Supernova von maykei ================================================================================ 29. Kapitel - (Pure Vernunft darf niemals siegen) ------------------------------------------------- Anmerkung: Danke an Nina, die dieses Kapitel gebetat hat und mir ein wenig Rückenwind in Sachen upload gegeben hat! Und auch Danke an die Leute, die mir in Kommentaren oder per ENS Feedback gegeben haben! Weiter geht’s! ________________________________________________ Seit Tagen wurde es in Styrax City immer heißer. Das dreckige Wasser in den Kanälen verpasste der Luft eine süßlich, üble Duftnote – nur die größeren Ströme, die am Hafen von eisigem Meereswasser gespeist wurden, sorgten für ein wenig Abkühlung. Vor allem für Kinder, die immer wieder ihre Füße von den Stegen in das kühle Nass steckten. All der Müll, und all die verwinkelten Gassen mit ihren schrottreifen Stegen und ihren abbröckelnden Bürgersteigen schienen in der Hitze zu backen, die alten Holzhäuser der Vorstadt schienen sich zu bewegen, flimmernd, atmendes Holz. In der Innenstadt liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Die Cafés machten mit ihren Illusionen von Stille und Vogelgezwitscher und ihren kalten Getränken gute Geschäfte und endlich mal, Tage nach dem Attentat auf das Einkaufszentrum, schien die Stadt etwas aufzuatmen. Oder sie war im Gegenteil einfach nur betäubt unter der Hitze, zu träge und zu atemlos. Die Fensterscheibe der kleinen Wohnung beschlugen von außen, da jedoch die Lüftung in der Küche schon seit einigen Tagen der Reparatur widerstand, war die kleine Luke weit geöffnet. Auf dem Herd blubberten die Nudeln und es roch nach heißer Milch. Der Zeiger der Uhr rückte auf Nachmittag zu, auch träge, und das Radio rasselte in einer Tour Musik, Werbung und die 'neusten' Meldungen über das 'Attentat' vor sich hin. Shaolan, der für diesen Tag das Amt des Kochs inne hatte, rührte Gedanken verloren die harten Nudelstangen im Topf herum und wartete auf den Moment, in dem sie endlich alle weich genug waren, um sie ganz unterzutauchen. Sakura saß am Küchentisch und versuchte mit sanften Worten und Bewegungen den Vogel dazu zu bringen aus einer mit Wasser gefüllten Untertasse zu trinken. Mokona gab ein schweres Seufzen von sich und ließ deprimiert die Ohren hängen. „Kannst du Yuuko-san immer noch nicht erreichen, Moko-chan?“ „Nein, irgendwas is komisch...“ Sie versuchte es nicht zum ersten Mal. „Mokona kann keinen Kontakt zu dem 'Fluss' aufnehmen, der die Dimensionen verbindet.. irgendetwas ist da, wie eine Mauer...“ Shaolan runzelte die Stirn und schien nachzudenken. „Können wir dann überhaupt diese Dimension verlassen?“ Mokona schlug die Augen nieder, schien zu überlegen, sagte aber nur schlussendlich: „Mokona hat keine Ahnung..." Sakura schaltete das Radio aus, durch das offene Fenster drang noch der ferne Lärm der Innenstadt. In diesem Moment kam Souma in die Küche. Die große, dunkelhäutige Frau lächelte die Kinder aufmunternd an, als sie die niedergedrückte Stimmung bemerkte. „Macht ihr euch Gedanken wegen der verstärkten Kontrollen? Keine Sorge, mit den falschen Identitäten seid ihr erst mal sicher. Ihr braucht nur ne gute Ausrede, wenn ihr während der Schulzeit mal kontrolliert werdet.“ „Souma-san?“, Sakura setzte den kleinen Vogel auf den Tisch und überließ ihn Mokona. „Kommt es in dieser Welt häufig vor, dass sich Menschen ähnlich sehen?“ Souma wischte sich etwas Schweiß von der Stirn und holte kaltes Wasser aus dem Kühlschrank. „Nicht sehr oft. Es gibt ab und an Zwillingsgeburten, oder was meinst du?“ „So was in der Art...“ Sie konnte es nicht richtig erklären. „Menschen, die sich eben ähnlich sehen. So wie 'Fye' und unser vermisster Reisekamerad.“ Und der Mann in Ashuras Villa. „Nein, so etwas gibt es hier nicht. War selber überrascht, dass ihr jemanden sucht, der wie Fye aussieht“ - und setzte an die Küche zu verlassen, doch Shaolan griff sie beim Arm und sah ernst zu ihr auf. „Warum lügst du uns an?“ Erschrocken sah Sakura ihren Begleiter an. „Shaolan-kun!“ Diese Leute hatten sie aufgenommen und halfen ihnen, trotz dessen dass sie selber gesucht wurden. Wie konnte Shaolan dann nur so etwas sagen? „Wieso sollte ich euch anlügen?“, fragte sie mit einem Lächeln. „Hat dir Kurogane diesen Floh ins Ohr gesetzt, oder was?“ Shaolan ließ sie los, brach aber den Blickkontakt nicht. Einige Sekunden verstrichen schweigend, dann fuhr der Junge mit ruhiger Stimme fort. „Ich kann verstehen, wenn ihr Erwachsenen uns Jüngere schützen wollt und ich danke euch dafür, dass ihr diese Bürde auf euch nehmen wollt. Aber Kurogane-san, Fye-san, Sakura-hime und ich waren schon in vielen Welten, die sehr gefährlich waren.“ „Ihr kommt nicht von hier. Wir wollen euch da nur nicht reinziehen“, antwortete sie letztendlich. „Zu spät, wir sind schon mittendrin.“ Doch die Frau, die mit ihnen diese Wohnung bewohnte und Kurogane und 'Fye' aus dem Hain zu kennen schien, lächelte nur leicht und schwieg bis Shaolan nach einer ganzen Weile seine Hand wieder fortnahm. „Vielleich können wir sogar 'Fye' helfen.“ „Niemand kann Fye helfen“, antwortete sie, schon halb aus der Tür. Das Glas Wasser stand unangetastet auf dem Tisch und beschlug langsam. Shaolan warf Sakura ein aufmunderndes Lächeln zu, hinter dem nicht viel Überzeugung steckte, und kümmerte sich weiter um die Nudeln. Im Nebenzimmer begann das Baby wieder zu schreien. _______________________________ Der Abend brachte etwas Kühle. Drei Stunden seit der Ausgangssperre. Die Straßen waren leer und auf dem Weg zum Schwarzmarkt hielt sich Kurogane an die engeren Gassen mit mehr Schatten und wich ohne weitere Schwierigkeiten den vereinzelten Wächtern aus. Auch das Hafengelände war wie ausgestorben. Die Boote auf dem Wasser waren zwar beleuchtet, doch die Lichter unter dem Wasser ausgeschaltet, so dass die Dunkelheit und die Kälte des Ozeans dahinter, der angeblich nach einigen Kilometern zugefroren sein soll, nur noch intensiver und offensichtlicher wurde. Ohne ein Geräusch zu verursachen kletterte der Ninja durch eines der zerbrochenen, bunten Fensterscheiben des großen Gebäudes, in dem dieses Mädchen namens 'Chi' wohnte. Alles wirkte unordentlich von hier oben. Die Statuen standen wie erstarrte Gäste einer Party herum, die Blütenkränze lagen vertrocknet auf ihren Köpfen, das Brot in den Schalen hatte sich in rösche Klumpen verwandelt und bloß ein paar Kerzen leuchteten spärlich. Dazwischen betete das Mädchen, in ihrem weißen Kleid kniend selber einer Statue ähnlich. Sie erschrak etwas, als er hinter ihr auf dem Boden aufkam. Sie sah übermüdet aus, doch bemühte sich um ein fröhliches Lächeln. Einen Moment erinnerte sie ihn so stark an Fye, dass Kurogane sie am liebsten weggestoßen hätte, als sie sich an seinen Arm hängte. „Fyes Freund!“ „Ich habe auch einen Namen.“ „Kuropon!“ „Kurogane, verdammt noch mal!“ Doch es steckte nicht viel Feuer dahinter. „Du bist traurig“, stellte sie fest und legte eine kühle Hand auf seinen Arm, so dass er kurz davor war seine Hand über ihre zu legen, damit sie sich nicht so verdammt tot anfühlte. Mit einem Seufzen erinnerte sich daran, weswegen er hier war. „Es... es ist etwas passiert...“ „Was denn?“, fragte sie verwirrt. „'Fye' ist to-...“, er stockte, „Er wacht nicht mehr auf. Wohl nie mehr.“ Erst verwirrt, dann geschockt, löste sich das Mädchen von ihm. „Er schläft?“ „Ja, für immer, sozusagen“, sagte der Krieger. „Für immer?“ „Für immer.“ Das weiße Gewand floss wie ein See um sie als sie auf die Knie sank und irgendwie wirkte auch sie wie ein verdammter Geist. Er betrachtete ihre geröteten Wangen, die sie nur noch blasser erscheinen ließ, die tränenfeuchten Augen und Lippen, die ein wenig weiblicher als Fyes schienen. Eigentlich hatte sie kaum Ähnlichkeit mit ihm. Bis auf die Haare und die Augen und die Haut und die sanfte Art sich zu bewegen und die Art ihn anzusehen, als würde ihr Herz brechen, sobald er auch nur ein wenig Trauer empfand. Es fehlte die Stärke, der Schalk, das Erwachsene und Abgegrenzte. Verdammt, alles an 'Fye' fehlte ihm gerade. „Willst du wissen, was passiert ist?“ Chi schüttelte energisch den Kopf und wischte sich ein paar Tränen von den Wangen, versuchte sich an einem Lächeln. „Das spielt keine Rolle für Chi... Hauptsache es geht Fye gut.“ „Du hast es nicht kapiert, oder?“, fragte Kurogane ärgerlich. „Er ist tot.“ „Du hast gesagt er schläft.“ „So was wie tot, er wacht nicht mehr auf. Nach dem Quacksalber zu Folge nie mehr und selbst wenn, dann wird ...“, wie würde man das in seiner Welt in Worte fassen? „Dann wäre sein Geist schon fort, nur eine leere Hülle.“ In der sich bestenfalls Dämonen einnisten konnten. Und es war irgendwo auch seine Schuld. „Es tut mir Leid.“ Er erinnerte sich wie er mit Fye hier gewesen war. Vor Wochen. Sie hatten den Hain verlassen und in diesem Gebäude Zuflucht gefunden. Vermutlich war der Mann, mit dem er damals hier gewesen war, genau der, für den Chi ihn gehalten hatte. Ihr 'Vater' und Freund aus den Laboren. Nur Kurogane selbst hatte all das nicht glauben wollen, obwohl es immer offensichtlicher geworden war. Irgendwas hatte sich immer noch nach dem verdammten Magier angefühlt und sein Verstand kämpfte immer noch gegen dieses Gefühl an. Und dann waren immer noch diese 'Anfälle', bei denen er das Gefühl hatte, mit jemand ganz anderen zu sprechen. Jemand, der sich aber auch nach 'Fye' angefühlt hatte. „Ich bin hier, um dich zu holen. Es ist nicht sicher hier.“ Sie reagierte nicht, starrte auf die Statuen einer Kultur und einem Glauben, von dem er keine Ahnung hatte und an die er eh nicht glauben könnte. Er wollte keinen Trost, von niemanden. Doch er wusste nicht, bei wem er sich sonst entschuldigen sollte, außer bei dieser seltsamen Priesterin. Sie rückte näher zu ihm und sah ihn mit diesen zwei verdammten blauen, verweinten Augen an. Kurogane verfluchte das Ziehen in seiner Brust. Sie fuhr ihm durch das Haar und auch für diese Geste wollte er sie verfluchen, doch er hielt still. Auch als sie leise flüsterte: „Ich bin sicher Fye hat gar keine Angst im Traum, weil er weiß, dass jemand wie Kuro-pon an seiner Seite wacht. Daher sei nicht traurig, es wird schon gut werden. Und wenn er aufwacht, dann weiß er, dass jemand da war.“ Leise und ironisch lachte er auf. Mit geschlossenen Augen fühlte sich die Berührung in seinem Haar seltsam vertraut an und seine Hand seltsam dumpf. Er hatte immer noch das Gefühl einen rasenden Puls unter seinen Fingern zu haben. „Er wacht nicht mehr auf“, korrigierte er sie. „Er wacht auf. Die Frage ist nur, ob er in der selben Welt aufwacht wie wir. Chi weiß nicht viel über diese Dinge, doch Fye hat es ihr so erklärt. Als Chi und Fye noch in den Laboren waren.“ „Er hat dir den Tod erklärt. Und er hat ihn dir erklärt wie man es einem Kind erklärt.“ Sie schwieg und er brachte es nicht übers Herz die Worte des Magiers als weiße Lüge zu enttarnen. „Komm mit mir“, versuchte er es noch einmal. „In der ganzen Stadt sind diese verdammten Kakerlaken unterwegs...“ „Dieser Ort wird von den Göttern beschützt. Es ist der sicherste in ganz Sytrax City.“ „Bist du sicher?“ „Ja.“ Er seufze, selbst wenn nicht, war mit ihr in der Hinsicht wohl nicht zu argumentieren. Schon als sie das erste Mal angeboten hatten, sie hier weg zu bringen, hatte sie abgelehnt. Er hatte sich das fast schon gedacht und griff unter seinen Mantel, um den Sack mit Brot und Trockenfrüchten herauszuholen und vor eine der Statuen zu schmeißen. „Kann ich Fye hier her bringen?“, fragte er. „Sicher. Chi passt auf ihn auf. Kurogane kann auch hier bleiben.“ „Nein, ich... ich kann nicht einfach nur hier rumsitzen. Ich muss irgendwas tun.“ Ashura besiegen. Den Magier finden. Den Jungen ausbilden. Federn hinterherrennen und Dämonen besiegen. Nach Japan zurückkehren. Das ganze hier hinter sich lassen wie ein Mann, der den Tod kannte und ihn akzeptierte. Nicht wie ein Kind, das schrie und weinte und nichts verstand und all seine Kostbarkeiten an einen geheimen Ort versteckte - als käme dort die Zeit nicht hin. ________________________________________ Als er Geräusche an der Haustür hörte, sprang Shaolan sofort vom Küchenhocker auf und trat in den Flur. „Kurgane - san, ich wollte etwas mit dir besprechen. Es geht um -“ „Nicht jetzt“, würgte dieser den Jungen ab und ohne seinen Mantel oder sein Schwert abzulegen, betrat er das Wohnzimmer. Sakura folgte ihm und dem Jungen. „Kurogane-san...“ Der Doktor war gerade für eine Untersuchung über den Blonden gebeugt. Mit einem Stethoskop hörte er seine Brust ab und auf dem Tisch lag des Etui mit Spritzen bereit. Ein Stück Watte auf der Armbeuge des Blonden, das sich langsam rot färbte, zeugte davon, dass schon ein paar Substanzen durch das Blut des Bewusstlosen rauschten. „Ah. Da sind Sie ja endlich“, grüßte der Doktor und sah ihn kühl an. „Auf Anraten von meiner Frau, der sie sehr sympathisch sind, habe ich gerade ein weiteres Mal wertvolle Medikamente an diesen hoffnungslosen Fall verschwendet. Jedoch im Sinne der Kinder und auch im Falle eines Körperversagens und der anschließenden, verfallsbedingten Geruchsentwicklung würde ich dennoch wärmstens empfehlen den Fall zu beseitigen. Sie können ihn bei Nacht im Hafen versenken oder in einem verlassenen Gebäude ablegen. Den Komfort der Schmatze-Masse haben wir ja leider nicht mehr, sonst würde es auch nicht jeden Tag Nudeln geben.“ „Schnauze.“ Kurogane schob den Doktor bei Seite und unterdrückte das sinnlose Bedürfnis sein Schwert im Magen des Arztes zu versenken. Vorsichtig richtete er Fyes Oberkörper auf und zog ihm das Oberteil wieder an, als ihm der Verband am Unterarm auffiel. „Ihr habt ihm dieses Übersetzungs-Dings wieder rausoperiert?“ „Die Dinger sind nicht gerade billig. Wir können sie nicht an Leichen vergeuden“, Dr. Kyle räumte gerade die Medikamente zurück in seine Arzttasche und war daher keinesfalls auf die Antwort des Kriegers vorbereitet. Hart packte dieser ihn am Kragen und schüttelte ihn. „Er ist noch nicht tot, aber wenn du nicht deine Schnauze hältst, dann wirst du es gleich sein!“ „Verzeihung wenn ich nicht die Sensibilität an den Tag lege, die Ihr gebrochenes Herz gerade benötigt, aber vielleicht sollten sie die medizinischen Fakten endlich akzeptieren! Außerdem habe ich die Würgemale gesehen, ist es nicht so, dass sie sich ein endgültiges Ergebnis wünschen?“ Hart kollidierte die Faust des Ninjas mit dem Backenknochen des Arztes und der schmale Mann fiel mit einem dumpfen Poltern zwischen Wohnzimmertisch und Sessel. Die Prinzessin hatte erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen, doch wer hereingelaufen kam, war Souma. Statt sich ihrem Mann zuzuwenden, checkte sie ihn nur mit einem kurzen Blick und fasste dann Kuroganes Arm. „Beruhige dich!“ „Ich bin ruhig“, antworte dieser und löste sich von ihr, um wieder nach dem Blonden zu greifen. „Wohin gehst du?“ „Geht dich nichts an.“ Das einzige, was er gerade wollte, war Fye in dieses Gebäude am Hafen zu bringen. Er wollte nicht noch jemanden auf einem Schlachtfeld bestatten, das diese Stadt war und wahrscheinlich – so seine Intuition – bald noch in viel größerem Ausmaß sein würde. Es roch nach Rebellion, Umsturz, Krieg. Ihre Gruppe sollte diese Welt so schnell wie möglich verlassen, oder zumindest die Kinder. Ohne weiter auf die diese oder Souma zu achten, trug er den Blonden in den Flur. „Bleib doch mal stehen! Wohin willst du überhaupt mit ihm?“ „Geht dich nichts an“, knurrte Kurogane noch mal und öffnete mit seiner freien Hand die Wohnungstür, er konnte regelrecht spüren wie sich auf ihren Gesichtszügen die Wut abbildete. Ihn interessierte das nicht und er trug den Bewusstlosen weiter durch das Treppenhaus, verfolgt von Schritten. „Wie, das geht mich nichts an? Fye ist auch mein Freund, und Himes!“ Doch der Krieger antwortete nicht. „Kurogane-san!“ Shaolan war den beiden Erwachsenen auf die Straße gefolgt und nach ein paar Metern drehte sich der Krieger tatsächlich zu seinem Schüler um. Einen Moment blickte er dem Jungen fest in die Augen, Souma völlig ignorierend. „Wir reden später“, antwortete er letztlich und wandte sich ab. _____________________________________________________ Auf dem Rückweg blieb Kurogane in einer engen Gasse stehen, in der der Bürgersteig in fast vollständigen Maße in den dünnen Strohm gebröckelt war. „Was wolltest du nun?“, fragte ihn der Krieger ruppig und klang müde dabei. Der Junge trat aus dem Schatten heraus, atmete tief durch. Davon ihn zu beschatten, war der Bengel noch meilenweit entfernt. „Irgendetwas stimmt mit dieser Welt nicht.“ „Erzähl mir was Neues.“ „Mokona versucht schon seit Tagen die Hexe der Dimensionen zu erreichen, doch irgendetwas scheint die Verbindung zu 'blockieren'. Wir wissen nicht einmal, ob wir diese Welt verlassen können. Außerdem habe ich ChuNyan nach der 'Alten Kultur' gefragt, doch alles, was sie wusste, hat sie als kleines Kind von ihren Eltern erfahren und das war nicht all zu viel. Sonst scheint niemand mehr etwas darüber zu wissen. Kommt dir das nicht seltsam vor?“ „Unter anderem.“ „Niemand hier spricht über Magie, niemand erinnert sich an die Vergangenheit und die, die es tun, dürfen eigentlich nicht darüber reden. Dennoch haben wir in Ashuras Villa massenweise Artefakte der 'Alten Kultur' gesehen. Und wir haben keine Ahnung, wo wir Fye finden können.“ „Aber du hast einen Plan“, stellte der Krieger fest, als er den entschlossenen Blick erkannte. „Ja. Selbst Ashura-ou konnte uns nicht helfen Fye-san zu finden. Ich glaube er hatte es nicht einmal vor, immerhin verbarg er die Feder vor uns. Also bleibt uns erst einmal nur eine Person, die uns vielleicht helfen kann. Sowohl um Fye zu finden, als auch um diese Welt zu verlassen.“ Der Krieger lachte ironisch auf. „Wer? Jemand von diesem Rebellenhaufen etwa, die ihre eigenen Leute in die Luft sprengen?“ „Nein. Ich meine den 'Gründer'.“ _____________________________________________ „Der Hain wurde gestern oder die Tage gesprengt. Kyle und ich waren heute Nacht dort und haben nur noch Ruinen gefunden, nicht einmal die alte U-Bahnstrecke existiert mehr. Außerdem scheinen fast alle anderen größeren Schlupfwinkel von den Wächtern mittlerweile ausfindig gemacht worden zu sein. Die Meisten von uns verstecken sich in Privatwohnungen, zumindest jene, mit denen wir in Kontakt treten konnten.Diesmal scheinen die Industriellen es wirklich ernst zu meinen, so hart sind sie noch nie gegen uns vorgegangen. Den Leuten 'von oben' wird die Ausgangssperre und die extrem militärische Präsenz mit den Attentaten der letzten Zeit erklärt und sie hetzten die Leute gegen uns auf.“ Hime lehnte ihr Gesicht gegen die Schulter ihres Bruders, der tröstend die Arme um sie legte. „Sind die Anderen aus dem Hain wenigstens wohlauf?“ Der Arzt schüttelte den Kopf. „Du meinst die paar, die die Stürmung überlebt haben? Wahrscheinlich nicht all zu viele. Wir haben Glück, dass wir hier bisher sicher waren.“ „Also müssen wir von hier verschwinden?“ „Aber wohin?“, fragte Hime leise. Kurogane hörte nur schweigend zu. Sie waren von dem seltsamen Ehepaar für ein Treffen in die Küche bestellt worden und Souma hatte ihm versprochen alle Antworten zu bekommen, die sie ihm geben konnte, wenn er daran teilnahm und nicht schon wieder irgendwohin verschwand. Nach Fye hatte sie nicht mehr gefragt, auch sonst sprach sie mit ihm nur das Nötigste. Auch Shaolan wollte unbedingt an diesem Treffen teilnehmen. „Gibt es hier nicht weitere Städte?“, mischte sich nun Shaolan in das Gespräch ein.„Vielleicht könntet ihr mit einem Flugschiff alle eure Freunde und Kameraden einsammeln und endgültig vor den Leuten fliehen, die euch verfolgen.“ „Keine Ahnung...“, antwortete Souma leise. „Es kommen zwar immer wieder Leute von draußen nach Styrax City, doch das sind zu meist diejenigen, die außerhalb der Stadtgrenzen versucht haben zu überleben. Doch die Schneestürme und die Magie, die ihnen das Leben aussaugt, haben sie hierher getrieben. Die anderen Städte sind nur noch unbewohnbare Geisterstädte... Sytrax und Omehals sind die Einzigen, in denen Menschen noch leben können.. und sie sind fest in der Hand von EX... Selbst wenn uns jemand aufnehmen würde, könnten sie uns nicht lange versorgen.“ „Aber was wollt ihr dann tun..?“, mischte sich nun auch die Prinzessin ein, der das Schicksal ihrer neu gefundenen Freunde scheinbar sehr nahe ging. „Vielleicht auch ein paar Gebäude in die Luft sprengen?“, fragte der Krieger verächtlich. Was sollte das? Trafen sie sich nur hier, um festzustellen wie aussichtslos ihre Lage war? „Nein“, Souma schüttelte den Kopf. „Die Menschen im 'Bambushain' wollten nie etwas anderes als in Frieden leben. Und das hat sich nicht geändert. Doch wir müssen etwas tun. Wenn Ashura länger an der Macht bleibt, wird er uns früher oder später alle auslöschen.“ Betretenes Schweigen lag im Raum. Die Uhr tickte vor sich hin, sowohl Sakura als auch Hime standen kurz vor den Tränen und die beiden Shaolans sahen gleichermaßen ernst drein. ChuNyan nagte an ihren Fingernägeln und Soumas Blick lag erwartungsvoll auf dem Krieger, so als könne er irgendetwas an ihrer Lage ändern. Währenddessen starrte ihr Mann aus dem Fenster auf die Silhouette der Wolkenkratzer in der Innenstadt und spielte abwesend mit einem Löffel in der linken Hand. Kurogane wollte das alles nichts angehen. Ohne Shaolans Zureden wäre er nicht einmal hier. Wenn er die politische Lag in jeder Dimension, in der sie landeten, ändern wollte, dann müsste er mindestens ein Leben pro Dimension dort verbringen. Er tat was er konnte – und das war seine Reisekameraden zu beschützen und das Unrecht zu verhindern, wo er es sah. Doch dazu brauchte er seine Stärke und selbst als er sie noch hatte – diese Welt schien mit purer Gewalt nicht einfach zu befrieden zu sein. Außerdem, was hatte sein Eingreifen im Hain gebracht? Er hatte es zwar diesen Kakerlaken gezeigt, ein Unrecht nicht geschehen lassen und damit vielleicht ein paar Leben von Fremden gerettet – doch welche Konsequenzen hatten seine Handlungen gehabt? Sie waren Gejagte. Außerdem, die Person, die er wirklich hatte beschützen wollte, hatte er weder vor dem unmittelbaren Schaden der Ereignisse im Hain bewahren können, noch auf langer Sicht am Leben erhalten können. Er wollte sich nicht als ein Beschützer oder Retter von irgendjemanden aufspielen, wenn er genau wusste, dass er das gerade weder wollte, noch konnte. „Wir brauchen deine Hilfe“, sagte Souma gerade in diesem Augenblick und Kuorgane entwich ein schweres Seufzen. „Ich kann euch bei euren Problemen nicht helfen.“ „Ihr wollt doch den 'Gründer' finden, da haben wir ein Angebot für euch“, mischte sich nun der Arzt ein. Plötzlich fiel dem Krieger auf, dass er genau so müde aussah wie seine Frau. Auch die 'Kinder' sahen müde aus. Die ganze verdammte Versammlung in der Küche sah aus, als hätte sie tagelang nicht geschlafen und vermutlich war es auch so. Was sollten sie machen? Zwei Flüchtlinge mit einem Baby und 5 Teenager. Kein Wunder, dass sie alle Hoffnungen in einen Fremden setzten. „Ja, wollen wir“, antwortete Shaolan dem Doktor. „Wir können euch Technologie und das Wissen um die Alte Kultur anbieten, kurzum die einzigen Anhaltspunkte seines Aufenthaltsortes und die Möglichkeit unbeschadet dahin zu kommen. Wir haben die Technik, ChuNyan das Wissen.“ Er sah zu ihr und das Mädchen nickte entschlossen, offensichtlich in Kenntnis über den Versuch den Krieger zu überreden und - natürlich – auf der Seite der Hainleute. „Und warum würdet ihr uns dabei helfen?“ „Wir wollen ihn auch finden.“ „Warum?“ „Weil er der Einzige ist, der uns jetzt noch helfen kann“, sagte ChuNyan leise. „In der Alten Kultur gibt es den Glauben, dass wenn die Welt einmal in Unruhe gerät, ein 'Traum entsteht', in der alle Menschen leben können bis die Welt wieder ihren Ausgleich gefunden hat. Diesen Traum zu erschaffen ist die Aufgabe des 'Gründers'. Wenn wir ihn finden können wir ihn bitten diesen Traum zu spinnen.“ „Und dann?“, fragte Kurogane verwirrt. „Dann... dann wird alles besser... vielleicht können auch nur wir Hainbewohner in diesem Traum leben? Oder EX wird entmachtet. Vielleicht können wir auch wieder im Einklang mit der Magie leben. Der Gründer ist unglaublich mächtig!“ „Dieser Gründer kann sozusagen einfach die Realität ändern?“, fragte Kurogane kritisch. „So ist es überliefert“, antwortete Souma für sie. „Wir kommen gegen EX nicht an. Wir können uns weder länger vor ihnen verstecken, noch ihnen mit Waffengewalt beikommen.“ „Was wir eh nicht wollen“, fügte der Doktor hinzu. Kurogane konnte es nicht glauben. „Ihr setzt all eure Hoffnung in einen Mann, den es vielleicht gar nicht gibt?“ „Er ist die einzige Hoffnung, die wir noch haben... wenn es ihn nicht gibt, dann ist eh alles egal...“ diesmal Souma. „Und wo wollt ihr anfangen ihn zu suchen?“ „In Omehlas.“ Souma blickte von einem zum anderen ihrer Reisegruppe. „Und dafür brauchen wir euch. Ihr wart schon mal da, sogar in Ashuras Villa selbst. Außerdem bist du stark.“ Die dunkelhäutige Frau griff nach seiner Hand, doch er zog sie demonstrativ fort. „Wir haben das selbe Ziel. Ihr wollt auch den Gründer finden, um ihn nach euren verschwundenen Reisekamerad zu fragen. Aber alleine könnt ihr das nicht, wir haben die nötige Technologie um ihre Kontrollmechanismen auszutricksen. ChuNyan hat durch ihre Eltern das meiste Wissen über die Alte Kultur in der ganzen Stadt und du und Shaolan können mit diesen seltsamen antiken Waffen umgehen... Sakura und Shaolan haben schon zugestimmt uns zu helfen, bleibt nur noch die Frage: Bist du dabei?“ Kurogane sah seinen den Jungen ernst an. Das meinte er also damit, dass er sich schon entschieden hätte, was er tun würde. Tief atmete dieser durch und erwiderte den Blick fest. „Wenn wir den Gründer finden, dann auch Fye-san und die Antwort darauf, warum wir die Hexe der Dimensionen nicht erreichen können. Ich vermute der Gründer ist so etwas ähnliches wie die Hexe der Dimensionen oder Priester Yukito aus Clow Country – wenn es in dieser Welt Magie gibt, dann ist es wirklich nicht abwegig so etwas zu vermuten. Außerdem sind wir dann gleich in der Nähe der Feder und können diese Dimension verlassen, sobald wir komplett sind.“ Scheinbar hatte Shaolan lange über diesen Plan nachgedacht, während Kurogane mit anderem beschäftigt war. Einen Moment konnte er nicht anders, als ein wenig Stolz für seinen Schüler zu empfinden. Er blickte zur Prinzessin, die sich bisher nicht eingemischt hatte, sondern immer nur über den kleinen Vogel in ihren Händen (wo hatte sie den eigentlich her?) streichelte. Mit einem leichten Lächeln und offensichtlicher Sorge in den grünen Augen sah sie auf und erwiderte seinen Blick ebenso sicher wie der Bengel. „Ich bin dafür“, sagte sie. „Außerdem gibt es in Ashuras Villa jemanden, der uns vielleicht sogar hilft.“ Tief atmete der Krieger durch, sich durchaus bewusst, dass gerade alle Blicke und Hoffnungen auf ihm lagen. Er hatte gerade echt keine Lust in irgendetwas seine Hoffnung zu setzen. Doch da er eh nicht wusste, was er sonst tun sollte, konnte er genau so gut das tun, was er immer tat: Kämpfen. „Okay. Dann brechen wir so bald wie möglich auf.“ ____________Ende Kapitel 29__________ Anmerkung: Disclaimer wie immer. Titel einem Lied von Tocotronic entnommen, das btw. genial ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)