Mondzeiten von risuma (Eine Drachengeschichte) ================================================================================ Kapitel 58: Zusammentreffen --------------------------- Die Menge Teig, die Kisara gerade auf einen heißen Stein geben wollte, landete, samt Löffel, auf dem sandigen Waldboden. Erschrocken blickte die so angesprochene auf, direkt in graue Augen, die sie liebevoll musterten. „Yuri-chan.“, wiederholte Hiroshi. „Tut mir leid, ich hab euch viel zu lange allein gelassen. Kannst du mir verzeihen?“ Moka hatte geistesgegenwärtig die Schüssel mit dem Teig ihrer Mutter aus der Hand genommen, sonst wäre der restliche Teig sicherlich nicht auf den heißen Steinen, sondern ebenfalls auf dem Sandboden neben dem Feuer gelandet. Gemeinsam mit Ishizu beendete sie die Arbeit, die ihre Mutter begonnen hatte. „Ja.“, flüsterte Kisara mit Tränen in den Augen. „Aber jetzt bist du da.“ Stumm musterte sie das Gesicht ihres Ehemannes. Hiroshi kniete sich neben seine Frau, streifte mit den Fingern sanft die Tränen von ihren Wangen und nahm ihr Gesicht zärtlich zwischen seine Hände. „Jetzt bin ich wieder da.“, nickte der Schwarzhaarige, und küsste endlich den, ihm sehnsüchtig zugewandten, Mund seiner Frau. Hiroshi und Kisara blendeten alles aus, was um sie herum geschah, jetzt zählten nur noch sie beide – und ihre Liebe zu einander. Zwei Hände fuhren, sich immer wieder vergewissernd, über das Gesicht des Anderen, Fingerspitzen fuhren jede kleine Erhebung die sie fanden sacht nach – fanden zwei Narben, die ihnen noch unbekannt waren. Wieder fanden sich Lippen zu einem zärtlichen Kuss – ungläubig, diesen wirklich zu erleben... Langsam zog das Strahlen in die braunen Augen von Kisara ein – sie konnte ihr Glück noch nicht richtig fassen, doch schließlich hatte ihr Verstand begriffen, dass dies wirklich kein Traum, sondern Wirklichkeit war. Das Strahlen breitete sich von ihren Augen über ihr Gesicht aus und erfasste zum Schluss den ganzen Körper. „Moka, wir haben ihn endlich wieder.“, lachte sie und warf sich ihrem Mann in die Arme. „Ja, Mama, wir haben unseren Papa wieder.“, freute sich das schwarzhaarige Mädchen und warf sich ebenfalls ihren Eltern in die Arme. „Ich möchte ja ungern stören, aber deine Spezialität ist fertig.“, lächelte Ishizu. „Zeigst du uns, wie man sie richtig ist?“ „Oh ja, natürlich.“, antwortete die Jüngere verlegen und löste sich von ihrer Familie. „Moka, hilfst du mir?“ „Ja, Mama.“ Moka liebte diese Süßspeise, doch diesmal wurde sie zu einer besonderen Delikatesse. „Einen Moment.“ Flugs erhob sich das Mädchen, ging in sein Zelt und kam mit einer Schale dicker Milch zurück. „Wo hast du denn die Milch her?“, fragte ihre Mutter ziemlich neugierig. „Die hatte ich abgezweigt.“, gestand Moka errötend. „So, so, du kleines Schleckermäulchen.“, schmunzelte Kisara und wuschelte ihrer Tochter durch die Haare. Moka gab auf sechs große Blätter etwas von der dicken Milch und verteilte die Himbeeren gleichmäßig daneben. Danach verteilte sie die Blätter an alle Anwesenden, setzte sich neben ihren Vater, griff nach einem der Küchlein, stippte es in die Dickmilch, legte eine Himbeere darauf und steckte sich das ganze genüsslich in den Mund. Interessiert hatten alle der Schwarzhaarigen zugesehen und folgten ihrem Beispiel. Da sie ja erst durch Moka und ihrer Mutter Milch und Käse kennen gelernt hatten, war dies auch etwas vollkommen Neues für sie. „Das schmeckt ja einfach – mir fehlen die Worte dafür.“, meinte Ishizu anerkennend zu Seths Mutter und alle stimmten ihr zu. Bedächtig verspeisten alle die besondere Köstlichkeit und Kisara gab so manche Anekdote zu besten, die sich um dieses Essen rankte. Hiroshi zog lächelnd den Kopf ein, war er doch meist Bestandteil der kurzen lustigen Begebenheiten – und natürlich Seth, den alle Anwesenden ebenfalls sehr gut kannten. So war um das Feuer eine fröhliche Runde versammelt, und als das Feuer fast herunter gebrannt war, gingen die drei Kinder schlafen. „Für mich wird es jetzt auch langsam Zeit.“, meinte Ishizu einige Zeit später und gähnte ziemlich eindruckvoll. „Du bist mir nicht böse, wenn ich noch ein bisschen draußen bleibe.“, fragte Kisara und errötete dabei ein wenig. „Nein, eine alte Frau braucht ihren Schlaf.“, grinste die Ältere, erhob sich und ging zum Zelt. „Schlaft schön, ihr beiden.“, meinte sie noch und verschwand augenzwinkernd in ihrem Zelt. So plötzlich ganz alleine, saßen Kisara und Hiroshi ziemlich verlegen am herunterbrennenden Feuer. Noch spendete die Glut genügend Wärme... Um irgendetwas zu tun, erhob sich der Schwarzhaarige und holte aus dem Zelt eine Decke, die er fürsorglich um die Schultern seiner Frau legte. „Danke.“, dankbar lächelte seine Frau ihn an. „Gern geschehen.“, antwortete Hiroshi verlegen. Wieder saßen die zwei schweigend nebeneinander und hingen ihren Gedanken nach, während sie in die Glut schauten. „Möchtest du noch etwas Tee?“, erkundigte sich Seths Mutter nach einer Weile. „Es ist noch etwas kalter Tee da.“ „Wenn wir ihn über die Glut stellen, würde er noch einmal warm werden.“, schlug Hiroshi vor. „Keine schlechte Idee.“, nickte seine Frau zustimmend. „Und, wie ist es euch so ergangen?“, stellte der Schwarzhaarige zögernd seine Frage, als sie beide einen Becher mit warmen Tee in den Händen hatten, und blickte kurz zu seiner Frau, bevor sein Blick wieder dem Feuer zugewandt war. „Nicht sehr gut.“, begann die Braunhaarige mit einem tiefen Seufzer. „Nicht sofort – doch als unser Dorfvorsteher nach einer Krankheit im Winter starb, wurde es von Tag zu Tag schlimmer. Anfangs brauchten sie ja noch unsere Kühlhöhle, doch dann bauten sie sich selbst welche und hielten sich selbst Kühe, alles nur, um nichts mit uns zu tun zu haben. Die Halbwüchsigen vergriffen sich immer wieder an unseren Kühen... Moka hatte besonders unter ihnen zu leiden – und keiner gebot ihnen Einhalt.“ „Aber, warum seid ihr dann geblieben?“, wollte Hiroshi erschrocken wissen. „Ich wollte den Berichten von deinen Begleitern nicht glauben, dass du tot wärst. Außerdem wollten andere mir weismachen, du hättest uns wegen einer anderen Frau verlassen – je länger du fort warst, umso unterschiedlicher wurden die Geschichten, weshalb du aus der Hauptstadt nicht zurückgekehrt wärest. Wo solltet ihr uns denn finden, wenn wir das Dorf verlassen würden?“, antwortete Kisara bekümmert. „Ihr?“, erkundigte sich der Schwarzhaarige vorsichtig. „Du – und Seth, unser Sohn.“ Offen und beinahe trotzig blickte die Braunhaarige nun ihrem Mann ins Gesicht. „Du hast auf Seth gewartet?“ Erstaunt erwiderte Hiroshi den Blick seiner Frau. „Davon hab ich ja überhaupt nichts gewusst.“ „Immer schon, seit der Schock über sein Anderssein sich gelegt hatte.“ Immer noch war der Blick seiner Frau fest. Nachdenklich hielt Hiroshi dem Blick immer noch stand. „Und wie immer, hast du auch in diesem Punkt Recht gehabt.“, lächelte er einen Augenblick später. „Seth kam zurück und ich bin noch am Leben.“ „Ach, was.“, wehrte die Braunhaarige verlegen ab. „Und was hast du so gemacht?“, erkundigte sie sich einen Augenblick später. „Nun, zuerst bin ich verletzt im Gebirge aufgewacht, habe es irgendwie bis zu einer Hütte geschafft und wurde dort gesund gepflegt. Die Frau des Paares gab mir den Rat, nachdem feststand, dass ich ein geschickter Bogenmacher war, durch das Land zu reisen, und meine Dienste als wandernder Bogenmacher anzubieten. Vielleicht würde ich auf diese Art und Weise auf Menschen treffen, die mich kannten und mir sagen konnten, wer ich war und woher ich kam.“ „Das war ein weiser Ratschlag.“, lobte Kisara die fremde Frau. „Das ich ein guter Bogenmacher war, brachte mir allerdings nicht meine Erinnerung zurück, allerdings traf ich auf meinen Reisen auf Spuren von Seth – vielmehr auf einige seiner Kinder.“, erzählte Hiroshi weiter. „Seth hat Kinder?“ Diese Mitteilung versetzte nun allerdings Kisara in Erstaunen. „Etliche, wie es scheint.“, nickte ihr Ehemann. „Aber ich denke nicht, dass er es weiß – er wurde überall verjagt... Die Frauen und Mädchen liefen ihm zu begeistert hinterher, und die jungen Männer fanden stets sein Geheimnis heraus.“ „Aber, wie kommt es, dass du dich an Seth erinnern konntest, an uns aber nicht?“, wollte die Braunhaarige wissen. „Nicht gleich, das kam ganz langsam. Zuerst zogen mich nur Geschichten über Drachen an, und mit der Zeit fiel mir ein, dass ich einem blauäugigen Sohn auch solche Geschichten erzählt hatte. Also suchte ich nach einem Kind mit blauen Augen – und wusste gar nicht, dass dieses Kind bereits erwachsen war. Bis ich in ein Dorf kam, in dem mir ein junger Mann, ziemlich wütend, von einem jungen Mann mit blauen Augen erzählte, der seine Verlobte verführt hätte, die jetzt ein Kind von diesem Eindringling trug, der sich als ein Monster entpuppt hätte. Danach wusste ich über meinen Sohn wieder Bescheid – ich hatte einen erwachsenen Sohn, mit blauen Augen, der sich in einen Drachen verwandeln konnte. Ich ging von da an immer allen Gerüchten nach, die sich um dieses Monster drehten, und fand manches Kind, das mir ziemlich bekannt vorkam. Und so bin ich schließlich hier in diesem Wald gelandet...“, schloss Hiroshi die kurze Zusammenfassung seines Lebens, seit er sein Gedächtnis verloren hatte. „So war das also.“ Kisara schaute nachdenklich in das herunterbrennende Feuer, schweigend saßen Beide eine ganze Weile nebeneinander. Eine Frage spukte Beiden im Kopf herum... „Hast du...“, begann die Braunhaarige schüchtern. „Nein.“, antwortete der neben ihr sitzende Mann intuitiv. „Sicher?“ „Ganz sicher.“ „Und woher weißt du...?“ „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich es nicht durfte – an Gelegenheiten hätte es mir nicht gemangelt.“ Hiroshi drehte sich zu seiner Frau um und blickte ihr offen und fest ins Gesicht. „Ich habe in der ganzen Zeit bei keiner einzigen Frau gelegen. Ich konnte es einfach nicht.“ Eine sanfte Röte zog über das Gesicht von Seths Mutter und ließ sie im Schein des ausglühenden Feuers besonders schön aussehen. „Keine konnte es mit deiner Schönheit aufnehmen.“ Zärtlich betrachtete der Grauäugige das Gesicht vor ihm. Er konnte sich nicht daran satt sehen – und in diesem Moment wurde ihm schmerzlich bewusst, was er die ganze Zeit über vermisst hatte. Ohne es zu merken hob er seine Hand und streichelte sanft mit einem Finger über das Kinn. Kisara hielt ganz still und suchte den Blick der grauen Augen. Nein, da stand keine Lüge drin geschrieben – der Mann ihr gegenüber sprach die Wahrheit. Sehnsüchtig schmiegte sie sich in die Hand an ihrem Gesicht und löste keine Sekunde den Blick von den geliebten Augen. Der Abstand zwischen den Gesichtern verringerte sich immer mehr – Kisara schloss die Augen, als Hiroshis Lippen sich sanft auf ihre legten. Es wurde ein langer, sanfter, überaus zärtlicher Kuss. All ihre Liebe lag in diesem, und als sich schließlich ihre Lippen wieder voneinander lösten, wussten sie, dass die Zeit ihrer Einsamkeit endgültig vorbei war. Lange schauten sie sich in die Augen, es waren keine Worte zwischen ihnen nötig, sie genossen die stumme Zwiesprache, die sie hielten und als das Feuer ausgebrannt war, wurde es Zeit schlafen zu gehen. Der Schwarzhaarige hielt seiner Frau die Hand hin, um ihr aufzuhelfen und schaute sie unsicher an. Ein dankbarer Blick traf ihn aus den braunen Augen – Kisara ließ die Hand nicht los, die ihr aufgeholfen hatte, und folgte Hiroshi in sein Zelt. ~~~ Zwei Tage vor Neumond saßen Seth und Jono am See und Seth ließ sich den, von Jono gebratenen, Fisch schmecken. >Wie es wohl deiner Mutter und deiner Schwester wohl so geht?< sinnierte Jono. >Ob sie sich schon eingelebt haben?< „Ich weiß es nicht.“, meinte Seth mit vollem Mund. „Aber ich glaube schon. Moka war immer ein liebenswertes offenes Mädchen, sie wird sich mit Tea gewiss anfreunden. Und meine Mutter wird sich mit Ishizu bestimmt auch gut verstehen. Ishizu weiß so viel – sie wird ihr mit Sicherheit Löcher in den Bauch fragen.“ >Meinst du?< überlegte Jono skeptisch. „Doch, ganz sicher.“, nickte Seth. >Ob wir sie nicht mal besuchen sollten?< erkundigte sich nachdenklich der schwarze Drache. „Du hast Recht, das sollten wir wohl. Sie freuen sich sicher darüber.“, antwortete der Blauäugige. „Ob Kisaras Junge schon geschlüpft ist?“ >Lange kann es nicht mehr dauern.< überlegte Jono. >Wollen wir gleich morgen fliegen?< „Ja, warum nicht. Wir haben ja sonst nichts anderes vor.“, lächelte Seth. „Heute lohnt es sich nicht mehr wirklich.“ So war es denn beschlossene Sache, dass die Beiden am nächsten Morgen zu See fliegen würden. Nach einem reichlichen Frühstück, legte sich Seth seine Kleidung an und kletterte auf den Rücken des schwarzen Drachens. >Und, bereit?< erkundigte sich Jono lächelnd. „Ja.“, antwortete sein blauäugiger Gefährte. Mit kräftigen Flügelschlägen erhob sich der Drache in die Luft und flog Richtung Osten zum See, an dem die Anderen lagerten. Die Sonne stand noch lange nicht auf Mittag, als Jono zur Landung ansetzte. „JONO... SETH...“ Drei Kinder begrüßten erfreut die Besucher. „Ihr wisst ja...“ „Seth, weißt du...“ „Ihr habt...“, redeten alle Drei aufgeregt durcheinander. „Langsam, langsam.“, lächelte Seth die drei Kinder an. „Hallo, Ihr Drei... Ihr scheint uns ja ganz schön vermisst zu haben.“ Und wieder schienen alle drei gleichzeitig antworten zu wollen. „Laaang... saaam...“, bremste der Brünette sie erneut aus. „Es kann doch immer nur einer reden.“ Immer noch lächelnd blickte er die drei vor sich stehenden Kinder an. „Ich denke, Moka sollte beginnen.“, entschied er sich nach kurzer Betrachtung der Gesichter. Seine Schwester schien förmlich zu platzen... „Seth, weißt du wer hier ist? Hier bei uns am See?“, begann die Schwarzhaarige aufgeregt. „Nein.“, antwortete ihr Bruder lächelnd. „Aber ich bin sicher, du wirst es mir gewiss gleich sagen.“ „Papa ist hier.“ Die grauen Augen des Mädchens strahlten bei dieser Aussage. „Papa?“, fragte Seth zweifelnd nach. „Du meinst unseren Vater?“ „Ja, genau der. Ist das nicht toll?“, begeisterte sich Moka. „Aber... wie kommt er denn ausgerechnet HIER her?“, wollte ihr Bruder überrascht wissen. >Die Sterne haben dafür gesorgt.< antwortete an dieser Stelle Shisara, die gerade hinzugekommen war. Sie hatte die Präsenz von Seth und Jono wahrgenommen und war gekommen, sie zu begrüßen. >Die Sterne?< erkundigte sich der schwarze Drache erstaunt. >Wisst ihr denn nicht, dass die Sterne über jeden unserer Schritte wachen und sie lenken?< Das Drachenmädchen schüttelte über soviel Unwissenheit nur den Kopf. „Nein, das wusste ich nicht.“, antwortete Moka schnell, bevor ein Streit ausbrechen konnte. „Ich wollte gerade das gleiche fragen.“, nahm die Schwarzhaarige den Drachen in Schutz. >Ist ja gut.< gab sich Shisara versöhnt. So, wie es aussah, wussten die Menschenkinder längst noch nicht über alles Bescheid. Aufgeregt griff das schwarzhaarige Mädchen nach der Hand seines Bruders und zerrte ihn heftig in Richtung Lager. „Nun mal langsam.“, wehrte sich ihr Bruder. Seth wehrte sich aber nur halbherzig, er konnte seiner kleinen Schwester noch nie einen Wunsch abschlagen, doch darauf seinem Vater zu begegnen, war er ganz und gar nicht vorbereitet. „Und was wolltet ihr Beide uns erzählen?“, wandte sich der Blauäugige lächelnd an Yugi und Tea, die so plötzlich in den Hintergrund gerückt waren. Er wollte noch etwas Zeit gewinnen, um sich zu sammeln. Shisara grinste, als sie die Gedanken hörte, die Seth sich so machte... aber noch mehr grinste sie bei Jonos Gedanken... Nein, es würde alles bestens verlaufen... „Katsuya hat einen Kampf mit Gozaburo nur knapp überlebt.“, begann Yugi mit den Geschehnissen während ihrer Abwesenheit. „Ja, und Shizuka ist mit Ishizu hinterher geflogen, weil nur sie ihn richtig heilen konnte.“, ergänzte Tea. >Wie geht es dann Katsuya denn jetzt?< wollte Jono erschrocken wissen. >Es geht ihm wieder gut, er ist nur noch zu schwach, um her fliegen zu können.< antwortete Shisara ernst. >Und wie geht es deiner Mutter?< fragte Jono mitfühlend nach. >Jetzt wieder gut.< Erleichterung zeichnete sich auf dem Gesicht des Drachenmädchens ab. >Sie hat versucht es mir nicht zu zeigen, oder sagen, aber ich hab es trotzdem gewusst.< nickte Shisara ernst. >Doch für meinen Bruder hat sie sich zusammengerissen und ist geblieben.< Das weiße Drachenkind war stolz auf seine Mutter. „Ist dein Bruder denn schon geschlüpft?“, erkundigte sich Seth neugierig. >Nein, aber er bewegt sich schon ganz doll.< lächelte die Kleine glücklich. „Freust du dich schon auf deinen Bruder?“ >Ja, und wie.< nickte Shisara. >Und Yugi ist schon sein Freund.< „Wirklich?“ Seth wandte sich zu Yugi um und dieser wurde etwas rot. „Das ist doch schön.“, ermunterte ihn der Blauäugige. „Danke.“ Mehr war aus dem kleinen Jungen grad nicht heraus zu bekommen. „Wo bleiben denn die versprochenen Fische?“ Schritte näherten sich der kleinen Gruppe am See. Moka drehte sich schuldbewusst zu der Stimme um. „Papa.“ ~~~ Überrascht standen sich die beiden Männer gegenüber – dass die beiden Vater und Sohn waren, war nicht zu verkennen. Hiroshi war das ältere Spiegelbild von Seth, nur Haar- und Augenfarbe unterschieden sich. Seth schluckte - er war absolut nicht bereit, seinem Vater gegenüber zu treten... Die widersprüchlichsten Gefühle tobten durch seinen Körper... Seine Augen suchten im Blick seines Vater nach dem Ekel, der Abscheu und der Ablehnung – dem Blick, den er ihm zuletzt zugeworfen hatte, als er ihn als Sohn aberkannt, verstoßen und selbst aus dem Dorf gejagt hatte. Doch von alldem konnte Seth in den grauen Augen seines Gegenübers nichts erkennen, stattdessen fand er ihm Blick seines Vaters Unsicherheit, Angst und Beschämung. Aber auch Hiroshi war auf das Zusammentreffen mit seinem Sohn in keinster Weise vorbereitet. Er hatte ihn zwar gesucht, doch sich keine Gedanken darüber gemacht, WAS er zu ihm sagen wollte, wenn er ihm endlich gegenüberstand. Groß war er geworden, sein Sohn, ein richtiger Mann, er konnte verstehen, dass die Frauen alle wild auf ihn waren. Als er so jung war, liefen ihm auch alle Mädchen hinter her, doch er hatte immer nur Augen für eine gehabt – Kisara. Der Grauäugige war erstaunt, nichts von der Verachtung in den blauen Augen zu sehen, mit der insgeheim gerechnet hatte. „Hallo, Seth.“ Der Ältere musste räuspern, da ihm seine Stimme so gar nicht gehorchen wollte. „Hallo, Vater.“ antwortete abwartend der Blauäugige. „Ich...“ Hiroshi hatte keine Ahnung wie er beginnen sollte, verlegen knetete er seine Hände und schaute zu Boden. Die Anderen schauten dem Wiedersehen zwischen Vater und Sohn interessiert zu, nur Mokas Blick wanderte zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder ungeduldig hin und her. Worauf warteten die Beiden denn noch? Warum fielen sie sich nicht endlich in die Arme? „Es war unverzeihlich von mir, was ich getan habe, und ich kann von dir nicht erwarten, dass du mir verzeihst.“, begann der Grauäugige schließlich. „Doch ich bitte dich mir zu glauben, dass ich wirklich bereue, was ich dir damals angetan habe. Wenn ich könnte, würde ich alles ungeschehen machen, aber ich weiß, dass dies nicht geht.“ Langsam hob Hiroshi seinen Kopf und schaute seinen Sohn an. Er war bereit anzunehmen, was er zu sagen hatte, und zu akzeptieren, was er entschied. „Du hast Recht, es ist unverzeihlich.“, entgegnete Seth ernst. „Die Familie, und ganz besonders Eltern, sollten ihre Kinder beschützen, hinter ihnen stehen, und nicht ihnen in den Rücken fallen.“ Seths Gesicht verdunkelte sich, als er daran dachte, wie er, verwirrt, wie er war, aus dem Dorf gejagt wurde. „Niemand erklärte mir, was mit mir los war, aber alle hassten mich dafür. Nirgends fand ich ein Zuhause.“, sprach er verbittert weiter. „Das hab ich nicht gewollt.“, flüsterte sein Vater schuldbewusst. „Wie solltest du auch? Ich war ja von dem Tag an ganz allein auf mich gestellt.“ Alle schwiegen betroffen. „Aber ich will dir keine Vorwürfe machen, nicht mehr... Ihr wusstet es nicht besser, und selbst ich hätte in dieser Situation vielleicht ganz genauso gehandelt.“, lenkte der Blauäugige ein und lehnte sich Halt suchend an den schwarzen Drachen, den er plötzlich an seinem Rücken spüren konnte. „Ich kann es nicht vergessen – aber ich kann versuchen dir zu verzeihen.“ „Das ist mehr, als ich erwarten konnte.“, antwortete Hiroshi dankbar und streckte vorsichtig die Hand seinem Sohn entgegen. „Das ist alles was ich dir geben kann.“, nahm Seth die ausgestreckte Hand entgegen. „Wären wir uns nicht hier, sondern irgendwo anders begegnet, dann hätte ich dir noch nicht einmal dies geben können.“, fuhr der Brünette nachdenklich fort. „Erst seit ich hier bei Jono bin, können die Wunden in meinem Herzen heilen, doch Narben werden immer zurückbleiben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)