Rastlos von Hachiko-chan (Shibuyas Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Es war ein lauer Frühlingstag mit wolkenlosem Himmel und angenehm warme Sonnenstrahlen erhellten das Land. Die Vögel zwitscherten versteckt in den Ästen der hohen Bäume, zu deren Füßen die ersten Blumen ihre Blüten schon geöffnet hatten und den grünen Wiesen so einige bunte Farbflecken schenkten. Inmitten dieser idyllischen Waldlichtung lag eine kleine, unscheinbare Holzhütte. Die Sonnenstrahlen fielen durch die Fenster und direkt auf die Augen eines Mannes, der gerade aufgewacht war und verschlafen blinzelte. Er sah sich mit halbgeöffneten Augen um. Er befand sich in einem großen Raum, welcher nur spärlich eingerichtet war. Insgesamt gab es nur zwei Stühle einen Tisch, auf dem vielerlei , ihm unbekannte Gegenstände, lagen, und eine einzelne Kommode. Das wenige Mobiliar schien alt und abgenutzt. Aber wo war er? Und warum war er hier? Plötzliche Kopfschmerzen beendeten seinen Gedankengang. Er wollte sich mit der Hand an den schmerzenden Hinterkopf fassen, konnte aber seinen Arm nicht bewegen. Überrascht von dieser Tatsache sah er an sie herunter und erschrak. Er war gefesselt. Seine Arme, Beine und sein Oberkörper waren mit dicken Seilen an einem Stuhl festgebunden. Angst machte sich in ihm breit. Warum war er gefesselt? Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Schließlich war er doch nur ein gewöhnlicher, reisender Händler und ohne großes Vermögen. Hektisch sah sich um. Vielleicht könnte er irgendwas entdecken, dass ihm zur Flucht verhelfen konnte. Ein scharfer Gegenstand oder ähnliches. Nur machten ihm die aufsteigende Angst und der schmerzende Kopf nicht gerade leicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Und so bemerkte er nicht, dass sich die Tür von der Hütte geöffnet hatte und eine Person eingetreten war. “Na, mein kleines Karnickel, bist du wieder wach?”, fragte sie, während sie die Tür hinter sich schloss. Erschrocken wandte der Mann sich von seiner Suche ab und sich stattdessen der Gestalt zu, die ihn gerade angesprochen hatte. Wer war das? Freund oder Feind? Und was meinte sie mit “Karnickel”? Er musterte sie mit Argwohn. Mit einem geschätzten Abstand von fünf Metern stand eine große, schlanke Frau vor ihm. Ihr lilafarbenes Haar war etwa Schulterlang und ein verschmitztes Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht. Ein kalter Schauer lief ihm über dem Rücken, als sein Blick den ihrigen traf. Stechende Augen, in denen ein seltsamer Ausdruck lag. Der Mann hatte eine schlechte Vorahnung. Eine ganz schlechte Vorahnung. In diesen Augen lag nichts gutes und er wusste, dass diese Frau gefährlich war. // So, dass ist also der Prolog. In den nächsten Kapiteln wird es sich vor allem um Gifte drehen. Mein Proplem ist nun, dass ich nicht weiß, in wie weit ihr euch für solche medizinischen Aspekte interessiert. Deshalb meine Frage an die Leserschaft: Wie detailliert wollt ihr es haben? Ich hatte vor, es so zu schreiben, dass es auch für einen Laien verständlich wird (was aber bedeutet, das es ausführlich wird). Wenn ihr jetzt allerdings sagt, das euch sowas nicht interessiert, möchte ich euch damit nicht langweilen. Danke fürs Lesen^^ // Kapitel 2: Vorbereitungen ------------------------- Keine Antwort. Na, wenn der Typ keine Lust zum Reden hatte, konnte man auch nichts machen. Die junge Frau wandte den Blick von dem ihr gegenüber sitzenden Mann ab uns schlenderte seelenruhig auf den Tisch zu, wo sie auf einem der beiden Stühle Platz nahm. Ihr Name war Shibuya Tatsumi. Sie war ein sogenannten Nuke-Nin, eine kriminelle Person, mit einer düsteren Vergangenheit und wahrscheinlich einer ebenso düsteren Zukunft. Aber sie hatte keine Lust, diese Informationen ihrem Gast mitzuteilen, denn zum einen ging einem Fremden ihr Leben nichts an und zum anderen interessierte sie sich ja auch nicht für das seinige. So saß sie nun vor dem Tisch und streckte ihren Arm aus, um einen dort stehenden Gegenstand zu ergreifen. Ein weißer Becher mit einer dunklen Flüssigkeit, der als ein Geschenk für den Unbekannten gedacht war. Das Präsent selber hatte sie vorbereitet, als der Mann noch fest geschlafen hatte. Der Anblick des Getränkes ließ ihr Herz vor Vorfreude schneller schlagen und zauberte ein verzücktes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie erhob sich mit dem Becher in der linken Hand von ihrem Sitzplatz und steuerte direkt auf ihr Ziel zu, nämlich ihrem Gast. Dieser hatte alles wortlos und nachdenklich mitverfolgt, und er war ganz und gar nicht erfreut, als er sah, dass sie sich ihm näherte. “Sieh mal, Hasi, ich habe hier ein kleines Geschenk für dich.”, sagte Shibuya mit zynischer Stimme. Unterdessen stellte sie sich links neben dem Mann und legte ihr rechte Hand sanft auf dessen Haupt. Sie hatte nicht die Absicht, eine Antwort abzuwarten, sonder fuhr gleich fort: “Nachdem ich dich betäubt hatte, bist du etwas unglücklich hingefallen und hast seitdem eine kleine Beule am Kopf. Nichts schlimmes, dass kann ich dir garantieren, aber ich gehe davon aus, dass du jetzt leichte Kopfschmerzen hast. Und weißt du, was das Beste ist?”. Gehässig lächelnd hob sie ihre linke Hand hoch, so dass er den Becher mit seinem Inhalt gut sehen konnte. “Diese Medizin hier kann dich von deinen Schmerzen befreien!”. Der Unbekannte hörte ihr stumm zu und beäugte misstrauisch den Inhalt des Bechers. Es war eine braune Flüssigkeit, von der ein unangenehmer, penetranter Geruch ausging. In Folge dessen rümpfte er die Nase und wandte seinen Kopf ab. Widerlich. So etwas soll seine Beschwerden lindern? Und überhaupt, was meinte sie mit “nachdem ich dich betäubt hatte“? Er fühlte sich verarscht. So wie er die Situation momentan einschätzte, hatte sie ihn entführt, weshalb auch immer, und jetzt machte sie sich lustig über ihn. Aber eines war ihm klar: Das hier war definitiv kein ihm bekanntes Mittel gegen Schmerzen und so würde er es auch auf gar keinen Fall freiwillig zu sich nehmen. Und genau das sagte er ihr auch, ohne ihr dabei in die Augen zu sehen. “Ich werde dieses Gebräu nicht trinken. Da musst du dir schon einen anderen Dummen suchen, der dir deine Lügengeschichten abkauft. Denn das da ist nie und nimmer eine Medizin.” Seine Stimme war am Anfang seiner kurzen Rede leise und zittrig, wurde aber zum Ende hin lauter und bestimmter. Er fand sein Selbstvertrauen wieder. “Wir können uns gerne über derartige Dinge unterhalten, nachdem du mich losgebunden hast. Es kommt mir zumindest seltsam vor, dass du mich für ein simples Schmerzmittel an einem Stuhl fesselst. Findest du nicht auch?”. Er drehte seinen Kopf, um mit der Angesprochenen einen Augenkontakt herzustellen. Und er sah Zorn. Ihre Augen blitzten vor Wut und ihr Lächeln war einer wütenden Grimasse gewichen. Aber er hatte nicht viel Zeit um sie zu betrachten, denn kurz nachdem sich ihre Blicke getroffen hatten, wurde sein Schädel plötzlich unsanft nach hinten gerissen, so dass er den Kopf nun im Nacken hatte. Die Ursache hierfür war Shibuyas rechte Hand, die nicht mehr auf seinem Haupt lag, sondern sich jetzt auf seinem Gesicht befand und dieses mit einem festen Griff nach hinten drückte, wobei sie ihm gleichzeitig die Nase zuhielt. So war der Mann gezwungen, seinen Mund zu öffnen, wenn er nicht ersticken wollte. Und genau dies tat er auch. Sofort setzte Shibuya ihm den Becher an den Mund an und flösste ihm die Flüssigkeit ein. Letztendlich war es ihr egal, ob der Mann es freiwillig trank oder nicht. Sie hatte es lediglich zur Abwechslung mal auf eine freundliche Art und Weise versucht. Aber wie dankte er es ihr? Mit Frechheit und Aufmüpfigkeit! Als der Becher leer war, lockerte sie ihren Griff und ließ ihn los. “Siehst du, Hasi? Du kannst dich mir nicht widersetzen!” Süffisant lächelnd musterte sie ihr Opfer. Dieses wurde gerade von einem starken Hustenreiz heimgesucht, verursacht durch den Sauerstoffmangel und dem brennend scharfen Geschmack des Getränkes. Zusätzlich bildeten sich kleine Schweißperlen auf der Stirn, was ebenfalls auf das Getränk zurückzuführen war. “Oh? Geht es dir nicht gut? Hast du vielleicht ein Brennen im Hals?” Der Klang ihrer Stimme war gehässig. “Mach dir nicht daraus, mein kleines Karnickel. Du weißt doch sicherlich, dass gute Medizin immer bitter schmeckt. Und ich garantiere dir, dass du nach diesem genussvollen Erlebnis nie wieder Schmerzen haben wirst. Denn Tote haben keine Schmerzen!”. Den letzten Satz raunte sie ihm ins Ohr, woraufhin er erschauderte. In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass sie ihn zweifelsfrei töten wollte. Viele Gedanken schwirrten durch seinen Kopf. Was hatte er da geschluckt? War es ein Gift? Warum machte sie das? Mit schwacher Stimme erkundigte er sich über die Flüssigkeit. “Was war das?”, war das einzige, was wissen wollte. Das Gesicht der Frau hellte sich auf. Da war doch tatsächlich jemand, der sich scheinbar für Gifte interessierte! “Coniin.” entgegnete sie sogleich, “Das Gift des gefleckten Schierlings. Alle Teile der Pflanzen enthalten diesen Giftstoff, doch besonders reichhaltig ist er in den Samen enthalten….”. “Warum?” Der Mann unterbrach sie in ihrem Redefluss. “Warum machst du das?”. Augenblicklich verfinsterte sich Shibuyas Mine wieder und langsam bereute sie ihre Giftwahl. Eines, das die Wahrnehmung stark beeinträchtigt, wäre für ihn besser geeignet gewesen. Dann wäre er nämlich nicht mehr in der Lage solch überflüssigen Fragen zu stellen. Sie seufzte tief. Das Problem war nur, dass sie für ihre Arbeit gerade ein Opfer brauchte, welches auf der einen Seite bei klarem Bewusstsein war und auf der anderen Seite relativ schnell starb, sich also nicht tagelang in Todesqualen windet. Deshalb hatte sie sich letztendlich für das Coniin entschieden, da es alle gewünschten Eigenschaften erfüllte. Also musste sie eine andere Methode finden, um jenes neugierige Individuum erstmal still zu bekommen oder ihm zumindest ein respektvolleres Verhalten ihr gegenüber lehren. “Hör mal her, Hasi, meine Beweggründe gehen dich nicht im Geringsten was an. Aber ich will dir jetzt einen Deal vorschlagen. Nämlich folgendes: Ich werde dir gleich einige einfache Fragen stellen, die du mir brav beantworten wirst. Wenn du das zu meiner Zufriedenheit gemacht hast, werde ich dich von deinen Fesseln befreien, so wie du es dir vorhin gewünscht hast. Als zusätzlichen Anreiz werde ich ein Gegengift da drüben auf die Kommode stellen.”, sie zeigte mit dem Zeigefinger auf den gemeinten Punkt. “Du könntest es dir dann holen, es trinken und alles ist wieder in Ordnung. Verstanden?”. Ihre Augen betrachteten ihn mit einer gewissen Neugier. Sie wartete kurz ab und da er nicht gleich antwortete, wollte sie dem ein bisschen nachhelfen. So kramte sie aus einer schwarzen Umhängetasche, welche sie bei sich trug, eine kleine Phiole mit einem rötlichen Inhalt heraus. “Das hier ist das Antidot (=Gegengift).” erklärte sie ihm, während sie es vor seine Augen hielt und ihm so die Möglichkeit gab, einen kurzen Blick darauf zu erhaschen. Anschließend ging sie zu der Kommode und stellte das Gegengift dort ab. “Mein Anteil wäre hiermit erledigt. Wie du siehst, habe ich nicht vor, dir das Gegengift vorzuenthalten. Komm mir jetzt aber nicht auf die Idee, einen Beweis für die Wirkung zu verlangen! Entweder du glaubst mir oder du lässt es.” Sie legte eine kurze Pause ein ehe sie vorfuhr. “Wie sieht es aus? Können wir uns einig werden?”. Der Vergiftete hatte alles schweigend und verwundert mitverfolgt. Er war sehr überrascht. Mit einer derartigen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Sie schien es ernst zu meinen und doch hatte er ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Denn es ergab alles keinen Sinn. Wieso wollte sie ihn auf einmal frei lassen? Er bezweifelte, dass seine Worten sie zum Umdenken gebracht haben. Es musste etwas anderes sein. Aber egal was der Grund für ihr Handeln war, es schien zurzeit der einzige Weg zu sein, um hier raus zukommen. Denn solange sie da war, hatte er keine Chance, ungesehen fliehen zu können. Ihm blieb also nichts anderes übrig als seine ganze Hoffnung in ihre Ehrlichkeit zu stecken und den Handel mit ihr einzugehen. “Mir bleibt ja wohl keine andere Wahl als dem Deal zuzustimmen. Bitte, fang schnell an, mir läuft die Zeit davon.” Die Ungeduld prägte seine Stimme. Denn er wusste nicht, wie lange das Gift ihn noch am Leben ließ. “Keine Sorge, Hasi, du wirst die Befragung definitiv überleben!”. Shibuya war sichtlich erfreut. Es lief alles nach Plan. Und so ging sie zufrieden grinsend zu dem Tisch, setzte sich dort auf einen der beiden Stühle und entnahm ihrer Tasche einen Notizblock, zusammen mit einem Stift. “Dann wollen wir mal anfangen. Hast du dem Tod schon mal ins Auge geblickt?”, fragte sie als erstes “Nein.”, seine Antwort war kurz und knapp und so stellte Shibuya die nächste Frage: “Musstest du schon mit ansehen, wie ein Mensch oder ein Tier ums Leben gekommen ist?”, “Nein, so etwas habe ich noch niemals gesehen.”, entgegnete er der Frage. “Hast du dich jemals mit dem Tod beschäftigt?”, wollte sie als danach wissen. “Nein, oder eher gesagt habe ich mich bis eben noch nie damit befasst!”, erwiderte er leicht genervt. “Und? Hast du Angst davor?”, erkundigte sie sich, während sie sich zeitgleich Notizen auf ihrem Block machte. “Natürlich habe ich Angst! Was ist denn das für eine Frage? Jeder hat doch wohl Angst davor!”, er klang gereizt. “Ja, ja. Hast du Familie oder Freunde, die dir hinterher trauern würden?”, winkte sie desinteressiert ab. “Was soll das? Wieso beziehen sich alle Fragen nur auf meinen Tod? Ha! Jetzt verstehe ich! Du hattest nie vor mich freizulassen!”, seine Stimme bebte vor Zorn. “Ein simples ja oder nein würde mir vollkommen ausreichen.”, war das einzige, was er als Antwort erhielt. Die Wut kochte in ihm hoch. Wut und Enttäuschung, dass sie scheinbar nicht in der Lage war, einen fairen Handel zu schließen und ihn wahrscheinlich um jeden Preis töten würde. “Ja, verdammt noch mal! Ich habe sowohl eine Familie als auch gute Freunde! Und ich bezweifle ernsthaft, dass eine Person wie du die Bedeutung derartiger Begriffe überhaupt kennt!”, schrie er sie wütend an, “Meine Bekanntschaften gehen dich rein gar nichts an. Oder hast du etwa vor, sie auch alle umzubringen?”. Ein plötzlicher Schmerz ließ ihn stocken und er schrie vor Pein auf. Erschrocken musste er bemerken, dass die Frau sich nicht mehr sitzend an dem Tisch befand, sondern ihm nun direkt gegenüber stand. Sie hatte ihm einen spitzen Kunai in den Oberarm gerammt und das dunkelrote Blut floss in feinen Verästelungen seinen Arm hinunter. Ihre Bewegungen waren zu schnell für ihn gewesen, so dass er ihr mit den Augen nicht hatte folgen können. Sie musste eine Ninja sein. Zumindest konnte er sich ihre Geschwindigkeit anders nicht erklären. Seine Hoffnung, aus dieser Sache noch lebend herauszukommen, sank drastisch. Denn sich unbemerkt an einem Ninja heraus zu schleichen war für ihn unmöglich. “Sind dir deine vorlauten Sprüche im Halse stecken geblieben, oder warum bist du auf einmal so still?”. Höhnisch sah sie ihm in die verängstigten Augen. “Du warst vorhin doch noch so schön damit beschäftigt, mir gehörig auf die Nerven zu gehen. Aber das lasse ich mir nicht länger bieten, du Ratte!”. Wütend zog sie das Kunai aus seinem Oberarm raus und rammte es ihn sogleich mit voller Wucht in die Schulter, direkt unter das Schlüsselbein. Das Blut spritzte aus der Wunde und befleckte die Klamotten der beiden. Der gepeinigte Mann schrie vor Schmerz auf. Shibuya genoss den Anblick. Ein schreiendes, blutendes Opfer, dem langsam die Tränen in die Augen stiegen. Und das Beste daran war ihrer Meinung nach die Tatsache, dass er ihr vollkommen hilflos ausgeliefert war. Also konnte sie ihm hemmungslos alle Flausen aus dem Kopf treiben. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem fiesen Lächeln. Der Gedanke gefiel ihr. Sehr sogar. Deshalb nahm sie ein weiteres Kunai aus ihrer Tasche, für die bis dahin noch leere Hand und war bereit, weiter auf ihn einzustechen und sich an seinen Leiden zu ergötzen. Ein kleines, total verängstigtes, wimmerndes Wesen. “Bitte, bitte lass mich gehen.”, kam es sehr leise und flehend von ihm. Es brauchte eine Weile, bis diese Worte die gerade geistig abwesende Frau erreichten. Sie erschrak. Da hatte sie sich doch tatsächlich von ihrem Zorn leiten lassen und ihr Ziel aus den Augen verloren. Sie zog das Kunai aus seiner Schulter und betrachtete die Verletzung. Diese war zwar tief, aber nicht gefährlich. Das beruhigte sie. Denn für ihren Plan brauchte sie ein lebendes und freies Opfer, kein totes und gefesseltes. Sie konnte nun mir ihren Untersuchungen beginnen, da die Vorbereitungen abgeschlossen waren. //Hier sind ein paar kleine Anmerkungen von mir: 1)Das Gift im Becher ist eine Anspielung auf den sogenannten “Schierlingsbecher”, welcher ebenfalls aus dem gefleckten Schierling basierte. Es wurde von den alten Griechen zur Hinrichrichtung von zum Tode verurteilter Personen verwendet. 2)Die meisten Gifte beeinflussen das Bewusstsein und verursachen Glücksgefühle, Halluzinationen oder völlig Entspannung, weshalb man sie, unter anderem, in geringen Mengen (und somit nicht tödlich) für die Herstellung von Drogen verwendet. Des weiteren hoffe ich, das euch das Kapitel gefallen hat und bedanke mich an alle, die dies hier lesen^^ // Kapitel 3: Forschung -------------------- Mit schnellen Bewegungen kappte sie lieblos seine Fesseln, so dass der Mann noch weitere, allerdings weniger tiefe Schnittwunden erhielt. Nun war er frei. Zumindest von den Fesseln. Er konnte es nicht fassen und deshalb sah er sie verängstigt an. Wollte sie ihn tatsächlich laufen lassen? Bis eben dachte er noch, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Aber er wagte nicht, sie danach zu fragen. Zu groß war seine Angst, dass diese Frau wieder ausrasten würde und wer weiß, vielleicht würde sie ihn bei ihren nächsten Wutausbruch wirklich töten. Ihn brutal und eiskalt abstechen. Er schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, dadurch jene Gedanken verdrängen zu können. Jetzt war er frei und das war alles, was in dem Moment zählte. Wenn da nur nicht diese stechenden Schmerzen in seinem Arm wären. Er versuchte sich so gut es ging zusammenzureißen und nutzte seinen ungefesselten Zustand um aufzustehen. Er wollte so schnell es ging weg von diesem Ort, aber zuerst musste er sich das Gegengift holen, welches auf der Kommode platziert war. Das mysteriöse an der Sache war nur, dass er trotz der Vergiftung keine Beschwerden hatte. War das Mittel, welches sie ihm eingeflösst hatte, am Ende gar kein Gift gewesen? Seine einzigen körperlichen Probleme waren eine leichte Übelkeit und Schweißbildung, aber derartige Empfindungen waren bei Nervosität oder auch Angst normal. Trotz der Zweifel hatte er vor, das Gegengift zu sich zu nehmen. Sicher war sicher. Er erhob sich aus seinem Stuhl und stand nun aufrecht da. Sein Blick war direkt auf das Zielobjekt gerichtet und er wollte darauf hinzugehen, jedoch gelang es ihm nicht, sein Bein anzuheben, um einen Schritt nach vorn zu machen. Stattdessen geriet er ins Straucheln und fiel kopfüber auf den Boden. Der Mann versuchte noch den Sturz mit seinen Armen abzudämpfen, aber mit den tiefen Schnittwunden wurde es sehr schmerzhaft für ihn und er schrie kurz vor Pein auf. Sofort versuche er wieder aufzustehen, allerdings schaffte er es einfach nicht mehr, seine Beine zu bewegen. Panik kam in ihm auf. Warum gehorchten ihm seine Beine nicht? Mit Hilfe des unverletzten Armes richtete er sich ein kleines Stückchen auf, um die Problemzone betrachten konnte. Gefesselt war er nicht mehr, so viel war sicher. Auch die Schnittwunden sahen für ihn nicht sehr tief aus, obwohl sie sehr stark bluteten. Viel zu stark für eine solche Wunde. Was ging hier nur vor sich? Ein höhnisches Gelächter riss ihn aus seinen Gedanken. Es kam von der jungen Frau, die sich köstlich über ihn amüsierte. “Hättest du mich vorhin nicht unterbrochen, wüsstest du jetzt, was mit dir los ist und auch, das ich dich von Anfang an nur verarscht habe. Was denkst du denn, warum ich dir vorgeschlagen habe, dich von den Fesseln zu befreien? Na? Natürlich habe ich es dir nur angeboten, weil ich genau wusste, dass du nicht weit hoppeln könntest, mein Hasi!”. Laut lachte sie auf. Sie hatte ihren Spaß, was der Mann nicht von sich behaupten konnte. Dieser sah sie voller Entsetzen an. Er war die ganze Zeit über nur ihr Spielball. “Och, guck doch nicht so traurig, Hasi. Weil du es bist, werde ich es dir erneut erzählen “ Dabei streckte sie ihren Zeigefinger belehrend in die Luft. “Kurz gesagt: Coniin lähmt den Körper. Genauer gesagt bewirkt es eine von den Füßen her aufsteigende Lähmung, die sich über dem Rumpf auf die Arme fortsetzt. Todesursache ist Atemlähmung, oder anders ausgedrückt: Du wirst ersticken. Und weißt du, was an diesem Gift das Beste ist? Dadurch, dass das Coniin eine aufsteigende Wirkung hat, weißt du zu jeder Zeit, wie weit es schon in deinem Körper vorgedrungen ist und somit natürlich auch, wie weit es noch von deiner Lunge entfernt ist. Folglich spürst den Tod in dir hoch krabbeln und kannst dadurch deinen Todeszeitpunkt ungefähr einschätzen.” Die Erklärung lieferte sie ihm bereitwillig. Denn einerseits sprach sie gerne über Gifte und andererseits fand sie die Reaktion des Vergifteten interessant. Dieser war geschockt, genau so wie sie es erwartet hatte, und er musterte seine Beine mit einem anglichen Blick. Ein aufsteigendes Gift? Es musste in seinem Körper schon weit vorangekommen sein, da seine Beine komplett taub waren. Was wiederum bedeutete, dass es schon relativ nah an seiner Lunge war und er somit nah an seinem Tod. Das einzige, was das Gift noch aufhalten konnte, war ein Gegengift, und dieses hatte die Frau vor einiger Zeit auf die Kommode gestellt. Seine Gedanken drehten sich nur noch um diese kleine Glasflasche, von der momentan sein Überleben abhing. Mit Hilfe seiner Arme, und somit unter starken Schmerzen, zog er seinen Körper vorwärts und robbte so über dem Boden entlang. Mühsam näherte er sich seinem Ziel, dem er sich nur langsam näherte. Dort angekommen, streckte er seinen Arm in die Richtung der lebensrettenden Flüssigkeit, welche im Sonnenlicht rubinrot glitzerte. Doch bevor seine Finger die Phiole berühren konnten, verschwand diese plötzlich vor seinen Augen. Denn Shibuya hatte sich wieder mit einer übermenschlichen Geschwindigkeit bewegt und vor dem Mann die Glasflasche an sich genommen. “Hey, ich hatte dir gesagt, dass du das Gegengift nur bekommst, wenn du mir alle meine Fragen brav beantwortest. Und genau das hast du nicht getan!”. Sie öffnete die Phiole und kippte diese zusammen mit ihrer Hand um, so dass Inhalt auf den Boden floss und dort eine kleine Lache bildete. “Na los, leck es auf!” zischte sie boshaft, “Du hängst doch so am Leben.”. Ihr letzter Satz steckte voller Zynismus und verletzte den Mann psychisch. Es stimmte, er wollte weiterleben, aber warum musste sie sich darüber lustig machen? Sein Lebenswille war so stark, dass er sich tatsächlich über die Pfütze beugte und versuchte, die wenigen, noch nicht vom Boden aufgesogenen Tropfen, aufzulecken. Währenddessen ging Shibuya zum Tisch, holte ihren Notizblock und den Stift und hockte sich dann mit einem geringen Abstand vor ihr Opfer hin. Sie machte einen kleinen Vermerk auf ihren Zettel: `..Wie sich herausgestellt hat, hat der Proband sehr große Angst vor dem Tod. Er hat sich noch nie mit eben solchem auseinandergesetzt und wie es schon wissenschaftlich bewiesen worden ist, haben Menschen, welche ohne jegliche Vorwarnung mit einem nahenden Ende konfrontiert werden, mehr Angst davor, als solche, die sich damit schon beschäftigt haben, sei es aus persönlichen oder familiären Gründen. Augenscheinlich ist er bereit alles zu machen, um seinem drohenden Tod zu entfliehen und somit sein Leben zu retten. Selbst Erniedrigungen lassen ihn davor nicht zurückschrecken…´ und blickte kurz zu dem Mann auf, der immer noch damit beschäftigt war, den Boden abzulecken. Dann schrieb sie weiter: `..In seiner Unkenntnis über Gifte nimmt er alles, was ihm erzählt wird, für wahr und kommt nicht mal im Ansatz auf die Idee, die gegebenen Informationen zu hinterfragen. Wie er wohl reagieren wird, wenn er erfährt, dass das Mittel, welches ihm als Gegengift genannt und gegeben wurde, gar keines ist?´ Die Neugierde funkelte in ihren Augen, als sie den Stift absetzte und sich erneut ihrem Opfer zuwandte. Sie hatte schon eine leise Ahnung, wie seine Reaktion ausfallen wird. Schließlich hatte sie in den letzten Monaten mehrere dieser Tests durchgeführt und anhand der Ergebnisse eine gewisse Regelmäßigkeit im Verhalten der Testpersonen ausgemacht. Ihr jetziges Opfer diente eigentlich nur dazu, um zu überprüfen, ob die von ihr geschlossenen Erkenntnisse richtig und repräsentativ waren. “Hasi, hör mal her, ich hab dir was Wichtiges zu sagen. In der Phiole befand sich kein Antidot, sondern nur gewöhnlicher Rotwein, welcher allerdings keinen Einfluss auf das Gift ausübt.” erklärte sie ihm mit gleichgültiger Stimme und fuhr gleich fort: “Das musst du dir jetzt allerdings nicht als Anlass nehmen, um mit deiner Tätigkeit aufzuhören. Dank deiner eifrigen Zunge glänzt der Boden nämlich gerade wie frisch poliert! Aber du solltest aber aufpassen, wo du dein hinblutest, denn damit machst du ja deine ganze Arbeit zunichte.” Die stichelnden Bemerkungen hatte sie sich einfach nicht verkneifen können. Dazu machte es ihr viel zu viel Spaß, andere zu ärgern. Der Mann seinerseits hielt sofort inne, als er die Wahrheit hörte. Sie hatte ihn also die ganze Zeit über nur an der Nase herumgeführt. “Kein Gegengift?”. Seine Stimme war schwach und kaum hörbar. “Wo… wo ist das… richtige Gegengift?”. Er fing an zu stottern, weil er befürchtete, dass sie ihn erneut angreifen würde. Aber sie grinste ihn nur frech an. “Hab- Ich- Nicht!” Provokativ sprach Shibuya alle Wörter langsam und stark betont aus. Anschließend musterte sie ihn. Ihre Worte zeigten eine deutliche Wirkung bei ihm. Seine Augen hatten sich geweitet und seine Haut ist aschfahl geworden. Er war geschockt. Seine ganze Sehnsucht hatte sich auf diese einzelne Phiole gerichtet, deren Inhalt ihn von seinen Leiden erlösen und vor dem Tod hätten retten sollen. Aber die Glasflasche war kaputt, ihr Inhalt versiegt und nicht echt. Dadurch war seine letzte Hoffnung zerstört, doch noch lebendig davonzukommen. Tränen tropften aus seinen Augen und fielen auf dem Boden. Er war verzweifelt Zu allem Überfluss machte sich auch noch ein Taubheitsgefühl in seinen Armen breit und es dauerte nicht mehr lange, bis er zusammenbrach. Die Lähmung hatte von dem Armen besitz ergriffen und so konnte er sich nicht mehr länger mit ihrer Hilfe vom Boden hochdrücken. “Du bist mir vielleicht ein faules Versuchskaninchen! Die meisten anderen hatten wenigstens noch versucht, mit ihrer letzten verbliebenen Kraft zur Tür zu kriechen, um dann draußen um Hilfe zu rufen.” Ihre Stimme klang abfällig, denn sie war von dem ihr gebotenem Schauspiel gelangweilt. Und da jetzt auch die Arme des Mannes bewegungsunfähig waren, konnte er ihr auch nichts mehr bieten. Deshalb entschied sie sich, noch einen letzten Versuch mit ihm durchzuführen, bevor er starb. Sie nahm aus ihrer Tasche erneut eine Glasflasche, diesmal allerdings mit einer durchsichtigen Flüssigkeit und näherte sich ihrem hilflos am Boden liegenden Opfer. Dort angekommen, träufelte sie ihm ein bisschen davon auf seine Hand, welche ausgestreckt vor ihr lag und die der Mann gut im Sichtfeld hatte. Die Säure ätzte sich in seine Haut hinein und legte die darunter liegenden Knochen frei. Das Blut floss dabei stark aus der Wunde und bildete unter der Hand schnell eine hellrote Lache. Bei diesem Anblick entfuhr dem Mann ein greller Schmerzensschrei. Shibuya lächelte nur. Das Verhalten Des Probanden faszinierte sie. Denn obwohl er aufgrund der Lähmung seiner Nerven gar nicht mehr in der Lage war, Schmerzen zu spüren, schrie er trotzdem auf. War es vielleicht wegen Ekel vor der Wunde? Oder ein Schock? Oder etwa, weil er dachte, dass da Schmerzen sein müssten und er sich diese dann einfach nur einbildet? Auf jeden Fall war es eine sehr interessante Angelegenheit, die nach einer Nachforschung verlangte. Aber nicht jetzt. Dazu hatte sie im Moment gar keine Zeit. Jetzt musste sie erstmal ihr Manuskript fertig stellen, damit sie es am morgigen Tag bei dem Verleger abgeben konnte. Sie stand vom Boden auf und ging zum Tisch zurück, wo sie es sich auf einem der Stühle gemütlich machte und sich einen befundenen Stapel Blätter vom Tisch runter nahm. Dies war ihr Manuskript, welches sie noch überarbeiten musste. Ihr Interesse an dem Mann war nun erloschen, denn er hatte seine Aufgabe erfüllt. Es war alles genauso verlaufen, wie sie es mit ihrer Studie vorhergesehen hatte: Anfängliches Desinteresse an Giften; gefolgt von einem Sinneswandel, als er merkte, das sein Körper nicht mehr so wollte wie er sollte; die panische Angst; das unüberlegte und Kopflose Verhalten, womit er sich selbst eine Flucht unmöglich gemacht hat; und sich schließlich an die letzte Hoffnung zu klammern ,ohne selber mal den Kopf zu benutzen um einen alternativen Ausweg zu finden. Der letzte Punkt überraschte sie immer wieder aufs Neue. Warum können diese Leute nicht logisch denken? Es lief doch jedes Mal gleich ab: Sie nahm den Probanden die Fesseln ab, diese stürzten auf den Boden, da ihre Beine gelähmt waren und krochen anschließend immer auf das angebliche Gegengift zu. Anstatt mal nachzudenken und sich eventuell mit einem der Arme ein künstliches Erbrechen auszulösen, um so einen Teil des Giftes schnellstmöglich aus dem Körper heraus zu bekommen. Denn dann wäre weniger Toxin im Körper, dieses würde sich daher langsamer im Körper ausbreiten und…. Mit einem abfälligen Blick sah sie zum Mann rüber, der sie mit seinem plötzlichen, stark keuchenden Atem in ihren Gedankengang gestört hatte. Seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen und er schnappte laut und scheinbar verzweifelt nach Luft. Es dauerte nicht lange und er wurde ruhig. Der Mann war jetzt tot. ”Na, endlich ist er wieder ruhig!”, sprach Shibuya genervt und wandte sich erneut ihrem Manuskript zu. Am nächsten Morgen ging sie gleich zu ihrem Verleger, nachdem sie die Leiche samt Holzhütte verbrannt hatte, um alle Spuren zu beseitigen. Es war ein genauso sonniger Tag wie der gestrige und ihr langes blondes Haar glänzte wie flüssiges Gold im Schein der Sonnenstrahlen. Schüchtern und zurückhaltend lächelnd ging sie durch die Straßen der kleinen Stadt, bis sie vor einer kleinen Bücherhandlung stehen blieb. Hier hatte sie sich mit ihrem Verleger verabredet. Sie blickte über den Rand ihrer Brille durch das Glasfenster des Ladens und sah, dass er drinnen schon auf sie wartete. Aber auch ihm war nicht entgangen, dass sie schon da war und so eilte er zur Tür, um diese für sie zu öffnen und sie hereinzubitten. “Guten Morgen, Frau Susumu”, grüßte er sie herzlich, “Sie sehen wie immer hinreißend aus. Kommen sie doch rein.” Die junge Frau erwiderte die Begrüßung mit einer tiefen Verbeugung und folgte der Aufforderung des Mannes. Sie betrat das Geschäft und ging mit ihm zu einem Schreibtisch, an denen sich die beiden so hinsetzten, dass sie einander in die Augen sehen konnten. “Nun denn, dürfte ich einen Blick in ihr Manuskript werfen, wehrte Frau Susumu?”, fragte er sie mit freundlicher Stimme. “Aber natürlich, Herr Yukawa.”, erwiderte sie sogleich und schob ihm dabei das begehrte Objekt rüber. “Es handelt über das Verhalten der Menschen, welche gezwungen sind, sich mit einem baldigen Tod auseinander zu setzen. Oder in einem Wort gesagt: Es handelt von der menschlichen Todesangst. Wie sie wissen, habe ich als Ärztin häufig mit dem Tod zu tun und dieses ist sehr belastend für mich. Aber es hilft mir ungemein, wenn ich meine Erlebnisse aufschreiben kann. Dabei sind mir gewisse Verhaltensmuster aufgefallen, die ich weiter untersucht habe und schließlich mit dieser wissenschaftliche Studie beende.”. Der Verleger hatte ihr ruhig zugehört und währenddessen das Manuskript kurz durchgeblättert. “Exzellente Arbeit, wie immer, verehrte Frau Susumu. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer ihnen ihre Arbeit von Zeit zu Zeit fallen muss. Aber sie machen das ja hauptsächlich, um den Menschen zu helfen. Ach ja, so gutherzige und seriöse Menschen wie sie sind selten geworden. Bei den meisten Leuten wäre ich misstrauisch, wenn sie mir ein solches Skript vorlegen würden. Denn ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es schwarze Schafe unter den Forschern gibt, die hierfür über Leichen gehen würden.”. Er schüttelte verständnislos den Kopf. “Herr Yukawa, dürfte ich wohl kurz ihre Toilette aufsuchen?”. Die junge Frau stellte diese Frage mit einer lieblichen und engelsgleichen Stimme. “Aber natürlich. Warten sie, ich zeige ihnen den Weg.” Er schritt voran und sie folgte ihm. Am Ziel angekommen, trennten sich ihre Wege und sie betrat den kleinen Waschraum. Vor dem Spiegel blieb sie stehen und berührte mit der einen Hand ihr Spiegelbild. Hübsches Gesicht, smaragdfarbene Augen hinter einer kleinen Brille und sehr lange blonde Haare. So sah sie aus: Yoko Susumu, alias Shibuya Tatsumi. Da Shibuya eine Ninja war, konnte sie mit Hilfe des Henge-no-Jutsu (=Kunst der Verwandlung) ihre optische Erscheinung ändern und sich so für jemand anderes ausgeben. Sie nutzte diese Fähigkeit, um ihre selbst geschriebenen Bücher zu publizieren und auf diesen Weg auch mal auf legale Weise Geld zu verdienen. Denn für einen leidenschaftlichen Forscher, wie sie einer war, war es eine große Ehre, die eigenen Forschungsergebnisse zu veröffentlichen und bei guter Arbeit internationale Anerkennung und Ansehen unter etablierten Forschern zu gewinnen. Natürlich war sie nicht so dumm und veröffentlichte Schriften über ihre eigenen Gifte oder Gegengifte. Wissen über ihre Waffen hielt sie geheim, genauso wie ihre wahre Identität. Denn als gesuchte Mörderin konnte sie nicht einfach so in eine Buchhandlung marschieren und sagen, dass sie gerne ihre neuesten Erkenntnisse über Foltern veröffentliche möchte. Damit würde sie sich nur selbst in Gefahr bringen und überhaupt, wer will schon die Werke eines Killers lesen? Deshalb musste sie sich, vor einigen Jahren, allein für diesen Zweck eine zweite Identität zulegen. Einen Künstlernamen hatte sie sich damals auch schnell ausgedacht: Yoko Susumu, denn dies klang nett und seriös. Das größere Problem stellte für sie das Aussehen dar. Es musste schließlich eine Person werden, der man solche treu-doofen Lügengeschichten wie der, die sie ihrem Verleger erzählt hatte, abnehmen würde. Des Weiteren musste sie vertrauenswürdig und sympathisch wirken. An solche Eigenschaften denkend, hatte sie damals die Kunst der Verwandlung angewendet und dabei unbewusst die Gestalt ihrer besten Freundin, Shizui, angenommen. Zuerst gefiel Shibuya der Gedanke nicht, dass Gesicht ihrer Freundin zu missbrauchen, aber nach einigen Überlegungen hatte sie sich schließlich doch dafür entschieden. Deshalb stellte sie sich vor, wie ihre beste Freundin wohl im Erwachsenenalter aussehen würde, denn sie kannte Shizui nur als Kind. Lange, blonde Haare, häufig zu einem Zopf zusammengebunden; schüchterne grüne Augen; eine kleine Brille, welche sie nur beim Lesen trug: Das alles waren ihre Merkmale. Nach diesem Vorbild erschuf Shibuya eine erwachsene Shizui. Denn die wahre Shizui hatte nie die Volljährigkeit erreicht, sondern ist im Alter von 13 Jahren verstorben. Shibuya betrachte kurz ihr Spiegelbild und zerschlug es anschließend mit der Faust. Die Erinnerungen hatte die Wut in ihr aufkochen lassen. Wut auf sich selber, weil sie damals nicht zugegen war und Wut auf die anderen, weil sie für Shizuis Tod verantwortlich waren. Denn ihre beste Freundin ist damals in den Selbstmord getrieben worden. //Anmerkung zum Coniin: 1) Dieses Gift hat kaum Nebenwirkungen und die wenigen äußern sich mit Schwindel, starkes schwitzen, leichte Übelkeit und leichte Sehstörungen. 2) Es verdünnt das Blut. Das hat zur Folge, dass das Blut ein paar Nuancen heller wird und sich die Wunden sehr viel langsamer schließen. Als letztes möchte ich noch sagen, dass ich in den nächsten Wochen keine neuen Kapitel hochladen werde. Der Grund dafür ist meine Vordiplomsprüfung, die in einigen Wochen ansteht und für die ich noch sehr viel lernen muss. Deshalb habe ich mich mit diesem Kapitel auch sehr beeilt, um es noch vor meinem Lernbeginn fertig zu stellen.^^ // Kapitel 4: Begegnungen ---------------------- Das kleine Dorf lag friedlich unter dem strahlend blauen Himmel, an dem nur hin und wieder eine kleine Wolke vorbeizog. Ein leichter Wind wehte durch die Blätter der Bäume und durch das saftig grüne Gras der Wiesen in der Ortschaft. Im Zentrum des Dorfes stand eine große Windmühle, deren Flügel sich langsam und gemächlich in den leichten Briesen bewegten. Die restlichen Gebäude waren scheinbar willkürlich um das zentrale Objekt herum aufgebaut worden. Die Häuser waren niedrig gebaut und bestanden alle aus dem Baustoff Holz. Ein kleiner Bach plätscherte mitten durch die Ortschaft und so gab es mehrere Brücken, die der trockenen Überquerung dienten und das Landschaftsbild schmückten. Die Kinder nutzten das freundliche Wetter, um draußen zu spielen. Da es viele größere Grünflächen gab, hatten sie viel Platz für sich und so hörte man überall das fröhliche Lachen von ihnen, wo sie sich in kleinen Gruppen herum tollten. An einer kleinen Wiese, an deren einen Rand große Kastanien wuchsen, standen drei Kinder und sahen zu einem vierten Kind, welches direkt auf sie zulief. Dieses war ein kleines Mädchen mit sehr langem blondem Harren, die zu zwei Zöpfen gebunden waren und im Wind wehten. Sie beeilte sich, zu ihren Freunden zu gelangen, als sie plötzlich stolperte und der Länge nach hinfiel. Die drei Beobachter brachen in schallendes Gelächter aus. “Ha, seht! Die Transuse ist schon wieder hingefallen”, rief ein kleiner, braunhaariger Junge amüsiert und deutete mit seinen Finger auf die gemeinte Person. “Die ist doch wirklich für alles zu blöd. Kann die überhaupt etwas richtig machen?”, pflichtete ihm ein weiterer Junge bei, der sich neben dem ersten stellte. Er hatte mittellange, schwarze Harre, die zu einem lockeren Zopf zusammengebunden waren. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er genervt war und er musterte das gestürzte Mädchen. Diese stand gerade wieder auf, während sie sich den Schmutz von ihrem Kleid wischte. Als sie den Dreck weitestgehend entfernt hatte, blickte sie die beiden Jungen lächelnd an und rief fröhlich: “Mir ist nichts passiert.”. Die Augenbrauen des Dunkelhaarigen verengten sich. “Verdammt, Shizui, uns ist es total egal, wie es dir geht. Sag lieber Mal, was die Brötchen machen, die du uns mitbringen solltest.”, keifte er sie gereizt an. Bevor diese antworten konnte, rannte ein rothaariges Mädchen zu ihr. Sie hatte sich zuvor hinter den beiden Jungs versteckt und wollte jetzt nach dem Essen gucken, welches Shizui in einer Tasche bei sich trug. Bei dem Zielobjekt ankommen, öffnete sie die Tüte und warf einen kurzen Blick hinein. “IIhhh, die sind ja alle Matsch! Die dumme Kuh ist darauf gefallen.”, kreischte sie entsetzt, bevor sie das blonde Mädchen neben ihr giftig anfunkelte. “Das wirst du büssen! Ich will Ersatz!”. In der Zwischenzeit waren ihre beiden Freunde hinter ihr getreten. Sie nickten zustimmend. “Akai hat Recht. Du wirst uns entschädigen müssen.” Der braunhaarige Junge sah Shizui böse grinsend an. Diese betrachtete die drei ängstlich. Sie wollte keinen Ärger und war geschockt zusammengezuckt, als sie die letzte Bemerkung gehört hatte. Traurig über ihre eigene Unfähigkeit starrte auf das Gras, um den anderen nicht in die Augen blicken zu müssen, als sie sich plötzlich an etwas wichtiges erinnerte. Sofort steckte sie ihre Hand in die Seitentasche ihres Kleides und fischte ein helles, rundes Objekt heraus. Sie musterte es gründlich und war erleichtert. Die Glaskugel, die ihr ihre Eltern vor ein paar Tagen geschenkt hatten und die sie immer als Glücksbringer bei sich trug, hatte den Sturz heil überstanden. Aber auch die anderen Kinder betrachteten sie neugierig. “Hey, was ist das? Gib her, das nehmen wir als Entschädigung!” rief der Junge, der ebensolches zuvor gefordert hatte, und griff nach dem Glas. Er schaffte es aber nicht, die Kugel auch nur berühren, da Shizui sie schnell weggezogen hatte. “Sie ist mir sehr wichtig und deshalb möchte ich sie nicht hergeben.”. Ihre Stimme war leise und verschüchtert. Sie hatte Angst, dass ihre Kontrahenten dies als Provokation auffassen könnten. “Oho, unser Prinzesschen entwickelt einen eigen Willen.”, bemerkte der Schwarzhaarige abfällig und warf ihr dabei einen verachtenden Blick zu. Belustigt sah er mit an, wie sich seine beiden Freunde auf das blonde Mädchen stürzten, um ihr das Objekt der Begierde zu entreißen. Der Junge hatte vor, sie festzuhalten, während das Mädchen sie lieber zu Boden bringen wollte. In dem so entstandenen Gerangel verlor Shizui das Gleichgewicht und fiel erneut hin. Dabei glitt ihr die Kugel aus der Hand. Sie fiel herunter, traf hart auf einen kleinen Stein, welcher versteckt im Gras lag und zersprang mit einem lauten Klirren in viele einzelne Scherben. “Och nö, jetzt hat das Trampeltier sie kaputt gemacht.”. Akai schrie frustriert auf und stampfte voller Wut stampfte mit den Füßen auf dem Boden. “Reg dich ab, Kleines.” Der braunhaarige Junge legte seine Hand auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen. “Da kann man nichts machen, sie ist halt einfach zu blöd. Was hast du denn auch erwartet? Doch nicht etwa, dass unser Blondie mal etwas richtig macht, oder?” Er lachte laut auf. “Naja, wir werden es ihr schon noch beibringen. Sie sollte uns dankbar sein, dass wir uns überhaupt Zeit für sie nehmen und ihr beibringen, wie sich so gewöhnliche Menschen, wie sie einer ist, sich gegenüber unsereins, den talentierten Nachwuchs Ninjas, verhalten soll!” Er ging ein paar Schritte auf sie zu und bespuckte sie. “Du musst uns gehorchen. Das ist dein Schicksal, du bes…”. Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Eine Hand hatte ihm am Kracken gepackt und ihn in die Luft gehoben. Durch den festen Griff verengte sich seine Kleidung um den Hals herum so sehr, dass der Junge Schwierigkeiten hatte, Luft zu holen. Keuchend und mit einem erschrockenen Ausdruck in den Augen sah er seinen Angreifer an. Auch seine beiden Freunde betrachteten das groß gewachsene Mädchen nicht minder überrascht. Die drei hatten sie nicht kommen sehen, da sie zu sehr auf Shizui konzentriert waren und ihre Umgebung außer Acht gelassen hatten. “Die Gifthexe.”, flüsterte der schwarzhaarige Junge leise, während sich Akai verängstigt hinter ihm versteckte. Die als “Gifthexe” bezeichnete Person funkelte ihr Opfer zornig an. “Und wenn du nicht bald deine Klappe hältst und endlich aufhörst, mir gehörig auf die Nerven zu gehen, dann wird es dein Schicksal sein, hier und jetzt zu sterben!”. Mit der freien Hand zog sie ein Kunai aus der Waffentasche, welche an ihrem Bein befestigt war, und hielt es dem nach Luft ringenden Jungen an den Hals. “Ein schneller, tiefer Schnitt in die Schlagader, dein Blut wird aus deinem Hals schießen, ein paar gurgelnde Laute von dir geben und unter starken Schmerzen verenden.” Sie lächelte böse, während sie ihm dieses Todesszenario beschrieb. Als Dank erntete sie panische Blicke von den Kindern. Verschüchtert meldete sich das kleine rothaarige Mädchen zu Wort. “Shibuya, es.. es tut uns Leid… wirklich”. Beim Reden vermied sie es tunlichst, der Angesprochenen direkt in die Augen zu sehen und starrte stattdessen auf ihre eigenen Füße. Deshalb sah sich auch die Gefahr nicht kommen und konnte ihr nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Denn Shibuya hatte den braunhaarigen Jungen ruckartig zu den beiden Kindern geworfen, nachdem sie kurz zuvor ihr Kunai wieder eingesteckt. Dieser kollidierte mit seiner jungen Freundin und rieß sie mit sich zu Boden. “Da hast du ihn wieder. Und nun verschwindet von hier!”, zischte sie die drei an. Und jene taten, wie ihnen geheißen: Sie machten auf den Absatz kehrt und liefen so schnell sie nur konnten davon. Der als Wurfgeschoss missbrauchte Junge wollte zwar noch etwas sagen, nämlich seine Empörung über die Respektlose Behandlung ihm gegenüber kundtun, aber die beiden anderen hielten ihm schnell den Mund zu, um ihn daran zu hindern. “Sei bloß still, du Esel.”, flüsterte der Schwarzhaarige seinem Kumpel leise ins Ohr. “ Mit der ist nicht zu spaßen.” Er sagte dies, weil er Angst vor Shibuya hatte, so wie die meisten Kinder im Dorf. Denn sie war berühmt berüchtigt wegen ihrer Leidenschaft für Gifte. Es kursierten sogar Gerüchte umher, wonach dieses Mädchen schon mehrere unliebsame Personen damit aus dem Weg geräumt hätte. Für diese Vermutungen gab es zwar keine Beweise, aber es schürte die Angst, vor allem bei den kleinen Kindern, da sie sich mit dem Thema nicht wirklich auskannten und sich daher als Leichte Beute sahen. Shibuya ihrerseits war zufrieden, als sie sah, dass die Nervensägen verschwanden. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Denn eigentlich war sie nur hier, weil sie bei dem schönen Wetter nicht im Haus hocken wollte, sondern sich stattdessen eine frische Briese um die Nase wehen lassen. Deshalb hatte sie sich spontan entschieden, ein stilles Plätzchen im Grünen aufzusuchen, um dort in Ruhe ihre Lehrbücher zu lesen. Bei einem großen Kastanienbaum, der in der Nähe des Spielplatz der Kinder lag, hatte sie sich niedergelassen und in Ruhe gelernt, bis dann irgendwann diese lärmende Horde von Kleinkindern aufgetaucht war. Ab dem Momentan war es vorbei mit der Stille und vor allem mit ihrer Konzentration. Erbost darüber hatte sie ihre Lektüre beiseite gelegt, ist zu den Bälgern gegangen und hatte ihr Recht auf Ruhe eingefordert. Aber jetzt war ihre Stimmung zu gereizt und daher war an eine Fortsetzung ihrer Studien nicht zu denken. Seufzend drehte sie sich um. Da hatte sie sich doch tatsächlich ihre gute Laune verderben lassen. Ihr Blick fiel auf das kleine, blonde Mädchen, das noch immer auf dem Boden lag und damit beschäftigt war, die einzelnen Scherben der Glaskugel aufzusammeln, in der Hoffnung, sie wieder zusammensetzen zu können. Ab und zu hielt sie kurz inne in ihrem Handeln und wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht, die ihr an den Wangen entlangliefen. Shibuya hockte sich dicht neben ihr hin und schaute ihr direkt in die traurigen, leuchtend grünen Augen. Sie wusste, was passiert war, denn sie hatte unfreiwillig alles mit angehört. Aus irgendeinem Grund hatte sie Mitleid mit ihr. Dieses Gefühl war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb sie ihr Portemonnaie aus der Tasche kramte und einen Geldschein daraus entnahm. Danach ergriff sie eine der beiden Hände des blonden Mädchens, öffnete diese, legte den Geldschein in die Handfläche und schloss die Hand wieder. “Davon kannst du dir eine neue kaufen.”. Shibuyas Stimme klang sanft und weich. “Halt dich in Zukunft besser fern von solchen Idioten. Die sind kein Umgang für dich.” Sie stand au, kehrte der Kleinen den Rücken zu und ging zu dem Baum, unter dem sie einige Zeit zuvor gelegen hatte, um dort ihr Buch einzusammeln. Shizui hatte alles wortlos und neugierig mitverfolgt. Es war das erste Mal seit längerem, dass jemand in ihrem Alter sie so freundlich behandelt hat. Selig begutachtete sie den Schein zwischen ihren Fingern, als ihr plötzlich einfiel, dass sie vergessen hatte, sich zu bedanken. Sie stand schnell auf und wollte Shibuya hinterherlaufen, aber als sie in die Richtung sah, in der das lilahaarige Mädchen gegangen war, erblickte sie nur eine leere Wiese und einzelne Bäume. Enttäuscht blieb Shizui stehen. Sie war zu langsam gewesen. Aber ihr kam eine rettende Idee: Sie würde ihre Eltern fragen, ob sie wussten wo diese Shibuya wohnt und dann könnte sie sie persönlich aufsuchen, um sich doch noch zu bedanken. Mit diesen Gedanken machte Shizui kehrt und ging fröhlich summend nach Hause. //So, endlich geht es weiter. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Isamenot und Goodgirl244 für die netten Glückwünsche zur Prüfung bedanken. Vielen Dank euch beiden! Zu dem Kapitel möchte ich anmerken, dass Shibuya und Shizui sich hier zum ersten Mal treffen und sich daher noch absolut fremd sind. Außerdem ist jetzt raus, dass Shibuya schon immer fies war^^. PS: Ich hoffe, dass man drei Kleinkinder einigermaßen auseinander halten kann und sie nicht zu sehr verwirren (da auch nur eine von ihnen einen Namen hat). // Kapitel 5: Freundschaft ----------------------- Mit weit geöffnetem Mund stand Shizui staunend vor dem großen Gebäudekomplex, der sich vor ihr erstreckte. Direkt vor ihr standen zwei Häuser, das linke war weiß und das rechte rot, die durch einen Glasgang miteinander verbunden waren. Das rechte war der Wohnsitz der Familie Tatsumi, während das Linke eine Arztpraxis barg. In dieser arbeitete hauptsächlich Frau Tatsumi und kümmerte sich somit vor allem um kleinere Verletzungen und die ärztliche Beratung der Patienten. Ihr Gatte leitete hingegen das Krankenhaus, welches einige Meter hinter der Praxis stand. Wenn es allerdings zu Notfällen oder Engpässen kam, weil die Anzahl der Patienten ungewöhnlich stark war, wie zum Beispiel bei Epidemien, waren die Eheleute auch in der Lage, dem jeweils anderen unter die Arme zu greifen. Auch die einzige Tochter kannte sich sehr gut in der Medizin aus und war daher fähig, ihren Eltern zu helfen. Sie hatte nämlich schon im sehr jungen Alter großes Interessen an den Tätigkeiten ihrer Eltern gezeigt und ihnen bei der Arbeit gerne über die Schulter geschaut. Des Weiteren hatte sie leichten Zugang zu den medizinischen Fachbüchern und konnte sich so leicht weiterbilden. Das blonde Mädchen legte die restlichen Schritte zurück, die sie von der Eingangstür trennten, und klopfte sachte an. All diese Informationen hatte sie von ihrer Mutter erhalten, denn diese war im Gegensatz zu ihr hier im Dorf aufgewachsen. Shizui selber fühlte sich noch immer fremd in der Gegend und trauerte ab und zu im Stillen ihrer alten Heimat hinterher, was sie sich äußerlich jedoch nie anmerken ließ. Seitdem sie umgezogen war, fühlte sie sich schrecklich einsam, denn sie hatte all ihre Freunde zurücklassen müssen und hier kannte sie kaum jemanden. Auch fiel es ihr sehr schwer, neue Beziehungen zu knüpfen, da vor allem die gleichaltrigen Kinder den Neuzugang misstrauisch gegenüber gestimmt waren. Gedankenverloren klopfte sie erneut an der Tür. Diesmal wurde sie erhört und es wurde ihr geöffnet. Eine weiß gekleidete Krankenschwester stand vor ihr und sah sie fragend an. “Guten Tag, ich heiße Shizui und wollte Shibuya besuchen.” Das kleine Mädchen verbeugte sich tief, während es sprach. Die Frau im Kittel antwortete mit einem höflichen Lächeln: “Oh, du bist also eine Freundin. Die Tochter des Hauses befindet sich oben in ihrem Zimmer. Wenn du möchtest, kann ich dich dort hinführen.” Es folgte ein Nicken Shizuis und die Dame in der Tür erfüllte ihr Versprechen. Während die Beiden in Richtung des gewünschten Raumes gingen, erzählte die Frau kurz ihrer Begleitung den Aufbau des Wohngebäudes; das sich in der ersten Etage die Schlafräume der Hausbesitzer, das Kinderzimmer und ein Badezimmer befanden, während die restlichen Räumlichkeiten im Erdgeschoss angesiedelt waren. An ihrem Ziel angekommen, verließ die Krankenschwester das Mädchen und ging wieder zurück, um ihrer eigentlichen Tätigkeit nachzugehen: Dem assistieren von Frau Tatsumi. Shizui stand nun alleine in einer völlig fremden Wohnung. Ihr war ein bisschen mulmig zumute, denn sie wusste nicht, wie Shibuya auf diesem Überraschungsbesuch reagieren würde. Einerseits wollte sich zwar unbedingt bedanken, andererseits hatte sie aber auch Angst, dass sie genauso angegriffen werden könnte wie der Junge von vorhin. Der Mut verließ sie langsam. Was sollte sie nur tun, wenn ihre Anwesenheit als Belästigung aufgefasst wird? Sie selber war doch nur ein gewöhnliches Mädchen, das in einer Konfrontation mit einem Ninja doch nicht mal den Hauch einer Chance hätte. Aber andererseits hatte dieser besagte Ninja sie vorhin ja auch nicht attackiert, sondern sich freundlich um sie gekümmert. Ob dies ein gutes Omen war? Shizui versuchte, an diesen Gedanken festzuhalten und klopfte entschlossen an. Ein sofortiges “Herein” kam als Antwort. Also drückte das blonde Mädchen die Klinke runter und öffnete langsam die Tür. Neugierig spähte sie in das Zimmer hinein. Vor ihr erschloss sich ein großes und geräumiges Zimmer, welches in einem kühlen, aber dennoch ruhigen Blau gehalten war. An den Wänden standen eine Vielzahl an Möbeln und Regalen, auf welchen sich haufenweise Bücher, kleine Schachteln, Gläser mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten und nicht näher zu definierende Behältnisse stapelten. Shizuis Blick fiel auf einen großen Schreibtisch, der sich direkt am Fenster und somit schräg gegenüber von dem Eingang des Raumes befand. Es war allerdings nicht die zum Teil aufgeschlagenen, sich dort türmenden Bücher, die ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken, sondern das lilahaarige Mädchen, das vor dem Tisch saß und auf ihrem Stuhl herumkippelte. Augenscheinlich war sie sich bis eben mit ihren Lektüren beschäftigt gewesen. Nun aber hatte sie sich davon abgewandt, ihren Oberkörper leicht gedreht und schaute, mit dem Kopf auf der Schulter gelehnt, ihrem Gast entgegen. Mit Besuch hatte sie eigentlich nicht gerechnet und schon gar nicht mit jener Person. Die einzigen, die regelmäßig bei ihr vorbeischauten, waren ihre Eltern, die aber zurzeit ihrer Arbeit nachgingen und daher aus dem Kreis der möglichen Personen ausschieden. Ansonsten wurde sie noch ab und zu von ihren Lehrern oder einigen Kameraden aus der Ninja Akademie besucht, aber das war auch ein eher seltenes Phänomenen. Und Freunde, die mal vorbeikamen, hatte sie nicht. Die Überraschung war ihr deshalb deutlich ins Gesicht geschrieben. Denn da stand keiner der möglichen Kandidaten, sondern das kleine Mädchen, welches sie am Vormittag zum ersten Mal getroffen hatte. Fragend musterte Shibuya sie. Shizui war inzwischen in den Raum eingetreten und sah nun den richtigen Moment gekommen, um ihr Anliegen vorzutragen. “Guten Tag, ich, also, ähem…, mein Name ist Shizui und ich .. eh,… wollte mich für deine Hilfe vorhin bedanken. Als Dank habe ich dir ein kleines Geschenk mitgebracht.” In ihrer Unsicherheit begann sie zu stottern, fing sich am Ende ihrer Rede aber wieder. Mit einem schüchternen Lächeln streckte sie der Angesprochenen den aus Holz geflochtenen Korb entgegen, den sie die ganze Zeit in der linken Hand getragen hatte. Sein Inhalt wurde kritisch beäug, wobei Shibuyas Blick an den Blumen hängen blieb und sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen verengten. “Willst du mich umbringen oder bist du einfach nur dumm?” “Äh, wie?” Erschrocken war Shizui zusammengezuckt. Eine starke Verunsicherung breitete sich in ihr aus, denn sie wusste überhaupt nicht, was gemeint und was sie dementsprechend falsch gemacht hatte. Wieso sollte sie jemand des geplanten Mordes verdächtigen? Sahen ihre selbstgebackenen Kekse, die zusammen mit den Blumen in dem Korb lagen, etwa gefährlich aus? Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Geschenke mitzubringen. Das könnte aufdringlich wirken. Oder aber sie war zu einem absolut unpassenden Zeitpunkt hereingeplatzt und hätte sich vorher anmelden sollen. Aber was hatte das alles mit einem Mord zu tun? In ihrem Kopf schwirrten die verschiedensten Gedanken und diese Verwirrung war dem kleinen Mädchen deutlich anzusehen. Sie spielte nervös mit ihren langen Haaren und starrte krampfhaft auf den ihre Mitbringsel, so als sie dort eine Antwort zu finden erhoffte. Ein leises Kichern durchbrach die plötzlich die Stille. Shibuya war amüsiert über dem ihr gebotenem Schauspiel. Jetzt war ihr die Antwort klar, denn die Körpersprache des Mädchens war eindeutig: Es war Unwissenheit. Sie hörte auf, mit ihrem Stuhl herumzukippeln, stand auf und stellte sich vor ihrem Gast hin. “Tja, du scheinst mich nicht so ganz zu verstehen, nicht wahr, Shizui? Ich werde es dir erklären, also hör mir gut zu.“ Mit dem Zeigefinger deutete sie auf die gelben Blüten, ohne diese jedoch zu berühren und fuhr unbekümmert fort zu sprechen. “Die Blümchen, von denen du wahrscheinlich noch nicht mal weißt, wie sie heißen und sie sie wohl nur gepflückt hast, weil dir ihr äußeres Erscheinungsbild sehr gut gefiel, sind sehr, sehr giftig. Das Gift kann sogar durch die heile Haut in den Körper eindringen und benötigt daher keinen Kontakt mit Blut, wie es bei den meisten Toxinen der Fall ist. Deshalb ist diese Pflanze, die übrigens den schönen Namen ‘gelber Oleander’ trägt, sehr gefährlich. Deshalb würde niemand, der um die trügerische Schönheit des gelben Oleander weiß, ihn jemals mit bloßen Händen pflücken, so wie du es getan hast. Aber dadurch konnte ich wenigstens dein Geschenk gleich als Dummheit entlarven. Und wenn du dich fragst, woher ich weiß, wie du die Blüten gepflückt hast, rate ich du nur eines: Schau auf deine Hände. Sie sind rot und weisen leichte Brandwunden auf, was eine normale Abwehrreaktion des Körpers ist.” Sie stemmte ihre Hände in die Hüfte und setzte ein überlegenes Lächeln auf. Es machte ihr sichtbar Spaß, andere zu belehren und selber als allwissend zu erscheinen. “Ach ja, ich vergaß noch zu erwähnen, dass du die Kekse besser nicht mehr essen solltest. Schließlich sind sie mit dem Milchsaft der Pflanze in Berührung gekommen und deshalb jetzt hoch giftig.” Eigentlich könnte es Shibuya egal sein, ob die Kleine von den Plätzchen aß oder nicht. Das Problem war nur der Ort. Sie befanden sich direkt neben der Arztpraxis, genauer gesagt sogar im Haus einer Ärztefamilie und hier galten andere Regeln als anderswo. Denn wenn sich hier jemand in ihrem Beisein etwas antun sollte, war sie als angehender Medic-Nin dazu verpflichtet, erste Hilfe zu leisten. Denn wie würde es wohl auf andere wirken, wenn hier jemand direkt vor den Augen eines Arztes Suizid begeht und der Arzt nur Däumchen drehend daneben steht ohne einzuschreiten? Das lilahaarige Mädchen seufzte tief auf. Sie kannte ihre Verantwortung nur zu gut und was sie momentan wurmte, war die Tatsache, dass diese Shizui aufgrund der Berührung mit der Pflanze schon definitiv eine geringe Menge des Toxins im Körper hatte. Eigentlich war das relativ ungefährlich für einen Menschen, zumindest wäre es nicht letal, aber andererseits war sie noch ein Kind und hatte somit einen sehr viel empfindlicheren Körper als ein Erwachsner. Und die tödliche Dosis war nur für letztere bekannt. Ihrer Meinung nach war das Risiko, dass Shizui daran sterben würde, sehr gering, was aber, wenn sie falsch lag? Egal wie sie es drehte, es blieb ihr augenscheinlich nichts anderes übrig, als sich darum zu kümmern. Ein verächtlicher Laut kam Shibuya über die Lippen. Sie hatte dazu keine große Lust, und würde lieber weiter in ihren Bücher wälzen, nur blieb ihr nichts anderes übrig. Leicht genervt spazierte sie an dem vor Schock erbleichten blonden Mädchen vorbei in den Flur hinaus, gab ihr aber mit der Hand ein Zeichen, dass sie ihr folgen sollte. Diese kam der Aufforderung jedoch nicht gleich nach, da sie durch die vorhergegangenen Ereignisse zu verwirrt war, um das Winken richtig zu deuten. Erst als Shibuya von der Treppe aus nach ihr rief, verließ sie ebenfalls das Zimmer und lief ihr hinterher, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Es wäre Shizui nie in den Sinn gekommen, dass derartig schöne Dinge, wie eben die gelben Blüten, so gefährlich sein könnten, weshalb ihr jene Tatsache auch den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Sie selber war ein von Natur aus sehr hilfsbereiter Mensch und es schockierte sie, dass gerade ein solche positive Eigenschaft sich so schnell ins negative umkehren konnte. Denn sie hatte nur das Beste gewollt und fast das Schlimmste erreicht. Wenn sie das Geschenk jemand anderen überreicht hätte, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit sich nicht gut mit exotischen Giftpflanzen auskennt, hätte es dieser Person das Leben gekostet. Sie hätte jemanden töten können. Aus bloßer Naivität und Dummheit. Erst jetzt wurde ihr klar, wie schnell und plötzlich ein Leben doch enden kann. Eilig rannte sie der anderen hinterher. “Wa.. warte! Es tut mir leid. Das war keine Absicht, wirklich nicht!”” Wofür entschuldigst du dich? Mir ist doch gar nichts passiert. Und nun komm, du musst behandelt werden.” Shibuya drehte sich beim Sprechen nicht um, sondern ging unbeirrt ihren Weg fort. Die beiden Mädchen marschierten hintereinander durch den Glasgang, der die Gebäude miteinander verband und betraten den Eingangsraum der Praxis. Es war ein kleiner, lichtdurchfluteter Raum, der in einem sterilen weiß gehalten war. Zu ihrer linken Seite befand sich die richtige Eingangstür und zu ihrer Rechten stand ein riesiger Blumenstrauß auf einem Schreibtisch, der die Sicht auf die dort arbeitende Sekretärin verwehrte. Von diesem Raum gingen ein Flur und mehrere Zimmer ab, die man aber von dem momentanen Standpunkt der Mädchen aus nicht sehen konnte. Insgesamt gab es noch ein Wartezimmer, drei Behandlungsräume, ein Medikamentenlager und ein Forschungsraum, an dem ein Wintergarten angrenzte. Hier wurden einige wichtige Arzneipflanzen angebaut und zur Herstellung hauseigener Medikamente dienten. Mit schnellen Schritten trat Shibuya zur Sekretärin und erkundigte sich nach dem Aufenthalt ihrer eigenen Mutter. Nachdem sie die gewünschten Informationen erhalten hatte ging sie zusammen mit Shizui dort hin. Das blonde Mädchen ist nur kurz stehen geblieben, als sie die Praxis betreten hatte, und hatte sich neugierig umgesehen. Das lag daran, dass sie noch nie zuvor hier gewesen war und sie sich einfach für alles interessierte, was neu war. Nun aber folgte sie wieder brav ihrer Vorläuferin und die Zwei betraten kurz darauf das Forschungslabor, wo sich angeblich die Zielperson aufhalten sollte. Shibuya machte sich allerdings nicht mal die Mühe, nach ihrer Mutter zu suchen, sondern rief lauthals ihr Anliegen durch den ganzen Raum: “Mutter, ich brauche sofort die medizinische Kohle!” Sie wusste zwar ganz genau, wo sich das Objekt der Begierde befand, aber sie hatte keine Befugnis sich die Medikamente ohne Nachfrage zu nehmen, weshalb sie gezwungen war, ihre Mutter deswegen aufzusuchen. Genau diese trat nun aus dem Schatten eines großen Regals hervor und schaute ihre Tochter freundlich lächelnd an. Sie hatte sich schon längst an den ruppigen Umgangston ihres Kindes gewöhnt und ließ sich dadurch nicht die Laune verderben. “Eine Vergiftung? Haben wir einen Patienten oder hast du dich wieder deinem Hobby zu sehr hingegeben?” “Einen Patienten.” Shibuya knirschte leicht wütend. Anscheinend traute ihre Mutter ihr immer noch nicht einen sicheren Umgang mit gefährlichen Stoffen zu. Trotz all ihrer Bemühungen wurde sie immer noch wie ein kleines Kind behandelt und nicht wie eine erfahrene Medizinerin, so wie es sich das lilahaarige Mädchen sehnlichst wünschte. Sie verstand nur nicht, warum man sie trotzdem allein arbeiten ließ. Vielleicht vertrauten ihr ihre Eltern doch mehr, als sie es zugeben würden? Eigentlich müsste Shibuya nur einmal nachfragen, um eine Antwort zu erhalten, aber genau das tat sie nicht, denn sie hatte Angst, das es so aussieht, als wolle sie nur mehr Aufmerksamkeit von den Erwachsenen erhalten und deswegen unter Aufsicht und nicht mehr allein arbeiten. In der Zwischenzeit hatte sich Reika zu den beiden Kindern gesellt und musterte interessiert die unbekannte, blonde Person neben ihrer Tochter. Es war ungewöhnlich, das Shibuya zusammen mit einem Patienten herkam, denn normalerweise war die Sekretärin für so was eigentlich zuständig. Plötzlich huschte der Ärztin ein verzücktes Lächeln über das Gesicht. “Oh, du musst die kleine Freundin sein, von der meine Assistentin mir berichtet hat. Ich war schon gespannt, wann meine Shibuya dich mir vorstellen würde. Aber ich zugeben, das ich mir andere Umstände für unser erstes Treffen erhofft hatte.” Sie kniete sich nieder, um mit dem blonden Mädchen auf dieselbe Augenhöhe zu gelangen und blickte sie liebevoll und fragend an. ”Wie heißt du eigentlich?” “Sie heißt Shizui und hat ohne Schutz einen gelben Oleander gepflückt, wobei ihr der Milchsaft auf die Hand getropft ist. Also gibt die Kohle her und trödle nicht so rum! Du weißt doch, dass Kinder sehr sensibel auf so was reagieren!” Ungeduldig entriss Shibuya ihrer Mutter die Tabletten, die die Ärztin zuvor aus dem Regal entnommen und in der Hand gehalten hatte. Ihr stand nicht der Sinn nach langen Diskussionen und sie wollte die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Außerdem war ihr das Gerede äußerst ungenehm und sie wusste genau, worin es wieder enden würde. Es war doch immer dasselbe. Ihre Mutter wollte unbedingt, dass sie sich ein paar Freunde sucht und hing ihr ständig mit diesem Thema in den Ohren, so dass sie es langsam nicht mehr hören konnte. Denn angeblich bräuchte ein junges Mädchen eine beste Freundin oder einen besten Freund, bei der sie sich das Herz ausschütten könnte und außerdem sollten Freundschaften das Leben bereichern und so weiter. Und deshalb wurde sie auch häufig von ihrer Mutter aufgefordert, ihren Mitmenschen gegenüber doch ein weniger netter und offener zu sein, wofür Shibuya allerdings überhaupt kein Verständnis hegte. So machte sie sich wortkarg daran, die Medizin vorzubereiten, wobei jede ihrer Bewegungen neugierig von Shizui und prüfend von Reika verfolgt wurden. “Nimm dir ihre ablehnende Haltung nicht zu persönlich. Sie hat nur einfach Schwierigkeiten, anderen ihr Herz zu öffnen und versteckt sich lieber, indem sie niemanden an sich ran lässt und so immer eine Distanz bewahrt.” Die Ärztin strich dem blonden Mädchen sacht übers Haar und flüsterte ihr leise etwas ins Ohr, woraufhin diese mit dem Kopf nickend antwortete. “Tuschle nicht so rum, sonder trink das hier!” Ein weißer Plastikbecher erschien vor der Nase Shizuis. Neugierig schaute sie über den Rand des Bechers und begutachtete den Inhalt: Eine dunkle, zähflüssige Pampe. “Das sind aufgeweichte Kohletabletten. Die sehen vielleicht nicht sonderlich appetitlich aus, werden dir aber helfen. Also, trink es.” Der Ton von Shibuyas Stimme war sehr dominant und ließ sofort erkennen, dass sie keine Widerworte dulden würde. Und so ergab sich Shizui ihrem Schicksal und tat brav, wie es ihr befohlen worden war. Zwar verstand sie das Geschehen um sich herum überhaupt nicht, dennoch vertraute sie auf die Richtigkeit. Dies war einer ihrer wesentlichen Charakterzüge: Treu-doof alles glauben und machen, was von ihr verlangt wird. Eigentlich ist dies nichts negatives, aber sie hat schon sehr schlechte Erfahrungen deswegen gesammelt. Daher versuchte sie sich anzugewöhnen, ihren Mitmenschen weniger gutgläubig entgegenzutreten, was ihr allerdings nicht gelang. Die Ärztin ihrerseits sah ihre Tochter zufrieden an. Sie hatte in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und wusste auch schon, wie man kleinere Verletzungen behandelt, ohne vorher in einem Buch nachzuschlagen. Das war eine wichtige Fähigkeit für einen angehenden Arzt. Nur, was den Umgang mit den Patienten betraf, hatte sie noch einen riesigen Nachholbedarf. Aber diesen Punkt konnte sie auch noch nachher mit ihrem Kind besprechen; sie wollte sie nicht vor der Kundschaft kritisieren. Trotzdem meldete sie sich noch mal kurz zu Wort: “Wir sollten ihr der Vorsicht halber noch ein wenig Blut abnehmen, um..” ”Nein, keine Spritze! Bitte keine Spritze!” Shizui, die sich bisher still und zurückhaltend gezeigt hatte begann nervös an dem Ärmel der Ärztin zu rupfen. “Bitte, bitte keine Spritze!” In ihren grünen Augen spiegelte sich die nackte Angst. Normalerweise war es nicht ihre Art, jemandem beim Sprechen zu unterbrechen, aber ihre Angst vor dem kleinen, spitzen Gegenstand, der ihr das Blut entnehmen sollte, war einfach zu groß. Und so hatte sie ohne nachzudenken ihre Meinung geäußert, wobei sie all ihre guten Manieren auf einen Schlag über dem Haufen geworfen hatte. “Ist ja schon gut. Wenn du keine Spritze haben möchtest, dann bekommst du auch keine. Ich werde dich zu nichts zwingen, was du nicht willst.” Die sanfte Tonlage von Reika sorgte dafür, dass sich das kleine Mädchen ein wenig beruhigte. Durch jahrelange Erfahrung im Umgang mit Kindern, wusste die Ärztin, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten musste: Ruhig und verständnisvoll. Allerdings sah Shibuya das Ganze aus einem anderen Licht. Für sie war das trotzige Verhalten von sturen Patienten einfach nur nervig. Sie konnte es nicht leiden, wenn die Leute einerseits Hilfe erwarteten und sich andererseits der Hilfe verweigerten. Ein verächtliches Schnaufen entglitt ihrer Kehle. Trotzdem betrachtete sie gebannt das Geschehen, denn sie wollte wissen, was ihre Mutter wohl als Lösung für dieses Problem finden würde. So ruhten ihre lilanen Augen auf Reika; kalt, aber dennoch neugierig und sie weiteten sich schlagartig vor Entsetzen, als sie den Vorschlag vernahm. Eine Stunde später: Shibuya saß im Schneidersitz auf dem Boden ihres Zimmers. Vor ihr standen mehrere Porzellanschallen verschiedener Größen, fein säuberlich in zwei Reihen aufgestellt, so das sie alle bequem zu erreichbar waren, ohne dass sich das Mädchen verrenken musste, wenn sie dort etwas hineinlegte wollte. Zu ihrer Rechten lag ein immer kleiner werdendes Bündel an Pflanzen, von denen sie sich in regelmäßigen Abständen eine einzelne herauszupfte und diese dann systematisch zerlegte. Dabei pflückte sie zuerst die Laubblätter ab und legte diese dann in die dafür vorgesehene Schale hinein. Anschließend nahm sie die Blüte auseinander, indem sie sie in Kron-, Kelch-, Staubblätter aufteilte. Die Wurzel nahm sie sich als letztes vor. “Duhu, Shibuya? Ich habe jetzt ja verstanden, wie man die Blumen teilt, aber warum machen wir das eigentlich?” Die neugierige, helle Stimme durchbrach die Stille und ein paar smaragdgrüne Augen blinzelte die Angesprochene erwartungsfreudig an. Shizui hatte sichtlich Gefallen an der Situation gefunden. “Weil die einzelnen Organe einer Pflanze nun mal unterschiedliche Inhaltsstoffe haben oder diese zumindest in verschiedenen Konzentrationen auftreten. Was wiederum zur Folge hat, dass sich einige Teile für die Herstellung bestimmter Medikamente geeigneter sind als andere. Deshalb.” Die Antwort fiel recht knapp aus, für Shibuyas Verhältnisse. Denn normalerweise unterhielt sie sich sehr gerne über solche Themen und war immer hoch erfreut, wenn ihr jemand mit gespitzten Ohren lauschte, doch jetzt war sie noch leicht gereizt von dem Entschluss ihrer Mutter. Denn dank ihr kam sie sich gerade wie ein Babysitter vor. Nur weil dieses Kind, das ihr gegenüber saß, sich keine Spritze geben lassen wollte, ist sie dazu verdonnert worden, ein Auge auf den kleinen Patienten zu werfen, da sie über ein umfangreiches Wissen über Gifte verfügte und so mit ihrem geschulten Blick in der Lage war, die kleinste Änderung des Gesundheitszustandes zu bemerken. Zuerst war das lilahaarige Mädchen von dieser Idee nicht sonderlich angetan und hatte deshalb auch protestiert. Aber nach der anschließenden, längeren Diskussion mit ihrer Mutter hatte sie dann doch klein beigegeben und sich ihrem Schicksal ergeben. So hatte sie Shizui mit in ihr Zimmer genommen und versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Ihr ursprünglicher Plan sah vor, dass sie sich selbst in ihre Arbeit vertiefen würde, während Shizui brav und still daneben hocken sollte. Allerdings hatte sie der anderen davon nichts wissen lassen, was wahrscheinlich auch ihr Fehler gewesen war; denn diese fing schon nach kürzester Zeit an, interessiert Fragen zu stellen und nicht nur stumm zu zuschauen. Woraufhin Shibuya ihr eine kurze Einführung in die Pflanzenphysiologie gab und das blonde Mädchen anfing, die beobachteten Handgriffe zu imitieren und so ebenfalls Arbeit leistete. Die beiden Mädchen saßen somit gegenüber voneinander und unterhielten sich gelegentlich. Shibuya fand langsam immer mehr Gefallen an der Situation und ihre dunklen Augen leuchteten vor Freude auf, wenn sie sah, mit welch einer Bewunderung ihren Worten gelauscht wurde. Denn es war selten, dass sie einen Gesprächspartner hatte und wenn, dann waren es in der Regel entweder fachkundige Personen, wie etwa ihre Eltern, die kein großes Interesse an Dingen hatten, die sie selber schon in und auswendig kannten und daher nur halbherzig zuhörten; oder es waren Unkundige, die nicht gewillt waren, ihren Wissenshorizont zu erweitern. Aber Shizui war anders: Sie lauschte den Worten nicht nur aufmerksam, sondern schien das Gesagte auch zu verstehen, denn sie arbeitete mit einer immer sichrer werdenden Hand an den Pflanzen. Ein glückliches Lächeln erschien auf einmal auf dem Gesicht der Ärztetochter. So gut hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Vielleicht hatte ihre Mutter ja doch Recht mit dem, was sie ständig predigte. Zumindest schien es ihr so. Und der erste Schritt war getan, denn ein Entschluss ihrerseits ist gefasst wurden. Ja, sie hatte sich in diesem Augenblick vorgenommen, zu versuchen, ein bisschen freundlicher in der Gegenwart anderer zu sein. Oder zumindest bei Shizui. Bei diesem aufrichtigen und begeisterungsfähigen Mädchen, das ihr vom ersten Augenblick an das Herz geöffnet hatte. Ihrer ersten und besten Freundin. //So, es gibt noch einiges, das ich zu dem Kapitel erläutern möchte: 1)Schellenbaum = gelber Oleander. Diese Pflanze ist unter beiden Namen bekannt und wird in einigen Regionen auch als Selbstmörderbaum bezeichnet, da sie prozentual gesehen von allen Giftpflanzen am häufigsten für den Suizid verwendet wird. Todesursache ist Herzversagen. Weil der Schellenbaum allerdings in nur sehr wenigen Gebieten natürlich vorkommt (sehr viel öfter als Zierpflanze), ist sein Gift relativ unbekannt und ein Tod oder auch Mord wird daher häufig verkannt. Des Weiteren ist es so, dass Gifte bei kleinen Kindern sehr viel gefährlichere Auswirkungen haben als bei Erwachsenen. Die Ursachen hierfür sind unter anderem ein sehr viel schwächeres Immunsystem (ist bei Kindern noch in der Entwicklung), ein sehr viel kleinerer Körper (dadurch kann sich das Toxin schneller ausbreiten). Ich weiß nicht, ob jedem klar ist, was der Milchsaft einer Pflanze ist, weshalb ich dies hier noch kurz erläutern möchte. Milchsaft: eine weißliche bis gelbliche Flüssigkeit (die genaue Farbe hängt von der Art der Pflanze ab), die sich in der Sprossachse befindet und austritt, wenn die Pflanze verletzt wird. Er dient somit dem Wundverschluss. Beispiel: Löwenzahn. 2) Medizinische Kohle. Sie ist DAS Heilmittel gegen Vergiftungen, allerdings gilt auch hier: keine Regel ohne Ausnahmen! Auf einige Gifte sollte und darf man sie auf gar keinen(!) Fall anwenden, weil sie die Wirkung des Giftes verstärkt. Diese Ausnahmen sind hauptsächlich chemische Gifte. Medizinische Kohle wirkt im Körper ähnlich wie ein Schwamm und saugt das Gift auf (und wird auf natürlichem Wege ausgeschieden). Allerdings sollte sie nur bei schwachen Vergiftungen oder als erste Hilfe eingesetzt werden, da sie im Gegensatz zu einem Antidot nicht spezifisch wirkt. Sprich: ein Gegengift wirkt sehr viel effizienter und schneller, aber zu dessen Verwendung muss man erstmal das Gift kennen (was ja nicht unbedingt immer der Fall ist).// Kapitel 6: Warum..? ------------------- Es war noch früher Morgen und das Dorf schien noch nicht aus seinem Schlaf erwacht zu sein. Die ersten Sonnenstrahlen warfen die Ortschaft in ein warmes Licht und ließen zugleich das Herbstkleid der Bäume in ihren schönsten Farben erstrahlen. Noch konnte man keine Menschenseele auf den Straßen entdecken, und doch waren einige von ihnen schon auf den Beinen. In einer kleinen Familienbäckerei zum Beispiel wurde bereits fleißig gearbeitet. Die ersten Brötchen wollten schließlich gebacken werden und die Regale im Verkaufsraum mussten mit Waren aufgestockt werden. Mit letzterem war gerade die Tochter der Familie, Shizui, beschäftigt. Fleißig etikettierte sie die neu eingetroffenen Marmeladengläser und stellte sie zu den anderen in die entsprechenden Regale. Normalerweise ging ihr diese Arbeit leicht von der Hand und sie hatte Spaß dabei, aber momentan wirkte sie eher geistesabwesend und lustlos. Ihr Blick war leer und ihre Handgriffe mechanisch. Erst das plötzliche Geräusch von zerspringendem Glas holte sie aus ihren Tagträumen zurück. Mit einem Schlag war sie hellwach und schaute erschrocken auf dem Boden. Zu ihren Füßen breitete sich ein Meer aus Scherben und einer blutroten, geleeartigen Masse aus. Augenblicklich erstarrte das kleine Mädchen. Angst lähmte ihren Körper und verhinderte so, dass sie ihre Augen von dem Gesehenen abwenden konnte. Der Anblick erweckte Erinnerungen in ihr, die sie lieber vergessen hätte und versucht hatte, zu verdrängen. Übelkeit und Schwindel überkamen sie. Vor ihrem geistigen Auge erschien ihr das Bild ihrer Mutter, wie diese schwer blutend auf dem Boden lag, umringt von einem Meer aus Scherben, welche von einer zerbrochenen Vase stammten. Aber war das wirklich geschehen? Oder war das alles nur ein böser Alptraum gewesen? Shizui war derart in ihren Gedanken gefangen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie sich aus dem Nebenraum eine Person mit schnellen Schritten gekommen war und sich ihr mit schnellen Schritten genähert hatte. Erst die schallende Ohrfeige holte das blonde Mädchen auf den Boden der Tatsachen zurück. Vor Schreck und Schmerz schrie sie kurz und hell auf. “Kannst du denn gar nichts richtig machen, die verfluchtes Miststück?”. Wütend brüllte der Mann mittleren Alters das Kind vor ihm an. Nachdem er das Klirren des Glases gehört hatte, war er sofort zur Ursprungsquelle des Geräusches hingerannt, um zu sehen, was denn passiert sei. Schützend hatte sich Shizui nach dem Schlag die Arme vors Gesicht gehoben. Die Angst vor weiteren Angriffen war groß, was sich vor allem dadurch äußerte, das ihr ganzer Körper zitterte. Sie war sich ihrer Schuld bewusst, es war ganz allein ihr Fehler gewesen. Ihre Augen füllten sich langsam mit Tränen. Warum konnte sie auch nie etwas richtig machen? Warum war sie für andere immer nur ein Klotz am Bein? Die erste Träne bahnte sich ihren Weg über Shizuis Wange, still und leise. Sie wollte etwas sagen, sich für ihre Dummheit und Unfähigkeit entschuldigen; aber die Traurigkeit in ihr war so groß, dass sie das Gefühl hätte, als wenn ihr ein riesiger Kloß im Hals stecken würde und sie am Reden hindern wollte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als heimlich hinter ihren verschränkten Armen weiter zu weinen. Zu groß war die Angst, dass der Anblick ihrer Tränenden Zorn ihres Peinigers verstärken würde. Trotzdem wünschte sie sich insgeheim, dass ihr jemand einen Arm um die Schulter legen und ihr Trost spenden würde. So wie es sonst immer ihre Mutter getan hatte, wenn sie traurig gewesen war. Aber ihre Mutter würde sie nie wieder in den Arm nehmen, denn sie war tot. Diese schreckliche Gewissheit versuchte das kleine Mädchen gleich wieder zu verdrängen und sich zur Ablenkung auf andere Dinge zu konzentrieren. Schließlich war da ja noch ihr Vater. Auch wenn er sie momentan sehr häufig schlug, hatte er sie doch bestimmt noch lieb. Und wenn sie sich in Zukunft nicht mehr so dämlich bei der Arbeit anstellen würde, wird er bestimmt wieder so wie früher. Zumindest hoffte Shizui das. Sie wünschte sich von ganzen Herzen, dass alles bald wieder gut sein wird. Ihr Vater hatte sich bestimmt nur so sehr verändert, weil er unter dem Verlust seiner Frau litt und seine Tochter so unfähig war. “Was flennst du blödes Biest denn jetzt rum?”, fauchte er sie auf einmal gereizt an. Sofort wurde ihre Hoffnung im Keim erstickt. Da war keine freundliche Gestik in seiner Stimme, nicht mal im Ansatz. Sondern nur Hass. Hass und Verachtung der eigenen Tochter gegenüber. “Papa…”. Ihre Stimme zitterte. Sie wollte ihn gerne fragen, ob er sie denn wirklich so sehr verachtet. Am liebsten hätte sie ihn gefragt `Papa, hast du mich noch lieb?`, aber er ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. “Was? Was willst du scheinheiliges Vieh? Erst tötest du deine eigene Mutter und was jetzt? Mich vielleicht auch noch? ” Seine Stimme bebte vor Wut, “Und das von der eigenen Tochter.” Er machte eine kurze und war sichtbar darum bemüht, seine Beherrschung nicht zu verlieren. “Raus! Sofort! Bei deinem scheinheiligen Gesicht wird mir schlecht!” Sein Zeigefinger deutete auf die nächstgelegene Tür, die nach draußen führte. Erschrocken und entsetzt von den Worten ihres Vaters wich dem blonden Mädchen schlagartig alle Farbe aus dem Gesicht. Zitternd vor Angst trat sie einige Schritte zurück und verharrte kurze Zeit in dieser Position, bevor sie sich umdrehte, auf den gedeuteten Ausgang zuhastete und ins Freie stolperte. Blind von den Tränen rannte sie einfach drauflos, immer geradeaus. Sie wusste nicht einmal, warum sie lief; ihre Beine schienen sich wie von selbst zu bewegen und ihren Körper hinfort zu tragen. Auch wenn sie es so schaffte, sich vor seinem Schlägen und Demütigungen zu retten, so konnte sie nicht verhindern, dass ihr seine Worte die ganze Zeit in den Ohren widerhallten. `Du hast deine Mutter getötet!`. Getötet. Der Begriff brannte sich regelrecht in ihrem Kopf. Egal, wie sehr sie versuchte, an etwas anderes zu denken, es gelang ihr einfach nicht. Warum? Voller Verzweiflung stellte sie sich selbst immer wieder dieselbe Frage, warum ist es nur so passiert? Sie hatte das alles doch gar nicht gewollt. Es war doch gar keine Absicht gewesen, sie hatte nur helfen wollen. Und doch war es ihre Schuld. Nur sie allein war für den Tod ihrer Mutter verantwortlich und niemand sonst. Diese schreckliche Gewissheit schmerzte, so sehr, als würde sich eine schwere Last auf ihre Brust legen und sie zerdrücken, ihr die Luft zum Atmen nehmen. Und ihr Herz tat ihr so sehr weh, das sie dachte, es müsse zerspringen. So, als wolle ihr eigener Körper ihr sagen: `Stirb, du bösartiges Wesen! Stirb, denn du hast es nicht anders verdient! ` Es war bereits früher Abend geworden. Die Sonne senkte sich mittlerweile dem Horizont entgegen und warf in den Himmel in ein leuchtendes orange- rot. Ein goldenes Laubblatt segelte fiel lautlos von einem großen Baum herab und landete sachte auf einem sandigen Weg. Im nächsten Moment aber wurde es plötzlich zusammen mit einigen Staubkörnern aufgewirbelt und wie aus dem Nichts erschien eine kleine Gruppe schwarz gekleideter Leute. Es waren vier Ninjas, erkennbar an ihrer typischen Ausrüstung und Kleidung, die gerade von einer Mission heimgekehrt waren. Der größte von ihnen, ein erwachsener Mann, stand ein paar Schritte vor den drei kleineren Personen, welche seine Schüler waren. “Damit unsere Auftrag erfolgreich abgeschlossen. Ihr seid für heute entlassen.” Mit diesen Worten verschwand der Mann genauso plötzlich wie er aufgetaucht war. Genüsslich streckte sich daraufhin das grünhaarige Mädchen aus der Gruppe, welches sich in der Mitte befand. “Hach, endlich haben wir Schluss! Wir wär´s, wenn wir zu mir gehen?” Sie griff nach dem Arm des einzigen Jungen aus der Gruppe und zog ihn nah an sich. “Ich werde dir etwas Feines kochen, Tatsu-kun. Ein romantisches Candlelightdinner, nur wir zwei, ganz ungestört.” Verträumt und schwärmerisch blinzelte sie ihren Traummann mit ihren feuerroten Augen an. Dieser erwiderte nichts, sondern antwortete ihr nur mit einen gezwungenen Lächeln. Schon längst hatte er sich an die aufdringliche Art seiner Teamkameradin gewöhnt und mit der Weile herausgefunden, das Schweigen in dieser Situation das Beste war. Denn immer, wenn er versucht hatte, sie freundlich, aber bestimmt abzuweisen, war sie zu einem Sprachtalent mutiert und hatte so lange auf ihn eingeredet, bis er schließlich nachgegeben hatte. “Oh, an deiner Stelle wäre ich ein bisschen vorsichtiger, Tatsuya. Man weiß ja nie, was andere einem so unters Essen mischen. Vielleicht ein paar Drogen um den Liebsten gefügig zu machen?” Mit einem gehässigen Seitenblick musterte die Dritte im Bunde ihre Kameradin. Es war bekannt, dass sich die beiden Mädchen nicht sonderlich gut leiden konnten und keine Gelegenheit ausließen, um sich gegenseitig niederzumachen. “Hey, hör auf mich mit dir zu vergleichen, Shibuya. Solch abartige Methoden sind einzig und allein dein Werk. Außerdem brauche ich so was nicht, schließlich habe ich genügend Sexappeal um Männer zu verzaubern!” Während sie sprach, begann sie sich wie ein Modell in Pose zu schmeißen, um ihren geliebten Körper von seiner besten Seite zu präsentieren und gleichzeitig ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. “Stimmt, du könntest tatsächlich bei einigen Typen mit einem Lolita-Komplex Eindruck schinden. Aber pass auf, nicht dass dein heiß geliebter ´Tatsuuuu-kuuuun´ “, mit säuselnder Stimme imitierte Shibuya die Aussprache ihrer Kameradin, “noch krank vor Eifersucht wird.” Leichte Zornesfalten bildeten sich daraufhin auf der Stirn des grünhaarigen Mädchens. Da wagte es doch tatsächlich jemand, sich über ihren Schwarm lustig zu machen. “Was weißt du denn schon? Du bist doch nur neidisch, weil ich große Titten hab und du flach wie ein Brett bist und sich niemand für einen Eisklotz wie dich interessiert!” Verärgert schnaubte sie das lilahaarige Mädchen an, doch war diese schon längst verschwunden. Genervt blickte sich Kyoko um. “Pah, jetzt flieht sie sogar vor mir. Blöde Kuh… obwohl?” Eine plötzliche Idee ließ sie in ihren Hasstiraden innehalten. “Hey, Tatsu-kun, jetzt sind wir zwei wieder ganz unter uns! Da hat das Verschwinden von der ja auch seine gute Seite!” Gut gelaunt hängte sie sich an seinen Arm. Nun würde für sie endlich der schönere Teil des Tages beginnen. Währenddessen war Shibuya schon ein ganzes Stück weit von ihrem Ausgangspunkt entfernt. Sie hatte einfach keine Lust mehr gehabt, auch nur eine Sekunde länger in der Gesellschaft von Kyoko zu verbringen. Ihr Weg führte sie direkt zu ihrem Nachhause, aber sie beeilte sich nicht sonderlich. Es wären eh nur ein paar Minuten, die sie dadurch gewinnen würde. Also konnte sie es auch genauso gut ruhig angehen. Trotz der Abenddämmerung war auf den Straßen noch eine Menge los. Eine Vielzahl von Leuten gingen an ihr vorbei, teils einzeln, teils in Gruppen, oder sie standen einfach nur am Wegesrand und unterhielten sich angeregt. Gerade letzteren warf Shibuya gerne Mal einen genervten Blick zu. Sie war sich ziemlich sicher, dass diese Idioten mal wieder die neuesten Tratsch und Klatsch Geschichten untereinander austauschten. So als ob sie nichts Besseres zu tun hätten. Dabei sind diese Geschichten in der Regel eh nur irgendwelchen aberwitzigen Ideen entsprungen und entsprechen meistens nicht mal im Ansatz der Wahrheit. Und trotzdem glauben viele an die ganzen Hirngespinste, ohne auch nur einmal ernsthaft über die Richtigkeit oder Logik nachzudenken. Das lilahaarige Mädchen hatte es schon oft genug miterlebt. Immer, wenn sie in der Praxis ihrer Eltern ausgeholfen hatte, tratschten die Leute im Wartzimmer ewig über solche Lügengeschichten. Am liebsten würde sie sie zum Schweigen bringen, ein paar Knebel oder muskellähmende Medikamente würden ja völlig ausreichen, aber bisher hatte sie ihre Eltern noch nicht für ihre Ideen begeistern können. Desinteressiert ging sie an einer Gruppe vorüber, welche sich gerade angeregt unterhielt, konnte es aber nicht vermeiden, einen Teil des Gespräches mit anzuhören. “Die kleine Bäckerstochter? Die neu hierher gezogen?” “Ja, sie soll ihre Mutter erdrosselt haben…” “Wirklich? Das ist ja grausam! Die Jugend von heute ist aber auch verdorben…” “Warte, mir ist zu Ohren gekommen, dass sie auch ihren Vater angegriffen haben soll. Mit einem Küchenmesser. Er hat verletzt überlebt…” “Das wird ja immer schlimmer! Man sollte sie aus dem Dorf werfen. Solch kriminelle will ich hier nicht haben.” “Genau, schickt sie wieder dorthin, wo sie hergekommen ist. Wer weiß, weshalb sie überhaupt weggezogen sind? Vielleicht sind sie schon vorbestraft und nun auf der Flucht?” Mit einem Ruck blieb Shibuya stehen. Bei den Worten war es ihr eiskalt den Rücken runter gelaufen. Die Beschreibung passte haargenau auf Shizui. Es gab nicht viele Bäckerfamilien in der Stadt und sie kannte auch nur eine, die neu zugezogen war. Aber konnte es möglich sein, dass ihre Freundin jemanden ermordet? Angeblich sogar ihre eigene Mutter? Ach quatsch, so ein Schwachsinn. Wer Shizui kannte, würde wissen, dass sie niemals zu so etwas in der Lage sei. Shibuya war zwar vollends überzeugt, dass diese Geschichte viel zu absurd klang, um wahr zu sein, doch wurde sie trotzdem durch das Gerede zunehmend nervöser. Jede Geschichte hatte nun mal irgendwo einen Ursprung und fiel nicht einfach so vom Himmel. Es könnte sich eventuell um eine Hetzkampagne gegen die Familie handeln, aber andererseits könnte auch tatsächlich was vorgefallen sein. Eine Kleinigkeit, aus der die Leute nun eine riesige Sache machten. Spontan entschied sich die junge Ninja ihrer Freundin einen Besuch abzustatten. Einerseits hatte sie sich seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen und sie könnte ihr von der letzten Mission erzählen, schließlich findet Shizui ihre Geschichte immer sehr aufregend und freut sich immer wie ein kleines Kind auf die nächste Erzählstunde, und andererseits könnte sie direkt nachfragen, was denn wirklich in ihrer Abwesenheit passiert wäre. Schnell hatte sie ihr Ziel erreicht und stand nun klingelnd an der Haustür. Aber scheinbar war niemand da. Im Haus brannte kein Licht und ihr Läuten blieb unbeantwortet. Nachdenklich starrte Shibuya das Gebäude an. Wo die wohl alle waren? Vielleicht waren sie ja auch im Haus und wollten nicht aufmachen, warum auch immer. Aber die einzige Möglichkeit hineinzukommen und näheres herauszufinden, wäre einzubrechen und das wollte sie nicht. Also blieb ihr nichts anderes übrig als zu hoffen, das sie außer Haus sind. Oder zumindest Shizui. Seufzend setzte sich Shibuya auf dem Boden. Ihr würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als nach ihrer Freundin zu suchen. Aber wo sollte sie anfangen? Grübelnd ließ sie ihren Blick schweifen. Einerseits könnte sie versuchen, die Fußspuren des blonden Mädchens ausfindig zu machen, um ihnen dann zu folgen. Aber das Problem hierbei war, das im Laufe des Tages schon viele Menschen auf den Straßen entlanggegangen waren und es sicherlich nicht einfach werden wird, die Spuren einer einzelnen Person zu identifizieren. Diese Prozedur könnte lange dauern, aber was blieb ihr anderes übrig? Blindlings durch die Gegend rennen, bis sie zufälligerweise auf Shizui stößt? Oder sich an Passanten wenden und sie fragen, ob sie ein langhaariges, blondes Mädchen gesehen hätten? Gedankenverloren stocherte Shibuya im sandigen Boden herum. Sie müsse die Sache anders angehen, denn alle bisherigen Ideen waren nach ihren Geschmack zu langwierig. Ein neuer Ansatz wäre vielleicht hilfreich. Wenn man also einmal annehmen würde, dass die Gerüchte einen wahren Kern haben und hier tatsächlich ein Mord geschehen sei, egal, wer nun genau wen umgebracht hat, wie würde Shizui sich dann fühlen? Und wo würde sie hinlaufen wollen? Angenommen, sie hätte Angst gehabt, was bei ihrem Charakter durchaus vorstellbar wäre, würde sie sich dann nicht an jemanden wenden wollen, der ihr Sicherheit und Geborgenheit vermittelt? Dem sie sich anvertrauen konnte? Einen guten Freund vielleicht? Das lilahaarige Mädchen legte den Kopf schief. Aber wer sollte diese Person sein? Außer ihr selber und Shizuis Eltern gäbe es doch niemanden im Dorf, der sich Sorgen um Shizui machen würde, zumindest kannte sie sonst niemanden. Also musste es etwas anderes sein. Vielleicht ein Ort, zu dem sie geflüchtet war, der ihr Schutz versprach? Ein Lieblingsplatz von ihr, an dem sie sich gerne aufhielt und mit dem sie positive Gedanken verbinden könnte? Mit einem Mal war Shibuya hellwach. Ja, es gab tatsächlich solch einen Platz. Warum war sie nicht nur schon früher auf diese Idee gekommen? Leicht verärgert über sich selbst machte sie sich so schnell sie konnte auf den Weg dorthin. Nach kurzer Zeit erreichte sie ihr Ziel. Ein kleiner, friedlicher See, versteckt gelegen zwischen hohen Bäumen außerhalb des Dorfes. Dies war Shizuis Lieblingsplatz., weil es hier so viele verschiedene Blumen gab, deren Farbenpracht sie so sehr bewunderte. Deshalb hatte Shibuya auch jetzt die große Hoffnung, ihre Freundin an diesem Ort anzutreffen. Langsam schritt das groß gewachsene Mädchen durch das knöchelhohe Gras und sah sich suchend um. Es schien niemand hier zu sein. Vielleicht hatte sie sich in ihrer Annahme geirrt und Shizui war gar nicht hier? Oder sie versteckte sich? Shibuyas Überlegungen fanden ein jähes Ende, als ihr Blick auf mehrere umgeknickte Grashalme fiel. Hier ist definitiv jemand langgegangen. Ohne groß weiter nachzudenken folgte das lilahaarige Mädchen den Spuren und fand schließlich, wonach sie gesucht hatte. Ihre Freundin lag direkt vor ihr auf der Wiese, verborgen von dem immer länger werdenden Schatten eines dicht gewachsenen Strauches, mit dem Gesicht zum Boden gewand, in einer starren und verkrampften Haltung. In ihrer einen, zur Faust geballten Hand waren noch undeutlich die gelben Blätter einer Blüte erkennbar. Bei dem Anblick war Shibuya sofort klar, dass ihre Freundin nicht mehr am Leben war. Denn kein Mensch, zumindest kein lebender Mensch, könnte eine längere Zeit still und bewegungslos in einer solchen Pose verharren. Zumindest der Brustkorb müsste sich monoton senken und heben, eine normale Bewegung die bei der Atmung entsteht. Außerdem würde Shizui nicht am Boden liegen bleiben, wenn sich ihr jemand nähert, sonder neugierig nachsehen, wer denn da kommen mag. Schließlich waren die Schritte durchs Gras hörbar und der Schatten gut sichtbar gewesen. Aber Shibuya wollte diese offensichtliche Tatsache nicht wahrhaben. Irgendetwas in ihr sträubte sich. Und so betrachtete sie minutenlang das blonde Mädchen, in der stillen Hoffnung, dass das alles vielleicht doch nur ein Spaß, ein Scherz von ihr war und wartete darauf, dass Shizui ein Lebenszeichen von sich geben würde. Das sie gleich aufspringen würde und mit einem fröhlichen Lächeln fragen würde, wie denn diesmal die Mission verlaufen wäre. So wie sonst auch. Die junge Ninja stand einfach nur wartend da und starrte den reglosen Körper an. Es wäre natürlich einfacher gewesen, wenn sie näher zu ihrer Freundin hingegangen wäre und sie genauer begutachtet hätte. Aber Shibuya musste sich eingestehen, dass sie genau davor Angst hatte. Angst, dass ihre Vermutung, die eigentlich schon Gewissheit war, sich bestätigen würde. Stattdessen klammerte sie sich an ein letztes, kleines Fünkchen Hoffnung, dass alles nur eine Fehleinschätzung ihrerseits war. Das Shizui gleich wieder aufstehen würde und sie mit einem freundlichen Lächeln empfangen würde. So wie immer. Verwirrt schüttelt sie den Kopf. Was war bloß los mit ihr? Sonst war sie doch auch nicht so. Eigentlich liebte sie doch die Wahrheit über alles, jagte ihr nach, egal was es auch kostete und jetzt? Jetzt versuchte sie, davon wegzulaufen. Aber warum? Es würde doch schließlich am Ende nichts an der Realität ändern. Und früher oder später müsste sie sich eh der Wahrheit stellen. Gequält schritt das lilahaarige Mädchen auf den reglosen Körper zu. Sie kniete sich neben ihr nieder und tippte so vorsichtig den Arm an, als sei er aus Porzellan. Aber schon im nächsten Moment bereute sie es zutiefst. Denn diese kurze Berührung hatte gereicht, um sie all ihre Hoffnungen auf einem Mal zu zerschlagen. Der Arm war kalt und viel schlimmer, auch noch absolut steiff und unbeweglich. Das sichere Zeichen der Totenstarre. Auch waren ihrem geschulten Blick die Totenflecken am Arm nicht entgangen. Nun konnte sie sich nichts mehr vorlügen. Die Indizien waren einfach zu eindeutig. Alle Merkmale des Todes waren vorhanden. Auf einmal fühlte das lilahaarige Mädchen eine unendliche Leere in sich. Es war ein Gefühl, das sie zum ersten Mal erlebte und das so beklemmend war, dass sie sich wünschte, es würde wieder verschwinden. Tränen liefen ihr über die Wangen. Mit einem Schlag, wurde ihr bewusst, dass sie gerade jemanden verloren hatte, der ihr sehr wichtig geworden war. Nie zuvor hatte sie bemerkt, wie sehr sie ihre Freundin lieb gewonnen hatte. Erst jetzt, wo sie sich darüber im Klaren war, dass sie sie nie mehr wieder sehen würde. Sie würde nie mehr plötzlich an ihrer Zimmertür auftauchen und ihr einen Überaschungsbesuch abstatten. Ihr nie mehr ihre selbstgebackenen Plätzchen vorbeibringen. Nie mehr mit neugierigen Augen den Berichten von den Missionen lauschen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie, warum die Leute immer trauerten, wenn ihre Angehörigen verstorben waren. Bisher war diese Geste immer ein Rätsel für sie gewesen. Denn der Tod war im Laufe der Zeit für sie zu etwas ganz normalen geworden. Wahrscheinlich gerade deshalb, weil sie quasi damit aufgewachsen war, denn im Krankenhaus wurden des Öfteren Personen behandelt, die schwer krank oder verletzt waren und schließlich verstarben. Aber diese Mal war es anders. Weinend lehnte sich Shibuya an den Leichnam ihrer Freundin. In ihrem Kopf schien sich alles zu drehen und es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie verstand es nicht. Warum sollte sich Shizui das Leben nehmen wollen? Sie war doch sonst immer so ein fröhlicher und vor allem lebenslustiger Mensch gewesen. Warum war dies alles geschehen? Warum nur? //Ich möchte mich hier für die lange Wartezeit entschuldigen. Tut mir wirklich leid, vor allem deswegen, weil ich den Inhalt des Kapitels schon länger quasi “fertig” hatte, ich mich aber letztendlich nicht so recht entscheiden konnte, wie ich es denn nun im Endeffekt aufschreiben sollte. Naja, letztendlich habe ich mich für diese Version entschieden, weil ich dachte, das es einmal spannender ist, wenn nicht alles chronologisch abläuft (kommt vielleicht auch daher, das ich mich in letzter Zeit sehr viel mit Krimis beschäftigt hatte) und andererseits der Leser so mehr oder weniger den selben Wissensstand hat wie die Hauptfigur. Gut, und hier noch einiges wissenswertes zum Kapitel: -Totenflecke: entstehen ca.20- 60 min nach Eintritt des Todes. Sie sind in der Regel blau-lila und entstehen, weil das Blut in der Leiche absickert (den Gesetzen der Schwerkraft folgt) und dementsprechend auch nicht gleichmäßig über den Körper verteilt auftreten, sondern abhängig von der Lage des Toten. Wenn er z.B. auf dem Rücken liegt, treten die Flecke an den Unterarmen, Nacken, Rücken, Gesäß, etc auf, eben die tiefsten Punkte des Körpers. -Totenstarre: Versteifung des Körpers, die vom Kopf an beginnt. Entsteht, weil der Stoffwechsel stillsteht und somit keine Energie mehr für die Muskeln gebildet werden kann, weshalb sie in ihrer letzten Position erstarren. Tritt bei Zimmertemperatur ca. 1- 2Std. nach Eintritt des Todes auf und ist nach ca.14- 18Std voll ausgebildet (kompletter Körper ist starr). Bei Hitze erfolgt alles schneller, bei Kälte langsamer. Die Totenstarre wird in der Rechtsmedizin zur Bestimmung des Todeszeitpunktes verwendet. Die beiden genannten Erscheinungen gehören zu den sogenannten sicheren Todeszeichen, welche wiederum in frühe Zeichen (Totenstarre und Totenflecke) und späte Zeichen (Verwesung, Tierfraß und Mumifizierung) unterteilt werden. Des Weiteren gibt es noch die unsicheren Todeszeichen, aber es sind Erscheinungen, die auch bei lebenden Individuen auftreten können. Dazu gehören unter anderem: -Abkühlung -fehlende Atmung -fehlender Puls // Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)