Hot N' Cold von schmoergelmotte ((ehem. Melting)) ================================================================================ Kapitel 3: Dasselbe Zimmer -------------------------- Tag auch! Hiermit breche ich jetzt mal meine Freitags-Regel (meist lade ich freitags oder am Wochenende ein Kapitel hoch) und lade schon Donnerstag hoch, weil ich Samstag wegfahre und morgen noch so viel zu erledigen hab, dass ich es vermutlich vergessen würde ^^" Danke für die Kommis bisher und viel Spaß beim Lesen! Kapitel 3: Dasselbe Zimmer Mit einem merkwürdig flauen Gefühl, das er nicht beschrieben konnte, ging John Allerdyce durch den abgedunkelten Gang der Schule. Er war auf dem Weg vom Direktorenbüro, in dem nun Storm saß, zu dem Zimmer, das er sich jahrelang mit Bobby geteilt hatte und nun wieder beziehen würde. Es war sonderbar, wieder durch die vertrauten Flure zu laufen und einen ganz bestimmten Weg zurück zu einem vertrautem Raum zu gehen. Ihm kam es so vor, als wäre er Ewigkeiten nicht mehr hier gewesen. Als hätte er nur ein paar wenige Jahre seiner Kindheit hier verbracht und würde jetzt als alter Mann zurückkehren. Doch es war noch nicht so lange her, dass er das letzte Mal hier durch diesen Korridor gegangen war, zusammen mit Bobby und Piotr, nachdem sie mit einigen anderen Schülern ihres Alters ein Gespräch über den Missbrauch von Macht in Professor Xaviers Büro geführt hatten. Seufzend und die Gedanken verbannend setzte John seinen Weg fort. Er begegnete einigen jüngeren Mutanten, die er noch aus der Zeit kannte, bevor er zur Bruderschaft gewechselt war. Sie grinsten ihm zu, waren aber zu sehr damit beschäftigt, Fangen zu spielen und sich dabei gegenseitig mit ihren Kräften auszutricksen, dass sie nicht anhielten, um ihm etwas zu sagen. Ein wenig amüsiert blickte John ihnen hinterher. Als er sich wieder umdrehte und dabei ohne zu gucken einige Schritte ging, prallte er plötzlich gegen etwas, das sich warm und menschlich anfühlte. Instinktiv wich er wieder zurück. Vor ihm stand ein hoch gewachsener, junger Mann mit kurzen, blonden Haaren und schlichter Kleidung. John schätzte, dass diese Person in etwa genauso alt war, wie er selbst auch, allerhöchstens nur wenige Jahre älter. Sein Körperbau war kräftig, aber nicht so aufdrängend wie der von Wolverine, und das Lächeln auf dem sanften Gesicht wirkte eher etwas zurückhaltend. „Hi, du bist dann wohl der Neue“, sprach er John plötzlich an und seine Stimme klang auffallend weich. „Oder viel mehr der Alte. Oder der alte Neue. Ähm, wie auch immer“ – er schien etwas verlegen zu werden – „du wirst wohl John sein.“ Skeptisch schulterte John seine Tasche etwas höher und sah den Jungen abschätzend an. Er hatte ihn noch nie gesehen oder zumindest konnte er sich nicht daran erinnern. „Allerdings, und wer bist du?“, fragte John und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warren“, antwortete der blonde Junge und hielt John freundlich die Hand hin. „Warren Worthington III.“ John hob verwundert beide Augenbrauen hoch und dachte nicht einmal daran, Warren die Hand zu reichen. Das schien auch Warren zu merken und er zog seine Hand langsam wieder zurück. „Aha… John Allerdyce, vermutlich der Erste und Einzige“, stellte John sich mit gewohntem Sarkasmus vor und beäugte Warren kritisch. „Kennen wir uns?“ Für einen Moment wirkte Warren ein wenig ratlos und unsicher, was er antworten sollte. „Nicht persönlich“, sagte er dann und lächelte erneut schüchtern. „Ich habe dich auf Alcatraz und in den Medien gesehen. Und die anderen erzählen viel von dir.“ Die Skepsis und der Unwollen in John schienen immer höher zu treiben. Seine Augen musterten Warren erneut und dieser fühlte sich sichtlich unwohl unter dieser genauen Betrachtung. „So, so“, sagte John schließlich und blickte wieder in Warrens Augen. „Worthington… das sagt mir doch was. – Hey, war das nicht der Typ, der das Heil-“ Warren unterbrach ihn hastig. Auf seinen leicht gebräunten Wangen zeichnete sich ein leichter Rotschimmer ab. „Ja, ja, das war mein Vater. Er hat die Erforschung des Heilmittels finanziert und wollte ausgeben lassen.“ Johns Augen spiegelten eine gewisse Abscheu wieder. Warren wusste, dass John zu den Leuten gehört hatte, die das Heilmittel zerstören wollten. „Und was macht dann sein Sohn in einer Mutantenschule?“ Johns Abneigung war kaum zu überhören. „Ich lebe hier“, antwortete Warren wahrheitsgemäß. Er war hierher gekommen, weil er damals, als er vor seinem Vater und dem Heilmittel geflohen war, nicht gewusst hatte, wohin er sonst sollte. Mittlerweile hätte er ohne Probleme zu seinem Vater zurückkehren können, doch er fühlte sich hier wohl und hatte andere Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen wie seiner eigenen um sich. „Das Heilmittel wurde für mich erfunden. Mein Vater wollte mich damit von meiner Mutation befreien“, erklärte Warren. „Aber ich wollte nicht. Deswegen bin ich hierhin gekommen und jetzt lebe ich hier, weil es mir gefällt.“ John blickte Warren schweigend an. Dann war dieser blonde Junge also der Auslöser für die Suche nach einem Heilmittel gewesen oder zumindest der Auslöser, dass diese Suche finanziert worden war. Wenn John so darüber nachdachte, hätten seine Eltern eher Geld dafür geboten, dass Mutanten vernichtet werden, anstatt sie heilen zu wollen. Nachdenklich zog er das Feuerzeug, das Logan ihm mittlerweile wiedergeben hatte, aus seiner Hosentasche. Das Zippo mit den Haifischzähnen war schon seit Jahren sein ewiger Begleiter. Leichte Kratzspuren auf dem edlen Metall zeugten davon, wie alt es schon war und doch war John nie auf die Idee gekommen, es zu ersetzen. „Du beherrschst das Feuer, richtig?“, hörte er Warren fragen und blickte auf. John nickte und ließ das Feuerzeug aufklicken, drehte das Rädchen und entzündete eine kleine Flamme, die er langsam auf seine freie Hand zog und ein wenig größer werden ließ, sodass sie einen kleinen Feuerball in seiner Hand darstellte. „Ich manipuliere es“, erklärte er. „Ein kleiner Funke reicht aus und ich kann damit machen, was ich will. Ich kann es größer werden und Formen annehmen lassen oder ich kann es vernichten. Aber ich kann es nicht erschaffen.“ Mit einem leicht getrübten Blick, denn er hasste die Tatsache, dass er ohne Feuerquelle machtlos war, ließ er die Flamme wieder schrumpfen und erstickte sie schließlich mit seiner Handfläche. „Beeindruckend“, meinte Warren und es klang ernst gemeint. „Du giltst als einer der mächtigsten Mutanten.“ John zog beide Augenbrauen hoch. „Tatsächlich?“ Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Auch wenn er so tat, als würde es ihn nicht interessieren, befriedigte ihn die Tatsache, dass seine Kraft beeindruckend und bekannt zu sein schien. Vielleicht sogar ein bisschen gefürchtet. „Was ist deine Mutation?“, fragte er Warren schließlich und seine Stimme klang nun etwas freundlicher als vorher. „Das könnte jetzt etwas komplizierter werden“, sagte Warren und räusperte sich verlegen. John sah, wie Warren sich vor ihm seinen dünnen Kapuzenpullover über den Kopf zog, sodass er nur noch in einem weißen Unterhemd vor John stand. Unter dem Hemd schien ein Gebilde aus Lederriemen mit Schnallen zu verlaufen. Seine Kraft ist es, sich vor anderen auszuziehen? Skeptisch blickte John sein Gegenüber an und wollte schon gerade etwas sagen, als die Schnallen an den Riemen aufklicken hörte. Er hörte das Reißen von Stoff und sah plötzlich das weiße Unterhemd vor sich liegen. Er zieht sich tatsächlich aus! Was für… eine Schwuchtel! Doch als John wieder aufblickte, sah er wie sich zwei übermäßig große Flügel, so seidenweiß wie man sie sich bei Engeln vorstellen würde, vor ihm aufragten. Sie passten nicht einmal halb in den Flur und Warren musste sie offensichtlich anwinkeln und nach hinten ausstrecken und dennoch berührten die Spitzen der äußersten Federn die mit Holz verkleidete Wand. Erstaunt betrachtete John die Flügel und stellte sich vor, wie sie wohl aussehen würden, wenn sie ihre komplette Spannweite entfalten könnten. Die Faszination war ihm wohl auch ohne Worte anzumerken, denn Warren lächelte leicht, ehe er seine Flügel wieder an seinen Körper zog und sich hinhockte, um die Reste seines Unterhemds hochzuheben. „Du bist ja ein Piepmatz“, platzte es aus John heraus, als die leicht erstaunte Starre verflog. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Warren, der aus der Hocke zu ihm aufblickte, sah perplex aus. Doch dann schien er zu begreifen und lächelte so offen, wie John es in den wenigen Minuten bei dem Mutanten noch nicht gesehen hatte. „Irgendwie ja.“ „Kannst du auch singen?“, fragte John offensichtlich scherzend. Warren deutete es als eine Frage, die keine Antwort verlangte. „Zieh dir lieber wieder was an, sonst denken die sich hier sonst noch was!“ Ein wenig errötend begann Warren, die Riemen wieder festzuziehen. Vergnügt ging John an ihm vorbei und klopfte ihm dabei auf die nackte Schulter. „Beeindruckend“, setzte er schließlich noch leise hinzu und ließ Warren dann allein im Gang stehen. Als er schließlich vor der dunklen Holztür zu dem Schlafraum, den er sich mit Bobby geteilt hatte und wieder teilen würde, stand, überkam John eine leichte Nervosität. Es kam ihm vor, als wäre er ewig nicht mehr hier gewesen und die leichte Vorahnung, welche Erinnerungen auf ihn einprasseln könnten, machte ihn unruhig. Zögerlich öffnete er die Tür, schob das Türblatt langsam in den Raum und blickte – begleitet von einem lauten Herzklopfen, von dem er meinte, die ganze Schule müsste es hören können – in den Raum, den die Tür nun immer mehr freigab. Tief durchatmend versuchte er sich zu beruhigen und trat schließlich ein. Seine Augen richteten sich wie von allein auf den vertrauten Anblick seines alten Bettes, das anscheinend während seiner Abwesenheit Bobby als Ablage gedient hatte. Am Fußende lagen ein paar von Bobbys Büchern und die Mitte diente offenbar als Zwischenlagerung für gewaschene Wäsche, die noch nicht wieder in den Schrank einsortiert war. Es störte John nicht sonderlich, sein Bett so vorzufinden. Bobby würde es sicher abräumen, sobald er wieder hier war. Natürlich wäre es schöner gewesen, es so vorzufinden, wie er es verlassen hatte, doch wenn er sich recht daran erinnerte, wäre es sicher zerknittert gewesen und neben dem Bett hätten ein paar Pärchen Socken gelegen. Ein schwaches Lächeln legte sich auf Johns Lippen und er ging etwas näher auf sein Bett zu. Es sah aus, als wäre es erst vor wenigen Tagen frisch bezogen worden und die Bettwäsche war offenbar seine eigene. John ließ die Lederreisetasche auf den Boden gleiten und wandte sich um. Sein Weg führte ihn zu dem großen Kleiderschrank, von dem die linke Seite stets ihm gehört hatte. Sollte Ororo Munroe Recht haben und Bobby hatte wirklich nichts entsorgt, so würde er dort sicher all die Kleidung vorfinden, die er bei der Flucht vor Stryker und dem Wechsel zu Magneto zurückgelassen hatte. Erwartungsvoll öffnete er eine der Schranktüren und blickte auf die Regalleisten, auf denen sich Unterwäsche, T-Shirts und Pullover stapelten. Kurz strich er nachdenklich über den Stapel seiner Oberteile, ehe er die Schranktür wieder schloss und die andere öffnete. Vor ihm hingen ein paar Hosen, Hemden und Jacken, darunter auch seine Lieblingslederjacke. Helles Braun; weiches, geschmeidiges Material. Er erinnerte sich, dass er sie das letzte Mal bei dem Ausflug in das Naturkundemuseum getragen hatte. Damals hatte er aus Spaß einen Jungen in Brand gesetzt, weil dieser ihm sein Feuerzeug geklaut hatte, als John ihm kein Feuer geben wollte. Er lächelte ein wenig süffisant. Solche Dinge würden ihm auch heute noch passieren. Gerade wollte er nach eben jener Jacke greifen, als er hörte, wie sich die Tür wieder öffnete und jemand eintrat. Leicht erschrocken drehte er sich um – und sah Bobby vor sich stehen. Langsam ließ John seine Hand wieder sinken und schloss die Schranktür, während Bobby ebenfalls die Tür zu ihrem Zimmer schloss. Auf dem Gesicht des Eismutanten lag ein leichtes Lächeln. Obwohl sie sich schon im Krankenhaus wieder gesehen hatten, machte die Umgebung die Situation ein wenig befremdlich. „Hey John“, begrüßte Bobby ihn und klang ein wenig unsicher. Es war lange her, dass er das letzte Mal mit John in diesem Raum gestanden hatte und wenn er sich recht erinnerte, hatte er sich an diesem Abend mit ihm gestritten. Danach hatte John sich schlafen gelegt und Bobby war zum Eisessen in die Küche gegangen, ehe Strykers Männer die Schule gestürmt hatten. Johns Gesicht wirkte ein wenig so, als würde ihn die Situation hier nicht betreffen; so als wäre er nur ein stummer Betrachter. „Hey Bobby“, antwortete er und steckte seine Hände in die Taschen seiner Hose. Bobby trat etwas näher in den Raum und nickte in Richtung von Johns Bett. „Ich räume das gleich ab, keine Sorge“, sagte er hastig und sah etwas verlegen aus. John lachte leise. Bobby war immer schon so führsorglich gewesen und John wusste, dass es ihm peinlich war, das Bett nicht vorher abgeräumt zu haben. „Schon okay, bei mir sah es noch schlimmer aus“, meinte John ehrlich und gab erneut ein leises Auflachen von sich. „Aber trotzdem wäre es ganz toll, wenn du’s wegräumen könntest, sonst musst du auf dem Boden schlafen, weil ich dann dein Bett beanspruche.“ Bobby schmunzelte ein wenig. „Der Boden sieht nicht allzu bequem aus“, meinte er mit einem gespielt prüfendem Blick nach unten. „Also räum ich es wohl doch lieber weg.“ Langsam löste sich die Anspannung zwischen ihnen und für einen Moment kam es Bobby so vor, als wäre John nie weg gewesen. „Sehr brav, Iceman“, sagte John und schnappte sich seine Tasche, die neben dem Bett auf dem Boden stand und stellte sie auf die noch freie Fläche am Kopfende. Schnell zog er den Reißverschluss auf und nahm die wenige Kleidung, die er aus dem Krankenhaus mitgebracht hatte, heraus. „Deine Haare… du hast sie ja wirklich wieder so wie früher“, sagte Bobby schließlich, als er John dabei beobachtete, wie dieser seine Kleidung in den Schrank einräumte. „Ja, das Blond gefiel mir nicht mehr sonderlich“, sagte John. Immerhin hatte er schon bei ihrem Gespräch in der Cafeteria angedeutet, dass er lieber wieder zu seiner alten Frisur zurückkehren wollte. Nickend ging Bobby ein paar Schritte näher und begann damit, seine Kleidung von Johns Bett zu nehmen und ebenfalls in seinen Schrank zu räumen. „Eigentlich ist es schade um die Ablage, dass du wieder da bist“, meinte er und nun kam es ihm ihr Verhältnis endgültig wieder wie früher vor. Er hörte John lachen und blickte dann zu diesem. „Tja, Bobby-Schätzchen, da kann ich dir auch nicht helfen. Ich habe jedenfalls nicht vor, in nächster Zeit wieder zu verschwinden.“ Bobby lächelte breit. „Das ist auch besser so.“ Er schloss die Tür von seinem Schrank und ging zurück zu Johns Bett, um auch noch die Bücher von diesem abzuräumen. Ordentlich gestapelt stellte er sie vorerst neben sein eigenes Nachtschränkchen und sah John wieder an. „Siehst du, der Boden wird mich nicht kriegen.“ John grinste breit und nickte zustimmend. „Ich hätte es auch kaum verschmerzen können, dich auf dem Boden schlafen zu sehen“, sagte er theatralisch und ließ sich mit Wucht auf sein Bett fallen, sodass die Matratze ihn zunächst ein wenig hoch federte. „Aber ich hätte dich dazu zwingen müssen.“ Vergnügt, aber ohne etwas darauf zu erwidern, setzte Bobby sich auf sein Bett links neben dem von John. Der Feuermutant hatte schon immer näher am Fenster geschlafen, während Bobby das Bett, das näher an der Tür lag, besetzt hatte. Dieses Zimmer teilten sie sich, seit Bobby in diese Schule gekommen war. John war schon etwas mehr als ein halbes Jahr hier gewesen und am Anfang war er nicht sehr erfreut gewesen, einen Zimmergenossen zu bekommen. Doch trotz ihrer Gegensätzlichkeiten, was ihre Kräfte und auch ihren Charakter betraf, waren sie recht gut miteinander ausgekommen und hatten sich mit der Zeit eng angefreundet. Nie hatte Bobby vor John jemanden als seinen besten Freund bezeichnet. „John“, sprach Bobby ihn plötzlich wieder an und hatte das Gefühl, sagen zu müssen, was ihm auf der Zunge lag. „Es ist schön, dass du wieder da bist.“ Es war ihm ein wenig peinlich, das so offen zu sagen, doch John lächelte nur leicht und nickte. „Ja, ich weiß.“ Als John zusammen mit Bobby später hinunter in die Küche zum Abendessen ging, saßen einige Schüler schon an dem eckigen Holztisch und unterhielten sich miteinander. Doch kaum hatte John den Raum betreten, erstarb das Gemurmel so plötzlich als hätte man einen Ausschaltknopf gedrückt. Einige blickten auf und sahen ihn an, doch die meisten blickten stumpf auf den Tisch oder die Teller, die vor ihnen standen. Schweigend betrat John den Raum und obwohl er äußerlich lässig und unberührt schien, machte diese vollkommene Stille ihn nervös. Seine braunen Augen huschten über die einzelnen Schüler, die am Tisch saßen, und er schluckte unauffällig. Er versenkte seine Hände in seine Taschen und griff nach seinem Feuerzeug. Als seine Finger das von seiner Körperwärme erhitzte Metall berührten, entspannte er sich wieder ein wenig. Das Zippo-Feuerzeug hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihn gehabt. Es machte ihm klar, wie mächtig er war. Und Macht stärkte das Selbstbewusstsein. Nicht, dass John es wirklich nötig gehabt hätte, selbstbewusster zu werden. Doch jeder Mensch – selbst der tapferste Krieger – fühlte irgendwann mal Unbehagen oder Furcht. Und dann brauchte man eben etwas, das einen wieder aufbaute und Zuversicht gab. Früher hatten die Menschen in schwierigen Situationen an Gott geglaubt, zu ihm gebetet und auf ihn vertraut. Doch John glaubte nicht, dass Gott überhaupt existierte. Sein Zippo – das war Etwas, das es wirklich gab. Etwas Handfestes, an dem man sich halten konnte. Und es konnte in seinen Händen zu einer gewaltvollen Waffe werden. Nein, John hatte keinen Grund, nervös zu sein. Das wurde ihm jetzt klar. Er bemerkte, dass Bobby immer noch hinter ihm lief und als er über seine Schulter hinweg zu dem Eismutanten blickte, sah er, dass dieser Rogue einen auffordernden Blick zuwarf. John drehte sich wieder nach vorn und öffnete den Kühlschrank, um sich eine Flasche Coca Cola® herauszunehmen. Hinter sich hörte er das Rücken eines Stuhls. Als er die Kühlschranktür wieder schloss, merkte er, dass Rogue neben ihm stand. „Hey John“, sprach sie ihn freundlich an und ihr Südstaaten-Akzent war nur allzu deutlich herauszuhören. Ein Lächeln umspielte ihre vollen, rosafarbigen Lippen. John fragte sich, ob es echt war. Es wirkte so aufgesetzt. Aber er hatte stets alles an Rogue aufgesetzt empfunden. „Wie geht’s dir?“, fragte sie ihn nun, während John sich noch ein Glas aus einem der Hängeschränke über der Küchentheke nahm. „Gut“, antwortete er knapp und vergaß absichtlich aus Höflichkeit zu fragen, wie es ihr ging. Doch ihr Lächeln schien nicht aus ihrem Gesicht weichen zu wollen. Ob sie das geübt hatte? Plötzlich bemerkte er, wie sie ihm ihre Hand entgegenstreckte. Skeptisch blickte er auf diese herunter. „Willkommen zurück, John“, meinte sie und ihr Lächeln wurde noch etwas breiter, auch wenn John sich nicht sicher war, ob er es sich vielleicht nur eingebildet hatte. Anstatt ihre Hand zu nehmen, ließ er seine eigene wieder in seine Hosentasche sinken. „Danke“, meinte er, ohne jegliche Emotion in diesem Wort, und wandte sich dann von ihr ab. Am Tisch konnte er Kitty leise stöhnen hören. „Du hast dich ja wirklich gar nicht verändert.“ Ihre Stimme klang verärgert. Doch John sah lässig darüber hinweg. Sein Verhältnis zu Kitty, bevor er sich Magneto angeschlossen hatte, war schwer zu beschreiben gewesen. Manchmal hatten sie sich verstanden und zusammen gelacht, doch oft waren sie voneinander genervt gewesen. Es hatte sie schon immer gestört, wenn John sich so respektlos verhielt wie jetzt gegenüber Rogue. „Nein, stört es dich?“, fragte er Kitty nun und ein provozierendes Grinsen schlich sich auf seine Lippen, während Rogue neben ihm ihre Arme vor der Brust verschränkte. Kittys Gesicht verdüsterte sich merklich. „Irgendwie schon.“ Sichtlich gereizt stand sie auf und ihr Löffel fiel aus ihrer Hand. Beinahe hätte John laut aufgelacht. Irgendwie fand er, sie sah ein wenig lächerlich aus, wie sie nun ihre Hände in die Hüften stemmte. Ein paar Pfund mehr und eine etwas dunklere Haut und sie würde ihn glattweg an eine hispanische, ältere Klischee-Frau erinnern, die temperamentvoll und wütend einen ihrer Schützlinge zurechtwies – zumindest der Gesichtsausdruck passte ganz gut. Doch bevor John auch nur ein Wort, das Kitty wahrscheinlich noch mehr gereizt hätte, erwidern konnte, kam Bobby ihm zuvor. „John, hör auf“, meinte er beschwichtigend und trat etwas näher auf ihn zu. John rollte die Augen, sagte jedoch kein Wort mehr. Kitty blickte ihn weiterhin finster an und setzte sich wieder, murmelte jedoch noch etwas Verdrießliches, was aber keiner verstand. Immer noch belustigt nahm John wieder sein Glas und die Flasche Coca Cola® in seine Hände und wandte sich an Rogue. „Sorry, Babe. Ist auch ganz nett, dich wieder zu sehen“, sagte er, wobei auf dem Wort ’nett’ ein leicht ironischer Ton lag. Rogue rollte die Augen und Bobby seufzte leise. Johns Arschloch-Attitüde hatte mal wieder Überhand gewonnen. Aber das Spielchen kannten sie ja schon. Immerhin war John schon so gewesen, seit sie ihn kannten, auch wenn Bobby aufgefallen war, dass es mit den Jahren immer deutlicher geworden war. An einem ganz bestimmten Zeitpunkt hatte es angefangen, dass Johns Sprüche immer offensiver wurden und er von diesem Trip immer langsamer runterkam. Doch er konnte nicht genau definieren, wann das gewesen war. Er wusste nur, dass John seitdem dieses Verhalten öfter und intensiver an den Tag gelegt hatte, als zuvor. Aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet. John war immer schon ein Angeber und Großmaul gewesen. Er beobachtete den Feuermutant, wie dieser sich nun zum Tisch begab und zwischen Warren und Jubilee niederließ. Beide schien das wenig zu stören, doch Kitty, welche gegenüber von Jubilee saß, warf John immer noch böse Blicke zu. Bobby wandte sich an Rogue und legte einen Arm um sie. „Nimm dir das bloß nicht zu Herzen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Am liebsten würde er John für sein Verhalten lynchen, doch wie schon vor Johns Verschwinden, saß er zwischen den Stühlen, was John und Rogue anbelangte. Sie blickte lächelnd zu ihm auf und schüttelte den Kopf. „Mach dir nur keine Sorgen, ich kenn-“ Der restliche Teil von ihrem Satz ging in einem zischenden Schmerzenslaut unter. Abrupt wandten sich Bobby und Rogue dem Tisch zu; Bobby befürchtete schon fast, John und Kitty wären doch aufeinander losgegangen. Doch es sah ganz friedlich aus. Bis auf Kitty, die sich ihre eigene linke Hand vor ihr Gesicht hielt. Am Zeigefinger klaffte eine stark blutende, offenbar recht schmerzhafte Wunde. Das Brotmesser war neben ihr Glas gefallen. „Was ist passiert?“, fragte Bobby besorgt, als Kitty sich den blutenden Finger aus Reflex in den Mund schob. „Sie hat sich geschnitten“, antwortete Jubilee ihm und stand auf, um ein Pflaster aus einem der Küchenschränke zu holen. „Sie wird es wohl überleben, auch wenn sie es gleich sicher überdramatisiert.“ Sie lachte leise und auch Bobby konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Kitty rollte leicht mit den Augen. Sie war es eben nicht gewohnt, sich zu schneiden, denn normalerweise war ihr geisterhafter Körper nur allzu durchlässig für solche Dinge. Sie konnte schnell genug reagieren, um Gefahren – oder eben kleinen Schnitten – zu entgehen. Darin lag ihre Kraft und deswegen hatte sie sich nicht mehr geschnitten, seit sie ein Kind gewesen war, auch wenn sie beim Karotten- und Gurkenschneiden sicher häufiger ihre Finger gleich mit geteilt hätte. Doch nun drang der eintönige, aber starke, eiserne Geschmack von Blut in ihren Mund und vermischte sich mit der Nudelgemüsesuppe und dem Brot, das sie eben noch gegessen hatte. Eine wirklich widerliche Mischung. „Seit wann kannst du dich überhaupt schneiden?“, fragte John sie verwundert und Kitty warf ihm anstatt einer Antwort lieber einen weiteren bitterbösen Blick zu. Seine dummen Sprüche wollte sie nun wirklich nicht hören. „Ihre Kraft wirkt momentan nicht“, erklärte Warren an ihrer Stelle und John wandte sich ihm verwundert zu. „Weil Jimmy mit am Tisch sitzt.“ Erst jetzt fiel John auf, dass die Ausbeulung, die Warrens Flügel unter seinem Pullover bildeten, verschwunden war. Warren bemerkte seinen Blick und lächelte leicht. „Kann manchmal ein ganz erleichterndes Gefühl sein.“ Nickend ließ John seinen Blick über den Tisch wandern und bemerkte nun einen Jungen mit kaum erkennbaren, dunklen Haarstoppeln, der Kitty entschuldigend ansah. John verstand sofort. „Das Heilmittel“, flüsterte er ehrfürchtig und griff nach dem Feuerzeug in seiner Tasche. Als er es aufflammen ließ und versuchte, die Flamme in seine Hand zu ziehen, bemerkte er, dass sich nichts tat. Tatsächlich… er eliminiert die Kräfte anderer Mutanten. „Tut mir Leid“, hörte er jemanden sagen und als John wieder hochblickte, bemerkte er, dass der Junge namens Jimmy ihn ansah. Offenbar gefiel es ihm selbst nicht, dass er die Kräfte anderer Mutanten bannen konnte. Er konnte seine Kraft wohl ebenso wenig kontrollieren, wie Rogue, doch John musste sagen, dass Jimmys Kraft wenigstens keine Schmerzen verursachte. Sie löschte seine Kraft aus, aber sie zerrte nicht an seiner Lebensenergie. Er wusste nicht, was er Jimmy sagen sollte. Ein sarkastischer Spruch schien selbst ihm fehl am Platz. Doch zu sagen, es wäre okay, wäre ebenfalls gelogen gewesen, denn John hing viel zu sehr an seiner Macht, als dass er auf sie verzichten wollen würde. Selbst wenn Rogues Kraft sie von körperlichen Hautkontakten jeder Art abgehalten hatte, fand er es immer noch erbärmlich, dass sie sich hatte heilen lassen. Er fragte sich, wie lange das Mittel wohl anhalten würde. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Kräfte für ewig verschwanden. Jubilee hatte Kitty derweil ein Pflaster gereicht. Mit einem leicht mürrischen Blick klebte Kitty es um ihren Finger und seufzte. „Will noch jemand Blut?“, fragte sie resignierend und bemerkte im selben Augenblick, was sie gesagt hatte. „Äh, ich meine natürlich Brot!“ John grinste leicht. „Du meinst Brot mit deinem Blut? Aber gerne doch!“ Auffordernd hielt er ihr seinen Teller hin. Für einen Moment blickte Kitty ihn verwirrt an, doch dann konnte selbst sie sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Ohne noch ein Wort zu sagen, reichte sie ihm zwei Scheiben Brot, an denen sich natürlich kein Blut befand. Bobby, der sich nun mit Rogue ebenfalls an den Tisch setzte, war erleichtert, dass sie endlich aufgehört hatten, sich anzukeifen. Vielleicht würde ja doch alles wieder wie früher werden. TBC Sodele, das war's mal wieder. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Johns Gedanken bezüglich Warrens Entkleidungsaktion sollten in keinem Fall homo-feindlich sein, aber ich denke, es gibt genug Menschen, die schnell so was denken, ohne das böse zu meinen oder generell etwas dagegen zu haben. Und jetzt genieße ich Phil Collins "Another Day In Paradise" - der Mann ist großartig, auch wenn er wirklich einen starken Kontrast zu Rammstein bildet, die ich vorhin noch gehört hab ^^" (warum zum Teufel erzähl ich das eigentlich x_X" - vermutlich weil Phil so toll singt) Bis zum nächsten Mal, motte Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)