7 Minutes in Heaven von abgemeldet (.... and you know, I'm always late.) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Na komm schon, wir gehen…“, sage ich und lege einen Arm um ihn… Es war ein ganz gewöhnlicher Oktobernachmittag an dem ich in der schwarzen Limousine saß und mal wieder von einem Restaurant nach Hause gefahren wurde. Es war ein Geschäftsessen meines Vaters, bei dem ich natürlich unbedingt dabei sein musste. Ich war elf zu dieser Zeit und fuhr mit einer anderen Unternehmerfamilie. Die Mutter und der Vater des anderen Jungen, der mit in der Limousine fuhren unterhielten sich angeregt mit meinem Vater, der nur gepflegt lächelte und nickte. Die ganze Zeit saß der andere, ein paar Jahre jüngere Junge, der einfach nur an das gegenüberliegende Sitzpolster starrte. Er war von seinen Eltern genau so erzogen wurden wie ich: Was machen wir wenn der Papa redet? – Die Fresse halten! ... Pardon, ich meine den Mund. Der Junge stierte einfach nur so vor sich hin, bis er mich ansah. Er war vielleicht zwei oder drei Jahre jünger als ich. Ich lächelte schief in seine Richtung. Er sah traurig drein und wandte den Blick ab. Sein linkes Auge war dunkler, als das rechte. Nicht innen drin. Außen herum. Ich hatte mir damals nie etwas dabei gedacht. Wenn ich heute darüber nachdenke, spekuliere ich, wie er nochmal hieß. Louis oder so. Ich weiß es eigentlich gar nicht mehr, weil er nicht mehr wichtig ist. Eigentlich war er es auch noch nie. „Mister Parker, ihr Vater auf Leitung acht.“ „Sofort.“, spreche ich in diese kleine dunkelgraue Anlage, aus der die Stimme meiner eigenen und persönlichen Sekretärin kommt und Gott, bin ich stolz. Ich werde die Firma meines Vaters erben, in Millionen schwimmen und ein erfülltes Leben haben. Richtig genial, oder? Finde ich auch! „Ja, Dad?“ „Hey, Andy. Hast du schon den Papierkram erledigt für die Aktien?“ „So ziemlich“, antworte ich und streiche mir eine der herunterfallenden blonden Strähnen aus den Augen. Ich hatte mein Haar meistens nach hinten gegelt, aber heute Morgen hatten sie einfach nicht halten wollen, so dass mir ständig eine Strähne in meine dunkelbraunen Augen hinein hing, die mich schier wahnsinnig machte. „Andrew, du musst die bis morgen fertig haben. Weißt du aber schon?“ „Jaja, nur noch ein paar Rechnungen.“ Ich suche meinen Taschenrechner und rechne schließlich weiter, das Telefon aufgelegt. Wieder klingelt es. Ich nehme ab. „Wir treffen uns morgen mit den Thompson-Bakers.“ „Oh… okay. Wo denn?“ „In der Gaststätte von damals. Aber sei ein wenig sensibel mit ihnen, sie haben wohl irgendeinen Fall in der Familie gehabt. Ich hol dich morgen ab.“ „Kein Problem.“, antworte ich und lege auf. Auf diese Weise gehen die Tage immer schnell herum und ich habe so gut wie nie Probleme. Es ist lustig zu sehen, wie die anderen sich so um Kopf und Kragen rechnen… Ich muss zugeben, ich bin da nicht unschuldig, immerhin habe ich ihnen ein paar Rechnungen untergeschoben. Ich würde diese in knapp fünfzehn Minuten in mein klimatisiertes Büro geliefert bekommen. Einfach so – ohne Arbeit. Der Abend ging schnell herum und es war schon fast wieder Zeit zum nach Hause fahren, was ich dann natürlich auch tat. Beziehungsweise gefahren wurde. Der Abendhimmel war klar, die Sterne strahlten nur so vor sich hin wie Diamanten. Ich sah, wie ein Junge, etwa in meinem Alter, zurückwankte, aus einer Gasse heraus. Er sah den Wagen wohl nicht. Wir, also ich und der Fahrer, mussten eine Vollbremsung machen. Sein braunes Haar war kinnlang gewachsen und er trug den Pony komplett über das Gesicht. Ich seufzte. „Eine Sekunde.“, sagte ich zum Fahrer und stieg dann aus. Der Junge saß auf der Straße und blickte leicht verstört hinauf zum Auto, als ich ausgestiegen war und vor ihm stand. Er krabbelte ein Stück zurück. „Ganz ruhig, Kleiner, ich tu dir nichts.“ Ich konnte erst jetzt im Licht der Straßen erkennen, dass er ein wenig jünger war, als ich. Er rappelte sich auf, verbeugte sich einige Male mit einem „Entschuldigung“ und wich immer wieder ein paar Schritte zurück. Ich legte den Kopf schief und sah zu meinem Fahrer im Auto, winkte ihn heraus. „Komm mit, wir nehmen dich mit.“ „Ihr Vater wird bestimmt nicht erfreut sein.“ „Ist mir egal. Wir können den armen Jungen doch hier nicht so lassen.“ Der Junge blieb stehen und blickte mich verwirrt an. Der Fahrer schüttelte den Kopf. Ich ging zu dem Kleineren, der heftig zusammenzuckte und zurückwich. Was wohl mit ihm los war? So ein Schockzustand? „Hey… ich bin Andrew. Komm schon, wir nehmen dich mit. Wir tun dir nicht weh.“ Er sah mich verwirrt an, ehe er leise ein: „Joshua.“ Antwortete. Ich hob eine Augenbraue. „Lüg mich nicht an. Ich sehe doch den Anhänger.“ Es war der Anhänger einer Kette auf der ein L eingraviert war. „Das geht Sie nichts an. Der ist geklaut.“ „Nun gut… Joshua.“ Ich glaubte ihm immer noch nicht. „Möchtest du mitkommen?“ „Hmpf…. Ja.“, antwortete er schließlich. Besser als gar nichts, das müsste eigentlich auch sein Motto sein, immerhin sah er nicht besonders frisch aus. T-Shirt dreckig und zerfetzt, Hose an den Knien zerrissen. Schuhe hatte er keine mehr an. Schließlich befanden wir uns auf dem Weg nach Hause, allerdings ohne ein weiteres Wort zu sprechen. Er stierte aus dem Fenster, während ich ihn ein wenig beobachtete. Die Arme herunter hatte er nur blaue Flecken. Wurde wohl öfters verprügelt, der Kleine. Besonders stark sah er auch nicht aus. Ein Kratzer nach dem anderen. Und natürlich Narben. Er verhielt sich ganz ruhig. Er beobachtete die Laternen, die so vorbeirauschten, gähnte leise und schenkte mir ab und an einen Blick. Wir waren bei mir zuhause angekommen. Ich stieg aus, Joshua kam hinterher und klebte schon fast an mir. Ich drückte auf die Freisprechanlange des großen Anwesens. „Hi, ich bin’s, euer einziger Sohn.“ Man hörte ein leises Lachen und die große Metalltür öffnete sich. Schließlich ging ich mit Joshua herein. Natürlich nicht unbemerkt. Unser Hausmädchen widmete Josh einen besorgten Blick und auch mein Vater sah den Besuch. Und natürlich sah er nicht besonders begeistert aus. „Andy, was hat er hier zu suchen? Er ist ganz dreckig. Schick ihn baden!“ „Ist schon passiert. Hab ihn von der Straße mitgenommen. Wir haben ihn angefahren.“ „Gut… von der Straße also. Ich will, dass er nach heute Nacht sofort hier verschwindet!“ „Schön… ich gebe ihm mein Zimmer.“ „Mach, was du willst.“, meinte mein Vater grummelnd. Ich grinste. „Alles klar, Daddy.“ Ich ging in mein Zimmer und hörte noch ein: „Mary, ich denke, er hätte doch nicht zu den Pfadfindern gehen sollen.“ Und so kam das Unabänderliche. Das Grauen. Das Verderben. Er hatte halt bei mir übernachtet, aber ich konnte mir nicht an’s Herz fassen. „Naja, ich gehe dann mal. dein Dad wollte das ja.“, sagte der Kleine. Ich schüttelte den Kopf. „Komm, bleib noch, wird schon nicht so schlimm.“ „Aber du bekommst Ärger.“ Wir hatten uns mehr mit uns auseinandergesetzt und irgendwie mochte ich ihn halt gerne. Vielleicht wegen seiner Einstellung, die meiner ziemlich glich und auch wegen seiner ruhigen Art. „Gut… Dann geh eben.“ „Hm…“ „Aber eine Frage habe ich noch!“ „Welche?“ „Heißt du wirklich Joshua?“ Er schwieg, ehe er schief lächelte. „Nein. Mein Name ist Lou.“ „Warum nicht direkt so?“ „Ich weiß nicht… du kamst mir so bekannt vor.“ „Wieso?“ Wir saßen draußen auf dem Rasen. „Ach, ich kannte früher einen Jungen, der hatte genau dein Gesicht. Wir sind mit seinem Dad Essen gefahren.“ Ich sah ihn schief an. „Also, jedenfalls bin ich noch in derselben Nacht von zuhause abgehauen.“ „Warum?“ „Ich hatte keine Lust mehr. Ich saß mit einem blauen Auge im Wagen und das war von meinen Klassenkameraden. Ich wollte meinen Eltern keine Schande mehr machen.“ „Ich glaube, dass du verschwunden bist, war für sie viel schlimmer.“ „Hm… wird wohl so sein. Aber ich habe den Kontakt zu ihnen verloren.“ Er ließ sich zurück in’s Gras fallen. Ich lächelte schief und legte mich dazu, ehe ich auf meine Uhr blickte. „Das ist schade.“, erwiderte ich. Ich blickte ihn an, ehe er mir ein trauriges Lächeln zuwarf. „Wie lange noch?“ „Müsstest jetzt gehen.“ „Naja… bis dann.“ Er richtete sich auf, klopfte sich die neue Hose und das neue T-Shirt ab. Zudem trug er meine alten Sportschuhe. Ich stand auch auf und klopfte mir das Jackett ab. „Bis dann, Louis.“ Ich hielt inne. Warum jetzt Louis? Er sah mich seltsam an, grinste dann aber schief und gab mir einen festen Händedruck, ehe er sich umdrehte und ging und kurz drauf wurde ich auch schon wieder abgeholt. Ich nahm Platz in der Limousine und blickte die beiden Eltern an. „Wie geht es Ihnen?“ „Nicht besonders.“, antwortete der Mann meinem Vater. Ich seufzte. „Sie erzählten von einem Vorfall in der Familie? Wo ist denn Ihr netter kleiner Sohn?“ Die Frau brach in Tränen aus. „Er war ganz plötzlich weg! Als wir das erste Mal mit Ihnen Essen waren.“ Bisher war mir alles ziemlich egal, aber das brachte mich zum Stutzen. „Ihr Sohn… hieß der nicht Louis?“ „Unser kleiner Lou! Wir haben ihn geliebt!“, meinte die Mutter, worauf der Vater nur nickte. Mich ließ der Gedanke nicht mehr los. „Kann es sein, dass er von seinen Klassenkameraden geschlagen wurde?“ Mein Vater sah mich mahnend an. Die Mutter schluchzte. „Vielleicht ist er deswegen weggerannt?“ Mein Vater zischte mir ein: „Halt deinen vorlauten Mund!“, zu. Ich hielt also den Mund. Schließlich waren wir im Restaurant angekommen. Ich brachte keinen Bissen herunter. Bis etwa neun Uhr saß ich da. Auf einmal ein wehleidiges Schreien von draußen, dass außer mir wohl keinen interessierte. Ich stand auf. „Ich geh einen Spaziergang machen.“ „Lass dir nicht zu viel Zeit.“, antwortete der Herr. Mein Vater sah mich an und zischte mir im Vorbeigehen ein: „Du setzt dein Erbe auf’s Spiel!“, zu. Ich verließ die Gaststätte und ging die Straße hinab. Ein Klappern aus einer Gasse. Ein blechernes Geräusch und jemand stolperte heraus. Eine schwarze Katze rannte heraus, als ich umgenietet wurde, von etwas, das auf mich drauf fiel. „Tut mir Leid!“, rief die Person sofort und sprang auf. Ich blickte ihn schief an. „Lou?“ „Andy!“ Ich rappelte mich auf. „Was machst du hier?“ „Essen suchen.“, murmelte er verlegen. Ich seufzte, ehe ich ihn umarmte. Er stand erst nur da, bis er ebenfalls die Umarmung erwiderte. „Deine Eltern sitzen im Lokal.“ Er versuchte sich aus meinen Armen zu winden. „Ich gehe da nicht rein!“, sagte er und machte einen Schritt zurück, wandte sich ab, ehe ich ihn am Arm packte. „Bitte. Bitte komm mit.“ Er blieb stehen und sah mich seltsam an, irgendwie traurig aus seinen dunklen Augen. „So kann ich ihnen nicht unter die Augen treten…“ „Doch. Das ist doch überhaupt nicht schlimm…“ „Aber ich schäme mich so.“ „Sie werden sich freuen… deine Mutter hat die ganze Zeit geweint.“ Er senkte den Blick, ehe er mich wieder umarmte. Mir wurde warm um mein Herz und ich musste lächeln, als er leise schluchzte. „Lou…“ Er antwortete nicht. „Hey… komm schon.“ Wir standen einige Minuten lang so da, bis er sich beruhigt hatte. Er blickte zu mir auf und bewegte stumm die Lippen. „Wie bitte?“, fragte ich. Er senkte den Blick. „Sag schon…“ Ich beugte mich hinab, an seine Lippen, so dass sie kurz vor meinem Ohr waren. Er flüsterte leise. „Du bist so nett zu mir. Das hab ich gar nicht verdient.“ Ich musste leise lachen. „Doch… doch, wirklich.“ Er schniefte und wandte den Blick ab. „Nein.“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!“ „Nein, verdammt!“ „Doch!“ „Kapierst du es nicht?!“ „Was denn?“ Er war errötet. Warum eigentlich? „Andrew, du bist so dumm!“ „Hey!“ „Du checkst es einfach nicht! Ich…“ Die folgenden Worte veränderten mein Leben. „Verdammt nochmal Andy, ich liebe dich!“ Ich sah ihn eine Weile lang an, ohne wirklich zu wissen, was ich tun sollte. Ich zog ihn zu mir heran, legte die Arme um ihn. „Tut mir Leid, dass ich’s zu spät bemerkt hab.“, meinte ich und lächelte schief. Ich blickte zu ihm hinab und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Du weißt doch, ich komm’ immer zu spät.“ Mein Herz schlug auf einmal schneller. „Soll das heißen, du liebst mich auch?“, fragte Lou leise. Ich lächelte. „Na komm schon, wir gehen…“, sage ich und lege einen Arm um ihn. Er sah zu mir auf. Seine Augen leuchteten bernsteinfarben im fahlen Licht der Straßenlaterne. „Und du denkst wirklich, dass es nicht schlimm ist?“ „Ja.“ Louis lächelte und senkte den Blick. „Dann sag ich jetzt meinen Eltern Hallo.“ Es war ein ganz gewöhnlicher Oktobernachmittag an dem ich in der schwarzen Limousine saß und mal wieder von einem Restaurant nach Hause gefahren wurde. Es war ein Geschäftsessen meines Vaters, bei dem ich natürlich unbedingt dabei sein musste. Ich war elf zu dieser Zeit und fuhr mit einer anderen Unternehmerfamilie. Die Mutter und der Vater des anderen Jungen, der mit in der Limousine fuhren unterhielten sich angeregt mit meinem Vater, der nur gepflegt lächelte und nickte. Ich ging herüber zu dem anderen Jungen, der auf der Bank saß. Er sah aus dem Fenster. Schließlich setzte ich mich neben ihn und lächelte. „Wie heißt du?“ „Louis.“ Er sah zu mir und lächelte. „Und du?“ „Andrew. Wollen wir uns morgen treffen?“ „Klar!“ Er lachte fröhlich, aber leise. Die Limousine hält. „Bis Morgen, Louis!“ „Bis dann, Andrew! Ich komm auch ganz bestimmt vorbei!“ ____________________________________ Für Psy. Nur für Psy! Hab dich lieb – deine Jenn! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)