Echte Kerle von moko-chan (Dean+Sammy) ================================================================================ Kapitel 10: Vermisst -------------------- Dean atmete einmal tief ein und dann langsam wieder aus – was bei Schwangeren funktionierte, konnte nicht völlig verkehrt sein – und zwang sich zur Ruhe. Gut möglich, dass ihm der Arsch völlig unnötig auf Grundeis ging und Sam einfach nur auf die Toilette gegangen war. Schließlich hatte er keine Ahnung, wie lange er abwesend aus dem Fenster gestarrt hatte – er konnte sich ja noch nicht einmal entsinnen, wie er zu seiner heißen Schokolade gekommen war – und da konnte er es Sam wohl kaum verübeln, wenn der sich mal eben kurz von ihm entfernte, ohne ihm Bescheid zu sagen – in der Tat war es sogar sehr gut möglich, dass Sam ihm Bescheid gesagt hatte, und er einfach nur zu versunken gewesen war, um es mitzubekommen. Zehn Minuten später war Dean sich allerdings relativ sicher, dass Sam nicht auf die Toilette gegangen war – sie hatten nichts zu sich genommen, was einen derartig langen Aufenthalt dort rechtfertigen würde – und nun erlaubte er seinem Arsch, auf Grundeis zu gehen. Wieso zum Teufel ging Sam ihm eigentlich ständig verloren?! Und wieso passierte das ausgerechnet immer dann, wenn er für eine Sekunde nicht aufpasste?! Na fein, dumme Frage, wenn er aufpasste, konnte das natürlich gar nicht passieren, aber eigentlich hätte man meinen können, Sam sei dazu in der Lage, auch mal einen Augenblick auf sich selbst aufzupassen. Offensichtlich war er das aber nicht, und deswegen kam Dean sich auch gar nicht dumm vor, als er sich nun am Tresen erkundigte, wo sein minderbemittelter Begleiter abgeblieben sei. Die Dame dahinter – ein bezauberndes Wesen in den späten Fünfzigern, die ihn sofort als überbesorgten großen Bruder entlarvte – schenkte ihm ein verständnisvolles Lächeln und ließ ihn wissen, dass der „nette junge Mann“ vor einer Weile zu den Toiletten verschwunden sei. Okay … hatte Sam irgendwas gegessen, was er ihm verschwiegen hatte? Dean runzelte die Stirn, bezahlte die heiße Schokolade und folgte den entsprechenden Schildern dann zu den Toiletten in die Katakomben des Etablissements, wo er keinen Sam, dafür aber eine aufgebrochene Hintertür fand. Er trat durch eben diese nach draußen, und natürlich ließen sich dort nicht die geringsten Hinweise auf Sammys Verbleib finden. Es gab weder Schwefelrückstände – sehr gut, keine doofen Dämonen, die ihm seinen Sammy entführt hatten – noch nahm er den Geruch von Ozon wahr, aber es war auch gut möglich, dass der sich inzwischen verflüchtigt hatte, und Sam von grantigen Geistern geraubt worden war. Wenn er genauer darüber nachdachte, war das allerdings höchstgradig unwahrscheinlich – mit ein paar Geistern wäre Sam dann doch noch fertig geworden, und die hätten es auch nicht nötig gehabt, die Hintertür aufzubrechen, und verschleppt hätten sie ihn erst recht nicht – das hätten höchstens die Geister der Geister getan, die sie vernichtet hatten, und das schloss sich irgendwie von selbst aus. Dean wusste nicht, was schlimmer war – der Fakt, dass Sam ihm mal wieder abhanden gekommen war, oder dass er nicht wusste, wo er nach ihm suchen sollte. Panik drohte über ihn zu kommen wie eine Flutwelle, und für einen Moment war Dean versucht, sich einfach wegspülen zu lassen, dann dachte er an Sam und seinen widerwärtig schnuffigen Hundeblick, und riss sich zusammen. Bruder oder nicht, er war für diesen Kerl verantwortlich, und das seit dem Moment, als er ihn aus ihrem brennenden Haus getragen hatte. Sam ächzte gequält und fand, dass die Bezeichnung „Kopfschmerzen“ für seinen momentanen Zustand völlig unzureichend war, und fühlte sich unangenehm an seine Visionen erinnert. Er blinzelte vorsichtig, zuckte zusammen, als Licht schmerzhaft auf seine Netzhaut traf, und er wäre wahrscheinlich vom Stuhl gefallen, wäre er nicht gefesselt gewesen – na so ein Glück. Die Fesseln hielten ihn wenigstens davon ab, sich selbst zu erwürgen – er konnte das den Bösewichten ja auch ruhig mal abnehmen – weil er es schon wieder irgendwie geschafft hatte, sich entführen zu lassen. Sam wollte lieber nicht daran denken, was Dean jetzt durchmachte, vorausgesetzt natürlich, der hatte überhaupt mitbekommen, dass er weg war. So wie Dean neuerdings alles um sich herum ausblendete, war es sehr gut möglich, dass er noch immer mit der inzwischen kalten ‚heißen’ Schokolade in der Hand in dem Café saß und LKW-Reifen große Löcher in die Luft starrte. Wie hatte er Dean in diesem Zustand auch nur eine Sekunde aus den Augen lassen können?! Plötzliche, völlig irrationale Angst um seinen Exbruder – er sollte wohl eher Angst um sich selbst haben, er war hier schließlich auf einen unbequemen Stuhl gefesselt und hatte noch dazu einen Knebel im Mund, der schmeckte wie eine alte Socke – bemächtigte sich seiner, und Sam brauchte eine Weile, bis er die Horrorszenarien aus seinem Kopf verbannen konnte, in denen Dean völlig verwahrlost als mürrischer Einsiedler endete, nur weil ER nicht auf sich selbst aufpassen konnte. Sam begann, sich trotz des unerträglichen Trommelns in seinem Hinterkopf in seinem Gefängnis umzusehen, und identifizierte es schließlich als handelsüblichen Wohnwagen. Na, das war doch mal was Anderes. Wo, im Namen alles Merkwürdigen, war er denn jetzt wieder gelandet? War es tatsächlich möglich, dass er diesmal nicht von etwas Übernatürlichem sondern von ganz normalen – wobei ‚normalen’ in diesem Fall relativ war – Menschen verschleppt worden war? Sam schloss die Augen, weil ihm schlecht wurde, und versuchte, ruhig zu atmen. Scheinbar hatte er eine Gehirnerschütterung – da konnte er wohl froh sein, dass er überhaupt wieder aufgewacht war. Er versuchte, seinem gequälten Schädel eine Idee für den Grund seiner Entführung abzuringen und erklärte diese Mission nach etwa dreißig Sekunden für gescheitert. Auch den Versuch, sich von seinen Fesseln zu befreien oder zumindest den Knebel loszuwerden – er wurde den Verdacht nicht los, dass es sich bei dem widerlichen Ding tatsächlich um eine alte Socke handelte – gab er bald wieder auf. So unangenehm es ihm auch war, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass Dean kam und ihn rettete – das hatte sonst ja auch immer ganz gut funktioniert. Sam konzentrierte sich darauf, gleichmäßig durch die Nase ein und aus zu atmen und versuchte zu verdrängen, dass es diesmal anders als sonst war. Sonst war Dean sein Bruder gewesen und nichts auf der Welt hätte ihn daran hindern können, alles dafür zu tun, damit Sam nichts geschah. Sam war sich nicht so sicher, ob das noch immer so war. „Danke Bobby – ich sag dir Bescheid, sobald er wieder auftaucht … Ja, natürlich werd ich ihn jetzt suchen! … Ja, mach’s gut.“ Dean seufzte, als er die Taste zum Auflegen auf seinem Handy drückte, und ignorierte das überwältigende Verlangen, das dumme Ding mit aller Kraft von sich zu werfen. Er hatte Bobby angerufen um sich ein paar Tipps und emotionalen Beistand zu holen – was er natürlich im Leben nicht zugeben würde, aber im Prinzip war es nun mal so, und selbst er brauchte ab und zu ein wenig Rückhalt – und Bobby hatte ihm keinerlei Tipps und nur minimalen emotionalen Beistand zuteil werden lassen, was ihn kurz zu dem verwerflichen Gedanken verführt hatte, dass die Zeiten, in denen Bobby sich als unglaublich nützlicher Fels in der Brandung erwiesen hatte, nun wohl endgültig vorbei waren. Dann hatte er sich unter schuldbewussten Selbstzerfleischungen eingestanden, dass selbst Bobby mit null Informationen keinen Masterplan entstehen lassen konnte, dass er weiterhin kaum erwarten konnte, dass er durch übertriebenes Mitgefühl seine eigene Männlichkeitsskala in Gefahr brachte, die er schon seit Jahren liebevoll pflegte und hegte, und inzwischen einen Highscore erreicht hatte, von dem Dean nur träumen konnte. Dean sah also davon ab, sein Handy als Wurfgeschoss zu missbrauchen, stattdessen ließ er es im Handschuhfach des Impalas verschwinden und starrte dann sekundenlang den leeren Sitz neben sich an. Genau da hätte jetzt eigentlich Sammy sitzen müssen. Wenn er ganz genau hinsah, konnte Dean sogar die leichte Kuhle sehen, die sein riesenhafter Kumpan im Laufe ihrer gemeinsamen Zeit als Jäger ins Polster gesessen hatte. Dean schluckte trocken, und der penetrante Kloß in seinem Hals schien mit einem Mal auf Tennisballgröße anzuschwellen. Jetzt zu heulen hätte ihn aber nicht nur mindestens 50 Punkte auf der Männlichkeitsskala gekostet, es hätte ihn außerdem nicht im Geringsten weiter gebracht, also riss er sich zusammen, wie es nur ein Dean Winchester konnte, und ließ den Motor an. Nicht einmal das wundervoll melodiöse Aufleben seines Wagens vermochte es, Deans Stimmung zu heben, und so fuhr er mit angespanntem Gesicht vom Parkplatz ihres Motels. Da er keine Ahnung hatte, wo er nach Sam suchen sollte, hatte Dean beschlossen, einfach nichts dem Zufall zu überlassen und überall zu suchen. Während er also auch noch die hinterletzten Nebenstraßen nach verdächtigen Gestalten absuchte, hatte Dean reichlich Gelegenheit, sich um seinen verschollenen Bru- … Gefährten Sorgen zu machen. Nein, Gefährte klang doof und erinnerte ihn zu sehr an Herr der Ringe – wahre Freundschaft gut und schön, aber stellenweise hatte selbst er gedacht, dass Sam und Frodo sich einfach ein Zimmer nehmen und – wie auch immer. Naja, aber das mit Sam und Sam passte ja schon irgendwie ganz gut … aber leider war Sam nie sein Gärtner gewesen, also konnte er sich auch kaum um seinen verschollenen Gärtner Sorgen machen, obwohl das irgendwie lustig klang. Dean blinzelte und war froh, dass er diesen Gedankengang mit ins Grab nehmen würde. Wieso hatte er auch damals bloß nachgegeben und war mit Sammy in diese Filme gegangen? Ach ja … dieser blöde Hundeblick. Wieder machte sich dieser vermaledeite Kloß in Deans Hals bemerkbar, und dieses Mal musste er verdammt kämpfen, um nicht mal eine einzige kleine männliche Träne zu vergießen. Wenn er Sam nicht wiederfand, dann konnte er ihm nie sagen, dass sie für ihn immer Brüder sein würden – so abgeschmackt das auch klang, er würde es Sam sagen, egal wie viele Punkte Abzug auf der Männlichkeitsskala das auch bedeutete, weil es einfach Dinge gab, die wichtiger waren, als selbst die heilige Männlichkeitsskala. Dean räusperte sich energisch, blinzelte hektisch, bis er wieder klar sehen konnte, und dann blinkte er links und bog ab und fand sich auf der Hauptstraße wieder. Phantastisch. Wenigstens war dieses Kaff nicht allzu groß, sonst hätte er sich vermutlich noch tot gesucht – so suchte er sich wenigstens nur halb tot – allerdings stellte er mit der Zeit fest, dass seine Autosuche irgendwie ein wenig ineffektiv war. Dean fuhr besagte Hauptstraße ein paar Mal auf und ab, weil er sich nicht entschließen konnte, auszusteigen und sämtliche Nebenstraßen noch einmal zu Fuß mit seiner Anwesenheit zu beehren, und er überlegte gerade, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, anzuhalten und etwas zu Essen zu holen, da trat er so hart in die Bremsen, dass sein Hintermann ihn wütend anhupte und ihn schließlich wild gestikulierend überholte, was Dean allerdings einfach mal komplett ignorierte, weil er wie vom Blitz getroffen auf etwas am Straßenrand starrte. Er hatte sich so sehr auf möglicherweise verdächtige bis zwielichtige Gestalten auf dem Bürgersteig konzentriert, dass er die alltäglichen Dinge komplett übersehen hatte. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Dean fixierte ungläubig das riesige Werbeplakat, das im zugigen Februarwind friedlich vor sich hin schaukelte, und konnte es beinahe nicht fassen. Das konnte unmöglich ein Zufall sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)