Sternschnuppe von kittyleinchen (for mah koko) ================================================================================ Kapitel 11: Familienbande ------------------------- Familienbande „Ich wusste, du würdest hier sein.“ Johns Augen gingen langsam auf. In Zeitlupe. Er blickte in Kittys ernstes Gesicht. Dazu musste er sich nicht einmal aufsetzten, denn sie stand direkt über ihm und hatte den Kopf zu ihm nach unten geneigt. „Bravo! Soll ich gleich noch applaudieren?“ Brummte er und schloss wieder die Augen. Er sass am gleichen Ort an dem die beiden vor einigen Tagen auf die Sternschnuppe gewartet hatten. „Wieso hast du dann so lange gebraucht um herzukommen, huh?“ Seit er weggerannt war waren mindestens drei Stunden vergangen. „Sie hatte eine ganze Menge zu erklären.“ Kitty liess sich neben dem Feuerteufel nieder und drehte dann den Kopf zu ihm. John regte sich immer noch nicht. „Sie ist deine Mutter.. richtig?“ Fügte Kitty vorsichtig hinzu. Johns Augenlieder schossen blitzschnell nach oben und er durchbohrte Kitty regelrecht mit einem teuflischen Blick. Dann meinte er verächtlich: „Wow.. ich bin beeindruckt von deiner Kombinationsgabe. Der nächste Sherlock Holmes.“ Und als ob das nicht genügt hätte fügte John auch noch hinzu: „Bist du das selbst drauf gekommen oder musste dir wer helfen?!“ Am Ende war es nur noch ein Knurren. Keiner sprach mehr ein Wort. Johns finsterer Blick ruhte weiter auf der Braunhaarige, die den Kopf inzwischen gesenkt hatte. Kitty dachte nun besser darüber nach, was sie sagte. John reagierte schliesslich sehr empfindlich auf diese Situation. „Ich hab mir deine Mum immer.. hässlich und dick vorgestellt.“ Meinte Kitty schliesslich. Sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen, wollte aber verhindern, dass eine bedrückende Stille entstand. John richtete sich auf und stützte sich auf den Ellbogen ab. Dann sah er sie an als wäre sie ein Alien oder ähnliches. „Wie kommst du auf so ne Vorstellung? Hab ich dir je was von ihr erzählt.“ Das wäre John dann allerdings neu. Er hatte nicht einmal Bobby etwas erzählt. „Jah.. nein. Aber.. naja.. keine Ahnung, ich hab mir deine Mum halt böse vorgestellt. Weil sie muss ja irgendetwas schlimmes getan haben. Sie ist Australierin oder? Ihr Akzent ist irgendwie australisch.“ Meinte Kitty und sog sich diese Worte hörbar aus den Fingern. „Sie ist nicht meine Mutter.. Ich nenne niemanden Mum, der mich aus dem Haus wirft. Und das an Weihnachten..“ Meinte John bitter und sah nun starr geradeaus. „Und ja, die Frau, die sich meine Mutter nennt ist Australierin. Ich bin halb...“ Kitty sah ihn eindringlich an. Sie wusste, dass er sie aus den Augenwinkeln beobachtete. „Erzähls mir..“ Forderte sie ihn dann leise auf. John starrte immer noch in die selbe Richtung. „Was soll ich erzählen?“ Fragte er ganz unschuldig, aber immer noch mit grosser Bitterkeit in der Stimme. „Erzähl mir von diesem Tag.. diesem Weihnachten. Erzähl mir, was du noch nie jemandem erzählt hast! Nicht einmal Xavier..“ Gab ihm Kitty einen etwas genaueren Befehl. „Xavier weiss es.. er ist in meinem Kopf. Immer.“ Murmelte John und atmete dann tief durch: „Gut!“ Kittys Augen weiteten sich überrascht, als er dann wirklich zu erzählen begann: Mein Vater war Arzt. Aber nicht einer dieser Ärzte, die diesen Beruf wählen, um anderen zu helfen. Nein, mein Vater war Arzt weil dieser Beruf viel Geld einbrachte. Sehr viel. Weshalb wir nicht schlecht wohnten und lebten. Er lernte meine Mutter auf einer Reise die er mit einigen seiner Kumpels gleich nach seinem Medizinstudium unternahm kennen. Meine Mutter war studierte damals ebenfalls, Psychologie. Und sie finanzierte ihr Studium, indem sie nebenbei noch etwas modelte. Sie hatte einen festen Freund und lernte meinen Vater zufällig in einer Bar kennen, nach einem Streit mit ihrem Freund. Die beiden betranken sich, hatten einen One-night-stand, das Ergebnis daraus bin ich. Danach hatten sie über zwei Jahre hin Kontakt, mein Vater reiste des öfteren nach Australien, während er sich vom Assistenzarzt zum richtigen Arzt hocharbeitete. Meine Mutter arbeitete als Psychologin. Und als ich dann zwei Jahre alt war holte er meine Mutter und mich ganz nach Amerika, wo die beiden dann auch heirateten. Meine Eltern passten perfekt zusammen. Beide hatten ähnliche Charakter, waren auf das gleiche aus. Auf unglaubliche Perfektion. Bis hin zu ihrem Sohn. Ich war der, der nicht in die Familie passte. Der freche kleine Junge, der schon von drei Privatschulen geflogen war und auf dem besten Weg war, auch noch von der vierten zu fliegen. Ich glaube meinem Vater reichte es langsam. Er hatte genug von mir, meiner frechen Art. Er wollte schliesslich, dass ich irgendwann einmal Jura studiere. Da Anwälte noch mehr als Ärzte verdienen, schätze ich. Das ging aber nicht, wenn ich mich nicht so benahm wie er es gerne hatte. Am Weihnachtsmorgen teilte er mir deshalb emotionslos mit, dass meine Mutter und er beschlossen hatten, mich auf ein Internat zu schicken. Das sei das beste für alle. Für mich. Nur hat mich keiner gefragt. Mich frage nie einer. Nie! Und ich kam mir irgendwie vor, wie etwas, was nicht ganz passte und deshalb zurückgeschickt wurde. Wie wenn man einen Hund kurz bei sich gehabt hätte, ihn aber nun zurück in ein Tierheim schickt. John machte eine Pause. Wir hatten die ganze Verwandtschaft eingeladen. Letztes Jahr hatten Grandma und Grandpa uns alle eingeladen und vorletztes Jahr wars Onkel Jake gewesen. Wir waren also wieder einmal an der Reihe. Alle sassen um diesen grossen Tisch. Und alles drehte sich um meinen Cousin Jeffry, er begann bald sein Jura Studium. Mein Vater war davon natürlich begeistert. Sagte mir, ich solle mir ein Beispiel daran nehmen. Ansonsten beachtete mich keiner. Alle waren glücklich und ausgelassen, keiner bemerkte, was mit mir los war. „Lasst uns alle auf Jeff anstossen. Er hat es verdient.“ Meinte Dad und schenkte Jeffry gleich noch etwas Wein ein. Natürlich stiessen sie daraufhin an und mein Dad klopfte meinem Cousin anerkennend auf die Schulter. „John soll ja auch mal sowas studieren. Naja.. deshalb schicken wir ihn auch in ein Internat. Da lernt er besser.“ In Wirklichkeit war es sozusagen ein Internat für reiche Kinder, die etwas schwer zu erziehen waren. Um es kurz zu sagen: Ein Internat für Schwererziehbare. „John.. hilf mir bitte mal und trockne etwas Geschirr ab.“ Hörte ich Mums Stimme an mein Ohr dringen. Ich war froh mal vom Tisch wegzukommen, ich konnte mir nicht mehr anhören was da gesprochen wurde. Mein Vater redete über einen zehnjährigen, als stünde er kurz vor der Wahl, was er einmal studieren wollte. Ich schlenderte in die Küche. Mum spülte das Geschirr bereits ab. Ich stand schweigend neben sie, zog ein Tuch zu mir her und begann abzutrocknen. Nach einiger Zeit meinte sie leise: „John.. ich weiss was du von diesem Internat denkst aber..“ Bevor sie weiterreden konnte knurrte ich: „Aber was..?! Ihr wollt mich einfach loswerden und nebenbei noch zu dem braven Jungen, den ihr immer gewollt habt erziehen lassen? Ist es nicht so?“ Weißt du, Kitten. Ich war damals schon irgendwie arrogant. Und frech, wie ich es jetzt auch bin. Aber jetzt ist meine Arroganz voller Bitterkeit. Meine Frechheit voller Hass. Ich habe meine Eltern von diesem Tag an gehasst. Mum sagte nichts mehr. Für das das sie Psychologin war war sie äusserst schnell mundtot zu machen. „Das ist nicht wahr, St. John und das weißt du genau.“ Meinte sie dann tonlos, ich wusste, dass sie gleich weinen würde. Ich konnte es noch nie ertragen, wenn meine Mutter weinte und ging wieder zurück zu den feiernden. Wieso ich mich so gut an ihre Worte erinnere? Nun, das waren die letzten Worte, die wir wirklich gesprochen haben. Irgendwie traurig, nicht? Denn für den Rest des Abends hab ich geschwiegen, aus Trotz. Nach dem Essen versammelten wir uns alle vor dem Weihnachtsbaum. Du bist Jüdin oder? Weißt du, was Weihnachten überhaupt ist? John sah fragend zu Kitty welche einfach nur nickte und ihn weitererzählen liess. Gut. Meine Mum zündete gerade die Kerzen des Baumes an – Sie liebte richtige Kerzen, weshalb wir keine Kunstkerzen hatten – Sie wagte nicht, mich anzusehen, denn sie wusste, was ich von ihr und Dad dachte. Ich brodelte innerlich. Ähnlich wie ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte und ich weiss noch, dass diese eine Bemerkung meines Vaters ausschlaggebend gewesen war. Wie ein Schneeball, der eine ganze Lawine ins Rollen bringt. „Ach Jeffry, ich bin froh, das wenigstens du die Familienehre etwas rettest.“ Das wäre allein ja noch nicht wirklich schlimm gewesen. Ich achtete auch nicht gross auf das, was er sagte, bis mein Name fiel: „Weißt du, ich glaube John wird es nicht einmal soweit bringen, das er studieren kann. Ich habe keine Ahnung, was ich und Mercedes falsch gemacht haben...“ Ich sprang auf und bebte vor Wut. Im nächsten Moment hörte ich auch schon meine Mutter erschrocken aufschreien. Der Weihnachtsbaum stand innert Sekunden in Flammen und sie starrte mich ängstlich an, als hätte sie bereits dann gewusst, das ich dafür verantwortlich war. „So.. ich bin also nicht gut genug für euch?!“ Brüllte ich. Meine ganze Familie sah mich erschrocken an, das Feuer breitete sich weiter aus. Die meisten rannten schreiend nach draussen, doch Mum und Dad konnten das nicht mehr, denn ich versperrte ihnen den Weg. Oder besser: Ich versperrte ihnen gedanklich den Weg indem ich das Feuer so steuerte, dass es die Tür in Besitz nahm. Mein Vater stellte sich schützend vor meine Mutter. Als wolle gerade er sie beschützen. Sie rief mir verzweifelt und verstört zu: „John, beruhige dich! Bitte!“ „Ich will mich nicht beruhigen!“ Brüllte ich. Auch für mich wurde es langsam heiss. Schliesslich bin ich auch nicht immun gegen Feuer oder Hitze. Meine Mutter rannte hinter meinem Vater hervor zu mir. Wollte mich umarmen um mich zu beruhigen. Ich packte den nächstliegenden Gegenstand, den ich finden konnte. In diesem Falle handelte es sich um ein brennendes Holzscheit. Wir hatten einen Kamin und deswegen in dem Raum auch etwas Holz aufgestapelt. Ich packte also das Holzscheit und schmiss es ihr entgegen. Ich glaube ich habe sie am Hals getroffen. Ich weiss es nicht mehr genau, denn in diesem Moment schlug mein Vater mir eines der Holzscheite auf den Kopf. Ich taumelte etwas und alles um mich herum wurde schwarz... ...John schwieg erneut eine kurze Zeit Aufgewacht bin ich in irgendeiner Ecke in New York. Einsam. Verlassen. In der Kälte. Ich wussten nicht, was aus meinen Eltern geworden war. Ob sie verletzt waren, tot waren. Aber um ehrlich zu sein, von dem Augenblick an, habe ich mir gewünscht, dass sie noch am Leben waren. Damit ich sie eines Tages selbst umbringen kann.. um ihnen all das heimzuzahlen.“ John beendete seine kleine Erzählung, Kitty hatte gegen Ende sogar vor Spannung den Atem angehalten. „Du sagtest, du seist zehn gewesen, als das passiert ist.. Aber bist du nicht erst mit 13 ins Institut gekommen..?“ Fragte die Braunhaarige dann zögerlich. „Jah.. und?“ Meine John nur knapp. „Wo warst du die drei Jahre?“ Hakte Kitty nach. Ihr Blick ruhte immer noch auf ihm. „Mal da. Mal da..“ Murmelte John. „Nur nie wieder bei dem Haus.“ „Wieso nicht? Du hättest da hingehen können.. Deine Mutter hat erzählt, sie und dein Vater hätten dich später gesucht. An dem Ort an dem er dich ausgesetzt hatte.“ Meinte Kitty. „Ich weiss es nicht. Ich wollte es einfach nicht. Ich wollte allen beweisen, dass ich auch allein klarkomme. Und ich komme alleine klar.“ Meinte John und fügte dann trotzig hinzu: „Ich habe meine Mum sieben Jahre nicht gebraucht, wieso sollte ich sie jetzt plötzlich brauchen..?!“ „Rede mit ihr. Lass sie erklären. Lass sie sich entschuldigen.“ Versuchte Kitty John dann vorsichtig zu überreden. „Wieso sollte ich? Sie hat mir auch nie zugehört.“ Gab John barsch und stur zurück. „Weil.. weil sie deine Mutter ist und.. und sie hat schon einiges erzählt. Du solltest dir das anhören. Wenn auch nur, um endlich diesen Hass und diese Bitterkeit loszuwerden. Du kannst sie danach immer noch ignorieren.“ Kitty liess ihre Überredungskünste walten. John sah zu ihr und schwieg. „Ich kann auch mitkommen.. das heisst natürlich, nur wenn du willst.“ Versuchte Kitty es ein letztes Mal. „Weiss du, Kitten, wenn du nicht du wärst und ich nicht ich wär.. Ich würde dich jetzt wahrscheinlich umarmen.“ John musste auflachen und Kitty stimmte ein. Dann stand die Braunhaarige auf und packte die Hand des Feuerteufels. „Dann mal auf in die Schlacht.“ Kommentierte John, als er sich von ihr hochziehen liess. „Yes, Sir!“ Gab Kitty grinsend zurück und die beiden gingen durch das Fenster und den Dachboden wieder nach unten in die bewohnten Räume des Instituts. ~[**Familienbande - End Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)