Die Magie der Musik 3 von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Kapitel 3 Serdall war am Donnerstagabend mehr aufgeregt als ruhig und kontrollierte seine Geige seit gut einer Stunde. Er stimmte sie, überprüfte die Bogenhaare und rieb sie mit Kolophonium ein, damit sie genug Haftreibung hatten und putzte das Holz der Geige auf Hochglanz. Er wusste auch nicht woher diese Unruhe kam. Sie war einfach da. Es ging um nichts, trotzdem war er aufgeregt. Er würde Daniel, Taki und Jana von Freitagabend bis Sonntagnachmittag nicht sehen. Ihm war unwohl sie allein zu lassen, aber er sehnte sich auch nach diesen Auftritten. Sich zur Ruhe zwingend legte Serdall seine Geige ordentlich zurück auf ihr Regal und ging nach oben. Daniel war noch bei Jana im Zimmer und las ihr etwas vor. Serdall lehnte sich seufzend in den Türrahmen und beobachtete die beiden eine Weile unbemerkt. Als Jana schließlich langsam die Augen zufielen, beendete Daniel die Geschichte und zog die Decke noch ein Stück höher, bevor er seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn gab, sich kurz streckte und dann in Richtung Tür umdrehte. Als er Serdall dort stehen sah, lächelte er. Leise ging Daniel auf ihn zu, schloss die Tür hinter ihnen und legte seine Arme um Serdalls Hüfte. „Na, aufgeregt?“, fragte er. „Irgendwie schon“, antwortete Serdall und vergrub seine Stirn in Daniels Halsbeuge. „Meinst du echt, ich kann euch für die paar Tage allein lassen, ohne dass ihr irgendetwas anstellt?“ Er schob Daniel während er sprach in ihr Schlafzimmer und schmiss die Tür mit den Fuß hinter sich zu, ehe er Daniel weiter zum Bett dirigierte. Seit Jana aus dem Zimmer war, lief wenigstens hier wieder alles in geordneten Bahnen. „Als ob ich nur auf diese Gelegenheit warten würde, um das Haus abzufackeln oder die Treppe runterzuspringen und mir irgendwas zu brechen“, grummelte Daniel, während er sich auf dem Bett niederließ und Serdall über sich zog. „Außerdem bin ich ja nicht mit Taki und Jana ganz allein, sondern Ethan, Yoshiko und Dustin sind auch noch da.“ Daniel stutzte. Yoshiko war in letzter Zeit mehr bei Robin als hier und Ethan und vor allem Dustin waren wohl nicht die zwei Personen, die Serdall seine Zweifel nehmen würden. Erst jetzt fiel Daniel auf, dass er sich nicht nur um Jana, sondern auch um Taki kümmern musste. „Gerade deswegen hab ich mehr Sorge als alles Andere“, murmelte Serdall. „Du rufst mich an, falls was ist. Dann bin ich so schnell wie möglich hier. Alle wichtigen Telefonnummern wie Kinderarzt, Krankenhaus und so weiter sind im Flur an der Wand. Aber das weißt du ja“, sprach Serdall und schien etwas gehetzt, ehe er sich seufzend auf Daniel legte und die Arme um ihn schlang. „Himmel, ich hab einfach Angst um euch.“ „Ich weiß“, seufzte Daniel. Serdall war ohnehin immer die Glucke vom Dienst, vor allem bei Taki, aber eben auch bei ihm selbst. Jetzt war das erste Mal, dass Serdall es war, der wegfuhr. Kein Wunder, dass ihm das selbst nicht so ganz geheuer war. „Es wird schon nichts passieren. Und wenn doch: Ich bin schon groß. Ich werde das auch ohne dich schaffen und wie du schon gesagt hast, hängen im Flur alle wichtigen Informationen, die man brauchen könnte.“ Trotzdem war Serdall nicht sehr überzeugt. Er hoffte inständig, dass den Dreien nichts geschah, dass sie wohlbehalten blieben. Aber er konnte es nicht ändern. Auch wenn er Angst hatte, da war immer noch diese starke Sehnsucht danach, wieder richtig ernsthaft zu spielen. Tief durchatmend schloss Serdall die Augen und hauchte einen Kuss auf Daniels Hals. „Ich bin am Sonntag so schnell wie möglich wieder da. Und Dustin werde ich auch noch zur Seite nehmen, um ihn darum zu bitten, dass er ein Auge auf euch hat“, eröffnete Serdall. „Toll, jetzt vertraust du Dustin schon mehr als mir, wenn es um die Aufgabe geht, auf sich selbst aufzupassen. Wer ist denn der Chaot, er oder ich?“, murmelte Daniel. Gut, vier Augen sahen mehr als zwei, aber dass Dustin als sein Kindermädchen abbestellt wurde, passte ihm irgendwie gar nicht. Traute Serdall ihm denn noch nicht mal zu, zwei Tage auf sich allein aufzupassen? Tat er das nicht auch normalerweise, selbst wenn Serdall hier war? „Ich vertraue ihm nicht mehr als dir. Aber er ist erwachsener, auch wenn er sich immer so kindisch stellt und das weißt du. Auch wenn er manchmal ziemlichen Mist baut, kann er sehr verantwortungsbewusst sein, besonders wenn ich ihm drohe, ihn und Ethan rauszuwerfen“, lächelte Serdall und strich unter Daniels Pullover, um sanft über dessen Seiten zu wandern. „Und jetzt“, murmelte Serdall und zog Daniel seinen Pullover plötzlich über den Kopf. „Lass uns noch ein wenig vorarbeiten.“ Daniel ersparte sich jeglichen Kommentar, da Serdall wirklich Recht hatte und dem eigentlich ohnehin nichts mehr hinzuzufügen war und konzentrierte sich lieber darauf, noch etwas der am Wochenende verloren gehenden Zeit jetzt schon aufzuholen. Am nächsten Tag kurz vor sechs Uhr stand Serdall fertig im Schlafzimmer und blickte auf seine Armbanduhr. Dann sah er wieder genervt auf seinen Schrank. Er hatte seinen Smoking gefunden und schon aufs Bett gelegt, aber irgendwie war er damit nicht zufrieden. Kopfschüttelnd ließ Serdall das Handtuch von seinen Hüften fallen, da er gerade frisch geduscht hatte. So in Gedanken gefangen begann er erst die Socken anzuziehen, was Daniel mit einem tiefen Schnurren quittierte. Augenrollend zog Serdall seine Boxershort an und schlüpfte dann in den Smoking. „Man, ich komm zu spät“, murmelte er zu sich, was eigentlich gar nicht stimmte. Er machte sich selbst nur Panik. Er war immer noch nicht sicher, ob er wirklich gehen sollte. „Hilf mir mal bitte mit den Manschetten“, murmelte Serdall und hielt Daniel seinen Arm hin und in der anderen Hand die silbernen Manschettenknöpfe. Daniel, noch in Shorts, erhob sich vom Bett und stand dann etwas ratlos vor Serdall. „Ich habe keine Ahnung, was ich mit den Dingern machen soll“, gestand er. „Aber ich binde dir die Schuhe zu, wenn du magst. Es war mal amüsant, Serdall derart fertig mit den Nerven zu erleben. Dabei hatte er sogar extra betont, dass es keine große Sache war und er das nur aus Spaß an der Freude machte. Wer’s glaubt. Serdall bedeutete dieser Wettbewerb nämlich doch ganz schön viel, aber scheinbar wollte er das nicht zugeben. „Du sollst den Hemdärmel damit zumachen. Es hat da keinen Knopf, siehst du?“ Serdall wedelte mit seinem Hemdärmel vor Daniel herum und zeigte ihm beide Löcher am Saum. „Da sollst du den Manschettenknopf befestigen, sodass das obere Teil vom Körper weg zeigt“, erklärte er geduldig und hielt Daniel wieder die beiden Manschetten hin, sonst würde Daniel wohl ungebildet bleiben. Daniel tat, was Serdall ihm gesagt hatte, auch wenn Serdall ihm noch einmal genau sagen musste, wie der Schmuck befestigt werden musste. Serdall knöpfte nun erst das Hemd an der Brust zu und ließ die oberen beiden Knöpfe offen. Danach griff er zu seinem Jackett und warf es sich über. „Wo ist meine Tasche?“, fragte er sich umblickend und entdeckte sie neben dem Kleiderschrank. Er nickte. „Hab ich irgendetwas vergessen? Sehe ich gut aus?“ „Deine Schönheit ist atemberaubend und die Scheinwerfer werden sich die ganze Zeit nur auf dich richten und deine Konkurrenz alt aussehen lassen, sowie dem Publikum den Atem rauben“, meinte Daniel ernst. Obwohl Daniel nicht lachte, schüttelte Serdall den Kopf. „So wollte ich das gar nicht wissen. Ich wollte nur wissen, ob ich irgendwo dreckig bin oder Hundehaare am Jackett habe“, murrte er. Solche Komplimente brauchte er von Daniel nicht und sie wirkten auch irgendwie unangebracht. Im nächsten Moment allerdings grinste Daniel ihn breit an. „Hast du mir das gerade abgekauft?“, wollte er wissen. „Ich meine, nicht dass ich dich hässlich finden würde, du siehst wirklich gut aus, das stimmt schon, allerdings war das dann eben doch etwas kitschig für meine Verhältnisse.“ Glucksend umrundete er Serdall einmal und blieb dann wieder vor ihm stehen. „Aber nein, keine Hundehaare, kein Dreck, keine Falten. Alles perfekt. Ob es allerdings nach der Autofahrt immer noch so ist, wirst du wohl selbst kontrollieren müssen.“ Serdall gab Daniel einen Klaps auf den Hinterkopf. „Du sollst nicht so frech sein“, murrte Serdall etwas genervt und seufzte. Er war gerade wirklich nicht zum Spaßen aufgelegt und das sah man ihm auch an. Sich umwendend ging Serdall und nahm die kleine Reisetasche auf und ging die Treppen hinunter. Er war sich zwar nicht sicher, ob Daniel ihm folgen würde, aber er würde es schon sehen, wenn er unten angekommen war. Daniel folgte ihm allerdings, sich etwas missgestimmt den Hinterkopf reibend. In seinem Geist machte er sich eine gedankliche Notiz, dass man einen Serdall im Stress und mit scheinbar flatternden Nerven nicht reizen durfte. Noch nicht einmal ein klitzekleines Bisschen. Seufzend blieb Daniel hinter Serdall im Flur stehen. Tja, das war es dann also. Das erste Mal, dass Serdall für ein paar Tage allein dieses Haus verließ. Irgendwie eine seltsame Situation. „Pass auf dich auf und leg dich nicht wieder mit irgendwelchen Leuten an, wie damals im Restaurant mit dem Uni-Kammerorchester“, flüsterte er. Serdall rollte mit den Augen. „Das war eine ganz andere Situation. Ich würde disqualifiziert werden, wenn ich das diesmal täte“, erklärte er, während er noch einmal ins Wohnzimmer ging, um seine Geige zu holen und dann zu Daniel in den Flur zurückkam. Schnell schlüpfte Serdall in die schwarzglänzenden Lackhalbschuhe und band sie zu, ehe er sich aufrichtete und sich den Mantel nur über die Schultern warf. „Pass du lieber auf Taki, Jana und dich selbst auf. Wenn ich zurückkomme und irgendwas nicht stimmt, werde ich echt sauer“, drohte er leise, strich aber Daniel einmal über die Haare. „Und bitte lauf nicht so halbnackt rum, wenn ich nicht da bin“, meinte er ernst und sah bezeichnend auf Daniels einziges Kleidungsstück am Leib, die Boxershorts. Man musste doch niemanden provozieren und er hatte immer noch irgendwo Angst, dass Daniel irgendwann wieder ein Ausrutscher passierte. „Ich laufe normalerweise auch nicht halb nackt rum, wenn du da bist. Allerdings gehe ich jetzt nochmal für ein paar Stunden ins Bett, also warum anziehen?“, erwiderte Daniel seufzend. Es war ja schön, dass Serdall sich Sorgen um ihn machte, allerdings benahm er sich gerade wie seine Mutter früher, kurz bevor er auf Klassenfahrt gefahren war oder sie ohne ihn und Charline in den Urlaub. Serdall seufzte. Daniel hätte sich auch für die paar Minuten etwas überziehen können. Kopfschüttelnd beugte sich Serdall zu ihm und küsste ihn kurz. „Bis Sonntag“, meinte er leise und wollte sich schon umwenden. Wenn er jetzt noch eine längere Szene einlegte, würde ihm Daniel noch einen Tritt geben, damit er endlich losfuhr, da er scheinbar auch schon genervt war. Daniel allerdings hielt ihn am Ärmel fest, drehte Serdall zu sich herum und küsste ihn fordernd. Als sie sich wieder voneinander lösten, sah Daniel ihn zufrieden an. „Du wolltest doch nicht ohne einen letzten richtigen Kuss gehen?“, fragte er tadelnd. „Also tschüss dann. Und wehe du kommst ohne die Siegestrophäe wieder. Dann gibt es eine Woche keinen Sex, also streng dich an.“ „Pah, du willst doch nur das Preisgeld“, lachte Serdall nun und hauchte noch einen Kuss auf Daniels Lippen. Ja, er würde sich anstrengen und hoffentlich auch gewinnen. Obwohl er leise Zweifel in der Hinsicht hatte. Er war nicht der einzige gute Violinist auf dieser Welt und spielte nicht professionell. Wie also sollte er gegen Leute gewinnen, deren einziges Ziel war, sich auf solche Wettbewerbe vorzubereiten? Serdall würde erst im Hotelzimmer die Stücke einstudieren, was sich später sicher als schwerer Fehler herausstellen würde, aber es war ihm egal. Er würde das schon irgendwie meistern. „Aber ich streng mich an“, meinte er noch halblaut und umarmte Daniel noch einmal fest. „Das will ich doch hoffen“, murmelte Daniel noch an Serdalls Schulter und drückte ihn dann von sich weg. „Und jetzt geh“, meinte er etwas erstickt, „sonst fange ich noch an zu heulen, obwohl das absolut lächerlich ist. Wir sehen uns zwei Tage nicht und du bist in der Zeit wahrscheinlich sogar noch so beschäftigt, dass du noch nicht einmal Zeit hast, an mich zu denken.“ „Ich denke immer nur an dich“, flüsterte Serdall und verschränkte noch einmal verliebt blickend seine Hand mit Daniels. „Schließlich liebe ich dich über alles“, sagte er, ehe er seine Lippen erneut auf Daniels legte. Kurz küsste Daniel zurück, bevor er Serdall erneut auf Abstand hielt. „So, geh jetzt. Sonst kommst du nie los“, meinte er verkrampft lächelnd. Serdall zog eine Augenbraue nach oben. „Warum sagst du nicht, dass du mich auch lieb hast?“, murmelte Serdall beleidigt. Schon beim letzten Mal war das irgendwie untergegangen und Serdall wollte es wenigstens jetzt hören, auch wenn es Daniel womöglich mal wieder kitschig fand. Seufzend sah Daniel ihm in die Augen. „Ich liebe dich“, flüsterte er leise und wischte sich im nächsten Moment verstohlen die Tränen vom Gesicht, die sich trotz seines Versuches, sie zu unterdrücken, aus seinen Augen gelöst hatten. Sich räuspernd sah er von Serdall weg. „Deswegen nicht“, antwortete er verspätet auf Serdalls Frage. „Du bist so süß, Prinzesschen“, erwiderte Serdall und drückte Daniel noch einmal fest an sich. Noch ein Kuss wurde auf Daniels Lippen gehaucht, ehe Serdall endlich nach seiner Tasche und seinem Geigenkoffer griff. „Bis Sonntag. Ich ruf dich an, sobald ich auf meinem Zimmer bin“, meinte er noch, bevor er sich umdrehte und schon zu seinem Wagen ging, um die Sachen im Kofferraum zu verstauen. Daniel wartete noch, bis Serdall vom Hof gefahren und außer Sichtweite war, dann ging er zurück ins Schlafzimmer und legte sich auf das so verlassen wirkende Bett. Seltsam. Er wusste, dass Serdall in zwei Tagen wiederkommen würde. Es war keine beziehungstechnische Trennung, sondern einfach, weil Serdall mit seiner Geige auftreten würde und trotz allem fühlte er sich jetzt schon einsam. Seit wann war er so süchtig nach ihm geworden, dass er noch nicht einmal zwei Tage ohne Serdall aushielt? Kopfschüttelnd legte Daniel sich hin und schloss die Augen. Wenige Minuten später war er wieder eingeschlafen. Die Nachmittagssonne schien nur schwach und ließ die Zikadillenstraße trist wirken. Kaum ein Auto fuhr um diese Uhrzeit durch das Nobelviertel, bis auf einige Luxuswagen. Gerade, als die Sonne von dunklen, aschgrauen Wolken verhangen wurde, hielt ein Taxi vor der griechischen Villa. Die hintere Tür des Wagens ging auf und lange, schlanke Beine schoben sich heraus. Eine blonde, hübsche Frau stieg heraus. Eine Sonnenbrille hielt ihre Haare am Kopf zurück und aus ihrem Gesicht. Sie trug nur einen knielangen Rock und eine adrett wirkende, weiße Bluse, darüber ein hellblauer Mantel, jedoch nicht zugeknöpft. Der Taxifahrer half ihr bei ihrem riesigen Reisekoffer und brachte sie noch bis zur Tür. Sie bezahlte ihn und er ging mit einem netten Lächeln davon. Abschätzig zogen sich ihre sturmgrauen Augen zu schmalen Schlitzen, als sie mit einer behandschuhten Hand den Klingelknopf drückte. Ein junger, schwarzhaariger Mann mit einem Kind auf dem Arm öffnete ihr. „Guten Tag“, sagte sie mit starkem, englischem Akzent. „Ich möchte zu Dustin Canter.“ Erstaunt sah Daniel sie an. „Sie sind Dustins Mutter, oder?“, fragte er fasziniert. „Die Ähnlichkeit ist echt verblüffend. Dustin ist gerade nicht da. Heute ist noch Besprechung in der Schule, aber er wird bestimmt in der nächsten Stunde wiederkommen. Wenn Sie möchten, können sie solange auf ihn warten“, bot er lächelnd an. „Ich bin Grace Canter, ja. Es ist sehr nett, dass Sie mich hereinbitten“, meinte sie und strich dem kleinen Mädchen auf dem Arm des Mannes lächelnd über die Wange. „Was für ein süßer Engel. Können Sie mir vielleicht bei meinem Gepäck helfen?“, fragte sie entschuldigend lächelnd und deutete auf den großen Koffer. „Natürlich. Wenn Sie dann solange Jana nehmen würden? Momentan ist sie nicht zu bändigen und wenn ich sie einfach absetze, wenn die Tür offen ist, dann ist sie schneller verschwunden als ich gucken kann“, lachte Daniel leise. Er gab Jana Frau Canter, nachdem diese auf seine Bitte hin genickt hatte und er schnappte sich den schweren Koffer. Gemeinsam gingen sie ins Haus und Daniel führte Dustins Mutter ins Wohnzimmer, nachdem er den Koffer erst einmal im Flur zwischengelagert hatte. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, wollte Daniel wissen. „Etwas Gebäck ist auch noch da, wenn ich mich nicht irre.“ „Das wäre wunderbar!“, rief sie verzückt und strich Jana über die schwarzen Haare. „Aber ich weiß gar nicht wer sie sind. Und wo sind Serdall und mein kleiner Enkel Taki? Ich hatte gehofft, dass sie daheim wären“, erklärte sie nachdenklich und sah sich mit gerunzelter Stirn im Wohnzimmer um, wo überall Kinderspielzeug verstreut lag. „Entschuldigung, ich hatte mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Daniel Erhard. Serdall und ich sind zusammen. Er ist übrigens gerade bei einem Wettbewerb und kommt erst am Sonntag wieder. Taki ist bei einem Freund, kommt aber heute Abend wieder nachhause.“ Mit diesen Worten verschwand Daniel in der Küche, um Kaffee und die letzten Kekse zu holen. Seltsam, dass Dustin nie von seiner Mutter erzählt hatte. Eigentlich generell nie von seiner Verwandtschaft, wenn man Louise mal außen vor ließ. Daniel hatte gedacht, dass es etwas damit zu tun hatte, dass alle in Amerika lebten, aber auch zu Festtagen schrieb er keine Karte oder rief mal an. Jetzt auf einmal mit dessen Mutter konfrontiert zu sein, brachte ihn irgendwie etwas aus dem Konzept. Allerdings schien sie ziemlich nett zu sein und Kinder gern zu haben. Von daher würde er bestimmt gut mit ihr auskommen, bis Dustin wieder da war. Daniel ging zurück ins Wohnzimmer und stellte das Kaffeegeschirr vor Frau Canter ab. Frau Canter war plötzlich kreidebleich im Gesicht und setzte Jana mit zitternden Fingern auf den Boden. „Entschuldigens Sie, aber haben Sie wirklich gerade gesagt, dass… dass“, sie holte einmal tief Luft, wobei sie die Augen schloss, „dass sie mit Serdall zusammen sind?“ „Ja“, meinte Daniel lächelnd. Scheinbar gab es noch jemanden, der es neben Dustin erst nicht glauben konnte, dass Serdall tatsächlich nochmal jemanden so nah an sich herangelassen hatte. Lag wohl in der Familie. „Es hat etwas gedauert, bis ich ihn soweit hatte, dass er seine verstorbene Frau endlich mal loslässt, aber jetzt sind wir schon seit zwei Jahren zusammen und wenn man einige Tiefpunkte außer Acht lässt, auch ziemlich glücklich“, fügte er noch hinzu. Frau Canter gab einen erstickten Laut von sich, ehe sie ihre Hände zum Gebet faltete. „Oh dear Lord, lass das nicht wahr sein!“, rief sie fassungslos. „Wie kannst du es wagen den anständigen Serdall zu verschwulen!“ Sie griff nach einem Teller und warf ihn nach Daniel, doch er verfehlte ihn und traf stattdessen das Glas der Schrankwand, welches scheppernd zu Bruch ging. „Du Ausgeburt der Hölle kommst gleich nach meinem nichtsnutzigen Sohn! Er hat Louise geliebt! Sicherlich hat Dustin Serdall dazu überredet, dieser widerliche Hurenbock! Das lass ich nicht zu!“, kreischte sie und wurde puterrot im Gesicht. „Ich werde dieses Haus nicht vorher verlassen, bis ich mit meinem Schwiegersohn gesprochen habe. Diese gotteslästerlichen Verhältnisse kann ich nicht zulassen!“ Fassungslos starrte Daniel sie an. Das Erste, was er tat, war ihr seine Tochter abzunehmen, die erschrocken zu weinen angefangen hatte und zwei Schritte zurückzutreten. Er brauchte eine Zeit lang, um zu verarbeiten, was gerade passiert war. Dass Frau Canter Homosexuelle zu hassen schien, war wohl offensichtlich, stellte sich nur die Frage, warum. Immerhin war ihr Sohn ebenfalls schwul. Setzte man sich da nicht mehr mit dem Thema auseinander? Warum war sie überhaupt gekommen, wenn sie mit Dustin anscheinend absolut nichts anfangen konnte? „Hören Sie, ich glaube, es wäre doch besser, wenn sie sich in ein Hotel einmieten und dort warten, bis Serdall wieder da ist“, meinte Daniel ruhiger und beherrschter, als er sich gerade fühlte. „Sie haben mir gar nichts zu sagen, Sie widerlicher Abschaum! Lesen Sie lieber die Bibel und beten Sie zu Gott, dass er Ihnen gnädig sein wird. Ich werde nicht eher gehen, bis ich meinen armen Schwiegersohn und meinen Enkel zu Gesicht bekommen habe“, erklärte sie fest und verschränkte die Arme, um zu verdeutlichen, dass sie nicht eher weichen würde, bis sie Serdall und Taki gesehen hatte. Im nächsten Moment hörte man, wie ein Schlüssel in die Haustür geschoben wurde und jemand in den Flur trat. „Bin wieder da!“, rief Dustin in den Flur und zog sich die dicke Jacke aus. Daniel unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung, warf noch einen letzten Blick auf Dustins Mutter und ging dann zu ihm in den Flur. Zumindest eine Frage hatte sich geklärt, nämlich warum Frau Canter eine Abneigung gegen Homosexuelle hatte. Scheinbar war sie streng katholisch oder mormonisch oder was auch immer die in Amerika waren. Kopfschüttelnd ging er durch die Tür. Dustin tat ihm wirklich leid. Mit so einer Mutter gestraft zu sein, die einen nicht so akzeptierte, wie man war, war sicherlich hart. Bestimmt hatte er deswegen nie etwas von ihr erzählt, hatte mit ihr abgeschlossen. Jetzt stand sie auf einmal allerdings vor der Tür. „Da ist jemand für dich im Wohnzimmer“, teilte Daniel Dustin ernst mit, während er immer noch ziemlich erfolglos versuchte, Jana zu beruhigen. Außerdem dachte er schon über eine Methode nach, Serdall möglichst schonend beizubringen, dass eines seiner Wohnzimmermöbel wohl eine Rundumerneuerung brauchte. Zumindest eine neue Glasscheibe. Stirnrunzelnd ging Dustin kurz zur Tür zum Wohnzimmer und seine Augen weiteten sich. Bevor die Frau ihn bemerken konnte, wich er wieder vom Türrahmen weg und lehnte sich kurzatmig und geschockt an die angrenzende Wand. „Scheiße! Kannst du mir nicht sagen, dass meine Mutter da drinnen ist?“, zischte Dustin wütend und strich sich verzweifelt durch die Haare. Er konnte es nicht fassen. Was machte sie hier? „Mist, Mist, Mist“, fluchte er haltlos und griff wieder nach seiner Jacke. „Ich hau ab“, meinte er halblaut und zog sich an. Das tat er sich sicherlich nicht freiwillig an. „Stopp!“, fauchte Daniel. Wütend und eine Spur ungläubig sah er Dustin an. „Du lässt mich bestimmt nicht mit ihr alleine. Meinst du, ich will die ganze Zeit auf ihr sitzen bleiben? Die rührt sich nicht einen Zentimeter, bis sie mit dir und Serdall gesprochen hat.“ Daniel stockte kurz. „Was leider heißt, dass sie bis Sonntagnachmittag auf jeden Fall hierbleiben wird. Es wird sich um etwas Wichtiges handeln, ansonsten wäre sie garantiert nicht hierher gekommen.“ „Ja, wahrscheinlich hat sie einen Weg gefunden, wie man mich exorzieren und den Teufel aus mir treiben kann. Vorzugsweise mit brutalen Mitteln“, knurrte Dustin und hängte seine Jacke wieder an die Garderobe, schlüpfte aus seinen Schuhen und sah dann vorsichtig ins Wohnzimmer. Aber nur, um dann schnell vorbei zu laufen und sich in die Küche zu verziehen. Er holte sich erst einmal einen Saft aus dem Kühlschrank und schenkte sich ein Glas ein. Daniel war ihm gefolgt und setzte sich nun zusammen mit Jana auf einen der Küchenstühle. Erschöpft lehnte er sich zurück. Diese Begegnung mit Dustins Mutter hatte ihn dann doch ganz schön mitgenommen. Sie war zwar bislang nur sehr kurz, doch dafür umso ereignisreicher gewesen. Erst war sie total nett und freundlich, dann erfuhr sie, dass er schwul war und wurde zur wahren Furie. Wenigstens hatte Jana sich beruhigt, ansonsten wäre Daniel wohl aus Stress den Balkon runtergesprungen. „Ich kann mir lebhaft vorstellen, warum dein Verhältnis zu deiner Mutter so schlecht ist“, meinte Daniel nach einer Zeit des Schweigens leise. „War sie schon immer so? Bist du deswegen nach Deutschland gekommen? Allerdings sprichst du für so eine Kurzschlusshandlung zu gut deutsch.“ Dustin verdrehte die Augen. „Ja, sie war schon immer eines dieser Gottesanhängerinnen und hat mich gehasst. Aber erst nachdem sie erfahren hat, dass ich mit dem Coach vom Footballteam gevögelt habe“, murrte Dustin. Er schüttelte bei der Erinnerung an seine Zeit in Kalifornien den Kopf. „Und jetzt ist sie womöglich gekommen, um mir den verdorbenen Kopf von meinem versündeten Körper zu schlagen oder so ein Mist.“ „Du hast was?“, fragte Daniel ungläubig. Er wusste zwar, dass Dustin eine sehr ereignisreich Vergangenheit hatte was sein Liebesleben betraf, war eine Zeit lang auch dabei und auch Teil dessen gewesen, aber irgendwo musste man doch Grenzen setzen, oder? Wobei, wenn Daniel es auf die Schiene trieb konnte er sich selbst genauso in die Sparte stecken. Immerhin hatte er auch mit seinem Lehrer rumgemacht. Wo war da der Unterschied mit seinem Footballcoach so schlafen? Seufzend schüttelte er innerlich den Kopf. Das war jetzt eigentlich gerade nicht wirklich das Thema. „Nun, ich denke jedenfalls nicht, dass deine Mutter einfach von heute auf morgen entschieden hat, dich vielleicht doch noch mal zu bekehren. Vor allem reist man dafür nicht extra aus den USA hier an.“ „Na und?“, sagte Dustin eine Spur zu bissig. Er wollte seine Mutter nicht sehen. Er hasste es sie überhaupt als seine Mutter zu bezeichnen. Diese Frau verabscheute ihn und war höchstwahrscheinlich nur wegen Taki hier. Nicht aber wegen ihm. „Auch wenn sie nicht so aussieht, sie ist brutal und ich verachte sie. Ich bin nicht umsonst nach Deutschland geschickt wurden.“ Dustin schloss kurz angestrengt die Augen und schüttelte den Kopf. Er wollte sich daran nicht erinnern und gut. „Ich nehme mir für die Tage, wo sie hier ist, ein Hotelzimmer. Warte einfach auf Serdall, der wird sie schon irgendwie wieder wegbekommen.“ „Dustin, bei allem, was du mit ihr durchgemacht hast und mir jetzt scheinbar nicht erzählen willst, du bist erwachsen. Es ist nicht so, als wärst du nicht alt genug, dich deinen Problemen zu stellen. Außerdem habe ich keine Lust zwei Tage mit ihr allein zu bleiben, vor allem nicht mit Taki und Jana noch an meiner Seite. Sie meinte Geschirr nach mir schmeißen zu müssen, nur weil ich schwul bin. Ich will gar nicht wissen was noch kommt, wenn ich mit ihr die ganze Zeit hier eingesperrt bin“, knurrte Daniel. Dustin strich sich fahrig durch die blonden Haare und seufzte frustriert auf, ehe er sich zu Daniel an den Küchentisch setzte. Wieso musste sie jetzt hier auftauchen? „Ich hab einfach keine Lust mich mit ihr auseinanderzusetzen“, gestand er. „Sie hat immer noch dieselbe starre Einstellung wie vor fünfzehn Jahren“, seufzte Dustin und strich sich kurz über die Augen. Er war jetzt fast dreißig und ihr Anblick machte ihm immer noch auf unbestimmte Art und Weise Angst. Kein Wunder, dachte er sich bitter. Bei der Mutter hätte wohl jeder Angst, egal wie alt man war. Sich raffend erhob sich Dustin. „Es ist wohl wirklich besser ich rede mit ihr und frage was sie will“, murmelte er halblaut zu Daniel und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. „Ja, ich denke auch“, meinte Daniel und ging Dustin hinterher. Zumindest mentalen Beistand wollte er ihm leisten. „Ich habe nämlich auch keine Lust, mich mit deiner Mutter auseinanderzusetzen“, fügte er noch hinzu, kurz bevor sie das Wohnzimmer betraten. Bevor Dustin überhaupt etwas sagen konnte, schmiss Grace Canter eine Tasse nach ihm und traf diesmal, nämlich Dustin direkt am Kopf. Dustin strauchelte leicht und hielt sich dann benommen am Türrahmen fest. Seine Hand ruckte sogleich zu der Stelle, an der er getroffen worden war. Blut klebte an seinen Fingern, als er sie sich vor Augen hielt. „Genauso wie früher, was Grace?“, zischte Dustin und fasste sich wieder, trotz des pochenden Schmerzes an seiner Stirn. „Wie lange wolltest du mich denn noch warten lassen? Denkst du ich bin blöd und hör dich nicht, wenn du im Flur stehst?“, fauchte sie und sah wütend auf Dustin. „Nicht einen Funken Anstand hast du, du perverses Monster“, schrie sie, sodass Dustin die Ohren klingelten. „Himmel, was willst du überhaupt hier?“, erwiderte Dustin nur. Das Beste war, wenn er ihre Beschimpfungen ignorierte. „Dein Vater ist tot. Seit letzter Woche schon, aber darum geht es nicht. Der Mistkerl hat das Haus auf deinen Namen geschrieben. Ich will, dass du es mir überschreibst. Du hast das Haus nicht verdient“, knurrte sie. Fassungslos schüttelte Dustin den Kopf. „Das kann nicht sein“, murmelte er ungläubig und schien plötzlich aller Kraft beraubt. „Doch kann es“, fauchte Grace. „Dein Vater, Gott hab ihn selig, ist letzte Woche gestorben. Ich will das Haus, Dustin.“ Kopfschüttelnd wandte sich Dustin um und ging langsam den Flur entlang. Er konnte das einfach nicht begreifen. Sein Vater war tot. Ungläubig starrte Daniel Frau Canter an. Wie konnte man nur so sein? So scheinbar vollkommen kalt und gleichgültig, sowohl dem eigenen Ehemann als auch dem Sohn gegenüber. Irgendwie angewidert drehte Daniel sich um und eilte Dustin hinterher, der den Weg nach oben eingeschlagen hatte. Jana in seinem Arm weinte wieder, doch Daniel ignorierte sie vorerst. Momentan schien ihm Dustin irgendwie wichtiger zu sein. „Hey“, meinte Daniel leise, als er Dustin eingeholt hatte. „Alles okay?“ Die Frage war sowohl mit Blick auf Dustins blutende Wunde an der Stirn, als auch auf den Tod seines Vaters bezogen. Allerdings kümmerte sich Daniel lieber zuerst einmal um das offensichtliche und zog Dustin in das nächste Badezimmer, wo er einen feuchten Waschlappen auf die Wunde drückte. „Ja geht schon“, murmelte Dustin abwesend und löste Daniels Finger ab, um selbst den Lappen zu halten. Er ließ sich auf einem der Toilettendeckel nieder und seufzte tief und noch einmal, bevor er die Augen schloss und seinen Kopf mit der anderen Hand stützte. „Ich glaub jetzt solltest du verstehen, warum ich meine Mutter hasse, oder?“, murmelte er. Es schockte ihn, dass sein Vater tot war, aber er hatte solange keinen Kontakt zu seiner Familie gehabt, dass mehr Gefühle nicht drin waren. Es schmerzte nicht, weil er kaum mit ihnen zu tun gehabt hatte, obwohl sein Vater nicht so wie seine Mutter gewesen war. Er hatte ihn wenigstens noch human behandelt. „Himmel, sie hätte nicht herkommen müssen. Ich hätte ihr das Haus auch so gegeben“, knurrte er leise und seufzte dann aber wieder leise. „Du solltest es aus purem Trotz einfach verkaufen“, knurrte Daniel und setzte sich mit Jana auf dem Schoß auf den Rand der Badewanne. Zum Glück hatte die Kleine sich wieder gefangen. Der Hall hier im Bad wäre bei ihrem Weinen ziemlich unerträglich gewesen. „Deine Wunde scheint zum Glück nicht schlimm zu sein. Nichts, was man nicht mit einem Pflaster in den Griff bekommen würde“, murmelte er. „Und ja, ich verstehe, warum du sie nicht leiden kannst.“ „Wenn ich es ihr nicht überschreibe, quartiert sie sich hier ein, bis ich es tue“, knurrte Dustin und stand auf, um die die kleine Wunde an seiner Stirn im Spiegel zu betrachten. „Diese alte Hexe würde nicht zögern mich niederzuschlagen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte“, meinte er fluchend und schmiss dann den Lappen einfach ins Waschbecken, da die Wunde nicht mehr blutete. „Und ich dachte, ich wäre sie für immer losgewesen.“ Daniel schnappte sich ein Handtuch, legte es in die Wanne und setzte Jana darauf, ehe er ihr Ethans Quietscheentchen in die Hand drückte, das er mal irgendwann als Scherz von Dustin bekommen hatte. „Ich verstehe sowieso nicht was es bringt, irgendwelche Sachen durch die Gegend zu schmeißen“, seufzte Daniel und kramte in den Schränken nach einem Pflaster. Mit roten Wangen räumte er einen Dildo aus dem Weg und schnappte sich dann leicht räuspernd die Packung. Er verklebte Dustins Wunde und ließ die restlichen Pflaster dann lieber auf dem Waschbecken liegen. „Sie verletzen gut, wie du siehst. Das ist der Grund“, murmelte Dustin zynisch und versuchte mal klar über die Sache nachzudenken. „Ich überschreib ihr das Haus, sie wird in Frieden sterben und mich wohl auch enterben. Das ist mir eigentlich total egal, weil ich eh nichts von ihr haben will und auch nichts, wonach sie ihre Klauen ausstreckt.“ „Naja, einen Pflichtanteil bekommst du“, murmelte Daniel und seufzte dann. Er setzte sich wieder auf den Wannenrand und fuhr Jana durch die Haare, die durchaus Gefallen an der Ente gefunden zu haben schien. „Meinst du, dass sie tatsächlich einfach geht, wenn sie das Haus hat? Das hätte sie mit einem Anruf auf einfacher haben können“, merkte Daniel noch an. „Daniel, ich hab keine Ahnung warum sie unbedingt herkommen musste. Wahrscheinlich ist es ihr in Kalifornien ohne meinen Vater zu langweilig geworden, oder was auch immer“, seufzte er mit den Nerven am Ende. „Aber eins ist klar, ich gehe da nicht mehr runter, bis Serdall da ist“, bestand er. Vor Serdall hatte sie wenigstens noch Respekt und sein Schwager wusste auch, was diese Frau ihm jahrelang angetan hatte. „Toll, dann darf ich mich also wirklich mit ihr rumschlagen“, murrte Daniel. „Aber okay, ich weiß ja, für wen ich das mache.“ Seufzend schloss er die Augen. Für ihn war Frau Canter wenigstens eine Fremde, aber wenn die eigene Mutter einen beschimpfte, dann war das garantiert um einiges schlimmer. Er nahm Jana wieder auf den Arm und ging dann Richtung Badezimmertür. „Daniel, ehrlich. Mit ihr ist nicht zu spaßen, besonders wenn sie weiß, dass du schwul bist“, meinte Dustin und sprang auf, um ihn festzuhalten. „Entweder wird sie versuchen dir den Teufel auszutreiben oder aber sich an Jana vergreifen. Das muss man nicht provozieren. Lass sie einfach im Wohnzimmer bleiben. Das wird sie erst mal nicht verlassen und wenn weiß sie wo alles ist. Schließlich war sie auch hier, als Serdall und Louise eingezogen sind.“ Daniel machte etwas harsch seinen Arm wieder frei und funkelte Dustin angriffslustig an. „Im Gegensatz zu ihr wohne ich hier“, zischte Daniel. „Und ich werde wohl noch das Recht haben, meiner Tochter jetzt ihr Abendbrot zu machen, ohne dass deine Mutter mich in irgendeiner Art und Weise angreift. Wenn sie es doch tun sollte, ruf ich die Polizei und lasse sie rausschmeißen. Da ist es mir vollkommen egal, ob sie mit dir blutsverwandt ist. Wegen ihr lasse ich mir mein Leben oder das von Jana garantiert nicht einschränken.“ Dustin seufzte resigniert. Daniel hatte ja recht, trotzdem war seine Mutter mit allen Wassern gewaschen. Er würde ihr wirklich alles zutrauen. „Bitte Daniel, unterschätz sie nicht. Sie kommt eigentlich aus der Provinz und scheut sich vor nichts“, sagte er aufgebracht, doch er sah es Daniel an, das er ihm mit diesen Übertreibungen auf den Geist ging. „Ich unterschätze sie nicht“, grummelte Daniel. „Ich will nur einfach hier weiterleben wie bisher, ohne mir durch ihr Auftauchen riesige Schranken in mein Leben setzten zu lassen. Man, ich kenne die Frau erst seit kurzer Zeit und kann sie schon auf den Tod nicht ausstehen.“ Daniel seufzte resigniert und ging dann aus dem Badezimmer. „Außerdem werde ich ihre Nähe auch nicht suchen, sondern einfach meine Wege gehen und hoffen, dass sie sie nicht kreuzt“, fügte er noch an Dustin gewandt zu und ging dann den Flur entlang. Dustin lief ihm hinterher, nur um sicherzugehen, dass seine Mutter Daniel wirklich in Ruhe ließ. Als sie am Wohnzimmer vorbeikamen sah Dustin wie sie telefonierte, doch er ignorierte das. Solange diese Frau sie in Ruhe ließ, war es okay. Er zog die Küchentür hinter ihnen und zu und seufzte entnervt. „Echt, warum ist Serdall dann nicht da, wenn man ihm am dringendsten braucht?“ „Weil er endlich mal dazu übergegangen ist, etwas mit seinem Talent anzufangen“, murmelte Daniel, während er mit dem Kopf im Kühlschrank nach der Leberwurst suchte. „Aber ich glaube nicht, dass deine Mutter so gut auf ihn zu sprechen ist. Bis vorhin vielleicht schon, aber jetzt weiß sie, dass er auch zu einem homosexuellen Leben übergegangen ist“, merkte er an. Dustin riss die Augen auf. „Das ist nicht dein Ernst! Du hast ihr gesagt, dass er schwul ist? Ach du heilige…“ Er begann aufgeregt auf und ab zu gehen. Das war eine totale Katastrophe. Serdall war ihr Schwiegersohn! Kein Wunder, dass sie gleich mit Teller und Tassen warf. Fertig mit den Nerven ließ sich Dustin nach seiner zehnten Runde um den Tisch kraftlos auf einen der Stühle fallen. Ethan würde auch bald von seiner Fotosession wiederkommen. Sein Freund arbeitete gerade nebenberuflich für eine kleine Zeitung und da war er heute für ein Fest engagiert worden, um dort ein paar Momente mit der Kamera einzufangen. Dustin würde ausflippen, wenn Grace seinem Ethan was antat. Und Ethan würde ziemlich gekränkt sein, wenn er eine ihrer Beleidigungen zu hören bekam. In der Hinsicht war er zutiefst empfindlich. „Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass sie so gegen Homosexuelle hetzt?“, fragte Daniel etwas pikiert, als Dustin endlich irgendwann zur Ruhe gekommen war. Jana sah sie aus ihrem Hochstuhl interessiert an. Verstehen, worum es in ihrem Gespräch ging, würde sie aber wohl nicht. „Sie war total nett bis ich ihr gesagt habe, dass ich schwul bin. Sie hatte halt gefragt, wer ich sei. Ich habe mich bis jetzt noch nie selbst verleugnet und keinen Grund gesehen, warum ich es genau vor dieser Frau tun sollte.“ Mit etwas mehr Kraft als eigentlich notwendig schmierte Daniel Jana ihr Brot und fluchte leise, als er mit seinem Messer ein Loch hineinstach. „Ja, tut mir leid“, murmelte Dustin halblaut. „Hätte ich gewusst, dass sie kommt, hätte ich dich gewarnt. Aber ich hab im Leben nicht dran gedacht, dass ich sie jemals wiedersehe. Um ehrlich zu sein bin ich schockiert darüber“, gab er zu und rieb sich schwach über die Nasenwurzel. Er hasste seine Mutter. Sie hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht und war darauf noch stolz gewesen. Aber darüber wollte er jetzt nicht mehr nachdenken. Er würde ihr das Haus geben und gut war es. Was sollte er auch damit? Er wollte nie mehr nach Kalifornien zurück. „Warum ist deine Mutter eigentlich noch hier? Du hast ihr doch das Haus zugesichert“, fragte Daniel, als hätte er Dustins Gedanken gelesen. Mit einem leichten Lächelnd legte er das Brett mit dem kleingeschnitten Brot auf Janas Tischchen, die schon hungrig ihre Finger danach ausstreckte. „Nun, sie wird es sich nicht nehmen lassen auf Serdall zu warten und ihn dann zur Schnecke zu machen. Also kannst du dich darauf einstellen, dass Serdall mal wieder Schuldgefühle wegen Louise bekommt, wenn sie mit ihm fertig ist“, seufzte Dustin und holte sich einen Apfel aus der Obstschale vom Thekentisch und setzte sich wieder. Daniel fühlte, wie das letzte Bisschen seiner noch erhaltenen guten Laune schwand. Er war sich sicher, dass sie dieses Thema endlich durch hatten, doch wenn jemand kam, der es wieder anschnitt, war es eigentlich unmöglich zu verhindern, dass Serdall mal wieder darüber nachdachte. Es ging Daniel gar nicht mal darum, dass ihrer Beziehung dadurch Schaden zugefügt werden konnte. Über diese Phase waren sie eigentlich schon lange hinweg. Das Problem war, dass es Serdalls Gemütszustand absolut nicht zuträglich wäre. Frustriert seufzte Daniel auf. „Daniel“, murmelte Dustin und legte eine Hand auf die von dem Schwarzhaarigen, die das Messer hielt. „Er wird dir keine Vorwürfe machen und ich weiß auch nicht, aber ich habe das Gefühl, dass er selbst in der Hinsicht nicht so schwach ist, wie wir denken. Womöglich wird er meiner Mutter etwas anderes erzählen. Aber er war immer Louise zuliebe sehr zuvorkommend zu ihr und Louise sah ihrer Mutter sehr ähnlich. Ich hoffe wirklich, dass das keine alten Wunden aufreißt.“ „Ich auch“, seufzte Daniel und fuhr sich mit der Hand einmal durch das Gesicht. „Bis eben dachte ich noch, dass Serdall höchstens angepisst sein wird, aber nicht mehr, dass die Sache mit Louise abgehakt ist, auch wenn ihre Mutter vor der Tür steht und mit ihm darüber sprechen wird. Allerdings macht die Tatsache, dass deine Mutter ihr so ähnlich sieht, das Ganze doch etwas komplizierter, als ich gedacht habe.“ Daniel legte das Messer aus der Hand, bevor er noch irgendwen damit erstach, so angespannt und verkrampft wie er es gerade hielt. Es war ihm bis jetzt nicht aufgefallen, aber die Ähnlichkeit war da, wenn er sich die paar Fotos, die er von Louise gesehen hatte, wieder ins Gedächtnis rief. Würde das Serdall einen Stich geben? Ihn vielleicht tatsächlich wieder an die Vergangenheit erinnern? Daniel hätte jetzt pauschal erst einmal nein gesagt, allerdings war er sich in dieser Sache noch nie wirklich sicher gewesen. „Leider“, murmelte Dustin. Aber er vertraute Serdall irgendwie auch. Serdall wusste, dass Frau Canter eben nicht Louise war, dass sie einen geradezu abartigen Charakter hatte und wirklich nichts mit ihrer Tochter gemein hatte, außer vielleicht das schöne Gesicht. Das Haustelefon begann zu klingeln und Dustin stand auf, um es zu holen, auch wenn er dafür in die Höhle des Löwen ging. Ohne auf seine Mutter zu achten schnappte er sich das schnurlose Gerät und kehrte damit zurück. Nach einer kurzen Weile legte er wieder auf. „Das war Taki. Er hat gefragt, ob er bei seinem Freund übernachten darf. Ich hab erst mal ja gesagt, ist wohl besser so“, gestand Dustin und setzte sich zurück an den Tisch. „Ja, und es ist ohnehin Wochenende. Selbst wenn wir keinen unerwarteten Besuch bekommen hätten, wäre mir kein Grund eingefallen, warum Taki nicht dort übernachten sollte. Außer vielleicht die fehlenden Schlafsachen, aber bislang wusste er sich auch immer zu helfen.“ Kurz streckte Daniel sich und wischte Jana dann einmal kurz über den leberwurstbeschmierten Mund, bevor er sich wieder an Dustin wandte. „Was machst du eigentlich wegen Ethan? Ich glaube, wenn deine Mutter euch hier irgendwo sieht, fällt sie noch in Ohnmacht.“ „Ja, ich würde Ethan am liebsten irgendwo anders unterbringen, damit sie ihn nicht beschimpfen kann. Er ist wirklich sehr sensibel, wenn es darum geht. Ich möchte nicht, dass sie ihn irgendwie verletzt“, knurrte Dustin nun wütend. Wenn es um seinen Engländer ging, würde er sie schon das Laufen lehren. Er hoffte, dass sie so schnell wie möglich wieder verschwand, sobald sie Serdall des Hauses verwiesen hatte. „Dustin“, fing Daniel zögernd an. „Vielleicht wäre es doch ganz gut, wenn du mit Ethan bis Sonntag verschwinden würdest. Ich glaube, dass es noch stressiger werden wird, als es ohnehin schon ist, wenn deine Mutter euch beide im Doppelpack zu Gesicht bekommt oder noch besser, wenn sie euch nachts oder so hört. Serdall kommt übermorgen schon wieder und solange deine Mutter ihre eigenen Wege geht, habe ich kein Problem damit.“ Mit fragend hochgezogenen Augenbrauen sah Daniel Dustin an. Es wäre wohl wirklich die beste Lösung wenn Dustin, wie er ohnehin schon vorgehabt hatte, das Wochenende in einem Hotel verbrachte. Seine Mutter hatte ihn gerade einmal eine Minute gesehen und schon hatte Dustin ein Pflaster auf der Stirn kleben. Man hörte es im Wohnzimmer Scheppern und Dustin seufzte tief. „Ich glaube nicht, dass ich dich mit diesem Monster allein lassen kann“, meinte er entschieden und begann eine Nummer mit dem Telefon zu wählen. „Ethan sollte jedoch besser nicht herkommen.“ Er rief seinen Engländer an und erklärte die Situation. Dustin hatte einmal alles über sich erzählt und Ethan wusste, warum es so wichtig war, dass er jetzt nicht herkam. „Und, was hat er gesagt?“, wollte Daniel wissen, nachdem Dustin aufgelegt hatte. Es hörte sich fast so an, als ob Ethan nicht viel Erklärungsbedarf auf Grund dieser Situation hatte. Jedenfalls hatten sie die Angelegenheit schnell am Telefon geklärt. Aber es war wohl verständlich, dass er als Dustins Freund auch alles über dessen Vergangenheit wusste. „Nun, er hat es eingesehen“, sagte Dustin halblaut und sah einen Moment verträumt auf das Telefon. Allein wenn er Ethans unschuldig klingende Stimme hörte, wurde ihm warm und er bekam das Bedürfnis, ihn wieder bei sich zu haben. Kopfschüttelnd legte er den Hörer beiseite und sah dann zu Daniel. „Willst du Serdall nicht Bescheid sagen, was hier los ist? Ich glaube es würde ihn ziemlich aufregen, wenn er herkommt und du ihn nicht informiert hast.“ „Ja, ich glaube auch“, seufzte Daniel und gab Jana ihr Trinken. „Ich fürchte bloß, dass er auf Grund der letzten Vorkommnisse hier vielleicht seinen Wettbewerb sausen lässt und das will ich auch nicht. Allerdings ist mir das dann doch lieber, als wenn er wütend auf mich ist.“ Dustin runzelte nachdenklich die Stirn. Es würde Serdall zur Weißglut bringen, dass Grace die Einrichtung demolierte und Daniel und ihn beschimpfte, doch würde er deswegen gleich hereilen? „Naja, aber was sollen wir mit ihr machen? Rauswerfen lässt sie sich nicht und ruhig bleibt sie auch nicht, wenn wir sie hierlassen.“ „Wir könnten sie im Wohnzimmer einsperren und ignorieren“, schlug Daniel vor. „So demoliert sie wenigstens nur einen Raum.“ Sein aufgesetztes Lächeln schwand und er stützte frustriert das Kinn in die Hand. Irgendwie waren alle möglichen Alternativen gerade ziemlich bescheuert. „Egal was wir machen, es bringt nicht viel“, bestätigte Dustin ihm und erhob sich dann. „Ruf du jetzt Serdall an und frag ihn, was wir tun sollen. Ich versuche derweil noch einmal mit ihr zu reden. Vielleicht kriegt sie sich ein“, murmelte Dustin und straffte sich, um dann in Richtung Wohnzimmer zu gehen. Sofort begann Frau Canter zu keifen, als sie Dustin sah und wieder mit Gegenständen zu werfen. Seufzend schnappte Daniel sich das Telefon, das Dustin auf dem Tisch liegengelassen hatte und wählte Serdalls Handynummer. Jana hatte inzwischen aus Langeweile angefangen, ihre letzten beiden Häppchen Leberwurstbrot über ihr Tischchen zu verteilen, doch Daniel kümmerte sich jetzt gerade nicht darum. Gleich, wenn er fertig war mit telefonieren, aber erst einmal wollte er das hinter sich gebracht haben. Es dauerte ein wenig bis Serdall heranging und sich etwas verwirrt meldete. „Hey Dan, alles in Ordnung? Ich bin gleich dran mit meinem vorletzten Solo“, meinte er und man hörte, wie die Sohlen seiner Lackschuhe auf einem harten Boden wiederhallten. Daniels Herz machte einen kleinen, entsetzten Hüpfer. Er hätte nicht erwartet, dass er stören würde. „Entschuldige, ich dachte, ich erwische dich in einem entspannten Moment. Du hast dich bis jetzt noch gar nicht gemeldet und ich wollte einfach mal hören, wie es dir geht und wie es läuft. Rufst du an, wenn du etwas Luft hast?“ „Du störst nie, aber es ist nur gerade ungünstig, weil ich auf dem Weg zur Bühne bin“, lächelte Serdall. „Und es tut mir leid, dass ich mich noch nicht gemeldet habe, aber bisher läuft ein Auftritt nach dem anderen und immerzu wollen irgendwelche Leute meine Hand schütteln. Ich vermisse dich wahnsinnig, Prinzesschen“, seufzte Serdall halblaut und blieb plötzlich stehen. „Ich komme nach Hause, sobald ich den letzten Auftritt hatte, okay?“ „Okay. Komm schnell“, murmelte Daniel und seufzte schwer. „Ich vermisse dich“, setzte er noch im nächsten Moment nach, damit Serdall nicht schon jetzt anfing, Fragen zu stellen. Das verschoben sie am besten auf die Zeit nach dem Auftritt. „Daniel, ist irgendetwas? Du hörst dich seltsam an. Geht es Jana und Taki gut?“ Serdall begann sich Sorgen zu machen. Er war zwar erst ein paar Stunden weg, doch Daniel schien irgendetwas zu bedrücken und nicht sagen zu wollen. „Wenn du willst, komme ich auch gleich zurück, du musst es nur sagen. So wichtig ist das Ganze auch nicht.“ „Taki und Jana geht es gut“, sagte Daniel schnell. Stimmte ja auch. Taki hatte von all dem hier noch gar keine Ahnung und Jana war bislang auch noch nicht betroffen. Außerdem würde Daniel es abgrundtief schrecklich finden, wenn Serdall früher wiederkam, nur weil er sich mit Dustin nicht gegen eine einzelne Frau durchsetzen konnte. „Bring du deine Vorführung zu Ende und dann reden wir, okay?“, fügte Daniel noch an. Serdall schien nicht zufrieden mit dem Ausgang dieses Gesprächs, aber jemand rief ihn auf, sich zur Bühne zu begeben. „Gut. Ich denke morgen Abend schaffe ich es schon daheim zu sein.“ Er wollte die Preisverleihung sowieso nicht miterleben, die am folgenden Vormittag stattfand. „Bis dann, Prinzesschen und pass auf dich auf“, sagte er schnell. „Klar“, schaffte Daniel noch zu erwidern, bevor Serdall aufgelegt hatte. Seufzend platzierte er das Telefon wieder auf dem Tisch, wischte Jana Mund und Hände ab, räumte das Geschirr weg und nahm seine Tochter dann auf den Arm, um vorsichtig um die Ecke zum Wohnzimmer zu schauen. „Du kannst das Haus haben, verdammt nochmal!“, rief Dustin jetzt und hielt das Silbertablett aus dem vordersten Regalschrank vor sich und wehrte so einen Tasse ab, die seine Mutter auf ihn warf. „Du sollst nicht in meiner Gegenwart fluchen, du perverser Abschaum! Und das Haus gehört sowieso mir. Dein Vater hatte zum Schluss eh einen Knall gehabt!“, kreischte sie und warf einen Löffel, der scheppernd am Metall abprallte. „Und was willst du dann noch hier? Du kannst zurück nach Kalifornien. Serdall legt keinen Wert auf dich!“, erwiderte Dustin laut und duckte sich leicht, als seine Mutter eine Vase warf. „Woher willst du das wissen? Du hast ihn doch infiziert mit dieser Pest, dieser Krankheit! Verbrennen sollte man dich! Wegsperren!“ „Hallo?“, machte Daniel sich laut bemerkbar. Frau Canter hielt in ihren Beschimpfungen und inne und schmiss vorerst keine ihrer Sachen mehr durch das Wohnzimmer in Richtung Dustin. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie diese Angelegenheit Ihrem Alter gemäß regeln und nicht unsere gesamte Einrichtung demolieren. Außerdem sind Kinder in diesem Haus, die Ihr Geschrei eventuell auch nicht so prickelnd finden.“ Schnaubend schüttelte er den Kopf. Selbst wenn er versuchte, die Abneigung von Dustins Mutter zu verstehen, was er nicht tat, wie auch, war es trotzdem einfach lächerlich und kindisch, wie sie sich aufführte. Doch bevor Daniel reagieren konnte, schmiss Frau Canter eine der Fernbedienungen gegen seinen Oberschenkel. „Ich soll mich anständig verhalten? Du hast mir gar nichts zu sagen! Im Fegefeuer wirst du brennen, du Sünder! Gotteslästerer! Von wem hast du dieses Kind geklaut? Welche arme Mutter weint um dieses liebe Mädchen, na?“, kreischte sie und wieder flog etwas, doch Dustin stellte sich schützend vor Daniel und Jana und der Teller traf ihn in den Rücken. Sein Gesicht verzog sich im Schmerz, während er Daniel aus dem Wohnzimmer schob und die Tür hinter sich schloss, was Frau Canters Beschimpfungen nur minimal dämpfte. „Alles okay?“, fragte Daniel über Janas Weinen hinweg. Er hätte sie für die paar Minuten, die er weg war, in der Küche lassen sollen. Es war klar, dass Frau Canter nicht ruhig bleiben würde und Jana war mal wieder vollkommen erschrocken, als auf einmal etwas auf sie und ihren Vater geschmissen wurde. „Sie ist verrückt“, meinte Daniel kopfschüttelnd. Dustin rieb sich ächzend über die Stelle, an der er getroffen worden war. „Geht so“, meinte er halblaut und strich Jana dann mitfühlend über den Kopf und über die Wange, um sie ein wenig zu beruhigen. „Sie war schon immer so. Naja, früher konnte sie mich noch niederringen, heute schmeißt sie eben mit Gegenständen, um mich zu verletzten und alle anderen, die so sind wie ich“, seufzte er halblaut, zog ein frisches Taschentuch aus seiner Hosentasche und trocknete Janas Wangen. Daniel nickte mitfühlend, nahm Dustin das Taschentuch ab und schob ihn wieder in Richtung Küche. „Wir sollten das kühlen“, sagte er entschlossen. „So halten wir wenigstens den blauen Fleck etwas in Grenzen und du siehst nicht so aus, als ob du gerade aus dem Boxring gestiegen wärst oder so. Sind noch irgendwelche Stellen betroffen?“ Er drückte Dustin Jana in die Hand und holte eine kalte Kompresse aus dem Gefrierfach heraus. Jana fest an sich drückend, zischte Dustin leise, als Daniel die rote Stelle kühlte und die Kompresse dagegen drückte. „Ach, ansonsten nur ein paar Treffer an den Beinen. Das ist alles halb so wild. Das, was wirklich schmerzt, ist innendrin“, seufzte er traurig. Er hätte nicht gedacht, dass es ihn immer noch so mitnehmen würde, dass seine Mutter ihn hasste, aber jetzt merkte er wieder, dass es ihn doch nicht kalt ließ. Besonders da sein Vater gestorben war und sie immer noch nur den Abschaum in Dustin sah. Er stellte fest, dass er irgendwo in sich doch noch eine leise Hoffnung gehabt hatte, dass sie ihm irgendwann einmal verzieh, doch jetzt schien sie ihn wirklich nur noch zu hassen und nirgends in ihm ihren Sohn zu sehen. „Hey“, meinte Daniel leise und umschloss Dustins Gesicht mit den Händen. „Sie ist es nicht wert, dass du ihr so nachtrauerst. Also nicht ihr, sondern der Mutter-Sohn-Beziehung. Außerdem habt ihr euch die letzten Jahre ohnehin nicht gesehen und du hast hier neue Menschen gefunden, die das doch um Längen wett machen, oder nicht? Sag jetzt nichts Falsches, ansonsten erzähle ich das Ethan“, fügte Daniel noch mit einem kleinen Lächeln hinzu. „Ja, stimmt“, meinte Dustin leise und senkte die Lider. „Trotzdem tut es schon weh, wenn die eigene Mutter einem nur noch Verachtung entgegenbringt und mein Vater gerade gestorben ist. Sie ist die einzige Verwandtschaft, die ich jetzt noch habe und sie hasst mich“, seufzte er und ließ sich von Daniel in eine Umarmung ziehen, wobei Jana zischen ihnen nun leise lachte. Dustin lächelte schief und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Die Kleine war wirklich ein Sonnenschein. „Wollen wir nicht irgendein Kartenspiel oben spielen oder zusammen Fernsehen? Ich mag jetzt nicht allein sein.“ „Okay“, stimmte Daniel zu. „Ich bringe nur noch Jana ins Bett und komm anschließend nach. Dann haben wir wirklich etwas Zeit für uns. Und hey“, meinte er noch schnell, als Dustin sich schon lösen wollte, „mach dir nicht zu viele trübsinnige Gedanken darüber. Übermorgen reist deine Mutter wieder ab, du hast deinen Ethan zurück und lebst dein Leben einfach so weiter, wie es bislang war.“ Daniel hauchte Dustin noch einen kleinen Kuss auf die Lippen. Er spürte, dass er das jetzt einfach brauchte. Dustins Augen weiteten sich leicht und er lächelte dann ehrlich. Wenn Serdall davon erfahren würde, würde wohl die Hölle losbrechen, aber Dustin war nicht geneigte es ihm zu erzählen. So etwas war nun wirklich nicht sehr schlimm. Sie gingen nach oben. Dustin bog in der zweiten Etage in sein Zimmer, während Daniel weiter nach oben ging. Er wartete darauf, dass Daniel wiederkam und setzte sich auf das kleine Sofa in der Ecke, auf dem man gut zum Fernseher blicken konnte. Dustin wurde sich bewusst, dass er und Daniel schon ewig nicht mehr allein beisammen gesessen hatten und Dustin war froh, dass der Schwarzhaarige jetzt bei ihm bleiben würde. In diesem Moment entsann er sich an die Zeit, in der er mit Daniel zusammen gewesen war. Wo das Ganze auf und ab zwischen Serdall begonnen hatte. Unweigerlich musste Dustin lächeln. Das war damals echt nur Chaos gewesen. Als Daniel schließlich reinkam hatte Dustin schon irgendeinen Film aus ihren diversen Pay-TV Kanälen eingeschaltet. Daniel setzte sich ebenfalls auf das Sofa und lehnte sich leicht gähnend an Dustin. Nachdem er Jana ins Bett gebracht hatte, war er selbst auch immer kurz müde, bis seine Lebensgeister wieder zu ihm zurückgekehrt waren. „Und deine Mutter darf im Wohnzimmer übernachten?“, fragte Daniel, während er träge auf den Fernsehbildschirm starrte. Dustin legte wie von selbst einen Arm um Daniel und zappte weiter durch das Programm. „Was heißt darf?“, murrte er. „Sie nistet sich doch einfach ein“, knurrte er und blieb zufrieden auf einem Kanal hängen, der direkt für Schwule ausgelegt war und den er eigentlich immer mit Ethan ansah. „Hauptsache sie ist wirklich bald weg von hier und lässt mich endlich in Ruhe.“ „Ja, schon. Halt mich für vollkommen verrückt, aber trotz der ganzen Scheiße, die sie hier schon angestellt hat, finde ich es doch etwas zu krass, sie einfach dort unten schlafen zu lassen. Immerhin ist sie schon älter, auch wenn sie das durch ihr, nun, Temperament gut kaschiert.“ Seufzend ruckelte Daniel sich noch ein wenig zurecht und griff nach der Wolldecke am Ende des Sofas. Interessiert sah er sich kurz die Liebesromanze über ein schwules Pärchen an. „Ich wusste gar nicht, dass wir sowas hier empfangen können“, murmelte er. Dustin ließ die Sache über seine Mutter unkommentiert. Egal wie alt diese Schreckschraube war, er wünschte ihr die Pest an den Hals. Nun, indirekt hatte sie die ja schon, in Form ihres Sohnes. Er seufzte. Dustin beschloss, dass er das Thema jetzt beiseite schob. „Wir empfangen auch noch viel bessere Sachen“, grinste er im nächsten Moment und schaltete um. Augenblicklich sahen sie zwei Männern beim Sex zu. „Das läuft den ganzen Tag, wenn man es abonniert hat“, erklärte er grinsend und legte leicht den Kopf schief. Erstaunt riss Daniel die Augen auf und setzte sich ein kleines Stück aufrechter hin. Er hatte noch nie einen Schwulenporno gesehen. Interessiert sah er dem augenscheinlich älteren der beiden Männer dabei zu, wie er den Jüngeren über der Sofalehne hart nahm. „Da kann man noch was lernen“, meinte Daniel mit leicht trockner Kehle. Diese Bilder ließen ihn nicht kalt, allerdings war es wirklich mal eine neue Erfahrung, sich sowas anzusehen. Dustin biss sich auf die Lippe. Das konnte doch jetzt nicht Daniels Ernst sein. „Sag jetzt nicht, du hast dir noch nie sowas angeguckt? Himmel, was machen Serdall und du denn sonst?“, fragte er perplex und zog eine Augenbraue nach oben, als er beobachtete wie Daniel langsam rot im Gesicht wurde. Dustins Herz begann schneller zu schlagen. Daniel war schon immer attraktiv gewesen, aber im Moment war er wieder einmal unwiderstehlich. Klar, sie waren Freunde, aber man durfte nie vergessen, dass sie einmal viel Sex miteinander gehabt hatten und das war bis heute noch sehr präsent in Dustins Kopf. „Wir machen Sex, aber wir gucken keinen Sex“, erwiderte Daniel kopfschüttelnd und sah dabei zu, wie der jüngere Kerl seinen Lover jetzt zum Schluss mit einem Blowjob abfertigte. Etwas peinlich berührt stelle er fest, wie seine Hose doch langsam ziemlich eng wurde und sich ein erwartungsvolles Kribbeln in seinem Bauch breit machte. Er wusste gar nicht, dass er auf sowas stand. Irgendwie war das leicht pervers, oder? „Ich meine, bislang haben wir es auch so ganz gut hinbekommen und brauchte nichts zur Einstimmung“, fügte er noch an. Leise lachend wandte Daniel sich Dustin zu und wurde schlagartig ruhig. Dustins Blick war so durchdringend, die Art so bekannt. „Das ist keine gute Idee“, flüsterte Daniel heiser. „Du hast recht“, erwiderte Dustin rau und seine Hand legte sich automatisch an Daniels Wange. Langsam beugte er sich vor. Daniels Geruch war so vertraut, das Gefühl von seiner Haut so angenehm und die Wärme, die er ausstrahlte, ungemein anziehend. Es war alles so bekannt und Dustin wusste, was dies alles bedeutete. Millimeter vor Daniels Lippen stoppte er und sah ihm in die himmelblauen Augen. Eine leise Frage, Verlangen und Lust konnte man in Dustins Blick lesen, als er seine andere Hand in Daniels Nacken schob. „Eine ganz schlechte Idee“, meinte er noch leise, bevor sich ihrer Münder heiß trafen. Ende Kapitel 3 Hosted by Animexx e.V. 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