Just friends von Feuerlotus (Seltsame Wege geht die Liebe) ================================================================================ Kapitel 1: Gute Freunde, Schlechte Freunde ------------------------------------------ 1. Kapitel: Gute Freunde, Schlechte Freunde Ich laufe über den Markt. Die Stände sind voller Nachkram, Klamotten und Spielzeug für kleine Kinder. Die Wege sind total überfüllt. Die Menschen schupsen hin und her. Als wenn ihnen jeden Moment jemand das Beste vor der Nase wegkaufen würde, also ehrlich. Und dann immer dieser Lärm bei Menschenansammlungen… Plötzlich eine Melodie aus meiner Hosentasche. Seltsam ich hätte Schwören können ich hätte mein Handy zu Hause gelassen. Verwirrt öffne ich die vom Schlaf verklebten Augen. Was? Schon wieder aufstehen? Ich bringe den Wecker zum Schweigen und dreh mich erst noch mal um. Nur noch fünf Minuten… “Vera, aufstehen! Du kommst sonst zu spät!” Wie grausig sich die Stimme der eigenen Mutter anhören kann. “Ich komm ja schon!” Mühsam setzte ich mich auf und taste nach dem Lichtschalter. Klapp! Scheiße ist das hell! Ich werfe die Decke zurück. Nächster Schock. Ist meine Heizung jetzt endgültig am Arsch oder was? Ich schlurfe zum Kleiderschrank. Kurz überlege ich was ich tragen soll, bis mir wieder einfällt das ja sowieso fast alles schwarz ist. Dann soll’s eben ein Pulli und ne Hose sein, als wenn`s jemanden interessieren würde. Ich packe den Mp3-Player weg und schau mich in der Aula um. Da hab ich sie entdeckt. Drei bunte gestalten die fröhlich auf einander losquatschen. Ein leichtes Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. “Hey Leute!” “Na, Vera! Du siehst schon wieder total verpennt aus!” Typisch Jana, ne andre Begrüßung kennt die nicht. “Immer noch besser als verschmierter Lippenstift am Kinn!” “Was? Mensch der Junge kann’s einfach nicht lassen! Hat mal wer einen Spiegel, ich muss…” “Mensch das war ein Scherz. Hast du denn schon wieder nen neuen Typen?” “Jaah! Du kennst doch…” Menschenskinners! Alle drei Tage einen Neuen, wie hält man das nur aus? Und dann heult sie uns wieder die Ohren voll wenn ihre “große Liebe” sie wegen einer Anderen sitzen gelassen hat. Naja aber was soll’s… wenn man seit 6 Jahren befreundet ist macht der Tick auch nichts mehr aus. Ding, Dang, Dong. Und ab in die nächste Mathestunde! Wie ich dieses Fach liebe. Würg. “Und was hast du am Wochenende vor, Vera”, flüstert Gina. “Mmh. Mal schauen. Und du?” “Hast du vielleicht Lust mit ins Kino zu kommen? Da war ich lang nicht mehr.” Klar! Wann geht’s los? “Wieso nicht? Kommt sonst noch jemand mit?” “Vielleicht die andern beiden?” Ein kurzer Blick nach recht, wo Nina und Jana sitzen. “Ich glaube nicht dass Jana dieses Wochenende Lust hat. Wo sie doch ihren neuen Freund hat.” Ich ziehe eine Grimasse. Gina grinst. Warum macht sie das nur so selten? Sieht doch schön aus! “…Woche?” “Äh, was hast du gesagt?” “Ich meinte dass Nina demnächst ja auch noch mal mit ein paar Leuten aus meiner alten Klasse treffen wollte. War das nicht diese Woche?” Nina und Gina waren vorher auf einer anderen Schule. Gina kam jetzt erst in der achten. Nina ist schon seit der fünften bei uns. “Kann schon sein.” Ding, Dang, Dong. Endlich Wochenende!!! Ich bin eine der ersten die aus der Tür läuft. Draußen drehe ich mich aber noch mal um, um auf Gina zu warten. “Nina kommt mit. Das war erst nächste Woche!” “Okay, also morgen um 10 am Bahnhof?” “Alles klar bis dann!” Ich schaue auf die Uhr. Schon zwanzig nach sieben. Karina wollte doch schon um sieben hier im Café auf mich warten. Noch fünf Minuten dann geh ich! Ich trinke meine Cola aus und stehe auf. “Waah! Spinnst du!”, Karina ist mir von hinten auf den Rücken gesprungen. Ich taumle noch ein Mal nach rechts und kann mich dann noch fangen, bevor wir beide auf den Tisch stürzen. “Sorry, dass ich so spät bin. Hey ich will dir jemanden vorstellen. Das ist Elena! Wir sind seit einer Woche zusammen!” Ach daher weht der Wind. Karina ist schon ne Lesbe seit ich sie kenne. Gut, das ist jetzt erst ein gutes Jahr her, aber was soll’s? “Hi. Ich bin Vera.” Ich strecke mein Hand Elena entgegen. “Hi.” “Bääh, das ist ja nicht mit anzusehen! Seid ihr jetzt auf einmal so schüchtern? Sich die Hand geben! Also…” “Ist ja schon gut Kah! Das nächste Mal werden wir ne Runde knuddeln!” Ich setze ein breites Grinsen auf, während ich auf Karinas Reaktion warte. Und werde nicht enttäuscht. Kah macht große Augen und dann bricht es los. “Finger weg von meiner Freundin hörst du! Sonst…” Ich bin in schallendes Gelächter ausgebrochen und auch Elena grinst breit. “Was…?”, stammelt Kah. “Och, komm schon du weißt doch ganz genau das ich sie dir nicht wegnehmen werde! Aber deine Reaktion ist einfach zu schön!” “Ach stimmt ja, dieses Hetenpack erkennt ja nie die wahre Schönheit des eigenen Geschlechts.” Das hat gesessen, schlagartig höre ich auf zu grinsen. “Bist du heute aber fies drauf. Erst kommst du zu spät und dann beleidigst du mich auch noch. Ich glaub ich geh wieder!” “Sei nicht gleich so eingeschnappt. Du bist doch nur eifersüchtig, weil du nie einen Abkriegst!” Elena will sich direkt für Kah entschuldigen, aber ich schneide ihr das Wort ab, bevor sie wirklich zu Wort kommt. “Ich keinen Abkriegen? Wenn ich wollte würde ich sofort einen haben! Aber ich hab keinen Bock auf dieses Teenie Getue, von wegen große Liebe für zwei Wochen! Und außerdem bist du doch auch nur Lesbe, weil die Typen sich nicht für dich interessieren!” “Hey du hast doch keine Ahnung!…” “Ach, leck mich doch!” Ich dreh mich auf dem Absatz um und laufe aus dem Kaffee. Wegen mir soll Kah meine Rechnung bezahlen. Hat sie nicht anders verdient! Soll sie doch mit ihrer Elena glücklich werden. Das ist einfach nicht fair gewesen. Plötzlich stehe ich vor Ginas Tür und drücke schon auf die Klingel. Jetzt erst bemerke ich dass mir Tränen über das Gesicht laufen. Ist mir der Streit wirklich so nah gegangen? Die Tür öffnet sich. “Heey, Vera. Was ist denn mit dir passiert?” “Kann ich reinkommen?” “Äh, klar doch.” Wir setzen uns ins Wohnzimmer, Gina ist anscheinend allein. Sie stellt ein Glas Wasser für mich auf den Tisch. “Danke…” Sie nimmt mich erstmal in den Arm und drückt mich ganz fest. Mmh, das tut gut. Mir wird warm, war es so kalt draußen? Und ich fühle mich direkt besser. Nach ein paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen lässt sie mich wieder los. “Erzählst du mir jetzt was passiert ist?” “Mmh… Ich hab mich mit Karina gestritten. Sie kam mit ihrer neuen Freundin an…” “Ja, und weiter?” “Naja, dann ging’s so hin und her von wegen Hete und Lesbe und so. Ich wollte mich eigentlich gar nicht mit ihr streiten. Aber ich war so sauer das sie mich so lange hat warten lassen. Ich glaub sie spricht nie mehr ein Wort mit mir.” “Das hört sich aber nicht so gut an.” Ich trinke einen Schluck. Gina drückt tröstend meine Hand. Wieder breitet sich wärme in meinem Bauch aus. Wie schön es doch ist auch Leute zu haben mit denen man sich Wortlos versteht. “Du solltest noch mal mit ihr reden und dich entschuldigen. Jetzt guck mich nicht so entgeistert an! Du willst doch auch das ihr Freunde bleibt oder etwa nicht?!” “Jaah, schon aber…” “Nichts aber! Sie wird es schon verstehen und sich wahrscheinlich auch entschuldigen. Aber wie ich euch beide kenne wäret ihr in zwei Tagen zu Stolz euch zu entschuldigen und dann kann ich euch auch nicht mehr helfen. Jetzt ziehr dich nicht so. Das wird schon schief gehen.” Während sie redete gestikulierte sie wild mit den Händen in der Luft herum. Jetzt zog sie mich damit von der Couch hoch und schob mich zum Telefon. “Na los! Ruf sie direkt an sonst tust du’s ja doch wieder nicht!” Ich seufze tief. Immer dieser Enthusiasmus. “Sie ist doch bestimmt eh nicht zuhause.” “Das wissen wir erst wenn wir es ausprobiert haben! Außerdem bin ich ja bei dir!” Sie setzte wieder ihr grinsen auf. Und während ich wählte, legte sie die Ellenbogen auf meiner Schulter ab und legte dann ihren Kopf auf ihre Arme. Den Hörer am und das tuten im Ohr spürte ich ihren warmen Atem in meinem Nacken. Ein Heiß-kalter Schauer läuft wohlig meine Rücken hinunter. Dann krachen in der Leitung, man jetzt wäre ich fast zusammengezuckt! “Hallo.” “Hey, Kah. Leg jetzt bitte nicht auf! Ich w…” “Das du überhaupt den Mut hast auch noch anzurufen! Hat dir das eben nicht gereicht!” “Hey! Ich rufe an um mich zu entschuldigen!” “Du?! So kennt man dich ja gar nicht!” “Ich hätte dich nicht so anschnauzen sollen. Aber ich war schon so angepisst, weil du so spät kamst. Ich hab wahrscheinlich überreagiert.” Stille. Der Atem in meinem Nacken hat sich verändert. Meine Güte jetzt grinst die auch noch! Ich kaue auf meiner Unterlippe rum und schließe die Augen. Irgendwie ist die wärme am Rücken angenehm. “Ein bisschen ist untertrieben. Naja, ich war vielleicht auch ein bisschen gemein. Aber ich war so mit Elena beschäftigt das ich die Zeit vergessen hab.” Gina geht zum Tisch und nimmt ihr Glas in die Hand. Plötzlich wird’s kühl in meinem Rücken. “Erspar mir die Einzelheiten, ja? Vergessen wir das ganze Okay?” Wieder Stille. Gina schaut mich an und zieht eine Augenbraue hoch. Ich zucke mit den Schultern. “Jaah, vergessen wir das Ganze.” Stille. “Äh, gut.” Gina legt jetzt über meine Schulter von hinten das Ohr an den Hörer. Ich schließe die Augen. Die plötzliche Kälte wandelt sich wieder in Wärme. “Ich… ähm ich muss wieder auflegen. Also wir sehen uns.” “Äh, gut bis dann.” Tuut, tuut, tuut. Und schon wieder verschwindet die Wärme aus meinem Rücken. Erst jetzt öffne ich die Augen und blicke in die Kristallblauen von Gina. Die schaut mich etwas verdutzt an. “Mensch, das ihr zwei befreundet seid scheint dir ja sehr viel zu bedeuten.” Verwirrt schaue ich zurück. Kapitel 2: Stadtbummel ---------------------- 2. Kapitel: Stadtbummel Die Gitarre rauscht mir in den Ohren. Kann einfach nicht aufhören zu spielen. Warum bin ich so sauer? Was war das nur vorhin? Versuche mich besser auf den Takt meines Liedes zu konzentrieren. Aber immer wieder weichen meine Gedanken ab. Was hatte Gina damit gemeint, mir würde die Freundschaft viel bedeuten? Mein Gott hat sie gemerkt wie schön ich’s fand als sie sich an mich gelehnt hat? Warum eigentlich? Sie hat mich doch nur ein bisschen unterstützen wollen. Diese blauen Augen genau vor meinen. Mein. Gott! Was. Ist. Nur. Los. Mit. Dir. Vera? “VERA! HEY! VERAAA!” meine Mutter zieht den Stecker des Gitarren-Verstärkers. “Bist du bekloppt!? Wir haben schon halb neun und du machst hier so’n Krach! Lass den Blödsinn!” Langsam schaue ich hoch. “Ja, ja”, murmel ich vor mich hin. Klapp! die Tür zu. Ich lasse mich zurückfallen. Das Gewicht meiner Gitarre auf meinen Bauch. Den einen Arm unter meinem Kopf, der andere spielt an den Gitarrensaiten rum. Gina… Pip piep! Pi piep! Hä der Wecker, wir haben doch Wochenende? Hm. Oh, mein Handy! Ich krame unter meinem Kissen rum. Ah, da ist es ja! “Hallo?” “Vera? Wo bleibst du denn? Der Zug kommt in 10 Minuten.” “WAS!”, ein kurzer Blick auf meinen Wecker. “Scheiße! Total verpennt! Ich komme!” “Schaffst du das denn noch?” “Keine Ahnung… wenn ich noch nicht da bin steigt noch nicht ein, ja?” “Ist gut…” Tuut, tuut. Ich springe auf. Wühle in meinem Schrank und habe mich in Rekordzeit umgezogen. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Zähneputzen muss ausfallen. Zieh mir die Chucks über. Schnürsenkel müssen offen bleiben. Haste aus der Tür. Halt! Meine Jacke! Noch mal an die Garderobe. Wieder aus der Tür raus. Schmeiße sie hinter mir zu während ich mir im laufen die Jacke anziehe. Völlig außer Atem komme ich am Bahngleis an. Gina und Nina winken mich ran. Sie machen die Zugtür noch mal auf und steigen ein. Ein Sprung und ich bin im Zug. Ich komme auf den Boden auf und muss eine Ausfallschritt machen um nicht umzufallen. Krach! “Au!” Dank meiner offenen Schnürsenkel doch noch der Länge nach aufgeschlagen. Rechts und links von mir zwei weitere Paar Chucks. Ich stemme mich hoch und schaue in die lachenden Gesichter von Gina und Nina. Ich fahre die Lippen mit meiner Zunge nach. “Wenigstens bin ich noch rechtzeitig!” Jetzt prusten die beiden erst richtig los. Schmollend stecke ich mir die Kopfhörer meines Mp3-Players in die Ohren. Ich sehe die beiden noch ein paar Witze über mein Missgeschick reißen. Komisch. Irgendwie kann ich gar nicht richtig böse sein. Stimme schließlich in das Gelächter ein. Nehme wieder einen Stöpsel aus meinem Ohr und alles ist vergeben. Dank meiner Abhetzterei kommen wir sogar noch pünktlich zum Film. Gina sitzt in der Mitte und hält das Popkorn, Nina links und ich Rechts. Gespannt schauen wir auf den Film, Rush Hour 3. Immer wieder stoßen meine und Ginas Hände aneinander. Beim sechsten oder siebten Mal grinsen wir uns von der Seite an. So schönes Lächeln. Mein lächeln verschwindet blitzartig und ich schaue wieder auf die Leimwand. Sehe aber nichts. Sag mal was ist los mit mir? Sie lächelt so schön? Pah! Gedankenverloren stopfe ich weiter Popkorn in meinen Mund. Alle lachen. Worüber? Ach, genau der Film! Wieder stoßen unsere Hände zusammen. Mein Atem geht flacher. Schaue Gina wieder von der Seite an. Sie guckt zu mir rüber und zieht eine Augenbraue hoch. Ich mache eine Wegwerfende Handbewegung. Schon gut. Den Rest des Filmes kriege ich nur noch halb mit. Ich glaub den muss ich mir noch mal ansehen. Wir gehen eingehakt über den Marktplatz. “… und wie der immer wieder das Seil losgelassen hat!” “Jaah, und das Mädel hat dann immer so komisch geguckt!” Lachen. Keine Ahnung was damit gemeint war. Ich lache trotzdem mit. Ob es mitlerweile echt klingt? Habe schließlich langsam übung darin zu lachen wenn mir gar nicht danach ist... Muss ja nicht immer jeder gleich wissen was in mir vorgeht. “Hey, gehen wir noch zum McDonald? Ich hab Hunger.” “Dir kann das fettige Zeug ja nichts anhaben Vera”, sagt Gina und guckt an sich runter. “Ha, aber dir oder wie? Du bist doch nicht dick!” “Ich bin auch für McDonald, du bist überstimmt Gina!” Also ziehen Nina und ich Gina hinter uns her, an die kleine Theke. Mampfend quatschen die beiden noch was über den Film. Ich mustere Gina. Was regt die sich denn auf? Wo soll die denn Fett sein? Ist doch ne schöne Figur. Flacher Bauch, schöne Beine, passende Brüste. “Hey, Vera?” “Hm-hm” “Von was träumst du denn?” “Hey, Nina von WEM wäre wohl eher die richtige Frage!” Beide grinsen mich wieder an. “Was ist denn jetzt?”, setzte ich an. “Ha! Siehst du ich hab richtig gelegen!” “Wer ist denn der Glückliche?” “Verrat ich nicht!”, grinse zurück. “Ne, mal im ernst, was war?” “Gina wollte nur wissen ob wir noch in den Clockhouse gehen.” “Meinst du im ernst das die noch was haben, was Gina noch nicht hat?” Als wenn die nen Clockhouse bräuchte um in ihren Klamotten gut auszusehen, der steht doch alles! “Hey! So viele Klamotten hab ich nun auch wieder nicht. Aber ich hab gehört die hätten neue Krawatten da, und auf die stehst DU doch so!” “Ja, ist ja gut. Kein Problem, gehen wir halt in den Clockhouse.” “Guck mal, wie gefällt dir das?” “Och, Nina du weißt doch das ich kein Rosa mag!”, murmel ich vor mich hin. “Pink ist doch gar nicht soo anders!” “Ja, aber trotzdem cooler!” “Hey, ihr Zwei, dann einigt euch doch auf ne andere Farbe. Was ist mit dem Türkisen da?” “Schon besser!” “Ach komm. Das Rosane ist schöner!” “Nimm doch das Rote”, schlage ich vor. “Hm. Ich glaub ich nehm beide!” “Tss. Dann eben so.” “Du scheinst es ja nicht mehr nötig zu haben dich schön zu machen!”, plappert Nina. “Was? Wieso?” “Sonst hättest du doch nicht so verträumt geguckt, vorhin!” “Ach komm schon. Da ist nichts.” “Vera, steh doch zu deinem Freund!”, grinst Gina von der Seite, beladen mit Tops und Röcken. Ich probiere vor dem Spiegel die nächste Krawatte aus. Ich seufze. “Da ist wirklich keiner, Leute. Wenn’s soweit ist sag ich euch als erstes bescheid, versprochen!” “Sehen wir ja dann.” Gina legt mir von hinten eine andere Krawatte um. “Die sieht viel besser bei dir aus!” “Meinst du?” “Ja. Oder hat der Karofreak plötzlich was gegen Sternchen?” “Karofreak?” “Jaah, guck dich doch mal an.” Ich schaue an mir Runter. Karierte Stulpen. Karierte Krawatte. Schottenrock. Chucks mit Karomuster. Auf meinen Füßen bleibt mein Blick kurz stehen. Ich kriege leicht rote Wangen. “Na und?” Ich blicke wieder hoch und sehe neben meinem Gesicht direkt das von Gina, die schon wieder losprustet. Bis grade hatte ich gar nicht gemerkt wie nah sie mir war. Ich werde noch roter im Gesicht. Als Gina sich endlich wieder eingekriegt hat schlurfen wir zur Kasse. Gina mit fünf Tops, einem Rock und zwei Haarreifen. Nina ein T-Shirt und zwei paar Ohrringe und ebenfalls ein Top. Und ich schlurfe am Schluss. Nur mit der Sternchen-Krawatte in der Hand. “Sag mal. Warum kauft ihr euch im Winter eigentlich Tops?” “Weil die da halt billiger sind!”, meint Nina. “Außerdem könnten die im Sommer ja schon aus dem Programm genommen sein”, ergänzt Gina. “Aber euch gefällt nach einem halben Jahr doch gar nicht mehr was ihr da gekauft habt. Und dann schmeißt ihr es wieder weg und hattet es vielleicht gar nicht an!” Irgendwie geht es mir nicht in den Kopf wie manche so verschwenderisch mit ihren Klamotten umgehen können. “Das, Vera, ist das Privileg der Frauen!”, erklärt Gina während ihre Sachen über den Scanner gezogen werden. “Was? Huch ist das ein tolles T-Shirt. Einmal getragen und dann, Mensch dieser alte Fetzten! Wie kann man so was nur tragen? Tss.” “Ach komm schon. Gönn uns doch mal was, du Geizkragen.” “Wahrscheinlich färben die Schottenmuster ab”, mischt sich Nina ein. Ich ziehe eine Schnute, bin ich wirklich so schlimm? “Ach was. Naja solange ihr nicht MEIN Geld verprasst.” “Nö, keine Sorge. Nur Papis!” Wieder wird gelacht. Arme Papis, ja ja. Im Zug, auf dem Rückweg sitzen wir in einem Vierer. Gina hat ihren Kopf gegen meine Schulter gelehnt. Lächelnd schaue ich zu wie ihre Augen immer kleiner werden. Mit klopfenden Herzen streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. “Wenn das so weitergeht, bist du gleich eingeschlafen”, sage ich um sie ein bisschen Aufzuziehen. Sie behauptet immer von sich, dass sie während einer Fahrt, ob mit Bus, Zug oder Auto, nicht schlafen kann. “Hm! Ach quatsch!”, dann plötzlich wieder wach geworden: “Apropos schlafen! Ich wollte euch schon die ganze Zeit fragen ob ihr nicht heute Nacht bei mir pennen wollt. Schlafzeug haben wir ja da!” “Wenn ich ne Dusche krieg gerne. Ich hatte ja heute keine Zeit, ich musste ja zum Zug sprinten!” Die beiden lassen ein kurzes Kichern hören. Gina setzt sich wieder richtig auf und ich vermisse das Gewicht an meiner Schulter. “Das war aber auch zu komisch, wie du dann auch noch auf die Fr…” “Ja, Nina. Erinnere mich nicht dran. Sonst tut’s wieder weh!” “Aber immerhin warst du anschließend wach, oder?” “Jedenfalls wacher als vorher. Ich ruf mal eben meine Mom an. Wenn die mitkriegt das ich ohne was zu sagen bei dir penne, kriegt die wieder einen Anfall.” “Ist gut. Und du Nina. Willst du nicht auch anrufen?” “Oh, klar! Ähm, kann ich dein Handy benutzen? Meine Karte ist leer.” “Gut, wer schläft mit im Bett und wer geht auf die Couch?”, fragt Gina. “Ich geh auf das Sofa, da hab ich wenigstens Platz um mich langzumachen!”, ergreift Nina sofort das Wort. “Meinetwegen. Äh, hast du einen Schlafanzug für mich? Dann könnte ich nämlich schon mal duschen gehen.” Gina schlurft zum Schrank. “Hm, der müsste dir eigentlich passen. Mach aber nicht zu lange, ich will auch noch ins Bad.” “Kein Problem. Bin gleich wieder da!” Ich schlüpfe durch die Tür im Badezimmer und schließe sie hinter mir. Kein Schlüssel? Seit wann das denn? Naja auch egal. Ich drehe die Dusche an. Eine ganze Nacht in Ginas direkter Nähe! Ich gehe unter die Dusche. Das Wasser läuft meinen Rücken und Bauch runter. Ich schließe die Augen, während ich das Shampoo auf meinem Kopf verteile. Ich habe schon ewig nicht mehr mit Gina in einem Bett geschlafen. Das letzte Mal, war an Ninas 13. Geburtstag. Fand ich es damals auch so schön? Ich freue mich richtig darauf, dabei pennen wir doch einfach nur. Ich reibe mich gründlich mit Duschgel ein. Nichts könnte peinlicher sein, als gleich auch noch unangenehm zu riechen. Gina hat immer so einen angenehmen Geruch nach Blüten. Wann ist mir das eigentlich aufgefallen? Vorhin im Zug, als sie an meiner Schulter lehnte? Ich drehe das Wasser aus und trockne mich gründlich ab, schlüpfe anschließend in den Schlafanzug. Er ist mir etwas zu groß. Er riecht angenehm nach Waschpulver und nach… Ja, was? Gina. Eindeutig dieser Blütengeruch. “Das Bad ist wieder frei”, sage ich während ich Ginas Zimmer betrete. Ich setze mich zu ihr auf das Bett. “Gut. In fünf Minuten bin ich wieder da!” Die Quatscherei wurde immer weniger, und Ninas Atem immer ruhiger, während meiner immer flacher geht. Ich liege auf der Seite und Ginas Stirn ruht an meinen Schulterblättern. Ich glaube sie ist auch eingeschlafen. Ich höre sie seufzen, dann rückt sie im Schlaf etwas näher. Mein Herz pocht so laut das ich glaube sie müsste gleich davon aufwachen. Jetzt spüre ich ihre Zehen an meinen Waden und ihr Duft steigt wieder in meine Nase. Ich schließe die Augen und versuch mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Habe ich langsam das Geld für eine neue Gitarre zusammen? Nach dem heutigen Tag wohl eher nicht. Ich hab schon wieder viel zu viel ausgegeben. Soll ich morgen die Sternchenkrawatte anziehen. Gina fand sie doch so toll. Was würde ich dafür geben, einmal in ihren Kopf zu schauen. Vielleicht kann sie mich ja gar nicht so gut leiden wie sie immer behauptet… Ach quatsch! Wieso sollte sie mich nicht leiden können? Sie hat meine Freundschaft mit Kah gerettet und außerdem übernachten wir im gleichen Bett! Jemand der einen nicht leiden kann, schläft nie mit ihm in einen Bett! Der Körper hinter mir schien völlig entspannt zu sein. Natürlich vertraut sie mir! Sonst wäre sie nicht so schnell eingeschlafen. Was mache ich eigentlich hier? Das ist doch nur eine Übernachtung wie jede andere auch. Da kann der Atem in meinem Nacken auch nichts dran ändern. Plötzlich laufe ich rot an. So nah waren wir uns ewig nicht mehr! Damals kannten wir uns ja noch nicht mal so wirklich. Sie war erst seit gut zwei Wochen in unserer Klasse, vorher hatte ich sie nur schon mal bei Nina gesehen. Das rattern wird weniger in meinem Kopf. Verstanden haben wir uns aber von Anfang an. Während mein Kopf immer schwerer wird erinnere ich mich mehr an unsere erste Begegnung. Zwei Teenager die sich schon für erwachsene Frauen hielten. Was wir alles für scheiß angestellt haben! Schließlich dämmere ich doch weg. Träume wieder von der ersten Zeit als sie in unsere Klasse kam. Damals strahlten ihre Augen einen kristallblauen Blitz aus, der jeden warnte mit ihr Späße zu treiben. Kaum eine Woche später war sie ein volles Mitglied unserer Clique. Wir haben alle möglichen Cafés probiert und schließlich unser Lieblingscafé gefunden. Als erwachsene Frau geht man in Anständige Cafés, auch wenn wir den Geschmack eines richtigen Kaffees noch nicht ausstehen konnten. Gina und ich sitzen im Café und warten auf irgendjemanden. Die Zeit zieht sich hin und ich lege meine Hand auf ihre. Sie blickt mich an und ich beuge mich langsam vor. Ich schließe meine Augen. Ich fahre langsam mit meinen Fingern ihren Arm hoch. Ich komme ihren Gesicht mit meinem immer näher und dann öffne ich leicht meine Lippen… Halt! Das haben wir doch nie gemacht! Ein Zischen entfährt meinen Lungen. Was hatte ich in dem Traum gemacht? Was war passiert? Ich bin doch davon Aufgewacht. Ich kämpfe noch einen Moment mit meiner Müdigkeit. Ich will doch wissen was ich da für einen Blödsinn geträumt habe! Dann übermannt mich der Schlaf doch. Und diesmal ist es ein ruhiger, traumloser schlaf. Kapitel 3: Vertrauen und Ängste ------------------------------- 3. Kapitel: Vertrauen und Ängste Als sie aufwachte bemerkte sie die Füße des anderen Mädchens an ihren Waden. Vera lag da, halb eingerollt und stetig ein und ausatmend. Sie öffnete langsam die verklebten Augen, nur um sie gleich wieder zuzumachen. Das gleißende Licht der Sonne blendete sie. //Wie spät es wohl ist?//fragte sie sich. Sie streckte sich kurz und überlegte dabei ob sie ihre zwei Freundinnen aufwecken sollte. Aber wozu? Sie würden nur etwas Unverständliches von sich geben und weiterschlafen. Sie hörte Vera etwas unverständliches Murmeln, bevor es wieder still wurde. Sie schien ziemlich erschöpft zu sein. Dieses Mädchen was sich plötzlich so eigenartig benahm. Ihr brennt doch sicher was auf der Seele. Warum glaubt sie sie könnte es ihr nicht verraten. Schließlich waren sie von Anfang an die besten Freundinnen gewesen. Vor allem wenn man sie nach einem möglichen Freund fragt ist sie so komisch. //Was wenn… Nein!// Aber warum war sie dann so fertig gewesen als es mit der Freundschaft zwischen ihr und Karina aus zu sein schien. Ein leises Rascheln und aufseufzen brachte sie von ihren Gedankengängen ab. Nina räkelte sich im Bett und blinzelte dann gegen das Licht an. Mit halb zu gekniffenen Augen schaute sie zu dem Bett hinüber. Hinter dem schlanken Körper von Vera, schaute Gina auf sie hinab. Nina grummelte etwas vor sich hin, was wohl guten Morgen heißen sollte, und setzte sich dann auf. Gina krabbelte über Vera hinweg um sich zu Nina zu setzten, stieß sie dabei jedoch an. Vera grummelte was von wegen “Nur noch 5 Minuten, Mom” und öffnete bei dem Kichern der beiden anderen dann doch die Augen. “Hmm?” “Morgen Vera! Gut geschlafen?”, prabbelte Nina mit einem süffisanten Grinsen auf dem Gesicht. “Nee, irgendwie gar nicht. Ich glaub ich hatte ‘nen Albtraum…” “Was ist denn passiert?”, wollte Gina wissen. Kurzes Zögern bevor Vera antwortet. “Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung mehr. Aber ich bin davon aufgewacht.” “Dann wird es schon nicht so schlimm gewesen sein”, erwidert Nina. Vera stemmt sich schließlich auch hoch. Die drei Freundinnen sitzen im gleißenden Sonnenlicht, jede mit noch verschlafenen Augen und abstehenden Haaren. Ein schnaufen von Nina. “Dein pinken Strähnen blenden voll!”, beschwert sie sich. Vera grinst nur, sagt aber nichts. Ein paar Minuten später haben sich alle aufgerappelt und schlurfen die Treppe runter, zum Frühstück. Nina streicht sich beim gehen die Haare glatt. Vera schlurft verschlafen voran und Gina tappst nachdenklich hinten drein. //Könnte es wirklich sein das sie auf Kah steht? Warum sagt sie nur nichts? Man sieht ihr doch an, dass sie ständig nur an eine Person denkt.// Während sie sich an den Tisch setzten, mustert Gina Vera etwas genauer. Geht dann jedoch an die Schränke um “Frühstücksmaterial” hervor zu kramen. So bemerkt sie nicht die Blicke die Vera ihr verträumt hinterher wirft und das blasse Lächeln, das zwar kaum zu sehen, aber doch unauslöschlich auf ihren Zügen erscheint. Als sich Gina schließlich wieder zu ihren Freundinnen umdreht, stellt Vera ihr gerade eine unbedeutende Frage über ihren Freund. //Sonst hat sie sich nie für Ninas Freunde interessiert.// Vermutlich wollte sie nur etwas gesagt haben, denn sie schien gar nicht richtig hinzuhören. Stand dann schließlich auf um schon mal Schmiermesser aus der Schublade heraus zu nehmen, und sie auf dem Tisch abzulegen. Nina schaute nur verdutzt hintendrein, da sie ja gerade eine Frage beantwortet hatte. //Normalerweise gar nicht ihr Ding, fragen stellen und dann nicht hinhören. Wenn das eine von uns macht, regt sie sich immer auf.// Plopp! Das Geräusch des Toasters ließ alle zusammenschrecken. Gina setzte ein entschuldigendes Grinsen auf. Sie hatte schon wieder ganz vergessen das sie ja getoastet hatte. Nachdem alle drei gesättigt waren zogen sich alle der Reihe nach um. Es wurde noch über dieses oder jenes geredet, bis schließlich Nina meinte sie müsse gehen. Vera zögerte einen Moment. Sie blickte unsicher zu Gina herüber. //Was ist denn los mit ihr.// “Lange kann ich auch nicht mehr bleiben. Ich muss noch für die Arbeit am Montag lernen.” Am liebsten hätte Gina losgeprustet, wenn sie der letzte Satz nicht so total verwirrt hätte. Seit wann lernte sie denn. Seit wann war ihr denn auch nur eine Note wichtig? “Äh, bist du dir sicher, dass du nicht krank bist?”, fragte sie dann schließlich. “Hä? Wieso sollte ich denn krank sein?”, fragte Vera offenbar total verwirrt. “Seit wann interessiert dich denn was du für Noten kriegst?”, hakte Gina nach. “Nun ja, wenn ich die Note verhaue krieg ich wieder ‘en Monat Ausgangssperre, aber ich will doch in zwei Wochen auf das Konzert im ‘Blues’”, stammelte sie vor sich hin. //Konzert? Welches Konzert denn? Seit wann spielten denn im ‘Blues’ wieder Bands, ich dachte nach den letzten Prügeleien hätten sie die Genehmigung entzogen bekommen…// “Hm, na dann solltest du vielleicht wirklich lernen”, macht Gina nur. Während dieses Wortwechsels hatte Nina sich zum gehen fertig gemacht. Jetzt kam sie gerade wieder aus der Hocke, vom Schuhebinden hoch. Sie blickte nacheinander beide Mädchen an, ihre Miene blieb dabei verschlossen. Dann drückte sie beide noch mal kurz zum Abschied an sich. Im gehen murmelte sie noch ein paar Abschiedsworte und verschwand dann mit einem Klapp! der Tür nach draußen. Drinnen schaute Vera noch einen Moment auf die gerade geschlossene Tür, während Gina sie musterte. Schließlich brach Gina die plötzliche, unangenehme Stille. “Hast du heute denn sonst noch was vor?”, fragte sie lahm nach. Vera drehte sich langsam um, blickte erst in Ginas Gesicht und dann auf den Boden. “Noch ein bisschen Gitarre spielen wahrscheinlich. Wieso, hattest du noch was vor?”, nuschelte sie vor sich hin. “Ich wollte nur wissen ob du noch was Zeit hast. Du… ähm.” Vera runzelte ihre Stirn und bohrte ihren fragenden Blick in Ginas Augen, als könnte sie darin lesen was mit ihrer Freundin los war. “Was?”, fragte sie dann langsam. Gina lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Die Frage hatte einfach nur endlos verwirrt geklungen. Aber war nicht eben ein Funken Hoffnung in Veras Augen aufgeblitzt? //Hoffen worauf?// fragte sich Gina. “Naja… Ich wollte noch mit ein paar alten Freunden ins Cafè. Willst du nicht auch kommen?”, log sie dann. Man hörte es praktisch bin zu ihr rattern. //Warum können wir nicht einfach offen zueinander sein? Wovor haben wir Angst?// “Sorry… Ich glaube heute wird da nichts mehr draus…” Diese Antwort kam überraschend. Vor den Kopf gestoßen schaute Gina Vera an. Stammelte dann aber eine Antwort. “Ich… geh dann mal, glaub ich…”, plapperte Vera dann. //Warum benehmen wir uns als hätten wir uns gerade erst kennen gelernt? Was sollen die Spannungen?// “Ist gut… wir sehen uns dann Morgen.” Vera nickte nur und schlurfte dann zögernd aus der Tür. Gina sah ihr hinterher und starrte noch auf die Tür, als Vera schon längst verschwunden war. //Was soll das? Sind wir uns plötzlich fremd geworden? Irgendwas geht doch in ihr vor… Was kann das nur sein das sie es mir nicht verraten will?// Sie setzte sich auf die Couch und starrte ins Leere. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Konnte sie ihr irgendwie helfen? Schließlich waren sie doch Freunde. Oder war irgendetwas vorgefallen. Gina zermarterte sich den Kopf darüber was sie falsch gemacht haben könnte. //Aber vor zwei Tagen stand sie heulend vor meiner Tür und hat meine Hilfe gesucht und angenommen. Und bis jetzt ist nichts weiter passiert…// Plötzlich kam ihr eine Idee. //Karina! Das ist es, ich rufe Kah an! Vielleicht weiß sie ja mehr.// Sie stürmte in ihr Zimmer und wühlte an ihrer Pinnwand rum, bis sie schließlich Karinas Nummer fand. Sie selbst war ja nicht wirklich mit ihr befreundet. Irgendwie stimmte die Chemie nicht. Wenn Gina sich nur vorstellte sie würde ein Mädchen küssen… Aber das war jetzt erstmal egal. Plötzlich aufgeregt wählte sie die Nummer. Konnte sie weiterhelfen? Tuut. Tuut. Tuut. “Jah?” “Hallo Karina. Ich bin’s, Gina.” “Was ne Überraschung! Was gibt’s denn?” “Hör mal, es geht um Vera… Sie benimmt sich in letzter Zeit irgendwie so komisch… Hast du eine Idee warum?” “In welchem Sinne komisch? Was macht sie denn?”, erklang Karinas Stimme verwirrt. Gina spielte mit ein paar Strähnen ihres langen Blond-gefärbten Haar rum. “Nun ja… Sie guckt immer so verträumt. Wenn man sie dann darauf anspricht reagiert sie erst mit Verzögerung, und dann immer mit irgendwelchen blöden Ausflüchten. Normalerweise würde sie doch schlauer Lügen… Nina und ich hatten schon mal gedacht, sie hätte vielleicht einen Freund, aber das streitet sie ab…” “Hmm, klingt wirklich komisch…” Gina wartete einen Moment ab, kaute sich auf der Unterlippe herum und lauschte in den Hörer. “Ich geh mal vorbei und dann spreche ich mal mit ihr darüber…” “Aber sag ihr bitte nicht von wem du das hast! Sie muss ja nicht unbedingt noch schlecht auf mich zu sprechen sein, weil sie es nicht gerne hat wenn man über sie redet… Du weißt schon.” Nervös wickelte sie eine blonde Strähne um ihren Finger. “Ja ja. Ist schon Okay. Heute wird das aber wahrscheinlich nichts mehr… Meine Freundin kommt noch und… Naja. Ich ruf dich an wenn ich mehr weiß…” “Gut. Viel Glück… bis dann” “Ciao.” Tuut. Tuut. Das hatte ja jetzt auch nicht wirklich weitergeholfen. Aber vielleicht kriegte sie ja wirklich was aus Vera raus. Gina machte sich schon ernsthaft Sorgen um Vera. Als ihre Eltern nach Hause kamen verkroch sie sich auf ihr Zimmer und setzte sich auf ihr Bett. Sie drehte die Musik voll auf. Vielleicht konnten ja “Fall Out Boy” sie ein bisschen aufheitern. Aber nach kurzer Zeit war sie von den Liedern schon angenervt und legte stattdessen etwas traurigeres auf. “Cancer” von “My Chemical Romance” war schon eher das richtige. Wieder machte sie sich Gedanken. Und während Gerard Way’s Stimme in ihren Ohren widerhallte wurden diese immer schwerfälliger. Es lag jetzt erstmal nicht mehr in ihrer Hand raus zu finden was da los war… “… help her gather all my things/ and bury me in all my favorite colours/ My sisters and my brothers still/” Ihre Lider wurden schwerer ohne das sie es bemerkte. Leise summte sie ein paar Zeilen mit. “I will not kiss you/ Cause the hardest part of this/ Is leaving you…” Ihr Kopf sackte auf ihre Brust und während das Lied in einer Endlosschleife weiterlief drangen nur noch unterbewusst ein paar Zeilen zu ihr durch. “That if you say/ Goodbye today/ I’m ask you to bei true/ Cause the hardest part of this/ Is leaving you…” Schließlich schlief sie ein. Unbemerkt machte sich eine Angst in ihr breit. Was war wenn Vera einfach so fortgehen würde. Was wenn sie das hier alles nicht mehr ausstehen konnte. Sie waren immer Außenseiter gewesen. Immer waren sie die Fußabtreter für andere. Was wenn sie genug davon hatte? Irgendwo anders könnte sie von vorne anfangen und ein ganz anderes Image aufbauen… Doch diese Gedanken drangen nicht ganz zu ihr durch. Sie verbot es sich. Nina war schließlich auch irgendwo nur ein Wannabe… um hübsche Jungs abzukriegen. Ihr lag nichts an den ehrlichen Gefühlen die Vera und ihr so wichtig waren. Wenn sie dann auch noch Vera verlor, weil es ihr einfach zu anstrengend wurde die Beleidigungen und Schläge derer einzustecken die sie nicht verstanden. Die sie ja eigentlich nur noch mehr in ihre Ideale drückten. Hatte Vera etwa aufgegeben und hatte Angst mit Gina darüber zu reden? Oder lag das Problem doch ganz wo anders? Irgendetwas was sie sich niemals vorstellen konnte? “That if you say/ Goodbye today/…” Würde sie bald auf Nimmerwiedersehen von Vera hören? Aber daran wollte sie nicht denken, nicht so lange es nicht soweit war! Kapitel 4: Zeitvertreib und voller Kopf --------------------------------------- 4. Kapitel: Zeitvertreib und voller Kopf Als ich endlich ins Klassenzimmer geschlurft kamen, saßen Nina, Gina und Jana bereits auf ihren Plätzen. Die Worte gingen in einem Lachschwall unter. Ich latschte zu meinen Stuhl und ließ mich darauf fallen. Während die anderen, immer noch mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, mich schon anschauten, gähnte ich erstmal demonstrativ. Mir lief noch eine “Schlafträne” die Wange runter. Lustlos wischte ich sie weg. Schließlich blinzelte ich zu meinen Freundinnen rüber und brummte ein “Morgen”, was dazu führte das sie wieder anfingen zu Kichern. Nina kriegte sich als erstes wieder ein und ergriff das Wort. “Ist es gestern noch spät geworden?” Mensch klang das hinterlistig! “Was soll denn gestern noch passiert sein?”, fragte ich leicht verwirrt und verpennt wie ich war. “Naja… es war nicht zu fällig noch jemand da, der hmm… naja sagen wir dich verwöhnt hat?” Die offensichtliche Ironie verblasste zu einem leichten Grinsen. Was wollte die eigentlich von mir? Oh neeee! Glaubte sie etwa immer noch, das ich einen Freund hätte. Ich holte Luft und klappte schon den Mund auf für eine schnippische Antwort, als ich hinter mir ein “Guten Morgen” hörte. Ich drehte mich um und sah dass unser Physiklehrer den Raum betreten hatte. Zerstreut wie immer ließ er seine Tasche neben das Pult plumpsen, um sich dann gegen selbiges zu lehnen. Also gut. Würde ich also so tun als würde ich schmollen, das würde mir jedenfalls im Moment eine Antwort ersparen. Wie kann man nur so früh schon so gut gelaunt sein?! Und noch dazu Leute aufziehen? Ein Morgenmuffel war ich schon immer gewesen. Und schon häufiger war ich mit meiner schlechten Laune in das ein oder andere Problem geschlittert. Schließlich bekamen die Leute dann unbedachte Antworten meinerseits auf ihre Sticheleien. Und wenn man dann auf jemanden getroffen hatte der sowieso nicht soviel für “solche Heulsusen” übrig hatte, wie wir angeblich sein sollten, gab es dann schon mal die ein oder andere Prügel. Da half nur noch eins: Weglaufen und zwar möglichst schnell! Und das am frühen Morgen schon! Diese Gedanken brachten mir nur noch schlechtere Laune ein. Am besten würde ich mich gleich in meinem Zimmer einschließen wenn endlich die Schule vorbei war. Dann konnte man mich wenigstens nicht noch aufziehen. Um bei dem langweiligen Stoff nicht auf der Stelle wieder einzuschlafen, kritzelte ich auf meinem Block rum. Kleine Figuren, Symbole, Schriftzüge… und so weiter. Ein Ellenbogen wurde in meine Seite gestoßen. Ich wollte schon beleidigt aufschreien. Ich war nie besonders gut im Zeichnen gewesen, aber diese Figur war mir bisher ziemlich gut gelungen, bis auf den Strich, der sich jetzt quer über das ganze Blatt zog. Aber bevor ich einen Ton hervorbrachte, fiel mir wieder ein dass wir ja immer noch im Unterricht waren. Und als ich dann bemerkte wer mich angestupst hatte wurde meine Miene einen Tick heller. Doch bevor einer von uns auch nur einen Ton sagen konnte klingelte es. Gina runzelte nur die Stirn und schaute auf die Uhr. Dann zuckte sie mit den Schultern und wir packten unsere Sachen. Während wir also vom Physikraum in unsere Klasse schlenderten unterhielten sich die anderen, ich lief schweigend neben her. “Hey Gina,…?” “Hmm? Was denn?” “Was wolltest du eigentlich eben von mir?” “Huh? Wie…?” Sie wirkte total verwirrt. “Na du hast mich doch angestupst… eben im Unterricht, bevor es geklingelt hat…” “Ach so… Äh… Ich weiß gar nicht mehr was ich sagen wollte…”, sagte sie dann mit einem beschwichtigenden Lächeln. Mir wurde plötzlich warm ums Herz… war sie nicht der vergesslichste Mensch der ganzen Welt? Abgesehen von mir natürlich… Bamm! Mit dem selben Schwung wie immer knallte unser Mathelehrer die Tür hinter sich zu. “Freut euch! Heute fangen wir wieder ein neues Thema an!” Mannomann klang das enthusiastisch… Und irgendwie ironisch, wie viele aus unserer Klasse würden dieses tolle Thema wohl auf die Reihe kriegen, oder so ähnlich. “Morgen!”, machte ich mich bemerkbar. “Ach hab ich das noch gar nicht gesagt? Na dann eben, guten Morgen!” Er blätterte etwas in unserem Klassenbuch herum während er das vor sich hermurmelte. Die Klasse brachte im Chor ein gelangweiltes “Guten Morgen” hervor. “Ach, ich hab euch ja noch Hausaufgaben aufgegeben!” Mit diesen Worten schaute er in die Runde. Schließlich blieb sein Blick, wie könnte es anders sein, an mir hängen. ´ “Ah, Vera! Da du ja heute so fit zu sein scheinst könntest du doch die erste Aufgabe an der Tafel machen!”, sagte er zu mir und wandte sich dann an die ganze Klasse, “Den Rest werden wir dann nur mündlich Besprechen… Es sei den es besteht noch mehr Bedarf. Will ich natürlich nicht hoffen, da ich ja ein neues Thema anfangen wollte… Also gut, dann leg mal los Vera!” Seufzend stand ich von meinem Stuhl auf. Ich griff schon nach meinem Heft, aber Herr Meisner hatte offensichtlich ein weiteres Attentat auf mich vor. “Och, komm schon. Das schaffst du auch ohne dein Heft!” Ich schaute ihn nur vernichtend an und schlurfte dann zur Tafel. Dann kann die Show ja los gehen… Die anderen lehnten sich schon in ihren Stühlen zurück, offenbar glücklich das es nicht sie getroffen hatte. Und natürlich weil sie wussten dass das jetzt erstmal was länger dauern würde. Ich griff mir die Kreide. Jens diktierte mir die Aufgabe, und dann fing auch schon die Grübelei an. Warum passe ich auch nie auf wenn was erklärt wird?! Egal, für selbst vorwürfe war jetzt kein Platz. Nach einigem Grübeln und Mithilfe aus der Klasse war das dann irgendwann auch geschafft. Wiedermal hatte ich mich also zum Affen gemacht. Was soll’s? Die konnten mich eh noch nie leiden… Als der Schultag dann endlich geschafft war ließ ich mich erst mal zuhause auf meinen schönes weiches Bett fallen. Ich sank in den Decken ein und Roch die frischen Laken. Ich schloss die Augen. Irgendwie war dieser Moment perfekt. Keine Probleme. Nichts. Nur irgendetwas fehlte mir. Was konnte ich nicht genau definieren, aber es störte mich. Es störte mich sogar so sehr, dass ich freiwillig Hausaufgaben macht, um nicht daran zu denken, was das sein könnte, das mir fehlt. Ich hatte noch ein paar Zeilen vor mir als mein Handy klingelte. Ich seufzte. Gleich hab ich bestimmt wieder vergessen was ich noch schreiben wollte…! Ich legte also den Stift bei Seite und ging ran. Eine gutgelaunte Stimme flötete mir entgegen. “Hallooo, Vera wie geht’s denn so?” “Hey! Kah! Gut und selbst?” Ich hatte schon fast befürchtet dass sie doch nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, weil sie sich noch nicht gemeldet hatte. “Gut, gut!” “Was gibt es denn?”, fragte ich und runzelte die Stirn. Was hatte ich noch schreiben wollen? “Ich wollte mal…” “Moment mal bitte, ich bin grad Hausaufgaben am machen… Ich will nur grad die zwei Zeilen noch aufschreiben.” Ich klemmte mir das Handy mit der linken Hand ans Ohr und kritzelte auf mein Blatt. “Äh… klar. Gut… Du machst die freiwillig?” “Hmm…” Mann, ich hasse es mit links zu telefonieren… “Okay. Schieß los!” “Wollte mal hören ob du nicht Lust hast heute in die Bar “Deluxe” zu kommen… Da sind heute ein paar Bands… So verschiedene Richtungen… Ich wollte da mal reinhören…” “Hmm, wieso eigentlich nicht?” Ich spielte an einer meiner pinken Strähnen rum. “Gut, dann so um halb sieben? Das fängt um sieben an und geht bis halb zehn… Aber Elena ist auch dabei… Hast du damit ein Problem?” “Wieso sollte ich? Bring sie ruhig mit!” Als sie antwortete klang sie echt erleichtert. “Wunderbar! Dann bis später!” “Ja, bis dann!” Tuut, tuut, tuut. Dann hatte ich heute wenigstens noch was zu tun… Ich vertrieb mir die Zeit ein bisschen damit auf meiner Gitarre rumzuklimpern. Nach zirka einer dreiviertel Stunde hatte ich daraus dann auch ein ganz schönes Riff gebastelt. Ich schaute auf die Uhr. Erst fünf? Mensch das zieht sich ja wieder! Also entschloss ich mich dazu noch duschen zu gehen. Kann ja immerhin nicht schaden, oder? Das neue Handtuch unter meinen Füßen fühlte sich echt fluffig an! Das viel mir auch nur auf, weil es mich kitzelte. Ich ließ das Wasser in meinem Gesicht und an meinem Hals herunter laufen. Ich schloss die Augen und genoss einfach mal das heiße Wasser auf meiner Haut. Ich hatte irgendwie das Gefühl das Karina mir irgendetwas verschwiegen hatte. Wieso hatte sie so eine Angst davor das ich etwas gegen Elena haben könnte? Sie hat sich doch sonst nie für meine Meinung bei ihren Freundinnen interessiert. Ach was soll’s. Wenn sie irgendetwas wissen will, braucht sie mich ja nur zu fragen. Plötzlich kam mir eine schrecklich absurde Idee! Sie wird doch nicht etwa… Aber sie hatte ja schließlich eine neue Freundin, also warum sollte sie? Ich bildete mir das doch alles nur ein. Manchmal hab ich halt eine blühende Phantasie! Aber ein leicht beklemmendes Gefühl blieb zurück und ließ sich auch nicht von dem Wasser wegwaschen. Als ich schließlich aus der Dusche trat, war ich noch verwirrter als vorher. Irgendetwas passierte in den letzten Tagen mit mir, ohne das ich etwas dagegen tun konnte oder auch nur wusste was eigentlich so komisch war. Da ich immer noch massig Zeit hatte trödelte ich im Bad. Ausnahmsweise föhnte ich mir sogar noch mal die Haare. Ich war eigentlich der festen Überzeugung, dass föhnen ungesund ist… Aber was soll’s? Ich nahm mir ausführlich schminkte ich meine Augen. Erst Dunkelroter Lidschatten und anschließend verteilte ich schwarzen über den unteren Teil und verwischte das Ganze. Anschließend nahm ich mir meine schwarzen Kajal, ohne den ich wirklich aufgeschmissen wäre, und zog eine Linie unter dem Auge, und schließlich unter dem anderen Auge. Dann zog ich am Rand noch einmal mit ein Roten an und zog die Linien dann noch mal mit dem Finger nach. Das ganze machte ich so ausführlich, weil ich nicht mehr an diese seltsamen Gefühle denken wollte, die sich unerlaubterweise eingeschlichen hatten. Als ich mich endlich fertig geschminkt hatte zog ich mir schnell ein paar meiner Lieblingsklamotten an, natürlich mit Karos und Krawatte. Ich schnappte mir einen Haustürschlüssel und rief noch “Bin dann weg!” bevor die Tür hinter mir zufiel. Ich sog tief die frische Abendluft ein und machte mich auf den Weg. Immer noch mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust, das ich zu ignorieren versuchte. Kapitel 5: Partynacht mit Umwegen --------------------------------- 5. Kapitel: Partynacht mit Umwegen Ich trat durch die Tür der Kneipe, “Deluxe”. Sofort wehte mir Zigarettenrauch in Nase und Augen und brachte sie zum Tränen. Und ich hatte gedacht sie hätten ein Rauchverbot eingeführt… Dieses schien hier aber anscheinend außer Kraft zu sein. Also suchte ich in dem permanenten Dunst nach eine Schwarz-Roten Haarschopf. Ich hielt auf den Tisch zu, den für gewöhnlich Karina belegte. Und tatsächlich saß sie auch dort. Vor ihr, auf dem Tisch standen drei Bier. Sie knutschte gerade ausführlich ihre Freundin und schien mich nicht zu bemerken. Diesmal schaute ich, was bei mir eigentlich nicht üblich war, genau hin. Irgendwie wirkte es so natürlich, das sich zwei Mädchen küssten. Über einem dritten Stuhl hing eine schwarze Tasche mit lila Sternchen, eine wirklich sehr kleine Tasche. Lohnt sich doch nicht so was mit sich rumzuschleppen… Da die Bar heute voller war, und damit auch lauter, musste ich schreien damit Kah mich wahrnahm. Abrupt ließ sie von Elena ab und drehte sich zu mir um. Sie strahlte mich an. Man, muss Liebe schön sein! Ich grinste zurück und zog dabei eine Braue nach oben. Woraufhin Karina nur mit den Achseln zuckte. “Setz dich!”, rief sie zu mir rüber. “Wie geht’s dir denn so? Die ersten Bands werden sicher gleich kommen.” “Mir geht’s gut und selber?”, startete ich eine Gegenfrage während ich gegenüber von ihr niederließ. “Wirklich?”, hakte sie nach. “Wieso sollte es nicht?”, jetzt war ich total durcheinander. “Ach, nur so. Ich hab dir schon ne Cola bestellt, ja?”, wechselte sie auf einmal das Thema. “Ist gut! Ist das Elenas Tasche?”, fragte ich während ich auf die verlassene Tasche zeigte. “Nein. Das ist Alex’ Tasche… Eine Freundin von mir”, antwortete mir Elena. Ich starrte auf die Tasche. Eine Alex’ kannte ich nicht, also ließ ich mich am besten überraschen, was das wohl für eine war. Hoffentlich war sie nicht so arrogant wie Elena und ihre Tasche wirkten. Sternchen… die fand Gina doch so toll. Schließlich hatte sie mir die Krawatte angedreht… “Ist wirklich alles in Ordnung?”, meldete sich Kah wieder. “Mh?! Ja! Warum?” “Du wirkst so abwesend…”, entgegnete sie langsam. “Fang du nicht bitte auch noch an!”, stöhnte ich. “Womit anfangen?”, sie wirkte ehrlich verwirrt. Also hatte ihr wohl keiner irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt. “Nina, Jana und Gina sind der festen Überzeugung, das ich einen Freund hätte… Ich hab mir das heute den ganzen Tag in der Schule anhören müssen!”, plötzlich war ich wirklich entnervt über dieses ganze gequatschte von wegen Freund. “Und hast du?” “Nein!”, ich fauchte schon fast und spielte aufgewühlt mit meiner Flasche rum. “Ist ja gut! Ich wollte ja nur mal fragen…”, beleidigt schaute sie weg. “Ach, sorry… aber das nervt einfach langsam. Du kannst ja nichts dafür.” “Siehste! Genau so ist das! Aber wie du gesagt hast die anderen würden denken du hättest einen Freund… na irgendwo musste das ja her kommen oder?”, setzte sie noch mal an. “Ich weiß ehrlich nicht wo die das her haben!”, erwiderte ich jetzt total verzweifelt. “Na, ich benehme mich ja auch total abwesend wenn ich verknallt bin…”, nach kurzem zögern fügte sie hinzu, “Naja… eigentlich eher wenn ich noch nicht mit derjenigen zusammen bin.” Als sie das sagte wirkte es aber eher als wäre da noch etwas unausgesprochenes. Vielleicht erwartete sie etwas bestimmtes von mir zu hören? Vielleicht ob ich auch verliebt war? Ich wollte gerade etwas sagen und klappte schon den Mund auf. Ich wusste nur nicht was also schloss ich ihn wieder. “Hi”, sagte jemand hinter mir und legte die Hand auf meine Schulter. Dann ging sie um mich herum. Schlank, vielleicht etwas größer wie ich und ein Haarreif auf dem schwarzen Schopf. Sie streckte mir die Hand hin. “Ich bin Alexandra. Du kannst mich auch Alex nennen.” “Ach, hi. Ich bin Vera.” Ich musterte sie ein wenig. Hübsch war sie ja. Aber war sie auch so nett wie sie aussah. “Gefällt dir was du siehst?”, fragte sie mit einem breiten grinsen auf dem Gesicht. Ich errötete, ich hatte gar nicht gemerkt das sie mitbekam wie ich sie musterte. “Och, nicht so schüchtern. Ist doch gut wenn ich dir gefalle! Oder meinst du nicht?” Ich schaute sie verdutzt mit großen Augen an. Dann erwiderte ich lahm: “Jaah. Wenn du meinst.” “Hmm. Das üben wir aber noch mal!” Sie lächelte mich offen an und zwinkerte kurz. Endlich grinste ich zurück, wenn auch ein wenig belämmert. Ich nahm einen Schluck von meiner Cola und ließ sie angenehm kühl meinen Hals hinabrinnen. Plötzlich völlig zufrieden lehnte mich mit halbgeschlossenen Augen auf meine Stuhl zurück. Ich sog die Luft tief ein, doch das war ein Fehler. Ich hatte ganz den Zigarettenrauch vergessen. Ich hustete und würgte, ich konnte gar nicht mehr aufhören. Die anderen, die vor lachen halb vom Stuhl kippten über meinen plötzlichen Anfall, waren mir dabei auch keine große Hilfe. Als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, nahm ich noch einen Schluck von meiner Cola und konnte fast wieder ganz ruhig sitzen. Über meinen Huste- und den Lachanfall der anderen hatten wir gar nicht mitbekommen, dass die erste Band bereits angesagt wurde. Sie spielte schon ihren ersten Song an. Ein klasse Gitarrensolo machte den Start. Und diese Stimme war der Hammer. Das rockte richtig ab! Ich sagte den anderen eben bescheid das ich etwas näher an die Bühne gehen wollte und stand auf. Alex ging direkt hinter mir her. Und zusammen gingen wir dann vor der Bühne total ab. Wir tanzte ein bisschen, dann ein bisschen Headbanging. Es war einfach Klasse! Wir lachten uns halb krank dabei. Noch besser wurde es als sich ein Pogo-kreis bildete. Alex und ich natürlich mittendrin. Irgendwer rempelte mich sehr hart von der Seite an, als ich gerade nicht darauf gefasst war. Ich prallte gegen Alex und krallte mich an ihrem Top fest, um nicht umzufallen. Das brachte jedoch sehr wenig. Statt nicht hinzufallen, schlug Alex zuerst auf dem Boden auf und ich auf sie drauf. Und der Träger ihres Schirts rutschte ein ganzes Stück tiefer. Lachend lagen wir auf dem Boden. “Nicht ganz so stürmisch bitte!”, brachte sie zwischendurch noch hervor. Dann wurden wir von ein paar Jungs wieder auf die Füße gezogen. Der Träger, an dem ich mich vergeblich festgehalten hatte, war jetzt ein wenig ausgeleiert und rutschte beim Pogo immer wieder über ihre Schulter. Völlig außer Atem, und ich glaube Alex auch total entnervt wegen des Trägers, schleppten wir uns schließlich zu unserem Tisch. Die nächste Band wurde angesagt. Ich strubbelte mir durch die Haare, damit sie wieder richtig standen. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Alex wieder einmal ihren Träger nach oben zog. “Du, sorry. Das wollte ich nicht! Wenn du willst geb’ ich dir das Geld zurück, von dem Top”, schlug ich vor. “Ach so schlimm ist es nicht. Aber wir können trotzdem mal shoppen gehen, vielleicht find ich da ja was schönes als Ersatz”, gab sie zurück. Ich zuckte mit den Achseln. “Gut, wenn dir das reicht.” “Ihr versteht euch ja richtig gut!”, mischte sich Karina ein. “Wieso auch nicht! Wir verstehen uns doch auch!”, meinte Elena an Kah gewandt. Irgendwie fand ich sie total arrogant! “Ich weiß ja nicht wie sie sonst so ist, aber Party machen kann sie!”, erklärte ich Kah. “Na, wenn man sonst nichts machen muss, dass du einen magst…”, setzte sie mit einem erneuten Grinsen an. Wurde dann jedoch abgeschnitten von Elena. Sie hatte sich auf Karinas Schoß gesetzt und zog bestimmend ihr Kinn zu sich herüber. Besitzergreifend küsste sie Karina, die ihre Hand erst von Elenas rücken nach unten wandern ließ, um sie dann unter dem Schirt wieder noch oben zu schieben. Alexandra hob die Brauen hoch und Grinste zu mir rüber. Dann zuckte sie mit den Schultern und deutete mit dem Kopf zu Tür. Nach kurzem Zögern nickte ich knapp. Alexandra hatte nur etwas frische Luft schnappen wollen. Ich schaute mich um. Es war schon ziemlich spät geworden, und morgen war wieder Schule. Was soll’s morgen würde auch nicht mehr passieren als die letzten Jahre… Das einzige interessante an der Schule war seine Freunde zu treffen, oder nicht? Gina lag bestimmt schon im Bett. Ihre Eltern würden wahrscheinlich ausflippen, wenn sie so spät noch unterwegs wäre. “Scheiße!”, entfuhr es mir so das Alex zusammenfuhr. Was würden eigentlich meine Eltern sagen? “Was ist passiert? Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt?”, fragte Alexandra etwas gehetzt. “Nichts. Ich hab nur gerade überlegt was meine Eltern sagen werden wenn ich nach Hause komme…” Ich schaute auf die Uhr. “Ich bin jetzt schon zwanzig Minuten zu spät dran…” “Wie weit ist es denn bis zu dir?”, fragte sie nach. “Keine Ahnung. Zu Fuß bestimmt… ach keine Ahnung!”, man konnte meinen Kopf sicher auf zehn Meter Entfernung arbeiten hören. “Mach dir keinen Kopf…” “Mach ich aber!”, fuhr ich sie an. “Ich bin mit dem Roller da, ich kann dich nach Hause fahren wenn du willst. Dann kommst du nicht soo spät”, sie hatte weiter gesprochen als hätte ich sie gar nicht unterbrochen. Mit kurzer Verzögerung ging mir auf was sie gesagt hatte. “Äh, klar das wäre Klasse!” “Kein Problem! Ich hol nur noch grad meine Tasche.” Und schon war sie wieder im “Deluxe” verschwunden. Ich wartete draußen und fröstelte, ich hätte besser eine Jacke mitgenommen. Aber das war jetzt erstmal egal. Alexandra kam wieder heraus und winkte mir ihr zu folgen. Der Roller stand auf dem benachbarten Parkplatz. Er war schwarz, aber vorne war ein großer, lila Stern drauf, wie der bei Avril Lavigne. Die schien genau so verrückt nach Sternchen wie ich nach meinen Karos. Ich grinste. Sie verstaute ihre Tasche in dem Fach unter dem Sitz. Jetzt wurde mir auch klar warum die Tasche so klein war. Sie musste ja noch neben dem ganzen anderen Gerümpel der darin rumflog passen. Sie klappte den Sitz wieder zurück und schaute mich an. “Ist irgendwas?” Erst jetzt bemerkte ich das ich immer noch am grinsen war. “Nein, nein. Es ist nur… du scheinst genauso verrückt nach Sternen zu sein wie ich nach meinen Karos!” Jetzt grinste sie zurück. “Jaah… Ich liiiebe Sterne! Die sind doch irgendwie cool, findest du nicht? Ein Zeichen für die Beständigkeit der Zeit. Und ein Licht, egal wie dunkel es auch erscheint. Ein Symbol der Hoffnung… Naja aber so genau wolltest du es nicht wissen, oder?”, jetzt lächelte sie nur noch schwach. Doch während sie erzählt hatte, hatten ihre Augen gestrahlt. “Mmh”, machte ich. “So hab ich das noch nie gesehen… Wirklich ein schöner Gedanke…” Sie ließ den Motor an und gab mir ihren Helm. “Bist du schon mal mitgefahren?”, fragte sie während ich versuchte den Helm zu schließen. “Nur auf einem Motorrad mal.” “Naja, das ist nicht viel anders. Man kann sich nur nicht so weit in die kurven legen und nicht ganz so schnell fahren. Am besten du hältst dich gut an mir fest und legst dich nicht so weit in die Kurven. Ich fahr auch vorsichtig.” “Ist gut. Wird schon schief gehen!” “Na dann können wir ja loslegen!” Sie nahm den Roller von dem Ständer und setzte sich. Mit einer Geste bedeutete sie mir, hinter ihr aufzusitzen. Also klettert ich hinten drauf und legte die Arme von hinten um ihren Bauch. Sie fuhr langsam an. Während wir fuhren machte ich ihr mit Handbewegungen klar, wo es lang ging. Ich drückte immer kurz auf ihren Bauch damit sie hinsah und zeigte dann in welche Richtung sie sollte. Auf den geraden Stücken gab sie richtig Gas. Der Roller fuhr etwas schneller als er durfte. Ich glaub das schnellste waren 80 oder 85 km/h. Aber ich genoss es richtig. Der Luftzug auf der Haut. Das Gefühl absoluter Freiheit. Daran könnte ich mich gewöhnen! Die ganze Fahrt über hatte ich ein unauslöschliches Grinsen im Gesicht. Es war sooo schön mal an nichts gebunden zu sein. Einfach mal sein. Mir war es sogar total egal, dass mir völlig kalt war, da ich ja keine Jacke an hatte. Als wir schließlich angekommen waren, war ich total traurig, dass die Fahrt schon vorbei war. Gina würde das sicher auch gut gefallen. “Vielen, vielen Dank! Du hast mich gerettet!” “Kein Problem!”, erwiderte sie. “Naja, das hätte bestimmt nicht jeder gemacht. Immerhin kennen wir uns ja erst ein paar Stunden…”, sagte ich gedehnt. “Ach, echt? Mir kommt es vor als würde ich dich schon ewig kennen!”, sagte sie und zwinkerte. Irgendwie musste ich lachen. Diese Geste wirkte bei ihr so… angenehm unbeholfen. Sie schien nicht zu wissen worüber ich lachte, aber sie lachte mit. “Vera!”, meine Mutter schrie von der Tür her. Ich verstummte und zuckte zusammen. Dann drehte ich um und sah meine Mutter an als könnte ich kein Wässerchen trüben. “Warum kommst du so spät! Wir hatten…” Ein Wortschwall sprudelte aus meiner Mutter heraus, den ich aus langer Erfahrung heraus aber ignorierte. Ich drehte mich noch kurz zu Alex um und flüsterte leise “Danke.” Dann hob ich die Hand zum Gruß und wagte mich vor in die Höhle des Löwen. Hinter mir hörte ich wir der Motor wieder angeschmissen wurde, dann ein leises Hupen. Ob das als Gruß oder als Hoffnungsmacher gedacht war wusste ich nicht. Aber es war ja auch egal. Nach einigen weiteren rumgezeter hatte ich es endlich in mein Zimmer geschafft. Ich zog mir nur schnell meinen Pyjama über und schmiss mich dann auf mein Bett. Ich zog die Decken fest um mich und kuschelte mich darin ein um wieder warm zu werden. Die Kälte steckte richtig in meinen Knochen, so zugig war es auf dem Roller gewesen. Aber ich würde bestimmt auch mal einen Roller haben. Das Gefühl war einfach unbeschreiblich. Als ich endlich eingeschlafen war, träumte ich davon wie Gina und ich auf meinem eigenen Roller fuhren, der natürlich Kariert war. Kapitel 6: Des Rätsels Lösung? ------------------------------ 6. Kapitel: Des Rätsels Lösung? Tuut. Tuut. Tuut. Karina lag auf ihrem Bett und gähnte. Gestern Abend war es doch etwas spät geworden. Aber Gina wollte sicher mal ihren Bericht hören. Krack! Es wurde abgehoben. “Hallo?” “Hey! Hier ist Karina!”, wieder gähnte sie. “Ah! Hast du was rausgefunden? Gibt es was Neues? Sag schon!”, hibbelte Gina rum. “Hmm. Naja so wirklich was Neues gibt es nicht zu erzählen…”, setzte sie an. “Egal. Fang einfach von Anfang an.” Sie klang seehr neugierig. Was krieg ich eigentlich dafür, dass ich den verdammten Spitzel spiele? “Hmm. Ja, ich hab sie mal drauf angesprochen ob sie ‘nen Freund hat. Sie klang…”, wieder ein Gähnen. “Sie klang ehrlich so als würde sie das Gerede nerven. Ich glaub nicht das da irgendwas geht.” Ein weiteres Gähnen wurde unterdrückt. Jetzt setzte Gina an. “Du klingst ja nicht gerade Frisch…” “Es ist gestern etwas später geworden… Elena hat m… bei mir geschlafen.” Kah errötete. Jetzt hätte sie sich doch fast verplappert. Hoffentlich hatte Gina das nicht bemerkt. “Schon gut… erspar mir das. Bitte.” Damit wurden Karinas Hoffnung zu nichte gemacht. “Jaja… aber ich war noch nicht fertig”, versuchte sie das Ganze zu überspielen. “Ach… also war da doch was?”, ein Hoffnungsschimmer klang in der Stimme mit. “Ich bin mir nicht ganz sicher… ich hab zwar gesagt, dass ich glaube das da nichts läuft, aber es könnte sein das nur noch nichts läuft…” “Wie kommst du denn darauf?” Karina kaute von innen auf ihrer Wange herum. “Also… Ich habe ihr gesagt, dass der Verdacht, sie hätte einen Freund, ja von irgendwo her kommen muss. Sie hat mich angefahren, sie wüsste überhaupt nicht wo ihr das her habt…” Am andern Ende der Leitung seufzte Gina. “Die kurze Version, bitte.” “Jaja… du wolltest doch alles ganz genau wissen!” Nicht genug das sie kaum zum schlafen gekommen war, jetzt musste sie sich auch noch so was anhören! “Jedenfalls hab ich ihr erklärt, dass ich mich auch immer total abwesend benehme, wenn ich verliebt, aber noch nicht mit dieser Person zusammen bin. Anschließend wirkte sie nachdenklich…”, ihre Stimme klang eiskalt. Aber das hatte Gina ja jetzt auch nicht anders verdient! “Das war alles! Warum hast du nicht weiter nachgefragt?! Was soll ich denn jetzt bitte damit anfangen?” Gina fauchte schon fast. Karina hatte den Hörer etwas von ihrem Ohr ferngehalten. Sie gähnte wieder. Womit hatte sie so was nur verdient? “Dann tu’s halt das nächste Mal selber! Ich kann ja nichts dafür, dass wir unterbrochen wurden!” Ihre Nerven lagen blank. Sie hatte einfach viel zu wenig geschlafen und jetzt wurde sie auch noch wegen etwas runter gemacht was sie ja tun sollte, was ihr persönlich ja total egal gewesen wäre! “Warum wurdet ihr denn unterbrochen? Ich dachte ihr hättet unter vier Augen gequatscht?” “Wie hätte ich das denn bitte begründen sollen?! Wir waren im ‘Deluxe’ da haben ein paar Bands gespielt. Und dann waren halt Elena und Alexandra noch da…” “Wie bitte? Deine Freundin war auch da? Da hätte ich dir auch nichts gesagt… Naja und diese Alexandra kenn ich ja nicht…” Karina rollte mit den Augen. Sie hatte dieses Mädel sooo satt! Wegen solchen Girls hatte sie schon mal drüber nachgedacht doch Hetero zu werden, aber die meisten Jungs waren ja noch schlimmer. “Ich weiß ja nicht ob du schon jemals einen Freund oder eine Freundin hattest…”, setzte sie an, wurde aber sofort wieder von Gina unterbrochen. “Natürlich hatte ich schon mal einen Freund! Und im Gegensatz zu dir muss ich mir kein Mädch..” Jetzt platzte Karina endgültig der Kragen und die Müdigkeit war wie weggeblasen. “Dann weißt du ja wie eifersüchtig die sein können! Wie hätte ich das schon wieder Elena erklären sollen? Außerdem interessiert mich ein Scheißdreck was du von mir hältst! Und tu nicht so als wärst du was besseres, weil du mit Typen rum machst und lass ich mich gefälligst in Ruhe mit diesem, diesem… ach vergiss es!”, brüllte sie in den Hörer und legte einfach auf. Tuut. Tuut. Tuut. Etwas erstaunt weil Kah einfach aufgelegt hatte starrte Gina den Hörer an. Dann schrie sie auf den Hörer ein. “Ist mir doch egal was deine so genannte Freundin denkt! Leck mich doch!” Karina knallte ihr Handy in irgendeine Ecke in ihrem Zimmer. Sie prügelte auf ihr Kissen ein. Warum hacken eigentlich immer alle auf mir rum, nur weil ich auf Mädchen stehe? Was soll das alles? Macht doch in Zukunft euren eigenen… Plötzlich hielt Kah inne. Sie setzte sich abrupt auf. Auf Mädchen stehen…? Das war es! Warum war sie nicht früher darauf gekommen?! Hatte Vera schon mal einen Freund gehabt? So weit sie sich erinnern konnte nicht… Konnte es sein, dass Vera auf Mädchen stand? Natürlich! Das was Gina beschrieben hatte, dass Vera andauernd abwesend wirkte,… Kah war das gar nicht soo schlimm vorgekommen. Nur in Ginas Gegenwart war sie so abgedreht. Gina kriegte zu viel. Was hatte das denn jetzt überhaupt gebracht? Karina war einfach zu nichts zu gebrauchen. Diese besch… Lesben! Was interessierte sie das Privatleben dieser Karina? Sie wollte doch bloß wissen was mit ihrer Freundin los war! Warum sagte Vera denn nichts? Es konnte doch nichts so schlimm sein, dass man es nicht mal einer Freundin erzählt, die man schon so lange kannte! Vera, was machst du bloß? Sag doch irgendwas! Gina machte sich ehrlich Sorgen um ihre Freundin. Sie wollte doch nur helfen. Aber war der, der sich nicht helfen ließ nicht selbst dran Schuld? Aber sie war immerhin ihre Freundin! Also würde Gina alles erdenkliche tun um ihr zu helfen! Nur was? Was konnte sie tun? Bitte sag mir doch wie ich dir helfen kann. Langsam verzweifelte Gina an ihrer Untätigkeit. Sie legte sich auf der Couch auf die Seite und zog die Beine an. Dann legte sie ihre Arme darum. Vera. Was machst du nur mit mir? Reichte es nicht, dass sie immerzu von ihren Eltern, die immer nur ihrer Karriere hinterher hechteten, allein gelassen wurde? Musste sich jetzt auch noch der einigste Mensch, dem sie aufrichtig Vertraute, von ihr entfernen? Bitte, lass mich nicht allein Vera. Woher sollte sie auch wissen, das sich Vera Gina näher fühlte als jemals zuvor? In ihrem Zimmer war Kah anscheinend auf die Antwort gestoßen. Sie saß Aufrecht auf ihrem Bett, und rutschte auf den Decken rum. Es war einfach zu Krass um wahr zu sein! Vera steht auf Gina! Auf diese widerliche Person! Womit hatte Karina das nur verdient? Ihre beste Freundin stand auf diese, diese… Die Arme Vera! Gina hasst Homosexuelle! Das hatte sie nur allzu oft zu spüren gekriegt. Vielleicht stand Vera ja deshalb nicht zu ihren Gefühlen… Ach komm schon Kah… du bist einfach übermüdet… Vera steht nicht auf Mädchen… obwohl… Es gab nur eine Möglichkeit, raus zu finden, ob es wirklich so war wie Karina dachte. Sie musste mit Gina und Vera etwas unternehmen, dann würde sie genaueres wissen… Aber sie konnte jetzt nicht einfach so tun, als wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen mit Gina… Die würde jetzt erstmal total dagegen sein etwas mit Vera und ihr zu unternehmen… Gab es überhaupt eine Möglichkeit etwas aus Vera rauszukriegen. Hatte sie überhaupt schon bemerkt was sie empfand? Wie lange war sie wohl schon hinter Gina her? Dring! Dring! Veras Mutter nahm den Hörer ab und meldete sich. “Hallo. Hier ist Alexandra. Kann ich mit Vera sprechen?” “Ja. Einen Moment ich hol sie gerade.” “Danke.” Wow… das hörte sich aber freundlich an. Alex hatte gedacht Vera hätte jetzt erstmal die nächsten 20 Jahre Hausarrest, weil sie so spät gekommen war. “Hallo?” “Hey, Vera! Ich bin’s Alex. Wie geht’s?” Irgendwie freute ich mich über den Anruf. Desshalb ging es mir auch gleich viel besser. “Gut. Und dir?” “Auch. Du, warum ich anrufe… Steht dein Angebot noch? Können wir shoppen gehen… Du weißt schon…” “Naja, vielleicht am Freitag wieder… Die nächsten zwei Tage bin ich erst mal mit Hausarbeit eingedeckt… der Dank dafür, dass ich zu spät gekommen bin… “ So niedergeschlagen klang sie jetzt nicht, wie sich das eigentlich gehörte wenn man “bestraft” wurde. “Gut dann eben am Freitag… Scheint für dich ja gar nicht soo schlimm zu sein, was du da machen musst, wie?” “Wieso?” Ich kaute auf meiner Unterlippe rum. “Naja, du klingst nicht soo niedergeschlagen über deine Strafe”, sprach Alex ihre Gedanken aus. “Mmh. Es hätte viel schlimmer kommen können. Aber ich hab ihr erklärt, dass du mich noch nach Hause gefahren hast, wie ich bemerkt hab das ich so spät dran bin. Das war anscheinend etwas womit sie leben konnte… Das ich ihre Grenzen nicht absichtlich überschreite meine ich… Naja aber ganz ohne Strafe ging es dann anscheinend doch nicht.” Ich seuftze. Alex grinste. “Na, ich glaub du wirst es überleben.” Ich strich mir die pinken Strähnen aus dem Gesicht. “Ich glaub auch. Ach, kannst du mir noch eben deine Handynummer geben? Die hab ich noch gar nicht…” “Kein Problem… Ich hol es nur gerade. Warte einen Moment.” “Ja.” Kurz darauf gab Alexandra die Nummer durch. “Gut danke. Meldest du dich am Freitag dann bei mir? Dann machen wir was genaues aus.” “Kein Problem. Mach ich.” “Also bis dann…” “Ja, bis dann.” Tuut. Tuut. Tuut. Ich seufzte. Genervt schlurfte ich zurück in die Küche. Nur noch den Abwasch und den Müll rausbringen, und das Badezimmer putzen, dann hab ich’s geschafft! Zumindest für heute… Kapitel 7: Lolita ----------------- 7. Kapitel: Lolita Piep, piep, piep, piep! Krach! Stille. Ich könnte alle Wecker der Welt verschrotten lassen! Ich drehe mich wieder um. Nicht ein einziges Mal die Augen geöffnet. Meine Glieder werden wieder schwer. Ich merke wie ich wieder einschlafe. Plötzlich wird meine Zimmertür aufgerissen und das Licht angemacht. Licht. “Hmmm…”, mache ich wenig begeistert und Rolle mich zusammen um das Licht auszusperren. “Jetzt ist es aber wirklich genug Vera! Wenn du jetzt nicht aufstehst kommst du zu spät zu Schule!” Wäre das denn so schlimm? Meine Mutter zieht meine Decke weg. Ich hole zischend Luft. Verdammt ist das kalt! “Wie konnte ich nur so einen Morgenmuffel großziehen?”, höre ich meine Mutter murmeln. Langsam setzte ich mich auf und ziehe die Beine an die Brust und lege die Arme darum. Das ist wenigstens etwas wärmer… Mutig blinzle ich gegen das Licht an. Meine Mutter steht mir mit in die Seiten gestemmten Händen gegenüber. Sie schüttelt nur mit dem Kopf und geht dann langsam aus meinem Zimmer. “Komm endlich. Immerhin ist heute Freitag! Morgen kannst du ausschlafen!” Freitag. Na wenigstens etwas. Mühsam raffe ich mich auf und schlurfe zu meinem Schrank. Ich blinzle hinein und greife mir irgendetwas. Dann fällt mir die Sternchenkrawatte auf. Ich verzeihe meine Lippen zu etwas, das als müdes Lächeln durchgehen könnte. Schon habe ich den Entschluss gefasst sie heute anzuziehen. Bisher hatte sie ja immer nur im Schrank gelegen und Gina wird sich sicher freuen. Als ich aus der Tür gehe freue ich mich ein wenig auf ihre Reaktion. Ach was ein wenig? Riiiesig! Fragt sich eigentlich nur noch, warum eigentlich? Ist doch nur ne Krawatte… Als ich endlich in der Schule ankomme klingelt es gerade zum Unterricht. Also schlurfe ich direkt die Treppe zur Klasse hoch. Gemütlich setzt ich mich auf meinen Platz und lehne mich zurück. Da kommt sie ja auch schon! Sie unterhält sich mit Nina und Jana. Als sie den Blick hebt und in meine Richtung schaut breitet sich langsam ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus. “Ich wusste doch das sie dir gefällt!” “Hallo erstmal. Ja, mir geht’s gut und selber? Die Krawatte ist echt schön.” Ich grinse ebenfalls. Gina geht lachend an mir vorbei zu ihrem Platz. Sie streckt ihre Hand aus und wuschelt durch meine Haare. Mein Herz beginnt laut zu klopfen, meine Ohren zu rauschen und meine Hände zu kribbeln. Was… “Vera?… Geht’s dir nicht gut?”, Gina schaut mich besorgt an. Mein Kopf wird wieder klar. “Was… ne ist alles in Ordnung, wieso sollte was sein?”, mühsam ringe ich mir ein Lächeln ab. Mein Herz klopft immer noch wie nach einem Marathon. Gina kratzt sich am Kopf. “Na dann…” So ganz überzeugt schien sie nicht zu sein. Die ganze Unterrichtszeit über versuchte ich mein Herz wieder zur Normalität zu bringen. Plötzlich füllte es sich so leer an. Irgendein Teil fehlte. Das wusste ich ganz genau! Als endlich das Wochenende endlich begann, war ich fix und fertig. Ich hatte es bestimmt selbst die ganze Zeit schlimmer gemacht. Ich hätte einfach nicht daran denken sollen, dann wäre es schon besser geworden. Das einzige was auf dem Heimweg nachhallte war immer noch das Gefühl das etwas fehlte. Zuhause ließ ich mich auf mein Bett fallen und umarmte mein Kopfkissen. In der Hoffnung diese Leere zu verdrängen. Aber es drang nicht ganz zu mir vor. Ich weiß nicht wie lange ich so da lag, aber es kam mir wie Stunden vor… Dabei waren es sicher nur ein paar Minuten gewesen. Jedenfalls wäre ich fasst vor Schreck vom Bett gefallen, als mein Handy klingelte. Ich angelte es aus meiner Hosentasche, als ich endlich Begriff was es gewesen war. “Ha-Hallo?”, sagte ich noch etwas atemlos. “Hi, ähm alles in Ordnung?” “Klar… Alex bist du das?” “Äh, ja sorry. Ich wollte mal hören wann du los willst.” Los? Wohin los? “Äh…” “Na zum stoppen! Oder hast du das schon wieder vergessen?” Ich klatschte mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Natürlich! “Wegen mir sofort… oder sagen wir in einer halben Stunde am Bahnhof?” “Geht klar… bis dann!” “Okay bis gleich…” Tuut. Tuut. Tuut. Alex rammte mir leicht ihren Ellenbogen in die Seite. Wir waren mittlerweile in einem Stadtviertel gelandet in dem ich seltsamer Weise noch nie rumgestöbert hatte. “Kennst du den Laden eigentlich schon?”, fragte sie mich. Dabei zeigte sie auf einen kleinen aber gemütlichen Laden. “Nö… hab ich noch nie gesehen… du?”, startete ich eine Gegenfrage. “Nur schon mal dran vorbeigegangen… hatte aber noch keine Zeit reinzuschauen. Los komm schon.” Mit diesen Worten packte sie mich am Arm und zog mich hinter ihr her in den Laden. Drinnen sah es schon nicht mehr ganz so gemütlich aus… Nicht das ich etwas gegen Gothics hätte… aber der Laden war echt gruselig! Überall hingen an den Seiten schwarze Klamotten herunter. Mit Jedemenge Rüschen und Nieten. Da ein Matrixmantel neben den anderen und hier eine ganze Sammlung von Leder… was auch immer das darstellen sollte. Alexandra drehte sich zu mir um. Ein wirklich breites grinsen zog sich über ihr ganzes Gesicht. “Ich wusste gar nicht das ein Mensch so große Augen machen kann”, sagte sie dann zu mir. Ich funkelte sie kurz an. “Ich finde es echt unheimlich hier.” Diese Antwort schien sie noch mehr zu belustigen, aber sie sagte daraufhin nichts mehr. “Entschuldigung. Kann ich Ihnen behilflich sein?” Die Stimme erschreckte mich so, dass ich zusammenfuhr. Aber auch Alex drehte sich schlagartig um. “Ähm, nein, ich glaub wir haben uns nur verlaufen…”, machte ich Anstalten endlich aus dem Laden zu kommen. Diese wurden aber sofort wieder zu Nichte gemacht. “Wir wollen uns nur ein bisschen umschauen.” Ich hätte ihr in diesem Moment mit Freuden den Hals umdrehen können! Mit sicheren Schritten hielt sie auf einen Stand mit Lolita-Kleidern zu. “Vera, sieh dir das mal an. Das ist doch hübsch oder meinst du nicht?” Sie hielt ein kurzes Kleid hoch, mit einem Bordeauxroten Korsett und schwarzen Rock. Die Rüschen sahen aus wie gestickte Blumen. Alles in allem machte es einen fertigen Gesamteindruck, der noch mit einem schwarzen Petticoat mit Rotschimmer abgerundet wurde. Normalerweise stand ich ja nicht auf Kitsch, aber dieses Kleid wirkte einfach als müsse es so sein. Kurz gesagt, es gefiel mir auf den ersten Blick! Ich sah es mir genauer an, und fühlte auch mal den Stoff. Baumwolle und Satin vermute ich. “Gefällt es dir? Probier doch mal an!”, Alex schien Feuer und Flamme zu sein. “Es ist wirklich schön… Aber das passt doch gar nicht zu mir. Und überhaupt zu welchen Anlass sollte ich das denn mal anziehen.” Ein Emo mit Gothicklamotten wäre doch echt mal was neues, oder? “Probieren Sie es einfach mal an, ob Sie es dann nehmen, können Sie dann immer noch entscheiden. Ich glaube jedenfalls das es Ihnen hervorragend stehen würde, wenn ich das mal anmerken darf.” Schon wieder ganz plötzlich diese Stimmer. Der Verkäufer stand direkt hinter mir. Es klang nicht so überschwänglich wie bei anderen Verkäufern die einfach nur etwas verkauft haben wollten… Jedenfalls bewegte mich irgendetwas dazu, dieses Kleid einfach mal anzuprobieren. Es endete knapp über dem Knie, aber ich hatte ein paar Boots geliehen bekommen, damit das Gesamtbild stimmte. Und verdammt wie es stimmte! In der Kabine betrachtete ich mich etwas länger im Spiegel und dann macht ich vorsichtig den Vorhang auf, damit mich Alex sehen konnte. “Wow… ich bin echt sprachlos…” War das jetzt alles was sie dazu sagen konnte? “Wenn Sie mich fragen fehlt noch eine Kette und ein Armband…”, meinte der Verkäufer und wuselte davon. Der wurde ja echt zum Modeberater. Die Klingel des Ladens ging. Kurz darauf kam ein Goth in mein Blickfeld. Mit verschränkten Armen blieb er mir gegenüber, circa drei oder vier Meter von mir stehen. Er fing an zu lächeln. “Als wäre das Kleid für dich entworfen worden!”, meinte er dann und strahlte über das ganze Gesicht. Er wirkte hübsch. Bestimmt schon zwanzig aber immer noch sehr Jugendlich. Seine langen Haare waren im Nacken zu einem Zopf gebunden, aber ein langes Pony fiel ihm in die braunen Augen. Normalerweise fühle ich mich bei so was ja verarscht, aber er hatte so etwas aufrichtiges in seinem Blick. Also lächelte ich einfach zurück. Alex hingegen musterte ihn mit versteinerter Miene von oben bis unten. Jetzt kam auch der Verkäufer zurück gewuselt, grüßte mit einem Kopfnicken den anderen Mann und legte mir dann eine dezente Kette um den Hals und ein breites Nietenarmband um das Handgelenk. Dann musterte er mich von oben bis unten und nickte schließlich. “Perfekt”, sagte er dann. Ich sah mich im Spiegel skeptisch an, aber mir gefiel was ich da sah. Plötzlich eine Lolita. Aber war es so schlimm einmal von dem Standart den ich mir als Emo gesetzt hatte abzusehen? Schließlich kam es dabei ja nicht auf das Äußere, sondern auf die innere Einstellung an. Und schließlich wird man kein Emo, sondern man ist einer. Und das würde ich auch weiterhin bleiben! Ich war schon überzeugt es zu nehmen, dann hörte ich Alex Stimme hinter mir. “Wie viel sollte es denn kosten?” “Alles zusammen… Ich könnte ihnen einen Sonderpreis von, sagen wir 95 Euro machen…” Mir klappte der Mund auf, so viel! Und auch Alex schien das ein wenig viel zu sein, sie schnappte hörbar nach Luft. “Lass mal gut sein, gib es ihr für 30!”, der Goth der in den Laden gekommen war hatte das Wort ergriffen. “Ich hab mich schließlich nicht entschieden es so teuer zu machen! Das warst doch immerhin du!”, der Verkäufer wirkte eher verwirrt als aufgebracht. Jetzt kam der andere Goth auf mich zu. Er musterte mich ebenfalls und auch er nickte dann. Schließlich streckte er mir seine Hand entgegen. “Backer, ich habe das Kleid entworfen”, sagte er dann mir ruhiger Stimme. Ich schüttelte seine Hand und starrte kurz mit offenen Mund zu ihm hoch. Er hatte es entworfen? Geschmack hat er ja! “Äh,… Vera!”, stellte ich mich dann endlich vor. Irgendwie war mir das peinlich. Er drehte den Kopf wieder zu dem Verkäufer, anscheinend sein Kumpel. “Gib es ihr für 30”, wiederholte er dann. Der Verkäufer zuckte mit den Schultern und nickte. “Dann also alles zusammen für 30 Euro.” Kurz darauf, als ich wieder umgezogen war, zahlte ich dann, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte. Der Goth zahlte dann doch noch 60 Euro dazu! Hatte der zu viel Geld? Backer ging dann mit uns aus der Tür. Ein kühler Wind blies uns entgegen und die Dämmerung war am Horizont schon auszumachen. Wir hatten uns wirklich lange in diesem Geschäft aufgehalten. Ich drehte mich zu ihm um. “Äh, danke. Das Kleid ist wirklich schön!” “Kein Problem… Ich finde es passt so gut zu dir… bis auf die pinken Strähnen vielleicht… aber die wirst du sicher auch nicht ewig haben, stimmt’s?” “Nein, bestimmt nicht… Wollen Sie vielleicht noch mit uns einen Kaffee trinken? Sagen wir als kleines Dankeschön?” “Sehr gerne!” Alex rollte nur mit den Augen, aber das war mir dann auch egal. Wir fanden ein sehr schönes, kleines Cafè. Ich bestellte mir einen Kakao, Alex und Backer einen Cappo und Backer bestellte sich noch einen Espresso dazu. Wir machten es uns gemütlich. Backer fing dann an zu erzählen, von seinem Job als Designer. Ein echter Designer! Neben mir am Tisch! “Es ist zwar nur ein kleines Label, gut es ist ja auch noch sehr neu, aber es scheint sehr beliebt zu sein. Man hält sich halt damit über Wasser. Aber abgesehen davon liebe ich diese Klamotten!”, er kam ins Schwärmen. “Ich kann gut verstehen das es so beliebt ist. Immerhin sind wir ja nicht gerade die Zielgruppe”, gab Alex dann auch mal ihren Senf dazu. Er musterte uns beide noch mal und brach dann in ein unsicheres Lachen aus. “Nein, das stimmt!”, bestätigte er dann, als er sich wieder eingekriegt hatte. “Darf ich Sie fragen wie sie überhaupt zu diesem Beruf gekommen sind? Das gilt ja mehr so als Frauenberuf…”, fragte ich dann. “Hmm… so ganz genau weiß ich das gar nicht. Ich habe erst Kunst studiert. Und durch einen Freund kannte ich auch die Goth-Szene ganz gut. Er war schon damals darin integriert… Ein richtiger Gothic bin ich selbst nie gewesen. Ich mag nur diesen Kleidungsstil. Ich bin aus reichem Hause, da wäre es für mich nie in Frage gekommen selbst großartig so etwas zu tragen, obwohl es ja genau genommen sehr edel wirkt, zumindest meistens. Kurzum, ich hab irgendwann angefangen meine eigenen Klamotten in einem noch etwas edleren Stil zu entwerfen. Damit ich es auch mal tragen konnte und hatte einfach Spaß daran. Naja, jedenfalls wird meine Label auch zum Teil mit Edelgoth bezeichnet. Das gefällt mir irgendwie…” Dieser Kerl hatte ein wirklich sonniges Gemüt! Das er aus gutem Hause ist, war mir schon an seiner Art zu reden aufgefallen. Aber es schien das Ganze nicht zu beeinträchtigen. “Edelgoth… das hört sich echt gut an, finde ich”, meinte Alex. Ich gähnte. Dann schaute ich auf die Uhr und sprang auf, wobei ich fast den ganzen Tisch umschmiss, die Tassen schwappten über und die andern beiden riefen erschrocken aus. “Verdammt schon so spät! Ich muss den nächsten Zug kriegen! Meine Mutter hat meine Ausgehsperre nach dem letzten Mal um eine Stunde früher gelegt!”, rasselte ich runter. “Auch das noch!”, stöhnte Alex auf. “Dann will ich euch nicht aufhalten! Ich werde das hier schon bezahlen, kein Problem.” “Nein! Sie haben schon das Kleid bezahlt da…”, widersprach ich entrüstet. Aber Alex unterbrach mich. Sie klatschte einen Zettel auf den Tisch. “Das ist meine Nummer. Wir treffen uns demnächst noch mal, dann können wir Ihnen immer noch das Geld zurück geben”, Backer machte schon den Mund auf um zu widersprechen, aber Alex war schneller. “Und keine Widerrede! Wir sehen uns! Bis dann!”, mit diesen Worten zog sie mich in Richtung Tür und ich konnte nur noch die Hand zum Gruß heben, bevor wir wieder in den kühlen Abend traten. Draußen angekommen rannten wir uns die Seele aus dem Leib um noch rechtzeitig zum Zug zu kommen. Als wir am Bahnhof ankamen, war der Zug schon eingefahren. Wir stürmten über den gesamten Bahnhof direkt auf die Zugtüren zu. Mit schweren Atem stolperten wir hinein. Wir ließen uns auf einen Sitz fallen und rangen nach Atem, da fuhr der Zug auch schon los. Gerade noch geschafft, das passierte mir in letzter Zeit wirklich häufig! Alex brachte zwischen zwei rasselnden Atemzügen nur noch ein paar Wörter hervor: “Wirklich netter Kerl!” Zu erwähnen das ich das sofort erkannt hatte wäre wohl überflüssig gewesen. Aber er hatte mich auf jeden Fall von noch mehr Ärger gerettet! “Ja! Auf jeden Fall!” Kapitel 8: Alles in Ordnung? ---------------------------- Kapitel 8: Alles in Ordnung? Gina rührte gedankenverloren in ihrem Kakao. Sie lehnte sich zurück und streckte die Beine von sich, dabei schaute sie aus dem Fenster. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, während sich ihre Gedanken immer nur um das Selbe kreisten. „Wie kann ich dir helfen, Vera, wenn du mir nicht mal sagen kannst wo dein Problem liegt?“ Als es an der Tür klingelte horchte sie auf. War sie etwa mal pünktlich? Sie schlurfte zur Tür, da sie mal wieder die einzigste zu Hause war. „Hey, Gina! Wie geht’s?“, fragte ich als die Tür geöffnet wurde. „Ach, du bist tatsächlich mal pünktlich? Du bist immer wieder mal für Überraschungen gut was?“, sagte sie und grinste dabei. „Ähm, darf ich reinkommen oder willst du dich weiter hier unterhalten?“, fragte ich. „Mmh, nein, ich glaub nicht. Ist doch schön hier oder?“ Sie grinste noch breiter und trat einen Schritt zurück um mich endlich rein zu lassen. „Gibt’s irgendwas neues bei dir?“, fragte sie dann. „Alex und ich waren doch gestern in der Stadt. Wir haben einen echten Designer kennen gelernt! Kannst du dir das vorstellen?“ „Einen Designer?“, sie wirkte skeptisch. Ich ging ins Wohnzimmer und ließ mich auf die Couch fallen, während Gina mir auch eine Tasse aus der Küche holte. Ich streckte die Füße unter den Tisch und redete gleich wieder drauf los. „Ja. Aber nicht irgend so ein Schickimicki Designer sondern einer für Goth-Mode! Der war echt cool drauf! Naja, der quatschte nur immer so geschwollen...“ Ich zog eine Grimasse und streckte die Zunge heraus. Gina lachte. „Goth-Mode? Wie lernt ihr denn Bitteschön einen Designer für Goth-Mode kennen?”, fragte sie dann. Ich nippte an meinem Kakao. „Mh, naja wir waren in so einem Gothikladen. Und da haben wir so ein Lolita-Kleid gesehen. Das war echt voll schön! Jedenfalls hab ich’s anprobiert, und wie ich mir gerade überlegt hatte es zu kaufen, sagte der Verkäufer das es so teuer wäre. Wir wollten es schon wieder weghängen da hat sich dieser Designer eingemischt, der Verkäufer solle uns das Kleid doch für 30 Euro geben...“ „Einfach so?“, fragte Gina dazwischen. „Ja, keine Ahnung warum... Er behauptet es würde mir so gut stehen und er würde es schade finden wenn ich es nicht kaufen würde oder so ähnlich... Jedenfalls haben wir ihn anschließend noch als Dankeschön zu einem Kaffee eingeladen und...“ „Da kommt aber jemand ganz schön ins Schwärmen!“, quatschte Gina erneut dazwischen und grinste über das ganze Gesicht. Ich stupste sie mit dem Ellenbogen in die Seite. „Hey!“ „Na, ist doch wahr! Du erzählst von ihm, als wäre er der Größte!“ Sie begann zu kichern. „Du bist doch nur neidisch!“, neckte ich sie. Jetzt brach sie in hilfloses Gelächter aus und ich lächelte und betrachtete sie dabei. Sie hatte wirklich ein schönes Lachen! Da strahlte sie immer so eine unglaubliche Aura aus... Plötzlich brach sie mitten im Lachen ab und schaute mich mit ihren Kristallblauen Augen direkt an. Plötzlich breitete sich eine unglaubliche Spannung im Raum aus. Keine unangenehme, aber das Zimmer baute eine spürbare Ladung aus. Ich schluckte hart und strich mir ein paar Strähnen aus den Augen. Gina holte tief Luft. Dann setzte sie zum reden an. „Vera, du bist in letzter Zeit irgendwie ....seltsam. Ist irgendetwas passiert? ... Du weißt doch, wir können über alles reden, oder etwa nicht?“ Während sie das sagte wurde ihre Stimme immer leiser. Mein Gott! Was sollte ich den jetzt sagen? „Was soll denn so seltsam sein?“, fragte ich dann etwas verwirrt. „Naja... Du wirkst häufig so abwesend... Irgendwas ist halt anders. Du bist so oft in Gedanken... und ... ich mach mir einfach Sorgen um dich und wollte deshalb nur wissen ob alles in Ordnung ist...“, brachte sie dann unsicher hervor. „Klar ist alles in Ordnung! Mir geht es bestens! Wenn nicht, würdest du es als erste erfahren, das weißt du doch!“, ich versuchte aufmunternd zu klingen, ich glaube nur das es nicht so ganz geklappt hatte. Das schlimmste war, das sie ja auch noch recht hatte! Aber wenn ich nicht mal selber wusste, was mit mir los war, wie sollte ich es ihr dann erklären? Unsicher begann ich zu lächeln. Auf einmal fiel mir Gina um den Hals. Sie drückte mich ganz fest an sich. Ich schloss die Augen und zog die Luft tief ein. Schweigend saßen wir da, ich im Schneidersitz, und sie leicht nach vorne gebeugt und hielt mich fest. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. In diesem Augenblick war ich einfach glücklich und ich genoss es! Nach einer gefühlten Ewigkeit, aber dennoch viel zu früh räusperte sie sich dann und zog sich wieder etwas zurück. Plötzlich zog sich ein immer breiter werdendes Lächeln über ihr Gesicht. Und ehe wir uns versahen, waren wir beide in lautes Gelächter ausgebrochen. Ihres wirkte befreiend und ehrlich... Und meines? Ich weiß nicht. Plötzlich hatte ich ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Als hätte ich gerade etwas gefunden und es sofort wieder verloren. Schließlich kriegten wir uns wieder ein. Jetzt hörten wir auch, das es an der Tür Sturm klingelte. Gina setzte eine Miene auf, als ob sie sagen wollte; Wer ist DAS schonw ieder? Sie stand also auf und öffnete. Ich blieb sitzen und nippte an meinem Kakao, der schon wieder fast kalt war. Meine Gedanken kreisten die ganze Zeit um diese seltsame Szene, die sich eben abgespielt hatte. Mein Gott, es war SO schön gewesen! Plötzlich zuckte etwas durch mich hindurch, das man... ja vielleicht Erkenntnis nennen könnte. Erkenntnis die... „...Hey! Vera!...“ Ich zuckte zusammen und schaute zur Wohnzimmertür. Gerade setzte sich Gina neben mich und Nina kam herein. „Äh... hi! Wie geht’s?“, stotterte ich. „Och ganz gut.“ Sie setzte sich ebenfalls aufs Sofa. „Ich hab gestern mit Tobi schliss gemacht...“ Weiter hörte ich nur noch mit halben Ohr zu, wenn überhaupt. Zu welchem Schluss war ich gerade noch gekommen? Was war noch mal bevor Nina rein kam? Verdammt! Warum musste ich auch nur so vergesslich sein? Ich hatte doch gerade einen ganz wichtigen Punkt entdeckt! Immer musste Nina stören und von ihren bescheuerten Beziehungskisten erzählen, die sowieso keinen interessierten... Irgendwann würde ich ihr das auch mal sagen! Warum war ich denn jetzt eigentlich so sauer auf Nina? Schließlich war sie eine gute Freundin von Gina und mir, wieso sollte sie dann nicht kommen? Aber fest stand, das sie gestört hatte. Aber wobei eigentlich? Langsam kehrte ich wieder aus meinen Gedanken heraus und hörte wieder genauer auf das, was Nina erzählte. Erst jetzt bemerkte ich das Gina mich von der Seite anschaute. Oder besser sie schielte andauernd zu mir herüber, weil ja eigentlich Nina am reden war... Ich blickte zu ihr, sie tat so als hätte sie die ganze Zeit Nina angesehen. Ich musterte sie noch mal und zuckte dann fast unmerklich mit den Schultern und achtete wieder auf Nina. Plötzlich begann mein Handy in der Hosentasche zu vibrieren. Ein paar entschuldigende Worte murmelnd zog ich es heraus und ging ran. „Ja?“ „Hey, Vera! Ich bin’s, Alex.“ „Ach, hi.“ „Was machst du grade?“, fragte sie dann. „Ich bin grade bei Gina und Nina ist auch hier, wieso?“, ich lehnte mich auf der Couch zurück. „Achso,... eigentlich wollte ich dich ja fragen ob du nicht Lust hast, heute ins „Deluxe“ zu gehen...“ „Dann tu’s doch“, schlug ich vor. Ihre Antwort kam perplex. „Was tun?“ „Mich fragen.“ Ich grinste. „Ach so, ich dachte nur, weil die anderen ja noch da sind...“ „Ich frag einfach mal ob sie mit wollen... Einen Moment.“ Ich nahm das Handy vom Ohr und sah zu Nina und Gina rüber. „Wollt ihr mit ins „Deluxe“? Alex wollte heute Abend da hin.“ „Wegen mir schon, ich will diese Alex schließlich auch mal kennenlernen“, antwortete Gina sofort. Erst jetzt ging mir auf, dass die beiden sich ja noch gar nicht kannten. „Ich muss leider Absagen... ich hab schon was vor.“ Nina zwinkerte verschmitzt. Hatte ich schon wieder irgendwas nicht mitgekriegt? „Äh... gut.“ Dann legte ich das Handy wieder ans Ohr. „Alex?“ „Ja?“ „Gina kommt auch mit. Wann wolltest du denn los?“ „Keine Ahnung... Sagen wir so gegen halb sieben?“ „Geht klar. Bis dann, wir sehen uns.“ „Gut bis später.“ Tuut. Tuut. Tuut. Etwa eine halbe Stunde später ging ich nach Hause, um mich umzuziehen. Die Zeit war echt schnell vergangen! Ich öffnete den Schrank um nach ein paar passenden Klamotten zu suchen. Mein Blick fiel auf das Gothik-Kleid. Ich grinste, und musste unwillkürlich an Backer denken. Sollte ich das anziehen? Nein, besser nicht. Schließlich entschied ich mir für eine Hose im Karotten Stil, und ein Korsettartiges Top mit Karos und einem schönen Kragen, so dass ich noch eine einfarbige Krawatte darauf anziehen konnte. Ich lief ins Bad und prüfte die Schminke, die ich ja heute morgen schon aufgelegt hatte. Zog dann hier und da noch mal den Kajal nach. Lief dann nach unten und schrieb meinen Eltern einen Zettel, wo ich war. Die beiden waren auf dem Geburtstag meines Onkels, vor dem ich mich mit Erfolg gedrückt hatte. Dann schnappte ich mir noch ein paar Vans und einen Schlüssel und ging aus der Tür. Schließlich hatte ich keine Lust schon wieder so spät zum Zug zu kommen. Am Bahnhof wartete dann schon Gina. Sie sah mal wieder umwerfend aus! Sie trug einen kurzen, schwarzen Rock, mit einer schwarz-rot gekringelten Strumpfhose und ein rotes Shirt mit silber-schwarzen Aufdruck. Dazu einen niedlichen schwarz-rot-gestreiften Haarreif. Durch die dunklen Klamotten und die platin-blonden Haare fiel sie sofort auf. Kurz einfach zum knuddeln! In den nächsten Zug stiegen wir dann ein. Alex war nicht zum Bahnhof gekommen, wahrscheinlich fuhr sie wieder mit ihrem Roller zum „Deluxe“. Also hatten Gina und ich uns alleine mit einem Mp3-Player auf Party eingestimmt. Sehr zum Leidwesen der anderen wartenden, da wir laut mitsangen. Aber das war mir egal... Ich konnte meine Augen kaum von diesen niedlichen Anblick abwenden! Endlich am anderen Bahnhof angekommen hatten wir also noch knapp 10 Minuten Fußweg vor uns. Wir hörten immer noch Musik und quatschten laut darüber hinweg. Die Leute sahen uns genervt an. Aber das störte mich nicht. Ich freute mich auf das „Deluxe“ und genoss die kühle Abendluft, während Gina und ich eingehakt die Fußgängerzone entlang gingen. Alexandras Roller erkannte ich schon vom weiten. Alex selber wartete an der Tür zur Bar. „Hey Alex!“ Wir umarmten uns kurz. „Das ist Gina.“ „Hey, Gina. Ich bin Alex.“ „Das hatte ich mir schon gedacht“, sagte Gina und grinste dabei. Zusammen gingen wir in die Bar. Alex entdeckte sofort das auch Karina und Elena da waren. Alex ging also kurz rüber und begrüßte die beiden. Gina und ich setzten uns schon mal an einen anderen Tisch. „Alex scheint echt nett zu sein“, stellte Gina kurz fest. „Hmm. Ist ganz lustig mir ihr“, ich grinste. „Gibt’s heute auch wieder eine Band?“ „Keine Ahnung.“ In dem Moment stieß Alex wieder zu uns und setzte sich auf den freien Platz. „Ich glaub heute kommt ne ziemlich unbekannte Band aus der Umgebung. Werden ja sehen ob die was hermachen“, sie zwinkerte. Ich kicherte, das sah bei ihr einfach total komisch aus! „Weißt du wie die heißen?“, wandte sich Gina an Alex. „Nö, da bin ich überfragt.“ „Soll ich uns mal was zu trinken holen?“, fragte ich dann. Von der ganzen singdrei im Zug war mein Hals total trocken. „Klar. Für mich ne Cola.“ Gina strich sich ein paar Strähnen aus den Augen. „Und ich ein Kölsch-Cola“, sagte Alex und schob mir schon das Geld rüber. Ich kämpfte mich also durch die Leute nur um dann festzustellen das meine Hände für drei Gläser eigentlich viel zu klein waren. Ein wenig umständlich stolperte ich dann in die Richtung unseres Tisches. Da ich jedoch nicht besonders groß bin, übersahen mich die meisten Leute. „Hey! Könnt ihr mal aus dem Weg gehen!“ Ein Typ, der fast so kompakt aussah wie ein Schrank schaute auf mich runter. „Geht das auch was freundlicher, du Zwerg“, zeterte er los. Plötzlich tauchte Kah hinter mir auf. „Komm ich helf dir.“ Sie nahm mir eins der Gläser ab. „Oh, cool. Danke.“ Bevor der Typ noch mehr Stress schieben konnte, schoben wir uns an ihm vorbei. An unserem Tisch angelangt stellten wir die Gläser wieder ab und Karina verschwand sofort wieder in Richtung Toiletten. „Hast du eigentlich noch was von Backer gehört?“, fragte ich Alex. „Backer?“, warf Gina dazwischen. „Ja, der Designer von dem ich erzählt hab.“ „Ach so.“ Sie stützte ihren Arm auf den Tisch, und ihren Kopf auf der Hand ab. Ich strich ihr ein paar Haare aus dem Gesicht, die sich an ihrem Mundwinkel verfangen hatten. Sie lächelte mich kurz schwach an und wandte sich dann zu Alex, die gerade wieder angefangen hatte zu reden. „Äh... nein. Er hat sich noch nicht gemeldet...“ Sie musterte mich kurz bevor sie weitersprach. „Aber ich bin sicher das er Morgen oder so anruft. Was ist eigentlich mit dem Kleid? Warum hast du das nicht angezogen?“ „War mir ein bisschen zu Edel für einen gemütlichen Abend“, gab ich zurück und grinste. Die Band wurde angesagt. Leider verstand ich den Namen der Band immer noch nicht, aber so ein großer Fan werde ich von denen wahrscheinlich sowieso nicht. Sie schrammelten ein bisschen schlechten Rock und ein paar etwas bessere Balladen. In der Zwischenzeit unterhielten wir uns dann lautstark über die Musik hinweg. Irgendwann schaute Gina auf die Uhr und verabschiedete sich. Aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht verstehen konnte, weil die Musik so laut war, musste sie heute früher zu Hause sein. „Sollen wir nicht besser mitkommen? So spät alleine am Bahnhof ist doch auch Mist“, fragte ich mit besorgter Miene. „Nein. Ist schon gut. Mir passiert schon nichts“, gab sie mit bestimmten Ton wieder zurück. „Sicher?“, hakte ich nach. „Sicher.“ Und schon war sie in Richtung Tür verschwunden. Ich schaute dem platin-blonden Schopf noch hinterher, das brachte jedoch nicht viel, weil die Leute mir die Sicht versperrten. Als ich mich wieder umdrehte, schlug mir sofort Alex blick entgegen. Sie hatte ihren Kopf in die Hände gelegt und schaute mich direkt an. Als es mir zu blöd wurde, weil Alex kein Kommentar hören ließ, fragte ich gereizt „Was?“ Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Nichts.“ Ich schaute sie fragend an. Aber sie schwieg weiter. Eine knappe Stunde später fuhr sie mich dann wieder nach Hause. Die Stimmung war merklich gesunken, als Gina weg war. Ich hatte mir die ganze Zeit sorgen um sie gemacht und Alex musterte mich nur die ganze Zeit berechnend. Zu Hause angekommen stieg ich vom Roller und nahm den Helm ab. Ich murmelte ein „Tschüss“ und drehte mich schon zur Tür, aber Alex hielt mich am Arm zurück. Also drehte ich mich wieder um und sah sie an. „Was ist?“, fragte ich etwas verwundert. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie mich dann nach kurzem Zögern. „Warum fragen mich eigentlich heute alle ob bei mir alles in Ordnung ist?“, gab ich genervt zurück. „’Tschuldigung. Das war auch eigentlich gar nicht das was ich wissen wollte...“, sie brach ab. „Und warum fragst du dann?“ „Ich weiß nicht wie ich’s formulieren soll...“, wieder brach sie ab. Sie rutschte auf ihrem Roller herum. Anscheinend war sie genauso angespannt wie ich verwirrt war. „Sag’s einfach frei heraus. Ich wird dir schon nicht den Kopf abreißen“, versuchte ich es. „Mmpf“, machte sie nur. „Na los! So schlimm wird’s doch nicht sein.“ Ich versuchte aufmunternd zu Lächeln. Das ging jedoch mächtig in die Hose, weil ich plötzlich niesen musste. Dabei stolperte ich nicht besonders galant Rückwerts über die Grasnarbe und plumpste auf mein Hinterteil. Alex versuchte sich, anscheinend erfolglos, ein Lachen zu verkneifen. Sie lachte laut auf und schlug sich die Hand vor den Mund. Und ich saß total belämmert auf dem Boden und guckte zu ihr hoch. Hinter mir hörte ich wie sich die Haustür öffnete und meine Mutter nach mir rief, ich solle gefälligst rein kommen. Ich rappelte mich also auf. „Was wolltest du denn jetzt wissen?“, fragte ich Alex, die sich die Tränen aus den Augen wischte, und sich immer noch nicht ganz wieder gefangen hatte. „Nicht... so wichtig. Ein... andermal“, stammelte zwischen erneuten Lachanfällen. Ich grinste sie blöd an. „Wenn du meinst. Ich werd dich dran erinnern!“, drohte ich. Sie holte atmete tief durch und hielt kurz die Luft an. Immer noch mit einem breiten grinsen auf dem Gesicht murmelte sie „Ist gut. Bis dann.“ Sie schmiss den Motor an und fuhr los. Ich hob noch kurz die Hand und drehte mich dann zur Tür, während ich mich fragte was auf einmal mit allen los war. Kapitel 9: Oh, what a crazy day! -------------------------------- 9. Kapitel: Oh, what a crazy day! Gina, Nina, Alex und ich saßen im Cafè „Blue“ und stießen auf den Ferienanfang an. Wir hatten uns direkt nach der letzten Stunde auf den Weg gemacht. Alle waren total gut gelaunt. Zwei Wochen nichts tun! Ich nippte gerade an meinem Kakao als Alex` Handy klingelte. Alex ging ran. In dem Moment zwickt mich Gina in die Seite. Ich erschrecke mich so, dass mir der Kakao, den ich immer noch festgehalten hatte, über die Hand schwappte. Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte. Zum Glück war der Kakao über dem Tisch gewesen. So war wenigstens mein T-Shirt verschont geblieben. Gedankenverloren sah ich noch einen Moment Gina an, bevor ich bemerkte das meine Hose nass wurde. „Scheiße!“, ich sprang auf. Der Kakao war über den Tisch an die Kante gelaufen und sammelte sich dort bevor er in tropfen auf meine Hose schlug. Ich war beim aufspringen jedoch gegen die Tischkante gestoßen. Zum Glück passierte nichts weiter als ein paar überschwappende Gläser. Jetzt fluchten Nina und Alex weil ihre Hosen ebenfalls nass wurden. Aber Gina krümmte sich auf ihrem Stuhl vor lachen. Sie hatte die Beine angezogen und die Arme vor dem Bauchgelegt. Sie hing wie ein schluck Wasser in der Kurve auf ihrem Stuhl und lachte sich mit tränenden Augen die Seele aus dem Leib. Das ließ mich dann auch nicht ganz ungerührt und ich musste ebenfalls laut auflachen. Nina sah uns beide nur total verdattert an, was uns noch animierte weiter zu lachen. Und Alex saß da und versuchte über das lachen von uns und ihren eigenen Kicheranfällen zu telefonieren. Langsam kriegte ich mich wieder ein. Und bemerkte die Blicke, der anderen Gäste, die teils empört teils amüsiert auf uns lagen. Ich legte die Arme vor meinem Bauch, da ich vom vielen Lachen Bauchschmerzen hatte und blickte zu Gina herüber. Mittlerweile brachte sie keinen Ton mehr heraus, schüttelte sich jedoch immer noch, wodurch ihr platin-blondes, glänzendes Haar in Schwingungen geriet und die Lichtreflexe spielten. Die Augen waren zugekniffen und die Tränen rollten über die Wangen. „... Vera?“ Mit einem Ruck bewegte ich meinen Kopf in Alex Richtung. „Jaah?“ „Das war Backer...“ „Was?“, unterbrach ich sie. Alex schmunzelte amüsiert und rollte mit den Augen. „Am Handy.“ „Ach so“, ich hatte ganz vergessen das sie telefoniert hatte. Neben mir schnappte Gina nach Luft, wieder sah ich sie an und musste unwillkürlich lächeln. „Er möchte sich nachher mit uns treffen.“ Widerstrebend riss ich den Blick von Gina und richtete ihn wieder auf Alex. „Wo?“ „Er will am Bahnhof auf uns warten, in anderthalb Stunden“, ihre braunen Augen schienen mich zu durchbohren. Nicht ich antwortete ihr, sondern Gina. „Geht in Ordnung. Ist ja Zeit genug sich noch umzuziehen.“ „Was soll das denn jetzt heißen?“, fragte Alex völlig perplex. Nachdenklich musterte ich Alex. Was sollte dieser Blick bedeuten? „Na, ich komm mit!“, erwiderte sie mit einem Ton der keine Widerrede duldete. Alex schnaubte. Nina rollte mit den Augen. Und ich grinste. Gina schaute in die Runde. Das heißt, eigentlich sah sie nur Alex und mich an, da Nina da ja eh nicht mitzureden hatte. „Dann ist es abgemacht. Wir treffen uns später am Bahnhof und fahren dann zusammen in die Stadt.“ „Wenn’s denn sein muss“, Alex resignierte. Alex war mit ihrem Roller abgerauscht. Aus für mich unerfindlichen Gründen schien sie nicht begeistert zu sein das Gina mitkam. Nina hatte sich ausgeklinkt. Sie hatte ihren Freund angerufen, mit dem sie jetzt was unternehmen wollte. Nebeneinander gingen Gina und ich also in Richtung Heimat. Sie hatte sich bei mir eingehakt und plauderte vor sich hin. Von dem was sie mir erzählte bekam ich jedoch nichts mit, weil mein Herz bis in den Hals schlug und das pochen in meinen Ohren widerhallte. Meine Handflächen begannen zu schwitzten und ich fühlte mich einfach nur Sauwohl! An der nächsten Weggabelung bog sie dann ab. Mein Haus lag zwei Straßen weiter. Irgendetwas in mir wollte sie nicht gehen lassen. Nur der Gedanke daran, dass ich sie ja gleich wiedersehen würde hielt mich davon ab sie noch mal zurück zu halten. Während ich dann alleine weiterging, fragte ich mich ob ich nicht vielleicht in die Klapse müsste. Vielleicht gab es ja eine Krankheit, die genau das gegenteilige bewirkte wie Verfolgungswahn? Zu Hause stand ich vor dem Schrank und überlegte ob ich mich überhaupt großartig umziehen sollte. Eigentlich war gegen meine momentane Kleidung doch nichts einzuwenden. Ich entschloss mich dann ein frisches Shirt anzuziehen, da das andere schon ziemlich durchgeschwitzt war. Im Bad zog ich dann noch mal den Kajal nach und prüfte den Sitz meiner Krawatte. Bevor ich wieder nach unten ging sprühte ich mich noch mal gründlich mit meinem neuen Deo ein und fragte mich dabei ob es Gina wohl gefiel. Unten sagte ich nur schnell meiner Mutter bescheid und flitzte dann aus der Tür. Zum Glück hatte sie meine Ausgangssperre zum Anfang der Ferien wieder aufgelöst. Schließlich würde ich ja nächsten Monat 17, hatte sie gesagt und ich hatte natürlich nichts dagegen gehabt. Draußen fragte ich mich dann warum ich eigentlich so schnell wieder gegangen war, schließlich würde es noch eine knappe Stunde dauern bevor wir uns am Bahnhof treffen wollten. Kurzerhand entschloss ich mich dann also zu Gina zu gehen. Mit nur einem geschminkten Auge öffnete sie mir dann die Tür. „Du warst aber schnell“, stellte sie dann mit nüchterner Stimme fest und trat aus der Tür damit ich an ihr vorbei gehen konnte. Ich grinste nur breit und guckte entschuldigend. Ich setzte mich auf das Bett in ihrem Zimmer. Kurz darauf kam sie dann fertig geschminkt nach. „Erzähl mal was dieser Backer so für ein Mensch ist“, sagte sie dann und öffnete die Schranktür. Ich lehnte mich zurück, stützte mich mit den Armen ab und streckte die Beine aus. Ich schaute zu ihr hoch. „Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen“, setzte ich dann an und beobachtete Gina wie sie sich vor dem Spiegel in ihrem Schrank ein lila Top vorhielt. „Er ist einfach ein Gentleman mit reichem Papi. Redet ein bisschen geschwollen find ich, aber ansonsten ganz in Ordnung.“ „Mhm“, machte sie nur. Ich trat hinter sie und strich mit den Fingern durch ihre Haare. „Welches meinst du ist besser?“, fragte sie ungerührt, trotz dass ich nur wenige Zentimeter hinter ihr Stand. Sie hielt ein Top mit kleinen Sternchen hoch und ein T-Shirt das hinten schlicht schwarz war, und vorne mit grellen, orangenen Karos auf schwarzem Grund bedruckt waren. Ich griff um sie herum, ich atmete dabei nur ganz flach. Mit geschlossenen Augen sog ich ihren Duft ein und griff zu dem karierten Shirt. „Das hätte ich mir ja denken können!“, sie lachte kurz auf. Es war eher ein glucksen. Ich trat zögernd einen Schritt zurück und holte einmal tief Luft. Ich ließ mich auf ihr Bett fallen, mir war total schwindelig... Aber irgendwie auf eine angenehme art... Gina drehte sich zu mir um. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Alles bestens“, sagte ich. „Alles bestens...“ Kaum eine Stunde später begrüßten wir dann Backer. In einer Feierlichkeit, die uns drei zum lachen, und Backer anscheinend völlig normal vorkam, stellte Alex ihm Gina vor. Kurz darauf waren wir auf den Weg zu dem Gothikladen. Gina wollte den auch mal gerne sehen. „Ach ja!“, ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Alle blieben stehen und schauten mich fragend an. „Darf ich fragen was passiert ist?“, ergriff dann Backer das Wort. Derweil kramte ich in meiner Hosentasche. „Klar!“, ich zog mein Portmonee hervor und holte ein paar Münzen heraus. „Wir wollten dir doch eigentlich den Kaffe bezahlen. Hier“, ich drückte ihm die Münzen in die Hand. „Mh, man kann ja sehen ob wir noch was für dich finden, Backer“, schlug Alex vor. „Das ist wirklich nicht...“, setzte er an, wurde jedoch von Alex unterbrochen. „So’n quatsch! Das war nicht gerade wenig Geld um was es ging!“, stieß sie hervor. „Dann tut mir wenigstens den Gefallen und sprecht mich ab jetzt mit meinem Vornamen an. Das wäre mir angenehmer.“ Irgendwie schien er das nicht vielen anzubieten. Seine Stimmer war immer leiser geworden. „Klar! Und... der wäre?“, fragte ich dann. „Richard“, erwiderte er knapp. „Ricky?“, fragte Alex. „Meinetwegen auch so.“ Ein grinsen machte sich auf seinen Zügen breit. „So nannte mich meine Mutter bevor ich in die Schule kam.“ Wir drei Mädels tauschten einen belustigten Blick, der zu sagen schien wie süüüß! Backer, oder Richard, bemerkte nichts, und setzte sich wieder in gang. Wir hinterher. Endlich in dem Laden angekommen, kam Gina nicht mehr aus dem Staunen heraus. „Wow! Der ist ja echt Klasse!“ Mit großen Kinderaugen lief sie im Laden von einer Ecke in die nächste. Sie zog mich am Handgelenk hinter sich her. Hier und da blieb sie mal stehen und ich hielt ihr etwas vor und schaute ob es ihr stand. Als ich einmal zu Ricky und Alex hochschaute sah ich gerade noch wie sie einen wissenden Blick tauschten, Alex sah dabei nicht besonders glücklich aus, aber Backer lächelte. Das wunderte mich, aber ich hatte keine Zeit darüber nach zu denken. Als ich keine Lust mehr hatte wie blöde hin und her zu rennen, fing ich einfach an Gina zu kitzeln, da ich sie das auch nicht alleine machen lassen wollte. Sie kicherte und versuchte sich mir zu entwinden und startete dabei ein paar Gegenangriffe, die jedoch meistens ins Leere gingen. „Hey, ihr zwei! Habt ihr euch jetzt ausgetobt?“, fragte Richard mit einem milden lächeln im Gesicht. Nach Luft schnappend hauchte Gina ein „Ja.“ Mein Blick fiel auf Alex, die sich daraufhin abrupt umdrehte und schon einmal rausging. Die andern beiden schienen ihre plötzliche, kühle Art nicht aufzufallen. Aber ich machte mir irgendwie sorgen. Auch später in dem Cafè, in dem wir dann noch zusammensaßen lockerte sie nicht wieder auf. Das trübte dann wiederum auch meine Stimmung. Aber wenigstens Ricky und Gina schienen richtig Spaß zu haben. Nach einiger Zeit lockten wir sogar ein paar weniger geschwollene Sätze aus ihm heraus! Ich versuchte auch etwas mehr Spaß zu haben, aber meine Gedanken kreisten abwechselnd um die Sorge über Alex, und die Ausstrahlung die plötzlich von Gina ausging. Backer war dann nachher so nett uns nach Hause zu fahren. Er sagte, er wolle nicht das wir uns so spät noch am Bahnhof herumtreiben. Er setzte uns dann alle bei Gina ab, die eigentlich vorgehabt hatte uns noch ein paar Minuten mit reinzulassen. Backer war schon wieder losgefahren, als Gina uns sagte das es wohl doch nicht ginge, da ihre Mutter schon schlafen gegangen war. Ich erklärte mich dann noch bereit, mit Alex zusammen, ihren Roller holen zu gehen. Was ich hauptsächlich tat, weil ich herausfinden wollte, warum sie so schlecht drauf war. Schweigend gingen wir dann, im Licht der Straßenlaternen in Richtung des Bahnhofparkplatzes, wo ihr Roller stand. Irgendwie breitete sich eine Spannung in der Luft aus. Als wir dann endlich am Roller ankamen, wollte ich dann zu meiner Frage ansetzten. In dem Moment drehte sie sich zu mir um. Ihre Gesichtszüge waren in dem Licht, der Parkplatzbeleuchtung deutlich zu erkennen. Ihre Augen jedoch lagen in tiefen Schatten. Ich hielt den Atem an. Langsam setzte ihr Arm zu einer Bewegung an, dann ließ sie ihn jedoch wieder sinken. Sie schaute auf einen Punkt, irgendwo vor ihren Füßen. „Ich...“, setzte ich an, um endlich die Frage los zu werden, die mir auf der Seele brannte. „Du liebst sie.“ Es war kaum mehr als ein flüstern gewesen. „Äh... was?“, fragte ich. Als ich begriff was sie gesagt hatte fügte ich atemlos hinzu „Wen?“ „Gina.“ Es klang einfach nach einer nüchternen Feststellung. Meine Ohren begannen zu rauschen. Endlich blickte Alex auf, sie schaute mir ins Gesicht. Zum ersten mal an diesem Tag schaute sie mich wirklich offen an. „Du liebst sie“, wiederholte sie dann mit tonloser Stimme. „Du liebst Gina.“ Kapitel 10: Runaway! -------------------- Kapitel 10: Runaway! Was sagte sie da! Meinte sie das ernst. Mit offenem Mund starrte ich sie an. Natürlich meinte sie das ernst. Ich stand einfach nur da und starrte sie an. Ich wartete das sie irgendetwas sagen würde. Das ich verstehen würde was genau sie da sagte. Langsam sickerten ihre Worte in mein Bewusstsein, so wie einem beim aufwachen das Licht vom Fenster bewusst wird. Und sie stand mir gegenüber. Ihr Blick bohrte sich in meinen. So unendlich tief und wissend. Ich spürte ein stechen in der Brust. Ich musste hart schlucken. Langsam hob sie die Hand und streckte mir den Arm entgegen. Ich schlug ihn weg. Drehte mich um. Lief los. Ohne zu wissen wohin. Ohne etwas zu sehen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Und ich konnte nur noch rennen. Hinter mir hörte ich sie rufen. Ein einziges Mal nur. Sie rief meinen Namen. Ob ich schon zu weit weg war um sie noch zu hören oder ob sie es nicht weiter versuchte, wusste ich nicht. Und da stand sie. Alex. Sie hatte ihr hinterhergerufen. Aber sie hatte nicht die Kraft es noch einmal zu tun. Das zweite Mal kam nur ein flüstern hervor. Beim nächsten versuch wurde ihre Stimme von den Tränen verschluckt. Energisch wischte sie sich über die Augen. Blinzelte und drehte sich um. Setzte den Helm auf und fuhr. Nachhause. Denn woanders konnte sie jetzt nicht hin. Einfach nur in ihr Zimmer einschließen. Vor meinen Augen war nur ein dichter, weißer Nebel. Immer wieder versuchte ich die Tränen wegzublinzeln um etwas zu sehen. Zu sehen wo ich hinlief. Ich wusste nicht einmal warum ich überhaupt weinte. Nach Atem ringend lehnte ich mich gegen eine Hauswand. Jetzt erst bemerkte ich, dass es das Haus von Karina war. Zögernd ging ich Richtung Tür. Sollte ich mit jemand darüber reden? Wollte ich jetzt eigentlich reden? Ich schaute durch das Fenster in das Wohnzimmer. Ich konnte Kah sehen, Elena war auch da. Auf dem Absatz drehte ich wieder um. Als ich wieder am Bürgersteig war hörte ich, wie hinter mir jemand aus dem Haus kam. Ich drehte mich nicht um. „Vera? Bist du das?“, hörte ich Kah. Sie war jetzt auf den Bürgersteig getreten. Ich rannte wieder los. Karinas heile Welt war das letzte was ich jetzt brauchen konnte. „Vera! Was ist denn los?“, brüllte sie hinter mir her. Ich drehte mich nicht um. Blieb auch nicht stehen. Ich hörte wie sie mir hinterher spurtete. Sie kam jedoch nicht an mich ran. Irgendwann war sie ganz verschwunden. Das einzigste, dass ich hören konnte waren meine Schritte auf dem Boden. Nichts bewegte sich bis auf den Schatten auf dem Asphalt, der durch das Spiel der Straßenlaternen mal vor und mal hinter mir lag. Und ich konnte einfach nicht aufhören zu laufen. Ich wollte einfach weg. Ich wollte vor der Wahrheit wegrennen. Ich hatte Angst das Alex recht haben könnte. Aber das konnte, das durfte einfach nicht wahr sein! Plötzlich war es dunkel um mich herum. Ich konnte keinen Schritt mehr tun und setzte mich einfach auf den Boden. Mit dem Rücken lehnte ich gegen irgendein Geländer. Ich winkelte die Beine an und legte die Arme darauf. So saß ich da. Erst nach Luft schnappend und dann immer ruhiger werdend. Nichts regte sich. Nur ein leises Rauschen drang an meine Ohren. Ich konnte nichts sehen, weil mein Kopf auf meinen Armen lag. Aber ich wollte auch nichts sehen. Ich versuchte auch an nichts zu denken. Schließlich lehnte ich mich doch zurück. Legte den Kopf in den Nacken und gegen das Geländer. Über mir funkelten die Sterne um die Wette. Wie gemein die Nacht doch war. Sie durfte sich doch nicht so wunderschön zeigen, während ich mich so beschissen fühlte. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Nur um sie dann wieder zu öffnen und ein unverändertes Bild zu sehen. Ich stand auf. Ich wollte noch nicht gehen. Wohin auch? Ich schaute mich um und bemerkte das ich auf einer kleinen Brücke gelandet war. Also lehnte ich mich abermals gegen das Geländer. Diesmal jedoch legte ich mein Arme darauf und schaute über das schimmernde Wasser. Viel konnte man nicht sehen. Kurz darauf machte der Bach oder Fluss oder was-auch-immer eine Biegung und verschwand im Wald. Ich konnte mich nicht erinnern jemals hier gewesen zu sein. Plötzlich durchbrach das Klingeln meines Handy die Stille. Ich zuckte zusammen. Ich holte es aus der Tasche und drückte den Anruf weg, ohne überhaupt nachgeschaut zu haben wer da anrief. Dann steckte ich es wieder zurück. Alex. Was sollte das? Hatte sie sich irgendetwas davon erhofft? Aber was sollte sie sich schon erhofft haben? Wir waren doch nur befreundet, oder etwa nicht? Und was war dann mit Gina? Was war, wenn sie recht hatte? Das war doch bescheuert. Sie konnte gar nicht recht haben! Aber irgendetwas sagte mir, das ich mich selbst belog. Hatte ich nicht in letzter Zeit ähnliche Gedanken gehabt? Natürlich hatte ich die Gedankengänge immer abgebrochen bevor ich zu irgendeinem Ergebnis kam. Wir waren schon ewig befreundet gewesen. Warum hätte sich irgendwann etwas ändern sollen? Ich wollte nicht das sich etwas änderte. Oder doch? Ich wollte mich diesen Gedanken nicht stellen. Deshalb schaute ich wieder auf das Wasser. Ich stellte mir vor, wie ich darauf einfach dahintrieb. Irgendwann würde ich in das Meer gespült. Auf den Wellen würde ich weit weggetragen. Vielleicht irgendwann einmal an einer einsamen, kleinen Insel angespült werden. Dann würde ich mir einfach ein Haus bauen und alleine ohne irgendwelche Probleme dort leben! Ich ging in die Knie und zog die Hände hinter mir her am Geländer herunter. Zwischen den einzelnen Stäben schaute ich immer noch dem Wasser hinterher. Die Stäbe in dem Blickwinkeln wirkte alles sehr passend. Ich schaute durch ein Gefängnis auf eine Freiheit, die mir vermutlich nie zu Teil werden würde. Warum konnte nicht alles viel einfacher sein? Leise rollten zwei Tränen über meine Wangen. Sie war ihr mindestens fünf Minuten hinterher gerannt. Hatte sie nicht einholen können und sich dann auf die Wiese eines Vorgartens fallen lassen. Seit wann hatte das Mädel bitte so eine Kondition? Karina schnappte nach Luft. Ihr Seiten taten so weh, das sie glaubte sterben zu müssen. Im liegen sah sie ihr noch hinterher. Als sie schließlich in der Dunkelheit, verschwand richtete sie sich in eine sitzende Position auf und wuchtete sich schließlich ganz hoch. Langsam ging sie wieder zurück. Elena stand immer noch in der Tür. Ungeduldig schaute sie zu Karina rüber. Das würde jetzt bestimmt wieder Stress geben. Und sie wurde leider nicht eines besseren belehrt. Bevor sie sich jedoch wieder einen ganzen Schwall vorwürfe anhören müsste, zog sie Elena zu sich und küsste sie lange. Dann schob sie sie in die Tür. Zog sie hinter sich zu und fingerte an ihrem T-Shirt rum. Konnte sich jedoch nicht auf Elenas Leidenschaft konzentrieren. Hatte Vera etwa geweint? Aber warum? Sie würde sie später anrufen. Mit zitternden Fingern schloss sie die Tür auf. Stapfte hinein und knallte den Helm in irgendeine Ecke, ohne auf die Proteste ihre Eltern zu hören. Einen Moment später war sie die Treppe hoch und in ihrem Zimmer verschwunden. Ohne auf ihre Schuhe zu achten ließ sie sich auf ihr Bett fallen, mit dem Gesicht nach unten. Sie vergrub sich in den Decken und gab keinen Laut von sich. Nicht einmal die Musik, die sie so liebte hatte sie angemacht. Sie lag einfach nur da. Sie hörte wie ihre Mutter die Treppe raufkam und ihre Tür öffnete. Dann stand sie nur in der Tür, sagte nichts und ging dann wieder. Tief holte Alex Luft. Nur um sich im nächsten Moment zu wünschen es nicht getan zu haben und einfach nur noch zu sterben. Es war doch sowieso allen egal. Außer ihr selbst. Sie würde jetzt nicht aufgeben. Das war einfach nicht sie selbst. An diesem Abend bewegte sie sich keinen Millimeter mehr, bis sie schließlich einschlief. Nur mit einem einzigen Gedanken im Kopf. Vera. Gina lag auf ihrem Bett. Sie telefonierte schon eine halbe Stunde mit Ricky. Eigentlich hatte sie ihn nur fragen wollen, ob er vielleicht aus versehen ihren Schlüssel eingesteckt hatte. Aber er hatte so eine Art an sich, die es unmöglich machte etwas kurz zu halten. Schließlich war sie darauf gekommen ihn nach seinem Beruf zu fragen. Und Gentleman, der er ja war, erklärte er ihr alles was sie wissen wollte Haarklein. Als sie nach einer Stunde schließlich auflegte, hatte sie ein dümmliches Lächeln auf den Lippen. Sie hatte daran denken müssen, wie Vera und sie durch den Laden gelaufen waren. Das musste sicher lustig ausgesehen haben, wie sie zwischen den Klamotten von einer Ecke in die nächste gerannt waren, nur um dann doch wieder in eine andere Ecke zu gehen. Heute war echt einer der schönsten Tage ihres Lebens. Schließlich waren es ja auch endlich Ferien! Was an diesem Tag sollte also schon schlecht gewesen sein? Seufzend legte er auf. Die war ja wirklich unersättlich gewesen! Irgendwie niedlich, dachte er. Dann brachte er das Telefon wieder auf die Station zurück. Mit den dreien konnte man echt eine Menge spaß haben! Eigentlich war er nie wie andere Teenager gewesen. Schon allein seiner Eltern wegen. Zum ersten Mal fühlte er sich, als würde er wirklich dazugehören. Auch wenn er schon deutlich älter war. Aber spielte das denn eine Rolle wenn man es genoss? Nein, natürlich nicht. Langsam ging er in das vornehme Wohnzimmer, in dem seine Eltern und ein paar alte Bekannte waren. Natürlich waren sie auch wohlhabend. Seine Eltern pflegten ihre Kontakte gut. Schließlich sollte er, ihr einziger Sohn auch was zu erben haben, sagten sie immer. Aber wollte er das ganze Geld eigentlich auch? Das man auch ohne so viel glücklich sein konnte hatte er schließlich heute gesehen. Trotz allem setzte er sich zu der Runde und machte etwas Konversation. Das konnte schließlich auch nie schaden. Irgendwann hatte ich mich dann doch selbst überreden können wieder nach Hause zu gehen. Langsam wurde es wirklich sehr kalt. Fröstelnd setzte ich mich langsam in Bewegung. Meine Eltern würden ohnehin sauer sein, dass ich so spät kam. Wozu sollte ich mich dann noch beeilen. Ich hoffte nur, das man mir meinen miesen Tag nicht sofort ansah. Ich wollte nicht noch auf irgendwelche blöden Fragen antworten. Stur konzentrierte ich mich auf den Weg. Nur um nicht an etwas anderes denken zu müssen. Etwas das mir eigentlich schon sehr klar geworden war. Jedoch versuchte ich immer noch mit aller Macht es zu leugnen. Auch wenn es jetzt keinen Sinn mehr hatte. Würde ich eigentlich noch ich selbst sein können? Und vor allen Dingen, wie würde ich reagieren wenn ich Gina wieder gegenüberstand? Oder noch schlimmer Alex. Alex, was auch immer sie jetzt machte. Kapitel 11: Glücklich sein -------------------------- Kapitel 11: Glücklich sein Müde räkelte sie sich in ihrem Bett. Es war nur ein kurzer und unerholsamer Schlaf gewesen. Immer wieder war sie aufgeschreckt, nur um dann wieder lange zu brauchen, um wieder wegzudämmern. Jetzt lag sie da und wollte nicht aufstehen. Nicht weil sie zu müde gewesen wäre, sondern weil es einfach keinen Sinn machte. Ob sie sich heute Abend trotz allem noch treffen würden? Vera, Ricky, Gina und sie?... Wie konnte Vera sich nur in jemanden verlieben der sich niemals auf eine Beziehung mit einem anderen Mädchen einlassen würde? Sie würde einfach ihr möglichstes tun, um sie davor zu schützen. Das war sie ihr schuldig! Leise ging die Tür zu Alex’ Schlafzimmer auf. Ihre Mutter schaute herein. „Alexandra? Bist du wach?“, fragte sie leise. „Hmm“ „Kommst du gleich mal runter? Wir haben schon halb zwei Mittags!“ Alex blinzelte dem Licht entgegen. „Jaah... ich komm schon.“ Ihre Mutter verschwand genauso leise wie sie gekommen war. Alex streckte sich. Dann schwang sie völlig lustlos ihre Füße übers Bett und schlurfte zum Kleiderschrank. Dort packte sie das erst Beste was sie finden konnte. Ein kurzer Kapuzenpulli in schwarz mit weißen Sternen und eine verwaschene Röhrenjeans mit einem Fall-Out-Boy-Patch. Streifte die Klamotten über und stapfte ins Bad. Dort schminkte sie sich nur notdürftig. Sie war gerade an dem zweiten Auge angekommen, als laut ihr Magen rebellierte. Verwundert schaute Alex auf ihren Bauch. Wie konnte der sich jetzt einfach so beschweren, wo es ihr sowieso schon schlecht genug ging? Sie schminkte sich fertig und ging runter um etwas zu essen. Anschließend ging sie wieder hoch und setzte sich in ihr Zimmer. Sie hatte den Stuhl mit der Lehne Richtung Fenster aufgestellt und setzt sich jetzt falsch herum darauf. Legte die Arme auf die Lehne und schaute einfach nur nach draußen. Lange saß sie da und vertrieb sich die Zeit mit Tagträumereien. Sie stellte sich den letzten Abend vor. Wie sie da gestanden hatten und Alex nur diesen einen Satz sagte. Aber Vera reagierte anders. Sie schaute sie überrascht an und sagte „Nein, wie kommst du denn da rauf?“ Dann nahm sie Alex Hände in ihre und Alex ließ sie einfach machen. Vera schaute scheu auf den Boden. „Eigentlich...“, setzte sie an und brach wieder ab. Alex wollte schon etwas sagen. Da schien Vera neuen Mut zu fassen. Alex schlug das Herz bis zum Hals und ihre Hände begannen zu schwitzten. „Eigentlich“, wiederholte sie, „liebe ich dich!“ Sie sagte es mit voller Überzeugungskraft, die keine Zweifel aufkommen ließen. Alex zog Vera an sich. Nur die Hände waren ineinander verschränkt. Langsam beugte sie sich vor, sie war völlig aufgeregt. Dann küsste sie Vera ganz sanft. Und sie ließ es einfach geschehen und schloss dabei die Augen. Beide genossen sie es. Schon war der Moment vorbei und beide schauten sich etwas schüchtern an. Plötzlich stellte Vera sich auf die Zehenspitzen und küsste sie erneut. Diesmal mit entfachter Leidenschaft... Alex lächelte, als ihr diese Bilder vor Augen kamen. Doch dann holte sie die Wirklichkeit wieder ein. Und die war bei weitem nicht so schön gewesen, wie sie wollte. Warum war sie nur weggerannt? Warum hatte sie Vera nicht aufhalten können? Warum ließ man sie nicht einfach glücklich sein? Einen Moment blieb sie noch sitzen. Dann stand sie auf und schaute auf ihre Uhr. Es war doch schon ganz schön spät geworden. Halb fünf hatten sie jetzt. Wenn sie jetzt noch etwas aß und sich dann langsam fertig machte, könnte sie pünktlich um sechs in der Stadt im „Blue“ sein, wo sie sich treffen wollten. Diesen Plan verfolgte sie dann Stur. Diesmal jedoch würde sie nichts dem Zufall überlassen. Sorgsam wählte sie ihre Kleidung aus. Sie würden schließlich um acht auch noch ins Theater gehen. Sie nahm also eine schwarze enge Bluse mit dreiviertel langen Ärmeln und dazu eine Rote Krawatte mit schwarzen Sternen. Passend zu der Krawatte ein Haarreif und eine neuere schwarze Jeans. Darauf würde sie ihre schwarz-roten Vans tragen. Noch schnell passend geschminkt und dann ab mit dem Roller zum „Blue“. Vera und Gina waren bereits da. Vera piekste Gina gerade in die Seite, die daraufhin laut nach Luft schnappte und sich auf die selbe Weise rächte. Bei dem Anblick musste Alex einfach grinsen, denn die beiden hatten sich auch zurecht gemacht. Diese Kindische Art passte einfach nicht zu diesen Klamotten. Sie ging auf den Tisch zu. Im näher kommen erkannte sie dann auch Veras Outfit. Sie trug das süße Lolita-Kleid mit dem ganzen Schnickschnack den sie noch dazu gekauft hatten. Einschließlich der Boots. Als sie sich an den Tisch setzte, schaute Vera ruckartig auf. Mein Gott! Sie liebt sie wirklich! Aber sie sagte einfach nur „Gut siehst du aus!“ „Danke“, antwortete sie nur. Irgendwie hatte ihr lächeln jetzt einen traurigen Ausdruck angenommen. Oder vielmehr... Konnte das Angst in ihrem Blick sein? Aber Angst wovor? Natürlich sie hatte Angst sie Gina vom letzten Abend erzählen würde. Sie wusste also ganz genau, was Gina von diesen Beziehungen zwischen zwei Mädchen hielt. Plötzlich überschlugen sich ihre Gedanken. Und dennoch hatte sie beschlossen mit ihr zusammenzubleiben, so lange es ging. Wenn sie jetzt also etwas sagen würde... Nein, das ging nicht. Dann würde Vera auch sie hassen. Verdammt! Ich will doch nur das du glücklich bist! Am liebsten hätte sie ihr das ins Gesicht geschrieen, aber das wäre nicht fair gewesen. Also würde sie diesen Abend über sich ergehen lassen. Der Vorsatz um Vera zu kämpfen war plötzlich wie weggeblasen. Wenn sie glaubte mit Gina glücklich werden zu können, dann würde sie Alex Unterstützung brauchen! Ganz egal wie weh das tat. Gerade eben war Ricky noch dazugekommen. Er hatte Vera schon bewundert und versprochen noch mehr zu entwerfen, das so gut zu ihr passen würde. Als Alex den Blick von Vera nehmen musste sah sie zu Gina. Sie bemerkte das Gina an Rickys Lippen hing... sogar mit dem Blick. Warum interessieren sich fast alle Mädchen nur für diese Berufe wie Mode-Designer? Alle tranken den letzten Schluck aus ihren Gläsern und brachen dann auf um rechtzeitig zum Theater zu kommen. Vera und Gina gingen vor und hampelten die ganze Zeit rum. Aber immer wieder schaute Vera sich zu Ricky und Alex um. Alex tat so als würde sie das nicht bemerken und ein angeregtes Gespräch mit Backer führen. Doch die meiste Zeit hörte sie ihm gar nicht zu. Sie sah in dem Lolita-Kleid einfach zum anbeißen aus! Am liebsten würde sie Vera jetzt in den Arm nehmen und durchknuddeln und sie nie wieder hergeben. Am Theater angekommen suchten sie sofort ihre Plätze auf. Wäre doch peinlich gewesen wenn sie auch noch an den ganzen Leuten vorbeimüssten, wo sie doch sowieso schon auffällig genug waren. Alex saß neben Ricky, neben dem dann als erstes Gina und dann Vera saßen. Konnte sie nicht mal im Theater in ihrer nähe sein? Es wurde sich nur noch im Flüsterton unterhalten. Was allerdings daran lag, dass sich alle nur flüsternd unterhielten. Das Licht wurde gedämpft und schließlich nur noch die Bühnenbeleuchtung angemacht. Aber auf das Stück konnte sich Alex nicht konzentrieren. Dabei hatte sie sich so darauf gefreut. Ihre Gedanken kreisten einfach die ganze Zeit um Vera. Auch blieb ihr nicht verborgen das Gina ab und zu an Ricky hochschaute, nur um dann wieder auf die Bühne zu blicken. In der Pause verdrückte Vera sich dann auf die Toilette. Und Alex saß nur zusammengesunken in ihrem Sitz. Langsam wurde ihr langweilig. In das Stück würde sie sowieso nicht mehr herein kommen. Sollte sie einfach gehen? Sie schnappte ein paar Gesprächsfetzen von Gina und Ricky auf. Der arme Backer, wurde der von dieser blöden Kuh einfach zu Tode geflirtet und konnte sich nicht mal auf seine eigene Art dagegen wehren! Einen Moment mal! Zu Tode geflirtet? War das Alex Chance? Wenn die beiden zusammenkamen würde sich Vera keine Hoffnungen machen... Und wäre am Boden zerstört. Das war es nun auch wieder nicht, was Alex wollte. Sogar als das Stück endlich weiterging, flirtete sie noch flüsternd mit ihm. Und Ricky war einfach zu Höflich um sie in die Schranken zu weisen. Immer wieder lies er Gina wissen das er und sicher auch noch ein paar andere Leute, gerne etwas von dem Stück mitbekommen würden. Woraufhin sie dann für zehn Minuten verstummte und dann wieder von vorne begann. Das war ja nicht auszuhalten! Wie konnte man sich nur so unverschämt an jemanden ran machen? Aber Alex Interesse fiel jetzt erst mal auf Vera. Sie saß schweigend in ihrem Sitz und schaute ab und zu, zu Gina rüber. Ihr war auch nicht entgangen was Gina da tat. Und sie sah alles andere als glücklich aus. Als es endlich vorbei war, die reinste Tortur für Alex und anscheinend auch Vera, entschieden sie sich noch kurz etwas trinken zu gehen. Es waren ja schließlich Ferien. Sie setzten sich in einer kleinen, gemütlichen Bar an einen Tisch. Vera versuchte etwas zu erzählen. Aber sie kam nicht zu Wort, da Gina die ganze Zeit weiter auf Ricky einredete. Langsam machte sie Alex wirklich wütend! Sah sie denn nicht wie weh sie Vera damit tat? Oder war es ihr einfach egal? Irgendetwas musste sie doch tun können, damit sie endlich aufhörte. Ihr kam ein Geistesblitz. Aber das konnte sie doch nicht tun... Was würde Ricky sagen? Aber er war auch total genervt von Gina. Ein paar Minuten rang Alex noch mit sich. Schweiß glitzerte auf ihrer Stirn und sie umklammerte ihr Glas so fest, das die Knöchel weiß hervortraten. Und Gina baggerte und flirtete und... Ach was soll’s! Wenn das wirklich die einzige Möglichkeit ist! Alex holte noch einmal tief Luft und schöpfte etwas Mut. Schließlich tat sie das ja nicht für sich selbst. Im Gegenteil, es würden sogar zwei davon profitieren. Mit zuckersüßer Stimme wandte sie sich Backer zu. „Ricky...“ Fast verlor sie den Mut, als er sie mit einer Mischung aus Verzweiflung, Verwirrung und Erleichterung anschaute. Normalerweise hätte sie jetzt losgelacht, aber dafür war sie fiel zu angespannt. „Ja?“, sagte Ricky gedehnt als sie zögerte. Es klang eher wie, rette mich doch endlich, oder so. Da fasste sie dann endlich den Mut. „Ich...“, setzte sie an. Er schaute fragend zu ihr. Aber mehr hatte sie auch gar nicht sagen wollen. Entschlossen beugte sie sich vor, schloss die Augen und hauchte Ricky einen Kuss auf die Lippen. Erst sehr zaghaft, doch dann so, das Gina nicht die geringsten Zweifel an der Echtheit ihrer Gefühle bekunden konnte. Sie spürte wie Ricky erst angespannt war und dann zu ihrem erstaunen aber den Kuss erwiderte. Die ganze Zeit stellte sie sich jedoch vor, dass sie nicht Ricky, sondern Vera küsste. Langsam löste sie sich wieder von ihm und schaute noch einen langen Moment in seine Augen. Über sein Gesicht huschte ein leises Lächeln. Belustigte stellte Alex fest, das Gina beleidigt in ihren Sitz zusammengesunken war. Aber immer noch schaute sie auf Ricky, der ihr jetzt eine schwarze Strähne aus dem Gesicht schob. Unsicher lächelte sie. Sie wollte doch gar nichts von ihm! Was hatte sie nur getan? Dann schaute sie unsicher zu Vera. Die schaute sie verwundert, aber mit einem Lächeln an. Wenigstens war sie jetzt glücklich! „Ich muss jetzt nach Hause“, meinte Gina dann kurz angebunden und sprang direkt auf. „Ich komm mit...“, sagte Vera, schaute aber zu Alex also wollte sie fragen, hast du was dagegen? Alex machte nur eine Kopfbewegung in ihre Richtung, dass sie jetzt abhauen konnte. Unbehaglich blieb sie mit Ricky zurück. Immer noch schaute sie auf den leeren Platz, auf dem Vera gesessen hatte. Als sie jedoch aus dem Augenwinkel bemerkte, das Backer sie die ganze Zeit ansah, drehte sie sich zu ihm hin. Dieser Idiot! Breit grinste er sie an und betrachtete sie nur. Aber wenn Alex wollte, das Gina von ihm abließ, musste sie doch so tun als würde sie ihn lieben... Sie holte gerade Luft um irgendetwas zu sagen, doch Ricky kam ihr zuvor. „Also, raus mit der Sprache.“ Alex war jetzt endgültig verwirrt. „Hä?“, machte sie nur, weil ihr nichts besseres einfiel. Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhle herum. Ricky schien sich in seiner Rolle jedoch wohl zu fühlen. Genüsslich trank er erste einen Schluck von seinem Rotwein, bevor er antwortete. „Warum hast du das gemacht?“ Jetzt verstand sie gar nichts mehr. Was wollte der von ihr hören? „Was?“ Kurz lachte er auf. Ein schönes Lache tief aber angenehm. Und kein bisschen Boshaft. „Mich geküsst. Du liebst mich doch gar nicht“, stellte er dann klar. „A-Aber... Ich... Du... Hä?“, stotterte sie verzweifelt. „Na komm schon. Ich weiß doch das du Vera liebst.“ „Wie bitte?“ „Jetzt tu doch bitte nicht so. Wir sind hier unter uns. Und ich bin dir echt dankbar das du mir geholfen hast, aber warum tust du das, wo du doch Vera liebst?“ Alex gab es auf. Sie seufzte. „Ist das so offensichtlich?“ Als sie Ricky nicken sah fuhr sie fort. „Vera liebt Gina und...“ „Achso! Das ist mir dann doch neu!” „Naja, wie Gina dann so mit dir rumgeflirtet hat, da war sie sicher am Boden zerstört. Aber ich will doch nur das sie glücklich ist...“ „Hört sich echt kompliziert an... Aber glaubst du nicht das jetzt Gina am Boden ist?“ „Schon... aber um die ging es mir ja eigentlich gar nicht. Außerdem war dir damit auch geholfen!“ „Schon gut, meine Heldin“, er lächelte verständnisvoll, schien jedoch keine Ahnung zu haben was er sagen sollte. Also schwieg er. „Und jetzt?“, fragte Alex dann. „Tja, ich würde vorschlagen das wir das noch ein bisschen vorspielen. Das heißt nicht, das mir Gina nicht doch leid tut. Aber es soll auch nicht umsonst gewesen sein. Und immerhin hättest du das ja auch für dich nutzten können.“ Sie schwiegen wieder. „Danke“, flüsterte sie dann. Kapitel 12: Lügen und Halbwahrheiten ------------------------------------ Kapitel 12: Lügen und Halbwahrheiten Ganz knapp hatten wir noch den Zug erreicht. Jetzt stiegen wir aus. Gina hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt und ich hatte mit sinnlosen Geplapper versucht sie auf zu muntern. Als wir dann schweigend den Rückweg antraten, merkte ich, das ihr atmen unregelmäßiger wurde. Ich schaute sie an. Ich konnte förmlich dabei zu sehen wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Als die erste sich dann freie Bahn brach nahm ich sie in den Arm und drückte sie an mein Herz. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Alles wird gut? Nein... das hätte zu sehr nach einem versprechen geklungen, das ich nicht halten konnte. Vergiss ihn! Das wäre auch nicht fair gewesen. Also schwieg ich. Schon wieder heute Abend. Den ganzen Tag schweigend verbracht. Erst weil Gina mit einem anderen flirtete und dann, weil sie so traurig war. Langsam beruhigte sie sich wieder. Die Schluchzer verebbten und es wurde still um uns. Eine schreckliche Stille. Nicht einmal ein Auto war zu hören. „Das ist nicht fair“, sagte sie dann mit belegter Stimme. „Was meinst du?“, fragte ich, während sie immer noch in meinen Armen war. „Sie hätten mir wenigstens etwas sagen können!“, gab sie dann entrüstet zurück. „Vielleicht wollten sie’s ja eigentlich geheim halten“, gab ich zu bedenken. „Er hätte mir wenigstens sagen können das er nichts von mir will“, sie klang beleidigt. Trotz dieser Situation musste ich grinsen. Dieser quengelige Ton war einfach zu niedlich, und dann lag sie auch noch in meinen Armen! Ich genoss es, weil es so bald wahrscheinlich nicht wieder passieren würde. „Wahrscheinlich wollte er dich nicht verletzten.“ „Klar,... das ist ihm gelungen!“ Natürlich war das eine blöde Antwort gewesen, aber was sollte man dazu schon sagen. Plötzlich schob sie mich von sich weg. „Du hast es gewusst!“, stieß sie dann hervor. „Ich ... was?“ „Du hast gewusst das sie zusammen sind und hast mir kein Wort davon gesagt!“ „Ach quatsch, das stimmt nicht!“, sagte ich verzweifelt. Sie sollte nicht auch noch sauer auf mich sein. „Und woher soll ich wissen das du mich jetzt nicht anlügst!“ „Ich hab dich noch nie angelogen!“ „Das sagst du doch nur so, weil ich’s ja nicht nachprüfen kann!“ Ihre Augen funkelten in dem wenigen Licht der Straßenlaternen. „Wie soll ich dann...“, ich brach ab. „Was denn? Fällt dir etwa nichts mehr ein? Natürlich weil das nämlich doch eine Lüge war!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um. Ich wollte nicht dass sie ging. Sie sollte nicht wegen mir schlecht gelaunt nach Hause kommen. „Warte!...“ Sie blieb mit dem Rücken zu mir stehen. „Wieso? Damit du mir noch mehr lügen erzählen kannst?“ „Ich werde dir sagen warum ich nichts davon geahnt habe das die beiden zusammen sind. Auch wenn du mir nicht glaubst!“, erwiderte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen. Halb drehte sie sich zu mir um. Das blonde Haar wirkte fast wie ein Heiligenschein, der mich ermahnte ihr die Wahrheit zu sagen. Ich staunte, sie war einfach das schönste Wesen in diesem Augenblick. „Also?“, sagte sie dann ungeduldig als ich nichts sagte. „Um ehrlich zu sein...“, ich zögerte. „Wenn du’s mir nicht sagen willst dann geh ich halt!“ Sie setzte schon wieder zum gehen an. „Nein!“ Mit dem Rücken zu mir blieb sie stehen. Ich sog die Luft tief ein. „Um ehrlich zu sein, dachte ich sie wäre in mich verliebt“, sagte ich dann. Sie drehte sich zu mir um. Ihr Gesicht zeigte eine Miene zwischen verwirrt und verächtlich. „Warum sollte sie denn in dich verliebt sein? Wie kommst du darauf?“, fragte sie dann. Sollte ich ihr wirklich jetzt alles sagen? „Als ich Alex gestern zum Roller gebracht habe, haben wir uns noch unterhalten...“ Ich würde es ihr nicht sagen. Heute nicht. Ich konnte es einfach nicht. „Jedenfalls wurde sie auf einmal so komisch. Sie hat mich seltsam angesehen und ich hatte das Gefühl, das sie mehr von mir wollte in diesem Augenblick, als ich mir hätte denken können... Dann hat sie sich noch irgendwie komisch ausgedrückt,... Na ja, ich hab sie sicher Missverstanden. Wahrscheinlich hatte sie mir sagen wollen was zwischen ihr und Ricky ist. Weil ich aber Angst hatte, dass sie sich in mich verliebt haben könnte, habe ich sie nicht ausreden lassen... Wahrscheinlich hab ich das ganze dann falsch interpretiert.“ Die ganze Zeit über war ihr Blick wie versteinert gewesen. Sie hatte nicht für eine Sekunde durchblicken lassen was sie dachte. Und schon gar nicht, ob sie mir meine Halbwahrheit glaubte. Dann aber wurde ihr Blick weicher. Ein trauriges, aber doch irgendwie amüsiertes Lächeln machte sich auf ihren Zügen breit. „Du bist anscheinend schon sehr Karina-geschädigt!“, sagte sie dann nur. Schwach grinste ich zurück. Sie kam wieder auf mich zu. Und diesmal war sie es die mich in den Arm nahm. „Tut mir leid.“ „Kein Problem.“ Ich spürte ihren heißen Atem an meinen Ohr. Jetzt war die Welt wieder in Ordnung für mich. Wie gerne hätte ich sie jetzt geküsst. Aber das hätte den Augenblick wieder völlig zerstört. Doch zum ersten Mal wurden mir meine Gefühle für sie wirklich bewusst. Und ich ließ es zu, bis sie mich fast zu übermannen schienen. Viel zu schnell trennte sie sich wieder von mir. Wieder etwas besser gelaunt ging sie dann den Rest des Weges noch neben mir her. Sie plauderte sogar noch etwas. An ihrer Haustür angekommen, umarmten wir uns dann noch mal kurz. Und dann war sie auch schon in der Tür verschwunden. Langsam drehte ich mich um und ging. Die kurze Zeit, die wir zu zweit verbracht hatten war einfach viel zu schnell wieder rum gewesen. Aber zuhause kehrten meine Gedanken dann ausnahmsweise erstmal nicht zu Gina zurück, sondern zu Alex und Ricky. Unwillkürlich musste ich lächeln. Die beiden gaben schon ein süßes Pärchen ab! Mein Gott! Wie hatte ich nur glauben können das Alex in mich verliebt war? Ich war einfach noch total Naiv. Ich freute mich tierisch für die beiden. Ich hatte mich die ganze Zeit so schlecht gefühlt, als Gina mit Ricky geflirtet hatte. Aber jetzt war ja wieder alles offen zwischen uns beiden. Leider hieß das auch, dass sie jetzt nicht besonders glücklich war. Sie schien wirklich Gefühle für ihn zu haben. Das war mir aber erst bewusst geworden, als sie weinte. Trotzdem wünschte ich Alex alles Gute. Die beiden passten schließlich auch so gut zusammen. Und Ricky war richtig rot geworden! Das war total niedlich gewesen. Aber das schönste an diesem Tag war gewesen, das ich jetzt für Gina freie Bahn haben würde, wo Backer ja jetzt vergeben war. Natürlich hätte ich es ihr sagen können. Vorhin, als wir alleine waren. Aber darauf hätte sie dann sowieso keine Lust gehabt. Ich würde ihr noch etwas Zeit geben, um sich von ihren Gefühlen für Ricky zu distanzieren. Aber wahrscheinlich belog ich mich nur selbst wieder. Ich brauchte selbst noch etwas Zeit, um ihr zu gestehen das ich sie liebte. Vor allem hatte ich ja gar keine Ahnung was sie davon halten würde. Wie sie darauf reagieren wird, wenn sie es erfährt, stand in den Sternen. Fest stand, sie hielt nicht viel von Kah. Aber ob das jetzt wirklich daran lag, das sie Homosexuell ist? So nach Vorurteilen beurteilte sie eigentlich nie irgendwelche Leute. Sie ließ jedem eine Chance und ließ jeden auf sich wirken, bevor sie sagte dass sie jemanden nicht leiden konnte. Und das sie mich leiden kann ist nun wirklich offensichtlich. Sonst wären wir nicht schon seit Jahren beste Freunde! Aber war da noch mehr? Konnte sie das selbe für mich empfinden, wie ich für sie? Würde sie uns zwei eine Chance geben? In Wahrheit hatte ich eigentlich nur Angst, das sie mich fallen lassen würde. Das sie mich nie wiedersehen wollte. Und das hätte ich nicht ertragen. Ich könnte damit leben, auf ewig nur der zweit wichtigste in ihrem Leben zu sein. Das sie mit jemand anderen glücklich würde, aber ich wollte sie auf jeden Fall auf den Rest ihres Lebens begleiten. Ob als Geliebte, oder als Freundin. Kapitel 13: What the Hell!? --------------------------- Kapitel 13: What the Hell!? Ich legte auf. Ich hätte mir eigentlich denken können das Alex heute keine Zeit hat. Natürlich wollten die Turteltauben jetzt erst einmal ein bisschen Zeit für sich. Jedes Mal wenn ich an sie dachte, musste ich breit grinsen. Das hätte ich echt nie im Leben gedacht! Schließlich war Alex ja so skeptisch gewesen, gegenüber Ricky, an dem Tag als wir ihn kennen lernten. Aber sie passten echt gut zusammen. Zum dritten Mal innerhalb von einer halben Stunde wählte ich eine Nummer auf dem Telefon. Gina hatte ich auch schon angerufen. Aber sie konnte auch nicht. Sie fährt für drei Tage zu ihren Großeltern, die hätten jetzt Goldhochzeit, meinte sie. Drei Tage ohne Gina. Wann war das das letzte mal vorgekommen? Ich würde sie schrecklich vermissen, immerhin wollte sie anrufen. Ich wusste nicht mal wo ihre Großeltern genau Leben. Nur das es eine ziemlich lange Fahrt ist von hier und das sie an einem See leben. Aber irgendwie würde ich die paar Tage auch noch rumkriegen. Ich wählte also die Nummer von Kah. Die hatte ich auch schon ewig nicht mehr gesehen. Oder mehr gesagt ich war immer mit anderen unterwegs und hab sie immer nur kurz gesehen. Tuut. Tuut. Tuut. “Ja?” “Hey Kah! Ich bin’s, Vera.“ „Ach hallo!“, sie klang richtig froh mich zu hören. „Wie geht’s denn so? Hab so lang nichts mehr von dir gehört.“ „Och, ich kann nicht klagen. Und bei dir?“ „Hm, auch. Wie läuft’s mit Elena? Alles beim Alten?“, ich strich mir eine pinke Strähne aus den Augen. Was fragte ich denn so einen Müll? Interessierte mich doch eigentlich gar nicht was mit Elena war. „Alles beim Alten würde ich nicht sagen. Es wird immer besser“, durch das Telefon war ein deutliches Grinsen zu hören. „Äh, ja. Okay. Ich frag besser gar nicht weiter...“ Sie kicherte. „Ist wahrscheinlich besser so.“ „Gut. Jedenfalls, hast du heute Zeit? Ich hab irgendwie Langeweile, Gina ist ja jetzt nicht da und Alex hat auch keine Zeit.“ „Das hab ich gerne. Bin mal wieder letzte Wahl“, jetzt tat die wieder so als wäre sie beleidigt. „Ach, komm schon!“ Sie lachte wieder. „Ist ja schon gut. Mach dich locker, Kleines.“ „Arrg.“ Immer wenn sie mich ärgern wollte nannte sie mich „Kleines“. Dabei war sie ja selbst nicht viel größer. „Ich geb’ dir gleich Kleines! ... Na ja, egal. Was ist denn jetzt? Hast du Zeit oder nicht? Sprechen Sie jetzt!“ „Klar hab ich Zeit. Treffen uns dann in einer halben Stunde am Bahnhof okay?“ „Ist gut. Also bis dann.“ „Ja, bis dann.“ Tuut. Tuut. Tuut. Ich stopfte mir noch ein Milchbrötchen rein und schlurfte dann los. Am Bahnhof angekommen, sah ich das Karina schon da war. Normalerweise kam sie immer nach mir irgendwo an, und ich war schon immer ein paar Minuten zu spät. Sie redete mit irgend so einem Typen. Lange Haare und mit Matrix-Mantel. Diese Typen waren mir immer schon irgendwie suspekt. Und überhaupt wirkte dieser noch total ungepflegt. „Hey Kah!“ „Hi!“ Sie umarmte mich und drückte dabei so fest das ich keuchte, weil sie mir die Luft abdrückte. „Was ist denn jetzt los? Hab ich was verpasst?“, fragte ich sie. „Nö, wieso?“, fragte sie dann breit grinsend und streckte mir dann die Zunge raus. „Ich hab dich einfach nur lieb.“ „Gut. Wird’ ich mir merken. Wenn ich jemanden besonders gut leiden kann zerquetsch ich ihn damit er mir ja nie mehr davon läuft. Kann ich ihn dann jedes Mal auf’m Friedhof besuchen gehen, wenn mir danach ist“, sagte ich, mit einem Unterton der von Sarkasmus tropfte. Während ich das vor mich hin plapperte, sah ich das Kah immer roter im Gesicht wurde, vor unterdrücktem Lachen. Jetzt platzte es aus ihr raus. Ich grinste auch. Wie gut das doch tat. Ich hatte schon ganz vergessen, wie viel Spaß wir immer zusammen gehabt hatten. „Ich bin dann mal weg“, hörte ich dann jemand hinter mir sagen. Als ich mich umschaute, bemerkte ich, dass das dieser Matrix-Typ war. Er hatte die ganze Zeit schweigend daneben gestanden und keinen Ton gesagt. Und eine Miene verzogen hatte er auch nicht. Karina konnte ihm nur als Antwort zuwinken, so sehr lachte sie. Ich zuckte nur mit den Schultern und fragte mich, warum Kah das so lustig gefunden hatte. Mal kurz drüber lachen, okay, aber war das so lustig gewesen, dass man sich da drüber totlachen konnte? Bestimmt nicht. Wahrscheinlich hatte sie nur wieder eine alberne Phase. Nicht ausgelastet das Mädel. „Sag mal, wer war das eigentlich?“ Kah schnappte verzweifelt nach Luft. Ihr Gesicht war mittlerweile dunkelrot. Ich klopfte ihr ein paar mal auf den Rücken. Dadurch biss sie sich auf die Lippe, musste anfangen zu husten und zwischendurch kam noch ein bisschen Kichern durch. Jetzt war es so weit. Ich musste auch total loslachen, obwohl ich es mir eigentlich hatte verkneifen wollen. Sie sah einfach zu komisch aus, wie sie versuchte sich wieder einzukriegen. Als der Zug einfuhr wurden wir etwas ruhiger und konnten ohne weiter Vorfälle einsteigen. „Das war nur ein alter Kumpel aus Sandkasten tagen“, nahm Kah dann wieder das Gespräch auf, während sie sich tränen aus dem Gesicht wischte. „Mit so was hast du im Sandkasten gespielt?“, neckte ich sie. „Jaah! Ich hatte immer schon einen hang zu düsteren Gestalten. Obwohl, na ja, so düster war der damals gar nicht... Ist früher immer mit Latzhose und zerzausten, dunkelblonden kurzen Haaren durch die Gegend gelaufen. Aber er hat immer mit einer Schaufel nach mir geschlagen, wenn ich seine Sandburgen anfassen wollte.“ „Och, du Arme. Die Schläge haben dich offensichtlich bis heute geschädigt!“ „Hey!“, sie stieß mir den Ellenbogen in die Seite und ich schnappte nach Luft. Dann hob ich die Hände zum Zeichen das ich aufgab. „Okay, okay. Ich nehm’s zurück! Frieden?“, fragte ich. „Hm, das muss ich mir noch mal überlegen.“ Sie tat so als würde sie scharf nachdenken. „Aber als kleines Friedensangebot, könntest du mir als erstes mal die Füße küssen“, grinste sie dann. „Ne, lass mal lieber. Wer weiß wo du schon alles gelegen hast.“ „Dann eben nicht. Aber du könntest mir doch ein Eis ausgeben.“ „Aber nur wenn du deinen Hintern jetzt mal langsam aus dem Zug schiebst. Wir sind nämlich da.“ „Huch. Okay, überredet.“ Also latschten wir eine ganze Weile durch die Fußgängerzone und schauten uns sämtliche Sachen an. Als uns langsam langweilig wurde nahmen wir ein altes Spiel von uns wieder auf. Wir gingen also in einen riesigen Modeladen. Natürlich war das nicht wirklich Mode die uns gefiel. Der Witz an diesem Spiel war, dass man dem anderen die hässlichsten Klamotten aussuchte die man finden konnte, der andere musste die dann einmal anziehen. Die grässlichsten Kombinationen fotografierten wir dann mit dem Handy. Als erstes wählte ich für Kah ein mit goldenen Paietten besetztes Oberteil, mit einem breiten Kragen. Nicht ganz unähnlich eines Rollkragenpullovers. Nur das der Ausschnitt viel weiter runter ging. Außerdem hatte es weite Trompetenärmel in dreiviertel Länge. Erinnerte mich ein bisschen an Cascada. Dazu dann einen Beigen Wickelrock mit dunkelbraunen Blumen darauf gestickt. Etwa Knielang und mit Bändern unten dran, wie bei einem Pali, geflochten und geknotet. Das sah echt zum schießen aus. Vor allem mit Karinas Frisur wirkte das total lächerlich. Etwa so wie ein Punk mit Iro in einem Kommunionkleid. Lustigerweise hatte sie für mich ein ganz ähnliches Oberteil ausgewählt. Nur war es Ärmellos, was bei dem breiten Kragen sehr seltsam wirkte. Und statt mit goldenen Paietten besetzt, war es knallig Rot. Dazu hatte sie mir eine Hotpan ausgesucht. Sie war in einem Khakigrün und hatte rechts auf der Vorderseite so einen Schmetterling daraufgenäht, dessen Flügel bei jedem Schritt mit schwangen. Die anderen Leute schauten uns schon an wie eine Kuh wenn’s donnert. Was uns natürlich nur noch in lauteres Gelächter ausbrechen ließ. Nachdem wir dieses Spiel noch zweimal wiederholt hatten, kam dann eine Verkäuferin zu uns und bat uns den Laden zu verlassen, oder die Klamotten zu kaufen, die wir gerade in diesem Moment trugen. Wir zogen also wieder unsere normale Kleidung aus und verließen, immer noch prustend, das Geschäft. Anschließend schlenderten wir die kleinen Gassen bis zum „Blue“ weiter. Nachmittags war es immer recht leer und wir bahnten uns den Weg zu unserem Lieblingstisch. Hinten links in der Ecke an der Fensterseite. Kah bestellte sich ein Cappocino und ich mir meinen heißgeliebten Kakao. Karina nippte an ihrer Tasse. „Warum kann Alex heute eigentlich nicht? Ich dachte die würde diese Ferien zu Hause verbringen“, fragte sie dann. „Ach, die will sicher was mit Ricky alleine sein.“ „Ricky? Was ist das eigentlich für einer? Alex und du haben schon mal über ihn gesprochen, aber gesehen hab ich ihn noch nie.“ Ich nahm meine Tasse in die Hand. „Wir haben den kennen gelernt, als wir uns in einem kleinen Gothikladen Klamotten angesehen haben. Ich hatte mir ein Kleid ausgesucht und anprobiert und Ricky ist der Designer des Kleides und kam zufällig in das Geschäft. Er hat den Verkäufer überredet mir das Kleid billiger zu geben. Na ja und so weiter eben“, erklärte ich ihr dann noch einmal. Jetzt stellte ich meine Tasse wieder ab, ohne einen Schluck getrunken zu haben. Kah schob sich eine Strähne hinters Ohr. „Aha, ein Designer“, machte sie dann nur. Ich trank einen Schluck und antwortete dann, „Aber ein verdammt netter.“ „Ich hab ja nicht gesagt, dass er nicht nett wäre, oder?“ „Nein“, ich grinste. „Und warum sollten die beiden jetzt lieber alleine sein wollen?“, fragte sie dann und setzte ihre Tasse wieder an den Mund und schaute mich über dessen Rand fragend an. „Die beiden sind zusammen. Ein echt niedliches Paar!“ Kah prustete los, verschluckte sich aber an ihrem Cappocino, hustete und lachte dann laut auf. Ich schaute sie total irritiert an und wartete auf eine Erklärung. Aber Karina schien sich überhaupt nicht mehr ein zu kriegen. „Was denn?“, fragte ich etwas genervt. „Und... und das“, setzte sie an, lachte dann weiter. Mit verschränkten Armen lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück und wartete darauf das sie sich beruhigte. Schließlich fing sie dann, immer noch grinsend, an zu reden. „Das habt ihr doch nicht hoffentlich geglaubt?“, fragte sie und versuchte erfolglos ihre Belustigung aus der Stimme zu halten. „Was denn? Das die beiden zusammen sind?“ Sie nickte. „Doch, warum denn nicht?“, fragte ich dann verdutzt. Ein kurzes, glucksendes Kichern kam aus ihr heraus. „Dann weist du das ja noch gar nicht.“ Sie trank wieder einen Schluck. „Was denn?“, mittlerweile nervte mich diese Geheimnistuerei. „Alex ist niemals mit diesem Typen zusammen!“, sagte sie dann. „Ich hab doch selbst gesehen wie sie sich geküsst haben!“ „Perfektes Täuschungsmanöver“, meinte sie. „Aber mal im Ernst. Alex ist Homosexuell. Sie ist kein bisschen weniger lesbisch wie ich.“ Ich schaute sie an, ohne sie wirklich zu sehen. „Was?“, brachte ich dann tonlos hervor. Meine Gedanken rasten in meinem Kopf umher. Das konnte doch nicht wahr sein. Warum spielte sie uns das vor? „Sie ist homosexuell“, wiederholte Kah dann, offensichtlich bezog sie sich auf meine Frage. Und dann fiel mir plötzlich wieder dieser Abend ein, an dem ich sie zu ihrem Roller gebracht hatte. Als sie nüchtern feststellte, dass ich Gina liebe. Kapitel 14: Love hurts ---------------------- Kapitel 14: Love hurts Eeendlich! Endlich kam Gina von ihren Großeltern zurück! Heute würde ich sie wiedersehen! Ich zog mir schnell ein paar Klamotten über und ließ das schminken einfach mal aus. Bevor meine Elter irgendetwas davon mitbekamen war ich auch schon aus der Haustür verschwunden und lief in Richtung Ginas Straße. Da ich allerdings gar nicht so sportlich bin wie ich eigentlich hoffte, machte ich schon nach der hälfte der Strecke schlapp und musste mein Tempo verringern. Völlig außer Atem kam ich an der Haustür an. Ich schnappte noch ein paar mal nach Luft und klingelte dann. Alex und Ricky, sowie die Enthüllungen von Kah am Vortag waren erst mal vergessen. Dann öffnete sich die Tür und Ginas Mutter stand vor mir. Aus müden Augen blinzelte sie mich an, murmelte ein hallo und zeigte mit dem Daumen auf die Treppe. Völlig desinteressiert grüßte ich zurück. Gina war also auf ihrem Zimmer. Meine brennende Lunge ignorierend sprintete ich also die Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hoch. Ich klopfte einmal kurz an die Tür und öffnete sie, ohne eine Antwort abzuwarten. „Na wieder im..., warum hast du’s so dunkel hier drinnen?“, fragte ich verdutzt. „Hmmm...“, kam es aus der dunkelsten Ecke, in der das Bett stand. „Geht es dir nicht gut Gina?“, ich konnte meine Besorgnis nicht ganz aus meiner Stimme heraushalten. „Nur müde“, sagte sie dann, gerade so laut das ich sie verstehen konnte. Ein Stein fiel mir von Herzen. „Na dann... Soll ich lieber wieder nach Hause gehen?“, fragte ich, obwohl ich gar nicht gehen wollte. „Ne, ist schon okay.“ „Na dann.“ Erleichtert ließ ich mich auf die Bettkante sinken. Gina drehte sich halb zu mir um und blinzelte mir im Zwielicht entgegen. Zärtlich strich ich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und blickte ihr in die Augen. Schade, ihre Augenfarbe konnte man gar nicht erkennen in dem wenigen Licht. Dabei liebte ich es doch gerade so, mich in der Unendlichkeit ihrer Kristalle zu verlieren. Ich lächelte sie leicht an und ein müdes grinsen kam mir entgegen. „Wieso kommst du eigentlich jetzt schon?“, fragte sie dann mit vom Schlaf belegter Stimme. Etwas aus meinen Gedanken gerissen antwortete ich dann. „Ich hab dich doch sooo vermisst das weißt du doch!“, wenn sie mal wüsste wie wahr diese Worte waren. Mein Gott, ich hätte platzen können! „Will ich doch hoffen!“, sagte sie dann schon etwas wacher. Warum konnte sie nicht sehen wie ernst es mir war? Jetzt musste es doch einfach raus! Ich zögerte noch einen Moment. War das wirklich der richtige Augenblick ihr zu sagen, was wirklich mit mir los war? Aber es war noch gar nicht so lange her, das sie mir sagte wir könnten über alles reden. Ich fasste mir ein Herz. Ich wollte gerade tief Luft holen um es ihr zu sagen. Ich fühlte meinen Puls bis zu meinen Ohren schlagen und meine ganze Haut prickelte. Ich hatte ein Gänsehautfeeling pur. Da fiel mir was in dem Zwielicht auf. „Was ist?“, fragte sie mich dann. Anscheinend hatte sie meinen Blick bemerkt, mit dem ich sie angesehen hatte. Aus den Augenwinkeln nahm ich war, das sie meinem Blick folgte. Langsam nahm ich ihren Handgelenk in meine Hand und zog ihren Arm zu mir herüber. „Oh“, machte sie nur. In dem Dämmerlicht konnte man nicht wirklich viel erkennen, trotzdem war mir klar was die dünnen Linien auf ihrem Arm zu bedeuten hatten. Es waren nicht viele und besonders tief schienen sie auch nicht zu sein, aber es zeriss mir das Herz. Ich hatte einen Klos im Hals und obwohl ich am liebsten geschrieen hätte kam kein Ton über meine Lippen. Zärtlich fuhr ich mit dem Zeigefinger die Verletzungen entlang. Auf einmal spürte ich auch noch, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Das Gefühl, ich hätte vor Glück platzen können wandelte sich auf einmal in eine endlose Traurigkeit. „Warum?“, fragte ich dann mit tonloser Stimme. Die ganze Zeit hatte ihr Blick auf mir gelegen. Doch plötzlich drehte sie sich weg. Mehr spürte ich, das sie hart schluckte als ich es sah. „Du hast mir doch gesagt ich könnte mit dir über alles reden. Das kannst du auch. Ich werde dir keine Vorwürfe mache, versprochen!“ Ganz langsam entzog sie mir ihren Arm. Als ich gerade geglaubt hatte, sie wollte sich jetzt ganz von mir abwenden und mich ignorieren, schaute sie mir wieder tief in die Augen. Vorsichtig legte ich mich jetzt neben sie und begann ihr tröstend über den Oberarm zu streicheln. Sie atmete tief aus und rückte dann etwas näher. Jetzt konnte ich beide Arme um sie legen und sie festhalten, während sie ihren Kopf näher an meine Schulter legte. Trotz des traurigen Grundes fand ich es dann doch wunderschön, so wie wir da lagen. So sollte es immer sein. Sehr leise begann sie dann zu reden. „Es ist einfach nicht fair. Alle werden immer so glücklich und ich bin einfach allen egal“, jetzt wurde ihre Stimme von Tränen schwerer. „Und wenn ich endlich mal versuche mein Glück zu machen, macht es mir garantiert wieder irgendwer Kaputt!“, laute Schluchzer ließen sie jetzt nicht weitersprechen. Obwohl ich im trösten eigentlich nie besonders gut gewesen war, versuchte ich es jetzt mal. „Du hast doch immer noch mich! Du bist mir nie egal gewesen und bist es jetzt auch nicht!“ „Aber du bist doch jetzt ständig mit anderen Leuten unterwegs. Und dich hat es auch nicht gekümmert, dass plötzlich Alex und Ricky zusammen sind und dabei wusstest du doch ganz genau wie gern ich ihn hab. Nicht eine Sekunde hat jemand darüber nachgedacht wie es mir dabei geht! Und... und...“, so schnell sie sich in Rage geredet hatte, so schnell war sie auch schon am ende gewesen. Plötzlich wurde mir klar worum es ihr eigentlich ging. Sie hatte Liebeskummer und geglaubt ich würde ihr ihr Glück auch nicht gönnen. Zärtlich strich ich ihr durch das Haar. „Ooh, Gina. Du hast ja Recht, sie haben sich nicht richtig verhalten. Und ich war wahrscheinlich auch nicht gerecht zu dir. Aber musst du dir denn selbst noch so weh tun, wo es doch anscheinend schon so sehr in dir drin schmerzt?“ Als sie sich vor weinen näher an mich schmiegte und ihre Schluchzer in meinen Ohren widerhallten, ergriff mich eine unbändige Wut. Eigentlich hätte ich in diesem Augenblick ja der glücklichste Mensch auf Erden sein können, aber der Gedanke an Alex hielt mich davon ab. Wie konnte sie Gina nur so unglücklich machen, wo sie Ricky nicht einmal liebte? Warum tat sie ihr so was nur an! Ich drückte Gina an mich und ließ sie sich ausweinen. Endlich wurde sie ruhiger. Gerade als ich glaubte ich könnte es nicht mehr eine Sekunde länger aushalten. Einen Moment blieben wir noch so liegen und ich streichelte ihr immer noch unaufhörlich über den Rücken. „Weißt du, du bist mir immer noch am liebsten von allen. Du versucht wenigstens nicht permanent mich runter zu machen“, gestand mir Gina dann. Ich schluckte, bevor ich antworten konnte. „Du bist einfach der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt für mich Gina, vergiss das nicht. Du kannst mit mir über alles reden hörst du! Versprich mir aber bitte eins, tu das nie wieder“, damit sie verstand was ich meinte, stricht ich noch einmal ihren Arm entlang. „Ist gut“, irgendwie klang das sehr wenig aufgemuntert. „Ich glaube, ich habe dich immer als Selbstverständlich wahrgenommen, bis du auf einmal anfingst neue Freunde zu finden, die ich noch nie gesehen hatte. Bleib immer bei mir, ja.“ Ich hätte vor Freude Luftsprünge machen können. „Ja, versprochen“, antwortete ich mit belegter Stimme. Ich hätte eigentlich nichts dagegen gehabt den ganzen Tag so neben ihr liegen zu können, aber eine innere Unruhe trieb mich. „Ich glaub, du schläfst jetzt besser noch was. Du siehst echt Müde aus. Und außerdem wird dir das bestimmt gut tun. Wenn irgendetwas ist, ruf mich an ich komm dann her wenn du magst.“ Sie nickte. „Ist gut.“ Ich drehte mich um und öffnete die Tür. „Danke.“ Verwundert drehte ich mich noch einmal um. „Wofür?“, fragte ich dann. „Dafür das ich dir nicht egal bin“, sagte sie mir dann und schaute mich an, als wollte sie sagen Dummkopf. Ich lächelte schwach und verließ dann das Zimmer. „Gerngeschehen“, sagte ich dann und schloss die Tür hinter mir. Als ich erst einmal draußen war, musste ich noch einmal tief Luft holen. Dennoch hätte ich es sicher keine Sekunde länger ausgehalten. Ich musste jetzt einfach zu Alex. Was bildete die sich bloß ein? Völlig geladen kramte ich nach meinem Handy. Tuut. Tuut. Tuut. “Hallo Vera! Wie geht’s?” “Kannst du in einer halben Stunde im “Blue” sein?”, fragte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen. „Äh, klar. Was...“ „Gut.“ Ich drückte sie weg und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Und musste auch gar nicht lange warten bis der Zug einfuhr. Die konnte sich auf einiges gefasst machen! Kapitel 15: Freundschaft oder Liebe? ------------------------------------ Kapitel 15: Freundschaft oder Liebe? Immer noch aufgeladen kam ich am anderen Bahnhof an. Meine Gedanken drehten sich ständig um das Selbe. Alex hatte uns alle hintergangen und damit Gina wehgetan. Sie hatte einfach alles auf den Kopf gestellt. Alles was ich liebte stand auf dem Spiel. Das konnte ihr nicht einfach egal sein! Und die arme Gina hatte es am schlimmsten getroffen. Das konnte ich ihr nicht verzeihen, welche Gründe auch immer dahinter steckten. Mit langen Schritten folgte ich der Fußgängerzone, ohne darauf zu achten wo genau ich hintrat. Demzufolge stieß ich ständig andere Leute an, die mir irgendwelche Beschimpfungen hinterher riefen. Ich hörte nicht darauf. Endlich stand ich in der Tür zum „Blue“. Da saß sie, hinten in der Ecke, an unserem Lieblingsplatz. Den Platz, den Gina und ich schon von Anfang an zu unserem Stammplatz auswählten. Und Ricky saß neben ihr. Ich hätte ihr noch sagen sollen, dass sie alleine kommen soll. Aber jetzt war es eh zu spät dafür und eigentlich war es mir auch egal. Ich ging direkt auf sie zu. Ricky hatte anscheinend gerade irgend etwas lustiges erzählt, denn sie brachen in schallendes Gelächter aus. Als Alex mich sah brach abrupt ihr Lachen ab. Gut, hatte sie also schon gemerkt das ich Sauer auf sie war. „Guten Tag, Vera.“ „Hey, Vera“, sagte auch Alex. Ich antwortete nicht, stattdessen zog ich Alex am Arm auf die Füße. „Kannst du eueren Kaffee bezahlen?“, wandte ich mich dann an Ricky. Als er antwortete hatte ich mich schon umgedreht und zog Alexandra hinter mir her. „Was ist los? Vera? Hallo?“, machte sie völlig verdattert. „Das wirst du noch früh genug erfahren, aber ich glaube nicht dass das ein so guter Platz ist um zu diskutieren“, damit war das Thema erst mal für mich abgeschlossen. Auf weitere Fragen ging ich nicht ein und irgendwann gab Alex es auf. Endlich kamen wir an einen ruhigen Platz, wo nicht mehr allzu viele Leute lang gingen. Dort stand auch eine Bank und ich lief mich darauf fallen. Alex tat es mir gleich. Aber sofort sprang ich wieder auf, ich war viel zu rastlos um mich hinzusetzten. Alex Augen verfolgten mich, während ich hin und her tigerte. „Würdest du mir den ganzen Aufstand vielleicht endlich mal erklären?“, fragte sie dann, offenbar ebenfalls gereizt. „Klar. Dabei müsstest du doch eigentlich wissen worum es geht!“, blaffte ich sie an. „Nein. Sonst würde ich auch nicht fragen. Also? Wäre die Dame dann mal bereit mich aufzuklären?“, gab sie zurück. Aufgekratzt strich ich mir eine pinke Strähne aus den Augen. Dann blieb ich stehen und musterte sie ganz genau. Sie schaute mich an und versuchte anscheinend in meinem Gesicht zu lesen. Als ich in ihre Augen schaute, spürte ich das auch Angst darin stand. Oder nicht? Egal. „Du belügst uns alle und machst uns total fertig und dann tust du auch noch so als wenn du keine Ahnung hättest worum es geht. Wie falsch kann man eigentlich sein?“, warf ich ihr dann an den Kopf. Alex zuckte zusammen. „Wieso belogen? Wann hab ich dich denn belogen?“ „Ach, tu doch nicht so scheinheilig! Du weißt doch was ich meine.“ Jetzt sprang sie auch auf. „Weiß ich eben nicht! Würdest du mich vielleicht mal aufklären oder lässt du mich dumm sterben?“, fragte sie dann. „Du willst doch gar nichts von Ricky und versuchst uns weiß zu machen dass das Gegenteil der Fall ist...“, sie unterbrach mich. Ihr Blick war total verändert, bis auf die Angst vielleicht, denn die schien nur noch gewachsen zu sein. Ich fragte mich wovor sie Angst haben sollte. „Woher willst du das wissen? Ricky ist ein echt toller Mensch!“, so ganz überzeugend klang sie nicht gerade. „Weißt du, die meisten Menschen wissen wann sie mit der Wahrheit heraus rücken sollten, du gehörst aber offensichtlich nicht dazu!“ „Was...?“, jetzt war es an mir sie zu unterbrechen. „Du würdest nie freiwillig mit einem Jungen zusammen sein. Kah hat es mir erzählt. Du bist eine Lesbe und trotzdem spielst du so mit Rickys Gefühlen! Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht wie er sich dabei fühlt, wenn er herausfindest, das du gar nicht auf Jungs stehst?“, jetzt hatte ich mich richtig in fahrt geredet. Aber als Alex plötzlich auf die Bank zurücksank hielt ich inne. Sie wirkte als sei plötzlich alle Kraft aus ihr gewichen, wie die Luft aus einem Luftballon. „Er weiß es“, sagte sie dann knapp. „Was?“, jetzt war ich total verdutzt. Ich starrte auf sie runter. „Er weiß das ich gar nichts von ihm will“, brachte sie dann gepresst hervor. „Was!“, machte ich dann wieder, diesmal aber wieder genauso aufgebracht wie vorher. „Ich...“ „Ihr steckt auch noch unter einer Decke! Ricky hätte ich so eine Intrige gar nicht zugetraut! Das hättet ihr euch echt sparen können! Ich hätte es eigentlich wissen müssen, das du ein falsches Spiel mit uns treibst. Erst tust du so als würdest du Backer keinen Meter über den Weg trauen und dann knutscht du auf einmal wie verrückt mit ihm herum.“ „Ich...“, machte sie wieder, mit einer Handbewegung schnitt ich ihr das Wort ab. „Ich will jetzt keinen dummen ausflüchte hören! Ihr seid echt das Letzte! Alle beide! Wisst ihr eigentlich wie weh ihr Gina damit getan habt? Aber das ist euch ja anscheinend total egal! Mein Gott, wie konnte ich nur auf solche Idioten hereinfallen?“, während ich redete wurde meine Stimme immer lauter. Plötzlich konnte ich nicht mehr. Die ganze Zeit über hatte ich sie nicht einmal angesehen. Jetzt sah ich sie endlich wieder an. Eigentlich hatte ich mich jetzt umdrehen wollen und sie alleine hier versauern lassen. Aber als ich sie ansah, war ich wie versteinert. Sie sah zu mir hoch. Tonlos weinte sie vor sich hin. Die Tränen liefen ihr fast wie kleine Bäche an den Wangen herunter. Ihr Gesicht war Kajalverschmiert. Sie sah total gebrochen aus. Ich zögerte noch eine Sekunde, dann wendete ich meinen Blick ab und wollte mich umdrehen um zu gehen. Da griff sie an mein Handgelenk. „Vera, bitte, hör mir zu“, es klang als würde sie mich anflehen. „Wieso sollte ich dir noch ein einziges Mal zuhören? Du hast mich doch schon die ganze Zeit belogen, warum sollte sich das jetzt auf einmal ändern?“, in Wirklichkeit hatte ich Angst das ich es nicht mehr ertragen könnte, wie sie mich ansah. Das ich ihr vielleicht sogar vergeben könnte. „Ich hab das alles für dich getan“, ihre Stimme klang unterwürfig wimmernd. Richtig widerlich. „Jetzt bin ich es auf einmal selbst Schuld oder was?“, fuhr ich sie an, aber meine Stimme war gefährlich leise gewesen. Wenn sie klug war, würde sie mich jetzt einfach gehen lassen. „Ich hab doch gesehen wie sehr du sie liebst. Ich wollte dir einfach eine Chance geben, es noch einmal zu versuchen. Die ganze Zeit wollte ich nur das du glücklich bist“, versuchte sie dann sich zu erklären. Inzwischen war auch sie wieder aufgestanden. Ich drehte mich wieder halb zu ihr um, die Tränen rannen ihr immer noch hilflos herunter. Sie wirkte so elend, das sie mir schon fast Leid tat. „Wieso solltest du das wollen?“, fragte ich noch einmal, ohne eine Antwort zu erwarten, sie gab sie mir trotzdem. „Vera“, fasst hatte sie dieses eine Wort gehaucht. Ich konnte sie nur verstehen, weil sie so nah an mir dran stand. Sie blickte mir tief in die Augen, ich sah wie sie schluckte. „Vera, ich liebe dich doch so sehr. Ich will einfach das du glücklich bist.“ Diese Worte trafen mich wie ein Blitz. Hatte sie das jetzt wirklich gesagt? Dann war es still. Keiner brachte auch nur noch ein Wort hervor. Ich war völlig durcheinander. Das sagte sie mir jetzt einfach so. Was sollte das, ich hatte sie gerade total fertig gemacht und sie sagte mir, das sie mich liebte. „Das ist doch auch wieder nur gelogen!“, gab ich dann, fast resigniert, zurück. Ich wollte mich schon wieder umdrehen. Aber sie zog mich näher an sich heran. „Nein. Das ist keine Lüge. Wieso sollte ich dich bei so was anlügen“, stellte sie klar. „Wenn du mich wirklich lieben würdest, wüsstest du auch, das ich glücklich gewesen wäre, wenn Gina glücklich ist. Du hast doch gewusst, das ich nur sie liebe.“ Sie nahm mich in den Arm und drückte sich an mich. Ich wollte sie wegstoßen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Nicht, weil sie mich so fest gehalten hätte, sondern weil ich einfach keine Kraft mehr dazu aufbrachte. „Nein, Vera. Wir wissen beide, dass du tot unglücklich gewesen wärst, wenn sie mit jemand anderen zusammen gekommen wäre.“ Verdammt, sie hatte ja Recht! Ich wollte nicht das sie Recht hatte, und ich wollte nicht, das sie wusste, das ich es wusste. „Das gibt dir kein Recht Gina kaputt zu machen. Weißt du eigentlich wie sehr sie darunter leidet?“, ich war völlig fertig, und meine Worte kamen nur als ein flüstern hervor. „Ich wollte wirklich nur, das du glücklich wirst“, sagte sie dann wieder, und drückte ihre Stirn an meine Schulter. Ich starrte einfach in die Ferne, ohne wirklich etwas zu sehen. „Warum hast du das nicht gleich gesagt, wir hätten darüber reden können. Es hätte gar nicht so weit kommen brauchen.“ Plötzlich richtete sie sich wieder auf. Sie hielt ich an den Schultern fest und sah mir in die Augen. Sie sah mich an, wie man ein kleines Kind anguckt, wenn es eine besonders dumme Frage stellt. „Aber das habe ich doch versucht. Du hast mich ja nicht ausreden lassen“, sagte sie dann ruhig. „Was? Wann soll das denn gewesen sein?“, fragte ich dann. Doch in dem selben Moment, in dem sie es sagte fiel es mir wieder ein. „Damals, als du mich noch bis zum Bahnhof zu meinem Roller gebracht hast. Du bist davon gelaufen als ich es dir sagen wollte.“ Ich hatte also doch richtig gelegen, als ich glaubte, das sie sich in mich verliebt hatte. Wie naiv war ich nur gewesen? „Aber...“, mir fehlten einfach die Worte. Eigentlich hatte Alex keine Schuld. Aber das würde ich ihr gegenüber niemals eingestehen. Das konnte ich einfach nicht. Und doch, sie hätte es noch einmal versuchen können. Sie hätte nicht einfach allen etwas vorspielen sollen. Es drehte sich alles im Kreis, in meinem Kopf. Ich war zu durcheinander. Dieses Mädel würde mich irgendwann noch in die Klapsmühle bringen, da war ich mir sicher. Ich wollte nur noch nach Hause und über alles in Ruhe nachdenken. Oder es auf sich beruhen lassen und das alles vergessen. Ich wollte, ich konnte nicht weiter darüber nachdenken. Ich hatte nicht mehr gewusst wo ich war und das Alex noch da war. Das alles wurde mir mit einem Schlag wieder bewusst. Und zwar in dem Moment, als sich ihre Lippen auf meine senkten. Sie hielt mich immer noch an den Schultern fest. Das wäre gar nicht nötig gewesen, ich konnte mich vor Schreck sowieso nicht bewegen. Es war nur ein sehr kurzer Kuss gewesen. Sehr schüchtern und angenehm. Aber ich hätte sie dafür erschlagen können. Was fiel ihr nur ein mich jetzt zu küssen? Als sie mich los lies, sackte ich in mir zusammen. Einfach auf den Boden. Das war einfach zu viel für mich. Womit hatte ich so einen Blödsinn nur verdient. Ich lehnte mich gegen die Bank und versuchte einfach an gar nichts mehr zu denken. Wie aus weiter ferne, hörte ich die Autos, die nicht weit von uns vorbei fuhren. Unbewusst merkte ich, wie Alex sich neben mir niederließ und ebenfalls in den Himmel schaute. Irgendwie war es als würde ich dieses Bild als Außenstehender betrachten. Völlig gefühls- und reglos. Da saßen zwei Mädchen auf dem Boden, den Kopf auf der Sitzfläche einer Bank abgelegt und starrten in den Himmel. Die eine total am Boden zerstört und voller Verzweiflung. Und die andere mit leichter Genugtuung und Unerschütterlich. Da saßen sie, auf irgendeine Weise vertraut und doch meilenweit voneinander entfernt. Keine sprach ein Wort. Und nichts störte die Stille. Nichts bewegte sich, bis auf die in der Sonne glitzernde Träne, die mir die Wange hinablief. Ich wusste nicht wie lange wir so da gesessen haben. Es konnten nur wenige Minuten, oder auch Stunden gewesen sein. Irgendwann setzte ich mich wie in Trance wieder auf. Ein Schmerz zuckte durch meinen Nacken. Das war wohl nicht die beste Position für ihn gewesen. Die ganze Zeit über hatte ich über nichts nachgedacht und einfach nur so da gesessen. Jetzt brach plötzlich wieder alles auf mich ein. Schlug über meinem Kopf hinweg, wie eine Welle im Meer. Hielt mich gefangen, so wie man einer Naturgewalt einfach nicht entkommen kann. Ich kam mir lächerlich klein vor und wollte einfach weglaufen. Weit weg. Nie wieder zurückkehren, ja nie wieder auf die Vergangenheit zurück schauen. Auch wenn ich wusste, das ich mich dem früher oder später würde stellen müssen. Langsam stand ich auf und streckte meine steifen Knochen. Auch Alex stand jetzt auf, ich spürte ihren Blick auf mir, aber ich beachtete sie nicht weiter. Sie dreht mich ein wenig zu ihr hin und strich mit ihrem Zeigefinger von meiner Schläfe bis zum Kinn an meine Wange herab. „Es wir alles wieder gut werden. Wir kriegen das schon wieder hin.“ In diesem Moment wollte ich ihr einfach glauben. Langsam näherten sich ihre Lippen wieder meinen und sie küsste mich erneut ganz sanft, wie auch zuvor schon. Ich ließ alles mit mir geschehen und drehte mich dann um und ging in Richtung Bahnhof. Alex war die ganze Zeit über in meiner nähe, das wusste ich. Auch als ich in den Zug einstieg. Aber ich beachtete sie nicht weiter. Es wäre einfach zu schön um wahr zu sein, wenn alles wieder gut werden würde. Kapitel 16: Augenblicke des puren Glücks ---------------------------------------- Kapitel 16: Augenblicke des puren Glücks Ich saß zu Hause auf meinem Bett. Meine Eltern waren nicht da, sonst hätten sie bestimmt schon längst dafür gesorgt das der Krach aufhörte. Seit einer guten halben Stunde dröhnte schon der Klang meiner Gitarre um die Ohren, der Lautstärkenregler war bis zum Anschlag aufgedreht. In meinen Ohren rauschte es nur noch. Da saß ich also, spielte Gitarre, starrte ins Leere und dachte nach. Gerade schien es als würde alles wieder genauso gut werden wie früher auch. Vielleicht sogar noch besser. Ich hatte mich so gefreut das Gina zurückkam und jetzt dieser Scheiß. Sie ritzte sich, weil Alex mit ihren Gefühlen spielte. Und jetzt sah es auch noch so aus als wäre ich an allem Schuld, weil Alex es nur für mich getan hat. Sagt sie. Sie liebt mich, hatte sie gesagt. Sie wollte nicht das ich leide. Das hatte sie ja wunderbar hingekriegt! Sie wusste doch das ich mich in meine beste Freundin verliebt hatte, sie hätte wissen müssen das ich nur gewollt hatte, dass Gina glücklich ist. Und Ricky machte bei dem ganzen Blödsinn auch noch mit! Ich hatte mich echt getäuscht in ihm. Gut es war offensichtlich das Gina ihm auf die Nerven ging. Aber das war doch nicht böse gemeint von ihr. Er hätte ihr auch sagen können, dass sie keine Chance hat. Und ich machte mir jetzt wegen allem meine Gedanken! Aber irgendetwas musste ich doch tun können! Irgendetwas musste geändert werden um diese verkorkste Situation aufzulösen. Ich grübelte noch lange nach, ohne einer Antwort auch nur ein bisschen näher zu kommen. Mittlerweile hatten wir halb Zehn Uhr abends. Die Gitarre hatte ich vor einiger Zeit schon weggestellt. Ich lag unten auf der Couch und zappte in einigen Programmen rum, ohne so wirklich zu merken was da lief. Ich hatte versucht meine Gedanken einfach abzustellen. Aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Schöne Ferien hatte ich bis jetzt. Echt toll. Wie ein Tiger im Käfig lief sie ständig auf und ab. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie Vera ihre Liebe gestanden hatte. War sie verrückt gewesen? Ja, verrückt vor Liebe für dieses Mädchen. Und jetzt hatte sie sie nur noch wütender gemacht. Hoffentlich würde sie ihr nicht noch die Freundschaft kündigen. Aber immerhin waren sie sich doch um einiges näher gekommen. Wieder dachte sie an diesen ersten Kuss zurück, wie schon viele Male zuvor, an diesem Abend. Und auch der Zweite war noch genauso reizvoll gewesen wie der Erste. Zumindest für sie. Vera hatte sich keinen Millimeter bewegt und auch keinen Ton von sich gewesen. Dennoch hatte ihr Herz zu platzen gedroht vor Freude. Immer noch spürte Alex die weichen Lippen von Vera auf ihren. Und auch die schwitzenden Hände waren ihr noch genauso bewusst wie vorhin. Und diese grünen Augen hatten es ihr erst recht angetan. Trotz diesen schönen Erinnerung blieb die bange Frage in ihr wach. Was dachte Vera? Und vor allem, erwiderte sie irgendetwas von Alex’ Gefühlen zu ihr? Rastlos hielt sie von ihrer Wanderung durch das Zimmer inne. Sie konnte nicht länger auf eine Antwort auf diese Fragen warten. Sie musste Vera jetzt einfach sehen! Egal was die dazu sagen würde, wenn Alex schon wieder bei ihr aufkreuzte. Keine Sekunde verstrich, seit sie diesen Entschluss gefasst hatte, da lief sie auch schon die Treppe hinab. Griff sich eine Jacke und den Helm. Packte sich ihren Schlüssel und war auch schon die Tür hinaus verschwunden. Als sie los fuhr, bemerkte sie das es etwas am nieseln war. Aber umkehren und sich eine andere Jacke holen, wollte sie auch nicht mehr. Dann hätte sie wahrscheinlich der Mut verlassen. Das der Regen immer stärker wurde, je länger sie fuhr, nahm sie gar nicht richtig wahr. Ihre Gedanken kreisten immer noch um Vera. Warum war sie eigentlich auf einmal so sauer gewesen? Klar, sie und Ricky hatten etwas vorgespielt, von dem Gina nicht besonders begeistert war. Und Kah hatte auch noch verraten, das Alex nicht mal auf Jungs stand. Aber warum war das so plötzlich ein Problem gewesen? Ich gähnte. Es lief echt nichts interessantes. Wahrscheinlich würde ich gleich auf dem Sofa einpennen. Wovon meine Eltern nicht so begeistert wären, wenn sie von ihren Freunden zurück kamen. Aber eigentlich war mir das auch egal. Ich schaltete gerade schon wieder auf einen anderen Kanal, als ich Motoren Geräusche hörte. Klang nicht gerade nach einem Auto. War eigentlich auch egal, da hatte die Nachbarin anscheinend wieder Besuch bekommen und das ging mich schließlich nichts an. Als es dann Klingelte hätte ich fast die Fernbedienung fallen lassen. Ich schaute auf die Uhr. Wer wollte denn jetzt noch was von uns? Müde schleppte ich mich zur Tür. Mein Herz rutschte beinah in die Hose. Vor mir, im strömenden Regen, stand eine klitschnasse Alex und lächelte mich unsicher an. „Darf ich reinkommen, es ist etwas ungemütlich hier draußen.“ Am liebsten hätte ich ihr die Tür wieder vor der Nase zugeschlagen. Ich hatte jetzt einfach keine Lust auf ihre Intrigen. Aber sie schaute mich aus so entsetzlich traurigen Augen an, dass ich beschloss ihr wenigstens ein paar Minuten zu geben um zu trocknen. Ich trat also einen Schritt zurück, ließ sie dabei jedoch keine Sekunde aus den Augen. „Danke“, sie trat in den Flur und zog sich die Schuhe aus. „Warte hier“, meinte ich und drehte mich um. Zwei Stufen auf einmal nehmend lief ich die Treppe rauf und holte aus dem Badezimmer ein Handtuch. Dann lief ich zu meinem Schrank und holte ein paar Klamotten heraus. Alex schaute mir schon sehnsüchtig entgegen während sie immer noch auf dem selben Fleck stand wie eben. Was sehr schön an der kleinen Pfütze zu ihren Füßen zu erkennen war. Wortlos streckte ich ihr das Handtuch entgegen. Dankbar nahm sie es an und begann sich abzutrocknen. Als sie bemerkte, das ich auch noch ein paar Klamotten für sie in der Hand hielt, zog sie ihr T-Shirt aus um sich auch dort abzutrocknen. Ich konnte meine Blicke nicht von ihr lassen. Vielleicht glaubte ich, ich könnte ihr nicht mehr den Rücken zu drehen. Aber ich musterte sie weiter. Während sie sich, etwas schüchtern vielleicht weiter auszog. Schüchtern, irgendwie passte das so überhaupt nicht zu ihr. Als sie so weit fertig war, mit dem Abtrocknen schaute sie hoch. Ihr Blick bohrte sich in meinen und ich konnte einfach nicht wegschauen. Dann, ganz langsam, breitete sich eine Grinsen auf ihren Zügen aus. Kein boshaftes, eher ein verträumtes. Und ich wollte gar nicht wissen, was in diesem Moment durch ihren Kopf ging. Sie machte einen Schritt auf mich zu. Erst wollte ich zurückweichen, bis mir die Klamotten in meinen Händen wieder einfielen. Ich streckte sie ihr entgegen. Nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde schaute sie weg. Ich war gefangen in ihrem Blick. Ich wusste nicht einmal warum, aber ich konnte mich nicht bewegen. Sie streckte ihre Hände aus, aber statt nach der Kleidung zu greifen, legte sie die Arme um meine Taille. Diese Geste war kein bisschen bestimmend. Hätte ich mich bewegen können, wäre es kein Problem gewesen Alex abzuschütteln. Sanft zog sie mich an sich heran. Ich ließ die Kleidung einfach zu Boden fallen. Immer noch schaute sie mir in die Augen. Mein Herz begann in meiner Kehle zu klopfen. Plötzlich waren all die schlechten Gedanken wie weggeblasen. Nur noch ein zaghaftes ungutes Gefühl saß in der Brust. Es wollte auch nicht verschwinden, als sie mein Kinn etwas zu sich zog. Als wir uns dann küssten explodierte ein kleines Gefühl endlosen Glückes in mir. Ich schloss die Augen. Und für einen Moment genoss ich es einfach geliebt zu werden, ohne über irgend etwas nach zu denken. Alex war erst sehr vorsichtig gewesen, aber als sie gemerkt hatte, das ich ihren Kuss erwiderte, ging sie vollkommen in ihrer Leidenschaft auf. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, löste sie sich wieder von mir. Jetzt schlugen die Ereignisse des Tages wieder über mich hinweg, wie riesige Wellen und drohten mich von den Füßen zu reißen. Was hatte ich da gerade eigentlich getan? Ich konnte doch nicht einfach Alex küssen. Das war nicht fair ihr gegenüber. Ich wollte doch gar nichts von ihr. Ich liebte doch Gina. Sie schaute mich unendlich verliebt an. Das reine Glück schien durch ihren Körper zu pulsieren. Und ich hatte gerade das Gefühl, als wäre ich das totale Gegenteil dieses Glückes. Die Verzweiflung in Person. Ich wusste einfach nicht wohin mit mir und schon gar nicht, was ich jetzt mit Alex anfangen sollte. Ich konnte sie doch jetzt nicht einfach wieder vor die Tür setzten. Dieser Kuss hatte alles einfach nur noch verschlimmert. Warum konnte sie mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Aber eigentlich war ich es ja selbst schuld gewesen. Ich hätte einfach den Kuss nicht erwidern müssen. Ich hätte sie sogar schon vorher von mir schieben können. Jetzt erst bemerkte ich, das Alex am ganzen Körper zitterte. Natürlich, in Unterwäsche im Flur war es auch nicht gerade warm. „Ich mach dir `nen Kakao“, bot ich ihr an. „Das wär` toll“, erwiderte sie fast genüsslich. Sie hob meine Klamotten auf und ging ins Wohnzimmer, während ich in der Küche den Kakao machte. Als ich ins Wohnzimmer kam, lag die Kleidung auf dem Sofa und daneben saß Alex in eine Decke gehüllt. Ich stellte die Tasse auf dem kleinen Wohnzimmer Tisch ab. Als ich gerade wieder gehen wollte um die Klamotten wenigstens ordentlich zusammen zu falten, spürte ich eine Bewegung in meinem Rücken. Alex hatte sich ein wenig aus der Decke gebuddelt und umfing mich jetzt mir ihren Armen um mich an sie zu zeihen. Die Arme mit der Decke verschränkte sie dann vor meinem Bauch. Und den Kopf hatte sie auf meiner Schulter abgelgt. Jetzt wusste ich erst recht nicht was ich tun sollte. Schweigend saßen wir da. Nur das prasseln des Regens gegen die Fenster war zu hören. Nach einiger Zeit fasste ich mir dann ein Herz. „Alex.“ „Hmm...“, machte sie genüsslich, so dass sie mich an eine schnurrende Katze erinnerte. „Das ist nicht richtig“, sagte ich dann. „Was?“ „Na, du weißt schon. Ich liebe Gina. Da kann ich doch jetzt nicht so mit dir rumknutschen.“ „Vera, ich will jetzt echt nicht gemein klingen. Aber mit dir und Gina wird das nie etwas werden. Sie hasst homosexuelle“, ihre Stimme war ganz sanft gewesen, dennoch machte es mich sauer. „Ich hatte auch nicht geglaubt, dass ich mich jemals in ein Mädchen verlieben würde. Und dann schon gar nicht in meine seit ewigen Zeiten beste Freundin!“ Alex seufzte. Nach kurzen Zögern antwortete sie mir dann. „Vera, du weißt ganz genau das ich recht habe...“, ich wollte etwas sagen, aber Alex schnitt mir das Wort ab. „... wegen mir versuch es mit Gina. Ich lasse dich gehen wenn du unbedingt willst. Aber glaub ja nicht das ich zulassen, dass sie dich fertig macht.“ Das war alles gewesen? Sie wollte mich gehen lassen? So einfach hatte ich mir das jetzt nicht vorgestellt, dennoch war ich dankbar für ihr Verständnis, was sie mir entgegenbrachte. Sie hatte ja vermutlich auch recht, aber ich konnte Gina jetzt einfach nicht aufgeben. „Weißt du, Vera. Gerade hatte ich geglaubt ich hätte dein Herz für mich gewonnen und jetzt, keine halbe Stunde später, habe ich dich vielleicht für immer verloren.“ Das musste Alex jetzt einfach noch sagen. Sie versuchte nicht so verletzt zu klingen wie sie war und hoffte, das Vera nicht bemerken würde wie nah sie den Tränen war. Nach einigen Augenblicken antworte sie dann. „Du kannst mich doch nicht für immer verlieren. Wir sind doch Freunde“, ihre Stimme klang brüchig. Das machte alles nur noch schlimmer. Alex hatte das Gefühl ihr Herz müsste in tausende Einzelteile zerspringen vor Schmerz. „Ja, Freunde“, sagte sie dann. Nur Freunde. Ist das noch fair? Alex wollte diese Gefühl nur noch ein paar Sekunden auskosten, dass sie vorhin gehabt hatte. Sie hatte doch ihren Kuss erwidert! Für einen Augenblick versuchte sie das Gespräch zu vergessen. Sie genoss es noch einmal, dieses Mädchen für sich gewonnen zu haben. Aber was auch immer jetzt mit Gina geschah, so einfach würde sie Vera nicht mehr aufgeben. Sie hatte ihr nur gesagt, dass sie sie gehen lassen würde, weil sie ganz genau wusste das es nie etwas werden würde mit den beiden. Und insgeheim hoffte sie, das Vera sich an diesen Abend erinnern würde und dann zu ihr zurück kam. Aber immer noch schwang etwas in ihrem Hinterkopf nach. Nur Freunde. Kapitel 17: Oh mein Gott! ------------------------- Kapitel 17: Oh mein Gott! Alex war gegangen. Vor Stunden schon. Und ich lag in meinem Bett. Ebenfalls seit Stunden. Aber der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Ich drehte mich von einer Seite auf die andere. Aber ich war völlig rastlos, ich musste einfach die ganze Zeit über Alex und Gina nachdenken. Warum machten es mir nur alle so schwer? Ich hatte Alex ja auch gar nicht vergeben wollen, aber wie sie da so tropfnass und traurig vor mir stand, konnte ich einfach nicht anders. Ihr zu vergeben hatte mir aber auch irgendwie gut getan. Es wäre ja auch zu blöd, wenn ausgerechnet ich jemanden die Freundschaft kündigte, wenn ich erfuhr das er mich liebte. Vor allem, weil ich ja hoffte das Gina das nicht auch mit mir tun würde. Trotzdem konnte ich nicht vergessen, dass Alex an allem Schuld war. Mein Gott, noch mal. Gina hatte sich selbst wehgetan, weil sie glaubte mit niemanden reden zu können. Als ich an die kleinen roten Linien dachte, die sich über ihren Arm zogen, kamen mir fast schon wieder die Tränen. Es hatte nicht sehr schlimm ausgesehen. Sie waren wohl auch nicht allzu tief gewesen. Aber jeden der Schnitte hatte ich in meinem Herzen spüren können. Aber auf der anderen Seite war da jetzt Alex. Alex, die so unheimlich zärtlich zu mir gewesen war. Sie hatte mir heute sehr gut getan. Ich wusste, das sie mich wirklich liebte, aber es tat so weh, ihr zu sagen, dass daraus wahrscheinlich nie etwas werden würde. Sie hatte sich so traurig angehört, als sie mir sagte, sie würde mich gehen lassen, wenn ich wollte. Aber da hatte doch noch irgendetwas mitgeschwungen, oder etwa nicht? So eine Art Triumph, Siegesgewissheit. Aber worüber war sie sich so siegessicher? Diese Gedanken führten einfach zu nichts. Fest stand ich musste mich entscheiden. Und ich durfte meine Entscheidung nicht selber in Frage stellen, sonst drohte alles zu kippen. Wo war da eigentlich noch so lange drüber nachzudenken? Ich hatte mich doch schon längst für Gina entschieden, sonst hätte ich doch nicht Alex abblitzen lassen. So bescheuert war nicht mal ich. In Gedanken wünschte ich Alex viel Glück für die Zukunft und fiel langsam in den so lang ersehnten Schlaf, der mich in eine schöne Zeit mit Gina entführte. Es reichte einfach zusammen zu sein und das Leben zu genießen. Die Sonnenstrahlen spielten in meinem Zimmer. Endlich würde es mal wieder schönes Wetter geben. Sogar ich hatte mal die passende Laune zu diesem Wetter. Ich hatte meine Sorgen nicht mit in diesen Tag mitschleppen brauchen und konnte ihn jetzt genießen. Ich überlegte, ob ich es wagen könnte Gina heute davon zu erzählen. Es war doch sicher nicht fair, wenn man aus so etwas ein großes Geheimnis machen würde. Vor allem wo wir doch schon beste Freunde waren, seit wir uns kannten. Ich würde einfach mal zu ihr rüber gehen. Den Schwanz einziehen konnte ich ja immer noch. Und aufgeschoben war ja schließlich nicht aufgehoben. Entspannt setzte ich mich an den Küchentisch und mümmelte erst mal ein kleines Frühstück. Danach schlurfte ich wieder die Treppe nach oben. Ich schaute in meinen Schrank und entschied mich auf anhieb für die Sternchenkrawatte. Wie seltsam das doch ist, bei einem Gegenstand gleich an zwei Personen denken zu müssen. Der Gedanke an Alex betrübte mich dann doch ein wenig. Sie würde doch sicher total fertig sein, wenn ich doch mit Gina zusammenkam. Vielleicht ja so fertig, wie Gina, als sie das mit Ricky und Alex gesehen hatte. Sie würde sich doch nichts selbst antun, oder? Nein, natürlich nicht. Sie hatte ja gewusst, das ich Gina wollte und niemand anders. Außerdem hatte sie mich erst gestern gehen lassen. Und sie war ein sehr starker Mensch. Sie würde es überleben. Ich schminkte mich heute besonders ausführlich. Insgeheim fragte ich mich, ob Gina vielleicht auch etwas wie mehr wie Freundschaft für mich fühlte. Irgendwie war das ganze komisch. Bis gestern hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, es ihr wirklich zu sagen. Klar, in meinen Träumen vielleicht schon mal. Aber das war etwas ganz anderes. Und in meinen Träumen war bisher immer alles gut gegangen. Obwohl ich, wenn ich wach war, riesige Angst hatte, das sie mich einfach stehen lassen würde. Das sie damit nicht klar kam. Wie hatte Alex das nur geschafft? Sie hatte ganz genau gewusst, dass ich sie abblitzen lassen würde, aber sie hatte es mir trotzdem gesagt. Langsam fragte ich mich, wer von uns beiden wohl naiver war. Ich, weil ich mich nicht traute Gina meine Liebe zu gestehen. Oder Alex, weil sie jemanden ihre Liebe gestand, obwohl sie wusste, das sie keine Chance hatte. Jetzt fingen meine Gedanken ja schon wieder sich im Kreis zu drehen. Wie ich das hasste! Konnte ich mir nicht einmal sicher sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben? Konnte ich nicht einmal eine Sache durchziehen? Ich musste mir heute einfach ein Herz fassen, schon allein, weil es für Gina fairer war, wenn sie wusste woran sie bei mir war. Und für mich, weil ich dann wusste woran ich war. Als ich dann aus der Tür ging, hatte ich mir fest vorgenommen, es ihr heute zu sagen. Und ich würde ganz bestimmt auch keinen Rückzieher machen! Sie würde mir ja ganz bestimmt nicht den Kopf abreißen. Dafür waren wir einfach zu gut befreundet. Langsam focht ich den Mut in mir an. Der zum Glück auch nicht erlosch, als ich auf die Klingel drückte. Eine ziemlich verpennte Gina öffnete mir dann die Tür. Stimmte ja, ihre Eltern waren ja im Urlaub. „Hey!“, sagte ich gut gelaunt. Wir umarmten uns kurz und ich trat ein. „Was machst du denn schon so früh hier?“, fragte sie mich und gähnte herzhaft. „Schau mal auf die Uhr, wir haben schon ein Uhr mittags. Ist wohl spät geworden letzte nacht.“ „Ich wollte noch en Film sehen, der ging nur so lange. Aber du willst mich doch sicher verarschen, wir haben nie im Leben schon eins“, erwiderte sie dann, schon etwas wacher. „Ich verarsch dich doch nicht. Guck“, ich hielt ihr meine Uhr unter die Nase. „Oh“, schon allein für diese Reaktion hätte ich sie durchknuddeln können. Stattdessen grinste ich einfach nur. Der Tag zog sich gemächlich dahin ohne das irgendetwas aufregendes passiert wäre. Bisher hatte ich das Thema noch nicht angesprochen und dir Zeit verging auch so viel zu schnell. Wir hatten uns auf die Couch gemümmelt, jeder eine Tüte Chips vor sich und schauten Fern. Irgendein Film, den wir schon tausendmal gesehen hatten. Nebenbei quatschten wir die ganze Zeit, wir wussten ja schließlich schon wie es ausging. Als der Film zu Ende war, blieben wir trotzdem liegen. Wir schalteten nur noch den Fernseher aus. Jetzt war es still um uns, wenn nicht gerade wieder jemand redete. Plötzlich bemerkte ich, dass es bereits dämmerte. Ich schaute auf die Uhr, wir hatte doch nicht wirklich schon halb neun! Was war mit meinem Vorsatz gewesen? Ich war mir doch so sicher... Aber noch war ich ja nicht weg. Ich musste einfach was machen. Am besten jetzt sofort. Schließlich lagen wir gerade beide so gemütlich auf der Couch und vor allem waren keine Eltern da, die hätten stören können. War das nicht der perfekte Moment, auf den ich gewartet hatte? Ich legte meine Chipstüte weg. Ich würde jetzt sowieso keinen einzigen mehr runter kriegen. Wir hatten uns jetzt bestimmt schon seit zehn Minuten angeschwiegen. Das einzige was jetzt noch zu hören war, war Ginas Tüte. Also, jetzt oder nie! Ich atmete noch einmal tief ein. Schon jetzt schlug mir mein Herz bis zum Hals. Es raste förmlich, als wollte es aus meinem Körper ausbrechen, in der Erwartung, dadurch Ginas zu gewinnen. „Gina...“ „Mmhm...“, machte sie mit vollem Mund. „Sag mal, hast du eigentlich was gegen Homo- oder Bisexuelle?“ „Hä? Nö, warum fragst du?“ „Naja, ich dachte nur wegen Kah und so...“, was machte ich eigentlich hier. „Na, es gibt schon einige die ziemlich bescheuert drauf sind. Und ich glaube gerade Homosexuelle nehmen sich ziemlich viel raus. Gut ich kenn ja auch nur eine und das ist Karina. Aber irgendwie find ich das übertrieben, was die so manchmal von sich gibt.“ Mein Atem ging immer flacher. „Also hast du im Prinzip doch was gegen Homos...?“, setzte ich noch mal an. „Ja gut erwischt. Ich versteh die einfach nicht.“ „Aber Bi ist da kein Problem oder wie?“ „Naja, die bestehen da nicht so drauf, das man das tolle am eigenen Geschlecht entdeckt. Die sind nicht so nervig, find ich.“ „Hmm...“, mittlerweile spielte ich mit einer meiner pinken Strähnen herum. „Was wäre denn, wenn du selbst plötzlich entdecken würdest, das du auch auf Mädels stehst, also nicht nur...“, scheiße war ich nervös. Ich hoffte nur, dass Gina das nicht bemerkte. „Hmm, ich weiß nicht. Sicher gewöhnungsbedürftig.“ „Dann stell ich dir die Frage mal was einfacher. Was wäre, wenn ich das bemerken würde. Hast du damit ein Problem“, ich hatte das Gefühl gleich würde meine Stimme brechen und ich würde keinen Ton mehr hervorbringen. Sie lachte kurz auf. „Natürlich wäre das kein Problem, ich frage mich nur für wen du auf einen Jungen verzichten würdest.“ „Vielleicht für dich?“, ich glaubte jetzt müsste sie bemerkt haben, dass meine Stimme leiser geworden war. „Oh, ich fühle mich geschmeichelt.“ So langsam fand ich ihre Sorglosigkeit nicht mehr so lustig. Spannte die mich etwa extra auf die Folter? „Hey, ich meins ernst“, gab ich etwas aufgebracht von mir. Verwundert schaute sie mich von der Seite an. Eine kurze Stille folgte. „Worauf willst du eigentlich hinaus?“, fragte sie dann. „Ach warte, ich kann es mir denken. Du hast plötzlich gemerkt, dass du bi bist oder?“ Ich konnte nur nicken, obwohl ich nicht mal wusste ob ich allgemein auf Mädchen stand, ich hatte mich doch jetzt erst das erste mal in eins verliebt. Sie machte nur noch größere Augen. Glaubte sie mir etwa nicht? „Wow, direkt ins schwarze getroffen.“ Mit einem grinsen, dass wohl eher wie eine Grimasse wirkte sah ich sich an. „Wie lange weißt du das schon?“, fragte sie dann. „Ich weiß nicht so genau, noch nicht so lange. Höchstens zwei Monate“, die Nervosität wollte einfach nicht verschwinden. Ich schloss die Augen. Konnte die nicht ein bisschen schneller machen? Aber irgendwie sträubte sich jetzt alles in mir mit der Wahrheit heraus zu rücken. „Irgendwie niedlich.“ Toll, war das etwa der einzige Kommentar, der ihr einfiel. Und sie schien nicht mal zu merken das sie fast einen Monolog führte. Ich wünschte es wäre schon alles vorbei, ich hätte alles überstanden. Jetzt sah sie mich, anscheinend plötzlich neugierig geworden, an. „So, jetzt mal raus mit der Sprache. Wer ist den die Glückliche?“ Oh mein Gott, hatte sie das jetzt wirklich gefragt? Ich zögerte einen Moment. „Die antwort hab ich dir eben schon gegeben“, versuchte ich mich ein wenig aus der Affäre zu ziehen. Aber anscheinend half es nichts, denn Gina schaute mich nur fragend und abwartend an. Ich schloss kurz die Augen, am liebsten hätte ich noch ein Stoßgebet zum Himmel geschickt, aber dafür war ich jetzt viel zu aufgedreht. Ich atmete noch einmal tief ein, dann blickte ich in Ginas Kristallblaue Augen. Die allein gaben mir dann doch den Mut die Wahrheit auszusprechen. „Gina,... du. Du bist... das Mädchen in das... ich mich verliebt habe“, meine Stimme zitterte so stark wie noch nie. „Was...?“, fragte sie tonlos. „Ich liebe dich... Gina“ Kapitel 18: Die Launen des Schicksals ------------------------------------- Kapitel 18: Die Launen des Schicksals Mein Gott, ich hatte es ihr wirklich gesagt! Und warum fühlte ich mich jetzt so beschissen? Vielleicht lag es an der Art wie sie mich ansah und keinen Ton herausbrachte. Am liebsten wäre ich augenblicklich im Boden versunken und nie wieder aufgetaucht. Ich hatte meinen Blick auf die Kissen der Couch gerichtet. Trotzdem spürte ich wie Feuer die Blicke von Gina auf mir ruhen. Was würde sie jetzt tun? Das Schweigen zog sich in die Länge. Es war einfach unerträglich. Irgendwann fasste ich mir den Mut, schluckte hart und schaute wieder auf. Tatsächlich starrte sie mich immer noch an. Ich glaube ich habe noch nie einen so verwirrten und erschreckten Gesichtsausdruck bei einem Menschen gesehen. Plötzlich schien es als sei sie aus einem tiefen undurchdringlichen Schleier wieder in das Hier und Jetzt gekommen. Als sie ausatmete, zischten ihre Lungen. Und bei mir zog sich der ganze Hals zusammen und trocknete total aus. „Gina...“, brach ich dann endlich mit krächzender Stimme die Stille. Diese fuhr sich mit der Hand durch die Haare und verharrte dann in der Bewegung und schaute mich einfach nur an. „Oh... Vera... wieso?“, fragte sie dann. Es klang mehr wie eine rhetorische Frage, also wartete ich einen Moment ab, ob sie tatsächlich eine Antwort hören wollte. Aber es kam nichts weiter. Sie sagte einfach nichts mehr und schaute mich nur aus großen Augen an. „Ich... oh man Gina...“, was verlangte die da nur von mir? „Ich weiß es nicht“, setzte ich dann noch mal an. Ich streckte meine Hand aus, und wollte ihre Wange entlang fahren, doch als sie zurückzuckte zog ich sie wieder zurück. Jetzt stiegen mir auch noch Tränen in die Augen. Verzweifelt versuchte ich sie zu unterdrücken. Das musste jetzt nicht auch noch sein. „Es... es tut mir leid. Ich hab mir das auch nicht ausgesucht...“ Ich stotterte mir einen ab, versuchte die Situation noch irgendwie zu retten, aber sie saß nur stumm da. Das machte es mir nicht gerade einfacher. Das sie meine Gefühle nicht erwiderte war mir klar gewesen. Aber warum machte sie es mir nur noch schwerer? Sah sie denn nicht wie mich das ganze Quälte? „Gina jetzt sag doch endlich was...“, versuchte ich dann mit tonloser Stimme. Sie zögerte. An ihren Augen konnte ich erkennen wie ihre Gedanken im Kopf rasten. Sie schien sehr mit sich selbst zu ringen. Langsam begann ich zu bereuen etwas gesagt zu haben. Das hatte einfach nicht gut gehen können. Warum war ich nur so naiv gewesen? In den letzten Tagen hatten sich die Ereignisse so gehäuft. Angefangen bei Kahs Erklärung, das Alex auch auf Mädchen stand. Dann die schreckliche Erkenntnis, das Gina sich selbst wehgetan hatte, weil sie dachte sie könnte mit niemanden reden. Und dann auch noch Alex Geständnis mir gegenüber. Das war eindeutig zu viel für einen einzigen Menschen! Aus einem Impuls heraus schlug ich mit der Faust auf das Kissen, auf das ich eben noch die ganze Zeit gestarrt hatte. „Verdammt Gina! Ich kann nichts daran machen. Aber wenn du nichts für mich fühlst, dann will ich wenigstens das du glücklich wirst!“, brodelte es dann aus mir hervor. Plötzlich schien sie ihre Sprache wieder gefunden zu haben. „Vera... was soll das? Ach ist ja auch egal. Ich glaube...“, ruckartig drehte sie ihren Kopf von mir weg. „Ich glaube es ist besser wenn du jetzt gehst...“ Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte ich noch. Da ich aber sowieso nicht mehr still sitzen konnte sprang ich doch auf. Einen Augenblick glaubte ich, sie wollte mich doch noch zurück halten. Dann schien sie ihre Meinung jedoch wieder geändert zu haben. Sie verfolgte jede meiner Bewegungen mit einem endlos traurigen Blick. Es versetzte mir einen Stich im Herzen, das ausgerechnet ich ihr so weh getan hatte. Aber ich hatte doch nichts falsch gemacht. Es wäre gemeiner gewesen, hätte ich nichts gesagt, oder? „Gut! Ich gehe!“, sie wollte etwas sagen, aber ich ließ sie nicht zu Wort kommen. „Glaub aber nicht das ich nicht zurück komme. Das ist jetzt nicht also Drohung gemeint.“ Plötzlich verrauchten meine aufgebrachten Gefühle. Mit weicherer Stimme fuhr ich fort. „Du brauchst jetzt auf jeden Fall erst mal ein bisschen Zeit, um nachzudenken. Das kann ich gut verstehen.“ Bei diesen Worten erinnerte ich mich wieder ganz genau an Alex. Wahrscheinlich war es ihr genauso gegangen. Aber nicht nur Gina musste jetzt nachdenken, auch ich hatte es bitter nötig. Wobei ich wahrscheinlich schon wieder eine Dummheit beging. Vielleicht wäre es ja besser, wenn wir das heute ein für alle mal aus der Welt schafften? Dann würden wir uns wenigstens nicht mehr damit befassen brauchen. Aber in der selben Sekunde, in der ich das dachte, verwarf ich die Gedanken wieder. Wir würden noch einige Zeit daran zu knabbern haben. Das konnte man nicht einfach wieder ungeschehen machen. Ich schnappte meine Jacke und blickte noch einmal zu Gina herüber. Unverändert sah sie mich an. Sagte immer noch nichts. „Tschüss...“, sagte ich dann so leise, dass es nur noch als flüstern zu verstehen war. Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging aus der Tür hinaus. Leise schloss ich die Tür und lehnte mich von außen erst mal mit geschlossenen Augen dagegen. Wieder bemerkte ich wie mir die Tränen in die Augen schossen. Aber dieses mal war es mir egal. Ich ließ sie über meine heißen Wangen laufen und genoss den Wind, der sie dann kühlend trocknete. Ich wusste nicht mal warum ich weinte. Aber eigentlich war es ja auch egal. Ich raffte auf und ging los. Verbissen versuchte ich die Gedanken an Gina zu unterdrücken und jetzt nach vorn zu sehen. In meinem Kopf keimte schon wieder eine neue Idee auf. Und statt jetzt geradewegs nach Hause zu gehen, schlug ich den Weg zum Bahnhof ein. Wenn das Schicksal es nicht gut mit mir meinte, musste ich wenigstens dafür sorgen, das es sich für andere Leute drehte. Und einfach zu Hause sitzen, hätte ich jetzt auch nicht gekonnt. Gerade war der passende Zug eingefahren und ohne auf etwas anderes zu achten stieg ich ein. Ich setzte mich in einen freien vierer und wartete, dass sich der Zug in Richtung Stadt in Bewegung setzte. Ungeduldig auf meinem Platz sitzend, nahm ich die Umgebung nur verschwommen wahr. Überhaupt bemerkte ich kaum etwas. Ein wunder das ich nicht einfach sitzen geblieben war, als der Zug in dem gewünschten Bahnhof hielt. Rastlos setzte ich mich wieder in Bewegung und suchte mir einen Weg zwischen den dicht gedrängten Gebäuden, bis ich zur Fußgängerzone kam. Dort angekommen blieb ich abrupt stehen. Ich wusste gar nicht wo ich hin musste. Erst als mich ein gehetzter Passant anrempelte, ging ich langsam weiter. Plötzlich hatte ich eine Idee, aber ich musste mich beeilen, weil es sonst schon zu spät am Tag sein würde und ich dann bis zum nächsten Tag warten müsste. Das ich ja die Nummer in meinem Handy eingespeichert hatte, hatte ich ganz vergessen. Ich legte einen Zahn zu, um etwas mehr an den Rand der Fußgängerzone auf der anderen Seite zu kommen. Mein Weg führte mich durch schmale, dunkle Gassen. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich mich besser noch mehr beeilte, Emos waren hier um diese Zeit nicht besonders sicher. Und leider betrog mich mein Bauchgefühl nur selten. Das wurde mir heute wieder klar gemacht. Ich hatte auch immer so ein scheiß Glück. „Hey, wo willst du denn so spät noch hin?“, hörte ich eine Stimme hinter mir herrufen. Ich versuchte sie zu ignorieren und setzte stur meinen Weg fort. Aber in dem Bewusstsein, das mindestens zwei Personen, den Füßescharren nach zu urteilen, auf Schritt und Tritt folgten. Bleierne Angst bereitete sich in meiner Brust aus, aber ich hatte einfach keine Zeit mehr. „Bleib stehen!“ Der war lustig, als wenn ich springen würde, wenn der Hopp sagte! Ich hörte wie sich die Schritte hinter mir beschleunigten. Automatisch ging ich ebenfalls etwas schneller. „Bist du taub?“, kam dann wieder die Stimme hinter mir. Typisch, immer wenn man es am wenigsten brauchen konnte, waren solche Typen auf Krawall aus! Dabei war es in letzter Zeit doch gar nicht so schlimm gewesen. Von der puren Angst gepackt rannte ich los. Hinter mir wurden diverse Anweisungen gegeben, die ich nicht ganz verstand. Aber das war auch unwichtig. Wichtig war nur, dass ich hier wegkam. Und zwar so schnell wie möglich. Trotz allem hörte ich, das ich langsam eingeholt wurde. Zu allem Überfluss machte sich jetzt auch noch meine Unsportlichkeit wieder bemerkbar. Schwer atmend rannte ich weiter. Plötzlich merkte ich, das ich fast an meinem Ziel angekommen war. Nur aus diesem Grund, wagte ich einen Blick nach hinten. Da liefen drei Hopper hinter mir her. Einer davon sprang jetzt ab und versuchte mich zu fassen zu bekommen. Glücklicherweise streifte er nur meinen Ellebogen. In einem plötzlich Haken bog ich nach links in eine Gasse ab. Da war sie! Die Tür zu der ich musste. Und es brannte tatsächlich noch Licht! Gott steh mir bei. Ich holte noch einmal alles aus mir raus und sprintete zur Tür. Allerdings war es ein Geschäft, in dem man noch selbst die Tür öffnen musste. Als ich selbiges tun wollte, griff mir von hinten jemand grob an die Schulter. Die Tür ging nur einen schmalen breit auf, bevor ich endgültig umgedreht wurde. Ungewollte entfuhr mir ein Schrei. „Na bitte, warum nicht gleich so?“, ertönte die diabolische Stimme meines Gegenübers. Völlig außer Atem starrte ich ihn an. Die anderen beiden nahmen rechts und links Aufstellung von ihm. Ich schloss die Augen und betete das es nicht schlimm werden würde. „Lass mich los!“, stieß ich dann, mit festerer Stimme als ich zu hoffen gewagt hatte, hervor. Sein grinsen wurde nur noch breiter. Plötzlich öffnete sich die Tür in meinem Rücken. „Was soll das hier werden?“, fragte dann die Person, die in meinem Rücken stand. „Das geht Sie einen feuchten Scheiß-Dreck an!“, wurde er gleich angefahren. „Verschwindet und lasst das arme Mädchen los, ihr Feiglinge!“ „Das arme Mädchen will doch das es ihr dreckig geht, wir helfen ihr nur dabei!“ Schon wieder so ein bescheuertes Vorurteil. „Na los!“, erwiderte die Person in meinem Rücken unbeeindruckt. „Was willst du denn sonst tun, he?“, wurde er weiterprovoziert. Plötzlich klang die Stimme meines Retters sehr desinteressiert, dies minderte die Warnung jedoch kein bisschen. „Ich weiß nicht, vielleicht die Polizei rufen? Vor kurzem wart ihr noch in zwei andere Schlägereien verwickelt. Für die werdet ihr dann auch noch verantwortlich gemacht werden.“ Abrupt wurde ich los gelassen und das obwohl ich nie geglaubt hätte, das so eine Drohung wirken würde, vor allem weil derjenige in meinem Rücken anscheinend noch mehr hatte sagen wollen. Drohend sah mir der Hopper in die Augen und stieß gehässig ein paar Worte hervor. „Trau dich ja nie wieder in unser Revier, oder...“, er machte eine Geste die mit dem Daumen und zog ihn über seinen Hals. Danach verschwanden die Drei in der tiefe der Nacht. Endlich drehte ich mich um. „Danke!“, stieß ich überglücklich hervor. Der Besitzer des Gothik-ladens lächelte nur abwährend und hieß mir mit einer Geste in seinen Laden einzutreten. Dieser Einladung folgte ich unendlich erleichtert. „Dich kenn ich doch“, sagte er dann. „Du bist doch eine neue Freundin von Ricky. Was machst du denn hier, um die Zeit, ganz alleine?“, die besorgte Stimmlage machte mich ganz verlegen. „Gerade wegen ihm bin ich hier. Ich weiß leider gar nicht wo er wohnt und hatte gehofft du könntest es mir sagen. Ich muss unbedingt heute noch zu ihm!“ Er blickte auf seine Armbanduhr und runzelte die Stirn. Kapitel 19: Prunk und Pomp -------------------------- Kapitel 19: Prunk und Pomp „Es ist gleich schon 10 Uhr durch. Du kannst von Glück sagen das ich überhaupt noch hier bin, ich wollte eigentlich heute schon um neun schließen“, merkte er an. „Bitte. Es ist ganz dringend“, ein fast schon flehender Ton hatte sich in meine Stimme geschlichen. Ich schaute ihn an und machte ganz große Augen. Der Ladenbesitzer lachte auf. „Na dann. Aber ich bin nicht Schuld wenn er lieber ungestört sein wollte. Künstler eben. Die sind ab und an etwas zickig.“ Ich grinste über beide Ohren. „Keine Sorge. Ich halte dich da raus.“ Er räumte noch ein wenig an der Theke herum, während ich mich noch ein wenig umsah. Nach ein paar Minuten brach er das Schweigen. „Womit hat er eigentlich verdient, dass so hübsche Mädchen auf einmal hinter ihm her sind?“ „Hmm? Wie meinst du das?“, fragte ich und schaute von den Klamotten hoch. „Naja, wenn du ihn um diese Zeit noch sehr dringend sehen musst, dann muss er ja etwas sehr besonderes sein für dich... Also nicht das es mich etwas anginge“, endete er etwas verlegen. Ich spürte wie sich meine Wangen rot färbten. Was mir direkt noch angenehmer war und mich noch roter werden ließ. „Äh... nein. Es geht nicht um mich...“, stammelte ich dann. Er schaute in meine Richtung und brachte ein strahlend weißes Lächeln zu Stande. „Schon in Ordnung.“ Ich schwieg. Dann drehte er sich um, schloss die Kasse ab und ging zur Tür vorraus. „Kommst du? Ich will abschließen.“ „Ähm... klar.“ Der Schlüssel drehte sich im Schloss und wir gingen im Dunkeln zum Parkplatz, wo sein Auto stand. „Wow! Ein Mercedes SLK!“, stieß ich hervor, als er per Fernschloss das Auto öffnete. Er grinste nur und stieg ein. Nach kurzem Zögern setzte ich mich also auf die Beifahrerseite. „Gefällt er dir?“, fragte er dann. „Klar! Sag mal wie viel verdienst du eigentlich mit deinem Laden, dass du dir so einen Schatz leisten kannst?“ „Och... Man kommt schon ganz gut um die Runden. Du weißt doch wie teuer allein Richards Kleid ist“, erwiderte er. „Oh...“, war das einzige was ich hervorbrachte. Natürlich, das was nicht an die Designer ging oder für anderweitige Bestellungen verbraucht wurde, floss in seine eigene Tasche. „Ich glaub ich mach auch so `nen Laden auf“, beschloss ich dann. Wieder lachte er kurz auf. „Dann solltest du erst einmal Buchhaltung lernen, sonst musst du dir noch jemanden dafür einstellen... Dafür geht ne ganze Menge drauf.“ „Mal schauen...“ Ich schaltete den CD-Player an. Wie nicht anders zu erwarten tönte sofort Gothic-Musik daraus. Irgendeine Band die ich nicht kannte, trotzdem nicht übel. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Den Fuß im Takt der Musik mitwippend, wappnete ich mich für das was ich vorhatte. Obwohl ich wusste, das Ricky deswegen auf keinen Fall aufgebracht reagieren würde. Schließlich sollte er ja niemanden heiraten. Der Ladenbesitzer bog in eine kleinere Straße ab. Rechts und Links erhoben sich große Tore mit Vorgärten und jede Menge Villen. Staunend schaute ich auf die Häuser. Jetzt wusste ich auch wo Ricky seine bescheuerte Redensart her hatte. Das war echt nicht zu verachten. Vor einer vergitterten Hofeinfahrt hielt er an. „So da wären wir. Viel Glück wünsch ich.“ „Danke“, brachte ich immer noch staunend hervor. Ich stieg aus. Er winkte mir noch mal breit grinsend und fuhr dann wieder los. Da stand ich. Nicht einmal 1,65 groß, vor einem riesigen Tor zu einem noch größeren Vorgarten. Das plätschern eines Springbrunnens war zu hören. Ich schluckte hart und drückte auf den Klingelknopf. “Ja bitte?“, ertönte es über den Summer. „Äh... Ich bin Vera. Eine Freundin von Rick... Richard“, stammelte ich eingeschüchtert von der Umgebung. Ein Leises Knacken war zu hören, dann ein Summen. Ich stieß das Tor auf und verschloss es sofort wieder hinter mir. Über die große Einfahrt ging ich geradewegs auf die Tür zu, die sich in dem selben Moment öffnete. Ich ging ein paar Stufen hoch und bewunderte dabei die marmornen Büsten und Säulen am Rand. Für meinen Geschmack war das etwas zu prahlerisch. „Darf ich fragen, was sie zur so später Stunde noch mit dem Jungen Herrn besprechen wollen?“ Gegenüber diesem Anzugtragenden was-auch-immer kam ich mir ziemlich bescheuert vor mit meinen gestreiften Armstulpen und der Krawatte, sowie den ganzen Buttons. „Ähm... Das kann ich ihnen leider nicht erklären. Würden sie ihm bitte Bescheid sagen das ich da bin und etwas wichtiges mit ihm zu besprechen habe?“, während ich die Worte aussprach, hoffte ich das sie sich nicht zu unhöflich anhörten. Die Miene des Pinguins hatte sich merklich verdüstert. „Sehr wohl“ Er trat einen Schritt zurück, so das ich eintreten konnte und schloss dann hinter mir die Tür. Er führte mich in eine elegante Diele. „Bitte warten sie hier.“ Okay bei seiner Unhöflichkeit brauchte ich mich auf jeden Fall nicht für meinen Ton zu schämen. Ich schaute mich um. An den Wänden hingen einige riesige Bilder. Sogar eins von Monet war dabei. Für ihn hatte ich eine Schwäche. Natürlich kein echter. Ansonsten standen nur ein paar langweilige Vasen auf Sockeln herum. Alles war in einen Pastell-gelben bis Beigen Ton gehalten. Ich hatte mir weiß-gott-was von Rickys Haus vorgestellt. Aber das war einfach Atemberaubender Pomp. Ein Wunder das er nicht irgendein arroganter Schnösel geworden war. Als ich Schritte hörte, drehte ich mich wieder um und Blickte auf die Tür, durch die der Pinguin zuvor verschwunden war. Widererwarten stand Ricky und nicht der Pinguin in der Tür. „Also doch, Vera!“, sagte er dann mit einem erfreuten unterton. „Was treibt dich denn hierher? Oder warte, lass uns erst einmal rein gehen.“ Reingehen? Wie riesig sollte das denn noch sein? „Schön dich zu sehen“, sagte ich nur und tapste ihm dann hinterher. Er führte mich in einen kleinen Raum mit gemütlichen Sesseln und einem Kamin. An den Wänden standen große Bücherregale, die unter ihrer Last wohl bald zusammenbrechen mussten. Er ließ sich in einen der Rotgepolsterten Sessel fallen und deutete mit der Hand auf einen anderen, ihm gegenüber. Ich ließ mich darauf sinken, die Augen überall im Raum umherwandernd. Nach ein paar Augenblicken wurde mir wieder bewusst, wo ich eigentlich war. Schnell schaute ich wieder zu Ricky und bemerkte, dass er mich wohl beobachtet haben musste. Wieder schoss mir die Röte in die Wangen. Das brachte ihn nur zu einem Lächeln. „Gefällt es dir?“, fragte er dann ruhig. „Äh, klar! Ich liebe Bücher. Aber ganz ehrlich der Rest ist etwas übertrieben“, verlegen hielt ich inne. „Kein Problem. Ich würde es auch etwas weniger Pompös gestalten. Aber meine Eltern bestehen darauf.“ Beruhigt grinste ich. „Na dann.“ Immer noch musterte er mich, scheinbar amüsiert. Nach einem Moment der Stille fragte er dann, „Worum geht es denn, das so wichtig ist das unser Angestellter so entrüstet bei mir hereingeschneit ist und sich über ein freches Gör ausließ, das die Dreistigkeit besitzt den jungen Hausherren zu so später Stunde noch zu stören?“ Überrascht schaute ich ihn an und er lachte laut auf. „Äh...“, machte ich nur. „Schon gut. Ich hatte eh noch nicht vor schlafen zu gehen.“ Das wäre mir auch ziemlich egal gewesen. Das behielt ich jedoch für mich. „Okay, es geht um Gina.“ Dieses Mal war es an ihm mich überrascht anzusehen. „Naja,... du weißt doch von mir und wegen Gina und so...“, plapperte ich dann plötzlich darauf los. Wusste er überhaupt schon das ich in Gina verliebt war? Das war jetzt total peinlich, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. „Alex erwähnte es glaube ich mal. Hat sich irgendetwas ergeben?“, fragte er dann, scheinbar neugierig geworden. „Äh... ich hab es ihr heute gesagt...“,ich brach ab, weil ich nicht wusste ob ich meiner Stimme noch vertrauen konnte. „Oh,... das war bestimmt nicht einfach. Was hat sie gesagt?“ „Naja... sie war anscheinend nicht so begeistert davon. Sie hat mich rausgeschmissen. Naja nicht wirklich. Ich glaube sie braucht jetzt sowieso noch etwas Zeit um darüber nachzudenken. Und da hab ich gedacht es wäre besser wenn ich sie alleine ließe. Aber wahrscheinlich wird nichts aus uns beiden und...“ „Schon gut. Und wie kann ich dir jetzt helfen?“, seine Stimme klang sehr mitfühlend und als ich bemerkte das ich mich total in Rage geredet hatte lief ich wieder rot an. „Äh... deswegen war ich eigentlich gar nicht hier. Es geht mehr um dich und Alex... Also...“, ich brach ab. Ricky sagte nichts, schaute mich nur weiter verwirrt an. Ich holte noch einmal tief Luft und beschloss die Geschichte ganz von vorne zu beginnen. „Als Gina von ihren Großeltern zurück kam bemerkte ich, das sie sich selbst verletzt hatte. Sie sagte, sie hätte es getan, weil sie glaubte mit niemanden reden zu können. Und weil irgendwie alle jemanden hatte der sie liebt, aber sie nie ein solches Glück hätte, das ihr das keiner gönnen würde. Kurz darauf hab ich erfahren, das Alex überhaupt nicht auf Jungs steht und dass das zwischen euch zwei nur schau gewesen ist.“ In Rickys Augen stand deutliche Reue. Stumm nickte er, um mir zu zeigen, dass ich weiter reden sollte. „Gina weiß noch nicht, dass das alles gelogen war...“ „Und jetzt willst du, dass ich es doch mal mit ihr versuche?“, unterbrach er mich. Überrascht schaute ich auf. „Äh... nein. Ich dachte eigentlich nur daran, das es besser einer von euch beiden erklärt und ihr vielleicht klar macht, dass das gar nicht böse gemeint war.“ Ich machte eine kurze Pause. „Ich hab mir erlaubt etwas Schicksal zu spielen. Ich will ihr damit klar machen, das wenn schon nicht ich mit ihr glücklich werden kann, zumindest sie wieder glücklich sein soll“, fragend schaute ich Ricky an. Der Schwieg weiterhin. Ich starrte ins Feuer, während ich auf seine Antwort wartete und kaute auf meiner Unterlippe herum. „Schade dass Gina nicht schon so erkennt, was für eine klasse Freundin sie hat“, durchbrach er dann irgendwann die Stille. Ich schaute ihn wieder an. „Also, wirst du es versuchen?“ Er nickte. „Ja. Ich würde mich mein ganzes Leben lang selbst hassen, wenn ich diesen Fehler nicht wieder versuchen würde zu berichtigen. Es war eine blöde Idee. Es tut mir Leid.“ „Bei mir brauchst du dich nicht zu entschuldigen“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. „Doch, natürlich! Du musst geschockt gewesen sein, als du das rausgefunden hast, vor allem weil Gina es sich selbst nur schwerer gemacht hat.“ Er sprach mit fester Stimme. Ich wusste, dass er sich nicht ganz so ausdrücken konnte, wie er eigentlich wollte, weil er schließlich nur bescheuerte Floskeln als Entschuldigungen kannte. Aber diese Floskeln wirkten bei ihm so ehrlich, das mir fast die Tränen in die Augen stiegen. „Danke“, sagte ich mit belegter Stimme. Reumütig versuchte er mich aufmunternd anzulächeln. Da sah bei ihm echt zu komisch aus und ich konnte das Lachen einfach nicht zurück halten. Er schaute mich verwirrt an. „Ich erklär es dir später!“, presste ich dann zwischen dem Lachen hervor. Und er zuckte nur noch mit den Schultern. Kapitel 20: Eine verdammt lange Nacht ------------------------------------- Kapitel 20: Eine verdammt lange Nacht Nach einiger Zeit, die wir mit unwichtigem tratschen verbracht hatten, griff Ricky noch einmal das Thema auf. „Ich werde dann morgen mit Gina reden. Aber jetzt muss ich dich leider rauswerfen. Ich muss noch eine Kollektion fertig bekommen“, mit diesem Worten erhob er sich aus seinem Sessel. Ich schaute ihn nur an wie ein Auto und bewegte mich kein Stück aus meinem Schneidersitz heraus. Er blickte verwundert von oben her an. Ich starrte von unten zurück. „Was...?“, fragte er. „Du willst mich jetzt rausschmeißen, weil du mitten in der Nacht noch arbeiten willst, obwohl du eigentlich was viel wichtigeres richtig stellen müsstest?“, brauste ich auf. „Na hör mal, hast du vielleicht mal daran gedacht, dass Gina auch noch ein bisschen Schlaf braucht?“, fragte er dann. Perplex schaute ich auf die Uhr an der Wand. Schon viertel vor zwölf, ich hatte mich echt lange bei ihm aufgehalten. „Ach was, die kann jetzt sowieso nicht schlafen!“, meinte ich dann kurz angebunden und schaute auf den Boden, neben seine Füße. „Och Vera, selbst wenn, um die Zeit klingelt man nicht noch an irgendwelche Türen.“ „Es ist doch auch nicht irgendeine Tür“, brachte ich angesäuert hervor. Jetzt fing Ricky an zu lachen, ich dachte ich hör nicht richtig. „Was?“, ich wurde immer gereizter. „Du hörst dich schon wie ein kleines beleidigtes Kind an“, brachte er dann mit ein lieben Lächeln hervor. Mein Gott, er hatte recht. Ich war doch keine fünf Jahre mehr. „Bringt es denn wenigstens was?“, fragte ich dann, jetzt ebenfalls mit einem leichten Hauch eines Lächelns. Er zögerte kurz theatralisch. „Nein“, kam dann die kurz angebundene Antwort. Das hätte mich jetzt fast zum Explodieren gebracht. „Was treibst du eigentlich für Spielchen hier?!“, warf ich ihm dann and den Kopf. „Vera, so lange ist es jetzt auch nicht mehr bis morgen. Und jetzt möchte ich wirklich noch ein bisschen Arbeiten“, sagte er dann im Ton eines Vaters der sein kleines Kind zurechtweist. „Du musst mich eh noch nach Hause fahren, dann kannst du genauso gut bei Gina vorbei schauen“, brachte ich dann hervor. Verdutzt schaute er mich an. „Wie bist du denn hier her gekommen?“ Ich verdrehte die Augen, das war ihm ja echt früh aufgefallen und eigentlich war es ja auch egal. „Der Verkäufer des Goth-Ladens hat mich mitgenommen.“ „Ah so,...“ Eine Stille entstand, in der ich meinte das rattern seines Kopfes zu hören. Tatsächlich war das einzige Geräusch im Zimmer das knistern des Kaminfeuers. Ich starte in die Flammen und dachte an Gina. Wie sie mich angesehen hatte, als ihr klar wurde, das ich von ihr geredet hatte. Ich zuckte zusammen, Ricky wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum. Ich schaute zu ihm hoch. „Sorry, hattest du was gesagt?“, fragte ich dann, immer noch etwas abwesend. „Jaah...“, machte er, schien sich dann aber zu entscheiden nicht weiter auf mein weggetretenes verhalten einzugehen. „Es ist wohl besser, wenn du heute nacht hier bleibst. Du scheinst auch schon ziemlich Müde zu sein. Musst du noch irgendwen anrufen?“ Ich schüttelte den Kopf. Wen interessierte schon, ob ich eine Nacht von zu Hause wegblieb oder nicht? Und selbst, wenn es einem auffiel, war mir das heute auch egal. Schon eine halbe Stunde später lag ich in einem großzügigen Gästezimmer, dass der Pinguin noch schnell für mich vorbereitet hatte, und starrte an die Decke. Von draußen fiel das Mondlicht in das Zimmer. Schlafen konnte ich nicht. Irgendwie kam mir der komplette heutige Tag so unwirklich vor. Es konnte doch nicht erst ein paar Stunden her sein, das Gina und ich vor dem Fernseher gelegen hatten. Allein das Gespräch mit Ricky kam mir wie eine Ewigkeit vor. Noch unwirklicher erschien die Tatsache, das ich mich in seinem Haus befand. Ich hatte irgendwie nie daran gedacht einmal hier her zu kommen. Warum sollte ich auch? Ich drehte mich auf die Seite und starrte aus dem Fenster, ohne wirklich etwas zu sehen. Ich kringelte mich zusammen und plötzlich traten mir die Tränen in die Augen. Warum? Der Gedanke an Gina schmerzte einfach so. Alles in mir zog sich zusammen. Erst war es ein Stummes weinen gewesen, doch langsam bahnte sich die Schluchzer bahn. Urplötzlich schlug ein Welle der Verzweiflung über meinen Kopf zusammen. Ich umklammerte das Kopfkissen und drückte es vor mein Gesicht, damit kein Laut nach außen hin drang. Ich hatte eine verdammte Angst, das ich alles falsch gemacht hätte. Das ich Gina besser nie etwas von meinen Gefühlen preis gegeben hätte. Ich hätte ihr einfach nicht sagen sollen das ich mich auch für Mädchen interessierte. Ich hätte mir sie einfach aus dem Kopf schlagen sollen, ich wusste schließlich von Anfang an, dass ich keine Chance bei ihr hatte. Oder ich hätte ihr einfach einen anderen Namen nennen sollen. Oder... Die Schluchzer wurden immer abgehackter. Dann fühlte ich wie jemand meine Strähnen aus dem Gesicht, hinter mein Ohr strich. Ich drehte den Kopf minimal und versuchte zu erkennen, wer da neben dem Bett stand. Durch den Schleier aus Tränen konnte ich erst nichts sehen. Schließlich wurde mir klar, dass es eigentlich nur Ricky sein konnte, und ich drehte meinen Kopf wieder weg. Ich rollte mich noch mehr zusammen, wollte die Schluchzer unterdrücken damit er mich nicht weinen sieht. Dafür war es natürlich schon zu spät. Aber ich wollte es einfach nicht. Durch die ganze Heulerei konnte ich weder etwas hören, noch etwas sehen. Aber ich spürte, wie die Matratze ein Stück absank. Er hatte sich wohl auf die Kante gesetzt, oder so. Langsam schoben sich seine Arme um meine Taille herum und verschränkten sich dann erst vor meinem Bauch und drückten mich an ihn. Dann schob er seinen linken Arm etwas nach oben und begann meine Wange zu streicheln. Erst spürte ich seinen Atem in meinem Nacken, dann aber küsste er meinen Nacken, dabei unterbrach er nicht für eine Sekunde das Streicheln meiner Wange. Vor Schreck unterbrach ich kurz das weinen, nur um im nächsten Moment noch lauter loszuheulen. Ich drehte mich in seinen Armen herum und legte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Er streichelte sanft an meinen Armen entlang und küsste meine Augenlieder. Dann drückte er mich nur noch an sich und streichelte leicht meinen Rücken entlang. In der ganzen Zeit war ich immer ruhiger geworden und jetzt weinte ich nur noch stumm an seinem Hals. Sein Shirt musste mittlerweile völlig durchnässt sein. Die ganze Zeit über hatte er nichts gesagt. Als ich am nächsten morgen aufwachte war ich total von den Sonnenstrahlen, die ins Zimmer fielen irritiert. Hatte ich vergessen die Jalousie runter zu machen? Als ich mich umdrehte und Ricky neben mir entdeckte war ich noch mehr verwundert. Aber dann viel mir wieder alles ein und ich lief sofort rot an. Was musste Ricky denn jetzt denken? Ich zögerte. Ich wusste nicht so genau was ich tun sollte. Ich betrachtete Ricky und dachte nach. Ihn wecken? Oder lieber runter gehen? Aber da wäre dann dieser lästige Pinguin wieder. Bevor ich noch eine Entscheidung treffen konnte wurde mir diese jedoch schon abgenommen. Ricky blinzelte, als er dann so weit wach war, lächelte er schwach. „Morgen“, murmelte ich. Er stützte sich auf seinen Ellenbogen. „Morgen. Geht’s dir besser?“, fragte er dann ohne umschweife. „Ja...“, sofort legte sich wieder ein Rotschimmer auf meine Haut und ich wendete mein Gesicht ab. Nach einem kurzen Frühstück fuhren wir dann los. Die meiste Zeit über schwiegen wir. Dabei hörten wir dann Musik aus seinem CD-Player. Ein paar der Bands waren gar nicht mal übel. „Äh Ricky, du bist grad an Ginas Haus vorbei gefahren“, merkte ich irritiert an. „Ich weiß“, gab er nur zurück. „Aber...“ „Du hast mich gebeten das ich mit Gina rede, das werde ich auch machen. Aber ich werde dich zuerst nach Hause bringen.“ „Aber... Was soll der Scheiß? Ich komme mit!“, brach es aus mir heraus. „Nein“, kam es nur kurz und bestimmt von ihm. „Ricky... das kann jetzt nicht dein Ernst sein!“ „Hör zu Vera. Nach dem was du mir gestern erzählt hast, wird sie ganz und gar nicht begeistert sein, wenn du jetzt mit mir da aufkreuzt. Es ist besser wenn ich in Ruhe, alleine mit ihr rede.“ Es kotzte mich an, das er mit mir redete wie mein Vater es tat, wenn er seine ungezogene Tochter zurechtweisen musste. „Ich werde auch bestimmt nicht dazwischen reden. Bitte, lass mich mit kommen! Ihr zwei könnt mich doch einfach ignorieren.“ Mittlerweile waren wir an meinem Haus angekommen. Er hielt davor an der Straße und drehte sich zu mir um. „Vera...“ „Nein, versuch es gar nicht erst. Du kriegst mich nicht überredet!“, unterbrach ich ihn. „... ich mach das doch nicht um dich zu ärgern. Versuch dich doch mal in Gina rein zu versetzten“, er hatte einfach weiter geredet, als wenn ich nichts gesagt hätte. Jetzt schaute er mir in die Augen. Seltsamerweise schauten diese braunen Augen mich total traurig an. „Ich... äh aber...“, aus irgendeinem Grund hatte er mich jetzt total aus dem Konzept gebracht. Dann beugte er sich zu mir herüber. Wie hypnotisiert blieb ich still sitzen. Er zog meinen Kopf mit einer Hand zu sich. Und küsste mich dann auf die Stirn. Dann sah er mir wieder in die Augen. „Bitte“, sagte er dann so leise, dass es gerade nicht mehr als flüstern durchging. Total perplex stieg ich aus dem Auto. Er winkte mir noch einmal zu. Und im nächsten Moment konnte ich nur noch zusehen, wie der Wagen um die nächste Ecke bog. Kapitel 21: Insanity -------------------- Kapitel 21: Insanity Völlig perplex und sauer über meine eigene Blödheit schaute ich immer noch wie Hirntot auf die Ecke, wo das Auto schon lange verschwunden war. Als ich mich endlich entschlossen hatte ins Haus zu gehen, tauchte jedoch jemand anderes bekanntes an der selben Stelle auf. Ein schwarzer Roller mit farbigen Sternen darauf. Bei diesem Anblick verdrehte ich sofort die Augen. Die konnte ich jetzt wirklich nicht brauchen. Der Roller hielt etwa einen halben Meter vor mir und Alex nahm den Helm ab. „Woher wusstest du das ich kommen würde?“, fragte sie dann sichtlich verwirrt. „Wusste ich gar nicht“, war meine kurz angebundene Antwort. „Aber...? Na, ist ja egal. Hast du schon mit Gina geredet?“ „Ja...“, ein bitterer Ton schwang in meiner Stimme mit. Da kam mir plötzlich eine Idee. „Und, wie ist es gelaufen?“ „Spielt grad keine Rolle... Hast du noch einen Helm mit?“, fragte ich dann aufgeregt. „Äh,... klar. Aber...“, stammelte sie. „Keine Zeit für Erklärungen... Kannst du mich zu ihr fahren?“, mit jeder Sekunde wurde ich aufgeregter. Ricky hatte zwar gesagt, dass er mich nicht mitnehmen würde, dass hieß jedoch nicht, das ich nicht auch selber dorthin kommen konnte. „Ähm,... okay...“ Und schon setzte ich mir den Helm auf den Kopf und saß hinter Alex auf. Der Roller fuhr an und schon ging es mir besser. Nicht nur die Tatsache, dass ich gleich bei Gina sein würde machte mich glücklich. Ich hatte schon wieder völlig die Wirkung des Rollerfahrens auf mich vergessen. Es war zwar keine lange Fahrt gewesen, aber wieder hatte ich dieses Freiheitsgefühl gehabt. Aber jetzt musste ich erst mal an etwas anderes denken. Vor Ginas Haus angekommen, sprang ich sofort ab und ging auf die Tür zu, während ich den Helm wieder abnahm. Ich bemerkte, dass sich hinter mir Alex beeilte ihren Roller abzuschließen um mir hinterher zu eilen. Sie hatte direkt hinter Rickys Wagen geparkt. Ich klingelte. Die Zeit, die Ginas Mutter benötigte um an die Tür zu kommen, kam mir wie eine Ewigkeit vor. Sie öffnete und starrte verwundert zu mir. „Was ist denn auf einmal los? Warum wollen auf einmal alle zu Gina?“, fragte sie dann. „Ähm,... Sorry... Ich hab grad keine Zeit für Erklärungen... Ist Gina oben?“ „Ja, kommt rein“, seufzte sie nur resigniert und trat zurück. Ich stürmte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hoch. Alex hintendrein. Aber das kümmerte mich jetzt kein bisschen. Vor ihrer Zimmertür machte ich halt und atmete noch einmal tief durch. Dann klopfte ich an. Das tat ich sonst nie, aber jetzt hielt ich es für angebracht. Ich wartete jedoch nicht auf eine Antwort von drinnen, sondern stieß die Tür sofort auf. Gina saß mit angewinkelten Beinen auf ihrem Bett und lehnte an der Wand. Ricky saß verkehrt herum auf ihrem Schreibtischstuhl, so das er die Arme auf der Lehne ablegen konnte. Auf seinen Armen wiederum lag sein Kopf. Beide schauten sie Richtung Tür. Ricky verdrehte die Augen und Gina sah aus, als wollte sie jeden Moment losheulen. Ich schluckte. „Hi...“, sagte ich leise. Alex hinter mir hob nur leicht die Hand. Ein paar Sekunden verstrichen, in der die vollkommene Stille herrschte. Dann jedoch ergriff Gina das Wort. „Das ihr zwei euch überhaupt noch hierher traut!“, sagte sie aufgebracht. Also hatte Ricky ihr schon alles erzählt. Ich fragte mich jedoch, warum sie auch so sauer auf mich war. „Gina...“, setzte ich an. „Nichts Gina! Die einen spielen mir bewusst was vor und du bist auch keinen Deut besser! Du wusstest die ganze Zeit davon und hast mir kein Wort gesagt!“ „Ich wollte, dass sie es dir selbst erklären... Wenn ich das getan hätte, hättest du mir bestimmt nicht geglaubt. Ich konnte es ja selbst kaum glauben, dass Ricky sich auf so was einlässt.“ „Na toll, jetzt bin ich hier der Arsch oder was?“, warf Alex ein. „Beruhigt euch erst mal wieder, dann können wir alles ganz genau besprechen. Ich glaube das hilft im Moment allen weiter...“, versuchte Ricky das ganze zu schlichten. „Beruhigen?! Es gibt keinen der mich hier nicht verarscht und ich soll mich beruhigen? Du hast sie nicht mehr alle!“, stieß Gina hervor. Von der Heftigkeit der Worte getroffen zuckte Ricky sichtbar zusammen, aber er probierte es trotzdem weiter. „Es gibt doch sicher ganz einfache Erklärungen für das verhalten von jedem hier. Und keiner von uns ist perfekt, deshalb hat auch jeder irgendwelche Fehler gemacht.“ „Verdammt bin ich hier in der Kirche gelandet?“, warf Alex dann ein. „Du willst doch gar nicht, dass ich mich wieder mit Gina vertrage! Du bist so was von Egoistisch!“, warf ich ihr dann an den Kopf. „Was? Das ist doch totaler Blödsinn!“, erwiderte sie, aber ich hörte ihr kaum zu. „Ja klar! Du weißt, dass ich sie liebe, aber du liebst mich, hast du zumindest gesagt. Dir würde es doch jetzt erst recht in den Kram passen, wenn ich mich mit ihr zerstreite!“ „Bitte, Vera... Ich will doch auch nur das du glücklich bist...“, gab sie leise zurück. „Seid ihr eigentlich alle durchgedreht?“, kam es aus Ginas Ecke. Jetzt sprang sie jedoch auf und schaute Alex und mich nacheinander an. „Ihr benutzt das Wort liebe, als wäre es die Lösung von allem und würde euer Verhalten entschuldigen. Aber das tut es nicht! Liebe ist doch nicht der Allround-verzeih-Grund!“ Das hatte gesessen. Und ich verstand auch, was sie meinte. Ja, wir hatten uns alle kindisch verhalten und geglaubt, dass wir alles mit der Liebe hatten rechtfertigen können, die wir den jeweils anderen gegenüber empfunden hatten. Plötzlich kam ich mir vor wie der letzte Arsch. „Gina, ich habe nie erst versucht es dir recht zu machen. Du warst mir ziemlich egal gewesen. Aber ich habe respektiert, was Vera für dich übrig hatte. Ich wollte sie nicht traurig sehen, deswegen habe ich dir das mit Ricky vorgespielt. Es mag auch sein, dass das ziemlich dumm war. Ich hätte merken müssen, das Vera erst glücklich ist, wenn du es auch bist. Weil ich in der selben Lage war. Trotzdem, es geht mir eigentlich am Arsch vorbei, wie du dich fühlst! Du bist doch hier die Arroganteste und Egoistischste von allen! ...“, kam Alex jetzt richtig in fahrt. „Leute! Kommt mal wieder runter! Klar, das war jetzt für keinen hier einfach. Man kann es nie jedem recht machen. Vielleicht sollten wir alle noch mal ganz von Vorne anfangen...“, versuchte Ricky noch einmal alles zu schlichten. Aber keiner hörte ihm so richtig zu. „Ach, ich bin Egoistisch und Arrogant, ja? Überleg doch mal selber, wie das gewesen wäre, wenn Vera und ich vor dir die selbe Show abgezogen hätten!“, schrie Gina jetzt aufgebracht in die Runde. „Ist mir doch egal! Im Gegensatz zu dir überstehe ich auch mal kleine Rückschläge!“, gab sie zurück. „Hey! Streitet doch jetzt nicht noch über etwas, das gar nicht passiert ist! Wenn Gina und ich das wirklich gemacht hätten, dann wärst du doch auch glücklich gewesen Alex, weil du wüsstest das ich es auch gewesen wäre. Das führt doch jetzt zu gar nichts! Außerdem kaufe ich dir den ganzen Scheiß nicht mehr ab! Du schaust doch nicht nach links und rechts. Du musst immer alles bekommen, dass du willst. Und wenn es mal nicht ganz nach dir läuft, dann würdest du es dir sogar noch mit Gewalt holen, ganz egal wie sehr du damit irgendjemanden weh tust! Du hast nie gewollt das ich glücklich werde. Die einzige die für dich wichtig ist, bist du selbst!“, während des Redens war meine Stimme immer lauter geworden. Alex Miene hatte sich dabei immer weiter verdunkelt. „Vielleicht mag ich nicht immer nach dem kleinsten Rückschlag aufgeben, aber ich bin auch nicht so brutal wie du mich darstellst! Es ist wahr, ich wollte dir nicht weh tun...“, brach es verzweifelt aus ihr heraus. „Gib doch zu, dass du schon als du mich frei gegeben hast schon darauf gewettet hättest, das ich von Gina nur abgewiesen würde. Und du hast keinen Ton gesagt, weil du gedacht hast, ich würde dann zu dir gekrochen kommen.“ „Okay, ja das hab ich. Na und?“, schnappte sie. „Ich werde aber nicht zu dir angekrochen kommen. Das hatte ich nie vor! Ich kann mich doch nicht einfach von der einen auf die andere Sekunde umprogrammieren!“ „Wenn du mir vorhin gesagt hättest, was du hier willst, dann hätte ich dich warnen können. Wenn du es nämlich jetzt auf einmal mit mir probiert hättest, dann hättest du Gina immer noch sagen können, das alles ein Missverständnis war. Ich hätte damit eure Freundschaft gerettet! Aber das siehst du natürlich wieder nicht ein!“ „Was soll das! Ihr redet ja schon über mich, als wäre ich irgendeine bescheuerte Trophäe!“, rief Gina jetzt wieder. Ich zuckte zusammen. Alex hatte recht. Wenn ich nicht sofort irgendetwas unternahm, ging unsere Freundschaft den Bach runter. „Gina... Es tut mir alles so schrecklich Leid! Ich wünschte ich könnte das alles Rückgängig machen. Bitte...“, plötzlich brach ich in tränen aus und meine Stimme brach. Das war jetzt schon das zweitemal in 24 Stunden, dass ich hoffnungslos weinte. Dafür hasste ich mich. „Ach, du denkst mit einem einfachen Entschuldigung und kannst du mir verzeihen wird das alles wieder gut? Du bist echt noch naiver als ich geglaubt hatte!“ Diese Worte hatten eine vernichtende Wirkung auf mich und ich sank direkt auf dem Boden zusammen. Hemmungslos weinte ich jetzt und konnte nicht mehr richtig verstehen was gesagt wurde. Ich wusste nur, das Gina und Alex sich immer noch gegenseitig anschrieen und Rickys Schlichtungsversuche ignorierten. Nach einer Ewigkeit beruhigte ich mich dann endlich etwas. Ich bekam jedoch nur noch mit, das Alex sich auf dem Absatz umdrehte und verschwand. Verzweifelt blickte ich Gina an, während mir immer noch still Tränen über die Wangen liefen. Angewidert blickte sie auf mich runter. „Bitte, Gina... Ich wollte das alles nicht... Bitte“, meine Stimme kam nur noch als flüstern hervor. In ihrem Gesicht war keinerlei Veränderung zu erkennen. Mit dem selben harten Blick schaute sie mich immer noch an. Ricky legte seine Hand auf ihren Arm. Die Spannung im Raum breitete sich unerträglich aus. „Gina... nicht...“, flüsterte Ricky. Mit einem Ruck entzog sie ihm den Arm. Nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Blick von mir abgewendet. „Verschinde Vera. Geh mir aus den Augen!“, stieß sie dann hervor. Der Hass, der in ihrer Stimme mitschlug war fast schlimmer, als das was sie gesagt hatte. Vor den Kopf gestoßen blieb ich sitzen, ich bewegte mich keinen Millimeter. „Na los!“ „Gina... bitte... ich...“, stammelte ich. „Ich kann einfach nicht mehr. Mach das du weg kommst!“, zum ersten mal spiegelte sich jetzt auch bei ihr der Schmerz wieder. War aber so schnell wieder verschwunden, dass ich mir gar nicht so sicher war, ob er wirklich da gewesen war. „Gina...“, brachte ich noch ein mal tonlos hervor. Doch sie zeigte Stur auf die Tür. Schließlich erhob ich mich. Zögernd stand ich vor ihr. Als sich an ihrer Haltung nichts änderte, ließ ich den Kopf hängen und drehte mich um. Ganz langsam ging ich die Treppe runter. Gerade als ich an die Haustür kam, kam auch Ricky die Treppe herunter. Ich blickte jedoch nicht auf. Ich spürte das er seine Hand auf meine Schulter legte. Schweigend gingen wir nach draußen. Vor seinem Auto blieben wir stehen. „Na komm, ich bring dich nach Hause.“ Ich nickte nur. Eigentlich wollte ich jetzt gar nicht nach Hause. Aber wo sollte ich sonst schon hingehen? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Soo das wars jetzt leider... Das heißt eventuell ringe ich mich noch dazu durch einen Epilog zu schreiben...^^ Ich glaub ich werd meine Charas vermissen...^^' Aber die nächste FF ist schon geplant... falls irgendjemand benachrichtigt werden möchte, wenn das erste Kapitel online ist, lasst es mich wissen. So und jetzt noch ein ganz dickes DANKE für alle die die FF gelesen haben!!! Ich hätte nicht gedacht das meine erste längere FF soviele leser findet... *keksedalass* *alledurchknuddel* *verbeug* *wink* Epilog: Dear Diary... --------------------- Epilog: Dear Diary... Dear Diary. Heute war ich wieder mal einkaufen, es war noch schlimmer als sonst. Die Vorbereitungen nehmen immer häufiger meinen Tagesablauf ein. Ich bin nur froh, wenn der Stress endlich ein Ende hat. Aber der eigentliche Grund, warum es heute anders war. Beim einkaufen, als sonst, ist ein anderer. Gina ist wieder in der Stadt. Ich war gerade am überlegen welches Obst ich kaufen wollte, da stand sie am Kühlfach. Sie schien irgendwie meinen Blick zu spüren, denn plötzlich schaute sie auf. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinab und eine eisige Hand schloss sich um mein Herz, als sich unsere Blicke trafen. Als sie mich erkannte, verhärteten sich sofort ihre Züge. Es ist schrecklich, welche Wirkung sie selbst jetzt noch auf mich ausübt. Ich fühlte mich mit einemmal in die Zeit zurückversetzt, in der alles aus seinen Fugen geriet. Meine kleine, beschauliche Welt, die damals alles für mich war. Es zerriss mich fast, dass sie mich einfach so fortschickte. In der Schule begann sie sorgfältig mich zu ignorieren. Ich hatte sie nicht verlieren wollen, niemals! Selbst wenn sie mich nur als Freundin akzeptiert hätte, hätte ich das verstanden. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, etwas zu tun, was sie absolut nicht wollte. Mein Gott, selbst jetzt noch steigen mir die Tränen in die Augen. Irgendwann bin ich ja immerhin zu dem Schluss gekommen, dass es sogar okay war, wenn sie mich hasste. Aber Ignoranz? Hatte ich die wirklich verdient? Wir waren immerhin schon ewig beste Freunde gewesen. Das einzige was mich ein wenig tröstete, war dass sie sich scheinbar so weit im Griff hatte, und keine Dummheiten beging, schließlich hatte sie mir auch einmal erzählt, dass ich das wichtigste in ihren Leben war. Nur kam sie anscheinend nicht damit klar, dass sich mit der Zeit mehr aus der Freundschaft entwickelte, als sie gewollt hatte. Verdammt, hatte ich mir das ausgesucht? Wie mich das immer noch so wütend machen kann ist mir ein Rätsel, aber auch ziemlich egal... Leider wurde es mir ja auch nicht leichter gemacht. Schließlich hatte ich keinen Menschen mehr, dem ich wichtig genug gewesen wäre, um mir beizustehen. Dafür war Kah zu beschäftigt mit Elena gewesen. Als sie irgendwann gar nicht mehr auf mich reagierte stieg auch da ein Hass in mir auf. Nur gut, dass ich nicht auch noch sie getroffen habe, in diesem Laden. Macht sie nicht im Moment eine Tour mit diesem Zirkus durchs Land, der vor zwei Monaten hier war? Mandy hatte doch erzählt, die Seiltänzerin hätte es ihr so angetan. Typisch für sie, so ausgeflippte Sachen zu machen, wie einem Zirkus hinterher zu reisen. Das wird mal wieder nichts. Aber Hauptsache, ist, ich brauche sie nicht zu ertragen. Tja, aber da wäre damals noch Alex gewesen. Jaah, Alex... Schon zwei Tage nach diesem Zoff, kam sie wehleidig angekrochen. Klingelte an der Tür und schob mich ohne ein Wort hinein, als sie merkte, das ich alleine gewesen war. Und dann standen wir uns im Dämmerlicht der Flures gegenüber. Nur sie und ich. Sie schaute mich mit so unendlich traurigen Augen an. Ich weiß heute noch, dass sich bei diesem Anblick ein Kloß in meiner Kehle gebildet hatte und ich hart schluckte, ohne die geringste Verbesserung zu bewirken. Schließlich hatte ich es nicht mehr ausgehalten und zu Boden gesehen und Spinnenweben betrachtet. Meine Strähnen waren mir ins Gesicht gefallen und grenzen mein Sichtfeld, das sowieso schon von Tränen verschleiert war, noch weiter ein. Minutenlang hatten wir so da gestanden, bis ich endlich meine Stimme wieder fand. Doch als ich anfangen wollte, legte Alex mir den Finger auf die Lippen. „Bitte“, hatte sie gesagt. „Bitte lass mich aussprechen, nur dieses eine Mal.“ Das hatte sich in meinen Kopf gebrannt, wie die ganze Situation. Ich weiß es noch so genau, weil ich Angst hatte. Angst vor dem, was sie dann sagen würde. Aber mein schweigen während ich zögerte, fasste sie wohl als Zustimmung auf... Ich weiß nicht mehr, was genau sie gesagt hatte. Ich erinnere mich nur noch, dass sie sich gefühlte tausend mal entschuldigt hatte. Sie hatte gemeint ich hätte so recht gehabt... Recht womit? Aber es hatte keine rolle mehr für mich gespielt. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Und die war nun mal nicht zu ihren Gunsten gewesen. Ich hatte sie ausreden lassen, dabei nur halb zugehört und in die Ecke gestarrt. Lange hatte sie geredet, wobei ihre Stimme immer verzweifelter, schließlich endlos traurig geworden war. Als sie endlich fertig war, sah ich sie wieder an. Mit Tränen in den Augen, die ich aber krampfhaft zurückhielt. Sie sollte jetzt nicht sehen, wie schwer es mir fiel, sie so verzweifelt zu sehen. Sie hatte mir in die Augen geschaut und den bis dahin immer noch offen stehenden Mund zugeklappt. Bis plötzlich erkennen in ihren Augen aufblitzte. Stumm liefen plötzlich Tränen über ihr Gesicht und sie hatte sich umgedreht. Sie war noch einen kurzen Moment stehen geblieben und hatte aufgeschluchzt. In diesem Moment war meine letzte Willenskraft wie Glas zersprungen. Das konnte nicht sein. Die starke Alex weinte! Ich wollte sie in die Arme nehmen und trösten. Da drehte sie sich abrupt um, hauchte mir einen Kuss auf die Lippen und war im nächsten Augenblick aus der Tür verschwunden. Wie versteinert hatte ich dagestanden. Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum, so dass keiner wirklich zu fassen war. Eine Leere hatte sich in mir ausgebreitet. Und ich hatte einfach nur dagestanden und auf die Tür gestarrt. Erst als meine Eltern eine Stunde später nach Hause gekommen waren, kehrte die Wirklichkeit zurück und drohte mich in einer Welle mitzureißen. Ich war auf mein Zimmer gegangen und hatte versucht, nie wieder an irgendetwas zu denken oder etwas zu fühlen. Später wurde mir klar, dass ich in dem Augenblick, als Alex mir den Rücken zudrehte, ich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hätte, nur um sie noch einmal glücklich zu sehen und so in Erinnerung behalten zu können. Wäre sie auch nur zwei Sekunden länger geblieben, hätte es mit uns beiden völlig anders ausgehen können. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück. Es war zu spät. Manchmal bereue ich noch heute, das Alex nie erfuhr, was ich in diesem Moment gefühlt hatte. Ja, manchmal hatte ich mich gehasst, dass ich mich für Gina und nicht für sie entschieden hatte. Das einzige was mich davon Abhält, mich noch heute zu hassen, ist, dass ich weiß, das ich auch so glücklich werden kann, ohne die vielleicht größte Chance meines Lebens wahrgenommen zu haben. Was die Zukunft mir letztendlich bringt, weiß ich nicht. Manchmal tausche ich mich noch über solche Gedanken mit Ricky aus. Heute ist er ein geachteter Designer, endlich den Fängen seiner Eltern entflohen und kann sogar normal reden. Tiefsinnig ist er heute noch. Ich glaube er hatte schon sehr früh geahnt, wie das alles ausgehen würde. Aber jetzt wird er von einer unbändigen Energie angetrieben, die zweifellos durch die zweijährigen Zwillinge entfacht wurde. Er ist wohl der einzige Freund, der mir später noch erhalten blieb. Auch wenn ich ihn erst versucht hatte zu ignorieren, war er mir immer loyal. Dafür bin ich ihm immer noch Dankbar. Ich habe nicht vor jetzt noch lang über die Vergangenheit zu sinnieren, die mir nichts wirklich gutes zu bieten hatte. Mit dieser Niederschrift heute, werde ich sie versiegeln, wer weiß, vielleicht verbrenne ich ja dieses Buch... Nach sieben Jahren will ich endlich vergessen dürfen. Das einzige, was ich immer noch nicht verstehe, ist warum Gina ausgerechnet heute auftauchen musste. Fünf Tage vor meiner Hochzeit mit Sven. Sven, der nie etwas zu meinem damaligen Gefühlen zu ihr erfahren hat und nie erfahren wird, dass ich zu unserer Anfangszeit noch manchmal an Alex dachte und sehr vermisste. Die einzige Freundin, die mich so genommen hatte, wie ich wirklich war... Meine einzig wahre Freundin, die ich jemals hatte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die ganze Zeit über hatte ich schon einen Tagebucheintrag oder einen Brief in eine Geschichte einbauen wollen. Jetzt hat es endlich geklappt! Ich fand das jetzt sehr passend, weil Vera endlich mal richtig offen sein konnte und mit nichts hinterm Berg halten musste. Es tut mir für die Leid die sich so sehr einen "Happylog" gewünscht hatten, aber der hätte so nicht hingepasst... Der Epilog war die ganze Zeit über schon so geplant gewesen, das er ein paar Jahre später spielte... Ich hoffe ihr hattet trotzdem Spaß am Lesen und bleibt mir noch ein bisschen treu!^^ Danke das ihr bis zum bitteren Ende durchgehalten habt! *knuddel* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)