Lunatismus von abgemeldet (Ruhmreiche Rumtreiber) ================================================================================ Kapitel 20: - Von Wölfen und Menschen - --------------------------------------- A.N.: Ein kleines Kapitel, dass die Sache endgültig ins Rollen bringen soll. Ich danke euch, für die vielen Kommentare und Kekse und sage: MEHR DAVON! ^-^ ENJOY! ------------------------------ - Von Wölfen und Menschen - Sirius erwachte in dieser Nacht durch ein leises Klicken. Er öffnete die Augen und wusste zunächst nicht, was dieses Geräusch verursacht hatte. Zuerst dachte er, er hätte es sich vielleicht nur eingebildet, aber dann erinnerte er sich daran, dass die Tür zum Schlafsaal genau dieses Geräusch verursachte, wenn man sie zu schließen versuchte. Als er sich in seinem Bett aufsetzte gewöhnten sich seine Augen an die spärlichen Lichtverhältnisse, die der Mond dem Raum spendete und sah sich um. Aus Peters Bett ertönte ein gleichmäßiges, leises Brummen, das im Laufe der Nacht wahrscheinlich noch zu einem sägenartigen Schnarchen heranwachsen würde und durch James' offene Vorhänge hindurch konnte er seinen besten Freund friedlich schlummernd liegen sehen, den Mund weit geöffnet, was ihn entgegen seiner Natur ein wenig dümmlich aussehen ließ. Sirius wendete seinen Blick nach rechts und erwartete, die zugezogenen Vorhänge von Remus' Bett sehen zu können, doch stattdessen waren diese weit geöffnet und das Bett leer. Nun hellwach drehte sich Sirius zu seinem Wecker um, der ihm zeigte, dass es fast Drei Uhr in der Früh war. Vorsichtig, um die beiden schlafenden Jungen nicht zu wecken, entstieg Sirius seinem Bett und tapste leise hinüber zur Tür. Er fröstelte ein wenig, weil er wie immer nur seine Pyjamahose trug, aber schon nach kurzer Zeit störte es ihn nicht mehr. Nachdem er die Tür des Schlafsaals so leise wie möglich hinter sich geschlossen hatte, schlich er hinunter in den Gemeinschaftsraum, der sich in Mondlicht getaucht am unteren Treppenabsatz erstreckte. Dort angekommen schaute er sich mit seinen scharfen, grauen Augen um und sah schließlich, dass Remus auf dem langen Sofa vor dem erloschenen Kamin saß, das Kinn auf die Knie gestützt und die Arme fest um die Beine geschlungen. „Remus?" sprach Sirius vorsichtig und näherte sich dem Sofa. Remus drehte sich nach ihm um. Seine Augen glitzerten hell im Mondschein. „Oh, habe ich dich geweckte?" sagte er entschuldigend. Sirius setzte sich neben ihn, die Beine zu einem Schneidersitz verschränkt. „Nein." Sie beide wussten, dass er log, aber es war nicht schlimm. Eine Zeit lang herrschte Stille zwischen ihnen, während sie vor sich hin starrten. Dann ergriff Sirius das Wort. „Bist du schon lange... also...Ich meine...Remus, seit wann ... bist du ein Werwolf?" In dem Moment, da die Worte seinen Mund verlassen hatten, hätte Sirius sich ohrfeigen können. Seine Frage war nicht gerade sehr taktvoll formuliert gewesen und das letzte, das Remus jetzt brauchte, war ein neugieriger Grobian wie Sirius selbst einer war. Doch Remus fand Sirius' unbeholfene Art weder grob noch taktlos. Er fand es niedlich. Ein gütiges Lächeln, das im Laufe der Jahre zu seinem Markenzeichen werden würde, zeigte sich in seinem Gesicht, als er antwortete. „Ich war noch sehr klein, als ich gebissen wurde. Ich glaube, es war kurz nach meinem sechsten Geburtstag." „Wie ist das passiert?" fragte Sirius und fügte hastig hinzu: „Wenn du es nicht erzählen willst, dann ist das okay." Remus presste die Lippen kurz aufeinander und gab sich seinen Erinnerungen hin, während er auf die Asche im Kamin starrte. „Der Name des Werwolfs, der mich gebissen hat, ist Fenrir Greyback. Wir waren in der Winkelgasse unterwegs, um für eine Eltern einige Einkäufe zu erledigen. Ich fand es immer ganz toll, wenn wir Ausflüge in die Winkelgasse machten. Ich kam nicht so oft dazu andere magische Dinge zu sehen. Wir wohnen in einer ausschließlich von Muggeln bewohnten Gegend und die Kollegen meiner Mutter sind auch alle Muggel." Einen kurzen Moment lang schwieg Remus, bevor er fortfuhr. „Greyback hat meine Mutter in der Winkelgasse sehr grob beiseite gestoßen. Meine Mutter ist muggelstämmig und trägt so gut wie nie Umhänge oder andere Kleidung für Hexen und Greyback hat sie irgendwie beleidigt. Ich weiß nicht mehr genau, was er gesagt hat, aber es hat meinen Vater sehr wütend gemacht. Er hat Greyback als Dreckskerl bezeichnet. Wenn nicht so viele Leute drum herum gestanden hätten, dann wäre Greyback wahrscheinlich schon damals zum Angriff übergegangen, aber er überlegte es sich anders. Er hat meinen Vater mit seinen grässlichen Augen ganz lange zornig angesehen, so als wollte er ihm drohen und dann fiel sein Blick auf mich. Ich hatte furchtbare Angst." Wieder schwieg Remus für eine Weile. Diese Geschichte war so lange her und Remus wollte sie richtig wiedergeben. Er hatte sie seinen Freunden zu lange vorenthalten. „Zwei Wochen später war Vollmond. Wir haben ein sehr kleines Haus in der Nähe von Hastings. Es steht an einem kleinen Wald und nicht weit entfernt ist das Meer. Wenn es nachts ganz ruhig ist, dann kann man die Brandung hören. Deshalb hat meine Mutter immer das Fenster in meinem Zimmer offen gelassen. Später hat sie sich deswegen große Vorwürfe gemacht, aber Greyback wäre auch anders in unser Haus gekommen, da bin ich mir sicher." Sirius erschauderte bei dem Gedanken, dass ein blutrünstiger Verrückter nachts durch sein Schlafzimmerfenster klettern könnte. „Er ist in euer Haus gekommen? In dein Zimmer?" hakte er nach. Remus nickte. „Er hat mich gebissen, um sich an meinem Vater zu rächen und weil es seiner Philosophie entspricht." Sirius legte die Stirn in Falten und Remus erklärte. „Jede Aktion ruft eine Reaktion hervor. Werwölfe sind nicht zu unrecht als gefährlich verschrien. Wir sind es wirklich, das kannst nicht einmal du abstreiten. Und weil wir ein Mal im Monat so unglaublich gefährlich für alle Menschen um uns herum sind, werden wir aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Angst lässt die Menschen sehr... grausame Dinge tun, Sirius. Angst lässt die Menschen wütend werden. Wütend auf die, die die Angst hervorrufen. Und die Wut, die uns von den Menschen entgegenschlägt, bewirkt bei vielen Werwölfen die gleichen Gefühle: Enttäuschung und Angst davor, ausgeschlossen zu werden. Weil man so viel Angst vor dem hat, was wir eine Nacht im Monat sind, werden wir auch in der Zeit, in der wir menschlich sind gemieden. Wir bekommen nur sehr schwer einen Job, niemand will Werwölfe in seiner unmittelbaren Nachbarschaft haben, ich dürfte Hogwarts nicht besuchen, wenn alle über meinen Zustand bescheid wüssten. Welche Eltern würden ihr Kind schon mit einem Werwolf in die gleiche Schule gehen lassen?" Remus seufzte. „Ich kann die Sorgen und Ängste der Leute verstehen, Sirius. Ich weiß, was für eine Bestie in mir wohnt." Sirius verzog das Gesicht, als er das Wort Bestie aus Remus' Mund hörte, doch bevor er Einspruch erheben konnte, setzte Remus seine Erzählung fort. „Aber der Ausschluss von Werwölfen aus der Zauberergemeinschaft führt dazu, dass aus der Enttäuschung und der Angst der Werwölfe etwas sehr böses wird, nämlich Wut und Zorn und Hass. Sie fühlen sich unverstanden und leben ganz elendig am Rande der Gesellschaft. Und manche von uns..." Remus wusste nicht, was er sagen sollte. Wie konnte er seinem Freund erklären, dass der Fluch, der auf einem Werwolf lastet, nicht mit dem Vollmond aufhört? „Manche von uns, vergessen wegen all ihrem Zorn und ihrem Hass, dass es falsch ist andere Menschen absichtlich zu verletzten. Sie gehen mit voller Absicht vor den Verwandlungen in Siedlungen, um während des Vollmonds möglichst viele Opfer zu haben. Nicht alle tun das, Sirius, das musst du mir glauben. Aber die, die das tun, sind Schuld daran, dass kein Werwolf, nicht einmal einer, der sich die größte Mühe gibt niemandem etwas zu tun, in der Zauberergemeinschaft akzeptiert wird." Sirius schaute seinen Freund fassungslos an. „Und Greyback ist so ein Werwolf?" Wieder nickte Remus. „Greyback glaubt, dass man Kinder, die früh gebissen wurden, leichter zu der Einstellung zu erziehen sind, dass alle Menschen den Werwölfen Böses wollen, dass diese Gesellschaft schlecht ist und die Werwölfe sich nur mit Gewalt dagegen wehren können. Er dachte wahrscheinlich, dass meine Eltern mich verstoßen würden, wenn ich mich auch jeden Monat in eine reißende Bestie verwandeln würde." „Aber sie haben dich nicht verstoßen." stellte Sirius fest. Es beruhigte ihn zu wissen, dass Remus' Eltern für ihren Sohn da waren und nicht vergaßen, dass Remus mehr war, als der Wolf, der einmal im Monat hervorkam. „Meine Eltern sind großartig. Sie haben alles versucht, um mir zu helfen, aber für Lycantrophie gibt es keine Heilung. Sie haben mir geholfen zu akzeptieren, dass ich anders bin und damit zu leben. So gern ich es würde, aber ich kann nicht ändern, dass ich ein Werwolf bin." Sirius wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Nie in seinem Leben hatte er sich dem Problem eines anderen Menschen annehmen wollen und nun, da er tatsächlich jemandem helfen wollte, konnte er es nicht, weil das Problem eine Dimension annahm, mit der Sirius noch nie konfrontiert gewesen war. Sie schwiegen eine Weile, bis Sirius eine erneute Frage plagte. „Als du dich zurückverwandelt hast gestern Nacht, da... Es hat sich ganz fürchterlich angehört. Ich dachte, du-" Einen Moment lang dachte Sirius, dass er den Satz nicht zuende bringen konnte, aber er musste es sagen, sonst würden ihm die Worte ewig auf der Seele lasten. „Ich dachte, du stirbst." Remus war nicht sicher, was er Sirius darauf entgegnen sollte. Er wollte seinen Freund weder belügen noch beunruhigen. Er entschied sich für die Wahrheit. „So fühlt es sich auch an." gab Remus zu und presste erneut die Lippen aufeinander. „Es ist, als wenn etwas mit ungeheurer Kraft an deiner Haut, deinen Muskeln, deinen Knochen reißen würde. Du hörst dein eigenes Blut in den Ohren rauschen und spürst, wie sich dein ganzer Körper gewaltsam verändert. Es ist... grauenvoll." Sirius musste daran denken, wie furchtbar er sich gefühlt hatte, als Remus in der Nacht auf den kalten Dielen in der Heulenden Hütte vor ihm gelegen hatte, wie flach sein Atem gewesen war und wie sich das Blut in einem dunklen Rot gegen seine aschfahle Haut abgezeichnet hatte. „Und der Wolf?" fragte Sirius, nachdem er den argsten Schauer überwunden hatte. „Wie ist das mit ihm?" „Niemand hat seinen inneren Wolf unter Kontrolle." erklärte Remus. „Ich habe absolut keine Ahnung was passiert während ich ein Werwolf bin. Es ist, als würde mein Geist in eine dunkle Ecke gedrängt. Ich verliere jede Kontrolle und bin nicht mehr ich selbst. Verstehst du? Ich bin noch da, irgendwo in mir, aber ich kann nicht mehr durch meine Augen sehen, kann mich nicht mehr kontrollieren. Ich fühle nur noch das, was der Wolf fühlt. Er denkt sehr einfach, obwohl er ein durchaus intelligentes Wesen ist. Er denkt immer das gleiche: Fleisch, Blut... Allein." „Allein?" Remus nickte heftig. „Wölfe sind Rudeltiere." erzählte er. „In der Gesellschaft von anderen Wölfen geht es uns gut. Aber wenn wir alleine sind, dann sind wir sehr viel gefährlicher, gewalttätiger." Das letzte Wort verschluckte Remus beinahe. Eine Weile saßen sie schweigend vor dem Kamin und hingen ihren Gedanken nach. Für Remus war es das erste Mal, dass jemand ihn nach solchen Details fragte. Seine Eltern hatten sich viel zum Thema Werwölfe angelesen und halfen ihrem Sohn so weit wie sie konnten, aber die meiste Zeit des Monats versuchten sie die Krankheit ihres Sohnes nicht anzuschneiden. Sie fragten nie nach dem Wolf, weil sie ihn für etwas völlig Fremdes hielten, das nicht zu ihrem Sohn gehörte. Remus aber hatte mir den Jahren lernen müssen, dass der Wolf ein Teil von ihm war. Viele Gefühle, die sie in Remus vor dem Vollmond aufstauten, entluden sich bei jeder Verwandlung durch den Wolf, denn dieser verstand nichts von Zurückhaltung oder Selbstbeherrschung. Der Wolf war das Ventil für die angestauten Frustrationen in Remus und das fürchtete er ebenso, wie er es schätzte. Außerdem teilte Remus noch ein weiteres Gefühl mit dem Wolf, nämlich den tiefen Wunsch nach Zugehörigkeit zu einer festen Gruppe. Remus hatte in diesem Zusammenhang bereits einiges über Peer-Group und soziale Bezugssysteme bei Mensch und Tieren der Gattung Canis gelesen und war zu der Überzeugung gelangt, dass der Wolf und er selbst, bei allem was sie voneinander unterschied, auch vieles gemeinsam hatten. Unterdessen stellte Sirius ganz andere Überlegungen an. Die Konfrontation mit dem Problemen seines Freundes ließ alles in Sirius rumoren: Seine Gefühle und Gedanken überschlugen sich. Fassungslos stand er vor dem riesigen Berg an täglichen Herausforderungen, denen sich Remus gegenüber sah. Er dachte an die Ängste, die Remus ausstehen musste: Angst davor, entdeckt zu werden, jemanden zu verletzen, sich selbst schwer zu verletzen, vor Verfolgung, davor, von seinen Freunden verlassen zu werden, vor der Zukunft im Allgemeinen. Wie konnte Remus, ein dreizehnjähriger Junge, der noch dazu weitaus weniger physische Kräfte zur Verfügung hatte, als andere Junge in seinem Alter, mit all diesen Dingen fertig werden und trotzdem ein so liebenswürdiger Mensch sein? Sirius dachte an die vielen Tage, an denen sich Remus damit abgemüht hatte, James Mut zuzusprechen, wenn es um Evans ging, an denen er viel Zeit aufgebracht hatte, den hoffnungslos überforderten Peter bei den Hausaufgaben zu helfen und an denen er sich Zeit genommen hatte, um sich Sirius' Familienprobleme anzuhören. Remus war für sie alle da gewesen, während er selbst mehr als genug Probleme am Hals hatte. Was Sirius außerdem in Rage versetzte, war die scheinbare Ignoranz des Ministeriums. So wie Remus die Situation der Werwölfe schilderte, das es nicht richtig, was der Minister und seine Beamten anstellten. Man konnte doch anderen Menschen nicht aufgrund der Tatsache, dass sie eine Nacht im Monat groß und pelzig waren (und gefährlich, aber diesen Gedanken ließ Sirius nicht zu), ein erfülltes Leben verweigern. „Ich denke," sprach Sirius bedächtig. „Unter all den Menschen, die ich bisher kennengelernt habe, bist du derjenige, der am wenigsten ein Monster ist." Remus blickte Sirius mit großen, treuen Augen an, sein Gesicht vom weißen Mondlicht erleuchtet und mit einem dankbaren Ausdruck gezeichnet. Sirius lächelte und nahm Remus' Hand in seine. Und plötzlich fühlte er sich um einiges erwachsener. --------------------- ... to be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)