Beyblade Guardian - Staffel 1 von Rakushina (Love between a cursed Life) ================================================================================ Kapitel 23: Sündenböcke ----------------------- Zum Thema: Engelchen, Engelchen Ich hab das Internet nach den zwölf Schutzengeln mindestens ne Stunde lang durchforstet, um verschiedene Tabellen miteinander zu vergleichen. Auch wenn man sie hier nicht alle sieht, lernt man zumindest kurz Asmodel kennen. Er vertritt das Sternzeichen Stier und die Farbe dazu ist Rosa. Sacré´s und Tsubasa´s richtige Namen (siehe Charakterübersicht) werden hier auch mal genannt. Im Geheimen hatten sie diese Namen immer, doch kam ich nie dazu, sie einmal auftauchen zu lassen und gerieten in Vergessenheit. Aber Gott sei Dank hat die gute Rakushina überall steinalte Notizen rumfliegen. Die beiden werden nur von oberen Engeln bei ihren richtigen Namen angesprochen. Sie hören eigentlich auch nur noch auf diese, seit sie die mal von einem Wächter bekommen haben. Einen Engel Sariel gibt es wirklich, wenn man richtig im Internet sucht. Tsukael hab ich mir irgendwie zusammengepuzzelt. - Sündenböcke „Was machst du denn hier?“, fragte Kai verblüfft und sein Gesicht entgleiste ein wenig, als er mich klitschnass vor seiner Haustür fand. „Hallo.. Ich.. ich hoffe, ich stör dich nicht...“, sagte ich mit einem gestellten Lächeln um so ein Gefühl vorzutäuschen, das alles in Ordnung sei. Doch das war´s nicht... Megami war sauer gewesen, als sie uns alle am Strand gesehen hatte. Um genau zu sein, war sie wortwörtlich Rot vor Wut geworden. Ich dachte, ich müsste tot umfallen, um den zu entgehen zu können. Zwar tauchten ein paar andere Engel auf, mit demselben Rang wie Sacré, und zerrten uns weg, aber zumindest verschwand Megami wieder, worüber wir alle froh waren. Allerdings war jemand anders bei Miyako und Sato eingeflogen und hatte uns verpetzt. Ich kannte denjenigen net, ich wusste anfangs nicht einmal das Geschlecht. Das Gesicht war sehr feminin, der Körper aber der eines Mannes. Von den rosafarbenen Haaren ganz zu schweigen. „Wer ist das?“, flüsterte meine Mum zu meinen Onkel und versuchte dabei dem Unbekannten entgegen zu lächeln. „Ich hab keinen Schimmer“, flüsterte mein Onkel mit demselben gezwungenen Lächeln. Unser Gast hatte dies allerdings gehört und streckte uns allen freundlich die Hand entgegen. „Wenn ich mich vorstellen dürfte. Ich bin ein Mitglied des hohen Rates und Schutzengel des Sternzeichen Stiers, Cherubim Asmodel.“ „Bist du... ne Frau?“, fragte Teru vorsichtig. Das schöne Gesicht des Unbekannten verzog sich plötzlich vor Wut und packte meinen Cousin am Kragen. „ICH BIN EIN MANN!!! MANN, KAPISCHÈ!?!“ „Ja, ja, tut mir Leid“, stammelte der Orangehaarige, Ayako und ich versteckten uns eingeschüchtert hinter meinem Onkel. „“Ähm... Asmodel-sama ist wegen einer überaus wichtigen Angelegenheit hier, nicht war?“, sagte Miyako mit einem gezwungenen Lächeln und schob derweil Teru zur Seite, als dieser komische Kerl sich beruhigt hatte. Er sah meinte Tante an und grinste schließlich, als sei nie was gewesen. „Ja, in der Tat, Wasserwächter Miyako. Ich bin hier, wegen einer wichtigen Nachricht die die Umstände der letzten Tage erklären soll. Anscheinend haben eure Schutzengel Sariel und Tsukael, die ihr Sacré und Tsubasa nennt, diese Gelegenheit verpasst. Aber setzt euch lieber, das könnte etwas länger dauern.“ Verwundert tauchten Ayako und ich verwirrte Blicke aus, folgten dem Engel aber schließlich ins Wohnzimmer. Er selbst setzte sich auf die Couch von uns, als Rangniedrigste, trauten uns net wirklich sich neben ihn zu setzen und knieten alle auf dem Boden, um ihn aufmerksam zuzuhören. „Nun die Sache ist wie folgt. Nach der Weltmeisterschaft war vorbei, Biovolt vernichtet und daraufhin haben wir Engel fast allen die Erinnerungen genommen verändert. Die Frau, der ihr auf dem Flug begegnet seit war übrigens auch ein Cherubim. Barbiel, der Schutzengel des Skorpions. Allerdings hatten sich einige Dämonen eingemischt und unseren jüngsten Wächtern Früchte vom Baum der Erkenntnis untergejubelt. Fast auch wären die Bladebreakers in die Falle der Dämonen gelaufen, doch das hat ja Serenity erfolgreich verhindern können.“ „Na ja, hätte einer der Throne nicht überlebt und Sacré bescheidgesagt, hätte ich auch nix machen können“, sagte Mum bescheiden. „Du erzählst uns aber nichts Neues“, nörgelte Teru. „Das sind alles Dinge, die wir schon wissen. Wir wollen mal was Neues, zum Beispiel was das ganze Theater sollte.“ „Und wo ist Seiji?!“, rief Ayako neben mir auf. „Seit dem Flug von Russland nach Japan ist er spurlos verschwunden.“ „Wir haben ihn wieder zu seinem Vater nach Deutschland geschickt, mach dir darum keinen Kopf, Ayako“, erklärte Asmodel, doch Ayako schien nicht wirklich beruhigt. Sie setzte sich langsam wieder, nachdem sie zuvor aufgesprungen war, doch war sie ungewöhnlich blass im Gesicht gewesen. „Was deine Frage angeht, Teru... Das alle hatte einen guten Grund. Nach den Ereignissen in Russland, empfand es Megami-sama als überaus notwendig. Zu einem um diese Jungs aus der Schusslinie der Dämonen zu holen. Sie sind zwar alle miteinander niedere und sadistische Wesen, allerdings töten sie niemanden, der ihnen von größeren Nützen ist. Wir hatten vor, ihre Erinnerungen zu verändern und ihnen ihre Bitbeasts abzunehmen.“ „WIE BITTE?!!!?“, schrie ich laut auf. „WAS SOLL DER SCHEIß DENN!??! DIE BITBEASTS GEHÖREN DEN JUNGS!!! OH, IHR SEIT KEIN DEUT BESSER ALS BORIS!!!“ „Wir haben es ja nicht geschafft!“, antwortete der Rosahaarige schnippisch. „Warum weiß niemand, aber sie kamen nicht mit uns. Von ihnen hätte ich das net erwartet... Und ich finde, du solltest den Mund lieber nicht so weit aufreißen, Kisa.“ „Hey, wie und wie weit ich den Mund aufmachen, ist meine Sache!!“ „Kisa, bitte!“, flüsterte Mum, doch ich stieß ihre Hand weg, als ich sie auf meiner Schulter spürte. „Das du unsere Gesetze nicht respektierst, ist schon zu genüge bekannt. Doch ist es Heuchelei, wenn du mich beschimpfst, weil ich angeblich etwas unehrliches getan habe. Und was ist mit dir? Der Deal zwischen dir und Seraph Megami, unserer Königin war nur über die Weltmeisterschaft gültig. Du weißt das genau. Du durftest bei den Bladebreakers bleiben, auch als du aufgeflogen warst, schließlich waren eure Bitbeasts Hüter der obersten Himmelsphären. Aber nun existiert dieses Team nach Ende der Weltmeisterschaft nicht mehr. Und nach dem Dahinscheiden des Schutzpatrons Dramania besitzt du auch keinerlei Befugnis mehr dazu, überhaupt Kontakt mit diesen Jungs zu haben.“ „DAS SIND MEINE FREUNDE, DAS ALLEIN IS BEFUGNIS GENUG!!!“, schrie ich wieder und diesmal war es mein Onkel, der mich zurückhielt. Asmodel blieb unerwartet ruhig. „Freundschaft hin oder her, deine Anwesenheit ist eine Gefahr für sie. Damit haben nicht nur sie, sondern auch du selbst einen wunden Punkt. Und ohne Bitbeast bist du in diesem sogenannten Team doch nur ein Störfaktor. Und mit deinen Kräften, die noch nicht einmal voll entwickelt sind, bist du auch kein guter Beschützer.“ „DAS REICHT!!!“, brüllte ich laut und stieß dabei meinen Onkel weg. Ich sprang auf und rannte weg. „Ich muss mir von niemanden sagen lassen, dass nutzlos und unerwünscht wäre!!!“... „So war das...“, sagte Kai nachdenklich und warf mir ein Handtuch über den Kopf. Ich schwieg allerdings weiter, während ich auf Kai´s Bett saß. Sein Großvater war wegen diverser Gerichtsverfahren nicht im Hause. Also war es auch kein Weltuntergang wenn ich die Nacht über bleiben würde (auf Kai´s Vorschlag hin). „Warum bist du bloß immer störrisch?“ „Soll ich mir das etwa gefallen lassen? Kai, die Engel machen mit uns, was sie wollen und behandeln uns wie Müll. Und wen wir immer noch net hören, setzt Schläge und was weiß ich was.“ „Zum Beispiel ein kaputtes Auge?“, fragte Kai in einem leisen, aber unheimlichen Ton. Ich war innerlich schockiert und biss mir auf die Lippen. „Du weißt, dass Megami das war?“ „Nö, ich hab nur geraten. Aber nett, dass du mir dass so offen sagst.“ „Oh, du bist einfach...!!!“, knurrte ich, aber beruhigte mich augenblicklich wieder. „Nun, ein Auge einbüßen zu müssen, wenn man seine Pflicht nicht erfüllt, ist eine Standardstrafe. In der Vergangenheit is das wahrscheinlich noch mehr Wächtern passiert. Wenn man Hochverrat begeht, verliert man sogar beide Augen“, erzählte ich und führ mir dabei über die Haare, die über meinem kaputten Auge lagen. „Hat Serenity das auch? Sie trägt ja die Haare genauso wie du.“ „Mhmm. Weil sie Papa geheiratet hat. Verstehst du, warum ich die Engel net leiden kann? Das lass ich mir net mehr gefallen! Meinem Onkel haben sie einen Finger praktisch rausgerissen. Den kann er nie wieder benutzen. Und meine arme Tante muss sich die ganzen Schindereien gefallen lassen. Sie kommandieren sie rum wie ein Hausmädchen. Miyako war, als ich klein war überaus lebhaft und stürmisch. Megami hat sie total eingeschüchtert und sie fertig gemacht, wenn Teru und ich etwas angestellt haben.“ „Da seit ihr beide selber schuld“, unterbrach Kai mich. „Wenn ihr wisst, dass es nur Ärger gibt und euch so stört, solltet ihr nicht so kindisch sein und die Sache herausfordern.“ „Ich weiß, aber... Wir können net anders...“, seufzte ich und atmete einen Moment tief ein. „Wir... hatten ne blöde Erziehung. Weißt du, unsere Eltern sind alle bei Pflegeeltern groß geworden. Als sie von ihrer Herkunft erfuhren, waren sie schon aus der Schule. Die wissen net, wie es ist von klein auf mit solchen Dingen leben zu müssen. Als wir dann geboren wurden, waren sie anscheinend überfordert. Die Engel wollten, dass wir zu hilfsbereiten, aufopfernden Menschen werden, haben uns dazu erzogen, immer zuerst an andere zu denken und ihnen den Vortritt zu lassen und jede Art von Egoismus in Keim zu ersticken.“ Wieder schwieg ich kurz und sah zu Kai auf. Er sagte gar nix, schien mir aber aufmerksam zuzuhören. „Natürlich ging das nach hinten los! Man kann ein Kind net so erziehen. Teru und ich sind störrisch ohne Ende, wir wollen unseren Kopf durchsetzen, weil wir uns als Kinder immer zurückhalten mussten. Was wir nun in der Kindheit an Aufmerksamkeit und Egoismus verpasst haben, holen wir jetzt nach. Auch, wenn es nur ärger bringt. Wir wollen nur »richtig leben«. Ayako is da anders, sie ist ZU gutmütig geworden. Sie sieht da keine Grenzen und lässt sich ausnutzen. Aber man kann es sehn wie man will... Wir sind alle verkorkst.“ „Du kennst dich gut aus“, meinte Kai, was mich etwas stolz machte. „Nun, meine Tante hat mal en Jahr Psychologie studiert und weil sie halt noch die Bücher hatte, hab ich sie mir mal in nem Moment der Langeweile durchgelesen. Ich weiß, klingt verrückt.“ „Ach, bei jemanden wie dir wundert mich das nicht.“ „So jemanden wie ich...?“, wiederholte ich misstraurig und hob eine Augenbraue hoch. Ich wartete auf ne weitere, abfällige Bemerkung, doch Kai strich mir erst nur durchs Haar. „Mit dir ist es nie langweilig. Du bist zwar etwas nervig und ziehst jede erdenkliche Katastrophe an. Aber... Es stört mich net. Im Gegenteil, ich finde es sogar amüsant.“ „Hast du... dich deswegen in mich verliebt?", fragte ich etwas vorsichtig uns starrte ihn erwartungsvoll an. Kai antwortete aber nicht gleich und eine so lag erst eine peinliche Stille im Raum. „Vielleicht... Ich weiß net, warum ich mich gerade in dich verliebt habe. Ich hatte einfach das Gefühl, mit dir auf einer Wellenlänge zu sein, auch wenn unser Charakter vollkommen gegensätzlich ist. Tyson und die anderen sehn mich als ne Art Vorbild, weiß der Teufel wieso.“ „Sie halten dich für cool und unfehlbar, besonders Tyson schätzt dich sehr. Er hat mal zu mir gesagt, dass er gern etwas mehr wie du wär“, erzählte ich und strahlte Kai an. „Und dass sie dich auf die Schippe nehmen, ist nur ein Zeichen ihrer Zuneigung zu dir. Du weißt doch, man ärgert doch immer gern die, die man lieb hat.“ „Hast du mir deswegen Wörter wie »Morgenlatte« an den Kopf geworfen, als wir klein waren?“ „Erinnere mich net daran“, sagte ich beschämt. „Ich war en dummes Kind, dass sich alles abgeguckt hat, was Mum´s tolle Freunde gesagt und gemacht haben.“ Mum hatte eben ne wilde Jugend hinter sich, die mit Schwänzerei, Schlägereien und Alkohol verbunden war. Sie hatte sich zwar geändert, nachdem sie Papa kennen gelernt hatte, aber diese Möchtegernrocker, die nun mal Mum´s Familie waren, kamen immer wieder gern zu Besuch. Ich hatte net wirklich Angst vor ihnen, sie waren immer nett zu mir und haben mir gezeigt, wie man jemanden ohne viel Mühe beim Armdrücken schlägt und wie man flucht wie en Matrose. Papa bekam jedes Mal nen Nervenzusammenbruch. Müde ließ ich mich auf Kai´s Bett fallen und schlug mir das Kissen über den Kopf. „Mann, Mann, Mann, was für en ätzender Tag.“ „Dann schlaf etwas, dann is dieser Tag auch schnell wieder vergessen“, sagte Kai zu mir und setzte sich neben mich. „Ist es denn in Ordnung, wenn ich in deinem Bett schlafe?“ „Sicher. Wird vielleicht etwas eng zu zweit...“ „WIE!? W-WIR BEIDE?!! IN EINEM BETT?!?!“ „Was hast du denn gedacht?“, fragte er und ich versteckte augenblicklich mein puderrotes Gesicht vor ihm. „A-Aber noch nie bei einem Jungen im Bett geschlafen. Selbst bei meinem Vater hab ich selten im Bett geschlafen.“ „Willst du lieber auf dem Boden schlafen?“, fragte Kai, aber ich schüttelte hastig mit den Kopf. „Dann stell dich nicht so an. Ich bin ja kein Fremder.“ „Gerade deswegen...“, stammelte ich und versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken, als Kai sich neben mir nieder ließ. Erst einige Minuten später legte ich neben ihn, auch wenn ich das Kissen eng an mich gedrückt hatte. Ich legte mich schließlich zu Seite und sah Kai an. Er hatte die Augen zwar geschlossen, schlief aber net, dass sah man ihn an. „Kai...?“ „Hm?“ „Danke.“ „Keine Thema... Aber wofür überhaupt?“ „Ach, nur so“, kicherte ich. „Ich hatte das Gefühl, als ob ich es dir sagen müsste.“ Kai schwieg, doch ich spürte seiner Finger auf meiner Hand. Ebenfalls schweigend kam ich ihm entgegen und hielt seine. Auch wenn wir erst um zwei Uhr eingeschlafen waren, war ich um kurz vor sechs wieder wach gewesen. Es half nix, ich konnte bei anderen Leuten einfach nicht richtig schlafen. Verschlafen richtete ich mich auf und ich wurde wütend, als ich sah wie tief und gut Kai noch schlief. „Ahr, das bringt eh nichts... Ich brauch Kaffee...“ Eine andere Wahl hatte ich net. Schlafen würde ich so oder so nicht mehr, da konnte ich zumindest versuchen richtig wach zu werden. Allerdings hätte ich vorher nach der Küche fragen sollen. Dieses Haus (Nein, Villa wär der bessere Ausdruck gewesen) war genauso groß wie verwirrend, für mich sah alles gleich aus und zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich, wie sich meine arme Tante manchmal fühlen musste. Und genial wie ich war fand ich natürlich auch nicht mehr den Weg zurück. Kai hatte Recht, ich war wirklich en Katastrophenmagnet. Doch ging ich einfach weiter und spänte in jedes Zimmer, an dem ich vorbei kam. Nach zehn Minuten dachte ich, wieder Kai´s Zimmer gefundne zu haben, doch war dies auch ne Niete. Und nachdem ich ein paar Schritte gegangen war, blieb ich wie erstarrt stehn. Das konnte net sein... Panisch ging ich wieder zurück um durch den Türspalt zu spänen um genauer hinzusehen. Und mir lief es eiskalt den Rücken runter, als ich Voltaire sah. Sofort sprang ich zur Seite und fing an zu zittern. Kai hatte doch gesagt, er käm erst in ner Woche wieder. Was machte er also hier? Und wohlmöglich hatte er mich schon bemerkt. Ich machte mir Sorgen und zerbrach mir den Kopf, doch die Zeit verging und nix geschah. Neugierig spänte ich wieder in den Raum. Voltaire saß immer noch an dem Schriebtisch, der am Ende des Zimmers stand... und PENNT?! „Nee jetzt, oder?!“, sagte ich leise vor entsetzen. Aber wirklich, er schlief, mit beiden Armen auf den Tisch, die seinen Kopf stützten. Wie länger ich dieses Bild vor meinen Augen sah, um so unwahrscheinlicher wirkte es. Noch einige Augenblicke stand ich vor der Tür, bis ich endlich den Gedanken fasste, heimlich zu verschwinden, bis mir etwas ins Augen fiel. Lauter Akten lagen wild auf den Tisch verteilt. Vielleicht... vielleicht auch welche, die etwas über die Gerichtsverhandlung aussagten? Vielleicht würde ich ja rauskriegen, wieso er nicht verhaftet wurde. Vorsichtig öffnete ich die Tür und ging auf zehnspitzen durch das Zimmer. Ich musste lebensmüde sein, anders konnte man sich das nicht erklären. Ich konnte mir doch denken, was geschah, wenn der mich bemerken würde. Im Raum hing noch ein Spiegel, aber dieser war komplett zerschlagen. Willkürlich fiel mein Blick auf Voltaire´s rechte Hand, die verbunden war (wahrscheinlich eigenhändig, denn es sah nicht sehr ordentlich aus). Anscheinend hatte er ihn mit bloßer Faust zerschlagen. Aber wieso? Plötzlich knallte ich mit meinem Fuß gegen etwas, es schepperte laut und das herz rutschte mir in die Beine. Doch Voltaire wachte nicht auf und ich fasste den Mut runter zu schauen. Ich war gegen einen der Kartons gelaufen, die vereinzelt im Raum lagen und neugierig wie ich war, ging ich langsam in die Knie um zu sehn, was da alles drin war. Als erstes entdeckte ich einen Brief, der zwischen ein paar Schaltplatten steckte und zog ihn heraus. Ich betrachtete den Brief, bis ich auf der Rückseite in Druckschrift »Felizia« lesen konnte. Einen Moment überlegte ich, wo ich diesen Namen schon einmal gelesen hatte, bis mir wieder die Frau vor Augen trat, deren Gestalt das leibhaftige Böse annahm, als er Voltaire in Russland gegenüber stand. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Voltaire immer noch schlief faltete ich den Brief noch einmal in der Mitte und steckte ihn in die Hosentasche. Dann sah ich mir die Schaltplatten an. Ich kannte mich mit der Musik von damals net wirklich aus, aber Namen wie Bill Haley und Johnny Horten sagten mir was (mein Musiklehrer war begeistert von solchen alten Klassikern und textete uns immer wieder damit zu). Alles Rock´n Roll der 50er, ich fand sogar ein altes Kinoposter vom dem Film »Vertigo«, meines Wissens ein Hitchcock-Film... Irgendwie lustig, dass Voltaire auf so was stand. Das traute man ihm gar net zu. Ich zumindest nicht. Ich schlich mich wieder näher zu ihm heran und versuchte einen Blick auf die Unterlagen zu werfen. Nur störte mich die Entfernung und so dicht neben diesem Mann geheime Dokumente zu lesen, war mir zu riskant. Also musste ich versuchen, sie mir zu schnappen und dann zu verschwinden. Vorsichtig trat ich näher ran und streckte die Hand nach der Mappe aus, aus der ein paar Blätter hingen. Ich hatte sie fast, dann führ ich plötzlich zusammen. Die Nadel des Plattenspielers war verrutscht und es war leise Musik zu hören. Da die Melodie sich anfangs verzog, erschrak ich doch dann erkannte ich die Melodie. »A Summer Place« hieß das Lied, ich hatte es mehrmals in dem Film »Stephen Kings Rose Red« gehört. Eine schöne, fröhliche Melodie... Nie hätte ich gedacht, dass gerade Voltaire so was hören würde. Das war etwas zu extravagant für meine Vorstellung und passte so gar net zu den anderen Schaltplatten. Ich hörte der Melodie ne Weile zu, dann sah ich wieder zum Schreibtisch und streckte meine Hand aus. Sie zitterte heftig und es viel mir schwer, die Mappe zu ergreifen, da sich meine Finger verkrampft hatten. Mit einem Ruck zog ich sie vom Schreibtisch und rannte aus dem Raum. Zwar verlor ich ein paar Blätter auf dem Weg, aber dass war mir in diesem Moment egal. Hastig rannte ich um die Ecke und ließ mich schließlich auf den Boden sinken. Hätte auch schief gehn können... Aber er hatte mich nicht bemerkt. Und nun konnte ich der ganzen Sache auf den Grund gehn. Die Papiere fielen mir praktisch in die Hände und mit einem Blick versuchte ich die wichtigsten Worte aus den Sätzen zu filtern, um so schneller ne Antwort zu finden. Irgendwann fand ich ein Schreiben, dass vom Gerichtshof selbst verfasst wurde. Und wieder las ich mir im Schnelldurchlauf die Absätze durch. „Und gilt daher als nicht vollurteilsfähig aufgrund... Hö? Was? Das glaub ich jetzt net...“, sagte ich überrascht und starrte das besagte Blatt, mit besagten Wort, dass mich dazu brachte. Voltaire... Er litt an Schizophrenie! Ich las den Absatz immer und immer wieder, um schließlich festzustellen, dass ich mich wirklich nicht verlesen hatte. Ich wollte es dennoch net glauben. Mittlerweile kannte ich Voltaire gut und ich wettete, er hatte das erfunden. Doch irgendwo in dem Haufen Blätter fand ich noch einige Atteste von Ärzten und Psychiatern, die alles bestätigt hatten. Entweder hatte Voltaire diese Leute bestochen... Oder es war wahr... „Das glaub ich jetzt einfach net, was ich hier lese...“ „Hattest du wenigstens Spaß beim Lesen?“, hörte ich Voltaire´s Stimme hinter mir sagen. Ich hielt den Atem an. Ich hatte Angst, als ich seinen wütenden Ton gehört hatte und traute mich nicht über meine Schultern zu schauen. Schließlich tat ich es doch und erstarrte regelrecht, als ich in das Gesicht dieses Mannes sah. Ja.. Ich hatte Angst von Voltaire. Wahnsinnige Angst, Panik wenn ich ihn sah. Zum einem, da ich nicht wusste, was für eine Rolle er in der ganzen Sache spielte... Und ich seinen Hass, das Dunkle in ihm regelrecht fühlen konnte. „Tu.. T-Tut mi-ir Leid…", stammelte ich, richtete mich dabei wieder auf. Meine Hände zitterten – was sag ich, mein ganzer Körper zitterte - als ich ihm die Akte reichte und er sie mir schließlich aus den Händen riss. „I.. Ich wollte wirklich nicht schnüffeln... N.. Nur d-dachte ich, Sie kommen erst i-in ein paar Tagen und...“ „Und nur weil ich nicht anwesend bin, nimmst du einfach die Frechheit in meinen Privaträumen rumzuschleichen!?“ „Nein, Nein, dass wollte ich net sagen“, meinte ich hektisch, bekam aber einfach nichts mehr raus, da mir Voltaire sofort wieder ins Wort fiel. „Dein Großvater hatte auch diese schreckliche Eigenschaft... Er hatte sich auch immer in Dinge eingemischt, die ihn nichts angingen... Und nun liegt er tot in seinem Grab in London, zwei Meter tief in nasser Erde.“ „Woher... Woher wollen Sie das wissen?“, fragte ich noch verängstigter, wenn auch deutlicher und trat einen Schritt zurück und es geschah etwas, das mir noch mehr Angst machte. Voltaire lächelte und es war eisig. „Was denkst du wohl? Ich bin schließlich der Grund, weshalb er und seine Frau überhaupt tot sind...“ Okay, das war zu viel für mich. Noch nie hatte mich so viel Angst auf einmal überkommen. Die Atemluft blieb mir aus und ein kalter Schauer lief mir den Rücken runter. Ich wollte nur weg. Weg vor IHM! Ich rannte weg. Ich rannte vor jemanden davon! Aus Angst! Nie hatte ich das getan. Vor Dämonen bin ich davongerannt, doch hatte ich nie solch eine Todesangst gespürt. Aber er war mir einfach nur unheimlich gewesen. Seine Ausstrahlung hatte einfach etwas Erdrückendes gehabt. Also rannte ich weiter durch den Flur, spürt regelrecht, dass Voltaire mir folgte und bekam mehr Angst. Doch kam mir schließlich jemand entgegen. Kai. „Kisa? Was...“, wollte er fragen, doch hing ich mich an seinen Arm und versteckte mich auch noch dabei hinter seinem Rücken. Kai selbst betrachtete mich nur verwirrt. „Was is los? Du bist so blass. Und du zitterst.“ „K-K-Kai... D-Dein Großvater...“, stotterte ich, doch er hob nur verwirrt einer Augenbraue. Zumindest bis zu dem Moment, als besagter Mann kaum zwei Meter entfernt vor uns stand und mich damit zum aufschreien brachte. „Oh... Ich seh schon...“, seufzte Kai, während ich mich hinter ihm versteckte. „Wolltest du net erst in einer Woche kommen?“ „Ich hab da auch eine kleine Frage. Was macht diese Person in meinem Haus?“, fragte er grob und sah direkt mich an. Ich zuckte zusammen und trat nur einen Schritt weiter hinter Kai. „Ich hab sie eingeladen, schließlich ist sie meine Freundin.“ „Sagt wer?“ „Na ich!“ „Ich bin aber dagegen!!“ „Ist mir doch egal! Und was mischt du dich überhaupt da ein? Die ganze Zeit hat es dich en Scheißdreck interessiert, was ich mache und jetzt willst du über mein Privatleben bestimmen?!?“ „Hier geht es um weit mehr, als nur um dein Privatleben...“ Voltaire sah daraufhin mich an. Bei diesem stechenden Blick, mit dem er mir direkt in die Augen sah, ängstigte ich mich um so mehr und wünschte, mich irgendwo verkriechen zu können. „Und das weiß deine sogenannte Freundin auch. Eure Pseudo-Beziehung ist doch ein Witz!“ „Wie bitte?! Was erzählst du da?!“ „Das ist die Wahrheit, Kai. Ihr beide seit gerade mal fünfzehn! Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung von der Liebe, vom richtigen Leben und der Verantwortung. Ich weiß, du tust gern so, als seiest du schon erwachsen, aber das ändert nichts daran, Kai. Du bist immer noch ein Kind, dein störrisches Verhalten, zu dem dich dieses Mädchen dich verleitet. Sie selbst ist schließlich auch kein Deut besser.“ „Sag über mich was du willst, aber lass Kisa da raus!“ „Sie bringt dir nur Unglück, dass weiß sie selbst auch!!!“, schrie Kai´s Großvater und obwohl er doch eigentlich mit Kai redete, sah er nur mich streng an. „Mischlingen wie ihr ist es verboten, sich mit Menschen abzugeben und dennoch tut sie es.“ „Mir...“, sagte ich schließlich doch meine Stimme war so ungewohnt ruhig und klanglos. Ich... Ich hatte tatsächlich Angst. „Mir ist egal... Was die Engel sagen. Sie verstehn es nicht. Ich bin ihnen kein Versprechen schuldig.“ „So?! hast du da nicht etwas vergessen?! Was ist mit ihm? Mit Gott? Hast du ihm nicht etwas versprochen?!“ Ein erdrückendes Schweigen folgte und Voltaire´s Worte waren wie ein Echo in meinem Kopf. „Ja... Ja richtig...“, flüsterte ich vollkommen neben mir. Ich ließ Kai los und ging einfach ohne einen der beiden noch einmal anzusehen. Ich lief einfach weg, durch den Gang und aus dem Haus. Es war noch frisch, die Sonne war ja auch erst aufgegangen, aber ich spürte es kaum, da ich mit meinen Gedanken immer noch wo anders war. Gott... Richtig, ich hatte Gott ganz vergessen. „Kisa! Hey, was war das denn eben?“ Kai´s Stimme hallte nur sehr schwach in meinem Kopf wieder. Ich hatte längst das Anwesen verlassen, doch da ich so benebelt war von meinen eigenen Worten, hatte ich dies nicht wahrgenommen. Kai hielt meine Tasche mit dem Good Bye Kitty Logo in der Hand, die ich am Abend noch um meine Schultern trug und riss sie ihm schließlich aus der Hand. „Danke...“, sagte ich, wobei meine Stimme sehr grob klang. „Komm wieder rein.“ „Nein. Dein Großvater will mich net sehn.“ „Mir egal, was er sagt. Du kommst mit, trinkst nen Kaffee und dann sieht die Welt schon anders aus.“ „NEIN!!! Ich komm nicht mit rein!! ER HAT DOCH RECHT!!!“, schrie ich. Meine Lippen zitterten vor Aufregung. „Ich... Ich hab meine Verpflichtung vergessen. Ich hab Gott gegenüber einen Eid geschworen, an den ich mich zu halten habe. Und ne Beziehung mit einem Menschen ist net ohne Grund verboten.“ „Was redest du da auf einmal?“, fragte Kai wütend und packte mich dabei an den Schultern. „Erst jammerst du, dass die Engel zu viel von euch erwarten und nun redest du von Gott? Jetzt ehrlich. B ist du einfach sehr naiv oder willst du mich absichtlich auf die Palme bringen?!“ „DU VERSTEHST DAS NICHT!!!“, schrie ich wieder und stieß ihn dabei von mir weg. Kai sah mich dabei ganz schockiert an und er wurde ein wenig blass. Auch ich spürte regelrecht, dass die Farbe aus meinem Gesicht verschwand und das Zittern wurde immer heftiger. „Hör zu, Kai. Ich komme nun mal aus einer religiösen Familie. Ich wurde nach dem Glauben erzogen, dass, wenn wir Gerechtes tun auch gerecht von Gott behandelt werden, darüber kannst du denken was du willst. Aber ich glaube nun mal daran und das lass ich mir von niemanden schlecht reden. Die Engel haben mich schon enttäuscht und wenn ich denn nicht mal mehr auf Gottes Güte vertrauen kann, an was dann?! AN WAS SOLL ICH DENN DANN NOCH GLAUBEN, WENN GOTT MICH VERLÄSST!?!?“ „Du... hast Angst, dass mit mir das Selbe passiert, wie mit deinem Vater, richtig? Du glaubst, wenn du net hörst, würde Gottes Güte dich wieder verlassen?“, fragte er mich und der Blick, mit dem er mich ansah war bemitleidend. Und ich schämte mich, dass er mich so ansah, also ging ich meines Weges und ließ ihn stehn. Doch hätte ich mir vorher überlegen müssen, wohin ich gehn sollte. Zu den Jungs wollte ich net, zu sehr musste ich dann an Asmodel´s Worte denken. Und zu Rika und Kazue wollte ich auch nicht. Zwar hörten sie sich gern mein Gejammer an, aber sie verstanden meine Lage nicht. Sie wusste nicht, wie es is so eine Bürde mit sich rumzuschleppen. Also heiterte ich mich etwas damit auf erst eine Weile durch die ruhige Gegend zu laufen und als um 10 das Kino aufmachte drei Filme lang dort drin zubleiben. Als ich das Kino verließ und durch die plötzliche Helligkeit Kopfschmerzen bekam, was es schon spät am Nachmittag, die beste zeit, bei meinem persönlichen Berater einzuschneien – zu Yochel. Er stellte keine Fragen oder versuchte jemanden zu verstehen. Er sah jemanden in die Augen und wenn er merkte, dass es seinem Gegenüber net gut ging, ließ er ihn einfach in seine Wohnung kommen, machte Witze und lud ihn zum Essen ein. Doch nach Problemen fragte er net, da er meist davon ausging, dass er dennoch nix dran ändern könnte. Ich klingelte an seiner Wohnungstür, aber erst beim dritten Mal machte er auf. Er sah mich erstaunt an, merkte aber sofort dass was net stimmte. „Salut! Schlechtes Karma, hä?“ „So zusagen... Das ist einfach ein blöder Tag. Ich hab schlechte Laune und hab auch noch Kai damit reingezogen. Nach Hause kann ich net, meinst du, ich kann übernachten?“, fragte ich schüchtern. „Klaro. Für meine Mädchen hab ich immer Platz“, grinste er. „...Allerdings hast du dir da beschissensten Moment in der Weltgeschichte rausgesucht.“ „Warum das?“ „He, Yoshinski! Is das endlich die Pizza?“, grölte jemand aus der kleinen Wohnung und Gelächter war zu hören. Yochel klatschte sich die Hand ins Gesicht, als ich ihn fragend ansah. „Männerabend, richtig?“ „Ja, en paar aus der Uni.“ „Von der Uni? Wie kommst du zu der Ehre?“ „He, ich bin eben cool“, grinste er mich wieder an, dann wurde er von einem seiner Gäste zur Seite geschoben. „Schade, doch net. Aber die Kleine is echt niedlich. Deine kleine Schwester, Alter?“ „Kann man so sagen...“, lächelte der Braunhaarige ihm entgegen. „Sie hatte Stress mit ihrem Lover, deswegen bleibt sie die Nacht heut bei mir. Das stört euch doch nicht?“ „Quatsch, uns doch net. HEY LEUTE, WIR HABEN DAMENBESUCH!!!“, rief er in die Wohnung und Jubel und Pfeiftöne kamen zurück, dann rannte er wieder rein. Während ich noch überlegte, ob dass, was ich tat wirklich so gut war, versank Yochel vor Scham zu Boden. „Du kannst dich im Bad einschließen, solange diese asozialen Spinner hier sind.“ „Wär vielleicht nicht übel“, seufzte ich. „Ich ruf dich dann, wenn sie weg sind. Ich lass dir auch was von der Pizza übrig.“ „Danke... Und...“ „Was?!“ ich hielt kurz inne und überlegte. Sollte ich ihn das wirklich fragen? Yochel schaute schon ungeduldig und da ich mich net entscheiden konnte, stellte ich spontan eine Andere. „Ähm... Weißt du, was... Was Schizophrenie ist?“ „Schizophrenie? Hm, kann ich net so genau sagen...“, sagte Yochel und überlegte weiter mit einem strengen, nachdenklichen Blick. „Aber ich kannte einen, der hatte das, glaub ich.“ „Und wie ist das, schizophren zu sein?“ „Weißt keiner genau, da dass anscheinend immer unterschiedlich ist. Dieser Bekannter hat Dinge getan, an die er sich später nicht mehr erinnert hat und war fest überzeugt, die CIA hätte ihn en Mikrochip ins Hirn gepflanzt. Dazu hat er manchmal Dinge gehört, die gar net da waren. Das war echt gruslig. Wieso fragst du überhaupt?“ „Ich hatte nur so einen Gedanken...“... „Paps is stinksauer, damit du´s weißt!“ „Wie wär´s mal mit Hallo?“, entgegnete ich Teru genervt, ohne von meinem Mathebuch aufzuschauen. Statt wieder nach Hause zu gehn, war ich von Yochel aus gleich zur Schule gegangen, zu den Lehrern hatte ich gesagt meine Uniform sei beschädigt worden, so saß ich also nun in normalen Klamotten im Klassenzimmer und las während der Mittagspause. Teru schnaufte und biss sich wütend auf die Unterlippe, ehe er mich wieder ansah. “Du könntest auch mal was dazu sagen. Du warst das ganze Wochenende einfach weg und nachdem Pinky weg war, haben uns noch zwei von der Sorte die Bude eingerannt und sich beschwert! Mein Sternzeichen war übrigens auch dabei, ziemlich reizbar der Typ. Und er ist knallrot!“ „Teru, das interessiert mich im Moment überhaupt net. Und damit du glücklich bist, ich hab erst bei Kai und dann bei Yochel übernachtet, also entspann dich!“, keifte ich ihn an und las weiter. „Seit wann interessierst du dich überhaupt für Mathe?“ „Seit heute!“ „Lass mal sehn!“, sagte er und entriss mir das Buch, dabei viel der falsche Einband ab und zeigte dem Orangehaarigen, dass es eben kein Mathebuch war und sah sich das genauer an. „Schizophrenie?“ „He, das ist ein vielfältiges und interessantes Thema.“ „Is das auch seit heute?“ „Nee, seit gestern!“ „Salut!“, rief Kazu laut, aber fröhlich durch das Klassenzimmer. Mit Yochel an der Seite kam sie zu mir und entriss dabei Teru das Buch, dass ich gelesen hatte. Skeptisch schaute Yochel die Seiten an. „Wieso liest du Bücher über Schizophrenie, Rübenkopf?“ „Das gehört Kisa, frag sie!“ „Ah... He, hast du mich gestern net deswegen gefragt?“, fragte der Braunhaarige. „Ja, aber das is mir so rausgerutscht, eigentlich wollte ich dich ja was anderes fragen. Es geht um diese Erinnerungssache. So weit ich weiß, hattest du deine noch...“, fragte ich ihn scharfsinnig und achtete auf jede seiner Gesichtszüge und Gesten. „Ja...“ „Und bei dir, Kazu, war dass doch auch.“ „Ich... glaub schon...“, sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln und klang noch nervöser als Yochel. „Dann frag ich mich allerdings, wieso ihr dann nix davon gesagt habt? Und warum du mich angelogen hast, Kazue. Rika ist zu aufrichtig, sie hätte nur gelogen, wenn einer es ihr eingeredet hätte. Also, ich höre!“, sagte ich nun wütend und lehnte mich in meinen Stuhl. „Also...“, stammelte Yochel und kratzte sich am Hinterkopf und versuchte dabei irgendwo anders hinzuschauen, Hauptsache, er musste mich net ansahen. Er fing sogar schon an vor Aufregung zu schwitzen, was er nie tat. „Yochel...?“ „Okay, okay! Als die Engel eingeflogen sind, war ich grad auf dem Klo und als ich wieder kam, haben mich die Alten so lange belabert, bis ich geschworen habe, nix zu sagen. Aber da du mal für mich ne Sis bis, bekam ich en schlechtes Gewissen, aber Suzuki meinte, ich solle dicht halten!“ „YOSHIHRO MIZAWAR, DU VERDAMMTE PETZE!!!“, brüllte Kazu ihn an, während mein Mund vor empören weit offen stand. Als sie mich ansah, erweiteten sich ihre Augen vor Schreck und Scham. Yochel bemerkte, dass die Spannung zwischen und stieg und schritt ein paar Schritte zurück. „Mädels, wenn ihr mich entschuldigt, ich geh mal aufs Klo.“ „Ähm... Ich auch!“ rief Teru und rannte schnell Yochel hinterher. Doch selbst als sie weg waren, schwiegen Kazu und ich noch. „Kazue... Wieso?“, fragte ich leise und fassungslos. „Du bist meine beste Freundin. Von die hätte ich nie so was erwartet. Verdammt, wir haben unsere Klamotten gefärbt, Jungs vermöbelt und uns gegenseitig aufgeklärt. Ich dachte, Freunde helfen sich.“ „Den Satz solltest du dir lieber selber mal anhören“, sagte sie schnippisch. „Immer heißt es Bladebreakers hier, Bladebreakers da, dass hab ich schon gesehen, als du mir die Briefe geschickt hast und es hängt mir zum Hals raus! Yochel, Rika und ich, wir sind deine Freunde, wir haben dich immer unterstützt! Und jetzt hängst du mit so en paar Knilchen rum, die dich überhaupt net kennen und bist mit Kai zusammen, dem Spastiker, der dich einfach sitzen gelassen hat!“ „Na und? Das ich den Jungs net alles erzählt hab ist doch total unwichtig. Ich weiß auch net alles über sie. Und ich liebe Kai, da verzeiht man sich so etwas! Außerdem war ich damals selber schuld, also beschuldige ihn nicht wegen ein paar alten Kamellen! Wieso willst du mir die Jungs andauernd schlecht reden?!“ „Ja, die Jungs, die Jungs, immer geht es nur um sie! Soll ich dir mal was sagen? Mich und Yochel hast du immer auf den Trockenen gelassen, weil du Schiss hattest, wir kommen hinter dein Geheimnis! Nach der Sache mit deiner Mutter hast du uns wie Dreck behandelt.“ „Es war aber notwendig, versteh das doch!“ „ABER DEINE JUNGS HAST DU NICHT SO BEHANDELT!!“, schrie sie mir ins Gesicht und sie schlug die Hände auf meinen Tisch. Somit wurde auch der Rest der Klasse auf uns aufmerksam. „Das sind alles nur faule Ausreden, Kisa. Du bist nur halb so freundlich, wie du tust, dass wissen wir beide. Ich hab eure Kämpfe gesehen in China und Amerika, und da wussten sie nichts und ihr wart richtig dick miteinander. Daher frag ich dich, wieso du sie in deine Runde aufnimmst, und wir uns erst dein mickriges Vertrauen erkämpften mussten! Oder bist du nur noch bei uns, weil dein Onkel wegen uns seinen Finger einbüßen musste, und du nicht auf seinen Opfer rumtrampeln willst?“ „Bist du eifersüchtig, Kazu?! Gott, so was widerliches“, sagte ich angeekelt. „Wie konntest du dich nur zu so nem niederen Gefühl hinreißen lassen?!“ „Es is Fakt! Die Jungs mögen ja, abgesehen von Kai vielleicht in Ordnung sein... Nun gut, Tyson nervt auch etwas. Aber ich seh net ein, dass sie einfach hier auftauchen und du mich dann abservierst, weil sie dir besser in den Kram passen.“ „Jetzt hör doch auf! Du redest mir Sachen an den Kopf, weil sie DIR nicht in den Kram passen! Wie ich mit wem rumhänge hast du nicht zu bestimmen! Und so was schimpft sich besten Freundin!!“, schrie ich wütend auf, griff mir Tasche und Buch und ging raus in den Schulhof, um dort den Rest meiner Mittagspause dort zu verbringen. Deprimiert setzte ich mich unter einen Baum, dessen Blätter schon Rot und Gold wurden. Ich sah ihnen zu, wie schön sie von den Blättern fielen und für einen Moment machte mich ihr Anblick glücklich, bis ich wieder an Kazu´s Worte dachte. Es stimmte. Als ich von Megami weg kam und ich zu Miyako und Sato kam, war ich wirklich sehr eklig zu den beiden. Ich sprach nicht und war unnötig aggressiv. Ich weiß, es war falsch und ich war mir auch sicher, dass Kazue und Yochel sehr darüber verletzt waren. Aber dass es sie so sehr belastete, wusste ich net. Mann, war ich naiv. „He, da bist du ja!“, hörte ich Ray´s Stimme und er tauchte auch plötzlich hinter mir auf. Ich biss mir vor Schreck auf die Zunge und sprang zur Seite. „Ray!! Musst du mich so erschrecken?!“, fragte ich und hielt mir dabei den Mund. „Entschuldige, ich dachte, du hättest mich gehört. Ich ruf dich schon die ganze Zeit.“ „Oh... Ich war in Gedanken... Was willst du eigentlich hier? Hast du kein Unterricht oder so was?“ „Die Anmeldung ist noch nicht durch. Und ich hab nur Kai hergebracht. Tyson hat mir erzählt, auf welche Schule du gehst.“ „Was, Kai? Kai ist auch hier?“, rief ich aufgeregt. Schließlich trat er hinter dem Baum hervor, unter dem ich die ganze Zeit gesäßen hatte. Als ich ihn sah, schmerzt mein herz und fing zu weinen an, als ich mich auf ihn stürzte. „Es tut mir so Leeeeeeeiiiid!!“ „He, hör auf zu weinen. Es gibt keinen Grund dafür.“ „Doooooch!! Ich hab mich total blöd verhalten.“ „Nicht wirklich. Jetzt benimmst du dich eher so“, behauptete Kai, aber auch wenn´s nicht wirklich aufbauend war, hatte ich mit dem Flennen und Schlurzen aufgehört. „Alles in Ordnung wieder?“, fragte mich Ray besorgt. „Ja, geht schon... Bin wohl von gestern noch etwas sentimental.“ „Was ist überhaupt passiert, Kai? Du hast nix gesagt...“ „Mein Großvater hat nur dumme Sachen gesagt. Und auch wenn sie dumm waren, hat sich Kisa das zu sehr zu Herzen genommen“, erklärte Kai ihm und bei dem Gedanken an seinen Großvater verzog er das Gesicht. „Das war zu erwarten. Voltaire würde nie erlauben, dass Kai mit einer der Personen zusammen ist, die seine Pläne zu Nichte gemacht haben. Aber... Wieso ist er frei und nicht im Gefängnis?“ Ray´s Frage ließ mich abrupt zusammen zucken und ich sah wieder diesen Satz vor meinen Augen... Schizophrenie, Voltaire ist schizophren und anscheinend bin ich die Einzige, die es weiß. Kai hatte zumindest keine Andeutungen gemacht. Aber ihn danach zu fragen traute ich mich auch nicht. Erst wollte ich mehr darüber erfahren, um es genau sagen zu können, ob es stimmt oder nicht. Und wie es sich bei ihm auswirkt... „Kisa? Alles okay? Du bist so blass geworden“, fragte Kai mich und hielt dabei meine Hand und ich wurde nur noch nervöser. „Ach, es ist gar nix! Überhaupt nichts! Wirklich, absolut rein gar nichts, eheehehee...“, lachte ich gestellte und die Jungs merkten sofort, dass ich log. Doch keiner traute sich zu fragen. „Und du bist wirklich sicher das...“ „Absolut!! Also geht ruhig, keine Angst, Marsch, Marsch!“ „Kisa... Du bist komisch“, sagte Ray. „Ich weiß, ahahaa!!“ „Aber...“ „Lass sie, Ray. Wenn sie spinnen will, soll sie. „Man sieht sich...“, sagte Kai noch in seinem typischen, desinteressierten Ton und ließ meine Hand los, während er beim Gehen Ray hinter sich her zog. Aber irgendwas hielt ich immer noch in meiner Hand... Doch erst als ich weder Ray noch Kai sah, schaute ich nach und entdeckte einen kleine Zettel. Ich faltete ihn auf und war für den ersten Moment fassungslos... Sollen wir verschwinden? Hol nach dem Unterricht deine Sachen und komm zum Bahnhof! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)