Lost Things von -Catayane- ================================================================================ Kapitel 2: Ich wünsche dir Zeit ------------------------------- "Bei deiner Miene, müsste man glauben, dass du Detektiv bist. Du glotzt auf das Viech als ob du's das erste Mal siehst.", stellte Connor fest und machte ein leicht gelangweiltes Gesicht. "Stell es weg.", wisperte Victoria in Leifs T-Shirt. Sie war kaum zu verstehen, aber Leif hatte ihr aufmerksam gelauscht und erhob sich. Er ging zu einem der Schränke im Kinderzimmer und holte, trotz seines Ekels vor dem Raum, eine Decke heraus, mit welcher er sorgfältig das Kind bedeckte. Er fand, dass etwas anderes zu nehmen den Wert des kleinen Wesens mindern würde und so passte es wenigstens: ein Baby eingehüllt in eine Decke. Als er kontrolliert hatte, ob das Gefäß komplett verdeckt war, setzte er sich wieder neben Vic und versicherte ihr, dass sie es jetzt nicht mehr erblicken würde. Vic zögerte ein wenig, doch fasste sie Vertrauen und sah auf die Decke, die es verhüllte. Ein dünnes Lächeln erschien in ihrem verweinten Gesicht und sie meinte mit gedämpfter Stimme: "Die Decke hast du ausgesucht. Schön, dass du die genommen hast. Du fandest die Äpfel darauf so witzig." Leif war sich nicht bewusst darüber gewesen, welche Decke er aus dem Schrank genommen hatte. Er realisierte erst jetzt, wo sie es gesagt hatte, dass es die mit den Äpfeln war. Er erinnerte sich, es war ein heißer Tag im Sommer des letzten Jahres gewesen, als sie zusammen schon angefangen hatten Sachen für ihr Baby zu besorgen und an genau dem Tag hatte er sich fast schlapp gelacht als er in dem Kinderfachgeschäft die Äpfel auf dieser Decke gesehen hatte, welche mit ihren blöden Gesichtern Lieder zu singen schienen. Das Singen wurde durch den Text über den skurrilen Äpfeln ausgedrückt. Es war der Anfang von "Greensleeves". Leif biss sich auf die Unterlippe und versuchte die Erinnerung zu unterdrücken, denn sie rührte ihn zu Tränen. "Also Leute!", stöhnte Connor und verdreht genervt die Augen, "Gewöhnt euch mal an die Tatsache, dass das kleine Monster zu entstellt war, um zu leben. Ist es denn wirklich so schwer zu begreifen? Nein! Da ist man so nett und zerrt euch unter Schweiße des Angesichts aus der Hölle der sterblichen Menschlichkeit und bekommt nicht einmal ein Danke zu hören. Wenn ich euch mal darauf hinweisen dürfte, dass ihr die Ewigkeit vor euch habt! Ihr könnt eine so lange Zeit doch unmöglich mit Heulen und Vergangenheitsfloskeln verbringen. Ich habe zwar schon so manche Heulsusen unter meine Fittiche genommen, aber ihr überspannt meinen Geduldsfaden! Fangt endlich neu an! Packt eure sieben Sachen und macht, dass ihr hier rauskommt!" Es war nicht das erste mal, dass er solch eine Feststellung verlauten ließ. Die beiden Angesprochenen wussten, dass er recht hatte. Leif wäre seinem Freund wahrscheinlich schon längst gefolgt und hätte ein neues Leben begonnen, die Nacht lieben gelernt und den Tag verwünscht für seine Dauer. Aber wegen Vic, die immer noch an allem hing, was in diesen vier Wänden herumstand, blieb er. Seine Neigungen und seine Gefühle waren hierbei, wie zwei sich abstoßende Magneten, jedoch war auch seine Liebe, seine Leidenschaft eine dieser Neigungen, nur aber keine, die sich mit jener Neigung, das alte Leben hinter sich zu lassen, einig wurde. Es konnte nur zur Harmonie kommen, wenn Vic mit ihm kam. Solange würde er verweilen und sich in Warten flüchten. Connor rutschte näher zu ihnen hin. Stöhnend hatte er sich dazu bewogen und trotz seines Unmutes wollte er seinen menschlich-mitfühlenden Zug nun Wirkung zeigen lassen. So gern er auch dem Jammer von Victoria frönte, es war ihm lästig sich stets und ständig ein solches Theater anzutun, wenn er auf seine etwas derbe Art dieses Thema zur Sprache brachte. Leif hielt sie noch immer fest im Arm und sah zu dem sich nähernden Connor. Er stutzte und war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. Der andere kam mit einer sehr ernsten Miene auf ihn zu. Als er direkt vor ihm war, gab er ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er sie loslassen sollte. Leif zögerte. Er hatte Connors Gesicht noch nie mit einem so entschlossenen Ausdruck erlebt.. Es war ihm gänzlich neu und er betrachtete den für ihn neuen Zug des Freundes mit alles Verwunderung. Victoria nahm die Männer nicht zur Kenntnis und verloren in ihren Gedanken schmiegte sie sich an ihren Mann und hielt den Blick stumm auf das verdeckte Ding gerichtet. "Leif, verzieh sich mal für 'ne Minute.", sagte Connor als Leif noch immer nicht von ihr abließ. Leif verfinsterte seinen Blick und funkelte dem anderen böse entgegen: "Wieso sollte ich?" Beschwichtigen hob Connor die Hände und meinte so erst er konnte: "Ich will mit Vic unter vier Augen reden." "Ich lasse dich nicht mit ihr allein.", meinte er stur. "Ich werde ihr nichts tun. Ist geschworen.", entgegnete Connor, "Ich will nur kurz mit ihr allein reden, ohne dass sie sich an dich hängt und einfach abschaltet so wie jetzt." Leif blickte auf Vic. Sie schien tatsächlich nicht anwesend zu sein. Er wollte nicht, dass ihr etwas geschieht. Noch einmal schaute er in das ernste Gesicht seines Gegenübers und dann wieder zu seiner Frau. Vielleicht meinte es Connor wirklich ehrlich und wollte wirklich nur mit ihr reden. Vielleicht aber auch nicht. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. "Komm schon, Leif, vertrau mir.", bat sein Gegenüber und hob fordernd die Brauen. Leif nickte flüchtig, stieß Victoria von sich und verließ stumm das Zimmer. Er konnte sich selbst nicht erklären, was ihn zu dieser Entscheidung bewogen hatte, aber zwischen zwei Stühlen zu sitzen ist kein Vergnügen und er wollte etwas Frieden genießen. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging er in die Küche und setzte sich dort auf einen der Barhocker. Auf dem Küchentisch lag eine Schachtel Zigaretten, welche er sich griff und sogleich eine Anzündete und begann sie zu rauchen. Vic mochte es nicht, wenn er rauchte. Sie vertrug den Qualm nicht, da er sie dazu brachte unkontrolliert zu husten. Somit konnte er es nur machen, wenn sie nicht in der Nähe war. Gewöhnlich rauchte er deswegen auch nicht besonders häufig, vielleicht eine, maximal zwei. Als er den Rauch in die Luft blies und zusah wie er sich wieder zerstreute, schweifte sein Blick zu dem sich gegenüberliegenden Fenster. Leif bemerkte erst zu dieser späten Nachmittagsstunde, was es doch eigentlich für ein schöner Tag war. Der Himmel war so herrlich blau und tief, dass man in ihn hätte hineinspringen können. Wie lange er schon den Himmel nicht mehr bewundert hatte, war ihm erst jetzt klar geworden. Er hatte es das letzte mal im vergangenen Sommer getan. Wie schnell doch die Zeit vergehen konnte und sich gleichgefällig aus der Affäre stahl. Vom Winter hatte er kaum noch Erinnerung, vom Anfang des Frühlings ganz zu schweigen. Ihm fiel nur die Zeit richtig ein, wo er den Krankenwagen rufen musste, da Vic über Nacht Schmerzen bekommen hatte. Es waren keine Wehe gewesen, wie sie meinte, es waren merkwürdige Schmerzen in ihrem Bauch. Aber diese körperlichen Qualen waren nichts im Vergleich zu dem, was sich danach einstellte. Vic hatte geflucht, geschrien, geweint; sie war vollkommen außer sich gewesen, geradezu hysterisch. Er fand es schrecklich. Die Erinnerung an diese Zeit konnte er nur schlecht wieder vor Augen bekommen. Womöglich verdrängte er sie. Er war sich nicht sicher. Ein Psychologe hätte das wahrscheinlich schnell analysieren können, aber so war es nur eine rätselhafte Tatsache, die er sich selbst erklären musste. Nach dem Ereignis im Krankenhaus, das konnte er sich noch ins Gedächtnis rufen, trat Connor Snow aktiv auf den Plan. Leif hatte ihn in einer Bar kennen gelernt, was noch während der Zeit war, als er glaubte, die Schwangerschaft verliefe normal. Sie hatten sich auf Anhieb gut verstanden und die Chemie stimmte in allen Ecken. Connor redete nur wenig über sich, aber die Sachen, die er Leif verraten hatte, klangen bitter in seinen Ohren wieder. Es begann damit, dass Leif anfing von seiner Frau Victoria zu berichten, die ihr erstes Kind erwartete und das schon feststand, dass es ein Junge werden würde. Daraufhin wollte Leif wiederum erfahren, ob auch Connor eine Beziehung habe. Dieser wurde gleich ein wenig beklommen und zögerte erst, bevor er sich wagte von seiner Geliebten zu erzählen. Den genauen Wortlaut hatte Leif noch genau im Gedächtnis: "Mein Freundin ist - leider Gottes - psychisch etwas wacklig. Sie stellt sich meist so, dass man glauben könnte, dass sie mich von ganzem Herzen hasst und meint immer, ich solle mich verpissen oder dass ich sie mal kreuzweise kann und solche Sachen. Aber nur tagsüber ist sie so zu mir. Sobald die Nacht hereinbricht, ändert sie sich prompt und will nicht mehr allein sein. Das klingt jetzt wahrscheinlich etwas eigenartig, aber ich liebe sie genau wegen dieses Zuges mich wegzustoßen und wieder zurückzuwollen. Wir passen dadurch aber auch perfekt zusammen, denn ich habe auch solche Macken an mir, die ein normaler Mensch wohl als abscheulich und widerwärtig bezeichnen würde." Nie hätte Leif damals ahnen können, dass er sich mit einem Vampir unterhalten hatte. Aber wenn er so über die Szenerie nachdachte, fielen ihm die verschiedenen Anzeichen, das es so war, beinahe schon peinlich auffällig auf. Einmal war zu bemerken, dass Leif mehrmals sein Glas vom Barkeeper hatte nachfüllen lassen und Connor hingegen den ganzen Abend nur eines vor sich stehen hatte, von dem er nicht einen Tropfen trank. Und dann noch seine roten Augen, die ihm zwar damals aufgefallen waren, ihn aber dennoch kalt gelassen hatten. Nicht zu vergessen war seine blasse Haut trotz der Hitze und seine langen Fingernägel. Zu vieles war offensichtlich gewesen, aber man hatte einfach keinen Gedanken an die Geschichten, Filme und Comics verschwenden wollen und vor allem hätte es nicht die wachsende Freundschaft aufhalten können. Leif war sich sicher, dass Connor sein Freund war. Nachdem Vic eingeliefert wurden war, war die erste Nummer die Leif am Münztelefon wählte die von Connor gewesen. Er hatte mit ihm die endlos erscheinende Wartezeit verbracht und hatte sich in den Kreissaal geschlichen, um ihn über den Stand der dort passierenden Dinge zu unterrichten. Nach Connor hatte das Baby sogar ein paar Minuten gelebt, was Vic fast wahnsinnig machte vor Schuldgefühlen. Und in der Nacht desselben Tages offenbarte sich Connor als das, was er war; ein Vampir. Er hatte es sehr mitfühlend gemacht und war nicht mit der Tür ins Haus gefallen. Er und Leif saßen beisammen in genau dieser Küche, in welcher er jetzt saß und Leif berichtete von den Dingen, welche Vic gesagt hatte, dass sie lieber sterben wollte als mit dieser Schuld zu leben. Er fügte auch noch hinzu, dass er sich selbst umbringen würde, wenn sie stürbe. Und genau diesen Punkt schnitt Connor an: "Wenn es dir so wichtig ist sie nicht zu verlieren, dann frage ich dich, ob es dir gleichgültig ist, in welcher Form ihr zusammen sein könnt." "Wie meinst du das?", hatte er damals blauäugig gefragt und wusste nun besser, dass diese Frage wohl in allen Streifen über Vampire einmal auftauchte und es absolut naiv von ihm war noch so blöd zu fragen. "Ich meine, dass ich euch die Chance für einen Neuanfang biete, die euch ein wenig von der restlichen Bevölkerung abheben wird." "Ich denke nicht daran, mich in Drogen zu flüchten, damit das klar ist!", hatte er noch sicherstellen wollen, obwohl seine jetzige Nahrungsquelle wohl gut und gern als Droge für Serienkiller gewährtet werden konnte. "Nicht doch! Was ich dir gebe, kostet erstmal nichts und macht trotzdem glücklich ohne einen schlechten Nachgeschmack zu hinterlassen." "Und was willst du dafür?", er war zwar noch nicht bereit gewesen, wollte aber dennoch das Angebot hören. Das war so ähnlich wie bei einer Auktion, wo man erst alle groben Angaben über das Objekt und dessen Startpreis gesagt bekommt und dann erst mit dem Bieten beginnt, wenn es einen dann interessiert. "Ewige Freundschaft würde schon reichen.", hatte er lachend gesagt und Leif lachte mit, da es ein sehr bescheidener Preis für einen Neuanfang war. Doch das Wort "ewig" hätte ihm schon deutlich bedeutungsschwangerer erscheinen müssen, denn normalerweise hätte man nur von Freundschaft gesprochen, nicht gleich von einer ewigen. Aber er war einfach nur leichtgläubig gewesen; einfach zu unerfahren als das er hätte auch nur erahnen können, was er da für ein Angebot bekam. Lange hatte er nicht überlegt und zugestimmt und dann war es auch schon besiegelt gewesen, sein Schicksal, welches sich nun nicht mehr ändern ließ. Ein paar Tage hatte er einfach so neben Vic her gelebt, ohne dass sie etwas von seiner Veränderung bemerkt hätte. Aber ihre Wahrnehmung war sowieso völlig eingefroren von ihrer Trauer als dass sie irgendetwas hätte bemerken können. Und als sie auf der Fensterbank saß und verloren in den Tag schaute, da wollte er sie eigentlich küssen und ein wenig liebkosen. Er hatte ihren Hals geküsst und spürte dabei wie ihr Blut durch die Adern floss und ein unbeschreiblicher Hunger sich in ihm aufbaute. Es war zu spät gewesen, um sich diesem animalischen Gefühl zu entziehen und so geschah es, dass er Victoria mit jenem besonderen Kuss beglückte, der aus ihr eine seinesgleichen machte. Sie war wenig beeindruckt von ihrem neuen Dasein. Die Gedanken in ihrem Kopf waren gleich geblieben und hatten nur ihren Blickpunkt verändert. Trotz allem hatte sie Leif deswegen niemals einen Vorwurf gemacht, was ihm bestätigte, dass sie ihm auch ein wenig dankbar war. Auf ihn machte sie den Anschein als ob sie sich entschloss ein neues Leben zu beginnen, dass sie aber im Augenblick noch nicht bereit dazu war. Somit hatte er sich entschieden auf sie zu warten und dann wirklich neu irgendwo anders beginnen zu können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)