Vergessen von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 1: Vergessen -------------------- Disclaimer: Alles meine, alle Ähnlichkeiten mit Lebenden, Toten oder sonstigen Personen oder Orten und Begebenheiten sind rein zufällig und keines Wegs beabsichtigt. Viel Vergnügen Eure Naoko Vergessen Warum hatte er seine Laterne vergessen? Warum…? Er wusste genau, dass sie auf der Leiter stand, die am Haus seiner Schwester lehnte und auf den Heuboden führte. Hell erleuchtet auch noch. Aber da nützte sie ihm reichlich wenig. Normaler Weise störte sie ihn eigentlich nur. Sie war unhandlich, viel zu schwer, um sie stundenlang vor sich herzuschleppen und schon ziemlich klapprig. Er hasste sie. Und genau heute hatte er sie vergessen, in einer Nacht, in der keine Sterne zu sehen waren und der Mond es vorzog Verstecken zu spielen, hatte er sie vergessen, schlicht und einfach vergessen. Die Fenster der Hütte waren hell erleuchtet gewesen und in ihrem warmen Schein war dieses kleine Licht, das er jetzt so vermisste, nicht aufgefallen. Einfach untergegangen war es. Erst als das letzte Licht der Hütte schon hinter mehreren Biegungen verschwunden war, hatte er ihr Fehlen bemerkt. Zu spät, in einer Gegend in der die Wege kaum breiter waren als Trampelpfade und der Schnee, der in den letzten Tagen und Nächten gefallen war, selbst diese verschwinden ließ. Seine einzigen Anhaltspunkte waren seine eigenen Fußspuren, die er am Mittag hinterlassen hatte, aber wie sollte er die sehen, wo er kaum die Hand vor seinen Augen erkennen konnte? Mit Licht oder bei Tag kannte er diese Gegend besser als seine Westentasche, er war in und mit diesen Wäldern aufgewachsen, hatte sich manchmal tagelang in ihnen herumgetrieben, als er noch die Zeit hatte, bevor der Mann seiner Schwester weg musste, um wenigstens etwas Geld für seine kleine Familie zu verdienen. Die Schwester konnte gut allein klar kommen, aber als ihre kleine Tochter geboren wurde, brauchte sie Hilfe, besonders bei dieser Witterung, bei der das Brennholz meist nicht einmal zwei Tage reichte, wollte man nicht erfrieren. Fast jeden Tag ging er den Weg zu dem abgelegenen kleinen Häuschen, eine halbe Stunde dauerte es normalerweise. Bei Regen oder Schneefall etwas länger. Im Schlaf hätte er ihn gehen können, aber nicht im Dunkel dieser Nacht. Dabei war er nicht mal allzu spät losgegangen, er wäre weit vor zehn Uhr zurückkehrt, aber jetzt hörte er schon seit Stunden nicht mehr als den Schnee unter seinen Füßen. Immer wieder hatte er gehofft, hinter dem nächsten Baum die Lichter seines Dorfes zu sehen oder die Kirchglocke Mitternacht läuten zu hören, aber nichts als Dunkelheit hatte ihn erwartet. Seine Füße spürte er schon kaum noch und seine Hände hatte er soweit in den Taschen vergraben wie es nur ging, doch auch sie wurden immer kälter. Ständig stolperte er auf dem unebenen Boden gegen Bäume oder sackte durch den Schnee in tiefe Löcher. Panik machte sich in seinem Kopf breit, doch er ließ nicht zu, dass sie ihm den Verstand raubte. Er ging weiter, nur das konnte ihn retten, er musste nur einen Ort finden, der warm war oder an dem er Feuer machen konnte, wenn es dort trockenes Holz gab. Er musste nur diese eine Nacht überstehen. Nur noch ein paar Stunden, nur bis zum Sonnenaufgang. Nein, die Dämmerung reichte ihm, um zu sehen, wo er war. Wieder stolperte er, wieder lief er wie blind weiter und bemerkte gar nicht, dass der Boden unter seinen Füßen ungewöhnlich eben war und ihm keine Bäume mehr im Weg standen und sein Weiterkommen behinderten. Erst nach vielen weiteren Schritten erinnerte er sich an den kleinen See, an dem er im Sommer oft angelte, allein oder mit seinem Vater, und an dem es ein Bootshaus gab, eines mit einem kleinen Ofen. Doch seine Gedanken an das warme Bootshaus wurden von einem unangenehmen Knacken unter seinen Füßen unterbrochen. Er wollte rennen, aber wenn man das Ufer nicht sieht, kann man eigentlich nur in die falsche Richtung laufen und noch bevor er sich für irgendeine entscheiden konnte, gab das Eis unter ihm nach und seine Füße sanken ins Wasser. Tiefer, kälter, nässer wurde es um ihn herum und mit der letzten Kraft, die ihm in seinen halberfrorenen Händen und Armen geblieben war versucht er sich am Eis fest zu krallen. Vergeblich. Immer tiefer sank er, bis das Wasser ihn schließlich ganz einhüllte. Fast schwerelos glitt er in die Tiefe hinab und das letzte was er vor seinem inneren Auge sah, war das warme Licht einer alten, klapprigen Laterne auf einer Leiter. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)