und hast getan, als würdest du das alles freiwillig und nur zu meinem Besten tun. Ich hatte noch nie wirkliche Freunde, und jetzt, wo ich einen gefunden habe, muss ich erfahren, dass er mich nur ausnutzt, um an Geld heranzukommen oder weil er erpresst wird oder was weiß ich warum“, erklärte er beinahe sachlich und blickte kurz zur Seite. „Kannst du dir vorstellen, was das für ein Gefühl ist?“ „Ich mag dich“, murmelte ich in die kurz entstandene Stille hinein. Sofort lag sein Blick wieder auf mir. „Sag das noch mal“, forderte er leise. „Ich mag dich“, wiederholte ich ehrlich. „Am Anfang habe ich es aus einem, wie du es genannt hast, nichtigen Grund getan, aber mit der Zeit mochte ich dich immer mehr. Du faszinierst mich, wie du gleichzeitig so zerbrechlich und doch so stark sein kannst.“ „Lügner“, flüsterte er, aber es wirkte nicht so recht überzeugt. Jetzt lächelte ich leicht. „Ich dachte, du merkst es, wenn jemand lügt.“ Rose war für eine Weile still und starrte nur auf den Boden. Irgendwann sah er wieder auf. „Also sind wir trotzdem Freunde?“, wollte er wissen. „Ich würde es nicht unbedingt als Freundschaft bezeichnen“, korrigierte ich ihn sanft. Freundschaft beruhte für mich auf Gegenseitigkeit, und obwohl ich Rose mochte, würde ich nie auf die Idee kommen, mit ihm über mein Privatleben zu diskutieren. Ich wollte ihn beschützen, das schon. Aber ich sah ihn nicht als meinen Freund, ohne das abwertend zu meinen. „Aber so etwas Ähnliches, ja.“ Wortlos stand der Blonde auf, ging zu mir, krabbelte auf mein Bett und setzte sich breitbeinig auf meinen Schoß. Ich wollte etwas sagen, aber er legte mir nur lächelnd einen Finger auf die Lippen, nahm mir das Buch ab, legte es beiseite und schlang mir die Arme um den Nacken. „Rose, ich habe dir schon gesagt-“, begann ich, aber er redete mir dazwischen. „Stehst du auf mich?“, wollte er wissen und sah mich erwartungsvoll an. „Würdest du gerne mit mir schlafen?“ Dabei kuschelte er sich dichter an mich heran. Unsere Gesichter waren zwar nur noch einige wenige Zentimeter voneinander entfernt, aber ich schaffte es trotzdem, zur Seite zu schauen. „Nein“, antwortete ich leise. „Rose-“ „Sag mir das noch mal ins Gesicht.“ Er lächelte schon wieder, dieses Mal sogar ein bisschen triumphierend. „Rose, bitte“, versuchte ich es noch einmal, aber hier brachte er mich zum Schweigen, indem er seine Lippen auf meine drückte. Ich seufzte leise, aber eher aus Resignation als aus Zufriedenheit. Erst, als ich seine Zunge spürte, erwiderte ich den Kuss sachte. Ich ließ mich dazu überzeugen, das Zungenspiel ebenfalls zu erwidern, beendete den Kuss allerdings schnell wieder, um den Mund zum Sprechen frei zu haben. „Rose, du-“ Hatte ich gehofft, dass er sich auch dieses Mal durch Worte würde überzeugen lassen, so lag ich schwer daneben. Anstatt von mir abzulassen, wanderten seine Lippen von meinen zu meinem Hals, wo er probeweise an verschiedenen Stellen saugte, bis er eine gefunden hatte, die mich meinen Kopf etwas mehr in den Nacken legen ließ. Zufrieden bearbeitete er diese anschließend auch noch mit den Zähnen und der Zunge. Wann hatte ich eigentlich die Augen wieder geschlossen? Das gefiel mir nicht. Normalerweise war ich Herr der Lage, aber bei Rose hatte ich ständig das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, über mich, über ihn, über alles, was passierte. „Du kennst schon die Bedeutung des Wortes ‚Freundschaft’, oder?“, murmelte ich und legte ihm die Hände an die Seite, um ihn vorsichtig wegzuschieben, aber er griff lediglich nach einer Hand von mir und verschränkte unsere Finger ineinander. „Ja, kenne ich“, wisperte er an meinen Hals. Es fühlte sich nicht schlecht an, seinen Atem spüren zu können. „Aber wer hat gerade noch betont, dass wir keine Freunde sind?“ Oh, verdammt. Das schaffte auch nicht jeder – mich mit meinen eigenen Worten festzunageln. Erst, als sein Mund bereits meine Schlüsselbeine erreicht hatte, fand ich meine Sprache wieder. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht mit dir schlafen will...“ „Da war es ja auch noch keine Lüge gewesen“, bemerkte der Blonde nur und warf mir einen kurzen Blick zu. Anschließend zog er mir mein ärmelloses Shirt aus und machte sich über meine Brust her. Wann genau war er eigentlich so selbstsicher, so direkt geworden? Ich bekam das Gefühl, dass ich irgendetwas verpasst hatte. Ein Seufzen, das dieses Mal von Zustimmung und nicht von Ablehnung herrührte, entkam meinen Lippen, als ich Roses an einer meiner Brustwarzen spürte. Ich musste ganz ehrlich sein: Es gefiel mir. Es gefiel mir außerordentlich, und dennoch war noch ein gewisser Widerstand in mir erhalten, nicht so stark wie bei seinen vorherigen Annäherungen, aber trotzdem nicht unerheblich. Dabei konnte ich jedoch auch nicht die Reaktionen meines Körpers ignorieren, die von einer langen Abstinenz sprachen. „Rose...“ Ich startete noch einen letzten Versuch, als er inzwischen an meinem Bauchnabel angekommen war und meine Hose geöffnet hatte. „Interessiert es dich nicht, dass ich dich erst ausgenutzt habe? Ist es dir völlig egal, dass ich so viel älter bin als du, dass ich...“ Der Blonde hatte meine Hose zusammen mit meinen Shorts noch etwas tiefer geschoben und umfasste nun mit einer Hand mein bestes Stück, was mich schlagartig zum Schweigen brachte. Er schaute mir direkt in die Augen, belustigt wirkend. „Ja“, antwortete er schlicht. „Ja, das ist es. Es ist mir vollkommen egal.“ Und damit schlossen sich seine Lippen ohne Vorwarnung um meine Erregung. Ich glaubte es nicht. Hier saß ich, erfahrener Anfang-Dreißigjähriger, und ließ mich von einem Jugendlichen, der noch nicht einmal volljährig war, verführen. Und dabei hatte ich ihm vor wenigen Wochen noch geglaubt, dass er Jungfrau war! Also irgendwie... verflüchtigte sich so langsam das Bild vom ‚unschuldigen’ Rose. Erst mordete er (und vergaß es hinterher komplett) und jetzt das hier. Es war ja noch nicht mal so, dass er dabei unbeholfen oder unsicher wirkte, nein, er war völlig zielstrebig, hatte keine Sekunde gezögert und er war... ziemlich talentiert. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich den Kopf etwas in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und eine Hand in den blonden Haaren vergraben, gab immer wieder ein wohliges Aufseufzen von mir. Blitzschnell überlegte ich, was wohl die Konsequenzen des Ganzen sein könnten – bis auf dass mich die Suzukis steinigen würden, wenn sie erfuhren, dass ich ihren kostbaren und hochgeschätzten Erben angerührt hatte. Dass es nicht von mir aus gekommen war, würde sie dann auch nicht mehr interessieren. War es mir in einem der beiden Aufträge verboten worden, mit ihm zu schlafen? Nicht ausdrücklich, nein. Es zählte zwar nicht mehr zu ‚anfreunden’, aber er hatte mir keine andere Wahl mehr gelassen. Oder? Hatte er? Just in diesem Moment verschwand Roses Mund zu meiner Enttäuschung wieder, fand sich jedoch keine Sekunde später wieder auf meinem eigenen wieder. Ich ließ meine Augen geschlossen und erwiderte den Kuss, legte einen Arm um die schlanke Hüfte des anderen, als dieser seine Arme wieder um meinen Nacken schlang. Ich musste zugeben, das Ganze fühlte sich nicht schlecht an. Als Rose den Kuss beendet hatte, ließ er mich kurz einen Blick auf sein Grinsen erhaschen, ehe er mir etwas ins Ohr flüsterte. „Du solltest besser das tun, was ich will“, hauchte er in einer Art, die eine angenehme Gänsehaut an meinem Körper auslöste. „Denn wenn nicht... kann ich meiner Familie erzählen, dass du mir irgendetwas angetan hast. Und dann...“ ..... Schlagartig machte ich meine Augen wieder auf. Moment mal. Hatte ich mich hier verhört, oder wurde ich gerade erpresst? Und dann auch noch ziemlich wirkungsvoll – wenn Rose wirklich das tat, was er mir androhte, dann war ich geliefert. Wortlos betrachtete ich den Blonden auf meinem Schoß, wie er eine meiner Hände nahm und an zwei Fingern saugte, sie mit der Zunge umschmeichelte und die gesamte Zeit meinen Blick beinahe zufrieden wirkend erwiderte. Am liebsten hätte ich ihn in diesem Moment von mir heruntergeworfen, weil er so... arrogant, so überlegen und so gottverdammt selbstzufrieden aussah. Ich konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn sich jemand etwas darauf einbildete, dass er mir irgendwie die Kontrolle nahm und die Fäden nun selbst in der Hand hielt. Dennoch tat ich das, was von mir erwartet wurde, weil mir nun wirklich keine andere Wahl blieb. Ich schob erst vorsichtig einen Finger in Rose (Wann hatte er uns eigentlich ausgezogen?), dann den zweiten, woraufhin ich ihm erst mal einen Augenblick Zeit gab, um sich daran zu gewöhnen. Der Blonde seufzte nun selbst leise auf und hielt sich an meinen Schultern fest, hatte die Augen geschlossen. „Rose?“, sagte ich leise. „Du bist verdammt noch mal... verwöhnt!“ Mit dem letzten Wort stieß ich meine Finger ohne Vorwarnung tief in ihn, woraufhin er kehlig aufstöhnte und sich etwas in meine Schultern krallte, allerdings nichts erwiderte. Das war mal wieder klar, erst mimte er den abgebrühten Erwachsenen mit großem Einfluss und jetzt war er es, der das Ganze hier am meisten genießen sollte. Keine Chance, da spielte ich nicht mit. Ich entzog ihm meine Finger wieder, was er mit einem unwilligen Geräusch quittierte, und drehte uns beide um, sodass er nun auf dem Rücken lag und ich zwischen seinen Beinen kniete. Mit großen Augen blinzelte er zu mir hoch, erwartungsvoll und ein kleines bisschen verängstigt. Ich kannte Blicke dieser Art. „Rose“, begann ich mit einer Spur Vorwurf in der Stimme. „Du HAST doch schon mal mit einem anderen Mann geschlafen, oder?“ Sehr langsam und sehr schuldbewusst schüttelte er den Kopf. Ich seufzte leise. „Dann wird es weh tun“, meinte ich beherrscht, verärgert über die Tatsache, dass er mich angelogen hatte. Denn schließlich hatte er mir erzählt, genau das getan zu haben. Wieder schüttelte er den Kopf, dieses Mal energischer. „Wird es nicht“, murmelte er. „Ganz bestimmt nicht. Und bitte, beeil dich, ich-“ „Ich will dich nicht verletzen, Rose“, unterbrach ich ihn ernst. „Und ganz besonders nicht bei so was.“ „Wenn du nicht gleich endlich loslegst, dann bind ich dich fest und mach es alleine“, murrte er. Durch seine Ungeduld schien seine ... direktere Art wieder zum Vorschein zu kommen. Und ich wusste nicht, welche ich in diesem Augenblick lieber gehabt hätte – seine sanfte, vorsichtige, oder seine ... freimütigere. „Ich habe dich gewarnt“, bemerkte ich lediglich und beugte mich über den Blonden, um ihn zu küssen. Wenn er gleich rumheulte, dann musste es nicht die gesamte Klinik mitbekommen. Er hieß meine Zunge nur allzu eifrig willkommen und spreizte seine Beine freiwillig, sodass ich nur noch sein Becken etwas anheben musste. Es tat mir zwar leid für ihn, aber wenn er es nicht einsehen wollte... Vorsichtig drang ich in ihn ein, ganz langsam, bis es irgendwann nicht mehr weiter ging, weil Rose sich so verkrampfte. Und trotzdem, es fühlte sich bereits jetzt schon viel zu gut an, er war wirklich unheimlich eng, so eng, dass ich mich zurückhalten musste, nicht gleich sonst was mit ihm anzustellen. Und er war so eng, dass es eigentlich weh tun MUSSTE. Aber bis auf dass er immer wieder leise nach Luft schnappte und die Augen geschlossen hatte, zeigte er keine Reaktionen. Es konnte doch nicht sein, dass er wirklich keinen Schmerz spürte...? „Geht es?“, wollte ich besorgt wissen und knabberte etwas an seinem Hals. Er öffnete die Augen und lächelte mich glücklich an. „Es fühlt sich toll an“, antwortete er und klang dabei, als würde er es wirklich ernst meinen. „Und tut kein bisschen weh.“ Das nahm ich ihm nicht ab, da konnte er sagen, was er wollte. Aber gut, wenn er sich verleugnen wollte, würde ich es nicht sein, der ihn daran hinderte. „Du musst dich entspannen“, bat ich ihn. „Ansonsten geht es nicht.“ Rose nickte leicht und lockerte sich auch etwas um mich herum, sodass ich weiter in ihn dringen konnte, aber als ich endlich vollständig in ihm war, spannte er sich wieder so stark an, dass ich leise aufstöhnen musste. „Gott, Rose...“, murmelte ich hilflos und biss leicht in seinen Hals. „Ich hab ENTSPANNEN gesagt.“ Ich hörte ihn leise kichern, dann vergrub er eine Hand in meinen Haaren und schmiegte sich etwas an mich. „Wie fühlt sich das an?“, wollte er wissen, und wenn ich mich nicht völlig täuschte, dann hatte seine Stimme einen neugierigen Unterton. „Viel zu gut“, gab ich zurück und küsste ihn ein weiteres Mal, als ich begann, mich zu bewegen, noch langsam in ihn zu stoßen. Rose drängte sich mir auf der Stelle entgegen, während er an meiner Oberlippe knabberte und immer wieder leise und genussvoll aufstöhnte. Obwohl ich es mir immer noch nicht vorstellen konnte – er schien wirklich keine Schmerzen zu spüren. „Ah... das ist so anders als mit einer Frau...“, wisperte der Blonde schwer atmend und drückte sich kurz an mich. „Das hier ist besser... mmh... so viel besser...“ „Das will ich doch hoffen“, erwiderte ich ebenso leise und lächelnd und stützte mich mit einer Hand neben seinem Körper ab, während ich ihn erneut küsste und eine Hand an seine Seite legte. Sollte ich ihm jetzt schon zeigen, dass es noch besser werden konnte? „Hakuei...“, flüsterte er, offenbar vollkommen in seiner Lust versunken, die Augen geschlossen, sich fest an mich klammernd und meine Bewegungen weiter erwidernd. „So intensiv... ich... uh... will mehr...“ Just in dem Moment hob ich sein Becken ein Stück an, sodass ich mit einem Stoß direkt diesen gewissen Punkt in ihm traf. Mit dem Ergebnis war ich durchaus zufrieden: Rose stöhnte erstickt auf, zog sich mit einem Mal noch enger um mich zusammen, krallte sich in meine Haare und bog seinen Rücken durch. Anschließend hielt ich für einen Moment inne, um ihn wieder zu Atem kommen zu lassen. Beinahe entgeistert sah er mich an. „Was... war das?“ „Der Grund, warum Männer überhaupt so gerne miteinander schlafen“, gab ich schwach lächelnd zurück und fuhr mit meiner freien Hand zwischen seine Beine, um seine Erektion zu umfassen und anzufangen, diese sanft zu massieren. „Gefällt es dir?“ „Hakuei“, hauchte er. „ M e h r . “ Und zusammen mit unartikuliertem Stöhnen und Keuchen blieben dies die einzigen Worte, die er in den nächsten Minuten noch von sich gab. Aber dafür wiederholte er sie immer wieder, wie ein Mantra, er wisperte immer wieder meinen Namen, und jedes Mal klang es erregter. Hatte ich am Anfang nur aus Ergebenheit und aus Angst vor den Konsequenzen mitgemacht, so bekam ich mehr und mehr den Gedanken, dass ich es eigentlich ja auch freiwillig machen könnte – so schlecht war es nämlich wirklich nicht. Und Rose hatte einen sehr schönen Körper, völlig unangetastet, keine Narben, keine Tattoos oder Piercings, außer den blonden Haaren war nichts ‚Unnatürliches’ mit seinem Körper angestellt worden. Seine Haut war angenehm weich und überraschend hell und sein Gesicht beim Sex war unbezahlbar. Ich genoss es, und zwar in vollen Zügen, und ich bekam schon währenddessen ein schlechtes Gewissen deswegen. Rose war so jung, so ... unschuldig (ich sträubte mich inzwischen ein wenig, das Wort im Zusammenhang mit ihm zu nennen), und der erste Typ, mit dem er schlief, war ausgerechnet ein Killer wie ich. Obwohl ich mich so lange in Abstinenz geübt hatte, war ich doch um einiges erfahrener und abgehärteter als Rose, weshalb ich es schaffte, ihn vor mir zu seinem Höhepunkt zu bringen. Mal ehrlich gesagt, ich hatte vorher überlegt, ob ich ihn nicht lieber von hinten nehmen sollte, damit ich sein Gesicht nicht sehen musste. Und es war durchaus berechtigt gewesen. Ich mochte es, wenn er lächelte, weil er dann so lieb und hübsch aussah, aber sein Gesichtsausdruck, als er seinen ersten Orgasmus durch einen Mann bekam, konnte nur noch als umwerfend sexy bezeichnet werden. Ich konnte mich nicht an ihm satt sehen. Ich hatte noch nicht allzu viel von seiner Mimik gesehen, daher war es umso gefährlicher, dass ich dieses Gesicht noch einmal sehen wollte und daher... Nachdem wir, eng aneinander geschmiegt, ein weiteres Mal geduscht hatten, verkrochen wir uns in Roses Bett, wo er sich erneut dicht an mich kuschelte und ich deshalb die Arme um ihn legte. Lange sagte keiner von uns ein Wort, bis Rose sich schließlich dazu überwand. „...Entschuldige“, murmelte er sehr leise. „Wofür?“, fragte ich und strich ihm leicht über den Rücken. „Dass ich... dich erpresst habe. Dass ich dich dazu gezwungen habe. Das war... nicht richtig von mir. Es tut mir leid...“ „Schon okay.“ Ich seufzte ergeben. „Es war dann doch nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ „Hey!“ Rose knuffte mich beleidigt in den Bauch, zwar nicht sonderlich sanft, aber wofür hatte man denn Bauchmuskeln. Das schien ihm auch aufzufallen, denn anstatt zu schmollen, tastete er erst meinen Bauch ab, streichelte mit den Fingerspitzen darüber und stupste ihn schließlich noch an. Dabei sah er so konzentriert und fasziniert aus, dass ich fast lachen musste. Um ihn noch etwas zu ärgern, spannte ich meinen Bauch auch noch an, woraufhin sich in seinen Gesichtsausdruck noch Erstaunen und Bewunderung mischten. „Ich mag deinen Bauch“, merkte er überflüssigerweise an und legte seine Hände flach darauf. „Noch nie so was gesehen?“, wollte ich lächelnd wissen. Manchmal konnte er wirklich niedlich sein. Rose schüttelte den Kopf. „Gesehen schon, natürlich. Aber anfassen durfte ich nie. Tattoos schon, aber deine sind viel hübscher. Vor allem der Stern hinten auf deiner Schulter.“ „Der ist dir aufgefallen?“ „Schon am ersten Tag.“ Er lächelte leicht. „Wenn ich so etwas sehe, dann möchte ich es immer anfassen, auch, wenn ich mich nicht von jedem berühren lasse... Ich glaube, ich bin wirklich komisch. Findest du mich eigentlich hübsch?“ Mir waren seine Gedankensprünge etwas zu abrupt, daher überlegte ich kurz, was ich sagen sollte. Natürlich, ich bezeichnete ihn als hübsch, aber wenn ich daran dachte, wie er aussah, wenn er lächelte, wie sein hübscher Körper sich gerade unter mir gewunden hatte, wie elend er wirkte, wenn er weinte... „Nein, hübsch finde ich dich nicht“, antwortete ich nachdenklich. „Ich finde dich unheimlich schön. Ich sehe dich gerne an.“ Damit war der Blonde sichtlich zufrieden. Er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge und hauchte mir einen Kuss auf die Haut, ehe er noch eine letzte Frage stellte. „Würdest du denn noch mal mit mir schlafen?“ „Nein, nicht, wenn du mich nicht wieder zwingst“, erwiderte ich. „Du magst es nicht glauben, aber ich merke sogar dann, dass du lügst, wenn ich dein Gesicht nicht sehe.“ „.... Gute Nacht, Rose.“ „Gute Nacht. Hakuei.“ Am nächsten Tag stand ich als erster auf, weshalb auch glücklicherweise ich es war, der das Bild entdeckte. Es war unter der Tür hindurch geschoben worden, ohne jegliche Notiz. Nur das Bild. Beziehungsweise die beiden Bilder, schließlich waren es zwei auf einem Blatt Papier. Das eine musste ich nicht weiter beschreiben, es gab eine passende Zusammenfassung des vorherigen Abends mit Rose. Das andere zeigte den Blonden, wie er vor dem Zimmer im Flur neben Nao auf dem Boden kniete und ihm gerade am Hals herumschnitt, das Blut am Arm des Pflegers konnte man deutlich erkennen. Ich fragte mich, was damit bezweckt werden sollte. Es konnte ja schlecht ein einfaches ‚Ich weiß Bescheid!’ sein – gekoppelt mit einem ‚ihr werdet überwacht’. Für wen könnten diese Bilder einen Nutzen haben? Für die Suzukis? Weshalb? Wenn sie nicht wollten, dass ich ihren Erben anfasste, dann sollten sie es sagen. Und wenn er schon nicht ganz richtig im Kopf war, dann konnte es doch durchaus vorkommen, dass er irgendjemanden umbrachte. So gesehen war ich ja auch in Lebensgefahr gewesen. Ohne Rose dabei aufzuwecken, verbrannte ich den Zettel. Während die Flammen hungrig an dem Papier leckten, wurde ich unwillkürlich an Roses blutige Kleidung denken, die ich auf dem selben Weg vernichtet hatte. Ich fand, dass der Blonde die Fotos nicht unbedingt zu Gesicht bekommen musste, wahrscheinlich machte ihn das nur nervös. Da es noch keine Frühstückszeit war, machte ich erst mein Bett, räumte ein wenig im Zimmer auf und hockte mich dann neben Rose, um ihm beim Schlafen zuzusehen. Manchmal wachte er sogar noch vor dem Sonnenaufgang auf und war sofort putzmunter, und manchmal kam er überhaupt nicht aus dem Bett und war anschließend fast den gesamten Tag über schläfrig. Heute schien wieder so ein verschlafener Tag für ihn zu werden. Als es vorsichtig an der Tür klopfte, stand ich auf und öffnete sie selbst, um Rose nicht zu stören. Shizuko hob eine Augenbraue. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass Ihr Zimmernachbar dafür sorgen würde, dass Sie nicht mehr halb nackt in der Gegend herumlaufen“, bemerkte sie beinahe schon missbilligend. „Tut er auch, aber im Moment schläft er noch“, antwortete ich leicht lächelnd. „Was gibt es?“ „Da ist ein Besucher für Sie“, gab sie zurück. „Besuch? Für mich?“, wiederholte ich erstaunt, während ich überlegte, wer um alles in der Welt so früh auftauchen würde. ... Und vor allem HIER. Sowohl mit den Suzukis als auch mit den Maiharas hatte ich ausgemacht, dass es besser wäre, wenn mich keiner der beiden besuchen käme. „Ich habe ihm auch schon gesagt, dass Sie sehr wahrscheinlich noch schlafen werden, aber er wollte sich nicht abwimmeln lassen. Er meinte, es sei wichtig.“ Shizuko zuckte die Schultern. „Wenn Sie möchten, dann kann ich ihm sagen, dass Sie noch im Bett sind.“ „Wer ist es denn?“, wollte ich wissen. „Er hat nur seinen Vornamen gesagt: Daisuke.“ Ich seufzte. „Natürlich, das erklärt alles. Können Sie ihn bitten, sich noch fünf Minuten zu gedulden? Und wenn er versucht, mit Ihnen zu flirten, dürften Sie ruhig radikal werden, was anderes hilft bei ihm nämlich nicht.“ Shizuko musste jetzt selbst lächeln. „Interessante Freunde haben Sie“, war ihr einziger Kommentar, dann verschwand sie. Ich zog mich in Ruhe an und machte mich dann auf den Weg in die Besucherabteilung. Daisuke war ein alter Freund von mir, ich kannte ihn bereits einige Jahre. Er war eine der Personen, denen ich mein Leben anvertrauen würde – und es auch manchmal tat. Trotzdem hatte er gewisse Eigenheiten, zum Beispiel schaute er immer dann vorbei, wenn es gerade am unpassendsten war, mit der Ausrede ‚ich war gerade in der Gegend’. Selbst, wenn er wusste, dass es ungünstig war. Er stand genau in der Mitte des Salons und rauchte. Irgendwie schaffte er es, immer dann die meiste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn er eigentlich das Gegenteil erreichen wollte – er war nicht alleine im Salon, aber er war der einzige, der nicht saß und er trug auch als einziger eine Sonnenbrille und einen Anzug. Als Daisuke mich sah, breitete sich sofort ein honigkuchenpferdähnliches Lächeln auf seinem Gesicht aus. Er kam mir entgegen und wollte mich eigentlich umarmen, aber ich hielt ihn mit einem leisen warnenden ‚Daisuke’ zurück. „Einen wunderschönen wünsche ich dir, du siehst ziemlich unausgeschlafen aus, zu beschäftigt gewesen die Nacht?“, fragte er mich grinsend. „Es fasziniert mich immer wieder, wie du direkt in deinem ersten Satz zur Begrüßung solche Anspielungen unterbringen kannst“, gab ich zurück und hob eine Augenbraue. „Und ich frage mich immer wieder, wie man ohne Lachen durchs Leben gehen kann“, meinte Daisuke lächelnd und neigte den Kopf etwas zur Seite. „Aber irgendwie schaffst du das. Na ja, deshalb bin ich nicht hergekommen. Weißt du, ich war gerade NICHT in der Gegend, ich bin extra hergefahren, nur für dich, um dir etwas ziemlich Wichtiges zu sagen, stell dir das mal vor.“ Er deutete auf einen der herumstehenden Tische. „Sollen wir uns setzen? Ich glaube, danach kannst du sowieso nicht mehr gerade stehen.“ Wow, er besuchte mich nicht, um mich zu besuchen, sondern wegen etwas Wichtigem? Das war ja mal ganz was Neues. Wir machten es uns an einem Tisch bequem, Daisuke vielleicht ein bisschen zu sehr. „Wie läuft’s denn mit dem Kleinen? Kommst du gut klar mit ihm?“, wollte er neugierig wissen. „Inzwischen läuft es ziemlich gut“, nickte ich zufrieden. „Offen reden tut er mittlerweile sogar, er lässt sich auch von mir anfassen – im Gegensatz zum Anfang. Alles in allem ist er ganz handzahm geworden. Von der Person her mag ich ihn auch, er ist mir nicht unsympathisch.“ „Also... hast du dich jetzt wegen der Aufträge entschieden?“, fasste Daisuke zusammen. Ich nickte wieder und er runzelte nachdenklich die Stirn. „Hm. Ich glaube, es wäre einfacher für euch beide, wenn du dich für den anderen entschieden hättest.“ „Warum?“ „Die Suzukis wollen ihn selbst umbringen.“ Schlagartig saß ich aufrecht und starrte Daisuke entgeistert an. „Was?!“ Er nickte. „So, wie ich es mitbekommen habe, wollen sie ihn loswerden. Wann genau, wo, wie und warum, weiß ich allerdings nicht. Über das warum kann ich nur spekulieren – sie sind wegen irgendetwas unheimlich sauer auf ihn. Warum sie dich dann vorher noch engagiert haben, dass du auf ihn aufpasst, das weiß der Himmel. Ich hab noch zu wenig Informationen, als dass ich mich dazu äußern könnte.“ Ich rührte mich nicht von der Stelle, während mein Gehirn fieberhaft arbeitete. „Und ich?“ „Dich wollen sie natürlich auch umlegen, ist ja klar. Das Problem ist nur, dass du nicht fliehen kannst. Wie ich das weiß, haben sie einige Strohmänner in der Klinik, ganz neue, die keiner kennt. Und da hier, wie du sicherlich gemerkt hast, alles überwacht wird – eigentlich zu eurem Schutz – würde es auf der Stelle auffallen, würdest du einen Fluchtversuch starten.“ Daisuke zündete sich eine zweite Zigarette an. „Kurz, du sitzt in der Scheiße.“ „Also sie denken es sich so, dass Rose und ich wie eingesperrte Kaninchen hier hocken und darauf warten, dass sie kommen und uns umbringen, oder wie?“ Er nickte erneut. „Ungefähr so, ja.“ „Okay, wie wäre es, wenn es ganz plötzlich einen Stromausfall geben würde und die Überwachungskameras nicht mehr funktionierten?“ „Hör mal zu, solange ich noch nichts Genaueres weiß, solltest du erst einmal wirklich nichts machen. Sie werden so schnell noch nichts tun, DAS weiß ich zumindest, frühestens in einer Woche. Ich melde mich vorher auf jeden Fall noch mal, egal, in welcher Form. Herkommen werde ich nicht noch einmal, das würde auffallen. Sobald ich was Neues weiß, bist du der erste, der es erfährt. Ja?“ Langsam nickte ich. Das gefiel mir nicht, das gefiel mir ganz und gar nicht. ~*~*~*~ tbc~ mich würde mal interessieren, wie sympathisch ihr die Leute findet, die bis jetzt aufgetaucht sind - da hätten wir natürlich Hakuei und Rose (was am interessantesten ist), dann Gara und Daisuke und natürlich noch Shizuko ^^ [es kommen auch nicht mehr viele Kapitel - nur noch das hier und dann weitere drei ] „Bitte, hilf mir, ich muss hier raus, ich kann nicht länger hier bleiben, es macht mich krank.“ ----------------------------------------------------------------------------------------------- Beta’d: Tattoo ist ein Held =D A/N: in/nach diesem Kapitel wird es alles etwas klarer ^^ ~*~*~*~ Als ich von dem Gespräch mit Daisuke in mein Zimmer zurückkehrte, lag Rose zwar immer noch im Bett, hatte die Augen aber inzwischen geöffnet und schien zu schmollen, zumindest hatte er die Unterlippe etwas vorgeschoben. „Wo warst du?“, wollte er neugierig wissen. „Ich hatte einen Besucher“, antwortete ich schlicht und setzte mich auf seine Bettkante, noch immer in Gedanken versunken. Damit hatte ich nicht gerechnet – was sollte das Ganze überhaupt? Erst bezahlten die Suzukis mich dafür, dass ich auf ihren heißgeliebten Erben aufpasste und jetzt wollten sie ihn selbst zur Strecke bringen und mich gleich dazu. Mich zu retten wäre wahrscheinlich absolut kein Problem, ich hatte eigentlich genügend Möglichkeiten. Wo jedoch die Schwierigkeit lag, war die Tatsache, dass Rose auch noch mit gerettet werden sollte. Ich würde ihn ganz bestimmt nicht einfach zurücklassen und billigend in Kauf nehmen, dass er umgebracht wurde. Das lag nicht daran, dass wir letzte Nacht miteinander geschlafen hatten, sondern eher daran, dass ich fand, er hatte es nicht verdient. Nun ja, streng genommen hatte niemand den Tod verdient, aber Rose noch etwas weniger als andere. „Wo bist du gerade gedanklich?“, fragte Rose interessiert weiter und rutschte ein wenig im Bett nach unten, näher zu mir hin. „Bei Leben und Tod“, erwiderte ich in Gedanken, woraufhin er nach einer meiner Hände griff und sie festhielt, nach einer Weile selbst geistesabwesend darüber strich. Viele der Personen, die bereit und in der Lage wären, mir zu helfen, würden nicht einsehen, dass sie dasselbe für Rose tun sollten – entweder waren sie mit ihm verfeindet oder er war ihnen komplett egal, da konnte ich sagen, was ich wollte. Ich könnte natürlich auch warten, bis die Suzukis kommen würden, um uns umzubringen, und dann auf ein Wunder hoffen, aber das stand außer Frage. Wahrscheinlich sollte ich wirklich auf Neuigkeiten von Daisuke warten, ehe ich irgendeine Entscheidung traf. Ich wollte dafür sorgen, dass Rose diese ganze kranke Situation überlebte. Meinetwegen half ich ihm danach auch noch, irgendwo unterzutauchen. Das war ich ihm irgendwo schuldig, vielleicht auch mir selbst. Zumindest hatte ich so ein Gefühl. „Sollen wir zum Frühstück gehen?“, schlug ich, noch immer etwas zerstreut, vor und verschränkte meine Finger mit Roses. Er lächelte sein halbes schiefes Lächeln, das dieses Mal ironisch wirkte. „Du kannst gerne gehen“, meinte er. „ICH kann nicht.“ „Warum...“ „Ich kann nicht aufstehen!“, beschwerte er sich beinahe entrüstet, worauf ich lächeln musste. „Lach nicht, ich hab es schon versucht und irgendwann aufgegeben. Warum musstest du auch so brutal sein?“ Jetzt war ich empört. „Wer war es denn, der die ganze Zeit immer mehr wollte, hm? Und außerdem bist du selbst Schuld, wenn du behauptest, dass es nicht weh tue.“ „Es HAT auch nicht weh getan!“, verteidigte Rose sich. „Das glaubst du mir immer noch nicht, oder?“ Nein, tat ich nicht. Zumindest zu dem Zeitpunkt noch nicht. Nachdem ich ihn dazu bewegen konnte, doch aufzustehen, und ihn beim Laufen am Anfang etwas unterstützte, ließ er sich von mir dazu drängen, doch mit zum Frühstück zu gehen. Ich konnte ihn sogar dazu bringen, sich noch anzuziehen. Beim Frühstück schien Rose selbst auch mit den Gedanken woanders zu sein: Als ich fragte, ob er gut geschlafen habe, gestikulierte er etwas, sodass er sich in den Arm schnitt. Soweit noch alles nachvollziehbar und menschlich – er passte nicht auf und schnitt sich versehentlich mit dem eigenen Messer in den Unterarm. Konnte ja mal passieren. Was mich dann allerdings stutzen ließ, war die Tatsache, dass er überhaupt nicht beachtete, dass das Blut seinen Arm entlang lief und sogar teilweise heruntertropfte. „Du blutest“, stellte ich trocken fest und starrte auf seinen Arm. Er senkte den Blick und schien sich beinahe zu erschrecken. „Oh. Stimmt.“ Kurzerhand wischte er sich mit seiner Serviette das Blut ab und wollte fortfahren, ohne sich auch nur im Geringsten um den Schnitt zu kümmern. „Rose“, fiel ich ihm scharf ins Wort. „Ich verlange eine Erklärung. Und zwar auf der Stelle.“ Ich fixierte ihn, auch noch, als er zur Seite sah. „Erklärung wofür?“, versuchte er es auf die unschuldige Tour. „Haben sie dir irgendetwas gegeben?“, fragte ich nach. „Nimmst du irgendetwas freiwillig? Das ist nicht mehr normal, wenn du nicht einmal mitkriegst, dass du dich selbst geschnitten hast!“ Zumindest würde das erklären, warum er am vorigen Abend keine Schmerzen gespürt hatte. Und wenn es nicht nur ein schmerzlinderndes, sondern auch ein Beruhigungsmittel gewesen war, dann klärte sich auch die Frage, warum er an manchen Tagen völlig verschlafen und an anderen putzmunter war. „Nein, es... es ist nichts“, gab er ausweichend zurück und schüttelte den Kopf. „Sieh mir in die Augen, wenn du mit mir redest“, forderte ich. Er erwiderte meinen Blick, schwieg allerdings. „Wie oft, warum und vor allem WAS?“ „Was es ist, weiß ich nicht genau“, murmelte der Blonde endlich leise. „Auf jeden Fall werde ich hinterher ganz müde und fühle mich oft zu erschöpft, um irgendetwas zu tun. Und schlecht wird mir, aber dadurch, dass es in meinem Blutkreislauf ist...“ „Sie spritzen es dir?“, wiederholte ich fassungslos und setzte mich aufrecht hin. „Aus welchem Grund denn??“ Rose zögerte einen Augenblick. „Sie haben mir eigentlich gesagt, dass ich es niemandem erzählen soll...“ „Ich bin niemand, erzähl es mir“, verlangte ich auf der Stelle. „Rose, das ist wichtig, äußerst wichtig sogar.“ „Sie meinen, dass es mir dabei helfen würde, ganz normal zu werden, wie alle anderen auch, ich glaube, sie meinen damit, dass ich vielleicht von einem Vampir zurück in einen Menschen verwandelt werden kann... oder dass ich endlich aufhöre, diese Auren und die Schatten zu sehen, das würde ich alles liebend gerne aufgeben, um ein normales Leben zu führen...“ Seine Stimme wurde immer leise und erstarb schließlich ganz. „Lass dir nichts einreden, es gibt keine Medikamente dagegen!“, fuhr ich ihn an. „Warum hast du mir denn nicht vorher davon erzählt?“ Jetzt, als Rose mich ansah, lag eine gewisse Wut in seinem Blick. „Weil sie, im Gegensatz zu dir, den ernsthaften Versuch unternehmen, mir zu helfen, und nicht meine Existenz verleugnen!“, fauchte er und stand ohne Weiteres vom Tisch auf, stapfte verärgert aus dem Speisesaal. Ich sah ihm sprachlos hinterher. Erst einmal: Ich verleugnete seine ‚Existenz’? Das hatte ich in der Nacht getan, in der er Nao umgebracht hatte. Also erinnerte er sich doch daran. Dann: Wehrte er sich gerade dagegen, dass ihm ernsthaft geholfen wurde? Ich wollte nur sein Bestes, und ich war mir absolut sicher, dass, wer auch immer ‚sie’ waren, sie nichts Gutes im Schilde führten. Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen – warum sonst sollten sie es geheim halten wollen? Ich musste unbedingt herausfinden, wer ‚sie’ waren und was sie Rose verabreichten. Und was sie vorhatten. Genau in dem Moment begann jemand ohrenbetäubend zu schreien. Der Schrei ging mir durch Mark und Bein, und nicht mal eine Sekunde später stand ich aufrecht und starrte zu der Quelle des Lärms. Am anderen Ende des großen Raumes stand jemand in Flammen. Er schien wie aus dem Nichts aufgetaucht zu sein, aber umso deutlicher machte er sich bemerkbar. So, wie es aussah, brannte er allerdings nicht erst seit gerade, ich roch deutlich das verbrannte Fleisch, und ich sah, wie ebenjenes langsam von den Knochen fiel, während sich der Mann in unerträglichen Schmerzen wand, von Tisch zu Tisch warf, nach Halt suchte und letztendlich zwischen zwei langen Tischen zu Boden stürzte. Da erst kehrte Leben zurück in meinen Körper. Ich lief los und stoppte erst, als ich an der Stelle hielt, wo der Mann lag. Oder vielmehr hätte liegen sollen. Mit einem Mal bekam ich eine Gänsehaut. Und zwar nicht so eine von der Kälte, nicht eine, die sich kurz schlagartig ausbreitete und dann sofort verschwand, ein seltsames Gefühl hinterlassend. Es war eine Gänsehaut, die einem ganz langsam und quälend über den Rücken gekrochen kam und sich langsam, aber sicher, wie Frost über den gesamten Körper zog. Zurück blieb nicht nur ein unangenehmes Gefühl, sondern auch eine unbeschreibliche Kälte, die in die Knochen eingedrungen zu sein schien und daher so schnell nicht wieder auslöschbar war. Es war nirgendwo irgendetwas Verdächtiges zu sehen. Es gab keine einzige angebrannte Stelle, keinen Leichnam, keine Stücke Fleisch, keine einzelnen Körperteile, gar nichts. So plötzlich er aufgetaucht war, so plötzlich war er auch wieder verschwunden, spurlos. Ich hatte ihn gesehen, ich hatte ihn ganz deutlich gesehen, ich hatte ihn gehört, ihn gerochen. Eine weitere Gänsehaut breitete sich in mir aus, als mir auffiel, dass die anderen Personen, die sich ebenfalls in dem großen Raum befanden, sich nicht großartig gerührt hatten. Weder als der Mann geschrien hatte, noch als er von Tisch zu Tisch getorkelt war. Der Grund dafür: Sie hatten ihn nicht gesehen. Sie hatten ihn nicht gesehen, weil er nicht da gewesen war. Den gesamten restlichen Tag ließ Rose sich nicht mehr blicken. Zuerst war ich ziemlich beunruhigt, weil ich ihn auch nirgendwo im Gebäude finden konnte, bis Shizuko mir sagte, dass er rausgegangen sei. Das alarmierte mich noch mehr, bis ich ihn dann im Garten der Klinik sah. Solange er in Sichtweite blieb, musste ich mir keine Sorgen um ihn machen, und wahrscheinlich wollte er auch einfach seine Ruhe. Ich verbrachte meinen Tag trotzdem weiterhin angespannt. Ich fand keine Ruhe, weil ich ständig über diese seltsamen Erscheinungen nachdenken musste. Ich sah Gestalten, wo keine waren, und heute Morgen hatte ich sogar eine richtige Halluzination gehabt. Das war nicht mehr normal, das wusste ich. Die Frage war nur: Woher kam das alles? Und dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Ich hatte von der Frau geträumt, die vergewaltigt und dann erstochen worden war. Und genau von jener Frau hatte ich dem Psychiater erzählt. Ihr Gesicht war in meinen Erzählungen wie in meinem Traum unscharf gewesen... Wenn ich so darüber nachdachte, dann galt dasselbe auch für den Verbrannten an diesem Morgen. Und es war nur ich, der ihn gesehen hatte. Hieß das... das, was ich mir zusammengedichtet, was ich erfunden und vollkommen aus der Luft gegriffen hatte, wurde nun Wirklichkeit?? Eine grausame Wirklichkeit, gefüllt mit Leichen, mit Geistern, mit unheimlichen Erscheinungen, die kamen, wenn man sie gerade nicht erwartete? Das konnte doch nicht sein. Mir fiel ein Satz ein, den ich irgendwo gelesen hatte: Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los. Am Abend wurde ich vollends nervös, als Rose nicht mal zum Abendessen erschien. Hinterher warf ich einen Blick in den Garten. Er war nicht mehr da. Ich durchsuchte das gesamte Gebäude, fragte alle Pfleger und auch einige Patienten, ob sie ihn nicht gesehen hatten, und alle verneinten. Wenn ihm etwas zugestoßen sein sollte, dann war ich dafür verantwortlich zu machen. Mir fiel noch ein einziger Platz ein, an dem er sein könnte; obwohl ich es ziemlich unwahrscheinlich fand, begab ich mich dennoch dorthin. Seltsamerweise behielt ich Recht – ich konnte schon von weitem Roses weißblonde Haare sehen. Er kniete auf der Stelle, an der ich noch vor wenigen Nächten jemanden begraben hatte, kratzte auf dem Boden herum und schien zu weinen. Ich hockte mich neben ihn und legte ihm vorsichtig eine Hand an die Schulter. „Rose?“, fragte ich sanft. Ich erwartete eigentlich fast, dass er mich angriff oder wegschickte, aber er tat nichts dergleichen, er hob lediglich den Kopf und schaute mich leise schniefend an. „War ich es?“, flüsterte er tonlos. „Ich hab ihn umgebracht, oder?“ Er grub seine Fingernägel in die Erde und wandte seinen Blick wieder dem Grab zu. „Ich habe ihn getötet...“ „Rose, komm weg hier“, murmelte ich und versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen, aber er wand sich aus meinem Griff. „Siehst du, was passieren kann, wenn du weiter in meiner Nähe bleibst?“, wollte er aufgebracht wissen und sah mich wieder an. „Ich hätte dich schon einmal fast umgebracht, wer sagt, dass ich es nicht irgendwann ganz tue? Wenn ich Blutdurst kriege und du der einzige in der Nähe bist...“ Er schluchzte leise auf. Kurzerhand richtete ich mich auf und stellte ihn ebenfalls auf die Beine, zwang ihn, mich anzuschauen. „Rose, hör mir zu. Du kannst sagen, was du willst, aber du bist KEIN Vampir, hör auf, dir das einzureden, das ist Schwachsinn!“ Ich wusste selbst nicht, warum es mich so wütend machte, dass er ständig behauptete, so ein Fabelwesen zu sein. Und ich wusste auch nicht, warum ich immer wieder den Versuch unternahm, rational mit ihm zu reden. „Du tust es schon wieder!“, schrie er mich an. „Du verleugnest mich!! Du hast selbst gesehen, wie ich Blut getrunken habe, wie kannst du dann noch-“ „Ich habe aber auch gesehen, dass dir davon schlecht geworden ist!“, fiel ich ihm verärgert ins Wort. „Ich denke, du merkst, wann ich lüge, wie kommt es dann, dass du mir nicht glaubst?! Es IST die Wahrheit, Rose, du bist kein Vampir, sieh es endlich ein, du bist ein ganz normaler Mensch! Wenn du ein Vampir wärst, dann wärst du schon längst verhungert, ich wette mit dir, letztens war es das allererste Mal, dass du versucht hast, Blut zu trinken, hab ich recht? Und wie viele Leute hast du in deinem Leben schon umgebracht, hm?“ Die Augen des Blonden füllten sich wieder mit Tränen, und für einen Augenblick schien er seine Sprache verloren zu haben. Er senkte den Blick. „Zwei“, wisperte er als Antwort. „Wegen dem einen bin ich hier. Und der andere... liegt gerade zu meinen Füßen...“ Ich bezweifelte für einen Moment, dass ich ihn richtig verstanden hatte. „Moment mal... Rose, DU hast den Erben der Maiharas umgebracht?“, wollte ich entgeistert wissen. Er nickte nur langsam mit dem Kopf und blickte mich dann so verzweifelt an, dass ich mich selbst vollkommen hilflos fühlte. „Ja, habe ich. Und dadurch bin ich in die Hölle gekommen... Hilf mir, Hakuei. Bitte, hilf mir, ich muss hier raus, ich kann nicht länger hier bleiben, es macht mich krank, dieses ganze Gebäude, die Menschen hier... es macht mich alles krank. Ich will hier weg...“ Und damit lehnte er seine Stirn an meine Schulter und begann wieder zu weinen. Und ich stand nur da und wünschte mir, dass ich irgendetwas für ihn tun könnte. Meine eigene Unfähigkeit machte mich wütend. Als wir später nebeneinander im Bett lagen, klammerte Rose sich fest an mich. Ich strich ihm abwesend durch die Haare. „Rose... kannst du dich daran erinnern, wie du warst, bevor du hierhin gekommen bist?“, wollte ich nachdenklich wissen und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. Er schwieg eine Weile. „Nicht genau“, gab er zurück. „Ich weiß nur, dass ich immer gut gelaunt war und viel gelacht habe... Ich hatte auch nicht solche Gedanken wie jetzt, nicht solche brutalen, nicht solche ... perversen, nicht solche bösen. Wenn mich früher jemand aufgeregt hat, dann habe ich mir nicht gleich ausgedacht, wie ich ihn umbringen oder es ihm heimzahlen könnte...“ Er hob den Kopf ein wenig und blickte mich an. „Meine Aura hat sich verändert, sehr stark. Vorher war ich grauweiß, und jetzt ist sie beinahe schwarz... es ist, als wäre ich beschmutzt worden.“ Das hatte ich mir fast gedacht. Ich schloss kurz die Augen. Wer auch immer ‚sie’ waren, ‚sie’ hatten Rose irgendetwas verabreicht, das seinen Geisteszustand vollkommen verändert hatte. Nur warum? Was sollte das alles? Ich blickte nicht mehr durch. Überhaupt nicht mehr. Aber das war mir egal – ich wollte einfach nur noch raus aus diesem Alptraum. „Rose, ich würde dich gerne einmal lachen sehen...“, meinte ich. Der Blonde lächelte und rutschte etwas nach oben, um mich kurz zu küssen. „Das würde ich auch gerne“, flüsterte er und drückte unsere Lippen ein weiteres Mal aufeinander. „Rose?“, fragte ich zögernd. „Ja?“ „Ich möchte noch einmal mit dir schlafen.“ So ganz wusste ich auch nicht, warum ich das gesagt hatte. Vielleicht, weil ich das vorherige Mal mit ihm so sehr genossen hatte, und weil ich Rose wenigstens ein bisschen Trost spenden wollte. Das hatte er verdient. „Streich das ‚einmal’, dann kriegst du eine positive Antwort“, gab er leise zurück. Dieses Mal musste ich lächeln. Es war falsch. Es war falsch, und ich wusste es. Mir war nicht klar, was für Gefühle Rose mir entgegen brachte, ob es Bewunderung, Sympathie, Abhängigkeit oder Liebe war, ich konnte es nicht sagen. Aber was auch immer es war, ich verstärkte es nur dadurch, dass ich mit ihm schlief. Und dabei wusste ich ganz genau, dass der Zustand, in dem wir beiden uns befanden, nur ein vorübergehender war. Wir würden nicht mehr ewig in der Klinik bleiben, irgendwann würden sich unsere Wege unweigerlich wieder trennen. Vielleicht starb einer von uns beiden. Und wenn ich dieser jemand war, dann würde es sehr schmerzhaft für Rose werden... Und trotzdem nahm ich es in Kauf. Aus niederen Gründen, das war mir bewusst. Ich stellte Roses kurzzeitige, jetzige Zufriedenheit über seine dauerhafte. Hätte ich ihn einfach zurückgewiesen, dann hätte er nach unserer Trennung ohne Probleme weiterleben können. Dadurch, dass ich dafür sorgte, dass er noch stärker an mir hing, würde es für ihn umso schwieriger, sich von mir zu lösen. Es wäre auch eine Lüge zu sagen, dass ich nicht anders gekonnt hätte. Wahr war Folgendes: Ich wollte nicht anders. Ich wollte, dass es Rose in diesem Moment besser ging, ich wollte ihm die Situation etwas erleichtern, ich wollte, dass er sich gut fühlte, und ich wollte der Grund dafür sein. Und ich wollte ihn. Bei unserem ersten Mal, das noch bis zu einem gewissen Grad gezwungen gewesen war, hatte ich nicht komplett frei fühlen können, sondern hatte immer noch im Hinterkopf gehabt, dass ich eigentlich dagegen war, mit ihm zu schlafen. Beim zweiten Mal allerdings verdrängte ich diese Gedanken vollständig und konzentrierte mich nur auf meine Gefühle. Und wurde von ihrer schieren Intensität beinahe überwältigt. Vielleicht lag es daran, dass ich selbst verzweifelt war, dass ich mich in einem Alptraum befand, aber der Sex mit Rose war intensiver und inniger als der mit jeder anderen Person, mit der ich je zuvor geschlafen hatte. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Einerseits wurde ich von Rose zunehmend mehr angezogen, andererseits sagte ich mir, dass das genau das Schlimmste war, was passieren könnte. Ganz zu schweigen von meinem unheimlich schlechten Gewissen. „Bereust du es?“ Die Frage kam unvorbereitet, gesprochen von vom Küssen etwas geschwollenen Lippen in einem Gesicht mit geschlossenen Augen, an dem unzählige Wassertropfen abperlten. Ich betrachtete Rose noch einen Moment länger, seinen schlanken Körper mit der viel zu einladenden Haut, seinen Hals, der dadurch sichtbar wurde, dass der Blonde den Kopf in den Nacken gelegt hatte. Sein Gesicht, das bereits so viel Mimik gezeigt, aber noch nicht ein einziges Mal ein Lachen enthüllt hatte. „Inwiefern bereuen?“, fragte ich zurück. „Die Sache an sich oder die Sache in ihrem Kontext?“ „Gibt es da einen Unterschied?“ Neugierig öffnete Rose die Augen und schlang seine Arme etwas fester um mich. „Ja, gibt es. Ich bereue es nicht, mit dir geschlafen zu haben, ich bereue es allerdings, dass es in dieser Situation geschehen ist“, murmelte ich und lehnte mich etwas an die kalten Kacheln der Dusche. Der Blonde legte seinen Kopf an meine Schulter und fuhr mit den Fingerspitzen über meinen Bauch. „Ist das gut oder schlecht?“ wollte er wissen. Ich wollte gerade antworten, dass ich es nicht weiß, da bemerkte ich plötzlich einen Schatten durch die Milchglasscheibe der Dusche. Jemand stand im Badezimmer. Ich wollte Rose schon von mir wegschieben und nachschauen, aber dann streckte diese Person ihre Arme aus, vergeblich, sie berührten nicht einmal die dünne Trennwand zwischen uns... Ich schloss die Augen, kniff sie beinahe zusammen und presste den Blonden eng an mich. Als ich sie wieder öffnete, war die Gestalt spurlos verschwunden. Ich hörte mich wieder sagen: ‚Ein erwürgter älterer Mann, zum Beispiel, erscheint manchmal, wenn ich aus der Dusche steige. Er greift mit seinen Händen nach mir, aber sie berühren mich nicht, sie gehen durch meinen Körper hindurch... und irgendwann bricht er zusammen und verschwindet.’ „Hakuei?“, fragte Rose irritiert und schaute zu mir auf. Ich schüttelte nur schwach den Kopf. „Entschuldigung, ich... war gerade gedanklich woanders...“ ~*~ Die nächsten fünf Tage waren eine einzige Qual für mich. Nicht die ganze Zeit, vor allem abends nicht, wenn ich mit Rose schlief. Aber fast die gesamte restliche Zeit. Ich wartete, entweder darauf, still und heimlich im Schlaf erschossen zu werden, oder darauf, dass Daisuke sich endlich wieder meldete. Dieser Zustand, dieses In-der-Luft-schweben, war das, was ich am meisten hasste. Ich wollte wissen, was los war, ich wollte wissen, wie es weiterging. Außerdem sah ich Gesichter. Zum Beispiel, wenn ich mich irgendwo umsah, erschien plötzlich ein Gesicht in der Luft, auf einem Tisch, an der Wand, im Fenster, irgendwo. Und sofort, wenn ich blinzelte oder genauer hinschaute, verschwand es. Die Gestalten, die irgendwo auftauchten und danach unvermittelt wieder entschwanden, häuften sich, manchmal glaubte ich in ihnen jemanden zu erkennen. Teilweise wachte ich mitten in der Nacht auf, mit rasendem Herzen und kaum atmen könnend, und dann erschien mir die Dunkelheit als so unheimlich, dass ich das Licht anschalten musste. Und wenn ich es tat, erschien die Frau. Ihr Gesicht blieb unscharf, aber ich konnte weiterhin ihr breites Grinsen sehen, wenn sie mir langsam immer näher kam und dabei von unsichtbaren Mördern zu Tode gestochen wurde. Ich bekam Angst vor der Dunkelheit, Angst vor dem Schlafengehen. Ich wollte nicht von diesen ganzen Geistern und Erscheinungen heimgesucht werden. Als ob ich dagegen etwas hätte tun können. Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Jedes Mal, wenn ich das Licht ausschaltete, bekam ich das Gefühl, dass irgendetwas DA war. Es war, als würde ich die Existenz, schlimmer noch, die Präsenz irgendeines Lebewesens spüren. Und je mehr ich mich darauf konzentrierte, desto unheimlicher wurde es. Ich hörte leise Geräusche, die sich wie Schritte anhörten, wie ein unregelmäßiges Atmen. Wenn ich das Licht wieder anmachte, war natürlich nichts da, aber ich wurde dieses Gefühl nicht mehr los. Auch, wenn ich bei Licht schlief. Rose selbst schien zwar zu bemerken, dass ich immer angespannter wurde, wusste aber anscheinend nicht, wie er damit umgehen sollte. Er selbst beruhigte sich ein wenig, er behauptete nicht mehr, ein Vampir zu sein, zumindest nicht mehr offen, und verhielt sich auch ansonsten recht ruhig. Und selbst dabei wirkte er so verletzlich, so fragil, dass ich ihn am liebsten ins Zimmer gesperrt und für den Rest meines Lebens auf ihn aufgepasst hätte. Am sechsten Tag bekam ich einen Anruf – endlich. Shizuko sagte mir Bescheid und allein durch ihre ironische Art wusste ich sofort, dass es der Anruf war, auf den ich schon lange gewartet hatte. „Daisuke?“, fragte ich leise in den Hörer – ich wusste ja nicht, ob vielleicht jemand mithörte. Obwohl es auch möglich sein könnte, dass das Telefon abgehört wurde... „Ich wünsche dir einen wunderschönen, du klingst ein bisschen wie ein Kaninchen, das gerade auf der Flucht ist. Nervlich am Ende?“ Manchmal hätte ich ihm für seine direkte Art am liebsten gegen das Schienbein getreten. „Dann versuch doch mal zu raten, warum“, knurrte ich zurück. „Wie viel Zeit bleibt uns noch? Was hast du rausgekriegt?“ „Zeit bleibt euch noch einige, so, wie ich das mitgekriegt habe“, antwortete Daisuke, endlich wieder ernst geworden. „Nur eine ganz kurze Zwischenfrage – hast du eine weite Hose mit Taschen an?“ Diese Frage machte mich für einen Augenblick sprachlos. Ich sah an mir herunter und runzelte dann die Stirn. „Ja, habe ich, warum um alles-“ „Perfekt“, erwiderte er zufrieden. „Also, ich habe zumindest herausgefunden, wer die Maulwürfe sind, die für die Suzukis arbeiten. Na ja, ich weiß wenigstens, wie sie aussehen. Ist dir irgendjemand Verdächtiges aufgefallen?“ Ich überlegte, mich noch immer über Daisukes vollkommen abstruse Frage wundernd. „Eine Pflegerin mit an den Spitzen braun gefärbten, ansonsten schwarzen Haaren namens Shizuko?“, schlug ich vor. „Nein, eine Frau ist nicht dabei. Ich glaube, einer der beiden war ein Pfleger... kurzes schwarzes Haar, vielleicht ist dir eine Narbe auf seinem Handrücken aufgefallen, soll vor einiger Zeit spurlos verschwunden sein...“ „Nao?“, wollte ich entgeistert wissen. „Könnte hinkommen, ja.“ „Mit einem Kansai-Dialekt?“ „Ja, genau!“ „Scheiße.“ Ich fuhr mir hilflos durch die Haare. „Ich weiß, warum er spurlos verschwunden ist. Rose hat ihn umgebracht.“ „Was??“ „Aber das spielt jetzt erst mal keine Rolle, wer sind die anderen?“ „Ich glaube, es waren nur die beiden“, meinte Daisuke zögernd. „Beim anderen ist nur auffällig, dass er ein wenig chinesisch aussieht, perfektes reines japanisch spricht und immer ruhig ist, außerdem hat er, glaube ich, ein Muttermal am Hals....“ Das ließ mich vollends die Fassung verlieren. „Ein Psychiater?“, fragte ich leise nach. „Richtig.“ Ich hörte das Lächeln aus Daisukes Stimme heraus. „Super, du hast zwei von zwei korrekt. Jetzt dreh dich doch mal langsam um...“ Bevor ich auch nur reagieren konnte, merkte ich noch, wie mir jemand mit etwas ziemlich Hartem auf den Kopf schlug. Dann wurde ich bewusstlos. ~*~*~*~ tbc~ (Kommentar Tattoo: „fieser cliffhanger, gaaaaanz fies!!“ =D) „DU LÜGST!! Du lügst, du lügst mich weiter an!“ ----------------------------------------------- Beta’d: ja, Tattoo sei Dank A/N: SHOWDOWN! *jubel* ~*~*~*~ Wach wurde ich dadurch, dass mir jemand einen Eimer Wasser ins Gesicht kippte. Also bitte, hatte ich eine solch primitive Behandlung verdient? Mein Kopf schmerzte unheimlich, ich hielt es kaum aus, aber ich wusste, dass ich mich zusammenreißen musste. Ich blinzelte mir das Wasser aus den Augen und setzte mich auf. Zuerst konnte ich nichts Genaues erkennen, dann aber wurde meine Umgebung wieder scharf. Vor mir standen drei Person, die ich kannte, und hinter ihnen noch ungefähr zehn andere, die mich sehr an Bodyguards erinnerten. Jeder von ihnen im Hintergrund hatte eine Pistole in der Hand. Vor mir standen Daisuke und Roses ältere Brüder, die anderen beiden Erben des Suzuki-Clans. Daisuke stand rechts, links der mittlere Erbe, Mamoru, und in der Mitte der älteste der drei Brüder: Mika. Gegen Mika hegte ich eine tiefe Abneigung, weil er nicht nur machtgeil und geldbesessen, sondern auch arrogant war. Ich versuchte, irgendetwas in Daisukes Gesicht zu lesen, aber er betrachtete mich genauso teilnahmslos wie die anderen beiden, er sogar mit einer Zigarette in der Hand, die halb abgebrannt war. Ich wollte ihn fragen, was das sollte, ob er von Anfang an dabei gewesen war und warum er mich hintergangen hatte, sagte aber lieber nichts. Der Schock saß noch zu tief. Wir befanden uns, wie es aussah, in einer großen Lagerhalle, die zur Hälfte mit Containern vollgestellt war, außerdem lag eine Menge Holz herum. Ich saß auf dem kalten Boden, die anderen standen wie eine geschlossene Mauer vor mir. „Schon scheiße, wenn man plötzlich niemanden mehr hat, der einem helfen kann, nicht wahr?“, ergriff Mika als erster das Wort. „Mach es kurz, Mika“, erwiderte ich kühl. Ich hätte gerne gewusst, was mit Rose war, ob sie ihn auch gefangen hatten oder ob er schon... „Wenn du das sagst.“ Der Älteste der Brüder zuckte die Schultern. „Ich frage dich das jetzt nur der Etikette wegen – hast du noch irgendeinen letzten Wunsch?“ „Lass mich nicht dumm sterben“, bat ich ihn. „Oder sag mir zumindest, was das Ganze soll. Ich möchte die ganze Geschichte hören, das wünsche ich mir. Und das ist noch nicht mal so ein großer Aufwand, oder?“ Mika tat, als würde er überlegen. „Wenn ich mir nicht sicher wäre, dass du keine Hinhaltetaktik benutzt, damit wer auch immer dich noch retten kann, dann würde ich es nicht machen. Da ich aber weiß, dass es vollkommen unmöglich ist, dass dir noch irgendjemand anderes helfen KANN, weil niemand Bescheid weiß, kann ich dir deinen Wunsch gerne erfüllen.“ Damit wandte er sich an Mamoru. „Das geht die anderen doch nichts an, oder?“ Mamoru schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, nein.“ „Wartet draußen, bis wir fertig sind“, befahl Mika den Bodyguards knapp, die nickten und die Halle verließen. Kaum waren sie verschwunden, zog Mika selbst eine Pistole. „Damit du nicht auf den Gedanken kommst, drei Leute wären leicht zu überwältigen“, kommentierte er lächelnd und warf Mamoru noch einen Blick zu. „Möchtest du anfangen?“ „Hast du dich jemals gefragt, warum wir beide japanische Namen haben und nur unser kleiner Bruder einen koreanischen hat?“, richtete Mamoru gleich eine Frage an mich. „Euer Vater ist doch Koreaner, und eure Mutter Japanerin-“, gab ich nachdenklich zurück, aber Mika unterbrach mich direkt. „Genau, und weißt du, was das dann bedeutet?“, zischte er. „Unser Vater hat sich schon bei unserer Geburt von uns distanziert! Er hat ihn uns immer vorgezogen, wir konnten machen, was wir wollten, es hieß immer Rose hier, Rose da! Er hatte überhaupt nicht vorgehabt, mich zu seinem rechtmäßigen Erben zu machen, er wollte Rose.“ „Und dabei ist Rose kein Stück weit für IRGENDETWAS geeignet“, fügte Mamoru nickend hinzu. „Er hat sich schon immer wie ein Mädchen benommen, wollte ständig pinke Sachen haben, hat andauernd geheult und so weiter und so fort – und dann kam noch hinzu, dass er ständig irgendwelche komischen Sachen von wegen Auren oder so was erzählt hat. Er war nicht ganz richtig im Kopf, und trotzdem hat unser Vater nur ihn, ihn allein geliebt.“ „Deshalb haben wir ihn dann auch überredet, den Erben der Maiharas umzubringen“, fuhr Mika gehässig fort. „Wir wollten ihn loswerden, wir wollten, dass Vater ihn enterbte. Oder dass er von den Maiharas umgebracht wurde. Leider hat beides nicht funktioniert, Vater hat alle Spuren verwischt, die Rose hinterlassen hatte, und weiterhin zu ihm gehalten. Dann habe ich aus Versehen irgendwann herausrutschen lassen, dass Rose weiß, wer der Mörder des Maihara-Erben war.“ „Dann war es gar nicht Rose selbst?“, warf ich eine Frage ein. Ich hatte es so verstanden, dass der Blonde sich selbst verraten hatte. „Das haben wir hinterher erzählt“, lächelte Mika. „Daraufhin wollte Vater Rose in Sicherheit bringen. Und da kam unsere Stunde. Wir wollten ein für alle Mal beweisen, dass Rose unfähig war, das Erbe anzutreten. Wir schlugen Vater die Klinik vor, mit dem Argument, dass sein Schatz dort sicher verwahrt wäre. Er stimmte zu.“ „Und dann habt ihr alles unternommen, um Rose als nicht mehr ganz voll darzustellen“, übernahm ich nun das Wort. „Erst habt ihr überall Überwachungskameras installieren lassen, und dann Strohmänner in die Anstalt gefädelt.“ „Genau, und dann haben wir dich eingeschaltet“, stimmte Mamoru mir zu. „Warum, das können wir dir gleich erklären.“ „Ihr habt ihm irgendwelche Sachen gespritzt, sodass er nicht mehr klar denken konnte, oder?“, murmelte ich. Mika grinste. „Genau das. Und vorher haben wir ihm noch schön eingeredet, dass er ein Vampir sei und das alles. Durch die ‚Medikamente’ wurde er nicht nur launisch, sondern auch blutdürstig, wie du ja am eigenen Leib erfahren durftest. Und es hat wunderbar funktioniert – er hat nicht nur Nao umgebracht, sondern sich auch von dir vögeln lassen.“ „Das hat schließlich den Ausschlag gegeben“, meinte Mamoru. „Vater hat schon gezweifelt, als wir ihm die Videoaufnahmen davor zeigten, aber als er dann sah, dass sein kostbarer Rose einen anderen Mann verführte... Er würde lieber sterben, als einen Schwulen auf seinem Thron zu sehen. Daraufhin hat er Rose komplett enterbt und endlich Mika zu seinem Erben erster Wahl gemacht.“ „Und jetzt siehst du den neuen Chef der Suzukis vor dir“, meldete Daisuke sich zum allerersten Mal zu Wort. Er rauchte bereits seine zweite Zigarette. „Kaum hatte Vater sein Testament geändert, erlitt er leider einen mysteriösen Unfall...“, grinste Mika selbstzufrieden. „Und was wollt ihr jetzt mit Rose machen?“, fragte ich zögernd. „WIR gar nichts“, betonte Mamoru, jetzt ebenfalls breit grinsend. „Um den kümmert sich gerade jemand anderes“, fügte Mika hinzu. „Rate mal, wer.“ Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte einen Verdacht, wenn er schon so fragte, aber das wäre absolut... „Die Maiharas.“ ....abwegig. „Überrascht?“ Ich hätte Mikas Grinsen am liebsten über den Haufen geschossen. „Wir arbeiten schon seit einiger Zeit zusammen – die Maiharas und wir beide zumindest. Mein Vater war ja mit ihnen verfeindet, aber wir finden, dass es viel praktischer ist, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten. Für uns beide. Sie denken nämlich, dass Rose ganz alleine Schuld am Tod ihres Erben ist, also haben wir denselben Feind. Sie haben auch eingesehen, dass es für sie von Nutzen ist, wenn ich und Mamoru an die Macht kommen, daher haben sie uns in unserem Plan unterstützt.“ Ich hätte nicht gedacht, dass das Ganze SO komplex sein würde. Aber eines war mir noch vollkommen unklar. „Und was für eine Rolle spiele ich dabei?“, wollte ich wissen. „Eine nicht ganz so tragende, aber auch keine unwichtige“, bemerkte Mamoru. „Wir brauchten dich für vieles“, erklärte Mika. „Erst mal zur Überredung unseres Vaters. Er fand nämlich, dass Rose noch nicht sicher genug da ganz alleine in der Klinik sei, und wollte ihn schon heimlich beschützen lassen – natürlich von den Leuten, die ihm völlig loyal gegenüber waren. Das konnten wir nicht gebrauchen, also schalteten wir eine Person ein, die nichts mit dem Ganzen zu tun hatte – dich. Dann wollten wir dich auch noch als eine Art Sicherung. Wenn nämlich irgendetwas unvorhergesehen oder komplett schief gelaufen wäre, dann hätten wir den Maiharas Bescheid sagen können, und die hätten dir angeboten, für 10 Millionen Yen mehr Rose direkt umzubringen, zusammen mit irgendeiner Ausrede, dass sie herausgefunden hätten, dass Rose selbst der Mörder wäre oder so etwas.“ „Und dadurch, dass wir Suzukis und die Maiharas ursprünglich verfeindet waren, würde es niemandem komisch vorkommen, weder dir, noch unserem Vater hinterher, wenn er herausbekam, dass du nicht nur für ihn, sondern auch für den Maihara-Clan gearbeitet hattest“, schloss Mamoru die Erklärung ab. „Ausgewählt haben wir ausgerechnet dich, weil du ganz sympathisch und außerdem nicht nur an Frauen interessiert bist, da war die Chance größer, dass du und Rose was miteinander anfangt.“ Mika lächelte wieder. „Reicht dir das an Erklärungen, oder hast du noch irgendwelche Fragen?“ Ich überlegte. „Mir... habt ihr aber nichts gegeben, oder?“, fragte ich vorsichtig. Darauf musste Mika lachen. „WIR nicht, nein“, antwortete er. „Das war noch ein Grund, warum wir dich miteinbezogen haben – wir wollten sehen, wie du selbst zu einem Nervenbündel wirst. Weißt du, die Klinik selbst macht das. Sie mischt irgendetwas ins Essen, sodass selbst die gesündesten Menschen irgendwelche Halluzinationen und Angstzustände bekommen, damit die Anstalt ihre Patienten behalten kann. Zwischendurch setzt sie irgendwelche Leute dann auf Diät oder bringt ihnen das Essen aufs Zimmer, und macht sie dadurch wieder ‚gesund’, so ist sie erst zu ihrem Ruf gekommen. Du hast es selbst miterleben dürfen, nicht wahr?“ Ich schloss für einen Moment meine Augen und atmete tief durch. Es war, als würde mir ein Stein vom Herzen fallen. Ich war doch nicht geistesgestört. Und Rose auch nicht in dem Ausmaß, wie es mir vorgekommen war. Moment – Rose! Ich dachte an Mikas Worte – die Maiharas kümmerten sich gerade um ihn. Das hieß, er war bereits tot. Oder zumindest war es sehr unwahrscheinlich, dass er noch lebte. „Ist... Rose denn noch am Leben?“, stellte ich die Frage, deren Antwort ich eigentlich schon kannte. Mamoru grinste mich an. „Was denkst du denn? Fast die gesamte Führungsriege der Maiharas ist in die Klinik gekommen, um sich seinen Tod anzuschauen. Und das war vor ungefähr einer Stunde, wenn sie ihn nicht noch etwas foltern, dann ist er wahrscheinlich schon längst unter der Erde. Wenn überhaupt.“ Das musste ich erst einmal einsinken lassen. Rose, derjenige, der unter dem Ganzen am meisten zu leiden hatte, der seine Unschuld verloren hatte durch den Hass, den seine Brüder auf ihn hatten, für den er nichts konnte... Eben der war jetzt tot. Ich fuhr mir durch die Haare und zwang mich, normal weiterzuatmen, obwohl mein Herz doppelt so schnell schlug wie vorher. Ich hatte ihn nicht beschützen können. Ich hatte ihn nicht vor seiner eigenen, völlig durchgeknallten Familie schützen können.... Scheiße, Scheiße, Scheiße. Verdammt. Zur Hölle... „Eine Frage allerdings, die dich wahrscheinlich noch interessiert, hast du nicht gestellt“, erhob Mika wieder seine Stimme. Wäre ich in der Lage gewesen, dann hätte ich ihn verprügelt, bis er seine Eingeweide auskotzte. Ich bekam schon einen Brechreiz, wenn ich seine Stimme nur hörte. In diesem Augenblick schlug meine vorherige Verzweiflung in blanke Wut um. Wut und Hass. „Oder ist es dir völlig egal, warum wir jemanden, mit dem du offenbar nicht gerechnet hast, auf unserer Seite haben?“ Mika sah zu Daisuke und schenkte ihm ein triumphierendes Lächeln. Daisuke wirkte vollkommen unbeteiligt und trat seine dritte Zigarette aus. Er rauchte eigentlich nur so viel, wenn er nervös oder aufgeregt war, und dabei schien er so ruhig... „Ja, ist es“, gab ich bestimmt zurück. „Das spielt keine Rolle für mich. Was hältst du davon, wenn du mich jetzt einfach abknallst?“ „Wie süß, er bekommt Todessehnsucht“, warf Mamoru einen Kommentar ein. „Er weiß es doch eigentlich schon“, meinte Daisuke schulterzuckend zu Mika. „Ich hab’s dir doch gesagt. Er hat nur gedacht, dass mich diese Sache nicht so sehr treffen würde. Er ist nun mal unfähig, sich in andere hineinzuversetzen.“ Damit ging er ein paar Schritte vorwärts auf mich zu und hielt mir eine Hand hin. „Willst du nicht noch einem alten... ‚Freund’ Lebewohl sagen?“, fragte er mich lächelnd. Moment mal – was für eine Sache? Wovon sprach er da überhaupt? Regungslos starrte ich zu ihm hoch. Dann ergriff ich zögernd seine Hand und ließ mich auf die Beine ziehen. „Ich wünsche dir viel Spaß in der Hölle“, grinste Daisuke und drückte mich kurz an sich. Und ich merkte, wie etwas..... Was? Beinahe feindselig musterte ich den Kleineren vor mir. „Wir sehen uns dort wieder“, knurrte ich und musste mich mit aller Kraft beherrschen, meine Tränen zurückzuhalten. Daisuke kehrte an seinen vorherigen Platz zurück und tauschte mit Mamoru noch ein kurzes arrogantes Lächeln. „Dann würde ich sagen, dass wir diese unwürdige Veranstaltung mal beenden“, sagte Mika theatralisch und hob seine Waffe. „Bitte. Ich warte“, erwiderte ich gelassen und schob die Hände in die Hosentaschen. „Scheiße, Mika, POLIZEI!“, rief Daisuke in dem Augenblick und zeigte zur Seite. Genau dann, als Mikas und Mamorus Köpfe in die angegebene Richtung geschnellt waren, zog ich blitzschnell die Pistole aus meiner Hosentasche hervor und schoss Mika genau in die Schläfe, während Daisuke das Gleiche bei Mamoru tat und anschließend das Gesicht verzog, weil er etwas von Mikas Blut abbekommen hatte. „Deckung“, zischte er nur und zog mich mit sich hinter einen Holzstapel. Keine Sekunde später flog die Tür zur Lagerhalle auf und die Bodyguards stürmten herein, nur, um ihre beiden Anführer tot auf dem Boden liegen zu sehen. Daisuke und ich konnten drei von ihnen unschädlich machen, dann hatten die anderen geschnallt, dass es eine Falle war, und sich ebenfalls in Deckung gebracht. „Daisuke, ich würde dich am liebsten hier und jetzt vor Dankbarkeit durch die Wand f***en“, murmelte ich leise. Der Angesprochene musste lachen und sah mich amüsiert an. „Hast du geglaubt, dass ich dich einfach so aufgebe?“, fragte er und knuffte mich in die Seite. „Dafür sind Freunde doch da, oder? Um sich gegenseitig aus der Scheiße zu ziehen.“ Ich lächelte und schoss ein paar Mal auf einen unvorsichtig gewordenen Suzuki, erwischte ihn allerdings nicht. „Ich hab wirklich geglaubt, dass du mich hintergangen hättest...“ „Nein, hast du nicht“, erwiderte Daisuke schnippisch und noch immer grinsend. „Sonst hättest du mich sofort angekeift, wie ich dich denn habe verraten können. Ich habe auch darauf spekuliert, dass du so beherrscht bleibst.“ „Du bist spitze, weißt du das?“, lächelte ich. „Ja, das weiß ich schon längst. Und ich würde dir vorschlagen, dass du jetzt die Beine in die Hand nimmst.“ Daisuke sah mich von der Seite an. „Ich weiß auch nicht, warum, aber ich habe ein seltsames Gefühl. Wir sind hier im Nachbarort von der Klinik, wenn du rausgehst, weißt du bestimmt, wo wir sind. Renn so schnell du kannst, ich geb dir Rückendeckung.“ „Was...“ Verwirrt sah ich ihn an. „Wohin soll ich laufen?“ „Zurück zur Anstalt“, antwortete er. „Eigentlich wäre es ja in die Höhle des Löwen, wenn die ganzen Maiharas da noch rumhängen, aber man kann ja nie wissen.“ „Weißt du irgendetwas, das ich nicht weiß?“, wollte ich von ihm wissen. „Sag, Daisuke, weißt du irgendwas?“ „Wie gesagt, es ist ein Gefühl!“, erwiderte er stirnrunzelnd. „Weil Mika nämlich schon seit längerem einen Anruf von den Maiharas erwartet hat, und er ist nicht gekommen...“ „Gibt es hier einen Hinterausgang?“ „Klar, sonst hätte ich dir wohl kaum gesagt, dass ich dir Rückendeckung gebe. Und jetzt ab mit dir. Ich komm schon klar, ich krieg gleich noch ein bisschen Verstärkung.“ Daisuke schubste mich etwas. Ich bedankte mich erneut knapp, atmete einmal tief durch und lief los. Sofort begannen die Suzukis wieder zu schießen, eine Kugel verfehlte mich nur um Millimeter, eine andere streifte meinen Arm, aber ansonsten konnte ich die Lagerhalle unverletzt verlassen. Draußen standen noch ein paar Suzukis, die ich jedoch überraschen und deshalb alle innerhalb kürzester Zeit umbringen konnte. Einen hatte ich dabei allerdings übersehen, der zum Glück aber keine Pistole hatte. Ironischerweise wurde er von einer verirrten Kugel aus der Lagerhalle getroffen. (Sauberes Shirt ade. Aber es gab Wichtigeres.) Ich sammelte vorsichtshalber jede Munition ein, die ich fand – wenn ich doch noch auf die Maiharas traf, wollte ich ihnen nicht unvorbereitet gegenüberstehen. Daisuke hatte Recht gehabt, ich wusste wirklich, wo ich war, und ich kannte auch den schnellsten Weg zur Klinik zurück. Also nahm ich, wie er es ausgedrückt hatte, die Beine in die Hand und rannte so schnell ich konnte los, in mir wieder eine aufkeimende Hoffnung. Wenn es Daisuke nicht gegeben hätte, dann wäre ich jetzt bereits im Jenseits. Er hatte mir bis dahin noch nie das Leben gerettet, deshalb würde ich ihm auf jeden Fall noch ausreichend dafür danken. Aber er war wirklich stark, einfach am Telefon zu fragen, ob ich eine weite Hose mit Taschen hatte, und mir dann eine Pistole zuzustecken. Ich musste ihn noch fragen, wie er überhaupt zu Mika und Mamoru gekommen war... Just in dem Moment hörte ich einen Schuss. Noch ziemlich weit entfernt, aber vernehmlich. Er konnte nur aus der Klinik kommen... Verdammt. Ich beschleunigte noch etwas mehr und ignorierte meinen brummenden Schädel dabei. So langsam kam ich schon außer Atem, ich hatte in der letzten Zeit nicht genug für meine Kondition getan. Und bei jedem Schritt zog sich mein Inneres in Bauchgegend noch etwas mehr zusammen, das Luftholen wurde immer schwieriger und wurde immer schmerzhafter. Außerdem tat mein linker Arm mir weh, der angeschossen worden war. Ich versuchte, an irgendetwas anderes zu denken, um mich abzulenken, ich dachte an Rose, dachte daran, dass er unter Umständen doch noch nicht tot war... Aber eigentlich glaubte ich nicht mehr daran. Als das Klinikgebäude in Sichtweite kam, protestierte bereits mein gesamter Körper, ich konnte kaum atmen und mein Arm hörte nicht mehr auf zu bluten. Ich hätte ihn irgendwie verbinden sollen, aber ich hatte keine Zeit dazu gehabt. Ich stürmte durch den Hintereingang ins Gebäude und entsicherte meine Pistole wieder. Ich wusste nicht, was mich jetzt erwarten würde, ich hatte bis jetzt nichts Auffälliges bemerkt. Noch immer mit schnellen Schritten lief ich die Gänge Richtung Speisesaal entlang, bis ich irgendwann an einer Ecke eine Blutlache entdeckte. Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich das Ende des Gangs erreicht hatte und um die Ecke bog. Der gesamte Gang war Zeuge eines Massakers geworden. Mindestens sieben Leichen lagen am Boden, überall, an den Wänden und Fenstern, auf dem Boden und den wenigen Möbelstücken, waren Blutlachen oder –spritzer. Es war ein abstoßendes Bild, selbst für mich. Ich wandte kurz den Blick ab und ging dann, etwas langsamer, den Gang entlang. Mehrere Male musste ich über Körperteile oder ganze Leichname steigen und einmal wäre ich dabei fast auf dem Blut ausgerutscht. Als ich um die nächste Ecke bog, erwartete mich ein ähnliches Bild: Dieses Mal waren es zwar nur vier Leichen, dafür hatte allerdings jemand versucht, die leblosen Körper aus dem Weg zu räumen, weshalb überall blutige Schleifspuren zu sehen waren. Ich wagte nicht zu vermuten, was bereits in meinem Hinterkopf herumschwebte. Das war.... Gerade, als ich auch durch diesen Gang gehen wollte, ertönte unvermittelt ein ohrenbetäubendes, kreischend schrilles Schreien. Es klang beinahe unwirklich, so durchdringend und markerschütternd war es. Und dann stürzte mit einem Mal eine Frau vor mir auf den Boden, mit dem Kopf zuerst. Es gab ein hässliches Knirschen und Knacken, und noch mehr Blut verteilte sich auf dem Boden. Sie blieb auf dem Rücken liegen und starrte mit großen, regungslosen Augen zu mir hoch. Und obwohl ich das sehen konnte, war ihr Gesicht irgendwie nicht ganz klar, sondern eher... unscharf. Ich trat einen Schritt zurück, den Blick nicht von der in einen Kimono gekleideten Frau nehmend. Urplötzlich schnellte einer ihrer Arme hoch und packte meinen Knöchel. Ich zuckte zusammen und wollte mich losreißen, aber sie hielt ihn mit eisernem Griff fest, hob dann auch noch den anderen Arm und wollte nach meinem zweiten Bein greifen, aber ich stolperte vollkommen entsetzt rückwärts, wobei ich sie mit mir schleifte. Ohne Vorwarnung zog sie heftig an meinem Bein, wodurch ich zu Boden fiel, direkt in eine rote Pfütze hinein. Verzweifelt versuchte ich, weiter von ihr wegzukrabbeln, aber sie krallte sich nun mit beiden Händen in meine Hose und zog sich langsam näher zu mir... Das konnte keine Erscheinung mehr sein, dafür fühlte es sich viel zu echt an, die Geister aus meinen Erzählungen hatten mich nicht anfassen, mich nicht angreifen können. Hilflos schloss ich die Augen und wünschte mir, dass dieses Schreckgespenst endlich verschwand.... Wenn ich nur deshalb zu spät kommen würde... Als ich mich endlich wieder traute, meine Augen zu öffnen, war die Frau verschwunden. Und mit ihr das Blut, das von ihr gekommen war. Leider war alles andere noch da. Mit einigen Schwierigkeiten rappelte ich mich wieder auf, mein Puls raste und außer Atem war ich auch immer noch, meine Seitenstiche waren, wenn überhaupt, sogar noch schlimmer geworden. Abgesehen davon war ich jetzt wirklich von oben bis unten mit Blut besudelt. Ich erlaubte mir keine Pause, sondern lief gleich weiter. Am Speisesaal angekommen, erwartete mich ein weiteres Blutbad, dieses Mal hörte ich bei fünfundzwanzig Leichen auf zu zählen. Es waren zu viele. Einige Gesichter, die nicht zerschossen, dem Boden zugedreht oder blutverschmiert waren, erkannte ich. Es waren eindeutig Maiharas. Als ich einen weiteren Schuss hörte, beschleunigte ich meine Schritte wieder, wandte mich von dem Gemetzel ab und rannte wieder los. Ich konnte nicht mehr denken, ich wollte mir nicht vorstellen, was passiert war, und was gerade noch passierte, ich wollte nicht darüber nachdenken, wie das alles enden würde, ich wollte es einfach nur noch zuende bringen. Auf meinem Weg zur Eingangshalle kam ich an einigen Gängen vorbei, die so aussahen wie immer, als wäre nichts passiert. Und ich sah die ersten erschossenen Pfleger. Da erinnerte ich mich, im Speisesaal auch einen Patienten erkannt zu haben. An der Tür zur Eingangshalle blieb ich stehen. Ich konnte nicht mehr. Mein gesamter Körper schrie nach einer Pause. Nur mein Herz war nicht in der Lage, sich zu beruhigen. Ich hatte noch niemals in meinem gesamten Leben so viele Leichen in einem einzigen Raum gesehen. Bis zu diesem Augenblick. Überall lagen sie herum, Yakuza, Pfleger und Patienten. Es war kein Unterschied gemacht worden, alle waren sie erschossen, abgeknallt worden, wie Tiere. Den Schleifspuren nach zu urteilen, denen ich bis hier gefolgt war, waren einige sogar noch hierhin gezerrt worden. Es gab zwei Personen, die in dieser Versammlung von toten Körpern noch lebten. Die eine hatte weißblonde Haare und eine Pistole auf die andere, vor ihr kniende, gerichtet. Ich hatte ein unheimliches Glück, dass ich so gute Reflexe hatte und mich sofort duckte, als ich Roses Arm in meine Richtung fliegen sah. Trotzdem verfehlte die Kugel meinen Kopf nur um Haaresbreite. Ein wenig unzufrieden wirkend, wandte Rose sich der zitternden Frau vor sich zu und schoss ihr direkt zwischen die Augen. Er beobachtete noch, wie sie zu Boden sank und sich ihr Blut mit dem der anderen vermischte. Er sah nicht viel anders aus als ich, von oben bis unten mit Blut bespritzt, aber im Gegensatz zu mir war er weder außer Atem noch irgendwie verletzt. Und sein Gesicht machte den Eindruck, aus Stein gemeißelt zu sein. Er verzog keine Miene, auch nicht, als er sich zu mir drehte und, den Lauf der Waffe weiterhin auf mich gerichtet, langsam auf mich zu ging. „Rose“, sagte ich leise. „Mach keinen Unsinn...“ „Du hast mich hintergangen“, flüsterte er kalt. „Du hast mir die gesamte Zeit was vorgespielt, und du hast mich so geschickt getäuscht, dass ich es nicht einmal gemerkt habe, aber eigentlich wolltest du mich umbringen, du wolltest mich abschlachten lassen, nicht wahr?“ „Hör mir zu, bitte hör mir zu“, flehte ich ihn an und ließ meine Pistole auf den Boden fallen, hob die Hände, um ihm zu signalisieren, dass ich wehrlos war. „Ich habe damit nichts zu tun. Es stimmt, ich bin von deiner Familie angeheuert worden, um dich zu beschützen, und gleichzeitig von den Maiharas, um dich zu töten, aber eigentlich haben sie zusammen gearbeitet, sie wollten-“ „DU LÜGST!!“, schrie Rose und endlich zeigten sich Anzeichen von Verzweiflung in seinem Gesicht. „Du lügst, du lügst mich weiter an, und ich bemerke es nicht einmal, wie machst du das....?“ „Ich sage die Wahrheit“, betonte ich ernst. „Das hier wurde alles von deinen Brüdern eingefädelt-“ „DAS STIMMT NICHT!!!“ „-die eifersüchtig auf dich waren, weil dein Vater sich nur um dich gekümmert hat, lass mich ausreden!“, fuhr ich laut fort. „Sie wollten dich enterben lassen, deshalb haben sie dich hierhin geschickt und dir Sachen verabreicht, die dich so verändert haben! Du erinnerst dich doch daran, dass du früher ganz anders warst, nicht wahr?“ „Du bist ein dreckiger Lügner“, wisperte der Blonde, der nun genau vor mir stand und mir die kalte Waffe an die Stirn hielt. „Du bist ein Lügner, Hakuei. Du hast mir nicht einmal deinen richtigen Namen gesagt. Du heißt nicht Hakuei, das war AUCH EINE LÜGE!!“ So langsam klang er wirklich hysterisch. Ich betrachtete ihn. Das war es, was seine Brüder aus ihm gemacht hatten – einen besinnungslosen und wahnsinnigen Mörder. Jemand, der ohne Gut von Böse zu unterscheiden, eine Nervenheilanstalt in ein riesiges Schlachthaus verwandelt hatte, weil er es nicht besser wusste. Ich empfand Mitleid mit ihm. So war er nicht, das war nicht Rose. Das war irgendjemand anderes. Das war nicht der Rose, dem ich so viel Zuneigung und Zärtlichkeit hatte zukommen lassen, das war nicht der Rose, dessen Gesicht beim Sex unwiderstehlich war. „Dann bring mich um“, hörte ich mich sagen. „Wenn du mir nicht glaubst, steht es dir frei, mich umzubringen. Ich habe dich beschützen können, du bist noch am Leben. Darüber bin ich froh. Das hatte ich mir zum Ziel gesetzt, und das habe ich jetzt erreicht. So gesehen kannst du mich jetzt einfach erschießen, und ich wäre glücklich, durch deine Hand zu sterben.“ Rose starrte mich regungslos an, halb wütend, halb hilflos. Erst begann seine Hand zu zittern, dann ließ er den Arm mit der Pistole sinken und schließlich konnte er sie nicht mehr festhalten, sondern ließ sie geräuschvoll zu Boden fallen. Wir blickten uns noch einen Moment länger an, dann schlang ich meine Arme um seinen Oberkörper und er fiel mir um den Hals. So fest ich konnte, drückte ich ihn an mich. Alle Anspannung fiel mit einem Mal von mir ab. Wir hatten es überstanden. Wir hatten es endlich überstanden, es war vorbei. Der Alptraum hatte ein Ende. Und wir waren beide lebend herausgekommen, das war das Wichtigste. Der Blonde zitterte leicht in meinen Armen und gab leise Geräusche von sich, ich hielt es erst für Schluchzen und streichelte ihm deshalb über den Rücken, aber dann fiel mir auf, dass er nicht weinte. Er lachte. Rose lachte. Verwirrt lockerte ich meinen Griff etwas, um den anderen anschauen zu können, aber dieser nutzte die Gelegenheit, langsam zu Boden zu sinken, bis er vor mir hockte und sich vor Lachen den Bauch hielt. Er lachte und lachte und schien überhaupt nicht mehr aufhören zu können, er krümmte sich vor Lachen und legte dann den Kopf in den Nacken, die Augen geschlossen. Ich trat einen Schritt zurück und musterte ihn verständnislos. Was... was sollte das? Und Rose wirkte, als wäre ihm alles egal, er beachtete mich nicht, sondern lachte und lachte immer weiter, ließ sich dann auf den Rücken fallen, sodass er zur Decke blicken und weiterlachen konnte. Es schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, dass er mitten in einer großen Blutlache lag, er rollte sich von einer Seite auf die andere, verschmierte das Blut auf dem Boden noch mit den Händen und lachte, lachte, lachte. Es war ein krankes Lachen, ohne jeglichen Grund, beinahe gezwungen, es war falsch und irre. Und trotzdem hörte Rose nicht auf, konnte es augenscheinlich nicht, er rollte sich auf der Seite zusammen und fuhr sich über das Gesicht, durch die Haare, wodurch beides noch blutverschmierter wurde, und lachte weiter. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich hatte wirklich absolut keine Ahnung. Dann riss jemand die Eingangstür auf, am anderen Ende der Leichenhalle. Daisuke stoppte wie angewurzelt und starrte völlig entgeistert auf das Schauspiel, der sich ihm bot. Ich glaubte, ihn ‚heilige.....’ flüstern zu sehen. Dann endlich hob er den Blick zu mir und Rose, der noch immer nicht aufgehört hatte zu lachen. „Raus hier“, meinte Daisuke gerade so laut, dass ich ihn trotz seiner Tonlosigkeit noch verstehen konnte. „Hier fliegt gleich alles in die Luft.“ Das reichte mir. Ich zerrte Rose auf die Füße und wollte ihn mit mir ziehen, aber er wehrte sich, noch immer von Lachen geschüttelt. Also hob ich ihn kurzerhand hoch und rannte los. Ich konnte wirklich nicht mehr, aber Daisukes Worte hatten mich noch eine letzte Restenergie finden lassen, die ich gebrauchte, um mit Rose auf dem Arm die so schnell wie möglich aus der Eingangshalle zu stürmen. Zu mehr reichte es nicht, Daisuke riss mich auf den Boden und keine Sekunde später gab es eine riesige Explosion hinter uns. Wenigstens lachte Rose nicht mehr. ~*~*~*~ tbc~ Stellt euch die letzte Szene bitte richtig vor, dann wird das Ganze noch etwas authentischer ;) Und was meint ihr, wie es ausgeht? „Viel Glück, wenn du dein neues Leben anfängst.“ ------------------------------------------------ Beta’d: von meinem Hasipupsi Tattoo, die hoffentlich sehr viel Spaß hatte beim Lesen. A/N: Viel Spaß beim letzten Kapitel ^^ ~*~*~*~ „Sie haben wirklich außerordentliches Glück gehabt“, meinte der Arzt beeindruckt, als wäre es unser Verdienst. „Bis auf kleinere Verbrennungen, Schürf- und Schnittwunden haben Sie nichts abgekriegt. Meinen Glückwunsch. Ich kann Sie eigentlich wieder nach Hause schicken.“ Er versuchte es mit einem Lächeln. Weder Daisuke oder Rose noch ich erwiderten es. Wir saßen schweigend nebeneinander und starrten auf den Boden. Ich hatte Rose die ganze Geschichte noch einmal ausführlich erzählt. Er war unheimlich geschockt über den Tod seines Vaters und seiner beiden Brüder. Im Gegenzug dafür hatte Daisuke mir erklärt, wie er an Mika und Mamoru gekommen war. Erst hatte er ihnen klargemacht, dass er ihren gesamten Plan kannte (den hatte er von einem Freund aus dem Maihara-Clan erfahren), dann hatte er einen früheren Streit von uns beiden geschildert und dann gemeint, dass er mich seitdem hassen würde und es mir gerne heimzahlen würde. Wenn sie sein Angebot nicht annahmen, ihnen zu helfen, dann würde er mich warnen und die gesamte Sache bei dem Chef der Suzukis auffliegen lassen. Sie hatten keine Wahl, vertrauten ihm aber sogar. Um alles noch etwas interessanter zu machen, schickten sie ihn zu mir, um mich zu warnen, damit ich schon einmal richtig nervös werden konnte. Dann sollte er mich anrufen, damit es nicht mehr so auffallen würde, wenn ich plötzlich verschwand. Nun ja, und seine Frage, ob ich eine Hose mit Taschen trug, war natürlich nicht eingeplant gewesen. Roses Teil der Geschichte allerdings wurde auch dadurch nicht klarer, dass er versuchte, ihn zu erzählen. „Ich war in unserem Zimmer und wartete darauf, dass du von dem Anruf wieder zurückkommst, als es geklopft hat. Dann sind ein paar Leute eingetreten, die ich vom Sehen her kannte, und haben mir gesagt, dass ich ihnen bitte folgen sollte. Auf meine Nachfrage hin antworteten sie, dass du sie geschickt hättest. Es war natürlich eine Lüge, und als ich mich weigerte, drohten sie mir an, mich gleich auf der Stelle zu erschießen anstatt vor ihrem Chef. Dann erst wusste ich wieder, dass sie vom Maihara-Clan waren. Mir war sofort klar, was sie von mir wollten, und ich bat sie, kurz in den Spiegel schauen zu dürfen. Sie gewährten mir den Wunsch, wenn auch verwirrt. Ich sah, dass mein Schatten, der, der anzeigt, wie nah der Tod einem ist, so weit von mir entfernt war, dass ich ihn kaum noch erkennen konnte. Dann wandte ich mich wieder den Männern zu. Ihre Schatten schwebten direkt hinter ihnen und streckten bereits ihre Hände nach ihnen aus. Da musste ich lächeln – ich wusste, dass ich nicht sterben würde, sondern sie. Was mich dann allerdings verwundert hat, war, dass die Schatten aller Pfleger und Patienten auch so nah waren. Dann habe ich dann die Maiharas umgebracht, den Boss zuerst, er war Schuld daran, dass Vater einen Fuß verloren hat. Anschließend den gesamten Rest der anwesenden Maiharas, und während immer mehr kamen, habe ich auch noch die Krankenpfleger und Patienten getötet, weil ich dachte, dass es meine Aufgabe sei. Aber jetzt weiß ich, dass sie alle durch die Explosion hätten sterben sollen.“ Daisuke und ich fragten ihn immer wieder, wie er es geschafft hatte, die Maiharas zu überwältigen und töten, und Rose meinte einfach: „Ich hab sie erschossen. Danach waren sie tot.“ Mehr sagte er nicht. Ich sprach Rose nicht mehr darauf an, dass er gelacht hatte. Ich versuchte auch, seinen Anblick zu vergessen, wie er sich in dem Blut wälzte und immer weiterlachte... Nachdem wir aus dem Krankenhaus entlassen wurden, machte Daisuke den Vorschlag, sich für eine Weile einfach in einen Park zu setzen und das Leben zu genießen. Wir kannten uns allerdings in der Stadt – wo auch immer wir waren – nicht aus, und von den Passanten wusste niemand, wo ein Park war, also setzten wir uns mitten in die Innenstadt und genossen das Leben. „Daisuke, wir haben dir zu verdanken, dass wir hier sitzen können“, meinte ich anerkennend. Der Angesprochene winkte ab. „Keine Ursache, du weißt doch, dass du auf mich zählen kannst, Hide.“ „Hide?“, fragte Rose leise. „Er heißt eigentlich Hirohide Tanaka“, erklärte Daisuke ihm. „Ich möchte auch so Freunde wie dich“, murmelte Rose ihm zu. Er musste grinsen. „Dann musst du aber bereit sein, vollkommen zu vertrauen, dich völlig in die Hände des anderen zu begeben, und umgekehrt genauso. Das ist wichtig: Freundschaft ist etwas Gegenseitiges.“ „Meintest du deshalb, dass wir keine Freunde sind?“, wollte der Blonde nun von mir wissen. „Weil du dich nur die ganze Zeit um mich gekümmert hast und nicht auch anders herum? Und weil ich nicht mal deinen richtigen Namen wusste?“ „So in etwa, ja“, gab ich zurück und strich ihm kurz über die Wange. Er drehte den Kopf beiseite. „Es tut mir leid um deinen Vater. Und auch ein bisschen um deine Brüder.“ „Schon okay.“ Rose senkte den Blick. „Entweder sie oder ich, anders wäre es doch nicht gegangen.“ „Was machst du denn jetzt?“, wollte Daisuke von ihm wissen. „Gehst du weiter zur Schule?“ Rose nickte. „Ja, wahrscheinlich schon. Ich schau mal. Aber zumindest werde ich das tun, was Vater von mir gewollt hätte.“ Ich setzte mich aufrecht hin. „Du willst das Erbe antreten?!“, wollte ich entgeistert von ihm wissen. Erneut nickte er, noch immer ruhig wirkend. „Ich kann nicht ganz alleine weiterleben, das kann ich nicht, das geht nicht. Ich schaue, wer von den Suzukis und den Maiharas überlebt hat, und dann mache ich mit ihnen einen neuen Clan.“ „Und du meinst, das funktioniert?“, warf Daisuke zweifelnd ein. Rose zuckte die Achseln. „Ich hoffe es. Was anderes bleibt mir doch nicht übrig. Wir werden sehen.“ Ich schwieg. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Rose komplett aus der Szene aussteigen würde, aber anscheinend wollte er das gar nicht. Mir drängten sich wieder Bilder auf, Bilder von dem Massaker, von Rose, von allem. Ich schob sie beiseite. Wenn Rose das wollte, meinetwegen. Aber dann würde ich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ich wollte endlich aufhören, komplett aufhören. Mit meinem Job, mit meinem früheren Leben allgemein... Ich würde nichts mehr, kein bisschen mehr mit Yakuza zu tun haben. „Ist aber eigentlich schade um das Geld“, meldete Daisuke sich irgendwann wieder zu Wort. Ich stupste ihn verstohlen an, aber er schien überhaupt nicht zu bemerken, was er da sagte. „Mit den 50 Mille hättest du locker aussteigen können...“ „Was?“, fragte Rose. „Daisuke“, murmelte ich warnend. „Er hätte 50 Millionen Yen für den Auftrag gekriegt“, antwortete Daisuke trotzdem. „Und damit wollte er eigentlich in die USA auswandern.“ Nicht nur, dass es ziemlich taktlos war, jetzt davon anzufangen, dass ich 50 Millionen dafür bekommen hätte, hätte ich Rose umgebracht, nein, dann verriet er auch noch meine Pläne. Was sollte ich machen, wenn Rose mich fragte, ob er mitkommen könnte? „Ach so.“ Rose schürzte überlegend die Lippen. „Das Geld kann ich dir geben, Haku- ... Hirohide. Sieh es als ein Dankeschön an, ja?“ „Nein, das ist nicht notwendig“, sagte ich schnell, „Ich möchte nicht in deiner Schuld stehen, Rose-“ „Willst du noch nicht einmal ein Dankeschön akzeptieren, wenn du schon vorhattest, mich still und heimlich zurückzulassen?“, fragte der Blonde ruhig. Ich war sprachlos. Er klang noch nicht einmal vorwurfsvoll, aber ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Langsam nickte ich. „Okay... wenn du meinst...“, lenkte ich ein. „Heißt das, dass wir uns nie wieder sehen werden?“, fragte Rose weiter und schaute mich von der Seite an. „Ja, ich glaube, das heißt es“, erwiderte ich nach einer Weile. „Ich möchte auch mit meiner Arbeit aufhören.“ „Okay.“ Rose wandte sich mir zu. „Ich wünsche dir alles Gute. Viel Glück, wenn du dein neues Leben anfängst. Hirohide.“ Ich lächelte schwach. „Danke. Das wünsche ich dir auch. Viel Glück bei deinem Vorhaben.“ Er zögerte einen Moment. „... Krieg ich noch einen Abschiedskuss?“, wollte er dann sehr leise wissen. Ich beugte mich zu ihm, hielt auch kurz inne und drückte ihm dann nur einen Kuss auf die Lippen, ehe ich mich wieder zurücklehnte. „Mach’s gut.“ Rose sah mich traurig an, sagte aber nichts mehr, sondern stand auf und wollte sich schon abwenden. „Warte mal“, hielt Daisuke ihn zurück, stand ebenfalls auf und drückte ihm ein Stück Papier in die Hand. „Name, Adresse, Telefon- und Handynummer von mir. Wenn irgendetwas ist, wenn du dich einsam fühlst, Hilfe brauchst, sonst was, kannst du dich immer bei mir melden. Zu jeder Tageszeit. Hides Freunde sind auch meine Freunde. Ja?“ Er schenkte dem Blonden ein freundliches Lächeln. Der nickte und erwiderte es kurz. „Danke“, wisperte er und zögerte erneut, ehe er noch hinzufügte: „Dasselbe gilt für dich.“ Damit wandte er sich ab und ging mit schnellen Schritten davon. Als er glaubte, außer Sichtweite zu sein, wischte er sich offenbar Tränen weg. Daisuke, der ihm genau wie ich noch hinterher gesehen hatte, musterte mich. „Das war kalt“, bemerkte er. „Ihn nicht mal richtig zu küssen, meine ich.“ „Sein Herz soll nicht an mir...“ Ich brach ab und drehte den Kopf zur Seite. „Ach, Hide, mit dir hat man auch nur Probleme...“, murmelte er und zog mich an sich. „Und jetzt liegt es an mir, dafür zu sorgen, dass er dich vergisst. Schöne Bescherung, die du mir da zurück lässt.“ Ich schniefte leise und drückte ihn an mich. „Wenn du ihn auch nur schief anguckst, weiß ich nicht, was ich mit dir anstelle“, flüsterte ich ihm scherzhaft zu und lächelte schwach, ehe ich mir nun selbst die Tränen wegwischte. „Ich werd mich um ihn kümmern, das verspreche ich dir“, gab Daisuke zurück und klopfte mir auf den Rücken, löste sich dann wieder von mir. „Soll ich dir was sagen? Ich hab den Flug schon vor zwei Wochen gebucht.“ „Was?“ Ich blinzelte ihn an. „Was für...“ „Deinen Flug. In die USA.“ Daisuke grinste. „Ich wusste, dass du lebend hier raus kommst. Du fliegst nächste Woche.“ Ich lächelte. „Danke. Wirklich, danke für alles. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ „Wie wäre es mit ‚ich liebe dich’?“, schlug er vor und hob auffordernd eine Augenbraue. „Ich liebe dich“, erwiderte ich. Er sah mich befremdet an. Ich musste lachen. Nein, wirklich, ich lachte. Daisukes Gesichtsausdruck war einfach so... unbezahlbar. „Hast du mir das gerade echt abgekauft?“, wollte ich grinsend wissen. „Es wirkte so, als würde es von Herzen kommen“, verteidigte er sich, jetzt selbst grinsend. „Ach was, du missverstehst Dankbarkeit immer mit Bewunderung, deshalb kriegst du auch keine Frauen rum“, stichelte ich ihn. „Was weiß ich denn, was du für mich fühlst, manchmal ist deine Hand so an gewissen Stellen meines Körpers...“, deutete Daisuke an und zog nun beide Augenbrauen hoch. Dieses Mal lachten wir beide, aber auf meinen Gesichtsausdruck hin. ~*~*~*~ is this the end....? Btw: Ein großes Danke schön an dieser Stelle noch mal für Tattoos unendliche Geduld, ihre Kommentare und ihren Beistand ღ Ohne dich wären meine FFs nicht das, was sie sind! Ich bin froh, dass ich dich habe =3 Und ein genauso großes Danke schön an alle, die bis hierhin durchgehalten haben! Ich bin euch sehr dankbar, auch, wenn ihr meist keine Kommentare hinterlasst |D (Ein größeres Danke schön natürlich für diejenigen, die das tun ;) Ich bin auch froh, dass es euch gibt xD ღ) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)