Bittersweet Lullaby von -Yue ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Der alte Teekessel dampfte und stieß einen leisen Pfeifton aus. Das Wasser kochte. Kai nahm die Kräutermischung, mit der er schon wenige Stunden zuvor Tee aufgebrüht hatte aus dem Schrank und zog eine Kanne heran. „Kann ich dir helfen?“ Zero warf einen fragenden Blick zu Kai, der gerade den heißen Kessel mithilfe eines Handtuchs vom Gasherd nahm. „In dem Schrank ganz rechts sind Tassen. Wenn du für jeden eine herausnehmen könntest?“, lächelte Kai, die Ruhe in Person. Zero nickte bevor er sich zuerst eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht pustete und sich dann daran machte neun Tassen auf das bereit gelegte Tablett zu stellen. Aus dem Wohnzimmer drangen gedämpft Stimmen, die wild durcheinander diskutierten. „Selbst wenn eines unserer Handys funktionieren würde, weiß eigentlich irgendwer von uns wo wir sind?!“ Langsam aber sicher schien Uruha hysterisch zu werden. Aoi legte ihm vorsichtig einen Arm auf die Schulter, zog ihn jedoch sofort zurück als Uruha zischte, dass er ansteckend sei. Schuldbewusst senkte Aoi den Kopf. „Ich bin mir sicher wir werden gefunden“, versuchte Karyu die aufgebrachte Runde zu beschwichtigen. Er knautschte den roten Hut zwischen seinen Händen. „Hätten wir ein Netz“, warf Hizumi ein und erntete einen grimmigen Blick von Seiten Reitas. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Wir beide könnten nach draußen gehen und auskundschaften wo wir wieder Empfang haben. Komm schon, lass uns die Helden spielen.“ „Das ist aber kein Spiel“, knurrte Reita, „Wenn du dein Ego nur so aufpolieren kannst, dann ohne mich.“ „Wie schade.“ Hizumi zog einen Schmollmund. „Wir hätten sicher unseren Spaß gehabt.“ Das Anzügliche Wippen seiner Augenbrauen gefiel Reita gar nicht. Musste es von allen Menschen gerade Hizumi in diese Einöde verschlagen? Wie hoch war schon die Wahrscheinlichkeit ihn hier zu treffen?! Reita konnte es nicht glauben. Seit einem Festival bei dem beide Bands aufgetreten waren, war er Hizumis Lieblingsopfer. Er hatte nicht gewusst, was es war, dass ihn so anziehend machte. Und als er der Sache auf den Grund ging, erhielt er die schlichte Antwort, es läge an seinem Rasierwasser. Vorsichtshalber hatte er es tatsächlich gewechselt. Doch er war sich sicher Hizumis hatte schon den nächsten Grund parat. „Ich würde mir nicht so viele Gedanken machen.“ Kai trug das Tablett ins Wohnzimmer und stellte es vorsichtig auf dem Tisch ab. Bedächtig füllte er eine Tasse nach der anderen. „Unser Verschwinden wird nicht mehr lange unbemerkt bleiben. Bald wird uns hier jemand gefunden haben.“ Kais fließende Bewegungen und seine sanfte Stimme schafften es tatsächlich die jungen Männer ruhiger zu stimmen. „Ich stimme Kai zu.“ Tsukasa, der die ganze Zeit nachdenklich der Diskussion gelauscht hatte, griff nach einer der vollen Tassen und nippte daran. „Und der Schatten?“, meine Ruki zögerlich, „Immerhin haben drei von uns ihn gesehen.“ „Und ihr alle lebt noch, ist das nicht wunderbar?“ „Stimmt. In einem Horrorstreifen wärt ihr einer nach dem anderen…hmpf!“ Vorsichtig aber bestimmt hielt Karyu dem schwarzhaarigen Sänger den Mund zu. Musste er die anderen immer aufziehen? „Trinkt den Tee und dann lasst uns versuchen zu schlafen.“ Unschlüssig blickte Aoi von seiner Tasse zu Kai bevor er leise fragte, ob es nicht sinnvoll wäre, zwei von ihnen Wache schieben zu lassen. Der Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung. Eine Tasse Tee und einen erleichterten Seufzer später machten es sich Karyu und Reita, der mehr als froh war nicht mit Hizumi hier sitzen zu müssen, auf dem Sofa gemütlich. Beide hatten sie das kurze Streichholz gezogen. Stille hatte sich in dem kleinen Wohnzimmer breit gemacht, in der Karyus Magenknurren nur zu deutlich zu vernehmen war. „Hast du auch solchen Hunger?“ Reita nickte. „Aber in der Küche stand nur dieser widerliche Brei auf dem Herd. Wer weiß, was genau das ist.“ „Reis und Kokosmilch. Es ist uns vorhin angebrannt“, bemerkte Karyu mit gehobener Augenbraue. Verlegen rieb Reita sich den Nacken. In diesem Moment beschloss er besser seinen Mund zu halten um nicht noch in weitere Fettnäpfchen zu treten. „Hizumi hat wirklich einen Narren an dir gefressen“, schmunzelte Karyu, dem es nicht entgangen war, wie unangenehm Reita Situationen mit ihrem Sänger waren und da es ihm schon jetzt langweilig genug war, würde er sich für eben revanchieren und Reita ein wenig aufziehen. Fragend hob dieser den Kopf. „Ich glaube auch nicht, dass es sich so schnell ändern wird.“ Der hochgewachsene Gitarrist lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Das Unbekannte zieht ihn an.“ „Das Unbekannte?“ Reita zog die Brauen zusammen, nicht sicher was Karyu damit sagen wollte. „Deine Nase.“ „Meine…?!“ Mit großen Augen starrte Reita sein Gegenüber an und fasste sich, wie um sicherzugehen, dass es noch da war, an sein Nasenband. Das hieße, Hizumi würde ihn erst zufrieden lassen, wenn er seine Nase gesehen hatte, schlussfolgerte er. Stöhnend vergrub er den Kopf in den Händen. Sein Stolz würde das niemals zulassen! Das hieße, wenn er nicht irgendwen Interessanteren für den Sänger auftreiben würde, müsste er bis an sein Lebensende zweideutige Anspielungen und gar schlimmeres ertragen. Ob das Haus eine Möglichkeit bot, den Sänger heimlich aus dem Weg zu räumen? Was dachte er da eigentlich? Er spürte wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Es musste das Haus sein, das ihn zu solchen Gedanken verleitete. „Alles okay mit dir?“ Reita blieb die Antwort im Halse stecken, als ein gewaltiges Scheppern ihn zusammenzucken ließ. „Was zum…?! Das kam aus der Küche!“ Schnell war Karyu auf den Beinen. Durch den Flur, an den aufgespießten Käfern vorbei, rannte er in die Küche. Doch alles was er noch sah, war ein verschwindender Schatten, und die Hintertüre, die ins Schloss fiel. Reita konnte seinen Lauf gerade noch Rechtzeitig stoppen als Karyu so abrupt stehen blieb. „Was ist?!“ Er stellte sich auf Zehenspitzen und reckte den Kopf um über Karyus Schultern spähen zu können. „Da ist nichts“, stellte er verwundert fest. „Doch.“ Karyu betrat die Küche und ging zielstrebig auf den Topf zu, dessen Inhalt sich großzügig auf dem Boden verteilt hatte. „Als ich ankam fiel die Türe ins Schloss“, erklärte er Reita, „Und ich hab den Schatten gesehen.“ Reita schluckte. „Aber was sollte der, bleiben wir bei der Bezeichnung Schatten mit dem Essen wollen?“ Essen war für diesen Brei noch eine äußerst humane Bezeichnung, fand der Bassist, doch er wollte es sich nicht mit Karyu verscherzen. Wenigstens würde das Zeug jetzt den Weg in den Mülleimer finden. Und damit da so schnell wie möglich geschah, hatte er schon ein Geschirrtuch zur Hand genommen. Während Karyu grübelnd am Tisch lehnte begann Reita den Boden zu wischen. Dem Schatten überstürzt nachzuhetzen wäre eine dumme Idee gewesen. Soviel hatten sie wohl beide aus diversen Horrorfilmen gelernt. Nur sich gegensätzlich zu Verhalten war gar nicht so leicht wie es als Zuschauer wirkte. „Du kannst dich erheben.“ Erschrocken blickte Reita auf an zwei Beinen, die in einer schwarzen Hose steckten und nicht zu Karyu gehörten, hinauf, mitten in Hizumis grinsendes Gesicht. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Was willst du?“ Er versuchte ruhig zu bleiben. „Ich hab den Lärm gehört und wollte sehen was los ist.“ Versöhnlich streckte er Reita seine Hand entgegen, doch dieser machte keine Anstalten sie anzunehmen. Hizumi zog die Brauen zusammen. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so auf unser Essen abfährst, dass du gleich den ganzen Topf vom Herd räumst.“ „Sehr witzig!“ So langsam reichte es dem blonden Bassisten. Er richtete sich auf. „Wir waren das nicht“, stellte er unnötigerweise richtig, „Karyu hat gesehen wie die Tür in Schloss fiel und davor konnte er den Schatten erkennen.“ „Klingt ja gruselig.“ Der Sänger rieb sich den Hinterkopf. „Aber wenn die Haustüre abgesperrt und der Schatten gerade hier raus ist, dürfte die Gefahr ja gebannt sein“, lächelte er zuversichtlich, „Das heißt für euch hier Wache schieben und alles dunkel halten.“ „Dunkel?“, fragte Reita verwirrt. „Daran habe ich eben auch schon gedacht!“, warf Karyu ein. „Hä?“ „Na ist doch logisch, ohne Licht gibt es keinen Schatten“, lächelte er gewinnend und Reita wusste nicht mehr ob ihm der Schatten oder die beiden Musiker unheimlicher sein sollten. Noch bevor er etwas erwidern konnte, sorgte ein erneuter Stromausfall für vollkommene Dunkelheit. „Das Problem wäre gelöst“, lachte Hizumi bevor er von einer Sekunde auf die andere einen gurgelnden Laut von sich gab. „Hizumi?!“ Es kam Karyu wie eine Ewigkeit vor bis das Licht wieder ansprang und er seinen Freund auf dem Boden hockend und nach Luft ringend wahrnahm. Geschockt starrte er auf dessen blutige Kratzer, die die weiße Haut an seinem Hals zierten. „Was zum…?!“ Langsam hob Hizumi den Kopf. Sein Blick galt Reita, der geschockt auf seine Hände starrte. Er fühlte die roten Hautschuppen unter seinen Fingernägeln, sah das Blut auf seinen Kuppen. Als Karyu dem Blick des Sängers gefolgt war, brauchte er keine Minute um die Situation zu erfassen. „Bist du verrückt?!“ Reita selbst schaffte es nicht auch nur einen Ton über die Lippen zu bringen. Er konnte sich nicht erinnern sich vom Fleck gerührt zu haben seit dem der Strom weg gewesen war. Seine Hände zitterten. „Wow“, hauchte Hizumi. Während Reita noch damit beschäftigt war, den Schock zu verdauen, gerade anscheinend auf den Sänger losgegangen zu sein, war Hizumis Reaktion für Karyu das Zeichen, dass er aufatmen konnte. Er packte ihn am Arm und zog ihn zurück auf die Beine. Als Reita sich endlich vom Anblick seiner Hände lösen konnte, wandte er sich dem Wasserhahn zu. Er konnte es noch immer nicht fassen. Das Wasser löschte die Spuren seiner Tat. „Ich bin nicht giftig“, meinte Hizumi beiläufig, der Reitas Waschaktion beobachtete. „Ich hätte dich umbringen können!“ „Das ist doch das interessante.“ Langsam wusste Reita sich nicht mehr zu helfen. Einerseits war er froh, dass Hizumi so gelassen reagierte, andererseits erhöhte das die Wahrscheinlichkeit, dass er dem anderen in der Zeit in der sie hier waren, wirklich den Hals umdrehen könnte. Und er hatte keinen Einfluss darauf. Er konnte seine Handlung nicht steuern und er fürchtete, dass der andere das noch nicht begriffen hatte. Was ging nur in diesem Haus vor?! Wenn er es recht bedachte wollte er es gar nicht wissen. Alles was er wollte, war heil mit der Band ihr geplantes Ziel zu erreichen. Nicht mehr und nicht weniger. Er rieb sich die pochende Schläfe. Erschöpfung zwang ihn dazu sich auf einem der Küchenstühle niederzulassen. Er musste eine Lösung finden um diesem Albtraum zu entfliehen. Und wenn dies nicht bald geschehen würde, mahnte ihn das Kribbeln unter seinen Fingernägeln, würde das Ganze ein böses Ende nehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)