What I've Done von Hisagi-Shuuhei ================================================================================ Kapitel 4: Just Tell Me Why --------------------------- IV Just Tell Me Why Yuu hatte gar nicht gemerkt, wie er eingeschlafen war, doch nun wachte er auf, noch immer auf der Bank, auf welcher er Platz genommen hatte nachdem er seine Schwester verabschiedet hatte. Seit langem hatte er keinen Alptraum mehr gehabt, was ihn zwar wunderte, aber nicht weiter störte, denn so konnte er wenigstens einmal richtig schlafen. Langsam und verschlafen setzte er sich auf und rieb sich über die Augen. Leise seufzte der Junge, bemerkte jedoch erst recht, dass es schon mitten in der Nacht war. „Scheiße!“ fluchte Yuu und stand auf. Schon längst hätte er damit beginnen müssen, zu „arbeiten“, Geld hatte er keines mehr. Weder für Essen, noch für Drogen, die seinen Alltag noch mehr bestimmten als das Essen. Kurz wurden die grünen Augen des Jungen trüb vor Traurigkeit, die er dann jedoch mit einem Kopfschütteln gekonnt abschüttelte. Es brachte nichts, in Selbstmitleid zu versinken, dachte er sich und machte sich auf zu seiner ‚Arbeit‘. Auch wenn man es vielleicht nicht glauben wollte waren doch die meisten seiner sogenannten Kunden feine Betriebschef, die viel Geld besaßen. Sie nahmen sich immer was sie wollten, bezahlten dafür jedoch wirklich besser als andere normal Verdienenden. Der junge Japaner übergab sich ein weiteres, drittes Mal und drückte auf die Spülung. Er war am Bahnhof, besser gesagt in einer Kabine der Toiletten. Mit einem erschöpften Seufzen ließ er sich gegen die Kabinenwand sinken und legte den Kopf in den Nacken, blickte so an die Decke. Jetzt hatte er wenigstens Geld, dachte er sich, spürte auf einmal Tränen in den Augen und auch den dicken Kloß in seinem Hals. Wieso heule er jetzt schon wieder fast?! Er tat dies öfters, seinen Körper verkaufen, doch in den seltensten Fällen kamen ihm die Tränen und in noch wenigeren Fällen konnte er sie nicht unterdrücken. Heulen brachte nichts, dachte er sich immer, wenn er es doch tat. Es brachte ihm weder Geld, noch ein besseres Gefühl und schon gar kein besseres Leben. Wieso also sollte er seine Gefühle zeigen? Seine Schwächen derartig offenbaren? Schnell rieb er sich mit dem Handrücken über die Augen, schloss diese nun und atmete einige Male tief ein. Wahrscheinlich, so dachte Yuu, lag es an diesem schnulzigen Lied, das gedämpft durch die Lautsprecher drang. Langsam erhob sich der Junge, verließ die Kabine und trat an das Waschbecken und betrachtete sich selbst in dem großen Spiegel. Er brauchte keine Angst haben, dass ihn jemand so sah, schließlich war es drei Uhr in der Früh. Gelinde ausgedrückt sah er schrecklich aus: Dunkle Ringe unter den Augen, bleiche fast schon weiße Haut – die noch dazu alles andere als gesund aussah – und dazu noch seine matten Augen. Yuu wusch sich ausgiebig das Gesicht in der Hoffnung, dass es besser werden würde, was jedoch natürlich nicht das geringste brachte. Noch einmal zählte er sein Geld und kam auf eine Summe von gerade einmal 6000 Yen. Immerhin besser als nichts. Doch hatte er nicht alles nur zum Leben, 5000 Yen würden alleine für seinen Dealer und somit seinen Drogen draufgehen, die restlichen 1000 hatte er zum Leben für diese Woche. Es mochte sich nach viel anhören, doch selbst ein vernünftig belegtes Brötchen kostete schon knapp 400 Yen. Und es war gerade einmal Montag. Nie mehr als nötig wollte Yuu auf den Strich zum Geld verdienen, aber wie früher Geld stehlen wollte er nicht. Schließlich hatte er früher nicht auf den Strich gehen können und vor allem nicht wollen. Aus diesem Grund hatte er stets so wenig Geld. Mit diesen Überlegungen verließ er nun endgültig die Toilette und betrat den wie leer gefegten Bahnhof. Er begann leicht zu frösteln, weswegen er sich über die arme rieb und zähneklappernd weiterlief. Draußen angekommen blickte er sich nun um und überlegte, wo er nun hingehen sollte, als sein Magen ein lautstarkes Knurren von sich gab. Doch jetzt konnte er schlecht etwas essen, selbst McDonald hatte schon zu....kurz dachte der Junge nach. Es gab doch sicherlich ein paar 24-h Läden, die noch offen hatten und er sicher etwas essbares bekommen würde. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, spürte Yuu einen Schlag gegen seinen Nacken, der ihn zu Boden gehen ließ, danach hörte er ein hämisches Lachen. Er hatte schon oft von den Gangs gehört, die nachts auf dem Bahnhofsvorplatz lauerten, doch dass sie ihn angreifen würden, damit hatte er nicht gerechnet. Er drehte sich um, sodass er auf seinem Rücken lag und blickte den Angreifer nun an. Und dieser war mehr als nur groß. Alleine das Wort war eine Untertreibung. Der andere war gute drei Köpfe größer als yuu und verdammt muskulös gebaut. Yuu hätte nicht die geringste Chance. Langsam kroch Yuu nach hinten, doch brachte ihm das nichts viel, denn schon im nächsten Moment hatte ihn der Angreifer am Kragen seiner Jacke gepackt und hochgezogen, sodass Yuu nun fast 30 Zentimeter über dem Boden, an der Hand des Hünen. Yuu wollte sich wehren, er versuchte sich von dem Arm loszureissen, doch das brachte nichts. Mit einem eisernen Griff wurde Yuu festgehalten. „Sieh nach ob er Geld dabei hat!“ verlangte einer der Gruppe und ein anderer rührte sich, ging auf Yuu zu und wollte dessen Taschen durchsuchen, was der junge Japaner natürlich nicht ohne weiteres zuließ. Er begann um sich zu schlagen und zu treten, bekam jedoch nur einen schmerzhaften Schlag des Hünen in die Magengegend, was ihn aufkeuchen ließ. So musste er wohl oder übel still halten und mit ansehen, wie der Durchsuchende fündig wurde und Yuus gerade erst verdientes Geld nahm. „Mehr hat der Penner nicht.“ Stellte der Mann fest und Yuu wurde mit einem Mal losgelassen, weswegen er auch unsanft auf dem Boden aufkam und hochsah. „Finger weg von meinem Geld!“ schrie Yuu nun und sprang auf seine Beine – was er fast im selben Moment bereute, da sein Kreislauf etwas absackte und ihm kurz etwas schwindelig wurde – doch er konnte nicht mit ansehen, wie ihm sein Geld geklaut wurde. Die Gruppe, die sich schon abgewandt hatte und einige Schritte gegangen war, blieb nun stehen und drehte sich zu Yuu um. „Was?“ zischte der vermeintliche Anführer mit den kurzen, schwarzen Haaren, die einige blonde Strähnen aufwiesen und der auffälligen Lederjacke. „Dir sollte man mal eine Lektion puncto Benehmen beibringen. Haku, mach ihn fertig!“ sagte er und der Hüne Haku reagierte, weswegen Yuu einige Schritte zurückwich. Er hatte nicht nachgedacht, was diese Typen mit ihm anstellen würde, wenn er es wagen würde zu widersprechen. Nun kam Haku auf ihn zu, holte aus und schlug mit einer Geschwindigkeit zu, die man dem großen muskulösen Mann niemals zutrauen würde – und traf Yuu direkt ins Gesicht, weswegen dieser erneut zu Boden geschleudert wurde und den kupfernen Geschmack seines Blutes im Mund spürte. Er musste husten und spuckte damit etwas Blut aus, spürte jedoch, wie sofort neues nachfloss. Yuu krümmte sich etwas auf dem Boden, sah jedoch noch hoch und bemerkte mit Schrecken, dass Haku erneut auf ihn zukam, dann auf einmal vor ihm stand und er so einen Tritt in die Magengegend kassierte, weswegen der junge Japaner erneut Blut spuckte und über den Boden rollte. Er schlang seine Arme um den Magen und wimmerte leise. Scheiße, dachte er sich, presste die Augen zusammen. Kurz öffnete er seine Augen und nahm mit Schrecken wahr, dass Haku erneut auf ihn zu kam und erneut ausholte. Sofort presste Yuu wieder die Augen zusammen und wartete auf den Schmerz, der jedoch ausblieb. „Was?“ zischte der Anführer. „Jack, Kaoru, wieso habt ihr nicht gesagt, dass jemand kommt?!“ Langsam, nur ganz langsam wagte es Yuu, die Augen zu öffnen, konnte jedoch nicht glauben, was er da sah: Der Dunkle stand schützend vor ihm und hatte den Angriff des Hünen mit der Hand aufgefangen. Wie immer trug Seth schwarz, einen langen, enganliegenden Mantel und sein Haar war zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, wobei ihm zwei Strähnen seiner nachtschwarzen, glatten Haare über die Schulter fielen. Zwar war Seth groß, aber immer noch gute zehn Zentimeter kleiner als Haku. „Hau ab!“ rief ihm Yuu zu. Er wusste selbst nicht, warum er nicht wollte, dass Seth etwas geschah. Es könnte ihm gleich sein, was mit dem Dunklen geschah, doch entgegen aller Logik war es das nicht. Doch der Schwarze reagierte nicht, ließ gerade einmal die Faust des Hünen los, die er bis eben noch gehalten hatte. „Ihr solltet lieber von hier verschwinden.“ Ertönte die ruhige sanfte Stimme von Seth. „Ich will wissen, warum ihr nichts gesagt habt!“ verlangte der Anführer noch immer von den zwei, doch die Angesprochenen zuckten nur ratlos mit den Schultern. „Alter, ich schwöre, vor ‘ner Sekunde war der noch nicht da!“ bemerkte einer wobei der andere nickte. „Redet keinen Scheiß, Haku, kümmer dich um die beiden!“ schrie die Lederjacke nun und der Hüne begann zu reagieren. Doch im selbem Moment reagierte Seth und packte den Daumen des Angreifers und drehte ihn herum, weshalb Haku das Gesicht vor Schmerzen verzog. Yuu wagte es kaum, hinzusehen, doch Seth hatte es wirklich getan, er hatte Haku angegriffen! Doch was konnte er tun? Er konnte weder Karate, noch Kung-fu, noch sonst irgendwas. Er war ein 18-jähriger Junge mit Immunschwäche, was sollte er da großes tun? Genau jetzt wollte Haku wieder angreifen, doch im selben Moment schlug ihm der Dunkle mit dem Handrücken gegen den Kehlkopf und der Hüne gab ein entsetztes Keuchen von sich, bevor er bewusstlos zusammenbrach. Eine kurze Zeit herrschte völlige Stille, bevor die Gruppe erschrocken zu tuscheln begann. Einen Moment später war die Gruppe verschwunden und Seth drehte sich zu Yuu herum, der noch immer auf dem Boden saß. „Bist du okay?“ fragte der Dunkle nun und streckte Yuu die Hand entgegen was dieser jedoch ausschlug. Er konnte alleine aufstehen, was dachte der andere sich dabei? Als Yuu jedoch aufstand packte ihn ein ziemlicher Schwindel: sein Kreislauf sackte wieder ab. Er hielt sich keuchend den Kopf, bevor er nun völlig nach vorne kippte, dem Dunklen direkt in die Arme, wie er am Rande des Bewusstseins wahrnahm. Seth fing ihn auf, hob ihn auf die Arme und blickte ihn an. „Keine Angst.“ Sprach er ruhig zu Yuu, der kaum mehr die Augen offen halten konnte. „Ich beiße nicht.“ Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, war Yuu auch schon bewusstlos. „Jedenfalls noch nicht.“ Fügte der Dunkle nun mit einem düsteren Lächelnd hinzu. Dann löste er sich zusammen mit Yuu im Schatten auf, hatte er sich zuvor vergewissert, dass ihn niemand sah. Langsam kam Yuu wieder zu sich, spürte etwas nasses, oder zumindest feuchtes auf seiner Stirn und etwas warmes um sich herum. War er gerade nicht noch auf dem Bahnhofsvorplatz gewesen? Er hörte ein Geräusch, weswegen er nun langsam die Augen öffnete und die gleiche Decke anstarrte, die er am Abend zuvor schon betrachtet hatte. War er etwas wieder beim Dunklen? Erschrocken setzte er sich auf, bereute es im selben Moment wieder, da ihm schwindelig und schlecht wurde. So kam ein leises, klägliches Stöhnen von Yuu, das den Verursacher des Geräusches auf ihn aufmerksam machte. „Ah, du bist wach?“ fragte Seth und ging zu Yuu, drückte ihn mit sanfter Gewalt auf das Bett zurück. „Du solltest noch etwas liegen bleiben, mit einem Kreislaufkollaps ist nicht zu spaßen.“ Sprach der Dunkle ruhig. „Was meinst du?“ fragte Yuu verwirrt, ließ sich jedoch zurück drücken. „Am Bahnhof. Der Schlag in den Nacken hatte den Kollaps zur Folge.“ Erklärte Seth fachmännisch, blickte jedoch nur in ein ratloses Gesicht. „Hä?“ kam postwendend die Frage des Jungen, was Seth seufzen ließ. „Er Schlag gegen den Nacken. Erinnerst du dich?“ Ein langsames Nicken kam von Yuu. „Gut, er hat wahrscheinlich einen Vitalpunkt erwischt, der den Kollaps herbei geführt hat.“ Wieder nickte Yuu, dieses Mal schien er verstanden zu haben. „Wieso bin ich hier?“ fragte Yuu nun und Seth seufzte erneut. „Junge, du bist direkt in meine Arme gefallen, warst ohnmächtig und ich soll dich liegen lassen? Mitten auf dem Bahnhofsvorplatz? Bei der Kälte?“ Yuu wurde etwas rot und sah weg. „Tut mir Leid.“ Nuschelte er verlegen, als ein lautes Knurren von dem Magen des Jungen kam. Ein leichtes Lächeln huschte über die Züge des Dunklen und er stand auf. „Bleib liegen, du hast noch etwas Fieber.“ Stellte er fest. „Ich hole dir etwas zu essen. Magst du Ichigo-Daifuki?“ Ein aufblitzen in Yuus Augen bestätigten die Vermutung und der Dunkle verschwand aus dem Raum. Wieso war er auf einmal so freundlich? Er war so völlig anders, als der Dunkle, stellte Yuu nachdenklich fest. Wieso war alles in letzter Zeit noch abstrakter als sonst? Und die Wohnung sah auch viel heller aus als sonst. Komisch, dachte Yuu und schloss seine Augen. Doch nun hörte er wieder die Türe und sah den Dunklen, der auf das Bett zukam, mit einem Tablett in der Hand. „Ich hab auch noch etwas Tee gemacht. Es wäre besser, wenn du noch etwas liegen bleiben würdest, sonst passiert dir das gleiche noch einmal.“ Mit diesen Worten stellte Seth das Tablett auf den Nachttisch neben dem Bett, blickte dann zu Yuu und bemerkte den begierigen Blick des Jüngeren, so gab er ihm das Tablett nachdem sich Yuu ein weiteres Mal aufgesetzt hatte. Dieser plazierte es auf seinen Oberschenkeln und begann sofort zu essen. Er war also doch recht ausgehungert, dachte der Dunkle und maß den Japaner mit einem langen, nachdenklichen Blick. Er schien ziemlich lebensfroh zu sein, selbst nach allem, was ihm geschehen war. Vielleicht hatte es der Jüngere nicht mitbekommen, doch Seth beobachtete ihn schon seit längerem. Und er hatte das Gefühl, dass er der richtige war. Jung, attraktiv und willensstark. Zwar müsste er noch einiges ändern, aber die Grundzüge passten. „Sag mal, was starrst du mich die ganze Zeit an?“ fragte Yuu nun und blickte ihm misstrauisch in die Augen. „Oh, verzeih, ich war in Gedanken.“ Sprach Seth nun und schüttelte seinen Kopf um die Gedanken loszuwerden, die ihn hatten abschweifen lassen. „Wieso tust du das eigentlich alles?“ fragte er den Jungen nun direkt, der den Reiskuchen daraufhin sinken ließ und seinen Kopf senkte. „Manche Sachen entwickeln sich eben mit der Zeit.“ Sagte er und Seth verstand sofort. „Tut mir Leid, ich hätte das nicht fragen sollen.“ sagte er und stand auf. „Ruh dich aus, bevor du wieder Hals über Kopf aus dem Haus stürmst, mitten in ein Gewitter.“ – „Ja, werde ich.“ kam die seltsam monoton klingende Stimme des Jungen, bevor Seth den Raum verließ. Wieso fragte der Dunkle das auf einmal? Wieso war er so anders wie das letzte Mal? Leise seufzte Yuu, bevor er weiter aß. Wieso nur? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)