Stepping Forward to Realize this Wish von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- --------------------------------------------------------- STEPPING FORWARD TO REALIZE THIS WISH Kapitel III --------------------------------------------------------- Er rannte um sein Leben. Sie waren hinter ihm, und obwohl er sie weder sehen noch hören konnte, spürte er ihre Nähe wie einen schwachen, aber üblen Geruch, welchen abzuschütteln er nicht imstande war. Sie waren hinter ihm, verborgen in der Dunkelheit, die ihn umgab. Trotzdem rannte er weiter, weil das alles war, was er tun konnte. Wie lange würde es dauern, bis sie ihn eingeholt hatten? Er kam nicht wirklich von der Stelle, schien es ihm, egal wie schnell er auch rannte. Sie näherten sich ihm trotz allem. Sie kamen jetzt von allen Seiten. Von hinten, von rechts, von links, und auch von vorne. Er blieb stehen und blickte sich gehetzt um. Aber er sah nichts. Er konnte nichts sehen, denn es war ja dunkel. Dunkel! Verdammt, verdammt! Und es stand mehr auf dem Spiel als sein Leben. Viel mehr. Er war allein, und oh Gott, er hatte solche Angst. Solche Angst. -*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*- Er hatte sich nur kurz auf sein Bett gelegt um sich fünf Minuten auszuruhen, bevor er seine Arbeit auf Korridor Dreizehn wieder aufnahm. Er musste wohl eingeschlafen sein. Und wieder hatte er geträumt. Und wieder war er schweißgebadet aus seinem Schlaf geschreckt. Wieder hatte er geduscht, und wieder hatte es nicht viel geholfen. Dasselbe Spiel, immer und immer und immer wieder, bis endlich einer von ihnen aufgab. Er oder der Spieler dieses Spiels. Doch er kämpfte gegen unsichtbare Gegner. Gegner in seinem eigenen Kopf. „Verdammt!“ rief Axel und schlug die Hände vor sein Gesicht. „Zur Hölle, verdammt! Lasst mich endlich in Frieden!!!“ Aber niemand antwortete ihm, er war allein, allein in diesem Zimmer, allein auf diesem Korridor, und auch sonst war er allein. Er war es immer gewesen, immer, immer allein, allein, allein... Und er hasste sich dafür, dass er allein war, er hasste seine Existenz, weil sie so sinnlos war, er hasste seinen Jemand, der es gewagt hatte, sein Herz zu verlieren, er hasste dieses Schloss und diese Welt dafür, dass sie niemals waren, und er hasste auch die Welt des Lichts, dafür dass sie ihm aufzeigte wie es sein könnte... „Oh verdammt...“ wimmerte er, aber niemand konnte ihn hören. Er brauchte jemanden mit dem er reden konnte, jetzt, sofort. Auf der Stelle. Das Schweigen brüllte in seinen Ohren, es war überall, es umringte ihn, hüllte ihn ein so wie die Dunkelheit, die sein permanenter Begleiter war, Feind und Freund gleichermaßen, aber wenigstens etwas, auf das man sich verlassen konnte. Trotzdem hatte die Dunkelheit ihm alles genommen, sogar sein Gesicht. Er selbst konnte sich nicht in ihr sehen, nicht einmal die Hand vor Augen. Weinte er? Er wusste es nicht. Roxas… Mit Roxas hätte er reden können, ganz bestimmt. Er hatte ab und an mit ihm geredet, damals… Nicht über persönliche Dinge, natürlich. Wie auch, wo Niemande doch keine eigenständigen Personen waren, nicht sein konnten ohne Herz. Axel selbst hatte keinerlei Erinnerungen an sein Leben als Jemand, und ehrlich gesagt bedauerte er dies auch nicht. Ein existenzloses Dasein war viel leichter zu ertragen, wenn es kein Vorher gab, auf welches man zurück blicken konnte. Und Axel wusste, dass auch Roxas keinerlei Erinnerungen an Sora besaß. Sie alle hatten keine Erinnerungen, schien es Axel. Keiner der Organisation… Zumindest niemand der später hinzu gestoßenen Mitglieder. Bei Xemnas und den anderen fünf Gründern war er sich nie wirklich sicher gewesen… Wobei er doch vermutete, dass zumindest Xemnas sich genau an sein früheres Dasein erinnern konnte. Er fragte sich, wieso. Für Niemande gab es also wirklich nicht viel, über das sie sich unterhalten konnten, doch mit Roxas hatte er wenigstens reden können, und auch wenn sie sich physisch niemals nahe gekommen waren, so hatte sich Axel dem jüngeren Niemand doch auf seltsame Art und Weise verbunden gefühlt. Als wären sie Verbündete in einer Welt, die sich gegen sie beide verschworen hatte. >Ich habe mein Herz schlagen hören... Kingdom Hearts, Kingdom Hearts, wo ist mein Herz, wo ist es nur? Aber Roxas ist fort, er ist fort, nun akzeptiere es doch endlich und hör auf dich zu benehmen wie... wie... wie Demyx!< Dieser Gedanke brachte Axel fast schon wieder zum Lachen. Er konnte sich Demyx in Gedanken genau vorstellen, weinend und mit qualvoll verzerrter Miene, theatralisch sein grausames Schicksal besingend... Auf dieser verdammten Gitarre klimpernd, über die sich die halbe Organisation lustig machte. Nun, eher gesagt die Hälfte des verbleibenden erbärmlichen Haufens, den man wohl kaum noch eine Organisation schimpfen konnte… Axel lachte, immer noch das Bild eines singenden Demyx im Kopf, dem Tränen über beide Wangen flossen. Es war wirklich kein Wunder, dass niemand Demyx ernst nahm... Nein, schalt Axel sich in Gedanken. Dieser Gedanke war falsch, er war so falsch. Axel konnte sich Demyx nur zu gut in seiner eigenen Situation vorstellen, weinend auf dem Boden kauernd, verlassen und seltsam verloren. Diese Vorstellung schaffte es, Axels erzwungene Heiterkeit sofort wieder zu ernüchtern. Wenn es außer Roxas jemanden in diesem Schloss gab, den er nicht bis in die Tiefen seines nicht vorhandenen Herzens hasste, dann war das der verkannte Sitarspieler. Der Junge faszinierte ihn auf eine seltsame Art und Weise. Er schien im Gegensatz zu den meisten anderen Niemanden ein Gewissen zu besitzen, Skrupel, zu töten, und den aufrichtigen Wunsch, ein Herz zu besitzen, nicht um mehr Macht zu erlangen, sondern einfach um des Herzens Willen. Demyx strahlte etwas aus. Eine Aura, die ihm auch an Roxas sofort aufgefallen war. Eine gewisse... Unschuld. Axel seufzte. Unschuld schön und gut, aber mit solchen Eigenschaften kam man in einer Organisation wie der ihren nicht weit. >Ist das der Grund, warum du dich gegen uns gewandt hast, Roxas?< Ein Gefühl der Hilflosigkeit machte sich in Axels Körper breit, und Axel hasste nichts mehr als hilflos zu sein. Sein Atem beschleunigte sich ohne sein Zutun. Irgendein längst im Strom der Zeit in Vergessenheit geratener Sänger hat einmal gesagt, dass die überwachen Augen in der Nacht zehnmal schärfer sehen. Nicht mal dann... Die Dunkelheit schien Axel plötzlich feindselig gesinnt, die unbekannten Verfolger seines Traumes lauerten in ihr. Sie lastete schwer auf ihm, erdrückte ihn beinahe, machte ihm das Atmen zur Last. „Nein!“ rief er und löste sich aus seiner Erstarrung. Schnell sprang er auf und stürzte zum Lichtschalter. In der endlosen Sekunde, welche die Deckenleuchte brauchte, um in Funktion zu treten, schienen ihn tausende dunkle Augen aus dem Dunkeln anzustarren. Dann ging das Licht an und der Spuk hatte ein Ende. Sein Zimmer war leer. Die Dunkelheit war nichts als Dunkelheit, vor der man sich nicht zu fürchten brauchte, und ein Traum war nur ein Traum, flüchtige Phantombilder, entsprungen seiner Fantasie. Haha, wer hätte das geglaubt? Der Schauer Tanzender Flammen fürchtet sich vor der Dunkelheit wie ein Kleinkind. Oh, es ging wirklich bergab. Und wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr... Er strich sich durch die Haare und sah auf seine Uhr. Obwohl Zeit in einer Welt, die niemals war nun wirklich keine Rolle spielte, besaßen die Niemande Uhren, die der Zeit in der Welt des Lichts angepasst waren. Alte Angewohnheiten ließen sich nun einmal schwer überwinden. Axel war verwundert, dass es immer noch so früh war. Nicht einmal sehr spät am Abend. Er hatte wirklich nicht sehr lange geschlafen. Vielleicht war das auch besser so. Er hatte seine tägliche Ration Alpträume gehabt, richtig? Sie würden heute Nacht bestimmt nicht wiederkehren. Nein, nein. So grausam konnte niemand sein. Nur eine Nacht ohne Träume, oh bitte, bitte, bitte... So oder so brauchte er jemanden, mit dem er reden konnte. Vielleicht über seine Träume, vielleicht über seine Unfähigkeit, über Roxas` Verrat hinwegzukommen, oder vielleicht auch über etwas völlig anderes, ganz egal, Hauptsache reden, Hauptsache seine eigene Stimme hören und die Stimme eines anderen, nur zur Bestätigung dafür, dass er noch existierte, er und die Welt um ihn herum, dafür, dass er nicht völlig den Verstand verloren hatte. Die Wahl zu treffen, wem er sich anvertrauen wollte, fiel ihm nicht sonderlich schwer. Erstens einmal war die Auswahl in diesem Schloss sowieso sehr begrenzt, hatte er nicht die Absicht, mit den Dämmerlingen ein Gespräch anzufangen. SO verzweifelt war selbst er noch nicht. Vielleicht kurz davor, aber noch nicht ganz. Es bestand noch Hoffnung. Zweitens würde er kaum mit Xemnas oder Saix reden können. Die beiden hielten sich einfach für zu wichtig. Xemnas höchstwahrscheinlich, weil er wichtig war, und Saix, weil er sich und die anderen glauben ließ, dass er Xemnas` Lieblingsberater war- Auch wenn Xemnas überhaupt keine Berater hatte. Das schien für Saix keine Rolle zu spielen, er konnte Illusionen gut aufrecht erhalten- vor allem sich selbst gegenüber. Der Rest... Nun, Xemnas schien seine Helfer unter dem Kriterium auszuwählen, dass sie möglichst wenig Persönlichkeit besaßen. Er konnte sich nicht vorstellen, dem hochmütigen Xaldin von seinen Problemen zu erzählen, oder dem abweisenden und kühlen Xigbar. Auch ein Gespräch mit dem Spieler Luxord konnte er sich schlecht vorstellen, und er hatte auch kein Interesse daran. Marluxia… Mit Marluxia hätte er vermutlich reden können, Marluxia war von seiner Art gewesen… Doch dieser war bedauerlicherweise an seinem eigenen Größenwahn zugrunde gegangen. Demyx... Nur Demyx kam für so etwas wie ein Gespräch in Frage. Demyx, der sich um ihn gesorgt hatte. Erst jetzt wurde Axel wirklich bewusst, wie sehr Demyx sich doch um ihn bemüht hatte. Er hatte erkannt, dass etwas mit Axel nicht stimmte, er hatte wahrscheinlich auch erkannt, was es war, das ihn bedrückte. >Demyx hat gespürt, dass Roxas anders ist, muss es gespürt haben, genau wie ich.< Demyx war zu ihm gekommen um ihn dazu zu bewegen, sich ihm anzuvertrauen, so wie Axel ihn einschätzte sogar aus völlig uneigennützigen Motiven. >Und ich habe ihn abgewiesen.< Er schüttelte den Kopf angesichts dieser Ironie. Als Demyx sich ihm angeboten hatte, hatte er, törichter Narr der er war, es nicht zu schätzen gewusst. Und jetzt, jetzt musste Demyx ihn satt haben. Und wer könnte es ihm verübeln? Aber er musste es versuchen. Demyx war der Einzige, der Einzige mit dem er vielleicht reden konnte. Der Einzige, der ihn verstehen konnte, vielleicht, nur ganz, ganz vielleicht. Axel zog seinen Umhang und seine Handschuhe an, löschte das Licht und trat auf seinen Korridor hinaus. Es gab keine Fenster in diesem Gang, noch nicht einmal Bilder, die Wände waren weiß und kalt und kahl. Auf dem gesamten Schloss lag ein Hauch der Unpersönlichkeit, passend zu seinen Bewohnern. Schnell durchquerte Axel den Korridor und erreichte das Treppenhaus. Was für eine absolut verrückte Idee, dachte sich Axel während er die weißen Marmorstufen herunterstieg. >Absolut hirnrissig. Ich weiß doch nicht einmal, ob Demyx in seinem Zimmer ist.< Er bog in einen weiteren Korridor ein. >Erstaunlich, wirklich erstaunlich, Axel.< Die Geräusche, die seine Füße auf dem harten Steinboden erzeugten, hallten an den Wänden wieder. >Er ist bestimmt nicht da. Ich mache den Weg umsonst. Ich sollte lieber in Korridor Dreizehn nach dem Rechten sehen. Oder in die Stadt gehen. Oder am Besten einfach wieder ins Bett...< Er erreichte weitere Stufen, die nach oben führten. >...Ja, ins Bett. Ich gehe zurück ins Bett... Ich kann ja beim Schlafen das Licht brennen lassen, haha…< Er erreichte den Korridor, in dem Demyx` Zimmer lag und blieb stehen. >Nun, seht her wohin mich meine Füße getragen haben…< Er war noch nicht sehr oft in diesem Teil des Schlosses gewesen. Der Gang, in dem er sich befand, besaß Fenster, aus denen man diese traumhafte Aussicht auf die Stadt der zertrümmerten Welten hatte, unter der Bedingung, dass der Regen und der Nebel sich soweit auflösten, dass man die Stadt erkennen konnte, verstand sich. Trotzdem... >Ich könnte Demyx fragen, ob er bereit ist, seine Räumlichkeiten mit mir zu tauschen…< Ein klein wenig aufgeregt ging Axel den Korridor entlang und stoppte vor der einzigen Tür. Sie sah aus wie seine eigene. >Könnte vielleicht daran liegen, dass in diesem Schloss JEDE verdammte Tür so aussieht wie meine eigene.< Er trat etwas ratlos von einem Fuß auf den anderen. So weit, so gut. Bis zu diesem Punkt hatte sein Plan wirklich hervorragend funktioniert. Er hatte das Schloss durchquert und die Tür zu Demyx` Räumen gefunden. Großartig. Er konnte nun entweder unverrichteter Dinge den ganzen Weg zurück gehen... oder an diese Tür klopfen. Axel kam sich vor wie der größte Vollidiot auf Erden. „Mhmm... Vielleicht geh ich einfach wieder.“ sagte Axel zu sich selbst. Er drehte sich um und ging zwei Schritte von der Tür fort. Dann drehte er sich mit einem Ruck wieder herum. >Wo soll das nur mit dir hinführen, Axel!< schalt er sich. >Du bist schlimm, einfach schlimm. Du hast diese blöde Idee gehabt, jetzt zieh sie auch durch!< Zögernd klopfte er an die Tür und wartete. Und wartete. Und wartete noch ein bisschen länger. Er klopfte erneut. Noch immer war keine Regung aus dem hinter der Tür liegenden Zimmer zu vernehmen. Langsam ungeduldig werdend begann Axel, wahllos in einem Rhythmus gegen die Tür zu klopfen. Immer noch nichts. „Demyx?“ fragte Axel und klopfte erneut. „Deeeemyx....“ Er trat gegen die Tür. “Geh endlich auf du verdammtes Ding!” Die Tür widersetzte sich seinem Befehl. Er seufzte. „Das war klar, das war so klar! Ich hab es ja von Anfang an gewusst.“ Er schenkte der Tür einen giftigen Blick. „Toll, alles umsonst. Warum wundert mich das nur nicht? Ich hab auch gar kein Glück.“ Aber... Vielleicht war es ohnehin besser, solche Angelegenheiten mit sich selbst zu regeln. Demyx aufzusuchen war eine wirklich dumme Idee gewesen. Ja, es war definitiv besser so. -*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*- „Ich habe auch gar kein Glück...“ murmelte Demyx, während er die Stufen hinauf stapfte. „Das war ja so klar!“ Nachdem er beschlossen hatte, einen letzten Versuch zu wagen, mit Axel zu reden, hatte er wirklich keine Zeit verloren und war geradewegs zu dessen Räumlichkeiten marschiert. Nun, nachdem er letztendlich gar gegen dessen Tür getreten hatte, musste er einsehen, dass sein Plan gescheitert war. Axel war nicht da, die Vöglein waren ausgeflogen. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam er auch zu dem Schluss, dass es vielleicht besser so war. Axel hatte ihm schon vorher genau klar gemacht, wie sehr er Demyx` Versuche, ein Gespräch mit ihm anzufangen, zu schätzen wusste... Ja, es war wirklich eine dumme Idee gewesen. Oh wie gut, dass Axel nicht da gewesen war, Demyx konnte sich wirklich glücklich schätzen! Er bog in den Korridor ein, in dem sein Zimmer lag… Und erstarrte. Wenige Schritte vor ihm stand eine Gestalt an einem der großen Fenster, die Hände auf dem Fensterbrett abgestützt. Den in den schwarzen Umhang der Organisation gehüllten, eigentlich unscheinbar wirkenden Niemand konnte man schon auf weite Distanz an seinem flammend roten Haar erkennen. Demyx` Augen wurden groß vor Überraschung. Er hätte wohl mit allem gerechnet, aber nicht mit Axel, der offensichtlich hier vor Demyx` Wohnungstür stand und auf dessen Rückkehr wartete... Aber Axel schien so in Gedanken versunken zu sein, dass es Demyx falsch erschien, ihn in einem solchen Moment zu stören. Ja, er fühlte sich wie ein Eindringling in die offenkundige Privatsphäre des anderen. Schon seltsam, dabei war dies Demyx` eigener Korridor... Für einen kurzen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, leise kehrt zu machen und den anderen noch ein wenig Zeit für sich selbst zu geben, doch da drehte sich der Rothaarige, der die Präsenz des anderen Niemands letztendlich doch wahrgenommen hatte, schon zu ihm um. Axel blickte sein Gegenüber ein wenig verblüfft und unsicher an. Verdammt, er hatte sofort in sein Zimmer zurück kehren wollen, stattdessen war er an das Fenster getreten und hatte sich, von den fallenden Regenmassen in Trance versetzt, in seinen eigenen düsteren Gedankengängen verloren. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Demyx so früh zurück kehren würde, von wo auch immer dieser gewesen war, und er war auf eine Konfrontation mit diesem nun überhaupt nicht mehr vorbereitet. „Ähm...“ Axel schluckte und trat unruhig mit einem Fuß auf den anderen. Dann fasste er sich und grinste Demyx nervös an. „Hallo Demyx... Was... was machst du denn hier?” Demyx hob eine Augenbraue. „Ich... Nun, ich glaube ich wohne hier...“ brachte er zögerlich hervor. Axel lachte verlegen und kratzte sich am Kopf. „Oh, tatsächlich?“ murmelte er mit gespielter Überraschung. „Das wusste ich ja gar nicht. Wenn dem so ist... Ich geh dann... mal wieder. Bis die Tage mal...“ Er drehte sich abrupt um und machte Anstalten, aus dem Korridor zu entkommen. „Axel!“ rief Demyx hinter ihm und Axel erstarrte mitten in der Bewegung. Innerlich fluchend drehte er sich wieder herum. „Ja bitte?“ fragte er betont beiläufig. „Warum bist du hier?“ Demyx blickte den Rothaarigen direkt an. „Ich... Nun, ich habe einen Spaziergang durchs Schloss gemacht, bin rein zufällig in diesem Korridor gelandet und fand die Aussicht so entzückend, dass ich nicht anders konnte als einen Augenblick zu verweilen.“ erklärte Axel flüssig. Eine zweite Augenbraue schoss in die Höhe, und Demyx maß Axel mit bedächtigem Blick. „Ich... glaube nicht, dass du rein zufällig hierher gekommen bist!“ sagte er nach einer Weile, seine Worte mit Vorsicht wählend. Demyx wusste, dass dies seine Chance war… Seine einzige Chance, etwas an Axels und seinem Verhältnis zueinander zu ändern. „Ich glaube, du wusstest genau, dass ich hier wohne.“ „D- Das stimmt nicht!“ brachte Axel hervor. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Hierher zu kommen war ein absoluter Fehler gewesen und er wollte nichts lieber, als sich schnellstmöglich aus der Affäre zu ziehen. Demyx grinste, so als hätte er Axels Gedanken gelesen. „Du bist nicht zufällig hierher gekommen, weil du mit mir reden wolltest?“ Blut schoss in Axels Gesicht angesichts Demyx` Scharfsinnigkeit. „N- Nein!“ Er blickte verlegen zu Boden und sagte nichts mehr. Demyx` Mundwinkel zuckten. Er verkniff sich mühsam das Lachen, aus Angst, Axel damit endgültig aus der Fassung zu bringen und eventuell zu verärgern. Stattdessen versuchte er es mit Ehrlichkeit. „Axel, weißt du, warum ich nicht hier war?“ Axel reagierte nicht. „Ich war bei deiner Wohnung, um zu sehen ob du da bist.“ Axel hob den Blick und sah Demyx überrascht an. „Du...“ „Ja. Was ein komischer Zufall, oder? Ich... wollte dich fragen, ob du vielleicht etwas hast, über das du reden möchtest.“ ergänzte er hoffnungsvoll. Axel senkte erneut den Blick und schluckte. Seine Gedanken rasten. Wenn es stimmte, dass Demyx genau dieselbe Absicht gehabt hatte wie er, dann war es vielleicht okay… Vielleicht war es in Ordnung, dass die beiden miteinander redeten. Andererseits fühlte Axel sich momentan gar nicht mehr so schlecht wie noch kurze Zeit zuvor, er hatte die Furcht vor seinen Alpträumen und seine selbstzerstörerischen Gedanken in den Schatten seiner Wohnung zurück gelassen. Hier auf diesem Korridor schien ihm das alles gar nicht mehr so schlimm. Er hatte überreagiert, und wenn er Demyx davon erzählte, würde dieser ihn nur auslachen und als Feigling abstempeln. Das konnte Axel nicht riskieren. Das war nicht sein Stil. Er hatte, im Gegensatz zu manch anderem - Namen sollen an dieser Stelle nicht genannt werden -, einen Ruf zu verlieren. Er fasste sich und grinste Demyx gelassen an. „Demyx,“ seufzte er. „Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen. Wirklich. Aber ich brauche niemanden zum reden. Ich komme gut mit mir alleine klar.“ Demyx runzelte zweifelnd die Stirn. „Und mir fehlt nichts.“ fuhr Axel unbeirrt fort. „N-I-C-H-T-S, kannst du dir das merken?“ Demyx schnaubte verärgert und rollte mit den Augen. „Klar, schon verstanden!“ Er drehte sich zu seiner Wohnungstür um und machte Anstalten, sie zu öffnen. Er war frustriert. Wirklich, wirklich frustriert. Ein Blinder mit Krückstock hätte erkennen können, dass Axel Probleme hatte, und dass er sich mehr als alles andere nach jemandem sehnte, der ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. Der ihm half. Und Demyx war da, und Demyx war bereit, Axel zu helfen, aber wie konnte er das tun wenn Axel zu sehr damit beschäftigt war, besorgt um seinen Ruf zu sein, der in dieser Organisation doch sowieso keine Rolle spielte, um sich helfen zu lassen oder sich seine Schwächen einzugestehen. Wie Demyx so etwas hasste… So etwas passierte, wenn man sich selbst von der Meinung anderer abhängig machte, wenn man sich von selbst auferlegten Zwängen versklaven ließ. “Die Hölle, das sind die anderen.” murmelte er vor sich hin, während er seine Wohnungstür öffnete. Wer nicht wollte, der hatte eben schon. „W- warte!“ meldete sich Axels Stimme hinter ihm. Überrascht hielt Demyx in der Bewegung inne und blickte über die Schulter zu Axel zurück. „Warte...“ sagte Axel noch einmal. Er hatte Demyx einfach nicht gehen lassen können. In dem Moment, in dem Demyx sich umgedreht hatte, hatte Axel gewusst, dass dies wahrlich die letzte Chance war. Irgendwie hatte er gefühlt, dass es hierbei um mehr ging als um sein Wohlbefinden. Um weit mehr. Er musste seinen Stolz ablegen, er musste es irgendwie schaffen, ... menschlicher zu werden. Aber wo sollte er beginnen? Was sollte er tun? Was konnte er sagen? Wie begann man ein Gespräch? Er hatte auf seinen Missionen in der Welt des Lichts Gespräche verfolgt, Unterhaltungen über Dies und Jenes gelauscht, Smalltalk hatten die Menschen das genannt, aber er wusste nicht, ob er selbst zu etwas Derartigem imstande war, und vor allem wusste er nicht, worüber sich Niemande unterhalten konnten. Er sah Demyx` wartenden Gesichtsausdruck und sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam. „D- Du hast --Geschlossene Gesellschaft-- gelesen?“ Demyx` Gesicht nahm einen verblüfften Ausdruck an, bevor seine Züge sich erhellten und er sich vollends zu dem Anderen herumdrehte. „Ich... ich habe das Zitat erkannt...“ setzte Axel hinterher. „Die Hölle, das sind die anderen...” wiederholte Demyx. “Es ist ein sehr gutes Stück.“ „So ist das!“ zitierte Axel, froh darüber, eine Unterhaltung begonnen zu haben. Demyx fing an zu lachen. „Was ist so lustig?“ fragte Axel, verunsichert. „Nichts!“ antwortete Demyx schnell und drängte das Lachen zurück. „Ich wundere mich nur, dass du das Stück gelesen hast. Ausgerechnet Sartre. Du schienst mir nicht der Typ dafür zu sein...“ „Ach nein?!“ empörte Axel sich theatralisch. „Nein...“ sagte Demyx. „Du schienst mir eher so... der Mann fürs Grobe.“ Diesmal musste Axel lachen. „Nun, mein Ruf eilt mir voraus. Aber du liegst völlig falsch.“ Demyx lächelte. „Und ich dachte, ich wäre der Einzige in diesem Schloss, der ein bisschen was für Kultur übrig hat.“ Axel erwiderte das Lächeln. „Nun, da kennst du mich aber reichlich schlecht.“ „Das rührt vielleicht daher, dass du niemandem eine Chance gibst, dich näher kennen zu lernen.“ sagte Demyx vorsichtig, immer noch lächelnd. Axel verzog das Gesicht. „Vielleicht hast du recht.“ gab er nach einer Weile zögerlich zu. Eine Zeit lang blieben die beiden auf dem Korridor stehen, bewegungslos, in Schweigen gehüllt. Aber es war kein durch und durch unangenehmes Schweigen. Sie hatten so etwas wie eine stille Übereinkunft getroffen, für eine Weile nicht zu sprechen und die eigenen Gedanken und Gefühle zu ordnen. Schließlich löste sich Demyx aus der Erstarrung und ging zu seiner Wohnungstür. Er öffnete sie und blickte zu Axel zurück. Einladend wies er auf die offene Tür. „Willst du mir eine Chance geben?“ fragte er beinahe sanft und lächelte. Axel lächelte zurück. TBC __________________ Anmerkung des Autors: Geschlossene Gesellschaft von Sartre ist echt ein tolles Stück. Für alle, die es nicht kennen und die es interessiert: Ein Mann und zwei Frauen sind nach ihrem Tod für die Ewigkeit in einem Raum gefangen. Das ist die Hölle, da die drei sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben und sich seelische Schmerzen zufügen, was schlimmer ist als Scheiterhaufen und Pfähle. Darum auch das Zitat "Die Hölle, das sind die anderen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)