Glamour ☆ Fashion von Kiru (Wie weit sollte ein Mensch für seinen Ruhm gehen? vs. Wie weit darf ein Mensch für seinen Erfolg gehen?) ================================================================================ Glamour #1 ---------- Rating: PG-13 A/N: Diese FF hier ist HydeAddict (Uta-chan ♥) gewidmet, da sie sowieso toll und ein Kiyoharu-Fan ist, und allein das reicht, um ihr eine zu schreiben. Beta’d: von meinem Tattoo-chan 3 ~★~☆~★~☆~★~ „Hey, was hältst du von dem?“ Ich schüttelte abschätzig den Kopf. „Nichts da... wir nehmen nicht noch welche mit langen Haaren, damit hat Ichiro uns doch schon zugeschmissen...“ „Hm. Und der da vorne?“ „Welcher? Der gerade sein Handy wieder aufhebt?“ „Genau der.“ „Mh... überzeugt mich nicht. Scheint ein Tollpatsch zu sein. Das sind die Schlimmsten, Hacchan.“ „Wo du Recht hast...“ „Ich find aber auch GAR keinen, der mir gefällt. Das ist total frustrierend...“ „Jetzt tu nicht so, als würdest du sonst mit Schönlingen überschüttet werden.“ Ich sah die kleine Gestalt neben mir kurz an. „Gut, das vielleicht nicht, aber bis jetzt ist hier KEINER vorbeigekommen, den ich auch nur annähernd in Betracht gezogen hätte.“ „Überhaupt diese ganze Sache ist bescheuert.“ Er seufzte und fuhr sich durch die schulterlangen schwarzen Haare. „Was haben wir davon, wenn wir hier doof rumstehen?“ „Wenigstens sehen wir aus wie die Zeugen Jehovas, das schreckt die Leute ab.“ Ich lächelte ihm zu. „Aber du hast schon Recht, was bringt es, hier nach Typen zu suchen, wo wir doch schön und gemütlich im Warmen sitzen könnten und darauf warten, dass sie von selbst angedackelt kommen. Die reißen sich doch eh darum.“ „Und kratzen sich gegenseitig die Augen aus“, nickte er zustimmend. „Ein sehr unschönes Bild, ja. Wie Tiere. Aber findest du es nicht auch seltsam, wie allein die Möglichkeit, dass man etwas tun KÖNNTE, einen hinterher dazu bringt, mit Zähnen und Klauen um diesen Platz zu kämpfen? Bevor wir sie ansprechen, haben die Kerle doch absolut keine Ahnung, dass sie es eigentlich auch wollen, und hinterher...“ Verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Hättest du dir früher mal ausgemalt, dass du irgendwann mal hier landen würdest?“, fragte er und sah mich an. Ich musste leise lachen. „Nein, wenn ich ganz ehrlich bin, nein. Aber es ist der beste Job überhaupt. Man kriegt viel Geld, ist angesehen und von den hübschesten Typen umringt.“ Er hob eine Augenbraue. „Ist doch so, oder sehe ich das falsch?“ Mit einem leisen Seufzen lehnte er sich leicht an mich und kramte eine Zigarette aus der Hosentasche. „Woran du wieder denkst, an Sex und Kohle... da sieht man sofort, wo deine Ambitionen liegen.“ „Was denn?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Wenn ich doch schon die Möglichkeit habe, mir die knackigsten und besten rauszupicken, dann mache ich das doch auch. Gib’s zu, wenn du nicht so unsterblich in mich verknallt wärst, dann würdest du dich auch durch unser gesamtes Unternehmen schlafen.“ Er schwieg eine Weile und blinzelte dann zu mir hoch. „Verdammt. Du hast mich durchschaut.“ Ich nahm ihm seine Zigarette ab, zog einmal daran und drückte ihm dann einen Kuss auf die Lippen. „Ist nur dein Pech, dass du dich ausgerechnet in mich verguckt hast, wo du mich doch nie ganz haben kannst...“ Ich schob ihm die Zigarette wieder zwischen die Lippen und strich ihm ein paar verirrte Haarsträhnen zurück. „Dazu bin ich viel zu egoistisch, Hacchan.“ Er lächelte. „Ich will dich ja auch gar nicht komplett – es reicht mir doch schon, wenn ich dich zu einem siebtel kriege – einmal in der Woche. Damit gebe ich mich doch schon zufrieden.“ „Stimmt. Ich vergaß, dass du sehr genügsam bist.“ Ich vergrub die Hände in den Taschen und sah mich um. „Hacchan, mach mal, dass jemand auftaucht, den wir gebrauchen könnten.“ Er schnipste einmal mit den Fingern, sah sich um und zuckte dann die Achseln. „Hat nicht funktioniert. Du bist dran.“ Ich verdrehte die Augen. „Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du ein Idiot bist?“ „Ja, meine Mutter, als ich ihr erzählt habe, was ich von Beruf bin.“ „Verständlich.“ Ich sah mich zum wiederholten Male um. „Keiner, den wir kennen. Wir könnten ein wenig öffentlich rummachen, um die Konservativen zu ärgern.“ „Du könntest mir mal wieder zeigen, ob deine Aussage ‚du bedeutest mir mehr als alle anderen zusammen’ immer noch stimmt.“ Ich lächelte ihn an. „Nicht in der Öffentlichkeit, Hacchan. DAS mache ich dann doch lieber, wenn keiner zusieht. Außerdem ist es dann romantischer.“ „Tss.“ Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Hab ich mich verhört, oder hast du gerade das Wort ‚romantisch’ benutzt? Weißt du überhaupt, was das heißt?“ „Werd nicht frech, sonst muss ich dir noch Manieren beibringen.“ Ich zwinkerte ihm zu und sah mich erneut um, wobei mein Blick dieses Mal an einem Gesicht hängen blieb. Die Person neben mir grinste zurück. „Nicht in aller Öffentlichkeit, bitte. Aber ‚romantisch’ ausgerechnet von dem zu hören, der-“ „Warte mal einen Moment“, murmelte ich. „Ich glaube, ich habe unseren ersten Kandidaten gefunden.“ Damit setzte ich mich in Bewegung und ließ ihn hinter mir stehen. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ die nächsten Kapitel werden wieder länger, keine Sorge ^^; Fashion #1 ---------- Rating: G A/N: furchtbares Kapitel ~_~ viel zu lang und viel zu wenig inhalt ._. ich hoffe, HydeAddict bringt mich hierfür nicht um |D Beta’d: ausführlichst und liebevoll von meinem Tattoo-chan xD Disclaimer: weder Arena noch Fool’s Mate, ViENUS oder BAPE gehören mir <.< (sucht mal nach ‘A Bathing Ape’ und geht mal auf die Homepage, das ist voll lustig, vor allem guckt der Affe so *DROP* XDDDD) ~★~☆~★~☆~★~ Mist, Mist, Mist. Ich war sowieso schon so spät dran, und jetzt geriet ich direkt in dieses Gewimmel von Menschen hinein. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ich zu einer unserer Verabredungen zu spät kam. VIEL zu spät. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Bereits über eine halbe Stunde. Mist. Junko würde verstimmt sein. Und NOCH verstimmter, wenn ich noch später kam. Hastig schlängelte ich mich durch die Menge. Das war nicht gut, das war gar nicht gut, ich konnte mich noch erinnern, wie sauer sie gewesen war, als ich fast zwei Stunden zu spät kam, nachdem erst das Auto, das ich mir geliehen hatte, abgesoffen und dann die Bahn nicht gefahren war. Und das Schlimmste war – so was passierte mir STÄNDIG. Es war richtig frustrierend. Und just in diesem Moment rannte ich in einen Typen rein. „Tut mir leid“, entschuldigte ich mich schnell und wollte direkt weitergehen, aber er packte mein Handgelenk und zog mich zu sich zurück, sodass ich gezwungen war stehen zu bleiben und ihn anzusehen. Er hatte etwa schulterlange dunkelbraune Haare, trug eine ‚Pornobrille’ (diese großen Sonnenbrillen, ihr wisst schon) und einen Hut, hatte ungefähr meine Statur (so dünn, dass es fast schon an Magersucht grenzte), war elegant gekleidet und lächelte mich an. „Haben Sie Interesse daran, sich ein bisschen Geld dazu zu verdienen?“, fragte er mich mit einer wohltönenden und ruhigen Stimme. Ich starrte ihn verständnislos an. Was zur Hölle wollte der Kerl von mir? „Nein danke, keinen Bedarf“, murmelte ich und wollte mich losreißen, aber er zog mich wieder zurück, ein wenig näher zu sich als vorher. „Sie werden es bereuen, mein Angebot ausgeschlagen zu haben. Wissen Sie was, ich gebe Ihnen einfach meine Karte, und wenn Sie Interesse haben, können Sie mich gerne am Sonntag so gegen Mittag besuchen kommen. Meinetwegen bringen Sie irgendwelche Freunde mit, falls Sie das beruhigt, alle sind herzlich willkommen.“ Damit drückte er mir eine Visitenkarte in die Hand, klopfte mir auf die Schulter und verschwand kommentarlos. Blinzelnd sah ich ihm nach. Was... war das denn jetzt gewesen? Da lud so ein Typ, der wie ein Zuhälter aussah, wildfremde Leute bei sich zuhause ein? Kopfschüttelnd stopfte ich mir seine Visitenkarte in die Jackentasche, ohne sie mir einmal angesehen zu haben, und hielt noch kurz nach ihm Ausschau. Ich erwischte einen kurzen Blick auf ihn, wie er sich mit einem im Vergleich zu ihm winzigen Kerl unterhielt, der aussah wie eine Frau. Nein, wirklich, er sah aus wie eine europäische Frau! Weiche Gesichtszüge, lange seidige Haare, charmantes Lächeln... (Und dann sahen sie auch noch beide zu mir herüber. ... Unangenehm.) Ich schüttelte den Kopf, drehte mich um und stürmte weiter. Ich durfte nicht NOCH später kommen, sonst würde sie mir den Kopf abreißen... „Und was für eine Ausrede hast du diesmal?“, wollte Junko gereizt wissen, als ich mich völlig außer Atem vor ihr an den Tisch sinken ließ. „Hat wieder irgendetwas gestreikt? War Stau? Deine Oma ist gestorben?“ Ich atmete einmal tief durch und schüttelte dann den Kopf. „Nein, zuerst hat Yuu mich aufgehalten, weil er mich am Telefon zugelabert hat-“ „-was ich nicht ganz glauben kann, da er nie auch nur mehr als sechs Wörter sagt, wenn ich dabei bin, aber okay...“ Ja, weil er dich nicht leiden kann, dachte ich. „-und dann bin ich direkt in eine Welle von Geschäftsleuten reingerannt. Ach ja, und dann hat mich ein GANZ schräger Typ angequatscht, ob ich mir nicht ein wenig Geld verdienen will.“ Ich runzelte die Stirn. Junko hob eine Augenbraue. „Guck mich nicht so an, es IST so!“, verteidigte ich mich. „Und dann hat er mir eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und ist wieder abgehauen, wirklich! Keine Ahnung, was das sollte, und dann hat er sich noch mit so einem Typen unterhalten, der wie eine Frau aussah.“ „Und woher wusstest du, dass er keine Frau IST?“, wollte Junko zweifelnd wissen. „Ganz einfach – er hatte nicht die gleichen wohlgeformten Rundungen wie du“, versuchte ich es. Sie lächelte säuerlich. „Ach so, da guckst du natürlich als zweites hin, wenn du ein hübsches Gesicht siehst.“ Damit stand sie auf. ~☆~ „Ich glaub’s nicht...“ Ich legte mir einen Arm über die Augen und streckte mich ein wenig auf meinem Bett aus. „Das ist jetzt schon die... wievielte innerhalb dieses Jahres?“, fragte Yuu, der auf meinem Schreibtischstuhl saß und im Schlafzimmer hin- und herrollte, während er versuchte, mit vier Orangen zu jonglieren. „Die siebte“, gab ich leise zurück. „Und es sind immer nur Kleinigkeiten, Yuu, weißt du, Mariko hat geglaubt, ich würde sie mit dir betrügen – gut, das ist jetzt keine Kleinigkeit, aber das hat sie an Kleinigkeiten festgemacht –, Haruka hat es nicht gefallen, wie ich mich ausdrücke, Izumi wollte, dass ich keine andere Frau auch nur ANGUCKE, weil ich kurz davor gewesen bin, mich mit dieser total lieben Bibliothekarin anzufreunden-“ „Ich weiß doch, Gara, ich weiß es doch“, seufzte er und fluchte leise, als ihm alle Orangen gleichzeitig auf den Boden fielen. (Das ahnte ich natürlich nur, sehen konnte ich es nicht, aber ich hatte vier dumpfe Aufpralle gehört, von daher ging ich davon aus, dass ich Recht hatte.) „Aber du bist auch nicht perfekt, entweder, sie nehmen dich so, wie du bist, oder sie lassen’s sein.“ „Nur meistens tun sie letzteres.“ Ich seufzte ebenfalls. „Und bei dir gibt’s auch nichts Neues? Weder von dem Kerl, der dir eine Ausbildung verschaffen wollte, noch von der einen Perle, die du auf der Straße kennen gelernt hast?“ Ich drehte den Kopf zur Seite und sah Yuu an, der sich auf die Orangen konzentrierte. Als wieder einmal alle heruntergefallen waren, schüttelte er den Kopf und schenkte mir ein kurzes Lächeln. „Keine Sorge, ich bin auch nicht besser dran als du... Weder, was Arbeit angeht, noch was das Liebesleben betrifft...“ Er seufzte erneut tief. „Aber sag mal ehrlich, wir sind doch keine Versager, oder?“ „Wenn, dann hätten wir schon längst aufgegeben. Nein, was wir sind... wir sind einfach nur Pechvögel. Aber richtig.“ Damit setzte ich mich auf. „Ich glaube, irgendwer da oben kann uns nicht leiden, ganz ehrlich.“ Eine Weile herrschte Schweigen, dann fiel mir etwas ein und ich sprang auf, ging zur Garderobe, kramte in meiner Jacke herum und kehrte dann mit der Visitenkarte in der Hand zurück. „Was ist das?“, wollte Yuu wissen und fiel fast vom Stuhl, als er versuchte, eine verirrte Orange vor dem Absturz zu retten. Ich erklärte ihm kurz, wie ich an die Karte gekommen war und las sie mir dann stirnrunzelnd durch. „Yuu, hast du schon mal von einem ‚Mori Kiyoharu’ gehört?“ Prompt lagen alle Orangen wieder auf dem Boden, aber ich schenkte ihnen keine Beachtung. „Mh, wohnt in einer ziemlich reichen Gegend, scheint wichtig zu sein... kennst du-“ Als ich aufsah, bemerkte ich, dass Yuu mich mit offenem Mund anstarrte. „Ha?“ „Gib mal“, sagte er entgeistert, riss mir die Visitenkarte aus der Hand, betrachtete sie und bekam einen noch fassungsloseren Gesichtsausdruck. „Was ist denn?!“, fragte ich irritiert. Er hob den Kopf und musterte mich, als sähe er mich zum ersten Mal. „Und der Typ hat dich angesprochen?“ „Nachdem ich ihn umgerannt habe, ja.“ „Du hast ihn UM-“ Yuu brach ab und schüttelte den Kopf, ehe er mit der Karte wedelte. „Du hast keine Ahnung, wer das ist, oder?“ „Nein, woher auch?“ „Sagt dir ‚GLAMOUR ☆ FASHION’ was?“ Ich runzelte die Stirn. „Entfernt.“ „Das ist die erfolgreichste Modezeitschrift in ganz Japan, in halb Korea und in halb China, selbst in der USA wird sie verkauft!“ Ratlos hob ich die Augenbrauen. „Und?“ Yuu sah mich vielsagend an. Ich blinzelte einmal. „Du willst mir nicht gerade erzählen, dass ich in irgendeinen Chef reingerannt bin, oder?“ „Fast. Kiyoharu ist... Herrgott, er ist eine LEGENDE, ich weiß nicht, warum du ihn nicht kennst! Er hat eine Modemarke namens ‚Elegance’, für die er selbst Kollektionen entwirft, er ist ein Talentsucher, was Models, Designer, Journalisten und das alles angeht, er modelt manchmal selbst, er schreibt Artikel für die Zeitschrift, nach ihm wird entschieden, was auf das Titelcover kommt... er ist ein Multitalent, und zwar eins vom Feinsten, das glaubst du nicht, er kann ALLES, und alles perfekt und vor allem gleichzeitig. Und dabei schafft er es noch, ein Privatleben zu haben – WIE er das macht, darfst du mich nicht fragen, auf jeden Fall war er mal verheiratet und hat schon etliche Male Schlagzeilen gemacht.“ Jetzt kam Yuu erst richtig in Fahrt. „Weißt du, es wurde sowieso lange vermutet, dass er nicht nur vom einen Ufer ist, und als dann ein paar seiner Models an die Öffentlichkeit gegangen sind und ‚gestanden’ haben, eine Affäre mit ihm gehabt zu haben, hat er natürlich alles abgestritten, und obwohl sein Ruf allgemein gewahrt wurde, sind alle inzwischen davon überzeugt, dass er schwul ist. Dann gab es-“ „-Moment, Moment, da komm ich nicht ganz mit“, unterbrach ich ihn. „WARUM glauben jetzt alle, dass er schwul ist?“ Yuu grinste. „Weil er grundsätzlich nur Männer als Models einstellt. GLAMOUR ☆ FASHION hat sowohl einen Teil für Frauen als auch einen nur für Männer, und fast alle Models in dieser Rubrik hat Kiyoharu persönlich ausgesucht. Für die Frauen ist jemand anders zuständig, Anna Tsuchiya heißt sie, und sie ist so in etwa das Gegenstück zu Kiyoharu – wobei auch vermutet wird, dass die beiden sich absolut nicht leiden können –, kann alles, macht alles und ist auch noch gut dabei. Auf jeden Fall haben ein paar männliche Models behauptet, mit Kiyoharu zusammen gewesen zu sein – unabhängig voneinander –, was er vehement bestritten hat. Aber ich meine – stell dir mal vor, du bist tagtäglich von diesen hübschen Männern umringt, die ganze Zeit, und dann tanzen sie dir vor der Nase rum... ich glaube, da würde ich auch schwul werden.“ Ich musste zugeben, ich war beeindruckt. Nicht nur von diesem Kiyoharu, sondern auch davon, wie viel Yuu über ihn wusste. Er interessierte sich sonst nicht so viel für Klatsch, und vor allem nicht für Mode. „Ach ja, und dann gab es noch einen Skandal, als zwei seiner Models eine Schlammschlacht angefangen haben, worum es ging, wusste hinterher keiner mehr, aber auf jeden Fall hat Kiyoharu sich auch davon distanziert. Aber er ist nicht so, dass er die Typen nur beschäftigt und sie im Stich lässt, wenn sie Mist bauen, ein Model ist mal wegen schwerer Körperverletzung in den Knast gekommen, und Kiyoharu hat ihn weiterhin unterstützt, was so weit ging, dass er hinterher sogar Beweise für die Unschuld des Typen vorgebracht hat, sodass dieser entlassen wurde. Allerdings teilen sich die Meinungen – die einen sagen, der Kerl war schuldig und Kiyoharu hat nur ein bisschen seines Einflusses gebraucht, andere meinen, dass der Kerl wirklich nichts getan hatte. Und dann gab es einen Prozess gegen ihn wegen angeblich geklauter Ideen, aber da hat sich alles in Wohlgefallen aufgelöst, die Sache wurde geklärt und der Ankläger hat sich ausführlich bei Kiyoharu entschuldigt – und der hat ihn gleich als einen neuen Designer eingestellt und groß rausgebracht. Seit dieser Sache küsst die Öffentlichkeit ihm wieder die Füße. Ich frage mich allerdings immer noch, wie das alles so an dir vorbei gehen konnte!“ Verständnislos schüttelte Yuu den Kopf. Ich schwieg einen Moment. Dann legte ich den Kopf schief. „Und ich frage MICH, warum zur Hölle du das alles weißt“, erwiderte ich nachdenklich. Yuu lief knallrot an und musste einmal mehr die Orangen aufsammeln. „Interpretier da ja nichts rein, ja?“ „Was könnte ich denn da reininterpretieren?“, grinste ich. „Keine Ahnung, dass ich... ach, was weiß ich. Lass es einfach. Ich weiß das, weil ich mindestens drei Freundinnen hatte, die unheimlich hinter dieser Zeitschrift her waren. Allerdings nicht, um sich die neuesten Tipps für die modebewusste Frau anzusehen, sondern die Typen im anderen Teil anzusabbern.“ Er verdrehte kurz die Augen. „Und wie kommt es, dass du dann mit so einer Begeisterung davon erzählst?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Er wurde noch eine Spur dunkler. „Ich... weiß nicht, seitdem ich mich von der dritten getrennt hatte, weil sie mich mit ihren andauernden Kiyoharu-hier, Jui-da, Hakuei-dort genervt hat, kauf ich mir die Zeitschrift zwischendurch immer mal wieder...“ Ich wusste nicht, ob ich ihm resigniert auf die Schulter klopfen und theatralisch seufzen, in Lachen ausbrechen, ihn ungläubig anstarren oder fluchtartig den Raum verlassen sollte. „Uhm... Yuu...“, meinte ich zögernd. „Das meinst du doch gerade nicht ernst, oder?“ Er nickte leicht. Jetzt konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Hast du mir irgendwas verschwiegen?“ „Genau DAS solltest du da NICHT reininterpretieren!!“, antwortete er gequält. „Hör zu, GLAMOUR ☆ FASHION ist wirklich SERIÖS, verstehst du? Da sind nicht einfach nur viele Leute mit wenig Kleidung abgedruckt, um dir zu zeigen, wie du sowieso niemals aussehen wirst, sondern... ich weiß nicht. Wenn du die Tipps darin wirklich beherzigst, dann...“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Am Besten ist, du guckst dir die Dinger selbst mal...“ Da wurden plötzlich seine Augen groß und er sah mich an. „Gara, Kiyoharu hat dich doch zu sich eingeladen, oder?“ Ich nickte verwirrt. „Ja, hat er. Was-“ „Oh mein Gott, oh mein GOTT!“ Yuu starrte mich wieder so komisch an, als wäre ich von einem anderen Stern. „Was denn?!“ „Du wirst ein Model!“ Mir klappte die Kinnlade runter. „ICH?!?“ „Ja, klar, warum sollte er dich sonst angelabert haben??“ Yuu wirkte, als würde er gleich auf dem Stuhl auf und ab hüpfen, die Orangen waren ihm inzwischen egal geworden. „Oh mein Gott, du wirst berühmt und kriegst ganz viel Geld und lernst die Leute kennen, die richtig viel Einfluss haben und OH MEIN GOTT, ich glaub das nicht!“ Er strahlte mich an. „Hey, Yuu, komm mal wieder runter!“, gab ich stirnrunzelnd zurück. „Ich glaub irgendwie nicht, dass er mich angequatscht hat, weil er mich als Model haben will, müsste das nicht sonst anders verlaufen sein? Ein bisschen... professioneller? Einfach wildfremde Typen anmachen, denen eine Visitenkarte aufdrängen, sie einladen und wieder verschwinden ist nicht so die feine Art, oder?“ „Stimmt, das ist ein bisschen inoffiziell“, gab Yuu zu und dachte kurz nach. Dann strahlte er mich wieder an. „Ich hab’s – er will dich für seinen privaten Harem!“ „HALLO?!“ Yuu musste lachen. „Nein, Scherz. Ich hab keine Ahnung, wie man normalerweise zum Model rekrutiert wird, ich hab mich mit dem Beruf noch nicht allzu sehr auseinander gesetzt-“ „Mehr als ich“, warf ich ein. „-aber ich denke, dass es das ist. Wenn er dich als Designer wollte, dann hätte er sich erst einmal deine Sachen angucken wollen, und wenn als Journalist, hättest du ihm natürlich erst einmal was schreiben sollen.“ „Wer sagt denn, dass er mich nicht für was GANZ anderes will?“, überlegte ich. „Was denn sonst, den Müll raustragen?“ Jetzt musste ich lachen. „Nein, aber... ach, ich weiß es doch auch nicht. Keine Ahnung. Am Besten wird sein, wenn wir einfach am Sonntag hingehen. Okay?“ Yuu nickte. „Okay, machen wir.“ Er grinste mich breit an. „Das kann ja was werden, ganz ehrlich... Soll ich dir vorher noch ein paar Ausgaben vorbeibringen?“ „Wie viele hast du denn insgesamt?“ „Das... willst du gar nicht wissen.“ Wollte ich wirklich nicht. Ich war schon froh, dass Yuu mir nur fünf vorbeibrachte. Als ich das erste Heft aufschlug (gut, was hieß da Heft? Das Ding war umfangreicher als eine Arena oder eine Fool’s Mate), erwartete ich Glanz, Gloria und hochgradig und kreativ gestylte Menschen, was grundsätzlich bei mir ein Gefühl auslöste wie bei einer Katze, die man gegen den Strich streichelte. Was ich allerdings bekam, war etwas ganz anderes. Es war, wie Yuu gesagt hatte – seriöser. Die Berichte, von denen nur einer oder zwei von Kiyoharu stammten und die anderen fünfundzwanzig (mindestens) von verschiedenen Personen, die ich alle nicht kannte, behandelten ernste Themen, die nicht nur mit Mode zu tun hatten, sondern auch zum Teil verschiedene Kulturen, Kultur allgemein (wie etwa Bücher- und Theaterkritiken) und Sachen, die man wissen sollte oder die interessant zu wissen waren. Es wirkte wie ein Magazin mit Schwerpunkt auf Mode. Und selbst wenn es um Mode ging, hatten die Redakteure es geschafft, die Zeitschrift nicht wirken zu lassen, als befände sie sich auf einem viel höheren Level, sondern dass selbst der Durchschnittsbürger sich angesprochen fühlte. Es war so interessant, dass ich mir sogar den Teil für die Frauen durchlas, wo ich etliche Sachen erfuhr, die ich eigentlich gar nicht brauchte, z.B. dass es half, wenn man einen Kajalstift vor dem Benutzen kurz in eine Flamme hielt, da er dann besser malte, und dass man bei den meisten Lidschatten nicht knausern sollte, da diese sonst zu leicht verwischten. Und ich musste zugeben, dass die Models (beiden Geschlechts) weder zu wenig anhatten noch allzu sehr gestylt waren noch aussahen wie frisch vom Chirurgen. Sie waren allesamt unheimlich hübsch, das schon, aber sie waren nicht UNWIRKLICH hübsch. Und selbst wenn Frauen oder Männer (nein, wirklich, das ist jetzt ernst gemeint) in aufreizenden Posen dargestellt waren, so konnte man doch erkennen, dass sie nicht gerade erst aus einem Porno entkommen waren. (Das meine ich absolut ernst – Männer in aufreizenden Posen. ... Das musste man sich mal vorstellen. Obwohl, besser nicht.) Ganz ehrlich – die Zeitschrift faszinierte mich. Und sie tat es noch mehr, als ich Kiyoharus Namen im Inhaltsverzeichnis der letzten Ausgabe las, die ich bereit gestellt bekommen hatte. (Aber echt – wie hatte Yuu mir nur FÜNF geben können!? Das reichte doch nicht einmal für eine ganze Nacht, also wirklich, ich würde mich noch mal beschweren müssen. Als ob fünf für den Anfang reichen würden, mal ehrlich...) Ich ignorierte den gesamten Rest fröhlich und blätterte sofort zu der Seite, die angegeben war. Und wurde von dem Gesicht angeschaut, das ich keine 24 Stunden vorher direkt vor mir gehabt hatte. Whow. So ohne Pornobrille und Hut konnte man sein Gesicht besser erkennen – und er war hübsch. Er war richtig hübsch. Zwar spindeldürr, aber trotzdem durchaus nicht unattraktiv. Und so jemand hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Auf einmal war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob das so eine gute Idee war... ~☆~ „Klingel du.“ „Warum ich?!“ „Ich kann nicht.“ „Hey, er hat DICH eingeladen.“ „Aber du bist mitgekommen!“ „Ja und?“ „Jetzt mach doch einfach.“ „...nein.“ „Warum nicht?“ „Was, wenn er dich nur verarscht hat?“ „Dann ist das MEIN Problem, also klingel jetzt.“ „Mach da doch nicht so einen großen Wirbel drum!“ „Du könntest dich auch einfach erbarmen und auf diesen kleinen Knopf drücken...“ „Gut, wenn du nicht willst...“ „...“ „...“ „...was ist jetzt?“ „Ich trau mich nicht...“ „Na super! Und wie sollen wir reinkommen, wenn du nicht klingelst?!“ „Jetzt bin ICH auch noch Schuld??“ „Ich störe ja nur ungern...“ Yuu und ich zuckten zusammen, als hätte man uns einen Elektroschock verpasst, und wandten uns der dunklen Gestalt zu, die vor uns stand. „...aber sind Sie angemeldet? Falls nicht, muss ich Sie bitten-“ „Nein, sind wir nicht“, antwortete ich kleinlaut und bekam von Yuu einen Ellbogen in die Rippen. „Ach, doch, sind wir!“ Der Typ (Ein Bodyguard? Sah zumindest so aus) betrachtete uns skeptisch. „Ich bin letztens Ihrem Chef über den Weg gelaufen, also eigentlich hab ich ihn über den Haufen gerannt, aber ich glaube inzwischen, dass das Absicht war, also, dass er sich hat umrennen lassen, und dann hat er mir seine Visitenkarte aufgedrängt und gesagt, ich soll doch Sonntag Mittag mal vorbeikommen und...“, plapperte ich drauflos. „Haben Sie die Visitenkarte noch?“, wollte der Bodyguard wissen. Ich kramte verzweifelt in meinen Taschen herum, bis ich sie schließlich doch fand und ihm reichte. Er musterte sie kurz, nickte dann und trat zur Seite, sodass wir durch das Tor gehen konnten. Neben mir atmete Yuu erleichtert aus, nur um dann wieder scharf die Luft einzusaugen. Kiyoharu wohnte in einer ansehnlichen Villa, die von einer tadellos gepflegten Rasenfläche umgeben war. Auf diese kam man nur, wenn man durch das Tor ging, das zur Straße zeigte. Es war schon... beeindruckend. „Yuu“, flüsterte ich. „Ich hab Angst. Ganz ehrlich.“ „Ich hab nur Lampenfieber“, murmelte Yuu zurück, während wir vorsichtig den Weg zur Tür zurücklegten, als gingen wir zum Jüngsten Gericht. „Warum das denn?“ „Was, wenn ich mich blamiere? Wenn ich irgendetwas Peinliches sage oder etwas Doppeldeutiges, was, wenn ich hinfalle, was, wenn ich ihn aus Versehen so umrenne, dass er sich was bricht, was, wenn ich irgendetwas von unschätzbarem Wert hinschmeiße, was, wenn-“ „Danke“, fiel ich ihm ins Wort. „Jetzt hab ich AUCH Lampenfieber.“ Yuu kicherte nervös, hielt aber sofort inne, als sich die reich verzierte Tür vor uns von selbst öffnete. Kiyoharu trug keinen Hut und keine Pornobrille, weshalb man sein Gesicht in dessen Vollkommenheit sehen konnte (Was zum Teufel rede ich gerade?), sondern eine Jeans mit etlichen Löchern drin und ein ärmelloses weißes Shirt. Und er lächelte mich an, wie bei unserer ersten Begegnung. Ich spürte, wie meine Knie weich wurden, weil ich hier gerade vor einem der wichtigsten Menschen überhaupt bei GLAMOUR ☆ FASHION stand, und weil er mich anlächelte, als würde er sich freuen, mich zu sehen, und weil er mein Leben wahrscheinlich mit einem Fingerschnipsen auslöschen konnte (Hallo? Wirklichkeit??) und überhaupt. (Zusammenfassung: Ich war noch nie einem so hübschen Star so nah gewesen.) „Einen wunderschönen guten Tag“, begrüßte Kiyoharu (der leibhaftige Kiyoharu – ich glaubte es immer noch nicht) uns freundlich. „Oh mein Gott“, murmelte ich leise. Er sah mich an. „Bitte?“ „Ich habe hallo gesagt“, sagte ich schnell. Yuu biss sich auf die Lippe, um nicht lachen zu müssen und erwiderte den Gruß dann ebenso freundlich. Ich wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken. „Ich würde vorschlagen, dass ich Sie beide erst einmal ein wenig herumführe und wir uns etwas näher kennen lernen, und dann können wir immer noch weiter sehen, ja?“, bot Kiyoharu an und schenkte uns ein Lächeln, das so umwerfend aussah, dass ich mich verfluchte, keine Kamera dabei zu haben. (Okay, ich übertrieb wirklich. Das hier war auch nur ein Mensch. ... Aber WAS für einer.) „Darf ich mitkommen?“, wollte Yuu verwirrt wissen. „Natürlich. Sehen Sie, Sie müssen im Moment die wichtigste Person in seinem-“, Kiyoharu deutete auf mich, „-Leben sein, sonst wären Sie jetzt nicht hier. Und wenn alles passt, dann werden wir beide noch etwas länger zusammenarbeiten, und da Sie zu seinem Umfeld gehören, ist es besser, wenn ich Sie so früh wie möglich kennen lerne – schließlich muss ich wissen, was in den Köpfen meiner Models vorgeht und was sie beschäftigt, sonst kann ich ihren Charakter nicht zur Geltung bringen.“ Mir wurde kurz schwindelig. Ich sollte wirklich... Model werden. Bis gerade eben hatte ich nicht wirklich daran geglaubt – ich hatte doch fast nichts mit den Models gemein, die ich in den Heften gesehen hatte... „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann zeige ich Ihnen erst einmal meinen Garten, da bin ich besonders stolz drauf. Und währenddessen können Sie sich gerne etwas vorstellen“, meinte Kiyoharu und schob uns ein Stück von der Tür weg, ehe er Seite an Seite (ich links, Yuu rechts) mit uns über den perfekten Rasen spazierte. Und ich konnte weder glauben noch überhaupt begreifen, was hier gerade vor sich ging. Kiyoharu führte uns wirklich fast überall herum. In seinem Garten hatte er hinter dem Haus, sodass man es von der Straße nicht sehen konnte, einen Whirlpool, einen Swimmingpool, ein Stück Sandstrand ohne Meer aber mit Teich (keine Ahnung, was das sollte, aber es beeindruckte mich zutiefst, was wahrscheinlich der Sinn der Sache war) und etliche knallbunte Blumenbeete. Und wenn ich sage knallbunt, meine ich knallbunt. In der Villa selbst gab es ALLES. Hatte ich in meinem ganzen Leben Häuser mit Billardzimmer, Trainingsraum, Musikzimmer, zwei Wohnzimmern, drei Bädern, zwei Schlafzimmern, einer riesigen Küche oder einem Wohnzimmer, das allein eine Etage eines Einfamilienhauses ausmachen konnte, gesehen, so vereinte Kiyoharus Villa das alles in stilvoller Art und Weise. Ich glaube, er hatte sich, bevor er das Ding hat einrichten lassen, eine Liste geben lassen mit der Überschrift ‚Räume, die man nicht braucht, die man aber trotzdem haben kann’ und danach sein Haus eingerichtet. Oder so. Yuu schien ähnlich beeindruckt zu sein wie ich, denn er redete fast gar nicht, was nur dann vorkam, wenn er anwesende Personen nicht leiden konnte (im Gegensatz zu mir) oder wenn er sprachlos war. Na ja. Während wir die Villa in ihrer Gesamtheit besichtigten, unterhielten Kiyoharu und ich uns ganz locker, hauptsächlich über mich bzw. mein Leben (was nicht ganz so toll war – ich hatte das Studium abgebrochen und seitdem nicht einen Tag gearbeitet, aber nur, weil ich nichts gefunden hatte) und GLAMOUR ☆ FASHION. Wo ich konnte, gab ich mit meinem Vorwissen über die Zeitschrift an und merkte, wie Yuu immer wieder tat, als würde er sich umsehen, während er sich einen weggrinste. Und nach fast zwei Stunden (wir hatten uns reichlich Zeit gelassen) standen wir wieder vor Kiyoharus Tür (nur dieses Mal von innen gesehen). Er schenkte uns ein Lächeln. „Ich muss zugeben, dass ich die Zeit mit euch ziemlich genossen habe.“ Dann wandte er sich an Yuu. „Aber ich befürchte, dass ich dir etwas sagen muss, das dir nicht sonderlich gut gefallen wird.“ Yuu sah ihn sowohl neugierig und zerknirscht als auch schuldbewusst (Schuldbewusst? Hatte ich was verpasst?) an. „Was denn...?“ „Ich werde Gara noch ein bisschen länger hier behalten müssen.“ Ich und Yuu sahen uns an und in derselben Sekunde erschien ein breites Honigkuchenpferdgrinsen auf unseren Gesichtern. Oh Gott, ich glaubte es wirklich nicht... Yuu knuffte mich kurz aufmunternd in die Seite und verbeugte sich dann ganz kurz vor Kiyoharu. „Behalt ihn, so lang du willst. Vielen Dank, dass ich auch hier sein durfte. Bis dann.“ Er zwinkerte mir zu und ich grinste zurück. „Auf Wiedersehen“, erwiderte Kiyoharu lächelnd und wartete, bis Yuu das Haus verlassen hatte (nicht, ohne mir noch verstohlen einen Thumbs Up zu geben), ehe er mich zurück in das Riesen-Wohnzimmer führte. „So... du weißt, warum du hier bist?“, fragte er mich. Ich legte den Kopf schief. „Weil du mich eingeladen hast?“ „Weil du etwas besitzt, was nicht alle Leute in dem Ausmaß haben. Ausstrahlung. Bei echten Models geht es nicht nur darum, ob sie gut aussehen, sondern ob sie es auch so herüberbringen können. Wenn du irgendwelche Sachen präsentieren willst, musst du dich fühlen, als seist du in ihren geboren worden. Setzen wir uns.“ „Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich mit dem ganzen Stress klarkomme“, gab ich vorsichtig zu bedenken und ließ mich auf eine Couch sinken. Kiyoharu lächelte leicht und setzte sich mir gegenüber. „Das soll deine geringste Sorge sein. Du fängst ganz unten an, und wenn du dich verbesserst, wirst du langsam immer höher gestuft, wenn nicht, bleibst du da, wo du bist. Und selbst wenn du da bleibst – davon leben kannst du allemal und du wirst auch noch bekannt.“ Ich dachte darüber nach. „Das heißt, an dem Beruf gibt es keine Schattenseiten?“ „Das kann man so auch nicht sagen. Er wird auf jeden Fall riskanter, je bekannter du wirst. Du kannst es dir vorstellen wie ein Seil, auf dem du entlang balancieren musst, und dieses Seil wird langsam immer dünner. Wenn du gut bist, wenn du dich den Umständen anpasst und neue Methoden entwickelst, mit Problemen klarzukommen, wenn du dich ständig weiterentwickelst und immer besser wirst, bekommst du keine Probleme, wenn du das aber nicht tust, dann fällst du runter. Es wird sich auf jeden Fall zeigen, ob du flexibel und anpassungsfähig bist. Ach ja, und wenn du irgendwelche Probleme hast, wenn du das Gefühl hast, es geht nicht mehr weiter – komm zu mir. Ich kann das alles regeln. Ich will nur nicht, dass du immer weiter machst, weil du denkst, dass es von dir erwartet wird, und nicht, weil es dir Spaß macht. Okay?“ Dieser Typ überraschte mich immer wieder aufs Neue. Ich nickte langsam. „Okay...“ „Gut. Pass auf. Ich biete dir Folgendes an: Du arbeitest erst einmal drei Monate für uns. Das ist nicht lange, aber lang genug. Du kriegst natürlich noch kein volles Gehalt, aber du arbeitest ganz normal und machst das, was alle anderen auch machen. Die drei Monate sind erst einmal fest, und wenn sich zeigt, dass du das nötige Zeug hast, um richtig berühmt zu werden, dann bieten wir dir einen Vertrag an, der dann mindestens für fünf Jahre gilt – wobei du natürlich rausgeschmissen werden kannst, wenn sich herausstellt, dass du dich nur in den drei Monaten angestrengt hast und dann die Füße hochlegen willst. Also solltest du das gar nicht erst versuchen, wobei du sowieso nicht wie jemand wirkst, der das machen würde. Bist du denn erst einmal mit den drei Monaten einverstanden?“ Wie schon gesagt, dieser Typ schaffte es immer wieder, mich zu überraschen. Ein wenig perplex nickte ich. „Ich... denke schon. Aber vorher würde es auf jeden Fall helfen, wenn ich ein wenig mehr über den Beruf allgemein erfahren könnte...“ Aus dem ‚ein wenig mehr’ wurde ein ‚ein wenig VIEL mehr’ und daraus dann ein ‚UNHEIMLICH VIEL mehr’. Nicht, dass es mich störte, ich mochte Kiyoharus Stimme und ich mochte es, wenn er redete, er hatte einen total niedlichen Akzent. Aber er erschlug mich beinahe mit Informationen, und ich wusste, dass ich morgen sowieso die Hälfte wieder vergessen hätte. Ich sollte dran denken, mir das Ganze aufzuschreiben. Weitere drei Stunden später hatte ich endlich keine Fragen mehr, mit denen ich Kiyoharu löchern konnte, also verabschiedeten wir uns (ich bedankte mich ausführlich für alles, er winkte bloß ab) und ich ging mit weichen Knien (was lustig ausgesehen haben musste) zum Tor zurück. Whow. Okay. Das war also Kiyoharu. Ich hätte noch viel mehr Zeit mit ihm verbringen können, er machte es einem so einfach, ihn zu mögen. Vor allem gefiel mir seine ruhige Art und er hatte mir nicht ein einziges Mal das Gefühl gegeben, dass ich ihn nervte, obwohl meine Fragen wahrscheinlich teilweise für ihn ein wenig... absurd gewesen sein mussten. Gerade, als ich aus dem Tor ging, hielt davor ein Auto, aus dem eine kleine Gestalt ausstieg, die ich sofort wiedererkannte – der Typ, der wie eine Frau aussah. Lächelnd kam er auf mich zu und schüttelte mir die Hand. „Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennen gelernt, oder?“, fragte er freundlich. „Doch, vor ungefähr drei Tagen“, erwiderte ich lächelnd. „Aber nur ganz kurz, ich war derjenige, der Kiyoharu umgerannt hat.“ Der Typ überlegte kurz und nickte dann, sich offensichtlich erinnernd. „Tut mir leid, ich habe beruflich mit so vielen Leuten zu tun, da vergisst man schon ein paar Gesichter. Sie sind...?“ „Gara. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“ Irgendwie war es hier am Anfang leichter, mit diesem Kerl zu reden, wahrscheinlich, weil er nicht so groß und respekteinflößend war wie Kiyoharu. „Ich bin Hyde, vielleicht haben Sie meinen Namen schon mal im Zusammenhang mit der GLAMOUR ☆ FASHION gelesen...?“ Stirnrunzelnd durchforstete ich mein Gedächtnis. Nein, da war nichts von einem Hyde... Weder bei den Models, noch bei den Artikelschreibern. „Tut mir leid...“ Ich schüttelte den Kopf. „Sagt mir gerade nichts.“ Er schenkte mir ein Lächeln, das ihn noch weiblicher aussehen ließ. Seine tiefe Stimme passte überhaupt nicht zu seinem Äußeren, zwar hatte ich weder was gegen das eine noch gegen das andere, aber in der Kombination... „Kein Problem. Hat er Sie angenommen?“ Ich nickte. „Für drei Monate erst einmal. Wissen Sie, ob mich da harte Arbeit erwartet?“ Hyde musste grinsen. „Kommt drauf an, wen Sie als Senior zugeteilt bekommen. Beten Sie dafür, dass es jemand wie Yasu ist, und nicht einer wie Hakuei.“ Yasu? Ich erinnerte mich, ein Typ mit meistens dunklen Haaren und strahlend blauen Kontaktlinsen, der meistens normal angezogen war. Hakuei war so ziemlich das Gegenteil, er hatte jede Modeerscheinung schon mal in ihrer extremsten Form ausgelebt – Punk, Gothic, Visual Kei... Na ja. Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. „Das kann ich nicht beeinflussen, da sollten Sie sich lieber an Kiyoharu wenden.“ „Stimmt. Wie auch immer, ich wünsche Ihnen viel Glück und auf dass wir uns bald wiedersehen – aber dann, wenn Sie ein berühmtes Model sind.“ Er schüttelte mir noch einmal die Hand und stapfte dann in Richtung Kiyoharus Haus los. Ich sah ihm eine Weile nach. Obwohl er das Gegenteil von unhöflich und unfreundlich gewesen war, hatte ich das Gefühl, dass er mich nicht so recht leiden konnte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Na ja, egal. ~☆~ „Yuu, ich kann’s immer noch nicht glauben... ich glaub’s einfach nicht...“ Ich schüttelte langsam den Kopf, während Yuu, der quer zu mir auf seinem Bett lag und seinen Kopf auf meinem Bauch liegen hatte, mich angrinste. „Dir ist schon klar, dass du seit fünf Minuten nichts anderes mehr gesagt hast?“, fragte er. Jetzt nickte ich. „Ja, das weiß ich... und trotzdem... weißt du, da haut der mir erst mal rein, dass er mich für die nächsten drei Monate beschäftigen will, und wenn ich mich nicht ganz bescheuert anstelle, krieg ich einen Vertrag über mindestens fünf Jahre...“ „Und dann wirst du auch noch berühmt“, fügte Yuu hinzu. „Genau, stell dir das mal vor... die ganzen Frauen reißen sich um mich, und ich kann es mir erlauben, wählerisch zu sein...“ Ich lächelte geistesabwesend. „Wobei du dich natürlich erst mal hocharbeiten musst“, bemerkte Yuu und stupste meine Wange an, damit ich ihm zuhörte. „Also bitte, so schwer kann das doch wohl nicht sein – wichtig tun, hübsch aussehen und Punkt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Das krieg ich schon hin.“ „Ich dachte, Kiyoharu hat dir einen dreistündigen Vortrag darüber gehalten, wie schwer Modelsein doch ist?“ „Hat er auch.“ Ich grinste. „Aber ich glaube nicht, dass es so schwer wird. Außerdem krieg ich doch noch einen Senior zugeteilt.“ Yuu sah mich an. „Einen was?“ „Einen Senior – einen Typ, der schon etwas länger Model ist und mir Tipps und Ratschläge gibt.“ „Dann bete darum, dass es Yasu und nicht Hakuei ist.“ Ich musste lachen. „Genau das hat der andere Kerl auch gesagt!“ „Welcher?“ „Der, der wie eine Frau aussieht. Wie hieß er noch? Hyde, glaube ich.“ Da setzte Yuu sich auf. „Du hast HYDE getroffen?“ Ich nickte verwirrt. „Ja, hab ich, das war der Typ, der aussah wie eine Frau... Warum, ist er auch so ein hohes Tier?“ „Uhm... er ist der Vizeredakteur der gesamten Zeitschrift“, antwortete Yuu vorwurfsvoll, als hätte ich das wissen müssen. Okay, hätte ich wahrscheinlich auch. „Echt?“ Ich legte den Kopf schief. „Oh. Dabei sieht er aus, als könnte er bei den Weibern modeln – natürlich nur vom Gesicht her. Oder man gibt ihm was zum Ausstopfen und steckt ihn in ein Kleid.“ Yuu seufzte tief. „Ich glaube, mit solchen Kommentaren solltest du dich wenn möglich zurückhalten...“ „Wie auch immer.“ Ich zog ihn zurück, sodass er wieder mit dem Kopf auf meinem Bauch lag. „Gibt es noch irgendwas, das ich wissen sollte? Wer ist eigentlich der Redakteur, wenn Hyde nur der Vize ist?“ Er sah mich an, als wäre die Frage eine persönliche Beleidigung gewesen. „Du guckst auch nie in das Impressum, oder? Miya heißt er. Verwechsel ihn BLOß nicht mit Miyavi, da reagieren beide ziemlich gereizt. Wie auch immer, Miya ist eine ähnliche Lichtgestalt wie Kiyoharu, wenn auch weit nicht so bekannt oder beliebt, die Leute vergessen meist, dass ohne ihn GLAMOUR ☆ FASHION gar nicht existieren würde. Aber er ist richtig gut, behält immer den Überblick und weiß über alles Bescheid. Wenn irgendjemand sich eine Zigarette anzündet, ist er der erste, der weiß, wie viele noch in der Packung übrigbleiben. Also, wenn du irgendetwas wissen willst, wäre er die beste Quelle – bis auf dass du natürlich nicht an ihn herankommst.“ Die Leute wurden mir alle immer unheimlicher. Musste man so multibegabt sein, um da arbeiten zu können? „Und... warum gibt es dann noch einen Vize-Redakteur?“ „Gut, die Bezeichnungen sind vielleicht nicht ganz korrekt, du könntest Miya als den Chef bezeichnen und Hyde als den Chefredakteur. Miya sorgt eigentlich nur für die internen Sachen, regelt Dinge und so was, und Hyde kümmert sich darum, wie die Zeitschrift hinterher aussieht. Aber das Faszinierende ist – keiner von ihnen ist ersetzbar. Wenn auch nur einer von Miya, Hyde oder Kiyoharu fehlen würde, würde das ganze System zusammenbrechen.“ „Klingt riskant“, gab ich zu bedenken. „Ist es auch.“ Yuu nickte. „Aber so ist es nun mal... und es funktioniert bestens.“ „So, und jetzt musst du mir noch mal erklären, warum genau Kiyoharu und Hyde auf der Straße standen und nach jemandem wie mir Ausschau gehalten haben...“ Yuu grinste. „Warum fragst du mich das?“ „Weil du sowieso alles weißt“, erwiderte ich beleidigt. Warum wusste er ausgerechnet das nicht, was mich interessierte? „Ich vermute, dass ein Model sie demnächst verlassen wird, und deshalb sorgen sie schon mal für Nachschub, du hast natürlich Recht, es ist ein wenig unüblich für die beiden, sich einfach auf die Straße zu stellen...“ Ich nickte. „Find ich auch. Aber egal. Wir werden ja sehen.“ „Wann fängst du denn an zu arbeiten?“ „Nächste Woche Montag direkt... und WAS ich mache, wird mir dann von meinem Senior erklärt.“ Yuu schenkte mir ein Lächeln. „Herzlichen Glückwunsch, Gara, ganz ehrlich.“ ~☆~ Montagmorgen, Punkt acht Uhr, betrat ich das riesige Gebäude, das allein dazu da war, um eine gewisse Zeitschrift zu produzieren. Es war wirklich groß, vielleicht dreißig Stockwerke und dann auch noch so lang und breit... Und hier würde ich die nächsten drei Monate arbeiten. Na ja, mal schauen. Ich ging durch die Eingangshalle zu den Aufzügen. Ich war bereits einmal hier gewesen, vor ein paar Tagen, Kiyoharu hatte mir die wichtigsten Dinge gezeigt und wo ich hinmusste, um zu meinem Senior zu kommen. Daher war ich jetzt nur deshalb aufgeregt – ich wusste immer noch nicht, wer sich die nächste Zeit um mich kümmern würde. Ich hoffte inständig, dass es wirklich nicht so jemand total Arrogantes war, der meine Anwesenheit als eine persönliche Beleidigung auffasste. Als ich im siebten Stock aus dem Aufzug ging, wäre ich um ein Haar von einem Tacker getroffen worden, so aber flog er nur Millimeter an meinem Gesicht vorbei. Ich machte einen Satz zurück und sah in die Richtung, aus der das Wurfgeschoss gekommen war. Da erst bemerkte ich auch den Lärm. „Federboas! FEDERBOAS!! Ich glaub, ich hör nicht recht, ich soll ein Shooting mit FEDERBOAS machen?! Wahrscheinlich noch in pink oder rosa! Warum ziehen die mir nicht gleich ein KLEID an?!?“ „Bitte, beruhigen Sie sich...“, meldete sich jetzt eine kleinlaute weibliche Stimme zu Wort. „Was soll ich denn NOCH dazu anziehen?! Soll ich mich vielleicht wie Hakuei ausstaffieren, als er diese FURCHTBARE Session mit dieser abscheulichen pinken Federboa gemacht hat?? Huh?! Was soll ich dazu anziehen?!?“ Die Frau sagte etwas, das ich nicht verstand, aber das war auch nicht nötig. „NICHTS????? WIE BITTE!!?“ Ich brauchte einen Moment, um zu registrieren, dass der Raum, aus dem das Geschrei kam, der Raum war, zu dem ich hin sollte. Ich bekam einen gequälten Gesichtsausdruck. Nein, bitte nicht... „Ich lasse mich doch von denen nicht so erniedrigen, wer BIN ich denn?? Ich habe doch auch meinen Stolz, und es geht mir am Arsch vorbei, ob der werte Herr meint, dass mir Federboas stehen und meinen Charakter unterstreichen würden, ICH. MACH. DAS. NICHT!!“ Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung und warf einen Blick in das Zimmer, wobei ich mich sofort ducken musste, als eine Kaffeetasse angesaust kam. Hinter mir zersprang sie an irgendeiner Wand, aber das interessierte mich in dem Moment ziemlich wenig. Was ich sah, schockierte mich zu sehr. Da stand ein Model in Lebensgröße, das ich eigentlich ziemlich hübsch gefunden hatte, und nahm die Einrichtung auseinander. Neben ihm stand eine völlig verstörte junge Frau. Wahrscheinlich eine Sekretärin, die ihren ersten Tag hier hatte. Würde mich nicht wundern, wenn der Kerl einen ziemlich Verschleiß von Sekretärinnen hatte. Und DAS war mein Senior. ... Wollte man mich gerade verarschen?! „Verschwinden Sie, ich muss das regeln!“, rief der Typ und sah aus, als würde er auf die Frau losgehen, wenn sie nicht innerhalb von drei Sekunden gehorchte. „Haben Sie mich verstanden?!“ Ohne ein weiteres Wort huschte die Sekretärin an mir vorbei, ohne mich anzusehen. Dann erst bemerkte der Typ mich. „Wer auch immer Sie sind, kriechen Sie unter den Stein zurück, unter dem Sie hervorgekommen sind, ich will alleine sein!!“, fauchte er. Dir auch einen wunderschönen guten Tag. „Uhm, Entschuldigung, aber ich bin neu hier und... mir wurde gesagt, dass Sie mein Senior wären“, erwiderte ich zögernd und so freundlich wie möglich. Als Antwort bekam ich einen Blick, aus dem die Mordlust deutlich hervorstach. „Ach so, das bist DU“, bemerkte er, plötzlich nicht mehr fuchsteufelswild, sondern so kalt, dass man damit einen Kühlschrank hätte 48 Stunden ersetzen können. „Ich nehme an, du weißt, wer ich bin?“ Ich nickte langsam. „Ja, das weiß ich...“ „Gut, dann weißt du auch, dass ich sehr beschäftigt bin und keine Zeit für dich habe. Verschwinde.“ Damit würdigte er mich keines weiteren Blickes mehr, sondern setzte sich an seinen Schreibtisch und schnappte sich das Telefon. „Sachiko, räum das hinterher auf!“, rief er an mir vorbei, offenbar an seine Sekretärin gewandt, während er eine Nummer wählte und dann mit einem Gesichtsausdruck wartete, der nichts Gutes verhieß. „Was zur Hölle soll das mit den Federboas?!“, zischte er dann in den Hörer. „... Das ist mir EGAL, Kiyo, ich werde GANZ bestimmt kein Shooting mit den Teilen machen, ich hasse diese Dinger, die sehen immer aus, als hätte man sie gerade einem Strauß aus dem Arsch gezogen!“ Ich musste wohl ein wenig hilflos und fehl am Platze gewirkt haben, wie ich da stand und mir nur dachte ‚Du hättest wissen müssen, dass du immer die Arschkarte ziehst’. „... Weißt du, wie wenig- ... Nein, aber- ...“ Der Typ verdrehte genervt die Augen. „Hör mir mal zu, reicht es nicht schon, dass ich mich für das Ginko-Shooting halb ausgezogen habe, muss ich jetzt auch noch- ... Kiyo, ich- ...“ Er seufzte. „... Wenn du mir mal zuhören würdest- .... WAS?? ... Okay. Ja, ist okay. ... Nein, wirklich. ... Ich denk drüber nach. ... Ja. ...“ Erneutes Seufzen. „Jetzt reg dich doch nicht gleich so auf. ... Nein, ist okay, ehrlich. ... Ja. Ich sag’s dir dann morgen, okay? ... Ist gut. ... Entschuldige. Bis dann. ... Was? Ja, hier ist...“ Er warf mir einen kurzen Blick zu. „...ja, kann ich machen. Warum hast du ihm nicht gleich eine eigene Sekretärin angeschafft? ... Ja, er kann Sachiko haben, die ist eh zu nichts gut. ... Wenn du meinst... bis dann.“ Das musste ich mir merken – Kiyoharu war offenbar eine der wenigen Personen, die ihn hier beruhigen konnten. Das war hilfreich, sollte ich mal in einer lebensbedrohlichen Situation sein. Was wohl nicht lange auf sich warten lassen würde. Ich musste unwillkürlich schlucken, als sich Kiritos Blick auf mich legte, und machte mich auf das Donnerwetter gefasst. „So, und du bist also dieser Gara.“ Nein, kein Donnerwetter. Schnee. „Kiyos neueste Errungenschaft.“ „Wie bitte?“, fragte ich vorsichtig nach, woraufhin der Angesprochene nur die Augen verdrehte. „Du kommst von der Straße“, betonte er. Ich hob die Augenbrauen. „Ich-“ „Du hast vorher noch nie gemodelt, hast absolut keine Ahnung von dem Ganzen hier und wärst ohne einen Senior vollkommen aufgeschmissen“, fuhr Kirito fort. Es hörte sich eher an wie eine Feststellung, trotzdem antwortete ich nickend in der Hoffnung, er würde sich als besonders fürsorglich und hilfsbereit herausstellen. Aber er lächelte nur kurz und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Tja, schon scheiße, nicht wahr?“ Damit wandte er sich irgendwelchen Papieren zu und würdigte mich keines Blickes mehr. Eine halbe Minute stand ich wie angewurzelt da und fragte mich, warum um alles in der Welt ich das hier verdient hatte. Das konnte ja lustig werden. Und ich hatte keine Ahnung, wo ich hinsollte. „Sachiko!!“, rief das Model so unvermittelt, dass ich zusammenzuckte. „Komm mal bitte.“ Oh. Das erstaunte mich. Er kannte das Wort ‚bitte’. Die Sekretärin huschte an mir vorbei in den Raum. „Ja...?“ „Sag meinen Termin mit diesem Reporter ab, das Shooting ist dazwischengekommen. Ach ja, und erinnerst du mich morgen daran, dass ich mich noch mit Rose treffen wollte? Das wäre soweit alles.“ Das alles sagte Kirito, ohne aufzusehen. „Richtig, und bringst du ihn bitte zu ViENUS, die brauchen noch ein paar Leute. Danke.“ Bei ‚ihn’ hatte ich das ungute Gefühl, dass ich gemeint war. Ich sah Sachiko an, die mir ein schwaches Lächeln schenkte und mir durch eine Kopfbewegung klarmachte, dass ich ihr folgen sollte. Als wir das Zimmer neben Kiritos betraten (welches offenbar ihr Büro war), atmete sie hörbar auf. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie vorher nicht begrüßt habe, aber hätte ich auch nur eine Silbe zu viel gesagt, hätte er bestimmt noch den Locher geworfen.“ Ich lächelte sie mitfühlend an. „Keine Ursache. Ich frage mich nur, wie Sie unter so einem... arbeiten können.“ Sachiko winkte ab. „Keine Sorge, er ist nicht immer so, nur, wenn ihm irgendwas nicht passt.“ Sie runzelte die Stirn. „Was... ziemlich oft vorkommt, aber egal. Eigentlich ist er ganz umgänglich, und ob Sie’s glauben oder nicht, manchmal flirtet er sogar mit mir. Dann hat er einen richtig guten Tag.“ Ganz ehrlich, ich glaubte ihr ohne Weiteres. Aber nur, weil sie bei den Worten wie ein frisch verliebter Teenager aussah. „Es sei denn, ihm kommen Federboas dazwischen“, warf ich ein. Sie musste grinsen. „Psst, nicht so laut, sonst hört er uns noch.“ „So, nur, damit ich das richtig sehe, Sie sind Sachiko, die Sekretärin-“ „Vom Diktator“, bestätigte sie nickend. Ich blinzelte sie an, woraufhin sie leise kicherte. „So wird er genannt, wenn er nicht gerade dabei ist. Ja, ich arbeite für ihn, jetzt schon seit ungefähr einem Jahr, die anderen vor mir haben nicht so lange durchgehalten – haben eher seine negativen Seiten gesehen. Dazu neige ich auch manchmal, aber wenn er dann wieder einen seiner guten Tage hat und dann so rumstrahlt...“ Sie seufzte leise. „Er macht es einem nicht leicht, ihn zu mögen, das stimmt. Aber wenn man ihn erst einmal kennt, kommt das von allein.“ Dann betrachtete sie mich prüfend von oben bis unten. „Hm. Ob Sie richtig in dem Job hier sind, wird sich erst noch zeigen. Die anderen werden Ihnen nicht gerade mit viel Freundlichkeit begegnen, sie haben was gegen die Leute, die ‚von der Straße’ kommen, wie sie es ausdrücken. Aber wenn Sie gut sind, werden Sie ziemlich schnell akzeptiert. Ich würde sagen, wir fahren jetzt erst einmal zu ViENUS.“ Ich nickte langsam. Gut. Ein Diktator und eine Labertasche, die bis über beide Ohren in ihn verknallt war. Gut~... Ich fühlte mich immer mehr fehl am Platz. „Uhm, werden Sie mir den Kopf abreißen, wenn ich gestehe, dass ich nicht weiß, wer ViENUS ist?“, wollte ich vorsichtig wissen. Sachiko sah mich mit einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit an. „Was? Sie wissen nicht- ...“ Dann seufzte sie einmal tief. „Okay. Ganz ruhig, fangen wir GANZ von vorne an. Kommen Sie, während wir zu ViENUS fahren, kann ich Ihnen ein wenig mehr erzählen.“ ViENUS entpuppte sich als eine Marke, die Jeans herstellte – und deren Hauptsitz günstigerweise ganz in der Nähe war. Wie Sachiko mir erzählte, wollten sie einen neuen Katalog rausbringen und suchten dafür regional bekannte Models, beziehungsweise B-Models, wie Sachiko es ausdrückte. Sie wollten wohl nicht mehr so viel Geld ausgeben wie bei dem einen Mal, wo Anna Tsuchiya persönlich für sie gemodelt hatte. Kiyoharu und Anna hatten wohl zugestimmt, der Marke ein paar ihrer Models auszuleihen – und ich war wohl einer von ihnen. Ich solle mir nicht zu viel davon versprechen, meinte Sachiko, eventuell würde ich gar nicht genommen. Und selbst wenn, hieß es nicht, dass mein Foto in den Katalog kam. Und selbst wenn, hieß das nicht, dass ich mir was darauf einbilden konnte. Sie war so aufbauend, ganz ehrlich. Bei ViENUS angekommen, wussten weder Sachiko noch ich, wo wir hinmussten. Sie rief Kirito an und wurde für einen Moment wieder ganz die unterwürfige Angestellte, als er sich offenbar per Handy bei ihr darüber aufregte, dass es wohl ZIEMLICH kalt war mit nur ein paar Federboas am Leib. Ich versuchte, mir die Szene NICHT vorzustellen und sah mich um. Ich entdeckte jemanden, dessen Gesicht ich kannte, aber ich konnte es nicht so genau einordnen. Er ging gerade durch die große Eingangshalle, in der wir standen, und unterhielt sich mit jemand anderem. Als er merkte, dass ich ihn anstarrte, erwiderte er meinen Blick, sah dann zu Sachiko und musste lächeln. „Kirito-san-“, versuchte Sachiko sich neben mir Gehör zu verschaffen. „Bitte, hören Sie- ... ja, das glaube ich Ihnen. Was ich fragen- ... ja, habe ich schon. ... Ja. ... Hören Sie-“ Kein merklicher Erfolg zu vernehmen. Ich wandte mich von dem Typen ab, der sich inzwischen weiter unterhielt und sah Sachiko hilflos an. Sie machte ein gequältes Gesicht, sah dann über meine Schulter und warf jemandem ein kurzes Lächeln zu. Als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte, fuhr ich zusammen. Es WAR aber auch nicht mein Tag heute. „Sachiko? Würde es dich allzu sehr stören, wenn ich ihn hinbringe?“, fragte eine mir gänzlich unbekannte und ziemlich helle Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht des Typen, der mir gerade schon aufgefallen war. Jetzt wusste ich auch, woher ich ihn kannte – aus den Zeitschriften. Er war derjenige, der ständig königsblaue Augen hatte. Nur sein Name war mir entfallen. „Es würde mich außerordentlich freuen, wenn du das machen könntest“, seufzte die Angesprochene, die Sprechmuschel zuhaltend. „Kirito macht wieder Stress und ich hab sowieso noch viel zu viel zu tun – außerdem braucht er hier professionelle Hilfe.“ Danke, jetzt wurde ich sogar zum Patienten degradiert! „Vielen Dank, Yasu. Bis dann. Auf Wiedersehen, Gara.“ Sie schenkte mir noch ein Lächeln und verschwand dann. Richtig – das war Yasu. Der Kerl, von dem ich so viel Gutes gehört hatte. Er lächelte mich an. Schien wohl ganz nett zu sein. (Ich hatte inzwischen gelernt, kein Vertrauen mehr in meine Umwelt zu haben.) „Also ein echt hoffnungsloser Fall? Scheint so. Keine Sorge, das kriegen wir auch noch hin. Komm mit.“ ~☆~ „...das war voll lustig, es gab ein Riesenchaos, als Yasu gemerkt hat, dass er sich verlaufen hat – wir sollten nämlich in irgendeinen Raum, den es auf dem Raumplan überhaupt nicht gab. Zum Glück waren wir nicht die einzigen, da liefen noch haufenweise andere Leute rum, die nicht wussten, wo sie hinsollten.“ Ich jagte einer Taube hinterher, aber sie war leider zu schnell für mich. „Und der Rest war ziemlich langweilig, es wurden eigentlich nur diejenigen aussortiert, die sie nicht haben wollten, und mit den anderen irgendwelche Sachen besprochen. Das eigentliche Shooting ist erst übermorgen.“ „Und dich haben sie genommen?“, fragte Yuu lächelnd nach, woraufhin ich grinsend nickte. Er schüttelte den Kopf. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich jetzt mit einem Model befreundet sein soll... Ich meine – nicht, dass ich es dir nicht gönne oder so was, das ist das Beste, was dir passieren konnte, aber ich glaube, ich muss mich mit dem Gedanken erst einmal anfreunden.“ Ich hakte mich bei ihm unter und stupste ihn in die Seite. „Glaubst du, ich nicht? Aber mit der Zeit wird es wohl schon gehen. Ich hoffe ja, dass Kirito nach einiger Zeit erträglich wird – ohne, dass ich mich in ihn verknallen muss.“ Ich grinste gequält. „Weißt du, ich hatte ja vorher noch nie Angst um mein Leben...“ „Ich glaube, ich würde mich erschießen, wenn ich auf so jemanden angewiesen wäre“, bemerkte Yuu lachend. „Wenn er mir nicht zuvorkommen und mir vorher den Kopf abreißen würde. Aber ehrlich, wenn du ihn dir mal auf den Bildern anguckst, kämst du nie auf den Gedanken, dass er so...“ „Ach nee.“ Wir bogen in eine Seitenstraße ab. „Würde ja auch seinem Image schaden. Aber Yasu ist echt cool. Wenn man sich mal an seine Stimme gewöhnt hat– Du hättest ihn dir mal anhören sollen, das ist total niedlich. Er hat mir sogar vorgeschlagen, dass wir uns ja mal für irgendwann verabreden könnten, voll nett...“ „Du besorgst mir dann ja schon ein Autogramm von ihm, oder?“, fragte Yuu breit grinsend. „Ich kann ja schon mal eine Sammlung anlegen von Autogrammen von Models aus GLAMOUR ☆ FASHION.“ „Kirito gehst du aber gefälligst selbst fragen, ich hab das Gefühl, dass wenn ich ihn um so etwas bitte, er mir eine nicht sonderlich nette persönliche Widmung dazuschreibt“, erwiderte ich mit einem schiefen Grinsen. Ich hatte den Tacker vom Morgen noch nicht vergessen. Im folgenden Monat wurde ich erst einmal in das Leben eines Models eingeführt. Bei meinem ersten Shooting blamierte ich mich erst einmal auf voller Linie, weil ich jemanden fragte, ob man mich wohl auch schminken würde. Und ich fühlte mich vor Kameras unwohl. Nein, ganz ehrlich, ich wurde eigentlich nicht gerne fotografiert, und hier durfte ich noch nicht mal so aussehen, als würde ich gerade fotografiert werden. Kurz gesagt: Es war alles anstrengend, ungewohnt und peinlich. Nachdem ich Kirito in der ersten Woche einmal so richtig die Meinung darüber gesagt hatte, dass er mich ständig behandelte wie eine ungeliebte Stieftochter, war er sogar einigermaßen zumutbar. Wenn ich ihn was fragte, gab er mir zwar zu verstehen, dass ich ihm auf die Nerven ging, aber er antwortete trotzdem. Mit der Zeit unterhielten wir uns sogar manchmal. Ein Riesenfortschritt war es aber nicht, er ließ ständig durchhängen, dass ich den Job sowieso nicht schaffen würde und nach drei Monaten wieder verschwunden wäre. Mit seiner Sekretärin Sachiko und mit Yasu kam ich allerdings immer besser klar, obwohl Sachiko bereits angekündigt hatte, dass sie nur noch einen Monat warten würde, und wenn sich dann nichts Großes tat, würde sie Journalistin werden – Angebote hatte sie bereits genug. Das hieß, ich würde dann wieder ziemlich alleine sein, Yasu hatte nämlich sowieso ziemlich wenig Zeit. Andere Models hatte ich zwar kennen gelernt, aber sie schienen nicht sonderlich scharf darauf zu sein, Freundschaft mit mir zu schließen. Klar, sie hatten noch nie von mir gehört. Die richtig großen wie Hakuei oder Jui sah ich sowieso nur aus der Ferne, bis auf ein Mal, wo Hakuei mich halb über den Haufen gerannt hatte. Nicht, dass es ihn störte. ... Er schien Kirito ziemlich ähnlich zu sein. Im darauffolgenden Monat wurde alles noch stressiger. Ich wurde als eines der C-Models mehr oder weniger bekannter und auch in GLAMOUR ☆ FASHION eingegliedert, und zwar insofern, als dass ich z.B. in Katalogen auftauchte von Modemarken, die von jemandem aus der Zeitschrift gegründet wurden und so was alles, also kurz gesagt: Über sieben Ecken und nicht aus der Menge herausstechend. Aber, immerhin: Ich wurde langsam vertrauter mit den ganzen Shootings, den Kameras, den vielen Leuten, die um mich herumwuselten und mich anmeckerten, dass meine Haare eine Katastrophe seien, und so weiter. Wie man das halt so kannte. Sachiko war inzwischen aus meinem Alltag verschwunden, und Kirito dachte längst noch nicht daran, von seinem Thron herunterzusteigen. Gut, ein Punkt, den ich vergessen hatte: Kiyoharu. Er war definitiv ein Lichtblick bei der ganze Sache. Wir trafen uns, so weit es sich einrichten ließ, mindestens einmal in der Woche. Dann gingen wir meist irgendetwas essen oder entspannten uns bei ihm zuhause. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so viel Zeit für mich nehmen würde, aber es freute mich – denn das zeigte doch, dass ich für ihn nicht ‚irgendjemand’ war, sondern ICH. Wenn wir zusammen waren, redeten wir über alles mögliche, er erzählte mir einige Anekdoten von anderen Models und ich ihm, wie es zur Zeit bei mir lief, aber wir blieben nie nur bei der Arbeit, ich fragte ihn ein wenig über sein Leben aus und er wollte viel von mir wissen. Mit der Zeit mochte ich ihn immer mehr, und nach ein paar Treffen hatte ich auch das Gefühl nicht mehr, vor mir einen Profi in allem stehen zu haben, den ich nie erreichen können würde – er war ja noch nicht mal arrogant, aber er war gelassen, und das war es wahrscheinlich, was ich selbst noch lernen musste. Ich hatte das bereits bei Hakuei gesehen – er ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Und bei Kiyoharu war es ähnlich. Möglich, dass er dadurch so wirkte, als wüsste er alles und könnte auch alles. Aber je besser ich ihn kannte, desto mehr war er nicht mehr Über-Mensch, sondern nur Mensch. Nicht, dass ich desillusioniert wurde, es war schön zu sehen, dass niemand perfekt war. Obwohl er wahrscheinlich am nächsten dran war. Na ja, Kiyoharu und Yasu waren die einzigen, die ich – wenn überhaupt – zu meinen Freunden gezählt hätte (neben Yuu natürlich). Yasu half mir, wo er konnte, und schien ganz angetan von mir zu sein, wovon ich natürlich nur profitieren konnte. Das schützte mich allerdings nicht vor Kiritos Launen. ~☆~ Eines Morgens kam ich in mein Büro (so nannte ich den Raum, in dem Sachiko vorher gewesen war und wo ich mich inzwischen breit gemacht hatte, es war von Kiritos nur durch eine Tür getrennt, wobei es ziemlich unpraktisch war, dass jeder, der zu ihm wollte, erst einmal an mir vorbei musste) und musste zu meinem Erstaunen feststellen, dass Kirito noch nicht da war. Normalerweise war er immer vor mir da, aber an diesem Tag war er wahrscheinlich direkt zu einem Shooting oder sonst was gefahren. Na ja, egal. Er hatte mich sowieso am vorigen Tag angemacht, weil ich mir seinen (neuen) Tacker ausgeliehen hatte, ohne ihn zu fragen, weil er gerade nicht anwesend gewesen war, sodass ich ihn hätte fragen können. Er hatte sowieso einen schlechten Tag gehabt. Einen ZIEMLICH schlechten. Und ich wollte nicht, dass es heute so weiterging. Keine zehn Minuten später hörte ich ein Telefon klingeln. Schien aus Kiritos Büro zu kommen. ... Und er war nicht da. Normalerweise wurde er nur auf seinem Handy angerufen, daher war ich etwas irritiert. Kurzerhand stand ich auf, ging in den Raum nebenan, zögerte kurz und hob dann ab. „Guten Tag, Sie sind mit Kiritos Büro verbunden, was kann ich für Sie tun?“, begrüßte ich den Anrufer so, wie ich es schon tausend Mal bei Sachiko gehört hatte. „Uhm... hallo, mein Name ist Ono Koji, ich bin von der Modemarke A Bathing Ape.“ ...Ein badender Affe? „Tut mir furchtbar Leid, Ono-san, aber Kirito-san ist zur Zeit nicht verfügbar. Kann ich ihm etwas ausrichten lassen?“ „Ich wollte eigentlich nur erfahren, ob sein Angebot, für uns zu modeln, noch steht. Er hatte sich bei uns gemeldet, und wir haben uns letztendlich für ihn entschieden, daher wäre es gut zu wissen... Und am besten so schnell wie möglich, wir haben schließlich noch genügend andere Kandidaten und können nicht warten.“ Moment, da war irgendwas, ja... A Bathing Ape (so bescheuert der Name auch war) sagte mir etwas, hatte nicht Kirito gemeint, dass er gerne... „A Bathing Ape, sagen Sie? Doch, darüber hat er mich informiert. Er würde unheimlich gerne für Sie arbeiten, und er würde sich über eine Zustimmung Ihrerseits sehr freuen.“ „Ja? Das ist schön. Dann richten Sie ihm doch bitte aus, dass er morgen um zehn Uhr zu unserer Filiale in Tokyo kommen kann, dort regeln wir dann alles weitere.“ „Kein Problem“, erwiderte ich und tastete nach einem Zettel und einem Stift. „Vielen Dank für Ihren Anruf.“ „Ich habe zu danken. Auf Wiederhören.“ „Bis dann.“ Ich legte auf und runzelte die Stirn. Nicht nur, dass ich mich gerade als Kiritos Sekretär ausgegeben hatte (obwohl – eine männliche Tippse war doch wohl immer noch besser als gar keine, oder?), ich hatte ihm auch einen Job verschafft, den er, falls ich mich falsch erinnert hatte, auch überhaupt nicht haben wollte. Obwohl selbst mir der Name A Bathing Ape bekannt vorkam, und ich kannte mich ja nun mal gar nicht aus, also war es wahrscheinlich eine ziemlich bekannte Firma. Genau in dem Moment flog die Tür auf. „Was machst du hier?“, knurrte Kirito leise, etwas außer Atem wirkend. „Uhm... das Telefon hat geklingelt, und-“ „Du bist an mein TELEFON gegangen?!?“ GANZ falsch, Gara. Andere Taktik. „Es hat jemand für dich angerufen von-“ „Genau, Gara, es hat jemand für MICH angerufen, und nicht für DICH, was erlaubst du dir?!“ Er kam auf mich zugestürmt, weshalb ich vor ihm zurückwich. „Hör mir doch mal zu, da war ein Typ von-“ „Weißt du, wie WENIG mich das interessiert??“ „Warum bist du eigentlich so spät?“ Volltreffer. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte mich prüfend an. Ich zuckte nicht mit der Wimper. „Das geht dich gar nichts an“, gab er pikiert zurück. „Warst du vorher etwa bei deiner Freundin und hast verschlafen?“, riet ich halb grinsend drauflos. Jetzt lächelte er selbst, allerdings eher überlegen. „Das würdest du wohl gerne wissen, hm? Ich könnte jetzt vor dir angeben, aber das lasse ich wohl besser sein. In dem Beruf sollte man aufpassen, was man sagt.“ „Wie heißt sie?“, stichelte ich grinsend weiter. „Ist sie hübsch? Auch ein Model?“ „SIE“, betonte er, „gibt es gar nicht.“ „Eh?“ Ich runzelte die Stirn. „SIE“, wiederholte er und musste wieder lächeln, „wäre, wenn überhaupt, ein ER.“ Ich blinzelte und sah ihn entgeistert an. „EH?!?“ Er musste grinsen und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Geschockt?“ „...kaum“, erwiderte ich ironisch und schüttelte den Kopf. „Du willst sagen...“ „Dass du es vorher nicht gemerkt hast, wundert mich aber. Wie auch immer. Merk dir nur eins – geh nie wieder an mein Telefon, verstanden?“ Damit wandte er sich von mir ab. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder konzentrieren zu können. „Kirito, der, der hier angerufen hat, das war so einer von einer Firma namens...“ Ich dachte nach. Kirito sah mich an. „Was?“ „Ich überlege“, murmelte ich und fuhr mir durch die Haare. „Es liegt mir auf der Zunge, auf jeden Fall hat so ein Typ hier angerufen und wollte dich sprechen, aber ich habe gesagt, dass du nicht verfügbar bist, und dann meinte er, dass sie sich irgendwie für dich entschieden hätten und...“ Seine Augen wurden groß. „A Bathing Ape?“, rief er. „Richtig!“ Ich nickte. „So hieß die Firma.“ „Das ist keine Firma, du Hohlkopf, das ist eine der bekanntesten Modemarken überhaupt, die haben Läden in London, New York, Taipei und Hongkong, und die Kleidung wird selbst von amerikanischen Stars getragen!“, erklärte Kirito entrüstet. Oh. Könnte sein, dass ich deshalb den Namen kannte. Weil ich ihn kennen sollte. „Jetzt, wo du’s sagst...“ Ich lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich kenn mich sowieso nicht so gut aus...“ Kirito seufzte und drehte sich zu mir. „Deshalb kümmere ich mich nicht so gerne um Juniors“, meinte er. „Weil sie meistens keine Ahnung von nichts haben. Oder ein vollkommen falsches Weltbild.“ „Und deshalb hast du mich einfach so sitzen lassen? Mir nicht mal eine Chance gegeben?“, wollte ich wissen und bereute sofort, was ich gesagt hatte. Ich sollte mir angewöhnen, den Mund zu halten. „Deshalb und weil du nach den drei Probemonaten sowieso entweder für immer aus der Branche verschwinden oder auf ewig ein C-Model bleiben wirst. Ich habe bis jetzt noch keinen erlebt, der es bis nach oben geschafft hat.“ „Wie definierst du ‚bis nach oben’?“, fragte ich. „Mit den ‚acht Seiten’“, antwortete er geheimnisvoll. „Wenn du die ‚acht Seiten’ gekriegt hast, DANN bist du oben. DANN erkennen dich die Leute, DANN kannst du dich vor Aufträgen nicht mehr retten. Okay? Nur bis dahin schaffst du es sowieso nicht.“ „Wetten wir?“, meinte ich herausfordernd. Kirito musste lachen. „Warum sollte ich mit dir wetten? Du hast doch nichts, was ich haben wollen würde, ganz ehrlich.“ Ich legte den Kopf schief. Da hatte er allerdings Recht. „Hör zu, Kleiner – wenn du es tatsächlich zu den ‚acht Seiten’ schaffst, und diesen Bekanntheitsgrad mindestens zwei Jahre durchhältst, dann kauf ich dir ein Haus, okay?“, schlug er grinsend vor. Ich blinzelte. „Eh?“ „Ein Haus, mit allem Drum und Dran, mit allem, was du haben willst. Ja? Das wäre zumindest ein Ansporn für dich.“ Er zwinkerte mir zu. „Und da kann ich sicher sein, dass ich niemals werde zahlen müssen.“ „Sei dir da mal nicht so sicher“, bemerkte ich trotzig und verließ den Raum. „Gara?“, rief Kirito mir noch hinterher. „Und danke wegen dem Anruf, ja?“ Ich musste lächeln. „Keine Ursache!“ So viel zu ‚du darfst nicht an mein Telefon’. ~☆~ „Kirito wird sogar langsam erträglich“, meinte ich, streckte mich ein wenig mehr auf dem bequemen Sofa aus und schloss die Augen. Ich liebte das Sofa. Es war purpurrot und mit einem Badezimmerteppich bezogen. Na ja, nicht ganz, aber es hatte diese flauschigen und plüschigen und weichen Fransen, ihr wisst schon. Ein wenig seltsam, da als seltener Gast draufzusitzen, aber wenn man sich entspannen wollte, dann war es perfekt. „Ach? Was musstest du dafür tun?“, fragte Kiyoharu grinsend. „Dafür sorgen, dass er einen Job bekam. Er war nämlich nicht da, hatte verschlafen, und dann bin ich an sein Telefon gegangen“, antwortete ich lächelnd. „Eigentlich GANZ falsch“, kommentierte er amüsiert. Ich nickte. „Genau. Auf jeden Fall komm ich jetzt besser mit ihm klar als vorher. Er beachtet mich, stell dir das vor – er sagt ‚bitte’ und ‚danke’ und entschuldigt sich!“ „Wenn man ihn näher kennt, dann kann er sogar richtig nett sein, weißt du, dann tut er einem sogar Gefallen – unaufgefordert – und interessiert sich für einen. Aber dafür muss man ihn GUT kennen.“ „Ja, das kann ich mir vorstellen...“ Ich schwieg kurz. „Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass ausgerechnet ER mein Senior wird und nicht Yasu oder Jui oder so?“ „Ich hatte gehofft, dass du diese Frage niemals stellen würdest“, murmelte Kiyoharu. Erstaunt setzte ich mich auf und sah ihn an. Er lächelte schuldbewusst. „DU?“ Er nickte. „Warum das denn?“ „Genau kann ich es auch nicht ausdrücken, aber ich glaube, ich wollte damit nur prüfen, ob du durchhältst. Ich bin bereits einige Male bitter enttäuscht worden von Juniors, die von den ‚netteren’ unter den Models betreut worden waren. Und da kamst du als Versuchskaninchen gerade recht – was, wie ich gehört habe, ja sowieso nicht viel gebracht hat, da sich trotzdem nicht Kirito, sondern Yasu um dich gekümmert hat.“ Jetzt nickte ich. „Ja, wir sind uns gleich am ersten Tag begegnet, und ich glaube, er hat mich inzwischen ins Herz geschlossen... Aber schön, dass ich jetzt erfahre, dass ich ein Versuchskaninchen gewesen bin.“ Ich schüttelte den Kopf und gab mir Mühe, Kiyoharu beleidigt anzusehen, aber er grinste nur zurück. „Hey, es scheint doch funktioniert zu haben!“, rechtfertigte er sich und drückte seine Zigarette aus. Ich hatte ihn mal gefragt, warum so viele Models rauchten. Seine Antwort: Berufskrankheit. Mittlerweile hatte ich gelernt, dass Extravaganz ebenfalls dazu zählte. Und eine gewisse Überlegenheit, die man selbst bei netten Leuten wie Yasu bemerkte. „Hm.“ Ich schwieg eine Weile. „Kiyoharu, was sind die ‚acht Seiten’?“ Er musste lachen. „Das hast du von Kirito, oder?“ Ich nickte bestätigend. „Weißt du, immer, wenn wir vielversprechende neue Talente haben, versuchen wir natürlich, diese so sehr wie möglich zu fördern – ihnen also Jobs bei anderen Modemarken zu verschaffen, sie gelegentlich in der Zeitschrift auftauchen zu lassen und so weiter, aber dass es jemand wirklich geschafft hat, sieht man erst daran, wenn er die ‚Hachi Peーji’ kriegt. Das ist eine nicht feste Rubrik in GLAMOUR ☆ FASHION, d.h. sie kommt nicht in jeder Ausgabe vor, und wenn sie es tut, dann steht es immer groß auf der Titelseite angekündigt. Auf diesen acht Seiten stellen wir jemanden vor, immer ein neues Model, von welchem dann genügend Bilder, Informationen und Interviews abgedruckt werden, dass die Öffentlichkeit ein gutes Bild von dieser Person kriegt. Da jede Ausgabe, in denen die ‚Hachi Peーji’ vorkommen, verkauft wird wie blöd, weiß innerhalb weniger Tage ganz Japan über das betreffende Model Bescheid. Das hat natürlich zur Folge, dass es mit Interviewanfragen, Werbeangeboten und Shootings zugeschmissen wird und sich kaum mehr retten kann. Das ist natürlich eine ziemlich künstliche Art, jemandes Erfolg zu pushen, aber bis jetzt hat es niemanden gestört. Und erst, wenn du deine ‚Hachi Peーji’ gehabt hast, kannst du dich ein professionelles Model nennen.“ Das klang doch schon mal nicht schlecht. „Und... wie kommt man an diese ‚Hachi Peーji’ ran?“ Kiyoharu grinste. „Du musst mich davon überzeugen, dass du es wert bist. Mehr nicht. Ach ja, und Hyde natürlich auch. Und glaub mir, der ist eine viel härtere Nuss als ich.“ „Hat es denn schon mal jemand bei euch geschafft, ohne die acht Seiten richtig berühmt zu werden?“, wollte ich wissen. Er überlegte. „Kommt drauf an, wie du ‚richtig berühmt’ definierst. Ich glaube, Jui ist am Anfang ohne die Hachi Peーji ausgekommen und ist auch so zum Massenliebling geworden.“ „Wie denn?“, fragte ich weiter. Da dachte Kiyoharu wirklich nach. „Das ist schon ein paar Jahre her... Es lag an seiner Ausstrahlung. Er grinste und lachte gerne, machte ständig Scherze und war unheimlich verplant. Schon als er als Model angefangen hat, wurde er innerhalb weniger Wochen zum Liebling der Firma. Er war einfach so aufgedreht und dabei so niedlich, dass man ihn einfach gern haben MUSSTE. Der einzige, der sich damals aufgeregt hat, war Hyde, er hat gemeint, dass Jui nicht fürs Witze machen bezahlt werden würde – und hat prompt dafür gesorgt, dass Jui keine acht Seiten bekam. Das hat aber im Endeffekt gar nichts gebracht, weil Jui einmal zusammen mit Hakuei in einer Fernsehshow aufgetreten ist, und dann mit Kirito in einer anderen, und nach einer weiteren mit mir bekamen wir Tausende Briefe, dass wir doch bitte mehr Shootings mit Jui machen sollten. Hyde hat ihn aber noch immer boykottiert, bis Jui irgendwann Millionenangebote von anderen Zeitschriften bekommen hat. Da hat Hyde richtig Stress mit Miya gekriegt und schließlich doch eingelenkt. Wir hätten Jui fast verloren durch ihn.“ „Und warum hat er ihn so boykottiert?“, fragte ich stirnrunzelnd. Kiyoharu lächelte leicht. „War eine persönliche Sache – er war noch nicht fähig, Persönliches und Arbeit zu trennen. Aber da hat er seine Lektion gelernt.“ „Hm. Und Jui?“ „Der weiß bis heute nicht, was los war.“ Er lächelte wieder. „Aber verändert hat er sich nicht. Er ist immer noch so tollpatschig wie vor ein paar Jahren. Obwohl er natürlich zwischendurch schwere Rückschläge hatte erleiden müssen... vor allem wurde er von den Personen, die er geliebt und denen er am meisten vertraut hat, verraten. Falls du dich erinnerst – vor zwei Jahren gab es einen riesigen Skandal darüber, dass er als Teenager auf der Straße gelebt und mit Drogen gedealt haben soll. Natürlich kompletter Schwachsinn, aber das Schlimme war, dass es von seiner damaligen Beziehung stammte, die sich natürlich dann auch noch offenbarte, was einen weiteren Skandal auslöste.“ „Wer war es denn?“ „Sagt dir der Name Toshiya was?“ Ich sah Kiyoharu verständnislos an. „Hab ich mir gedacht. Ein Model von meinem zweitgrößten Konkurrenten nach Anna: Gackt.“ „Den kenn ich!“, rief ich stolz. „Der hatte doch den Skandal von wegen er würde irgendwelche Modekollektionen kopieren, nicht wahr?“ „Richtig. Und Toshiya ist eins seiner Models, einer der etwas Bekannteren.“ Ich hielt inne. „Einer?“, wiederholte ich. Kiyoharu nickte. „Ja, einer. Toshiya ist ein Mann, auch, wenn er nicht immer so aussieht.“ Ich brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten, dann klappte mir der Mund auf. „Jui ist...“ „Ach, klar, woher solltest du das auch wissen?“ Er schüttelte über sich selbst den Kopf. „Ja, ist er. Ich könnte dir jetzt noch endlos weitere aufzählen, aber ich will dich nicht noch mehr desillusionieren.“ „Gibt es... gibt es so viele?“, fragte ich vorsichtig und erntete ein Nicken. „Oh ja, das kannst du dir nicht vorstellen. Unheimlich viele. Und selbst wenn sie nur bi sind. Ich meine – was willst du machen, du hast einen Beruf und bist ständig von halbnackten Männern in allen Ausführungen umgeben, da KANNST du doch nur schwul werden.“ „Was ist... was ist denn mit den weiblichen Models?“ „Die sind in einem komplett anderen Gebäude untergebracht, was meinst du, warum du so wenig Frauen bei uns siehst?“ Kiyoharu lächelte leicht. „Es ist nämlich so, dass nicht nur in den oberen Rängen eine absolute Feindschaft herrscht, sondern auch unter den Models selbst. Die Frauen machen die Männer dumm an und die Männer starten einen Zickenkrieg, den die Frauen zu einer Schlammschlacht ausweiten – wir haben es bereits versucht, es ist kläglich gescheitert.“ „Ja, ich hab mal gehört, dass du und Anna Tsuchiya euch nicht gerade die Füße küsst...“, bemerkte ich. „Oh ja. Sie mag zwar ganz hübsch und talentiert sein, aber als Frau an sich ist sie eine Katastrophe. Viel zu anspruchsvoll, eigenständig... geistig ist sie schon fast ein Mann, im Körper einer hübschen Frau. Das ist immer ganz gefährlich.“ Er schüttelte den Kopf. „Was hast du gegen selbstständige Frauen?“ „Weiß nicht. Frauen... ich kann mit ihnen sowieso nicht allzu viel anfangen. Die, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, waren alle entweder eingebildet, hohl, streitsüchtig oder so emanzipiert, dass sie einem deutlich das Gefühl gaben, dass sie es überhaupt nicht nötig hatten, sich mit einem Mann abzugeben.“ Er lehnte sich zurück und seufzte einmal tief. „Wir sind ziemlich von Thema abgekommen, oder?“ „Egal.“ Ich schüttelte den Kopf. „Es war zumindest alles interessant, was du erzählt hast. Auch, wenn ich morgen wahrscheinlich alles wieder vergessen haben werde.“ Er lächelte. „Keine Problem, dann erzähl ich’s dir halt noch mal.“ „Kiyoharu?“, fragte ich unvermittelt. „Wenn ich dich fragen würde, würdest du mich unter Vertrag stellen?“ Mehrere Minuten herrschte Schweigen. Er betrachtete mich mehrere Male von oben bis unten (woran ich mich mit der Zeit gewöhnt hatte, schließlich wurde ich vor jedem Shooting so beäugt) und legte den Kopf schief. „Ich weiß es nicht“, meinte er ehrlich. „Du bist nicht schlecht, aber besonders hervorgetan hast du dich auch nicht. Du solltest vielleicht ein wenig mehr essen. Ich weiß es nicht, ich kann es dir noch nicht sagen. Einen Versuch wäre es wert, allerdings wurde ich bereits schon oft genug enttäuscht. Weißt du was, ich berede mich mal mit Hyde und Miya, und dann fragst du mich nächste Woche noch mal, ja?“ Ich nickte und lächelte. „Okay. Danke.“ ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ kurze Zwischenbemerkung: ALLES, was hier über Personen wie z.B. Miya, Anna Tsuchiya, Hakuei, Rose, Toshiya etc. gesagt wurde, ist so gut wie nicht wichtig, und wenn, dann wird es an den entsprechenden Stellen definitiv noch mal wiederholt werden! Ihr braucht euch das nicht alles zu merken, das wäre auch alles viel zu anstrengend >_< tut mir leid, wenn ich so viele personen vorkommen lasse, aber wenn meine Plot-Bunnies davon rennen, hab ich keinen einfluss mehr <.< ich hoffe, ihr seid wenigstens ein kleines bisschen gespannt auf das nächste kapitel ._. jeder, der einen kommi schreibt, kriegt einen keks *versprech* mit schokolade :D Fashion #2 ---------- Rating: PG-13 A/N: OMG ist das Kapitel lang o_o das nächste wird kürzer, versprochen >.> ich hab hier vieles nicht reingebracht, was ich eigentlich reinbringen wollte, das tut mir leid, aber gegen ende wollte ich nur endlich zur sache kommen XD verzeih mir ._. Disclaimer: LAKE TAJO gehört nicht mir, und ich weiß auch nicht, ob er so ist, wie ich ihn dargestellt habe, ich weiß nicht mal, ob es ein Er ist xD und rienda gehört auch nicht mir und ist eine Modemarke (glaub ich ^^;; ) POV: Gara ~★~☆~★~☆~★~ „Kioko solltest du unbedingt mal kennen lernen, die ist sooo süß, das kannst du dir nicht vorstellen, und dann lächelt sie immer so niedlich... ich schwöre dir, da schmilzt du dahin!“ Ich seufzte verträumt. Yuu musste grinsen. „Mal ganz ehrlich, warum kommst du mir eigentlich jeden Monat mit einer Neuen an?“, wollte er wissen. „Ha? Gar nicht!“, protestierte ich. „Doch, vor einem Monat war es noch Miko, davor Shiira... und jetzt diese Kioko, wer auch immer das ist.“ Belustigt schüttelte er den Kopf. „Kioko ist meine Sekretärin, das ist ja das Beste!“, strahlte ich. Er musste lachen. „Das heißt, du siehst sie wirklich jeden Tag und musst ihr nicht wie Miko auflauern und sie hinterrücks überfallen?“ Ich grinste breit. „He, das hab ich nie gemacht! Zumindest nicht... so.“ „Aber dass sie dir schon nach einem halben Jahr eine eigene Sekretärin zur Verfügung stellen...“ „Hätten sie schon viel früher machen sollen“, beschwerte ich mich. „Ich bin mit meinen ganzen Terminen nicht mehr klargekommen, irgendwann hätte ich gleichzeitig bei einem Shooting, bei Yasu und bei diesem einen Werbespot sein sollen. Schlimm war das... Aber egal. Jetzt hab ich eine, und sie ist noch süßer als Honig...“ „Was ist eigentlich aus Shiira geworden?“, wollte er neugierig wissen. „Shiira?“ Ich legte den Kopf schief. „Ich hör gar nichts mehr von ihr... ist aber wahrscheinlich auch besser so. Ich meine, sie ist hübsch – natürlich – und sympathisch und das alles, aber... Ich weiß nicht. Ihr fehlte was.“ „Das gewisse Etwas? Schade, ich fand sie nett. Aber anscheinend wirst du ja jetzt ziemlich anspruchsvoll.“ Er knuffte mich in die Seite. „Solange du es dir leisten kannst...“ Ich grinste nur zurück. „Kann ich, mach dir da mal keine Sorgen. Gibt es bei dir in der Hinsicht irgendwas Neues?“ Ich sah ihn an. Yuu zuckte mit den Schultern. „Eigentlich nicht.“ ~☆~ Als ich das Büro betrat, war die Tür zwischen meinem Zimmer und Kiritos offen – das hieß, dass irgendwer für mich angerufen oder er eine Nachricht für mich hatte. Also ging ich sofort zu ihm. „Morgen. Was gibt’s?“ Er lächelte, obwohl er versuchte, es zu unterdrücken. „Der Boss will dich sprechen“, meinte er und hob vielsagend die Augenbrauen. Ich, skeptisch wie ich war, zog nur eine hoch. „Weshalb denn?“ „Das weiß ICH doch nicht“, erwiderte er und betrachtete, jetzt schon fast grinsend, seine Fingernägel, sodass ich GENAU wusste, dass er log. „Komm schon“, bat ich und setzte die Waffe ein, die ich in den letzten sechs Monaten perfektioniert hatte – meinen treudoofen und unwiderstehlichen Hundeblick. „Bitte, Kirito...“ Er grinste nur noch breiter. „Ich geb dir einen Tipp – vier Silben.“ „Vier... Moment mal.“ Ich runzelte die Stirn. „Nicht...“ Kirito nickte langsam. „WAS?!“ „Sechs Monate – du bist echt ein Überflieger“, bemerkte er, nicht ohne Stolz in der Stimme. „Hachi Peーji?“, murmelte ich. Er nickte wieder grinsend. „Nicht ehrlich, oder? Nicht wirklich...“ „Und ob.“ Er hob anerkennend die Augenbrauen. „Bis jetzt hat das nur einer geschafft.“ „Wer...?“ „Sitzt vor dir.“ Ich blinzelte einmal. Kirito grinste breit. „Obwohl ich einen halben Monat weniger gebraucht habe. Und jetzt schlage ich vor, dass du sofort zu ihm verschwindest, er wird ungehalten, wenn man ihn warten lässt.“ Er nickte in Richtung Tür. Sprachlos wandte ich mich ab und stapfte los. Ich war schon einige Male in Kiyoharus Büro gewesen, aber da hatte ich ihn nur abholen wollen. Es war nie etwas Ernstes gewesen – und jetzt WAR es etwas Ernstes, und ich hatte immer noch nicht verdaut, dass ich berühmt werden würde. Denn das würde ich mit den acht Seiten. Definitiv. Und dann würde ich auf der Straße erkannt, ich würde im Fernsehen auftreten... Oh Gott, ich würde im FERNSEHEN auftreten! Hm... wenn ich so darüber nachdachte, dann würden ganz bestimmt irgendwelche Ex-Freundinnen von mir mich wiedererkennen und sich furchtbare Vorwürfe machen, dass sie mich wegen nichts und wieder nichts verlassen hatten. Und dann würden sie wieder angekrochen kommen und ich könnte ihnen die kalte Schulter zeigen. ...Oh, das wäre mies. Was WÄRE das mies. ... Aber schön... Als ich an Kiyoharus Tür klopfte, verstummte die Stimme, die vorher aus dem Raum nach außen gedrungen war, abrupt und Kiyoharu rief ‚Herein!’. Zögernd öffnete ich die Tür und wäre beinahe wieder umgedreht. Nicht wegen Kiyoharu, der lächelte mich an und bat mich, mich zu setzen, aber wegen Hyde. Er saß neben Kiyo und schien noch nicht begriffen zu haben, dass man Menschen durch Blicke nicht töten konnte. Ich war ihm in den letzten Monaten noch ein paar Mal begegnet, wobei mir folgende Veränderung aufgefallen war: Je länger ich bei GLAMOUR ☆ FASHION war, desto feindlicher schien mir der Redakteur gesinnt. Warum auch immer – ich hatte ihm nichts getan. Aber von Kirito hatte ich gehört, dass Hyde wohl gegen viele Models einen Groll hegte – Jui war das beste Beispiel dafür, Hakuei und Rose offenbar auch. Und Kirito selbst. Niemand wusste, warum. Manche vermuteten, dass er eifersüchtig auf sie war, weil sie so viel mit Kiyoharu zu tun hatten, andere sagten, dass er neidisch war und selbst gerne Model wäre, wieder andere meinten, dass er jeden nicht leiden konnte, der hübscher war als er selbst. Wobei ‚hübsch’ natürlich relativ war. „Warum bist du hier, wenn du mir nicht zuhörst?“ Ich schrak hoch und entschuldigte mich sofort bei Kiyoharu. Er lächelte amüsiert. „Keine Sorge, du bist nicht der erste, dem es so geht – ich hab es schon mal erlebt, dass sich jemand neben den Stuhl gesetzt hat vor Aufregung. Aber dazu gibt es keinen Grund. Ich möchte mit dir erst einmal allgemein über die Hachi Peーji reden. Was das ist, weißt du ja schon, aber du solltest dir über die Folgen im Klaren sein, ansonsten kann es böse ausgehen.“ Er sah mich ernst an, während Hyde ihn offenbar beobachtete. Er wirkte gelangweilt. War wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass er so was mitmachte. (Und da zeigte sich wieder ein Unterschied zu Kiyoharu – der gab einem nicht das Gefühl, dass man ihn langweilte.) „Die einzige Folge wäre doch, dass ich berühmt werde, oder?“, meinte ich. Da sah Hyde mich an und musste grinsen. „Klar, aber weißt du auch, was das heißt?“ „Uhm... im Fernsehen auftreten, Aufträge nachgeworfen bekommen, auf der Straße erkannt werden-“ „-keine Privatsphäre haben, jeden Moment abstürzen können, immer perfekt sein müssen und starke Kritik annehmen können“, beendete der feminine Zwerg meinen Satz. „Versteh mich nicht falsch, ich will es dir nicht ausreden“, schaltete Kiyoharu sich wieder ein, „Ich will nur, dass du weißt, was auf dich zukommt. Wenn du erst einmal richtig berühmt bist, dann bleibst du es für mindestens zehn Jahre. In dieser Zeit darfst du, wenn du in der Öffentlichkeit bist, nichts tun, was deiner Karriere schaden könnte. Du darfst nichts Peinliches tun, dich als irgendwie abnormal outen, du musst immer höflich und zuvorkommend bleiben.“ „Es sei denn, du bist so berühmt wie Hakuei, dann steht es dir zu, alle Leute wie Dreck zu behandeln“, murmelte Hyde leise und verdrehte die Augen. Schien wohl schlechte Erfahrungen mit dem Betreffenden zu haben. Kiyoharu warf ihm einen Seitenblick zu, aus dem deutlich ‚Halt die Klappe’ sprach. Ich musste mich zusammenreißen, nicht zu grinsen. „Wenn du im Fernsehen auftrittst, ist immer das Problem, dass du sofort reagieren musst und keine Zeit hast, über irgendwelche Fragen großartig nachzudenken. Du kannst dich auch nicht darauf vorbereiten. Deshalb kommt im Fernsehen erst deine richtige Persönlichkeit ans Tageslicht – und selbst wenn du klasse aussiehst, wenn du ein Idiot bist, bist du bei vielen direkt unten durch. Du darfst am Anfang so gut wie keine Schwächen zeigen, sonst stürzen sich alle Leute wie irre darauf und machen dich damit fertig. Später, wenn du beliebter bist, kannst du dir so was eher erlauben.“ „Apropos Kritik – mach dich jetzt schon mal darauf gefasst, dass du unter Umständen als... wie war der genaue Wortlaut?“, fragte Hyde und sah seinen Sitznachbarn an. Der überlegte kurz. „‚Hirnverbrannte, depressive und schwanzorientierte Schwuchtel’?“, schlug Kiyoharu vor. Hyde nickte. „So was in der Art.“ Er sah mich wieder an. „So wirst du unter Umständen auch abgestempelt.“ „Damit hätte ich, glaube ich, kein allzu großes Problem“, bemerkte ich. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Nein, klar, so nennen dich auch nur die Käseblätter oder ein paar gehässige Internetbenutzer, aber wenn du von den seriösen Medien fertig gemacht, sachlich kritisiert und Stück für Stück auseinander genommen wirst, DANN kriegst du ein Problem.“ Ich schwieg und kaute auf meiner Unterlippe herum. „Was ich sagen will“, meldete Kiyoharu sich wieder zu Wort, „ist, dass du es dir gründlich überlegen solltest, ob du die acht Seiten ernsthaft haben willst. Du würdest sie kriegen, das wurde schon von Miya und uns beiden abgesegnet, aber fest steht es noch nicht – du kannst immer noch nein sagen. Es ist ein großer Schritt, und du kriegst so viel Zeit, wie du brauchst. Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du dich gerne an uns wenden.“ (Hyde sah nicht sonderlich begeistert aus. ...Keine Angst, an dich würde ich mich auch nicht wenden wollen...) „Was genau... steht eigentlich alles auf den acht Seiten?“, wollte ich zögernd wissen. „Das ist ja gerade der Witz dabei.“ Kiyoharu lächelte. „Das kannst du selbst entscheiden. Was auf jeden Fall dabei sein MUSS, sind Bilder von dir, mindestens ein Interview, ein paar Daten über dich – wobei du hier auch auswählen kannst, was letztendlich dastehen soll – und das war es. In was für einem Verhältnis das alles zueinander steht, welche und wie viele Bilder abgedruckt werden, die Textfarbe und so weiter und so fort – das alles ist deine Entscheidung. Beraten lassen kannst du dich natürlich von jedem, aber wenn du sagst, dass du mit irgendetwas nicht einverstanden bist, dann wird es auch nicht gemacht. Es sind schließlich DEINE acht Seiten, und du kannst aus ihnen machen, was du willst.“ Hm. Klang vielversprechend. Ich nickte nachdenklich. „Okay... nur noch eine Frage – warum erzählt ihr mir hier die ganze Zeit was von wegen dass mich die Medien fertig machen könnten, wenn mich doch die Hachi Peーji berühmt und beliebt machen sollen?“ Fragend blickte ich von Kiyoharu zu Hyde und wieder zurück. Beide schwiegen einen Moment und warfen sich einen Blick zu. Da wusste ich, dass ich einen Volltreffer gelandet hatte, konnte mich aber noch nicht entscheiden, ob ich das gut oder schlecht finden sollte. „Gute Frage“, gab Kiyoharu dann zu und lächelte leicht. „Gut, ich gebe zu, das Bild der Hachi Peーji, das ich dir vermittelt habe, stimmt nicht so ganz mit der Wirklichkeit überein. Es kann durchaus passieren, dass die Öffentlichkeit deine acht Seiten nicht so gut wie gehofft aufnimmt, dann wirst du einmal auseinander genommen, unsere Auflagen gehen zurück und wir kriegen unendlich viele Protestmails. Aber der Regelfall ist das nicht, also mach dir da bitte keinen Kopf.“ „Wie oft passiert das denn?“, bohrte ich weiter und ignorierte Hydes unamüsierten Blick. „Selten genug“, nickte Kiyoharu als Antwort. „Du brauchst dir da keine Sorgen zu machen, die Öffentlichkeit wird dich lieben.“ „Das hast du bei Kyo auch gesagt“, warf Hyde ein. „Mein Fehler“, räumte Kiyo ein. „Er war ZU extravagant. Obwohl – auch nicht mehr als Hakuei. Ich weiß nicht, warum er nicht aufgenommen wurde.“ „Vielleicht, weil er einen Schatten hatte?!“ Hyde klang bereits ein wenig gereizt und ich fragte mich, ob er wohl immer mit dem falschen Fuß aufstand. „Wie auch immer... Gara, hör zu. Du kannst ausführlich über unser Angebot nachdenken, und wenn du dich entschieden hast, sag einfach Bescheid. Meinetwegen hol dir noch ein paar andere Meinungen ein, aber ich möchte wirklich, dass du darüber nachdenkst, ob es für DICH persönlich in Ordnung ist, schließlich geht es hier um dich. Ja?“ Ich nickte und konnte Kiyoharus Lächeln erwidern. „Okay. Danke. Wirklich, vielen Dank.“ ~☆~ „Yasuuuuuuu...“ Ich stöhnte leise auf und ließ mich neben den Schwarzhaarigen auf das Sofa fallen. „Ich kann nicht mehr, so ein Massenshooting mach ich nicht noch mal, definitiv nicht...“ „Ich hab dich gewarnt.“ Er schenkte mir ein Lächeln. „Und es hätte dir doch klar sein müssen, dass erst jeder einzeln dran ist und dann noch mal alle zusammen fotografiert werden, und dass das natürlich Zeit braucht... Ich glaube, du ruinierst gerade deine Frisur. Zumindest der Gestik der Frau da vorne nach zu urteilen.“ „Weißt du, WIE egal mir das ist?“, seufzte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter, schloss die Augen. „Ich bin müde, ich bin jetzt schon seit über zwölf Stunden bei diesem Shooting und habe seit mindestens 24 Stunden nicht mehr geschlafen... das fällt denen aber echt früh ein, dass sie noch ganz dringend dieses Shooting machen müssen, wirklich...“ Ich seufzte erneut und kuschelte mich etwas an ihn, als er einen Arm um mich legte. „Jetzt beschwer dich nicht“, meinte Yasu mitfühlend und klopfte mir auf die Schulter. „In ein paar Stunden kannst du gemütlich in deinem Bett liegen und selig vor dich hin schlummern. Und du kannst froh sein, dass du hier überhaupt mitmachen darfst.“ „Hmm...“, machte ich erschöpft. Ich hätte auf der Stelle einschlafen können, aber ein Gedanke hielt mich davon ab. „Yasu~?“ „Ja?“ „Bist du eigentlich auch schwul?“ Er reagierte anders als erwartet. Er schob mich nicht von sich weg, er erklärte mich nicht für bescheuert, er bejahte die Frage nicht, er lachte einfach nur. Er LACHTE. Ich setzte mich auf und sah ihn an. „Was ist daran so lustig?“, wollte ich irritiert wissen. „Du sagst das, als wären Heteros eine vom Aussterben bedrohte Art in diesem Job“, grinste er. „Nicht?“, fragte ich kleinlaut. Wieder lachte er und schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Wie kommst du darauf?“ „Ich... kenne so viele schwule Models, und schließlich ist man immer von hübschen Kerlen umgeben...“ „Wen kennst du denn?“, wollte er neugierig wissen. „Uhm... Jui... also den kenne ich nicht, aber von ihm weiß ich, dass er schwul ist, und er war ja mal mit diesem anderen Model zusammen-“ „Toshiya.“ „-genau, und Kirito und...“ Ich dachte nach und runzelte die Stirn. „...und Hyde sieht schwul aus, zählt das?“ Yasu musste zum wiederholten Mal lachen. „Du hast schon damit Recht, dass es bei uns mehr Schwule gibt als woanders, aber das heißt nicht, dass JEDER hier nur auf Männer steht. Ich bin das beste Beispiel dafür.“ „Echt?“ Ich betrachtete ihn interessiert. Er nickte. „Überrascht dich das?“ „Ein bisschen“, gab ich zu. Yasu grinste. „Nicht mehr, als wenn du mir sagen würdest, dass du nicht schwul bist.“ „Bin ich nicht!“, protestierte ich entrüstet. Er zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Wirklich nicht!!“ „Und warum bist du dann so anschmiegsam?“, wollte er wissen. „Bin ich gar nicht“, widersprach ich trotzig. Yasu seufzte leise und zog mich wieder zu sich. Ich kuschelte mich an ihn und legte einen Arm um seine Taille. „Und wie nennst du DAS hier dann?“, murmelte er. „...müde sein?“, schlug ich vor. Er seufzte erneut. „Und da willst du mir erzählen, dass du nicht auch schwul bist...“ „Hey, ich kuschel auch ständig mit anderen Typen, schon seit ich klein war!“, wehrte ich mich und merkte im selben Moment, dass ich ein Eigentor geschossen hatte. Und WAS für eins. Yasu fing an zu lachen. „Sei ruhig!“, murrte ich. „Ist das nicht normal? Ich meine – du machst es ja auch!“ „Soll ich dir mal sagen, warum ich kein Problem habe, mit Männern zu kuscheln?“, meinte Yasu grinsend. Ich nickte. „Weißt du, als Jui hier angefangen hat, war ich bereits eine Weile im Geschäft, und weil er so nett war, hab ich ihm alles gezeigt und alles beigebracht, was ich wusste, dadurch ist er überhaupt zu dem geworden, was er jetzt ist. Und damals, schon nach kurzer Zeit, hat er mir ziemlich deutlich gemacht, dass er was von mir will. Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht vom anderen Ufer bin, und danach hat er sich aufs Kuscheln beschränkt. Dann hat Kirito auch noch angefangen, ständig mit mir zu schmusen und dann auch noch Hakuei.“ Hakuei? Das überraschte mich. Ich hätte ihn als ziemlich unnahbar eingeschätzt, gar nicht wie jemand, der mit Yasu kuschelte. „Und seitdem kann ich ohne Probleme mit jedem kuscheln, der bei mir ankommt. Und ich wette mit dir, du hast nicht eine halb so gute Erklärung, oder?“ Er sah mich lächelnd an. Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll... als kleines Kind hab ich sowieso mit allem rumgeschmust, was nicht bei drei auf den Bäumen war, und irgendwie hat sich das bis in mein jetziges Alter gehalten.“ „Mit wem kuschelst du denn am meisten? Mit deinen Freundinnen?“ „Nein, eigentlich mit meinem-“ Ich runzelte die Stirn. „Yasu, es haben sich schon etliche Weiber bei mir beschwert, dass ich nicht genug mit ihnen, sondern lieber mit meinem besten Freund, Yuu, kuscheln würde, und... ich merke gerade, sie haben Recht. Hat das irgendwas zu bedeuten?“ „Kaum“, antwortete er und schüttelte den Kopf. Ich löste mich von ihm und setzte mich auf. „Sei mal ehrlich – hab ich da irgendwas nicht mitgekriegt oder...?“ Er zuckte lächelnd die Achseln. „Es kann auch einfach sein, dass du irgendeinen Komplex hast oder das Gehirn einer Frau. Oder dass du einer von diesen extrem einfühlsamen, sensiblen, lieben und feinfühligen Softies bist.“ „...Das wird ja immer schlimmer.“ Ich schüttelte entgeistert den Kopf. „Du bist doch nicht nur deshalb schwul, weil du gern mit Männern kuschelst“, meinte Yasu und legte den Kopf schief. „Aber an deiner Stelle würde ich so schnell wie möglich meine Orientierung rausfinden wollen. Du warst doch bis jetzt nur mit Frauen zusammen, oder?“ Ich nickte. „Ja, war ich. Und bis gerade eben habe ich auch keinen Gedanken an Männer verschwendet, zumindest nicht in der Hinsicht...“ Yasu überlegte kurz. „Ich kann dir da, glaube ich, nicht sonderlich weiterhelfen, frag doch mal die, die Ahnung haben, Kirito, Jui, Hakuei...“ „Hakuei?!“ Der war auch... Das wurde ja immer besser! Just in dem Moment wurde Yasu für das nächste Shooting gerufen. Er entschuldigte sich bei mir und stand auf, um sich wegen seiner zerknitterten Kleidung zusammenstauchen zu lassen. Und ich saß da und verstand die Welt nicht mehr. Um ungefähr acht Uhr morgens war ich endlich wieder zuhause, aber ich ging nicht direkt schlafen, sondern griff erst nach dem Telefon. „Yuuuu...?“ „Hey, Gara, wie geht’s dir?“ „So beschissen wie nur irgend möglich. Hast du gerade Zeit?“, murmelte ich und fühlte mich, als würde ich gleich im Stehen einschlafen. „Uhm... für dich immer. Was ist denn?“ „Hast du ein Bett frei?“ „Für dich immer. Was-“ „Ich bin gleich da.“ Damit legte ich auf und klingelte keine Viertelstunde später an Yuus Tür. Als er öffnete, machte er große Augen. „Was hat DICH denn angefressen?“ „Kannst du mich in sieben Stunden wecken?“, fragte ich leise und musste mich beherrschen, nicht zusammenzuklappen und auf der Türmatte zu schlafen. Yuu nickte, mich besorgt musternd. „Klar...“ „Das Shooting hat so lange gedauert, Details gibt’s später.“ Ich schleppte mich in sein Schlafzimmer. „Ach, und noch was – bleibst du bei mir?“ Als ich aufwachte, war das erste, was ich spürte, Körperwärme. Angenehme Körperwärme, die nicht von mir stammte. Ich schlug die Augen auf. Yuu saß neben mir im Bett und las, wobei er das Buch mit einer Hand hielt und mich mit der anderen im Nacken kraulte. Ich machte die Augen wieder zu und schnurrte leise. Es war schön, so zu liegen. Einmal wegen den naheliegenden Gründen – es war bequem, es war warm usw. –, aber auch wegen einem höheren. Auf das hier konnte ich mich verlassen. Egal, was ich tat, Yuu würde immer für mich da sein. Es war schön, das zu wissen. „Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass du beinahe perfekt wie eine Katze klingst?“, meinte Yuu und ich konnte das Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Ich lächelte und wartete einen Moment, bis er das Buch weggelegt hatte und zu mir unter die Decke geschlüpft war, dann schmiegte ich mich an ihn und begann zu erzählen. Wir hatten uns fast eine Woche nicht gesehen (nur miteinander telefoniert), deshalb hatte ich einiges nachzuholen. Ich berichtete von den Hachi Peーji und anschließend von meiner Unterhaltung mit Yasu. Als ich fertig war, herrschte eine Weile Schweigen. „Yuu, warum kuschelst du so oft mit mir?“, fragte ich dann vorsichtig und sah ihn an. Er runzelte leicht die Stirn. „Weil ich dich mag. Und weil wir uns jetzt schon über zehn Jahre kennen, da darf man doch wohl miteinander kuscheln, ohne, dass da irgendetwas reininterpretiert wird, oder nicht?“ Gut, so hatte ich es noch gar nicht gesehen. „Aber ich persönlich würde jetzt nicht mit jedem kuscheln, den ich erst seit kurzem kenne. Eigentlich mach ich das auch nur mit dir.“ Okay, jetzt hatte ich es: Ich war wirklich unnormal. „Yuu, du frustrierst mich.“ Er grinste nur. „Sag mal, woran würde ich denn merken, ob ich schwul bin oder nicht? Ich meine – da hab ich doch bestimmt keine Erleuchtung nach dem Motto ‚hey, ich steh auf Männer’, oder?“ Yuu zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, ich merk so selten, ob ich schwul bin.“ Ich knuffte ihn in die Seite, und er grinste wieder. „Nein, jetzt mal im Ernst, ich weiß es nicht. Ich denke, schwul bist du entweder von Anfang an oder du wirst es ganz langsam. Und ich denke, irgendwann weißt du es dann einfach.“ „Und woran merke ich das?“, wollte ich verzweifelt wissen. „Wenn Frauen mich nicht mehr anmachen? Wenn...“ „Vielleicht, wenn du mehr Positives fühlst bei einem Kuss mit einem Mann als bei einem Kuss mit einer Frau?“, schlug Yuu vor. „Das kommt doch auf die Person an“, gab ich zurück. „Bei einem Kuss mit dir würde ich ganz bestimmt mehr Positives fühlen als bei einem Kuss mit beispielsweise Kirito.“ „Hm. Wie wäre es, wenn du das einfach mal ausprobierst?“ Er hob fragend die Augenbrauen. Ich blinzelte einmal. „Und wie bitteschön soll ich das MACHEN?! Einfach mal zu Kirito hingehen und ihn fragen, ob er mich küsst!?“ „Wieso nicht?“ „Yuu, das-“ „Bist du dir sicher, dass er es nicht machen würde?“ Ich machte den Mund auf. Und wieder zu. Dann legte ich die Stirn in Falten. Hm. Wahrscheinlich würde er mich erst auslachen, mich dann küssen und dann seiner Arbeit nachgehen. ... „Jetzt nicht mehr“, antwortete ich leise. „Dann probier es doch einfach mal aus, kann doch nicht schaden.“ „Yuu... das ist doch nicht mehr normal, was ich hier mache, oder?“, meinte ich beunruhigt. „Glaubst du, dass andere so weit gehen würden, um herauszufinden, ob sie schwul sind oder nicht? Glaubst du, dass andere überhaupt darüber NACHDENKEN, ob sie schwul sind oder nicht?“ „Ich weiß es doch auch nicht“, erwiderte er hilflos. „Gara, ich kann dir da nicht helfen, ich denke, das Beste wäre, wenn du mal mit Kirito sprichst...“ „Okay.“ Ich nickte leicht. „Okay... ich glaube, das mache ich mal. Ist wahrscheinlich wirklich das Beste...“ „Erinnerst du dich noch an diejenige, die du am meisten geliebt hast?“, wechselte Yuu plötzlich das Thema. Ich sah ihn an. „Ha?“ „Weißt du noch, welche deiner Freundinnen du am meisten geliebt hast?“, fragte er weiter. Da musste ich überlegen. „Uhm... ich glaube, das war Tani, warum-“ „Stell sie dir mal vor.“ Ich nickte. „Siehst du sie vor dir?“ Wieder nickte ich. „Und jetzt stell dir vor, dass ihr euch küsst. Ganz zärtlich...“ Was auch immer er vorhatte, ich tat es trotzdem. Ich erinnerte mich an sie, an ihre langen dunklen Haare, an ihr hübsches Gesicht, wie sich ihre Lippen angefühlt hatten.... „Mach die Augen wieder auf“, hörte ich Yuus Stimme. (Hatte ich sie zugemacht? ... Egal.) Ich tat wie geheißen. Er lächelte mich an. „Und?“ „Was und?“, fragte ich zurück. „Was hast du gefühlt?“ Ich dachte kurz nach. „Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll – es war schön, wie damals, und...“ Ich zuckte mit den Schultern. „Schön halt.“ Yuu legte mir eine Hand auf die Wange, noch immer lächelnd. „Und jetzt schließ die Augen wieder“, flüsterte er. Ich bekam ein seltsames Gefühl in der Magengegend, als ich seinen Tonfall hörte, und mein Herzschlag verschnellerte sich unwillkürlich, aber ich gehorchte trotzdem. Und keine Sekunde später spürte ich Yuus Lippen auf meinen. Nach einem kurzen Moment seufzte ich leise und begann den Kuss zu erwidern. Es war einerseits ungewohnt, weil er so sehr anders küsste als eine Frau, und andererseits war es angenehm, weil es mir irgendwie gefiel. Nach kurzer Zeit legte ich einen Arm um Yuus Taille, schmiegte mich dichter an ihn und leckte über seine Unterlippe. Zumindest da reagierte er wie eine Frau – er öffnete die Lippen und begrüßte meine Zunge mit seiner eigenen. Während unser Zungenspiel zwar ruhig blieb, wurde es immer intensiver und ich fing an, über Yuus Rücken zu streichen. Irgendwann ging uns beiden die Luft aus, weshalb wir uns wieder voneinander lösten. Während ich mich zwang, Yuus Blick zu erwidern, versuchte ich, meine Gefühle zu sortieren und zu benennen. Erst einmal war da natürlich Überraschung darüber, dass er mich überhaupt geküsst hatte, dann war da diese Geborgenheit, die ich immer spürte, wenn ich bei ihm war, dann war da- Das Telefon begann zu klingeln. Ich nahm es erst wahr, als Yuu genervt aufseufzte und danach tastete. „Ja?“ Er schwieg kurz, runzelte dann die Stirn und warf mir einen Blick zu. Dann hielt er mir das Telefon hin. „Für dich“, meinte er. „Eh?“ Irritiert ging ich dran. „Ja...?“ „Du bist ja schwerer zu erreichen als der Papst!“ Ich war einen Moment sprachlos. „Kirito? Was zur Hölle-“ „Wo BIST du? Also, wo du bist, weiß ich ja jetzt, aber was zum Teufel hast du gemacht?!“ Er klang ziemlich vorwurfsvoll, was mich nur noch mehr durcheinander brachte. „Kirito, heute ist Sonntag...“, meinte ich hilflos. „Ja und? In deinem Job musst du überall erreichbar sein, warum gehst du nicht an dein Handy?“ „Das liegt zuhause...“ „Und was MACHST du gerade?!“ „Was geht’s dich an!?“, fragte ich nun schon leicht gereizt zurück. „Wie um alles in der Welt bist du überhaupt an Yuus Telefonnummer gekommen??“ „Lange Geschichte. Du-“ „Ich will sie hören“, knurrte ich. „Ich hab dich nirgendwo erreichen können und bin dann extra noch zu dir nach Hause gefahren, aber es war keiner da, also hab ich Kiyo über dich ausgequetscht, und er hat sich an Yuu erinnert und dann hab ich die Nummer rausgekriegt. Zufrieden? Und jetzt beweg deinen Arsch gefälligst in dein Büro, die Arbeit wartet.“ „Es ist SONNTAG!“, protestierte ich. „Ich hab heut FREI und außerdem-“ Jetzt hörte ich durch den Hörer eine andere, entfernt klingende Stimme. Offenbar hatte das Telefon danach den Besitzer gewechselt, denn jetzt hörte ich Kiyoharu. „Gara? Mit dem rienda-Shooting hat sich was geändert, sie haben es auf heute verlegt...“ Ich seufzte einmal tief. „Das ist ja schön und gut, aber ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und gerade nur...“ Ich sah kurz zu Yuus Wecker. „...fünf Stunden, ich-“ „Das heißt, du machst nicht mit?“ Ich schwieg kurz. „Krieg ich denn dann den Montag frei?“ „Den Donnerstag, wo das Shooting eigentlich sein sollte, kannst du dir meinetwegen frei nehmen.“ Wieder überlegte ich einen Moment und sah zu Yuu. Der hatte interessiert zugehört und den Kopf schief gelegt. „Reicht es, wenn ich in einer Stunde da bin?“ „Eine Stunde ist in Ordnung. Wir sehen uns gleich.“ Und schon hatte er aufgelegt. Ich musterte den Hörer stirnrunzelnd und wandte mich dann an Yuu. „Hör zu, es tut mir furchtbar leid-“ „Ist schon okay“, unterbrach er mich lächelnd. Als ich endlich vor dem Gebäude ankam (fünf Minuten zu spät), warteten Kirito und Kiyoharu bereits auf mich. Kirito wirkte gereizt, Kiyo dagegen lächelte mich an. „Du siehst aus wie ein Stück Dreck“, bemerkte Kirito. Ich lächelte kurz. „Vielen Dank, so fühl ich mich auch. Ihr solltet es zu schätzen wissen, dass ich in meinem Zustand hier bin, ja?“ Als Antwort legte Kiyoharu die Arme um mich und zog mich an sich. Mal einfach so. Bevor ich die Gelegenheit bekam, die Umarmung zu erwidern, hatte er mich schon wieder losgelassen und mir durch die Haare gewuschelt. „Nimm das nächste Mal dein Handy mit“, meinte er sanft, wandte sich ab und ging. Ich starrte ihm nach. „Was war das denn jetzt...?“ „Seine Art, danke zu sagen. Legst du jetzt langsam mal einen Zahn zu oder was? Wir müssen auf der Fahrt zehn Minuten raushauen, also beeil dich gefälligst“, beschwerte Kirito sich. Mit einem leisen Seufzen sah ich ihn an. „Lass es bitte nicht an mir aus, wenn du schlechten Sex hattest, mit wem auch immer, und vor allem nicht JETZT, denn in solchen Momenten kann es sein, dass du es zurückkriegst, ja?“ Er packte wortlos meine Schultern, drehte mich um und schob mich Richtung Wagen. ~☆~ „Kirito?“ „Hm?“ „Magst du mich eigentlich?“ Er drehte mir den Kopf zu. „Warum sonst sollte ich mich wohl in meiner Freizeit mit dir betrinken gehen, hm?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich meine... am Anfang konntest du mich ja mal überhaupt nicht leiden... und jetzt... bist du immer noch ziemlich oft ziemlich unausstehlich zu mir...“ „Das bin ich zu jedem, glaub mir.“ Er lehnte sich ein wenig zurück und wäre fast hintenüber geflogen, weil der Barhocker keine Lehne hatte. „Selbst zu den Leuten, zu denen ich es nicht sein sollte.“ „Zum Beispiel?“, wollte ich wissen und legte meinen Kopf so auf meine auf der Theke verschränkten Arme, dass ich Kirito, der neben mir saß, immer noch ansehen konnte. „Zu dir... zu Kiyo... selbst Miya hab ich mal dumm angemacht...“ Er grinste leicht. „Dann zu Yasu... zu Hakuei... oh, das war böse...“ „Warum?“, fragte ich grinsend. „Da hättest du dabei sein sollen, er hat mich wegen irgendeinem Shooting angesprochen, und ich war schon so schlecht gelaunt, dass ich ihn sofort angeschnauzt habe, daraufhin hat er ebenfalls ungehalten reagiert und hinterher hatte er ein blaues Auge und ich etliche Prellungen sowie einen angeknacksten Finger...“ Er kicherte leise. „Mit dem willst du dich nicht prügeln, glaub mir, wenn er sich erst einmal darauf eingestellt hat, haut er dich windelweich, bis du nicht mal mehr deinen Namen weißt...“ „Ist er echt so schlimm?“ „Na ja, es geht... eigentlich ist er ganz okay, er ist nur ziemlich distanziert und etwas arrogant, aber normal unterhalten kannst du dich mit ihm... wenn du Glück hast, mag er dich, dann brauchst du Angst mehr vor gar nichts zu haben, denn dann wacht er wie ein gefallener Schutzengel über dich... obwohl sich dann die Frage stellt, WIE LANGE er dich mag.“ Kirito grinste. „Und wenn er dich nicht mag, brauchst eine extrem starke Selbstbeherrschung, er liebt es, andere zu provozieren...“ „Hm“, machte ich und schwieg eine Weile, trank noch einen Schluck Bier. „Aber bei dir ist es nicht so, dass du diejenigen, die du anmachst, nicht leiden kannst?“ „Nein, ich bin einfach launisch“, antwortete er schulterzuckend. „Hinterher tut es mir auch meistens leid...“ „Also magst du mich doch?“, fragte ich und sah ihn an. Er grinste. „Das hab ich dir doch schon gesagt. Ich weiß auch nicht, warum, schließlich kommst du von der Straße und bist seltsamerweise ein Überflieger, und dann hätte ich mich auch noch um dich kümmern müssen... eigentlich hätte ich Grund genug, dich nicht zu mögen, aber vielleicht bist du zu hübsch dafür.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Nenn mich nicht hübsch.“ „Warum nicht?“ „Weil ich’s nicht bin...“ „Guckst du eigentlich zwischendurch auch mal in den Spiegel?!“, fragte Kirito und setzte sich aufrecht hin. „Du bist selbst ohne Schminke hübsch!“ Ich runzelte die Stirn. „Was redest du da?“ „Ich meine das vollkommen ernst, Gara, du BIST hübsch. Du hast hübsche Gesichtszüge, und wenn du geschminkt bist, könnte ich dich jedes Mal aufessen!“ Jetzt setzte ich mich ebenfalls auf. „Ich glaub dir das nicht“, meinte ich leise. Er verdrehte die Augen. „Soll ich es beweisen, oder was?“ „Wäre ein Anfang.“ Kirito musterte mich. „Du hast zu viel getrunken, Gara. Sonst würdest du so was nicht sagen.“ Mit einem Seufzen fuhr ich mir durch die Haare. „Nein, das Problem ist ein anderes, Kirito...“ „Aha!“ Er nickte zufrieden. „Jetzt kommen wir zum eigentlichen Grund, weshalb du mich heute eingeladen hast. Red weiter.“ Ich sah ihn an. „Bist du mir jetzt böse...?“ Er musste lächeln. „Wie könnte ich? Ich sollte mich doch geehrt fühlen, weil du mich um Hilfe bittest, oder?“ „Hm.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ „Also?“ „Weißt du... irgendwie sind Yasu und ich letztens auf das Thema gekommen, dass ich so anschmiegsam bin, und nur bei Männern, und...“ Ohne ersichtlichen Grund begann Kirito, plötzlich zu lachen. Und kriegte sich fast eine ganze Minute nicht mehr ein. „Was ist denn?!“, fragte ich gereizt. Er grinste mich an. „Du willst mir gerade nicht ernsthaft erklären, dass du darüber nachdenkst, schwul zu sein, oder?“ „Was ist daran so lustig??“ „Dass du es nicht BIST!“ Kirito schüttelte amüsiert den Kopf. „Schau dich doch mal an, du bist in den letzten Monaten hinter jedem attraktiven weiblichen Model her gewesen, du warst total entsetzt, als du rausgefunden hast, dass es an deinem zukünftigen Arbeitsplatz auch Schwule geben würde... und ich wette mit dir um eine Million Yen, dass du noch nie wegen einem Mann geil geworden bist, oder?“ Ich wandte den Blick ab und hätte mich erschlagen können. Er hatte Recht – ich stand doch auf Frauen. Ich hatte eigentlich absolut keinen Grund anzunehmen... „Und warum schmuse ich dann mit jedem Kerl, der bei drei nicht auf dem Baum ist?“ „Vielleicht ist in deiner Entwicklung was schief gelaufen“, schlug Kirito lachend vor. „Und außerdem hast du noch nie mit mir gekuschelt, oder?“ „Uhm...“ „Und weißt du, warum? Weil du Angst davor hast, dass ich es falsch verstehen und Interesse an dir zeigen könnte, und das scheint ja offenbar das Letzte zu sein, was du willst. Mit wem kuschelst du denn sonst rum? Yasu? Deinem Yuu oder wie auch immer er heißt? Lass mich raten – er ist auch nicht schwul? Sieh es ein, Kleiner, du bist so straight wie der Horizont. Okay?“ Ich nickte leicht. „Ich hab sogar mit ihm rumgeknutscht...“, murmelte ich und schüttelte über mich selbst den Kopf. „Und ich wollte sogar DICH noch fragen, ob du mich küsst...“ Kirito grinste breit. „Hätte ich sowieso nicht gemacht.“ „Echt? Warum nicht?“ Er zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Warum sollte ich? Wenn Kiyo bei dir ankommen und dich fragen würde, ob du ihn küsst, würdest du das doch auch nicht machen, oder?“ „Nein, eigentlich nicht.“ „Na siehst du. Noch was zu trinken?“ „Gerne...“ Etwa sieben Stunden später wurde ich dadurch wach, dass mir die Sonne direkt ins Gesicht schien. Konnte eigentlich nicht sein, das Fenster in meinem Schlafzimmer ging nach Norden, und die Sonne sah ich fast nie. Ich zog mir die Decke über den Kopf und kuschelte mich in die Kissen. Aber irgendwas... Langsam öffnete ich die Augen. Schwarze Satinbettwäsche. ... Moment mal. ... WO ZUR HÖLLE WAR ICH???? „Tee oder Kaffee zum Frühstück?“, rief jemand. Mit einem Ruck saß ich aufrecht im Bett und starrte Kirito entgeistert an. Er schenkte mir ein Lächeln. „Guten Morgen.“ „Waswaswas wie was EH?!“, versuchte ich meine Gedanken zu artikulieren, was allerdings nicht so ganz hinhaute. „Was... zum Teufel...“ „Ich mach dir einfach mal einen Kaffee, du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen“, nickte er, wandte sich ab und verschwand wieder aus dem Raum. Vollkommen fassungslos saß ich da und versuchte verzweifelt, mich an den vorigen Abend zu erinnern, während ich mich im Zimmer umsah. Es war so ziemlich das genaue Gegenteil von meinem – ordentlich, groß, hell und hübsch eingerichtet. Aber wie war ich hier her gekommen?! Ich wusste nur noch, dass wir die Bar um ungefähr zwei Uhr nachts verlassen hatten – mehr auch nicht. Völlig fertig mit den Nerven stand ich auf und realisierte erst DANN, dass ich kein Stück Kleidung mehr am Leib hatte. ...... Ich würde mich erschießen. Kurzerhand (da ich keine Klamotten entdecken konnte, zumindest nicht von mir) schnappte ich mir die Bettdecke, wickelte sie mir um die Hüften und ging in die Richtung, in die Kirito verschwunden war. „Kirito?!“, fragte ich panisch. „Was-“ Der Angesprochene – die Ruhe selbst – reichte mir nur lächelnd eine Tasse Kaffee. „Erst denken, dann reden, Gara.“ „WAS haben wir gestern noch gemacht!?“, wollte ich wissen und nahm einen Schluck, verzog sofort das Gesicht. Der Kaffee war nicht nur schwarz, sondern auch noch extrem stark. Zumindest wurden dadurch meine aufkommenden Kopfschmerzen weniger. „Uhm... ich weiß nicht mehr...“, gab er stirnrunzelnd zurück. „Zumindest nicht genau. Setz dich mal hin.“ Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken, während Kirito mich aufmerksam betrachtete, dann den Kopf schüttelte. „Nein, scheint nichts zwischen uns gewesen zu sein“, meinte er. „Wie kannst du dir da so sicher sein?!“ „Das würdest du merken, glaub mir“, grinste er. „Vor allem beim ersten Mal.“ „Wer sagt denn, dass ich...“, begann ich und lief rot an. „Also, dass ich... und nicht du...“ „Selbst ICH würde das merken“, versuchte er mich zu beruhigen. „Und jetzt komm erst mal wieder runter, du bist ja ein richtiges Nervenbündel...“ „JA ACH NEE!“ „Hör zu.“ Er legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich eindringlich an. „Es ist alles okay, wir hatten keinen Sex, ich musste zwar meine Meinung über dich ändern, aber ansonsten ist nichts passiert, ja? Alles halb so wild.“ „....Was soll das heißen?“, erwiderte ich, jetzt wieder misstrauisch. „Na ja, von wegen Horizont...“ Er zuckte lächelnd mit den Schultern. „Ich hatte vergessen, dass die Erde rund ist.“ „WAS SOLL DAS HEIßEN?!“, fauchte ich ungehalten. „Dass ich mich bei dir eventuell geirrt habe...“ „KIRITO!!!“ Er lachte leise. „Du brauchst nicht gleich auszuflippen, wir haben nur ein wenig rumgeknutscht, mehr nicht.“ „MEHR NICHT?!“ Ich starrte ihn entsetzt an. „Was heißt ‚ein wenig’?? Und – bleibt es bei dem ‚wir hatten keinen Sex’?!?“ „Wenn es nach dir gegangen wäre, dann wäre es nicht dabei geblieben“, gab Kirito grinsend zurück. Er genoss das Ganze hier sichtlich. ...Ich nicht. „Inwiefern?“, wollte ich leise wissen. „Och...“ „REDE!“ Er kicherte leise. „Reg dich ab, Kleiner... Es ist wirklich nicht mehr passiert. Und du solltest da jetzt auch nicht zu viel reininterpretieren, du warst wirklich ziemlich dicht und hättest dich von jedem küssen lassen, von daher...“ „Kirito, ich schwöre dir, wenn du mich gerade verarschst...“, murrte ich. Zur Antwort sah er mir direkt in die Augen und schüttelte den Kopf. „Mach ich nicht. Wirklich nicht“, sagte er fest und lächelte. „Und jetzt solltest du dir erst mal was anziehen.“ Da erst wurde mir wieder bewusst, dass ich außer einer Decke sonst nichts anhatte. „Wo sind eigentlich meine Sachen hingekommen?“, wollte ich wissen und runzelte dann die Stirn. „Moment mal.....“ „Du kannst welche von mir haben“, unterbrach er mich und verschwand aus dem Raum. Ich sah ihm hinterher und schüttelte den Kopf. Ich sollte am Besten aufhören, über das Ganze hier nachzudenken, das war wahrscheinlich mit den wenigsten Komplikationen verbunden. Eigentlich sollte ich froh sein – ich war doch nicht schwul, ich wusste jetzt, dass Kirito mich doch ganz gut leiden konnte und ich sah zum ersten Mal seine Wohnung. ... Immer die positiven Seiten sehen. ..... Und vor allem NICHT darüber nachdenken, warum zur Hölle ich nichts anhatte. ~☆~ „Zur Seite gucken, bitte. ... Zur Seite! Nein, zur anderen! Etwas gerader hinstellen! Herrgott, wird das heute noch mal was?“ Genervt kam der Fotograf angerannt und korrigierte meine Pose zum inzwischen bereits siebten Mal. „Ich bin ja dafür, dass du ihm ein wenig Freiraum gibst, schließlich sind es SEINE acht Seiten“, bemerkte Kirito und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette. „Sei du bloß ruhig“, fuhr ihn der Typ an. „Du solltest froh sein, dass du überhaupt hier sein und RAUCHEN darfst, ja? Du hast noch Glück gehabt, dass ich dich so lange kenne!“ Kirito schenkte ihm ein kurzes Grinsen. „Ich mag keine Hüte“, beschwerte ich mich leise. „Ruhe“, entgegnete der Fotograf und trat einen Schritt zurück, ehe er mich noch etwas zur Seite drehte. „Du siehst zum Anbeißen aus“, meinte Kirito und lächelte. „Ehrlich. Und das sage ich nicht jedem, glaub mir. Wenn ich dich nicht so gut kennen würde, dann hätte ich dich schon längst vernascht, das kannst du mir glauben.“ Ich warf ihm einen sowohl ungehaltenen als auch ungläubigen Blick zu. „Zur anderen Seite gucken!“, schaltete sich der Fotograf wieder ein. „Ist so, guck nicht so“, fuhr Kirito fort. „Nur leider, leider bist du ja nicht an Männern interessiert...“ „In eurem Job MUSS man doch schwul sein“, murmelte der Fotograf, dessen Name mir nicht mehr einfiel. „Zumal es nicht viele Frauen gibt, die es gerne haben, wenn ihre Männer hübscher als sie selbst sind.“ „Na ja, angeben können sie ja dann mit uns“, entgegnete ich und gab mir alle Mühe, weder gelangweilt auszusehen noch genervt oder amüsiert. Das war schwerer, als es sich anhörte, wirklich. „Nicht bewegen!“, rief der Typ und machte ein paar Fotos. „Kopf etwas in den Nacken legen, bitte.“ „Sag mal, sind echt so viele Models schwul oder sagt ihr das nur so?“, fragte ich, während ich versuchte, den Anordnungen Folge zu leisten, aber irgendwie schien es nie zu passen, weshalb der Fotograf ständig irgendetwas korrigieren musste. „Ich kann nicht für alle sprechen, weil ich nicht alle kenne.“ Kirito zuckte mit den Schultern und trat seine Zigarette aus. „Aufheben“, befahl der Fotograf. Kirito seufzte, hob die Zigarette aber wieder auf und warf sie weg. „Die richtig bekannten von GLAMOUR ☆ FASHION auf jeden Fall, aber ich denke, insgesamt sind es nicht mehr als in der Musikszene auch.“ Da musste der Typ lachen. „Oh ja, aber um diesen Vergleich zu verstehen, braucht man das Vorwissen, das DU hast.“ „Warum denn?“, fragte ich nach. „Ich war mal mit einem Sänger zusammen“, meinte Kirito und suchte nach einer weiteren Zigarette. „Und als er mir alle seine Ex-Freunde aufgezählt hat... Na ja, sagen wir so: Es waren ziemlich viele. Auch bekannte. Und als ich einige von ihnen getroffen habe, konnten die mir noch mehr Namen nennen.“ „Sagen wir, das Ganze ist so ähnlich wie damals mit den Königshäusern – alles Inzestgeschichten. Da hat wirklich jeder was mit jedem, und dann kann der eine den anderen nicht leiden, und ein dritter ist aber gleichzeitig mit beiden zusammen-“ „-und die haben aber jeweils noch eine Affäre, die aber offiziell mit jemand anderem verheiratet sind, und der Bruder von dem einen, der natürlich auch im Musikgeschäft tätig ist, ist gleichzeitig verschwägert mit dem einen vom Anfang, was er natürlich nicht weiß.“ „Oder so“, endete der Fotograf grinsend. „Wenn man da durchblicken will, braucht man schon einen ganzen Stammbaum.“ „Klingt interessant“, warf ich ein. „Und mit Models ist es genauso?“ „Nicht ganz, aber ähnlich“, nickte Kirito. „Hier geht es eher um Freund- und Feindschaften, nicht so sehr um Beziehungen, über die wird meistens geschwiegen. Das Problem ist, bei uns musst du ständig auf dem Laufenden bleiben, dein heutiger bester Freund kann morgen dein schlimmster Feind sein, deshalb solltest du dich immer genau informieren, bevor du dich mit irgendjemandem über wen anders unterhältst.“ „Zum Beispiel?“ „Nimm Yasu und Hakuei. Am Anfang ein Herz und eine Seele, dann gab es eine Zeit, wo keiner sich mehr gehasst hat als die beiden, dann waren sie wieder Freunde, dann wieder SEHR gute Freunde und dann gucken sie sich plötzlich nicht mehr an – es wechselt ständig. Ich glaube, im Moment mögen sie sich wieder.“ Kirito grinste. „Obwohl ich mir da auch nicht sicher bin, Hakuei hat ihn letztens schön totgeschwiegen.“ „Du bist mit ihm befreundet?“, fragte ich erstaunt. „Na ja, was man so ‚befreundet’ nennt...“ Er zuckte mit den Schultern. „Bist du hier langsam mal fertig, Tajo?“ „Wenn du den Kleinen hier zulaberst, werd ich nie fertig!“ Richtig, Tajo hieß er. War, glaube ich, ein ziemlich guter Fotograf. Zumindest wirkte er, als würde er gerade seine Zeit vergeuden. „Warum nennt ihr mich alle klein?“, wandte ich ein. „Ich bin größer als ihr!“ „Schon, aber noch nicht so lange im Geschäft“, antwortete Tajo und zwinkerte mir zu. „Und jetzt dreh dich noch mal etwas zur anderen Seite...“ „In diesem Fall darf ich mich doch mal selbst loben und sagen, dass sie richtig gut geworden sind.“ Kirito nickte Tajo zu. „Da muss ich dir Recht geben. Sehen wirklich klasse aus. Damit hast du alle Herzen im Sturm erobert, Gara.“ Er grinste mir zu. Ich betrachtete mein eigenes Gesicht skeptisch auf dem Bildschirm. Ich sah gut aus, das musste ich zugeben. Zumindest besser. Seltsam, ich hätte nie gedacht, dass man so was aus mir machen könnte. Es war schon beeindruckend. „Dieser Hut steht dir wirklich außerordentlich gut. Und der Kajal sowieso. Und wie du da guckst....“, schwärmte Kirito und schnurrte mich von der Seite an. Ich musste lachen. „Übertreib’s nicht, Kirito.“ „Als ob ich auf dich hören müsste“, erwiderte er grinsend. „Ich hab dich doch voll in der Hand, wenn du berühmt bist, kann ich behaupten, wir hätten eine heiße Nacht zusammen gehabt, und dann will keine Frau mehr was von dir wissen.“ „Das würde dir doch eh keiner glauben“, meinte ich. „Und ob!“, meinte Kirito triumphierend. „Schließlich hab ich deine Shorts noch!“ „Du hast meine- ...“ Ich sah ihn an. „Gib die mir gefälligst zurück, die waren TEUER!“ „So sahen sie auch aus. Satin, hm? Wie meine Bettwäsche. Ich glaube, wir sind doch füreinander bestimmt.“ Er seufzte dramatisch und ich musste wieder lachen. „Ach, sei ruhig!“ „Wenn ihr dann mal fertig wärt...“, mischte Tajo sich wieder ein. „Welche Fotos wollt ihr nehmen?“ Wir wandten uns wieder dem Bildschirm zu. „Also, das erste MUSS ja sein“, bemerkte Kirito. „Das ist voll porno-mäßig. Welche gefallen DIR denn? Schließlich bin ich nur als Berater hier.“ „Ich weiß nicht...“ Er stöhnte auf und versetzte mir einen Stoß in die Rippen. „DAS ist was, das du dir dringend abgewöhnen solltest – Bescheidenheit. Wenn du irgendwo drauf geil aussiehst, dann sag, dass du geil aussiehst, wenn dir irgendwas gefällt, darfst du das ruhig aussprechen, Meinungsfreiheit, schon mal was davon gehört? Also, welche willst du haben?“ „Was haltet ihr davon, wenn ich das erste, das sechste und das zweiundzwanzigste ganz groß mache, dann hast du schon mal drei Seiten voll, dann machst du zwei Seiten Text mit noch ein paar Fotos und auf einer Seite eine Collage aus den restlichen Fotos?“, schlug Tajo vor. „Ich wollte aber eigentlich nicht so viele Bilder haben“, wandte ich ein. „Was denn sonst?“ „Eigentlich mehr Text...“ „Und was? Willst du da deine gesamte Lebensgeschichte aufschreiben?“, fragte Kirito. „Irgendwelche philosophischen Ansichten erläutern? Einen Aufsatz über die Umweltverschmutzung schreiben? Das ist doch vollkommen uninteressant! Das wollen sich unsere Leser doch nicht antun.“ „Nein, ich wollte es eigentlich so machen, dass ich erst mal die wichtigsten Daten aufschreibe, wie zum Beispiel meinen Geburtstag, und dann diejenigen, die mich kennen, zum Beispiel dich, bitten, mich kurz zu beschreiben“, entgegnete ich. Darauf folgte einen Moment Schweigen, während Kirito mich perplex ansah. „Was denn?“ „Soll ich dir was sagen? Auf die Idee ist bis jetzt noch keiner gekommen. Ganz ehrlich“, antwortete er und nickte. „Das ist gut, da kannst du mich nehmen, Kiyoharu, Hyde, Yasu...“ „Ich glaube NICHT, dass ich wissen will, was Hyde über mich denkt“, warf ich ein. Tajo musste lachen. „Ach, mach dir da mal keine Gedanken, der kann eh niemanden leiden. Warum auch immer.“ „Weiß das eigentlich irgendwer?“, fragte ich. „Warum er so viele Leute grundlos nicht abkann?“ „Ist jetzt irrelevant“, meinte Kirito. „Er wird dir trotzdem ganz bestimmt was Nettes hinschreiben. Jetzt geht es doch erst mal um das Layout.“ „Ich krieg das schon hin“, nickte ich. „Mach du dir da keine Gedanken.“ ~☆~ Als ich am 1. Oktober das Gebäude von GLAMOUR ☆ FASHION betrat, wurde ich offenbar bereits erwartet: In der Eingangshalle hatte sich ein Grüppchen versammelt, das sich sofort auf mich stürzte, als ich zur Tür hereinkam. Kirito, Yasu, Kiyoharu und sogar Jui waren darunter, außerdem einige Gesichter, die ich nicht zuordnen konnte, und dann noch ein Gesicht, das ich nicht erwartet hatte – Sachiko. Ich hatte sie seit über acht Monaten nicht mehr gesehen, und sie hatte sich kein bisschen verändert. Sie war die erste, die bei mir ankam, und fiel mir direkt um den Hals. Ich erwiderte die Umarmung lächelnd. „Lange nicht gesehen“, murmelte ich und drückte sie an mich. „Und ob“, gab sie grinsend zurück und löste sich wieder von mir. „Herzlichen Glückwunsch!“ Jetzt wurde ich nacheinander erst in Kiritos, dann in Yasus, in Kiyoharus und in Juis Arme gezogen (wobei die letzten beiden ein wenig unerwartet kamen), ehe mir die anderen Models auch noch gratulierten und mir anschließend alle versicherten, dass mich die Leute vergöttern würden. Ich winkte nur ab – ich hoffte es zwar auch, aber bis ich keinen Beweis hatte, glaubte ich da nicht dran. Nachdem mich die meisten beglückwünscht hatten, verschwanden sie auch wieder an ihre Arbeit (Kiyoharu nicht, ohne mir zu sagen, dass ich mir den nächsten Tag gefälligst frei nehmen sollte, damit wir nach dem ganzen Stress noch ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten), nur Kirito, Jui und Sachiko blieben da. „Ich muss aber eigentlich auch direkt wieder gehen“, meinte Sachiko und lächelte entschuldigend. „Ich war nur gerade zufällig in der Nähe, und als ich dich dann groß auf der Titelseite gesehen habe, musste ich einfach herkommen.“ „Hör zu, es tut mir leid, dass bei uns der Kontakt abgebrochen ist“, gab ich zerknirscht zurück. Ich merkte erst jetzt, wie sehr ich sie eigentlich gemocht hatte. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich ihn gerne wieder auffrischen.“ „Gerne!“ Sie strahlte mich an. (Ich hätte sie ja noch mal umarmt, aber da Kirito und Jui die Szene interessiert beobachteten...) „Sollen wir gleich einen Termin ausmachen? Wie wäre es an diesem Wochenende?“ „Ich hab deine Nummer noch, ich ruf dich an“, versprach ich und lächelte zurück, drückte sie noch einmal zum Abschied an mich. „War das nicht mal meine Sekretärin?“, fragte Kirito und sah Sachiko noch hinterher, als sie schon verschwunden war. „Ja, und sie war bis über beide Ohren verknallt in dich“, nickte Jui grinsend. „Obwohl sie sich jetzt anscheinend jemand anderes ausgeguckt hat.“ Er wandte sich mir zu. „Gar nicht!“, protestierte ich. „Das ist rein freundschaftlich!“ „Aus DEINER Sicht“, betonte Kirito. Ich seufzte tief. „Wie auch immer...“ „Also ich persönlich finde die Fotos alle sehr gelungen“, schaltete Jui sich wieder ein und strahlte mich an. (Ich wurde heute nur angestrahlt, so schien es.) „Danke schön“, erwiderte ich und lächelte ebenfalls. „Kein Problem.“ Er grinste. „Ich finde es schön, dass wir uns endlich mal kennen lernen, bis jetzt habe ich nur von dir zu hören gekriegt.“ „Echt?“ Er nickte. „...Eher Gutes oder...?“ Die beiden mussten lachen. „Kommt drauf an, wer von dir erzählt hat“, meinte Jui. „Kirito war schon etwas länger von dir begeistert-“ „Na, jetzt übertreib mal nicht“, warf Kirito dazwischen. „-und Tajo fand dich ja auch total niedlich, und Kiyoharu sowieso. Aber der hat sowieso total Spaß an allen neuen Models, daran musst du dich gewöhnen.“ Jui grinste wieder. „Aber ich finde es wirklich klasse, dass du als – ich drücke es jetzt mal so aus – ‚unprofessionelles’ Model so schnell schon deine Hachi Peーji gekriegt hast, ehrlich.“ So langsam konnte ich verstehen, warum er so beliebt war – er war wirklich unheimlich nett und niedlich. Ich wollte gerade erwidern, dass ER die acht Seiten ja nicht nötig gehabt hatte, da fing plötzlich jemand an zu klatschen. Ich drehte mich um und brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass gerade genau DER vor mir stand, von dem ich dachte, dass er es war. Hakuei – in all seiner Pracht – kam auf mich zu, offenbar bereits für ein Shooting gestylt, und klatschte. Für MICH. Als er direkt vor mir stand, sah er auf mich herab (er war fast 10cm größer als ich!) und lächelte. Und es war kein freundliches Lächeln. „Wirklich, ich bin beeindruckt“, sagte er leise und hörbar ironisch. „Nein, ehrlich, ich find es wirklich klasse, dass du als ein ‚unprofessionelles’ Model so schnell so hoch gekommen bist...“ Ich fühlte mich ernsthaft bedroht. 1. Er war definitiv aufgemachter als ich. 2. Er war größer als ich. 3. Er war erfahrener als ich. 4. Er war stärker als ich. 5. Er hatte mehr einflussreiche Freunde als ich. 6. Das hier war sein Territorium. Und 7. machte er mich gerade dumm an. Das hieß, er mochte mich nicht. Und DAS hieß, dass wenn ich jetzt nicht aufpasste, ich die nächsten Wochen meinen Triumph im Krankenhaus nachfeiern konnte. „Haku“, murmelte Jui als Warnung, offenbar gefiel es ihm nicht, dass das Model vor mir ihn nachgemacht hatte. „Würde mich nur mal interessieren, wie du das geschafft hast, ehrlich, also ich find das ja so klasse...“, fuhr Hakuei unbeeindruckt fort und ließ mich nicht aus den Augen. „Wahrscheinlich hast du es gemacht wie so viele andere Models auch.“ Er imitierte einen koketten Augenaufschlag (und obwohl ich kleiner war als er, wirkte es noch). „Klimper, klimper, Beine breit?“ „Haku!“, versuchte Jui es noch ein zweites Mal. „Kannst du etwa nicht selbst sprechen?“, fragte Hakuei, noch immer lächelnd, und tippte mir vor die Brust. „An deiner Stelle würde ich aufpassen“, sagte er leise. „Ich würde GUT aufpassen. Selbst wenn du gerade einen Höhenflug hast und bewegliche Ziele schwerer zu treffen sind – runter kommst du immer. Egal wie. Nur würde ich dir raten, mir nicht in die Quere zu kommen. Verstanden? Das ist ein gut gemeinter Rat. Wenn du dich aus meinen Angelegenheiten raushältst, dann könnte es sogar sein, dass ich dich in Ruhe lasse. Sofern du mir nicht weiter auf die Nerven gehst. Klar?“ Ich hätte gerade gerne etwas gesagt, aber meine Stimme wollte nicht mehr, also nickte ich lediglich. „Sehr schön.“ Hakuei nickte zufrieden lächelnd und tätschelte mir den Kopf. „Dann feier noch schön weiter, Straßenköter.“ Damit wandte er sich ab und verließ die Eingangshalle. Vollkommen regungslos starrte ich ihm nach und wartete darauf, dass ich aufwachte, aber den Gefallen tat ich mir nicht. „Das kann ja heiter werden“, murmelte Kirito. „Ich würde ja gerne sagen ‚keine Bange, er will nur spielen’, aber ich fürchte, bei Hakuei kann man sich nie so ganz sicher sein“, bemerkte Jui. „Ist er.... immer so?“, fragte ich sehr leise. „Oft“, bestätigte Jui. Okay... Fassen wir zusammen: In meinem kompletten bisherigen Leben hatte nur zwei Mal richtige Angst gehabt – einmal, als ich Kirito das erste Mal getroffen hatte, und dann in der Situation gerade eben. ... Ernsthaft, Hakuei machte mir Angst. Besonders, wenn er nur etwa zwanzig Zentimeter von mir entfernt war und locker auf mich herunterschauen konnte. „Wenn ich mir keine Sorgen um dich machen würde, dann würde ich deinen entgeisterten Gesichtsausdruck sogar noch lustig finden“, warf Kirito ein und wedelte mit einer Hand vor meinem Gesicht. „Geht es oder brauchst du ärztliche Hilfe?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich brauche eher einen Bodyguard.“ „Wenn ich einen hätte, würde ich ihn dir sofort leihen“, meinte Jui. „Ich glaube, du könntest ihn gebrauchen.“ Ich lächelte schief. „Danke. Sehr aufbauend.“ ~☆~ Als ich am nächsten Tag mein Haus verließ, um mich auf den Weg zu Kiyoharu zu machen, bemerkte ich, wie mich eine Frau von der anderen Straßenseite anstarrte. Ich schenkte ihr keine Beachtung und ging weiter, während sie anfing, in ihrer Tasche herumzuwühlen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sie ein Heft herausholte, es aufschlug, einen Moment regungslos verharrte und dann loseilte. In meine Richtung. DANN erst wurde mir klar, dass ich offenbar soeben den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gemacht hatte. „Entschuldigen Sie?“ Ich gab mir Mühe, ein triumphales Grinsen zu unterdrücken, und drehte mich um. „Ja?“ Die Frau starrte mich einen Moment an. „Uhm... könnte ich wohl ein Autogramm von Ihnen...?“ Mit einem freundlichen Lächeln nickte ich. „Gerne.“ Just in dem Moment legte sich eine Hand auf meine Schulter. „Es ist gerade mal zehn Uhr morgens, und du verteilst schon Autogramme?“, wollte Kiyoharu amüsiert wissen. Die Frau vor mir sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Ich grinste ihn an. „Hey, das ist mein erstes, ja?“ Ich unterschrieb schnell und wollte der jungen Frau die Zeitschrift wieder zurückgeben, aber sie konnte noch immer die Augen nicht von Kiyoharu nehmen. „Könnte ich... von Ihnen auch...“ „Aber natürlich“, gab er lächelnd zurück und nahm den Stift und die Zeitschrift von mir, sah die Frau dann an. „Wie heißen Sie?“ „Ha-Haruka...“ Er kritzelte irgendetwas auf das Cover, was entfernte Ähnlichkeit mit ‚Für Haruka’ hatte und dann noch seinen Namen darunter, ehe er der Frau ein weiteres Lächeln schenkte. „Danke“, murmelte sie überwältigt, presste die Zeitschrift an ihre Brust und verschwand eilig, wahrscheinlich, um vor irgendjemandem anzugeben. „Daran wirst du dich gewöhnen müssen“, meinte Kiyoharu leise und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, die er auch sofort anzündete. „Und du solltest am Besten jetzt schon üben, zwei Stunden am Stück immer wieder deinen Namen zu schreiben. Könnte hilfreich sein. Und währenddessen immer schön weiterlächeln.“ Er zwinkerte mir zu, legte mir einen Arm um die Taille und zog mich dann mit sich. „Komm, ich wollte dir was zeigen.“ „Wo gehen wir denn hin?“, fragte ich und sah ihn an. Er lächelte mich nur kurz an. „Das wird eine Überraschung.“ Keine dreiviertel Stunde später ließ ich mich keuchend auf einen Treppenabsatz sinken und fuhr mir durch die Haare. „Ist es noch weit...?“, fragte ich außer Atem. Kiyoharu, der sich grinsend an das Geländer gelehnt hatte, schüttelte den Kopf. „Nein, nicht mehr allzu. Du hast schon fast alles hinter dir. Müssten jetzt so um die 500 Stufen gewesen sein.“ „Na toll“, murmelte ich und warf einen Blick nach unten. Also, es sah ja schon von hier beeindruckend aus, ganz ehrlich. „Warte, bis wir oben sind“, meinte Kiyo, als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich sah ihn an. „Warum hast du dich eigentlich daran erinnert?“ „Woran?“ Er lächelte. „Dass ich noch nie auf dem Tokyo Tower gewesen bin.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ich habe ein gutes Gedächtnis. Und vor allem bei so sympathischen Personen wie dir.“ „Aber das habe ich dir doch an unserem allerersten Treffen erzählt...“ Er nickte nur. „Weiß ich doch.“ „Und das hast du dir gemerkt?“ Ein Schulterzucken. „Warum nicht?“ „Hm.“ Weil ich das von jemandem wie ihm nicht erwartet hätte. Aber egal. „Und wie kommt es, dass du noch kein bisschen außer Atem bist?“ Jetzt grinste er mich wieder an. „Ich hab auch eine gute Ausdauer.“ Er zwinkerte mir zu, und unwillkürlich wurde ich ein wenig rot. „Lass uns weitergehen.“ Er nahm meine Hand und zog mich wieder auf die Füße. „Notfalls trag ich dich auch...“ „Das würdest du machen?“ Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Bei einem Fliegengewicht wie dir immer.“ Sagte der Richtige. Ahem. Na ja. Nach weiteren zehn Minuten stand ich direkt in der Mitte der Aussichtsplattform und wusste nicht, in welche Richtung ich mich zuerst drehen sollte. Die Plattform war von allen Seiten verglast und bot eine 360°-Ansicht von Tokyo. Nicht, dass ich die Stadt so hübsch fand, aber ich konnte ja Gebäude suchen, die ich kannte. Das einzige Problem war, dass ich mich inzwischen so viel gedreht hatte, dass ich nicht mehr wusste, wo Norden war. Gut, das wusste ich sowieso nicht, aber jetzt noch weniger. „Was verloren?“, wollte Kiyoharu grinsend wissen. „Höchstens die Orientierung“, gab ich zurück und blieb vor ihm stehen. „Wenn du jetzt GANZ lieb wärst...“ „Komm mit.“ Er nahm meine Hand und zog mich mit sich, stellte mich dann vor sich hin, einen Arm um meine Taille gelegt, den Kopf auf meiner Schulter und einen Arm ausgestreckt, um mir was zu zeigen. „Siehst du das ganz große hellblaue Gebäude dahinten? Links davon sind wir.“ Mit ‚wir’ meinte er das Hauptgebäude von GLAMOUR ☆ FASHION. Man konnte es sogar von hier aus sehen. Aber ich musste zugeben, auch wenn diese körperliche Nähe zu ihm sehr ungewohnt war, fühlte ich mich ziemlich wohl und bekam sogar von der Art, wie er mir ins Ohr murmelte, eine Gänsehaut. Nein, ehrlich. ... Ich wusste auch nicht, was das zu bedeuten hatte, oder vielmehr wollte ich es gar nicht wissen. Was ich wusste, war, dass es im Moment genau das war, was ich brauchte. Und zwar von der richtigen Person. Ich nickte. „Ja, sehe ich.“ „Und schau mal ein bisschen weiter links.“ Er drehte mich ein wenig herum. „Erkennst du das eine strahlend bunte Restaurant da wieder?“ Erneut nickte ich. „Dann solltest du eigentlich selbst wissen, wo du wohnst.“ Wieder nickte ich und lehnte mich unwillkürlich ein wenig mehr an ihn. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass du fast um die Ecke vom Tokyo Tower wohnst und trotzdem noch nie hier warst“, meinte Kiyoharu und schüttelte leicht den Kopf, weshalb seine Haare mich am Hals kitzelten. „Hat mich noch nie interessiert“, gab ich zurück und genoss die Aussicht noch ein wenig. Von so weit oben wirkte Tokyo unheimlich ruhig, man sah so wenig Menschen, und wenn, dann waren sie so klein wie Ameisen. So klein und so unbedeutend. „Ich glaube, ich werde von dem Anblick depressiv...“ „Warum das denn?“, fragte Kiyo leise lachend. „Weiß nicht... wenn man mal darüber nachdenkt, was wir Menschen eigentlich sind – wir denken, die Welt gehöre uns, wir bevölkern sie und ordnen alle anderen Lebensformen uns unter, wir entwickeln Normen und Werte und jeder, der ihnen nicht folgt, wird gesellschaftlich geächtet... Aber was bewirken wir damit? Alles, was wir erreicht haben, hilft doch im Endeffekt nur uns, oder?“ Er schwieg eine Weile. „Ich persönlich glaube, dass jedes einzelne Leben irgendeinen Sinn hat, und selbst wenn wir nur da sind, um dem Leben eines anderen einen Sinn zu geben. Ich glaube nicht an das Schicksal, aber ich weigere mich zu glauben, dass ich austauschbar bin, dass an meiner Stelle jemand vollkommen anderes hätte existieren können. Denn wenn ich das annehmen würde, dann hätte mein Leben doch keinen Sinn mehr und dann könnte ich es genauso gut beenden.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. Währenddessen spürte ich Kiyoharus Atem an meiner Haut, seine Hand auf meinem Bauch, seine Wange an meinem Hals... Und ich blickte hinunter auf die Stadt, in der ich geboren wurde, in der ich aufgewachsen bin und in der ich mein Leben lang gelebt hatte. Und jetzt sah ich sie plötzlich aus einer vollkommen anderen Perspektive. Ich fühlte mich, als würde gerade eine drastische Veränderung in meinem Leben vorgehen, ich wusste nur nicht, was es war. Als wir hinter uns einiges Flüstern hörten, lösten wir uns voneinander und wandten uns um. Die anderen Besucher, die sich ebenfalls auf dieser Aussichtsplattform befanden, hatten sich alle zu einer Seite gedrängt und waren aufgeregt am Flüstern. Neugierig ging ich zu ihnen und musste lächeln, als ich am Horizont den Fuji entdeckte. Schien wohl nicht der Normalzustand zu sein. Passte zumindest zu meinen Gefühlen in dem Moment. An diesem Abend stieß Kiyoharu noch mit mir auf meinen Erfolg an. Er hatte sich sogar daran erinnert, dass ich gerne Sake trank, und extra welchen gekauft. Ich wusste nicht so ganz, ob ich mich darüber freuen sollte: Einerseits fand ich es natürlich total lieb und aufmerksam von ihm, andererseits musste ich ja offensichtlich so einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben, dass er sich an das alles noch so gut erinnern konnte – und ich hoffte, dass das gut war. Zumindest ließ er mir keinen Raum für Interpretationen offen. Mit ihm war es immer so: Ich konnte mit ihm über alles, aber auch wirklich ALLES reden, er hörte mir zu, er half mir, so gut er konnte, er kümmerte sich um mich, er lachte mich nie aus und nahm alles ernst, was ich sagte. Er respektierte mich. Vielleicht war es das, was ich die ganze Zeit gebraucht hatte – jemand, der mich wirklich respektierte, auf die Art, wie Kiyoharu es tat. Ich verglich ihn unwillkürlich mit meinen Ex-Freundinnen. Sie hatten mir meistens nicht geglaubt, mich nicht ernst genommen oder mir nicht zugehört. Kiyo war das genaue Gegenteil von ihnen. Er war verständnisvoll, freundlich, interessiert und das alles. Ich konnte es gar nicht so genau beschreiben, aber mit einem Satz zusammenfassen: Ich fühlte mich wohl. Ich fühlte mich richtig wohl bei ihm. Vergleichbar mit dem Gefühl, was ich hatte, wenn ich bei Yuu war. Nicht dasselbe, aber ähnlich. Bei beiden spürte ich eine Vertrautheit, die weit über normale Freundschaft hinausging. Deshalb konnte ich auch so offen mit ihm sprechen. Ich erzählte ihm von Hakuei, fragte ihn, was es zu bedeuten hatte, sagte ihm, dass es mich total gefreut hatte, dass Jui so nett zu mir gewesen war, und erzählte ihm dann auch noch von meiner kurzzeitigen Verwirrung, was meine Orientierung anging. Da allerdings setzte er einen nachdenklichen Gesichtsausdruck auf. „Und... jetzt bist du der Meinung, dass du wirklich zu 100 Prozent auf Frauen stehst?“, wollte er wissen. Ich nickte. „Ja. Weißt du, ich hab ja mal gezweifelt, aber inzwischen bin ich mir wieder sicher, ja.“ „Und woher nimmst du die Gewissheit?“ Das brachte mich aus dem Konzept. „Wie – woher?“ „Hast du irgendwelche Beweise, die überzeugen könnten?“, fragte er weiter. Was für Beweise? „Inwiefern...?“ „Ich weiß nicht, dass du zum Beispiel inzwischen mit einer Frau glücklich geworden bist oder dich irgendetwas Erotisches bei einem Mann vollkommen kalt gelassen hat, dass du aufgehört hast, so anschmiegsam zu sein, zumindest bei Männern... hat sich bei dir irgendwas verändert?“, versuchte er mir klarzumachen, was er meinte. Ich runzelte die Stirn. „Nein.“ Kiyoharu seufzte. „Was, nein?“ „Nein, ich hab keine Beweise, aber die brauche ich doch nicht, wenn ich mir sicher bin. Oder?“ Erneut dachte er kurz nach. „Diese Sachiko... findest du sie hübsch?“ „Sie ist extrem hübsch, ja.“ „Findest du Hakuei hübsch?“ „Eh? ... Für einen Mann ist er... ziemlich hübsch, warum?“ „Denk mal an deine Schulzeit zurück.“ „Eh??“ Was sollte das denn jetzt? Ich blinzelte verwirrt. „Erinnerst du dich an deine ärgste Feindin?“, fragte Kiyoharu weiter. Ich nickte. „War sie hübsch?“ Sofort schüttelte ich den Kopf. „Nein, DIE doch nicht!“ Er hob die Augenbrauen. „Denk noch mal nach.“ Ich überlegte. Dann schnitt ich eine Grimasse. „Okay, ich meine, sie SAH schon nicht allzu schlecht aus, aber sie war trotzdem eine dumme-“ „Okay...“ Kiyo musterte mich einen Moment nachdenklich. „Du hast Yuu geküsst, nicht wahr? Wie war es?“ „Es... war schön“, gab ich zu. „Ich weiß nicht, ich kann es nicht ausdrücken, ich habe es genossen, aber nicht in der Hinsicht, als dass ich mit ihm zusammen sein wollen würde...“ „Du hast gesagt, vorher hast du dich an die Frau erinnerst, die du am meisten geliebt hast. Wobei hast du mehr gefühlt?“ So langsam wusste ich wirklich nicht mehr, worauf Kiyo hinauswollte, aber ich antwortete trotzdem. „Bei Yuu war es anders, da war keine Leidenschaft drin. Es war nur... weiß ich nicht. Und als ich an sie gedacht habe, war immer Leidenschaft mit dabei.“ „Und wie könntest du deine Gefühle bei Yuu beschreiben?“ „...Sehnsucht?“, schlug ich vor und sah sofort an Kiyoharus Lächeln, dass ich gerade ein Eigentor geschossen hatte. „Nein, also so meinte ich das nicht, es war eher...“ „Ist okay“, er nickte, „Wirklich. Für mich reicht es schon.“ Wieder lächelte er. „Und du sagst, dass du jetzt 100 Prozent hetero bist?“ Ein wenig zögerlich nickte ich. „Ich erhebe Einspruch.“ Ganz ehrlich, mir klappte der Mund auf. Einen Moment starrte ich ihn nur entgeistert an, dann schüttelte ich den Kopf. „Und... woher nimmst DU die Gewissheit??“ „Einfach.“ Kiyo zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich ein wenig auf dem Sofa zurück. „Hat es bis jetzt eine Frau geschafft, dich wirklich über einen langen Zeitraum glücklich zu machen? So, dass dir alles andere mehr oder weniger egal war?“ Nach kurzem Zögern schüttelte ich den Kopf. „Und wie nennst du das mit Yuu?“ „Das ist doch keine Beziehung!“, protestierte ich sofort. „Macht er dich glücklich?“ „Das hat doch damit nichts zu tun!“ „Wegen ihm hast du doch schon ein paar Freundinnen verloren, nicht wahr? Weil du sie wegen ihm vernachlässigt hast.“ „Das ist doch etwas vollkommen anderes!“, widersprach ich vehement. Kiyoharu lehnte sich vor und sah mir direkt in die Augen. „Und was?“ Ich schwieg. „So, wie ich das sehe, spielen Frauen in deinem Leben eher eine untergeordnete Rolle“, fuhr er leise fort, ohne mich aus den Augen zu lassen. „Wenn ich es so ausdrücken darf – sie berühren deinen Körper, aber nicht deinen Geist. Das schaffen nur Männer. Hab ich Recht?“ „Nein“, entgegnete ich kopfschüttelnd. „Bis du mir das Gegenteil bewiesen hast.“ „Du hast Kirito geküsst, als du betrunken warst.“ „Das hätten viele gemacht.“ Jetzt lief ich rot an. „Wirklich?“ „Wenn sie in meiner Situation gewesen wären, ja!“ Er lächelte leicht. „Nur kommen die meisten nicht in deine Situation, weil sie Unterstellungen dieser Art meistens als Schwachsinn abtun. Im Gegensatz zu dir.“ „Aber trotzdem, wenn man auch nur von Schwulen umgeben ist...“ „Ich bin mir sicher, dass Yasu seine Orientierung nicht eine Sekunde in Frage gestellt hat. Und geküsst hat er auch noch niemanden, obwohl er ziemlich oft mit Schwulen betrunken um die Häuser gezogen ist. ER ist sich 100-prozentig sicher, dass er auf Frauen steht.“ Mir gingen langsam die Argumente aus. Ich starrte auf den Boden. „Kiyoharu, ich glaube nicht, dass ich schwul bin“, murmelte ich. „Du solltest jetzt zwischen ‚ich glaube nicht’ und ‚ich will nicht glauben’ unterscheiden“, gab er zurück, stand auf und ließ sich neben mich auf das Badezimmerteppichsofa sinken, legte mir einen Arm um die Schultern. „Das mag für dich zwar schwer sein, aber ich würde noch einmal versuchen, objektiv auf die Sache zu schauen. Stell dir doch mal vor, dass du mit einem Mann zusammen wärst, wie du dich dabei fühlen würdest, ob du wohl mit einem Mann schlafen könntest. Versuch es wenigstens. Und wenn dir das überhaupt nicht zusagt, dann erst kannst du dir sicher sein. Und wenn doch, dann probier es doch einfach mal aus. Gib der Möglichkeit wenigstens eine Chance, ja?“ Ich starrte weiterhin auf den Boden und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Vorgestern war doch alles noch in perfekter Ordnung gewesen, und jetzt... jetzt warf Kiyoharu mein Weltbild um und schlug mir vor, ein neues zu kaufen. Sehr schön. Ich kniff die Augen zusammen. „Gara?“, fragte er sachte und drückte mich etwas an sich. Als ich mein Gesicht an seinem Hals vergrub, zog er mich in seine Arme und begann, über meinen Rücken zu streichen. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll“, flüsterte ich hilflos. „In der einen Woche bin ich noch davon überzeugt, dann kommt plötzlich jemand und erzählt mir was, daraufhin muss ich meine gesamte Existenz in Frage stellen, dann hab ich mich endlich wieder beruhigt, und dann wird mein Weltbild zerstört... Kiyoharu, was soll ich denken?“ „Das kann ich dir am allerwenigsten sagen“, erwiderte er und streichelte mir über die Haare. „Das musst du für dich selbst herausfinden, aber-“ „Toll, und jetzt bin ich wieder auf mich allein gestellt?“ „Lass mich ausreden“, meinte er ruhig. „Ich wollte sagen, dass du zwar selbst entscheiden musst, was du denken willst und was du als richtig annimmst, aber trotzdem bist du nicht alleine. Du hast genügend Personen um dich herum, die dich auffangen würden, falls du fällst. Du hast immer jemanden hinter dir stehen. Darauf kannst du dich verlassen.“ „...Auch du?“, wisperte ich. „Würdest du mich auch auffangen?“ „Ich wäre derjenige, der dich nicht nur auffangen, sondern der dich auch notfalls zum Ziel tragen würde. Das weißt du doch“, antwortete Kiyoharu und seine Stimme klang so sanft, dass ich am liebsten jeden Moment in Tränen ausgebrochen wäre und ihm gesagt hätte, wie viel er mir bedeutete und wie dankbar ich war, dass ich ihn hatte, und dass ich ihn nicht verdient hatte und dass er toll war und... ...und dann sagte er zwei Worte, die mich in den nächsten Wochen nicht wieder loslassen würden, zwei Worte, so bedeutungsschwer, dass ich sie keine Sekunde aus meinem Kopf bekam: „Vertrau mir.“ Und ich konnte mich nur an ihn klammern und mich bei ihm bedanken, für alles, was er bis dahin für mich getan hatte, und ich wusste, dass ich ihm vertrauen würde. Bis ans Ende meines Lebens. ~☆~ Gerade, als ich das Gebäude betreten wollte, rannte ich direkt in Kirito rein. Ich entschuldigte mich schnell und begrüßte ihn dann erst einmal. Er winkte nur ab. „Ich hab mich damit abgefunden, dass du verpeilt bist. Ich hoffe, du kannst Eis laufen?“ Ich erstarrte. „Ich kann WAS?!“ Kirito musste über mein fassungsloses Gesicht lachen. „Schlittschuh fahren, weißt du, da zieht man sich Schuhe mit Kufen unten dran an und fährt-“ „Schon klar, schon klar, aber... WAS?!?“, meinte ich ungläubig. „Das hier ist eine Eishalle??“ Er grinste breit. „Klar, steht auch dran.“ Er deutete nach oben. Tatsache. Es stand fett oben drüber. Allerdings hatte ich gedacht, dass Kiyoharu in irgendeinem exklusiven Laden mit uns Eis essen gehen wollen würde und mich schon darüber gewundert, warum das Gebäude dann so glanzlos wirkte. „Und... die anderen sind schon drin?“ Kirito nickte. „Zumindest die anderen JUNGEN. Weißt du, Kiyoharu feiert seinen Geburtstag immer zwei Mal – einmal mit uns, den Jungen, beziehungsweise mit uns Models, weil die Models meistens die jüngsten in seinen Bekanntenkreis sind, und einmal mit den Alten. Mit uns macht er irgendwelche lustigen Sachen wie eine Art Schnitzeljagd durch ganz Tokyo oder Schwimmen gehen oder so was, und mit den anderen geht er schick essen. Hätte ich dir vielleicht vorher sagen sollen.“ „Ja, hättest du“, beschwerte ich mich. „Ich KANN nicht Schlittschuh laufen!“ „Dann lernst du’s eben.“ Ich drehte mich zu der Stimme um und schenkte Kiyoharu ein Lächeln, ehe ich ihn an mich drückte. „Alles Gute zum Geburtstag!“, wünschte ich ihm. „Danke“, erwiderte er und zwinkerte mir zu. „Und wegen dem Eislaufen musst du dir keine Sorgen machen, die anderen bringen es dir gerne bei.“ „Das heißt, die anderen KÖNNEN es alle?!“, fragte ich entgeistert. Jetzt lachten Kirito und Kiyoharu beide. „Diese verdammten Schuhe sind verdammt unbequem“, beschwerte ich mich leise, während ich zur Eisfläche stiefelte. „Und was, wenn ich mir irgendetwas breche und dich dann verklage? Dann bist du nämlich schuld, weil du mich eingeladen hast, so! Ich werde mich blamieren, Kiyo, ich sehe es schon vor mir, in zwei Sekunden liege ich da auf dem Eis und alle lachen mich aus!“ „Ach, sei ruhig“, grinste Kiyoharu und betrat vor mir das Eis. „Komm, ist eigentlich gar nicht so schwer.“ Ganz vorsichtig setzte ich den ersten Fuß auf die Eisfläche, und dann den anderen. Die Tatsache, dass ich auf zwei ZIEMLICH schmalen Kufen stand, erhöhte mein Selbstbewusstsein nicht sonderlich. „Gara!“, hörte ich vor mir eine Stimme und ich sah gerade noch, wie Yasu angefahren kam, ehe ich die Augen zusammenkniff und mich auf den Aufprall vorbereitete – allerdings kam er nicht, offenbar hatte Yasu vor mir abgebremst. Nur war mein Gleichgewichtssinn mit geschlossenen Augen nicht gerade der Beste, weshalb ich auf der Stelle ausrutschte und mich an allem festhielt, was gerade greifbar war. Klartext: Ich krallte mich in Kiyoharus und in Yasus Jacke, woraufhin die beiden mich sofort fest hielten, damit ich stehen blieb. Nach etwa fünfzehn Sekunden konnte ich wieder gerade stehen, ohne Angst zu haben, gleich auf dem Boden (Verzeihung: dem Eis) zu liegen. Kiyoharu, Kirito und Yasu grinsten mich an. „Das ist nicht lustig!“, maulte ich. „Nein, aber niedlich. Komm her“, meinte Yasu sichtlich erheitert, legte einen Arm um meine Taille und zog mich ein wenig zu sich, was zur Folge hatte, dass ich erneut das Gefühl bekam, gleich hinzufliegen und mich erneut an ihm festkrallte. „Der steht ja echt zum ersten Mal auf dem Eis“, stellte Kirito milde erstaunt fest. „Ach!! Was sag ich denn die ganze ZeiAHHH!“ Wieder suchte ich Halt an der Person neben mir, obwohl diese es war, die gerade eben ohne Vorwarnung losgefahren war und mich mitgezogen hatte. „MACH DAS NICHT NOCH MAL!!“ „Jetzt beruhig dich doch mal“, lachte Yasu. „Was Schlimmeres, als dass du dich hinlegst, kann dir nicht passieren. Halt dich an mir fest. Weißt du, wie man Inlineskates fährt? Die Bewegungen sind hier fast dieselben.“ Etwa eine halbe Stunde später (nachdem ich von den anderen anwesenden Models begrüßt und ausgelacht wurde) klappte es sogar einigermaßen. Ich stand mehr oder weniger sicher und hatte nicht mehr so panische Angst vor dem Hinfallen. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich bereits ohne Halt fahren könnte. „Willst du mal alleine fahren?“, fragte Kirito, der Yasu zwischendurch abgelöst hatte. „Nein.“ „Versuch es doch mal...“ „Ich kann das nicht!“ „Probier es doch wenigstens. Komm, wenn du diese zwanzig Meter hier auf der langen Bahn fehlerfrei fährst, dann geb ich dir gleich an der Bar was aus, okay? Egal was.“ „Jetzt werde ich auch noch bestochen...“, murmelte ich kopfschüttelnd. „Okay, ich versuch es mal. Lass mich los.“ Kirito gehorchte, und erstens wurde mir kalt (weil ich ja jetzt niemanden mehr neben mir hatte, der mich wärmte) und zweitens bemerkte ich jetzt erst, dass ich das Gleichgewicht alleine wohl DOCH nicht so gut halten konnte. Ich schwankte einen Moment, fing mich aber dann wieder und fuhr vorsichtig los. Es klappte sogar. Hey, ich FUHR! Ich kam vorwärts! Zwar wahrscheinlich mit minus 13km/h, aber zumindest war der Ansatz da! Ich begann, etwas schneller zu fahren. „Sieht doch gut aus!“, rief Kirito mir zu. Das veranlasste mich, noch etwas schneller zu laufen. Eine schlechte Entscheidung. Just in diesem Moment kreuzte nämlich jemand meine Fahrbahn – und blieb mittendrin stehen. (Beziehungsweise vor einem Grüppchen von temporären Nicht-Fahrern an der Seite, was aber trotzdem an der Stelle direkt in meiner Fahrbahn war.) Ich versuchte noch auszuweichen, aber es half alles nichts. Ich konnte nur noch ‚bitte nicht er, nein, bitte nicht ER, ER bitte nicht!’ denken, da fuhr ich auch schon direkt in ihn rein, versuchte mich noch an ihm festzuhalten, als er selbst das Gleichgewicht verlor und mit mir hinflog, weshalb wir keine Sekunde später nebeneinander auf dem Boden lagen. Scheiße. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Mich störte nicht so sehr, dass mir mein Hinterteil und meine Hände weh taten, als vielmehr die Tatsache, dass ich gerade eben Hakuei über den Haufen gefahren hatte. Ein paar der Umstehenden lachten und fragten uns, ob alles in Ordnung sei, woraufhin ich nur nickte und zu Hakuei sah. Dieser grinste gerade zu einem anderen Model herauf (ich vergaß immer, wie er hieß, obwohl er so einprägsam war mit seinen wasserstoffblonden Haaren und dem immer unschuldig wirkenden Gesicht). „Hab ich nicht gesagt, dass er heute noch einen umfährt? Hab ich’s nicht gesagt?“ Der Angesprochene verschränkte die Arme und spitzte die Lippen ein wenig, wodurch er sowohl Missbilligung und Schmollen als auch Starrköpfigkeit ausdrücken konnte, das wurde nicht ganz klar. „Aber eigentlich gilt es ja nicht, weil er ja DICH umgefahren hat, und nicht jemand anderes“, meinte er. „Hör zu, es tut mir-“, begann ich, wurde allerdings von Hakuei unterbrochen, der mir keine Aufmerksamkeit schenkte. „Wie auch immer“, sagte er nur zu dem Blonden und ließ sich von ihm wieder auf die Füße ziehen, ehe beide sich mir zuwandten. Ich war kurz davor, in Richtung Kirito zu krabbeln, um beschützt zu werden. „Und was machen wir jetzt mit dir?“, wollte der Blonde wissen und legte den Kopf schief. „Ich bin für steinigen“, antwortete Hakuei, der heute nicht ganz so aufgestylt war wie bei unserer letzten Begegnung, aber trotzdem wirkte er noch so eindrucksvoll, dass ich seinen Worten ohne Zögern Glauben schenkte. Außerdem stand er über mir, während ich auf dem Eis lag – da war er natürlich NOCH beeindruckender. „Tut mir leid“, murmelte ich kleinlaut. „Ach, sei still“, gab Hakuei zurück und streckte eine Hand aus. Zögernd ergriff ich sie und wurde mit einem Ruck hochgezogen, den ich überhaupt nicht erwartet hatte, sodass ich fast wieder das Gleichgewicht verlor und mich erneut an ihm festhalten musste. „Aber getrunken hast du noch nichts, ja?“, fragte er mich grinsend. Ich schüttelte nur sprachlos den Kopf und ließ ihn langsam wieder los. Ich konnte mir nicht vorstellen, was Hakuei von mir wollte. „Bin später wieder da, Schatz“, murmelte der gerade dem Blonden zu, zog ihn für einen kurzen Kuss an sich und schenkte mir ein Lächeln. „Dann komm.“ „Eh?“, machte ich, mit der Situation vollkommen überfordert. Irgendwie streikte mein Gehirn gerade. Hakuei war mit dem Blonden zusammen? Er war nicht sauer, obwohl ich ihn umgefahren hatte? Er lächelte mich an?? „Ich bring dir bei, wie man Schlittschuh läuft“, erwiderte Hakuei, noch immer lächelnd, ehe er nach meiner Hand griff und mich mitzog, weshalb ich erneut fast das Gleichgewicht verloren hätte. Moment maaaal... Was zur Hölle ging hier gerade vor sich? Ich träumte doch nicht, oder? „Pass bloß auf, dass er sich nichts bricht!“, rief uns der Blonde hinterher. ...Spätestens jetzt bekam ich Angst. „...und dann hat er mich einfach mitgezogen und mir gesagt, was ich machen muss, damit ich nicht umkippe.“ Ich sah Kirito an. „Ich krieg langsam echt Angst vor dem Typen, erst tut er so, als würde er mir am liebsten den Hals umdrehen, und dann so was!“ Kirito grinste breit. „So was macht er gerne. Er ist ziemlich unberechenbar. Wenn er dich am einen Tag mag, heißt das nicht, dass er es am nächsten auch noch tut. Er ist extrem... wechselhaft. Launisch noch nicht mal, aber er ändert gerne sein Weltbild, meistens von Grund auf.“ „Und ihr habt mich einfach im Stich gelassen“, meinte ich beleidigt. „Wir fanden, du seist bei Hakuei gut aufgehoben“, meldete Yasu sich zu Wort, der gerade eben aus dem Nichts aufgetaucht war und sich neben mir auf die Badezimmerteppichcouch setzte. Durch Hakueis Anweisungen hatte ich mich nach einer Stunde sogar einigermaßen annehmbar auf dem Eis bewegen können, selbst ohne Hilfe. Danach waren wir noch etwa eine Stunde geblieben und hatten uns dann zu Kiyoharus Haus chauffieren lassen (er hatte genügend Autos mit genügend Chauffeuren, von daher passte es schon), um unsere angeschlagenen Nerven zu beruhigen (sprich: ich, um meine angeschlagenen Nerven zu beruhigen, und die anderen, um erst mit Kiyoharu anzustoßen und dann anzufangen, sich mit Alkohol voll zu schütten). „Also, wenn ihr schon der Meinung seid, dass ich bei HAKUEI gut aufgehoben bin, will ich nicht wissen, was ihr meint, wenn ihr sagt ‚wir wollen doch nur dein Bestes’“, bemerkte ich leise. „Wollen wir doch auch“, bestätigte Kirito. „Ja. Immer“, nickte Yasu eifrig. Ich beschloss, das Thema zu wechseln. Die beiden verstanden sich zu gut, das konnte nur schlecht für mich ausgehen. „Wann packt er eigentlich seine Geschenke aus?“ „Nach dem Standardprogramm“, antwortete Kirito, worauf die beiden schon wieder anfingen zu lachen. „Und das wäre?“, fragte ich misstrauisch. „Ein Karaokewettkampf“, antwortete Kiyoharu, der ebenfalls aus dem Nichts aufgetaucht war und sich nun auf meiner anderen Seite niederließ. „Oh Gott!“ „Kannst du nicht singen?“, wollte er grinsend wissen. „Das nicht, aber wenn, dann mache ich es nicht so gerne öffentlich“, murmelte ich. „Ach, das ist nicht so schlimm“, winkte Yasu ab. „Hier kann sowieso über die Hälfte nicht singen. Und sie machen’s trotzdem.“ „Wer kann denn alles gut singen?“, fragte ich. „Angefangen beim Geburtstagskind selbst natürlich“, meinte Kirito lächelnd und nickte Kiyoharu zu, „die meisten bekannteren. Jui, Hakuei, Yasu natürlich, Hyde...“ „Wobei man ihn auch nicht unterschätzen sollte“, warf Yasu ein und deutete auf Kirito. „Was ist mit dem Blonden?“, wollte ich wissen und sah in die Richtung von Hakuei, der sich gerade mit seinem Schatz auf dem Schoß mit einem ziemlich großen bunthaarigen Model unterhielt. „Ähnlich wie Miyavi“, erklärte Yasu lächelnd. „Das ist der bunte daneben. Sie können beide nicht singen, tun’s aber trotzdem.“ „Vor allem Miyavi“, lachte Kirito. „Obwohl es bei ihm noch besser ist als bei Rose.“ „Rose?“, wollte ich wissen. „Der Blonde“, erläuterte Kiyoharu mit einem Lächeln. „Ich glaube, ihr seid euch noch nicht begegnet. Spielt gerne die unschuldige Jungfrau.“ „Noch nie war eine Beschreibung unzutreffender“, seufzte Yasu. „Durch und durch versaut“, nickte Kirito. „Deshalb ist er auch mit Hakuei zusammen.“ „Und wie lange schon?“, fragte ich weiter. „Gar nicht mal so lange“, gab Kiyoharu zurück und kramte nach einer Zigarette. „Ein paar Monate vielleicht.“ „Deshalb können sie auch noch nicht die Finger voneinander lassen“, stimmte Kirito ihm zu und wandte sich kurz um, um den beiden einen Blick zuzuwerfen. Jetzt war Rose am Reden, und Hakuei strich ihm über den Oberschenkel, woraufhin der Blonde andauernd seine Hand wegschieben musste. „Gibt es denn noch mehr Pärchen hier?“, wollte ich wissen, erntete aber Kopfschütteln. „Überraschenderweise nicht“, meinte Kirito. Kiyoharu nickte. „Obwohl ich auch nicht glaube, dass das zwischen den beiden lange halten wird.“ „Die fangen schon an, deine Hausbar auseinander zu nehmen“, meldete sich jemand anderes zu Wort, der sich gerade auf die Armlehne des Sofas neben Kiyoharu gesetzt hatte. Der Angesprochene grinste Hyde zu. „Solange sie gleich nicht zu betrunken zum Singen sind, ist mir alles egal.“ Hyde lächelte leicht. „Das richtig scharfe Zeug hältst du sowieso unter Verschluss, hm?“ „Richtig.“ Kiyo nickte. „Wie darf man sich einen Karaokewettkampf eigentlich vorstellen?“, wandte ich mich an Kirito und Yasu. „Zuerst wird ausgelost, wer gegen wen antritt“, begann Yasu. „Meinetwegen bist du in Gruppe A und musst gegen Rose singen. Es wird ein Lied ausgewählt, das dir vorher bekannt gegeben wird, und je nachdem, ob du den Text kennst oder nicht, kann dir entweder der Liedtext angezeigt werden oder du singst es so, wobei natürlich freies Singen besser kommt. Danach singt Rose, und hinterher wird das Publikum gefragt, wer besser war.“ „Beziehungsweise es werden drei Fragen gestellt“, mischte Kirito sich ein. „Einmal, ‚wer fand Gara besser?’, dann ‚wer fand Rose besser?’ und dann ‚wer fand, dass beide furchtbar waren?’. Wenn sie sich alle beim ersten Fall melden, kommst du weiter, beim zweiten Rose und beim dritten fliegt ihr beide raus. Fertig.“ Er grinste. „Und dann geht es nach dem K.O.-Prinzip weiter“, fuhr Yasu fort. „Wobei die meisten – außer mir, Kirito und Hakuei natürlich – in der dritten Runde rausfliegen.“ „Warum das denn?“, wollte ich irritiert wissen. „Die dritte Runde ist verhasst wie sonst was“, grinste Kirito. „Sie heißt Lady’s Round, das heißt, es werden nur Lieder ausgewählt, in denen eine Frau singt.“ „Und zwar HOCH singt. EXTREM hoch“, betonte Yasu. „Da können diejenigen mit einer tiefen Stimme nicht mithalten.“ Gut, da hatte Yasu wahrscheinlich wirklich keine Probleme. Aber Hakuei? „Hört sich ja lustig an. Und wer gewinnt meistens?“ „Hängt davon ab, wie das Publikum drauf ist“, meinte Kirito schulterzuckend. „Meistens Kiyoharu, weil er wirklich gut singen kann, fast alle Lieder kennt und einfach weil es sein Geburtstag und er so beliebt ist.“ Dass Kiyoharu beliebt war, sah man allein schon an der Gästeanzahl. Er hatte nur mit ihm befreundete Models eingeladen, und das waren allein schon über vierzig. Und dann feierte er ja noch ein zweites Mal. Und selbst wenn so viele Leute da waren, schaffte er es, irgendwie ein Gleichgewicht herzustellen, was Aufmerksamkeit von ihm anging. Denjenigen, die sich einbildeten, über den anderen zu stehen, gab er das Gefühl, dass er sich mehr um sie kümmerte, und diejenigen, die den Eindruck hatten, dass er sie nicht wirklich mochte, beehrte er so lange mit seiner Aufmerksamkeit, dass sie nichts gegen ihn sagen konnten. Wann immer man ihn brauchte, war er sofort zur Stelle – er vernachlässigte nicht einen Gast. Ich fand das bemerkenswert. Als ich Kirito darauf ansprach, lautete seine Antwort: ‚So ist er eben.’ Und so war er auch. Das Karaokesingen machte wirklich Spaß, das musste ich zugeben. Es sangen einige, bei denen ich am liebsten rausgegangen wäre, aber die wurden durch diejenigen ausgeglichen, die es wirklich konnten. Ich hatte die meisten ja noch nie singen hören, deshalb war es schon ein Erlebnis. Yasus Stimme war beim Singen – falls das ging – noch höher als sowieso schon, und selbst Kirito und Hakuei sangen ein wenig höher, als sie sprachen. Hyde dagegen hatte einen wohlklingenden Bass (Obwohl er so klein war! Ich wusste auch nicht, wie das zusammenhing, aber es wirkte seltsam, wie der feminine Zwerg so tief sang) und Jui eine sehr klare Stimme, die eher zu einer Visual-Kei-Band gepasst hätte. Und dann kam Kiyoharu an die Reihe. Also, er hatte ja so schon eine angenehme Stimme, aber beim Singen... am Anfang war es ungewohnt, sehr ungewohnt, ich hatte bis jetzt noch niemanden so singen hören. Er sang ebenfalls sehr klar, aber bei ihm bekam man den Eindruck, dass ihm das Singen nicht nur keine Mühe bereitete, sondern dass er es jede Sekunde genoss. Und wenn er das nicht tat, dann war er ein verdammt guter Schauspieler. Ich sah ihm unheimlich gerne beim Singen zu. Als ich dann schließlich gegen Kiyoharu sang, hatte ich keine Chance. Erstens fand ich sowieso, dass er besser singen konnte als ich, zweitens kannte er sein Lied und ich meins nicht, drittens war er sowieso beliebter und bekannter als ich. Im Finale sangen Kiyoharu und Hakuei gegeneinander, wobei Kiyoharu ganz knapp gewann. Auch, wenn es keine Überraschung war, ich fand es gerechtfertigt. Der Rest des Abends verlief relativ ereignislos im Hinblick auf das, was noch kommen würde. Ich hatte zu dem Zeitpunkt natürlich noch keine Ahnung davon, und so durchlebte ich in den nächsten Stunden immer wieder kleinere Höhe- und Tiefpunkte: Ich unterhielt mich das erste Mal etwas länger mit Jui, merkte, dass er wirklich unheimlich nett war, und tauschte gleich Telefonnummern mit ihm aus. Ich bemerkte das erste Mal, was für ein Tollpatsch er war, als er erst von der Couch fiel, auf der er gesessen hatte, und dann noch in eine Personen hineinrannte, sich bei ihr entschuldigte und dabei weiterging, weshalb er in den nächsten hineinrannte, sich wieder weitergehend entschuldigte, dabei den nächsten erwischte... und so weiter. Es war wirklich unheimlich süß. Ich unterhielt mich das erste Mal etwas länger mit Hakuei und Rose beziehungsweise eher nur Hakuei und musste feststellen, dass Rose ein naiver, verwöhnter Schönling war, Hakuei dagegen nicht viel unsympathischer als Jui. Wirklich, wenn er einem eine Chance gab, ihn von seiner guten Seite zu sehen, dann fand ich ihn sogar noch ansprechender als Jui. Er brachte mich zum Lachen, lachte selbst, diskutierte mit mir über einige Sachen (und sah sogar ein, dass er Unrecht hatte, wenn er Unrecht hatte), feilte ein wenig an meinem Weltbild herum, gab mir Tipps für alles und hörte mir zu, wenn ich was zu sagen hatte. Ich konnte mit ihm offener sprechen als mit Jui, was mich überraschte. Während ich mich mit ihm unterhielt, fühlte Rose sich offenbar nicht gezwungen, an der Konversation teilzuhaben, weshalb er entweder mit jemand anderem redete, herumtigerte, irgendwo an Hakuei herumknabberte oder sich betrank. (Hauptsächlich die letzten beiden Sachen.) Ich bemerkte zum ersten Mal, dass es unheimlich heiß aussah, wenn zwei Kerle miteinander rumknutschten. ... Ich weiß, dass das jetzt ein wenig komisch klingt, aber ich konnte mich nur mühsam von dem Anblick von Hakuei und Rose losreißen, wenn die beiden richtig zugange waren. Mehrmals ertappte ich mich dabei, wie ich mir wünschte, entweder an Hakueis oder Roses Stelle zu sein – selbst wenn ich Rose nicht mochte, war er doch ziemlich hübsch. Ich unterhielt mich zum ersten Mal etwas länger mit Hyde. Nein, ehrlich. Ich fand ihn jetzt nicht übermäßig nett, aber unhöflich wollte ich ja auch nicht sein. Er hatte mich bei irgendetwas angesprochen, ich hatte geantwortet und wir waren ins Gespräch bekommen. Je länger wir redeten, desto mehr verfestigte sich bei mir der Eindruck, dass mich der Typ nicht abkonnte. Aber egal – was interessierte es mich? Ich hatte Kiyoharu, da musste Hyde mich nicht mögen. Und dann bemerkte ich zum wiederholten Mal, wie froh ich eigentlich war, Kiyoharu zu haben. Obwohl von ‚haben’ natürlich nicht die Rede sein konnte. Er war so ein Multitalent, dass man glücklich sein konnte, wenn man ihm auch nur eine Stunde bei der Arbeit zusehen durfte. Er reichte wirklich extrem nah an den Begriff ‚perfekt’ heran. Kurze Zusammenfassung: Ich mochte Rose und Hyde nicht, dafür Jui, Hakuei, Kirito, Yasu und Kiyoharu umso mehr, wobei ich Hakuei nicht verstand. Ach ja, und ich schien doch schwul zu sein. Ich hatte Kiyoharus Rat befolgt und noch einmal ausführlich über meine Situation nachgedacht, ich hatte versucht, mich daran zu erinnern, wie es gewesen war, Kirito zu küssen, ich hatte mir vorgestellt, wie es wäre, mit einem Mann zusammen zu sein. Und was war dabei herausgekommen? Ganz einfach: Ich war in Kiyo verknallt. So einfach war es. ...Es hatte eine Woche gedauert, bis ich diese Tatsache akzeptieren konnte. Aber es war so. In seiner Gegenwart fühlte ich mich immer anders, als wenn ich zum Beispiel bei Kirito war, ich fühlte mich wohler, ich konnte mich mehr entspannen, ich konnte offener reden. Ich bewunderte und respektierte ihn für das, was er war, und für das, was er tat, ich genoss seine Berührungen und unser Zusammensein. An dem einen Tag auf dem Tokyo Tower, als wir so nah beieinander gestanden waren, hätte ich mich am liebsten an ihn geklammert und nie wieder losgelassen. Ich wollte ihn berühren können, ihn küssen, von ihm geküsst und berührt werden. Ich war bis über beide Ohren in ihn verschossen. Das Problem war nur: Er war mein Chef. Und er war perfekt. So jemand wie er würde mich doch ohnehin nicht haben wollen. Und darüber hinaus wusste ich noch nicht einmal hundertprozentig, ob er schwul war oder nicht. Und an diesem Abend hatte ich einen Entschluss gefasst: Ich würde ihm sagen, was ich fühlte. Ich würde es ihm gestehen, und wenn er mich dann nicht wollte, dann würde ich um ihn kämpfen, dann würde ich ihm beweisen, dass ich es wert war, mit ihm zusammen zu sein. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich richtig verknallt. „Also ich fand’s geil“, meinte Kirito. „Wie jedes Jahr“, gab Yasu zurück. „Ich fand das alles lustig“, mischte ich mich ein. „An solche ausgefallenen Sachen wirst du dich gewöhnen“, nickte Kirito. „Kiyo macht so was ständig, warte nur mal ab bis Weihnachten, er gibt hoffentlich wieder eine Weihnachtsparty, da wird wahrscheinlich Wahrheit oder Pflicht gespielt oder so was.“ „DAS ist immer amüsant“, stimmte Yasu breit grinsend zu. „Wobei IHR ja so versaut geworden seid, dafür konnte er überhaupt nichts!“ „Hey, wir waren alleine unter uns, da dürfen wir das doch wohl, oder nicht?“, rechtfertigte Kirito sich lächelnd. „Was macht er denn an Weihnachten Tolles?“, wollte ich wissen und nickte dem Wachmann zu, der am Tor stand. Gerade gingen wir den Weg von Kiyoharus Haus hinunter Richtung Straße. Wir waren unter den letzten gewesen, und da wir so langsam fortkamen (ich rechts, Yasu links und Kirito von uns gestützt in der Mitte, er hatte ein bisschen viel getrunken, wobei sich das bei ihm nur auf die Motorik, nicht aber auf seinen Geisteszustand auswirkte), waren alle anderen schon an uns vorbei. „Unterschiedlich“, antwortete Yasu. „Rätsel sind immer dabei, und derjenige, der es zuerst löst, kriegt irgendwas geschenkt.“ „Rose hat letztes Jahr ein riesiges rosa Plüschschaf gekriegt“, kicherte Kirito. „Du hättest sein GESICHT sehen sollen!“ „Aber kein Karaoke?“, fragte ich. „Nein, normalerweise nicht.“ Ohne jeglichen ersichtlichen Grund begann Kirito zu lachen und kriegte sich nicht mehr ein, sodass wir ihn auf den Bordstein setzten, weil wir sonst alle hingefallen wären. „Was ist?“, wollte Yasu wissen. „Ich... hab mich nur an Garas Gesichtsausdruck erinnert, als er sein Lied für die dritte Runde gesehen hat“, japste der Angesprochene. Jetzt mussten wir alle lachen. „Genau, du kriegst gezeigt, was du singen musst, und dein erster Kommentar: ‚SCHEIßE.’“, machte Yasu mich nach. „Was denn?“, fragte ich lachend. „Hey, ich hab da nur ‚Kana’ gelesen, da war’s für mich schon vorbei!“ „Aber du hast es ganz gut hingekriegt“, grinste Yasu. „Zumindest die nicht GANZ so hohen Töne.“ „Kleiner?“, meinte Kirito und zupfte an meinem Shirt. „Hattest du nicht noch eine Jacke...?“ „Mist, verdammt! Die hab ich liegen lassen. Uhm... ihr könnt ruhig schon mal fahren, ich lass mir ein eigenes Taxi kommen, das ist nicht so teuer für euch.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Danke, Kirito. Wir sehen uns dann wahrscheinlich am Montag, oder?“ Ich verabschiedete mich schnell von den beiden und wollte dann zurück zu Kiyoharus Haus rennen, nur machten meine Beine da nicht mit, weshalb ich mich eher zurück schleppte. Kiyoharu öffnete sofort, als ich klingelte, und lächelte mich an. „Was vergessen?“ Ich nickte, das Lächeln erwidernd. „Ja, meine Jacke, tut mir leid...“ „Och, nicht so schlimm, es ist doch eh erst zwei Uhr morgens“, gab er grinsend zurück, während ich das Haus betrat. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie an der Garderobe aufgehängt habe“, meinte ich irritiert, konnte sie aber nirgendwo entdecken. „Vielleicht hast du sie im Wohnzimmer“, schlug Kiyoharu vor und ging schon mal vor, während ich ihm folgte. „Wie hat dir der Tag eigentlich gefallen?“, fragte er dann und sah mich an. Ich musste grinsen. „Also ich fand es lustig, ganz ehrlich. Es hat mich beeindruckt, wie locker alle miteinander umgegangen sind...“ „Das kommt mit der Zeit auch bei dir“, nickte er. „Du musst dich da nur einfinden, dann fühlst du dich wie zuhause. Und ich verspreche dir, es dauert nicht allzu lange, bis sie dich vollkommen akzeptiert haben.“ Er begann, durch das Zimmer zu streifen und sich nach meiner Jacke umzusehen. „Wie sieht sie denn aus?“ „Schwarz“, antwortete ich. „Diese Präzision...“, murmelte Kiyoharu und lächelte, um mir zu zeigen, dass er es nicht böse meinte. „Aber es freut mich, dass es dir gefallen hat.“ „Ich hab ja schon gehört, dass mich an Weihnachten was ähnliches erwartet“, bemerkte ich und kniete mich auf den Boden, um unter die Tische zu schauen. (Ja, Plural. Kiyoharu hatte ungefähr vier Tische in seinem Wohnzimmer. ... Fragt mich BITTE nicht, warum.) „Nur schlimmer“, stimmte er mir zu. „Da wird das alles ein wenig feuchtfröhlicher. Was die sich da teilweise leisten, ist schon bemerkenswert. Die trinken sich gegenseitig unter den Tisch, das glaubst du nicht. Und am Ende sind alle sturzbesoffen eingeschlafen und ich hab den Salat. Deshalb veranstalte ich so was generell nur aushäusig, dann hab ich nämlich keinen Ärger.“ Er grinste. „Da muss ich meistens sogar kein Programm machen, das Problem lösen sie schon selbst.“ „Glaub ich.“ Bei der Vorstellung musste ich ebenfalls grinsen. Dann sah ich etwas Schwarzes irgendwo in einer Ecke liegen. „Hey, ich hab sie gefunden!“ Ich hob die Jacke auf und runzelte die Stirn. „Obwohl... das ist nicht meine. Gehört die dir?“ Ich sah Kiyo an. Der schüttelte den Kopf und kam zu mir herüber. „Ich glaube, das ist Hakueis. Dann hat er wahrscheinlich deine mitgenommen.“ Er schnupperte kurz an der Jacke. „Ja, das ist seine.“ „Riecht sie nach ihm?“ „Nein, nach Rose.“ Ich grinste wieder. „Gut, alles klar. Dann nehm ich die jetzt einfach mit und tausch sie dann am Montag mit ihm.“ Kiyoharu nickte und lächelte wieder. Er stand jetzt vor mir und ich konnte ihm direkt in die Augen schauen. „Schön, dass du da warst“, sagte er leise. „Hätte es denn so einen Unterschied gemacht, ob einer mehr oder einer weniger da gewesen wäre?“, fragte ich zurück und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „Theoretisch natürlich nicht“, murmelte er, meinen Blick erwidernd. Und dann wanderten seine Augen ein wenig tiefer, sie glitten über mein Gesicht, bis sie meine Lippen erreichten. Ich konnte kaum richtig atmen, mein Herzschlag verschnellerte sich unter seinem Blick... „Praktisch auf jeden Fall“, flüsterte er noch, dann sagte er nichts mehr, und selbst wenn, dann hätte mein Gehirn es nicht mehr aufnehmen können, denn jetzt legte er ganz langsam seine Arme um meine Taille und zog mich etwas an sich, und ich schlang meine Arme um seinen Nacken, wie in Zeitlupe. Und dann suchten seine Augen noch kurz meine eigenen, und als ich sie schloss, konnte ich auch schon seine Lippen auf meinen spüren. Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Ich gab ein leises Seufzen von mir, schmiegte mich dichter an seinen schlanken Körper und ließ zu, dass er die Überhand unseres Kusses gewann. Er bewegte seine Lippen gegen meine, und als ich diese mehr als willig öffnete, begann seine Zunge, meinen Mund zu erkunden. Erst, als sie offenbar genug hatte, kümmerte sie sich um meine eigene, es entstand ein liebevolles Zungenspiel zwischen uns, während Kiyos Arme so weit ihre Umarmung lösten, dass seine Hände an meinen beiden Seiten unter mein Hemd schlüpfen konnten und dort ebenfalls eine Erkundungstour starteten, was ich mit einem wohligen Schnurren quittierte. Es war wie im Himmel. Es war einfach alles perfekt. Es hatte zwischen uns geknistert, und dann erst, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nichts Falsches tat, hatte er mich geküsst, und er war nicht zu aufdringlich und nicht zu zurückhaltend, er war nicht zu zärtlich und er war nicht zu leidenschaftlich. Ich schwebte auf Wolke Sieben. Ich hätte am liebsten dafür gesorgt, dass dieser Moment für immer anhielt. Natürlich, es war neu, es war ungewohnt und ich musste mich erst einmal daran anpassen, aber ich genoss es trotzdem. Doch der Kuss war viel zu schnell vorbei. Kiyoharu löste sich wieder von mir, knabberte noch kurz an meiner Unterlippe und schaute mir dann wieder in die Augen – fragend, beinahe unsicher, neugierig. „Das wollte ich schon ein bisschen länger mal machen“, murmelte ich und lächelte leicht. Er erwiderte das Lächeln. „Ich auch, das kannst du mir glauben.“ Seine Hände fuhren hauchzart über meinen Bauch, was mich erschaudern ließ. „Du bist so schön...“, meinte er mit einem fast schon bewundernden Unterton. Und dann küsste er mich gleich noch mal. Und für diese Nacht blieben es nicht die einzigen Küsse. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ die beiden tun’s noch nicht, werdet nicht wieder panisch xD Komments are teh love *________* mich interessiert wirklich, was ihr hiervon haltet *-* Glamour #2 ---------- Rating: R A/N: OMG ich mag meine Kiyo-Kapitel nicht, zumindest das hier und das erste nicht ._. aber das nächste wird TOLL *________* Beta’d: von der unübertreffbaren, anspruchsvollen und deshalb unheimlich guten Tattoo *-* (*schleim* |D) Disclaimer: O___o Wow, ich hab nichts verwendet, das nicht mir gehört |D POV: Kiyoharu ~★~☆~★~☆~★~ „Gara...“, wisperte ich leise und berührte seine Wange vorsichtig. Seine Haut war so weich, warum fiel mir das erst jetzt auf? Und er sah so niedlich aus beim Schlafen... Ich musste lächeln und betrachtete ihn eine Weile. Unwillkürlich dachte ich an den vorigen Abend – war es nicht Zufall, dass ausgerechnet an meinem Geburtstag...? Just in diesem Moment schlug er die Augen auf und streckte sich erst einmal ausgiebig. Er erinnerte mich mehr denn je an eine Katze, die Bewegungen geschmeidig, die Haare zerzaust und halb im Gesicht hängend... Zum Anbeißen. „Guten Morgen“, sagte ich sanft und musste lächeln, als er zusammenzuckte und mich ungläubig ansah. Man konnte ihm beinahe beim Denken zusehen, als er versuchte, sein Gedächtnis wieder aufzufrischen. Helfen wir ihm doch mal ein bisschen. Ich beugte mich etwas zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf den Mund, streichelte ihm dann über die Wange. „Morgen“, murmelte er, noch immer ein wenig perplex wirkend. „Wir, uhm... haben wir gestern noch irgendwas...?“ Ich hob die Augenbrauen. „Setz dich mal auf.“ Er tat wie geheißen und verzog keine Miene. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht.“ „Was habt ihr alle mit dem Hinsetzen?“, wollte er irritiert wissen. „Das hat Kirito auch gesagt!“ „Ich zeig es dir beizeiten“, erwiderte ich lächelnd und musste grinsen, als er leicht rot anlief. „Nein, wir haben nicht mehr gemacht, das wäre aber auch ein wenig stürmisch für den Anfang...“ Er nickte leicht und schaute mich dann unsicher an. „Aber... du bereust es auch nicht?“, wollte er vorsichtig wissen. Noch immer lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Das Einzige, was ich bereue, ist, dass ich dich nicht schon früher geküsst habe.“ Jetzt senkte er seinen Blick wieder. „Also... bleibt es nicht dabei...?“ „Gara“, begann ich und schwieg so lange, bis er mich wieder ansah. „Glaubst du, dass ich der Typ dafür bin, jemanden zu küssen, der mir nichts bedeutet?“, wollte ich ruhig wissen. Er schüttelte langsam den Kopf. „Ich mag dich, Gara. Mehr als das. Ich weiß nicht genau, was ich für dich fühle, aber es ist auf jeden Fall... stark. Nenn es Anziehung, nenn es Faszination, nenn es, wie du willst. Aber wenn es nach mir geht, dann bleibt es ganz sicher nicht bei ein paar Küssen...“ Er schwieg einen Moment und schien über meine Worte nachzudenken. „Entschuldige“, meinte ich dann und schüttelte den Kopf über mich selbst. „Mit so was sollte ich dir nicht früh morgens kommen... Verzeih.“ „Nein, es... es ist okay“, nickte er und lächelte kurz. „Ich... krieg das nur alles gerade nicht so ganz in meinen Kopf rein... Weißt du, ich habe erst vor ungefähr einer Woche akzeptiert, dass ich an dir Interesse habe, und gestern Abend hab ich beschlossen, dass ich dir das überhaupt sagen wollte, und dann...“ Ich strich ihm kurz über die Wange und nickte lächelnd. „Weißt du was? Ich muss gleich sowieso gehen, was hältst du davon, wenn du in der Zeit, in der ich bei dem Interview bin, erst einmal in Ruhe über das Ganze nachdenkst und wir uns hinterher noch einmal sprechen?“, schlug ich vor. „Ich... muss mich selbst sowieso auch erst einmal ordnen.“ Gara runzelte leicht die Stirn. „DU musst dich ordnen?“, fragte er nach. Ich nickte. „Das ist schwer vorstellbar, du wirkst immer so... ruhig.“ Wieder musste ich lächeln. „Tu ich das?“ Er nickte eifrig. „Und wie, ich glaube, ich habe dich noch niemals erlebt, wenn du dich aufgeregt hast. Bist du eigentlich jemals im Leben richtig ausgeflippt?“ Da musste ich ernsthaft überlegen. Mir fiel keine Situation mit meiner Familie ein, keine mit meinen Freunden und Bekannten, selbst keine bei meinen Feinden. Obwohl... Ich senkte den Blick. „Doch, ein einziges Mal“, murmelte ich leise. Und da richtig. Und wie. „So richtig mit rumschreien und Sachen zerschlagen?“, wollte Gara ungläubig wissen. Ich nickte langsam. Ich hatte den Fernseher aus dem Fenster geworfen, das wusste ich noch. Einen unheimlich teuren noch dazu. Er merkte offenbar, dass ich mich nicht gerne daran erinnerte, denn er kam zurück auf das Thema, das ich angesprochen hatte. „Uhm... was das hier angeht, würde ich sagen, dass es wirklich besser ist, wenn ich... noch mal nachdenke.“ Er nickte langsam, ein wenig abwesend wirkend. „Wann musst du denn gehen?“ Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. „In fünf Minuten. Wenn du möchtest, kannst du die paar Stunden, in denen ich weg bin, ruhig hier bleiben. Du kannst dir Frühstück machen, duschen gehen, fühl dich wie zuhause, du weißt ja, wo alles ist. Ja?“ Gara nickte erneut, dieses Mal lächelnd. „Okay. Ich warte hier auf dich.“ „Danke.“ Ich erwiderte sein Lächeln und streichelte über seine Wange. Er war wirklich außerordentlich hübsch... Und ehe ich es selbst merkte, hatte ich mich schon zu ihm gebeugt und kostete erneut von seinen Lippen. Ich bekam einfach nicht genug davon. Und er anscheinend auch nicht, denn jetzt legte er seine Arme um meine Taille, seufzte einmal leise und offensichtlich wohlig auf und öffnete die Lippen, ohne, dass ich darum bitten musste. Das kam mir nur entgegen, denn so bekam ich noch mehr von ihm zu spüren, konnte seinen Mund erneut erkunden und durfte wieder feststellen, dass er gut küssen konnte. Unheimlich gut sogar. Ich verlor mich in dem Kuss und bekam fast nichts mehr von meiner Umwelt mit, bis Gara sich irgendwann in mein Hemd krallte und ein leises Geräusch von sich gab. Da fiel mir auf, dass er wahrscheinlich keine Luft mehr bekam, und ließ umgehend von ihm ab. Er schnappte sofort nach Luft, was mich entschuldigend lächeln ließ. „Tut mir leid...“ Er schüttelte auf der Stelle den Kopf. „Kein Problem“, entgegnete er ebenfalls lächelnd. „Ich... sollte dann mal gehen“, bemerkte ich und hauchte ihm noch einen Kuss auf die Schläfe, ehe ich aufstand. Hinterher konnte ich mich gar nicht mehr beherrschen... „Bis später.“ Gara nickte, noch immer lächelnd. „Bis dann.“ Beim Rausgehen fiel mir auf, wie glücklich er ausgesehen hatte. Das brachte mich zum Lächeln. Ich war wohl wirklich der erste Mann, an dem er Interesse zeigte... Es war so süß. ER war total süß... ~★~ „Meinst du nicht, dass sich einige Leute fragen werden, warum ich regelmäßig auf deinen beiden Geburtstagsfeiern bin?“, murmelte Hyde mir zu, während er seinen Blick missbilligend über die versammelte Gemeinschaft schweifen ließ. Fast jeder trug einen Anzug, fühlte sich unheimlich wichtig und war insgeheim froh, dass er hier sein durfte. Dabei vergaßen sie ständig, dass es nur eine Dreifaltigkeit geben konnte – Miya, Hyde und mich. Viele wollten einen unserer drei Posten, aber da würden sie wohl lange warten können. Ich zuckte mit den Schultern. „Sollen sie nicht sich fragen, sondern dich oder mich. Aber es ist doch auch logisch, oder nicht? Immerhin bist du so was wie mein bester Freund, und du kannst vom Aussehen her zu den Models gezählt werden, bist aber eine der drei wichtigsten Personen. Natürlich musst du auf beiden Feiern sein. Wenn Miya nicht so seriös wäre, dann würde er auch auf beiden Feiern sein.“ „Wenn du meinst...“ Er seufzte und schenkte seinem Sektglas ein wenig Aufmerksamkeit, ehe er mich wieder ansah. „Und? Wie läuft’s mit dem Straßenköter?“ „Hyde, bitte nenn ihn nicht so“, sagte ich leise. „Warum nicht? Er ist doch einer, oder nicht?“, erwiderte er gereizt. „Ich weiß nicht, was du an ihm findest. Er ist noch dünner als Sellerie, sucht sich seine Freunde nach seltsamen Kriterien aus und fühlt sich ungemein hübsch, obwohl er es nicht IST!“ „Und ich weiß nicht, was du gegen ihn hast“, gab ich ruhig zurück. „Er sucht sich Freunde, die zu ihm halten und auf die er sich verlassen kann, er ist nicht dünner als manch anderes Model auch, es gibt sehr viele, die ihn als überdurchschnittlich hübsch bis sexy bezeichnen würden, außerdem ist er selbstbewusst, ironisch, verantwortungsvoll und ein kleines bisschen naiv, sodass es noch niedlich ist.“ „Wenn ich dich so reden höre, wird mir schlecht“, knurrte Hyde schlecht gelaunt. „Bist du eifersüchtig auf ihn?“, fragte ich milde erstaunt zurück. „Jetzt tu nicht so!“, fauchte er und funkelte mich an. „Du kriegst doch noch nicht einmal mit, wie sehr du mir mit diesem ganzen Scheiß wehtust! Obwohl – vielleicht kriegst du es mit, aber dann ist es dir vollkommen EGAL! Du sagst mir immer, ich soll deine Models nicht so behandeln, aber was anderes bleibt mir doch gar nicht übrig!“ „Hyde“, begann ich sanft. „Hör mir zu. Bitte. Ich schätze und respektiere dich als mein Freund, ich bin froh, dass ich dich habe, und ich danke dir dafür, dass du immer zu mir gehalten und mich nie allein gelassen hast.“ Er machte ein ‚pff!’ und sah sich weiter im Raum um. „Trotzdem möchte ich dich bitten, dass du dich denen, die mir wichtig sind, gegenüber ein wenig freundlicher verhältst.“ „Du spielst mit mir“, sagte Hyde leise und schaute mich wieder an. „Kriegst du das eigentlich noch mit? Du weißt, dass ich dich liebe, du weißt es schon ziemlich lange, und trotzdem erwartest du von mir, dass ich zu deinen Lovern nett bin?! Weißt du, ich frage mich langsam, wo das alles noch hinführen soll, wenn es so weitergeht – willst du unbedingt, dass es mit GLAMOUR ☆ FASHION zuende geht? Wenn ja, bist du auf dem besten Weg dahin!“ Damit wandte er sich ab und verschwand aus dem großen Saal. Ich sah ihm kurz nach und seufzte dann leise. Zu meinen Lovern... er hatte wirklich ein verdrehtes Weltbild. Glaubte, dass ich mit jedem Model ins Bett gehen würde. Also bitte. „Was ist los?“, wollte jemand hinter mir wissen. Ich drehte mich um und lächelte leicht. „Nichts Wichtiges, Miya.“ Er hob nur leicht die Augenbrauen, sagte aber nichts mehr. Er hatte sich wahrscheinlich daran gewöhnt, dass Hyde und ich kein friedliches Zusammenleben nebeneinander mehr haben konnten. „Sieht ja so aus, als hättest du mit Gara einen Volltreffer gelandet.“ „Und ob.“ Ich nickte zufrieden. „Er hat auch das Zeug zum Medienliebling. Er ist kreativ und hat irgendetwas an sich, das es einem fast unmöglich macht, ihn nicht zu mögen.“ „Stimmt. FAST unmöglich“, gab Miya zurück und warf einen Blick in die Richtung, in die Hyde gerade verschwunden war. „Zumindest ist er kein Flop wie Kyo, da muss ich dir zustimmen. Aber Medienliebling...“ „Noch nicht“, betonte ich. „Aber das Schöne ist, dass er sowohl mit Yasu als auch mit Kirito befreundet ist.“ Das brachte ihn zum Lächeln. „Hab ich schon gehört – eine interessante Mischung. Ich hoffe nur, dass er sich nicht allzu sehr von den beiden beeinflussen lässt.“ „Inwiefern?“ „Die beiden sind ja mit ihrem Erfolg soweit zufrieden und sind konstant beliebt, haben deshalb aber auch keine Durchbrüche mehr dadurch, dass sie entweder gemocht werden oder nicht. Er sollte allerdings etwas ehrgeiziger sein und es auch mal darauf anlegen, die Öffentlichkeit zu schockieren. Selbst wenn es nur Kritik ist, Aufmerksamkeit ist es auf jeden Fall. Und die kann niemals schaden.“ „Du meinst also, dass er bewusst etwas tun sollte, womit niemand gerechnet hätte-“ „-und was durchaus negativ auffällt, ja. Dadurch werden die einen ihn vergöttern, andere werden überhaupt mal auf ihn aufmerksam und wieder andere machen dadurch Werbung für ihn, dass sie sich öffentlich über ihn aufregen oder ihn kritisieren.“ „Was natürlich voraussetzen würde, dass er mit Kritik umgehen kann“, gab ich zu bedenken. Miya nickte nachdenklich. „Weder Kirito noch Yasu mussten sich je richtig harte Kritik anhören, im Gegensatz zu Hakuei und Jui. Vielleicht solltest du dich erst einmal so weit an ihn herantasten, dass du weißt, wie er wohl auf Kritik reagieren würde, und je nachdem kannst du ja irgendwie versuchen, ihn näher an Hakuei oder Jui zu bringen, damit vielleicht ein wenig von deren Selbstbewusstsein auf ihn abfärbt.“ Jetzt nickte ich. „Kann ich machen.“ „Und wenn er Kritik verträgt, dann kann es sein, dass er bald so gut ist wie Jui oder Hakuei“, meinte er. „Wobei ich persönlich es besser fände, wenn er sich nicht von den beiden beeinflussen ließe – Hakuei wäre wegen Rose ein Problem und Jui wegen seiner Art.“ Miya runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“ „Dass er mit Rose zusammen ist, hat Hakuei natürlich schon verändert, auch wenn es nicht so sehr auffällt. Aber die beiden hängen ziemlich aneinander, und das würde Hakuei den Medien gegenüber natürlich verletzlich machen – stell dir mal vor, die Beziehung der beiden würde rauskommen und alle würden plötzlich anfangen, Rose zu kritisieren.“ „Das ist keine gute Ausgangslage, das stimmt.“ „Und Jui – er ist wie kein anderer. Und das ist gut so, denn wenn andere plötzlich wie er anfangen würden, ständig verplant zu sein und Scherze zu machen, würden sie ziemlich lächerlich wirken. Das sind einfach Charakterzüge, die nur zu ihm passen und zu keinem anderen – daher bin ich dagegen, dass sich irgendjemand von ihm beeinflussen lässt. Ich glaube, einer von Juis Sorte reicht, zwei wären definitiv zu viel.“ Er überlegte kurz. „Da muss ich dir Recht geben. Du meinst also, es wäre besser, wenn er so bleibt, wie er ist, und-“ „-wir erst einmal schauen, ob er Kritik aushalten kann, ja. Und wenn, dann probieren wir es einfach aus. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass er mit ein bisschen Unterstützung da durchkommt“, nickte ich. „So empfindlich ist er nicht.“ „Obwohl er nach der Szene mit Hakuei schon ziemlich eingeschüchtert war“, bemerkte Miya. Ich breitete die Arme aus. „Lass mich erst mal schauen, okay?“ Er nickte. „Gut.“ Als Miya sich wieder unter die anderen Leute mischte, merkte ich zum wiederholten Mal, wie seltsam es war, mit ihm zu reden. Er war einer der extrem wenigen Menschen, mit denen ich mich überhaupt auf einem Niveau unterhalten konnte. Er wusste mindestens so viel wie ich über die Welt, auf jeden Fall aber mehr über GLAMOUR ☆ FASHION. Er hatte es zu dem gemacht, was es jetzt war. Natürlich hatte ich ihn tatkräftig dabei unterstützt, aber ich war mir hundertprozentig sicher, dass er es fast genauso gut ohne meine Hilfe geschafft hätte. Er verlor niemals den Überblick, genauso wenig wie seine Beherrschung. Ich respektierte ihn und bewunderte ihn sogar ein bisschen. Und das war genau das, was mir an ihm nicht gefiel. Er war besser als ich. Es tat weh, das zuzugeben, aber er war nun mal besser als ich. Er leitete das, wofür ich arbeitete, ordnete es und sorgte dafür, dass die Menschen es liebten. Er war nicht austauschbar, in keiner Hinsicht. Und aus eben dem Grund war er mir äußerst suspekt. Ich machte mich auf den Weg nach draußen und ging zu Hyde, der gerade eine Zigarette rauchte. Ich gesellte mich zu ihm und kramte eine von meinen heraus. „Hyde?“, fragte ich. „Hm“, machte er und sah stur geradeaus. „Hast du Feuer?“ Er drehte mir den Kopf zu und betrachtete mich einen Moment. Ich erwiderte seinen Blick ohne zu blinzeln. Dann stellte er sich auf Zehenspitzen und hielt seine Zigarette so lange an meine, bis diese ebenfalls anfing zu glimmen. Ich nahm einen tiefen Zug und seufzte leise, sah wieder zu ihm. „Danke“, murmelte ich. Er erwiderte nichts, sondern starrte nur wieder geradeaus, lächelte aber leicht. Ich wusste, was er jetzt dachte: ‚Er ist so ein Arsch. Aber man KANN ihm nicht böse sein.’ Fast immer, wenn wir irgendeine Form von Auseinandersetzung hatten, bestand die nachfolgende Entschuldigung darin, den anderen nach Feuer zu fragen – ein wenig seltsam, aber es funktionierte. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ „Kannst DU mir einen Gefallen tun?“ „Ich hab zuerst gefragt.“ „Mich nie wieder um einen Gefallen bitten“, murrte Hyde. „Ich erinnere mich an das allererste Mal, wo du mich gebeten hast...“ „Ja, und einen Tag später warst du unsterblich in mich verliebt, ich weiß“, seufzte ich. „Aber um so was will ich dich gar nicht bitten, sondern eher darum, die Augen und Ohren offen zu halten, ob sich Gara und Hakuei ein wenig enger als nötig anfreunden.“ „Hast du Angst, dass er dir deinen Schatzi wegschnappt?“, wollte Hyde spöttisch wissen. „Nein, das nicht... obwohl es schon seltsam war – als er Hakuei seine Jacke zurückgebracht hat, war er hinterher ein wenig verstört...“ „Wahrscheinlich hat Hakuei ihm nur nackt die Tür geöffnet oder so was.“ „Glaube ich nicht, aber egal. Was ich meine, ist, dass er sich nicht allzu sehr von ihm beeinflussen lassen sollte. Das wäre für seine spätere Karriere nicht so zuträglich.“ „Verständlich“, knurrte Hyde. „Wenn man sich mit einem Arschloch anfreundet, kann ja auch nichts mehr aus einem werden...“ „Hyde“, warnte ich ihn leise. „Ich weiß, dass du Hakuei nicht leiden kannst, aber darum geht es gerade nicht. Ich will nur, dass die beiden sich nicht allzu nahe kommen.“ „Und was machst du dann an Weihnachten?“, wollte er mit einem hinterhältigen Grinsen wissen. „Oder verbietest du ihm, auf die Weihnachtsparty zu gehen?“ Ich senkte kurz den Blick. „Das würde ich nicht machen... Ich meine, er soll sich ja bei GLAMOUR ☆ FASHION wohl fühlen, und wie soll er das, wenn er sich nicht mit den anderen einfindet...?“ „Vor allem würde es seltsam wirken, wenn er nicht hingeht“, stimmte Hyde mir zu. „Wenn das mit euch beiden geheim bleiben soll...“ „Wie auch immer.“ Ich seufzte. „Es wäre nett, wenn du darauf achten könntest, und wenn dir was auffällt, mir Bescheid zu sagen.“ „Kann ich machen“, nickte er. „Wobei ich nicht glaube, dass Hakuei großen Wert auf Freunde legt.“ „Hyde!“ „Was denn? Er hat doch Rose, da braucht er keine Freunde mehr, zumindest verhält er sich so!“ Ich schüttelte den Kopf. „Weißt du was? Sei einfach ruhig...“ „Solltest du nicht rein zu deinen Gästen?“ Er deutete mit dem Kopf nach drinnen. Ich schnitt eine Grimasse. „Die gehen mir alle auf den Sack.“ „Warum?“, fragte Hyde grinsend. „Fühlen sich alle so unheimlich wichtig und versuchen ständig, mich davon zu überzeugen, dass sie eine Beförderung verdienen...“ „Und warum hast du sie eingeladen?“ „Damit sie sich wichtig fühlen können.“ Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hab vorher nie verstanden, warum du zwei Mal feierst – aber ich glaube, jetzt kann ich es nachvollziehen.“ „Ich will wenigstens auf EINER Geburtstagsparty Spaß haben“, nickte ich. „Und das kann ich nur bei denen, die ich mag.“ „Wozu gehöre ich dann?“, wollte er mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. „Zum Inventar“, antwortete ich und strich ihm kurz lächelnd über die Wange. „Komm, wir gehen wieder rein.“ Als ich an diesem Abend nach Hause kam, wurde ich bereits ungeduldig erwartet. Sofort, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte, sprang Gara von seinem Lieblingsplatz (dem roten Plüschsofa, ich weiß nicht, warum er dieses Ding so liebte) auf und kam mir entgegengerannt, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken und mir den Mantel abzunehmen. „Wo warst du so lange, du hast gesagt, dass du um zwölf wieder hier sein wolltest, und jetzt ist es nach eins... und sonst kann man sich auf deine Zeitangaben verlassen!“, beschwerte er sich und versuchte sich an einem Schmollen, was ihm nicht so recht gelingen wollte, da er sich offensichtlich so darüber freute, mich endlich wiederzusehen. Wie ein kleines Hündchen... so niedlich. Und dabei WAREN wir noch nicht mal zusammen. Wir hatten bloß vor einer Woche, an meinem Geburtstag und nach meiner ersten Feier, beschlossen, dass wir es mal versuchen würden. Schließlich hatte ich einen ziemlich vollen Stundenplan und demnach nicht allzu viel Zeit für ihn, und für ihn war ich der allererste Mann, an dem er ein solches Interesse zeigte – wir brauchten eine Probephase. Wir hatten entschieden, es den November lang mal zu probieren, und wenn alles glatt ging... Ich hoffte, dass es so sein würde. Es war angenehm, bei ihm zu sein, ich genoss seine Gesellschaft ungemein. Er war eine dieser Personen, die dir ständig das Gefühl gaben, dass sie gerade nirgendwo anders als an deiner Seite sein wollten. Ich fühlte mich einfach wohl. Und ich hatte den Eindruck, dass es ihm ähnlich ging. „Tut mir leid, aber Miya wollte mich noch nicht gehen lassen“, antwortete ich lächelnd und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund, woraufhin er die Arme um meinen Nacken schlang, mich etwas zu sich zog und mich ein wenig inniger küsste. Ich ging sofort darauf ein, zog ihn in meine Arme und intensivierte den Kuss immer weiter, bis Gara irgendwann keine Luft mehr hatte. Ich seufzte einmal zufrieden auf und verteilte ein paar weitere Küsse auf Garas Wangen und seiner Nasenspitze. „So begrüßt zu werden, gefällt mir“, murmelte ich ihm ins Ohr und lächelte wieder, strich über seinen Rücken. Er schnurrte leise wie eine Katze (noch etwas, das unheimlich niedlich an ihm war) und erwiderte mein Lächeln. „Das entschuldigt deine Verspätung voll und ganz“, gab er zurück und schmiegte sich enger an mich. Kurzerhand hob ich ihn hoch und trug ihn mit mir ins Schlafzimmer, wo ich ihn auf dem Bett absetzte. Dann erst bemerkte ich, dass er nur noch Shorts trug. Ich betrachtete ihn einen Moment und hob dann die Augenbrauen. „Möchtest du mir irgendetwas sagen?“ Sofort lief er rot an und schüttelte eifrig den Kopf. „Nein, eigentlich wollte ich gerade schlafen gehen...“ „Unten auf dem Sofa?“, wollte ich mit gerunzelter Stirn wissen. „Neeein~“, antwortete er und schüttelte wieder den Kopf. „Ich hab ja unten auf dich gewartet, und als du nach einer halben Stunde nicht gekommen bist, bin ich hochgegangen und hab mich ausgezogen, und dann hatte ich das Gefühl, dein Auto zu hören, also bin ich wieder runtergegangen, aber als du dann IMMER noch nicht gekommen bist, war mir das zu doof, die Treppen wieder hochzugehen, also hab ich mich auf das Sofa gelegt und wäre da FAST eingeschlafen.“ Ich musste grinsen und schüttelte jetzt auch den Kopf. „Himmel, bist du kompliziert...“ „Wie war es denn?“, fragte Gara neugierig und rutschte etwas weiter auf das Bett, während ich begann, mich auszuziehen. „Uhm... wie immer“, entgegnete ich und verzog leicht das Gesicht. „Langweilig. Ich konnte mich mit solchen offiziellen Anlässen nie anfreunden, mir sind die immer ein wenig zu... unpersönlich. Mit fast allen der Personen, die da sind, hab ich nur beruflich was zu tun, und von daher gibt es nicht allzu viele Gesprächsthemen.“ „Echt?“ Gara wirkte überrascht. „Von dir hätte ich erwartet, dass du mit jedem so umgehst-“ „-wie mit euch?“, beendete ich seinen Satz und lächelte. „Das ist wohl kaum möglich, Gara. Die Leute, die ich heute gesehen habe, die halten mich für einen Workaholic, der vorher bei seinem PR-Agenten nachfragt, ob er sich ein Lachen erlauben kann oder ob das wohl seinem Image schaden würde. Würde ich so offen und locker sein wie bei euch, dann würden sie mich nicht mehr ernst nehmen, das kannst du mir glauben. Was meinst du, wie Hyde sich wohl vor ihnen verhält?“ Gara schnitt eine Grimasse, um deutlich zu zeigen, was er von der angesprochenen Person hielt. „Weiß ich nicht...“ „Er ist freundlich, höflich, interessiert, macht Scherze und so weiter“, erwiderte ich fast schon grinsend. „Du hast ja so ziemlich das genaue Gegenteil von ihm kennen gelernt.“ Da legte er den Kopf schief. „Ist es nicht... anstrengend, sich dauernd verstellen zu müssen?“ „Weder er noch ich verstellen uns, wir passen uns nur unserer Umgebung an. Wenn du mich in einen Kindergarten stecken würdest, dann würde ich weder so sein wie bei euch noch wie bei der Festgemeinschaft heute, sondern mich den Kindern anpassen. Der Ausdruck ‚flexibel sein’ passt in diesen Kontext wahrscheinlich besser“, erklärte ich. Darüber dachte Gara einen Moment nach, den ich nutzte, um zu ihm ins Bett zu schlüpfen und ihn an mich zu ziehen. „Wahrscheinlich hast du Recht“, nickte er und kuschelte sich dicht an mich, schwieg einen Moment. „....Was ist Miya eigentlich für eine Person?“ Jetzt musste ICH überlegen. „Schwer zu sagen. Einerseits ist er unheimlich seriös und scheint nur für seine Arbeit zu leben, andererseits verschläft er auch manchmal.“ Gara kicherte. „Echt?“ „Wenn auch nicht oft“, ich musste lächeln. „Und manchmal vergisst er, sich zu rasieren. Ach ja, und wenn man ihn zu früh weckt, braucht er mindestens eine Stunde, um überhaupt wach zu werden. Das wissen auch nicht viele.“ „Und woher weißt DU das?“ „Er ist ja nicht der erste Chef von GLAMOUR ☆ FASHION, aber er hat die Zeitschrift erst richtig bekannt gemacht. Und als er sie übernommen hat, ganz am Anfang – da war ich schon dabei, Hyde aber noch nicht –, da ist so viel Arbeit angefallen, dass wir teilweise im Gebäude übernachten mussten, damit wir am nächsten Tag gleich weiterarbeiten konnten. Inzwischen haben wir ja Sekretärinnen und Laufburschen für ALLES, aber vor zwölf Jahren...“ „Zwölf Jahre arbeitet ihr schon an der Zeitschrift?“ Gara klang beeindruckt. Ich nickte. „Wenn ich mich nicht verzählt habe, ja. Und in so vielen Jahren macht man so einiges durch, das kannst du mir glauben...“ „Wie seid ihr denn an die Jobs gekommen?“ Da musste ich grinsen. „Das wissen auch nur ganz wenige. Miya ist er mehr oder weniger in die Hände gefallen – er war der Nachbar des vorherigen Redakteurs, der aber keine Lust mehr hatte, also hat er Miya gefragt, ob er nicht für ihn die Zeitschrift fortführen wollte. Da Miya zu dem Zeitpunkt nichts Besseres zu tun hatte, hat er zugestimmt. Dann hat er angefangen, auf der Straße nach Models zu suchen, die für wenig Geld für ihn arbeiten würden, und der erste, den er angequatscht hat, war ich, im zarten Alter von 19 Jahren. Natürlich hab ich sofort zugestimmt – Wie oft kriegt man schon die Möglichkeit, als Model zu arbeiten? – und mich auch als Journalist betätigt. Ein Jahr später hat sich Hyde uns noch angeschlossen, ich kannte ihn bereits von meiner Schulzeit und wusste, dass er ein halbwegs fähiger Redakteur war, und zwei Jahre später hatten wir mit Hakuei unseren ersten Durchbruch, dann folgten ein paar ‚Kleinere’ wie Yasu, und Kirito war der zweite, der richtig bekannt wurde. Und dann, als auch noch Jui dazukam, war unser Platz gesichert. Seitdem sind wir konstant aufgestiegen und es sieht nicht so aus, als würde es sich in nächster Zeit zum Gegenteil wenden“, erzählte ich nicht ohne Stolz und musste lächeln, als ich an die Zeit damals zurückdachte. Es war schon lustig gewesen mit den beiden... dafür hatten sie sich beide ziemlich verändert. Und ich wahrscheinlich auch. Miya war ernster geworden und Hyde anhänglicher. Er hatte ja schon damals einen Narren an mir gefressen, aber in der letzten Zeit wurde es langsam immer schlimmer. Er glaubte, dass ich ihm gehörte, weil er mich länger kannte als die anderen... Es war einfach nicht mehr so wie früher. „Wie... war es denn mit deiner Heirat?“, fragte Gara vorsichtig. „Also, warum du nur kurz verheiratet warst und mit wem...“ Für einen Moment war ich still. „Darüber möchte ich jetzt noch nicht reden“, antwortete ich leise. „Das ist nichts gegen dich, aber ich spreche allgemein nicht allzu gerne darüber, und bis auf Hyde und Miya und sie selbst natürlich weiß keiner, mit wem ich überhaupt verheiratet war, glaube ich.“ „Also... war es eine Frau?“ Darauf nickte ich. „Ja, war es. Zu der Zeit war ich noch ein wenig unentschlossen, was meine Orientierung angeht. Das einzige, was ich dir erzählen könnte, ist, dass ich sie geliebt habe wie bis jetzt noch niemand anderen, dass wir uns gegenseitig verletzt haben und jetzt beide über unsere Heirat Stillschweigen bewahren, weil es so besser ist. Und den Rest...“ Ich drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „...erzähle ich dir vielleicht später mal. Und jetzt solltest du schlafen.“ Gara nickte und lächelte. „Okay. ... Danke.“ „Wofür?“ „Dafür, dass du da bist.“ Damit vergrub er das Gesicht in meiner Halsbeuge, schloss die Augen und machte es sich zum Schlafen bequem. Ich musste lächeln und strich ihm übers Haar. Es war schön zu wissen, dass Gara sich schon damit zufrieden gab, dass ich da war. ~★~ Je näher das Ende des Novembers rückte, desto unsicherer wurde ich. Gara hatte mir gegenüber noch nichts verlauten lassen, was in die Richtung deutete, dass er zu etwas Festerem mit mir bereit wäre. Allerdings hatte er auch nichts Gegenteiliges gesagt. Entweder wusste er selbst noch nicht, was er wollte, oder er verstand es sehr gut, mich auf die Folter zu spannen. Mit beidem wäre ich nicht sonderlich zufrieden. Ich hatte mich mit der Zeit immer mehr und mehr an Gara gewöhnt, seine Gesten, sein Lächeln, sein Gesicht, seine Ausdrücke, das alles kannte ich nun schon und hatte es lieben gelernt. Ich mochte es, wenn er lachte, ich sah ihn gerne grinsen, und wenn wir im selben Raum waren, konnte ich kaum die Finger von ihm lassen, ich musste ihn immer irgendwie berühren, ihn in irgendeiner Form spüren. Er war beinahe wie eine Droge, je mehr ich von ihm bekam, desto mehr wollte ich haben. Nur hatte ich Angst, dass ich zu stürmisch sein könnte, dass ich zu weit gehen könnte – deshalb hatte ich noch nicht ein Mal versucht, ihn zu verführen. Ich wollte ihn nicht drängen und dadurch verlieren, das auf keinen Fall. Aber ich wollte eine Antwort. Genau am Ende des Monats kam es, dass ich zwei freie Tage hintereinander hatte und Gara deshalb zwei freie Tage MACHTE (es war schon praktisch, so viel Einfluss zu haben), nämlich den 30. November und den 1. Dezember, ein Wochenende. Den Samstag verbrachte ich komplett mit Gara und erwartete eigentlich, irgendwann zwischendurch überrascht zu werden, aber es kam nichts. Auch, als wir am Abend in einer Bar noch was trinken gingen, blieben die Gesprächsthemen schön von unserer Beziehung entfernt. „Seit wann rauchst du?“, fragte ich erstaunt, als Gara unerwartet eine Zigarette aus seinen Taschen kramte und sie sich anzündete. Er legte den Kopf schief. „Nur zwischendurch... ich kann es auf Hakuei schieben.“ Memo an mich selbst: Hakuei anmachen, warum er jetzt schon ursprüngliche Nichtraucher vergiftete anstatt nur sich selbst. (Gut, ich tat auch nichts anderes... aber ich brachte andere Leute nicht zum Rauchen.) „Weißt du, als ich ihm seine Jacke zurückgebracht habe, die, die ich an deinem Geburtstag vergessen hatte, da hat er mir zum Abschied eine Zigarette zwischen die Lippen gesteckt, und...“ Er verzog leicht das Gesicht. „...aus Versehen hab ich eingeatmet.“ Ich lächelte. „Du hast vorher wirklich noch nie geraucht, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Dann musst du jetzt nicht damit anfangen“, sagte ich sanft. Gara schien verwirrt. „Aber die anderen Models rauchen auch alle...“ „Erstens: Bei weitem nicht alle, das kommt dir nur so vor. Eigentlich sind die Raucher sogar die Minderheit. Zweitens: Du stehst unter keiner Form von Gruppenzwang. Du musst nicht irgendetwas tun, nur weil ‚alle anderen’ es auch tun“, erklärte ich ruhig und nahm ihm die Zigarette aus der Hand und selbst einen Zug. „Aber du rauchst auch“, gab er trotzig zurück. Jetzt grinste ich. „Ich stehe auch unter ein bisschen mehr Stress als du. Und ich rauche auch schon seit etlichen Jahren, sodass ich jetzt auch sicherlich nicht mal eben so aufhören könnte.“ „Aber dass du damit deine Lunge teerst, weißt du?“ Ich nickte. „Weiß ich. Und meine Stimme ruiniere und mein Krebsrisiko erhöhe und was weiß ich noch. Aber ich trinke auch Alkohol.“ „Nur nicht so exzessiv...“ „Wenn du mich erziehen möchtest, kommst du ein bisschen zu spät“, seufzte ich. Gara lächelte und trank einen Schluck von seinem Bier. „Aber du mich?“ „Es reicht doch schon, wenn ICH meine Lunge zerstöre, dann musst du das nicht auch machen“, erwiderte ich und drückte die Zigarette aus. Dann hob ich den Blick und sah ihn erwartungsvoll an. Er erwiderte meinen Blick kurz. „Kiyo~“, murmelte er, als würde er sagen wollen ‚schau mich nicht so an~’. „Ich möchte dich ja auch nicht drängen“, gab ich leise zurück. „Wenn du noch ein bisschen Zeit brauchst, dann sag das...“ „Nein, ich...“ Er holte einmal tief Luft und blickte mir dann direkt in die Augen. „Weißt du, ich... bin ziemlich verrückt nach dir. Man kann sogar sagen, dass ich in dich verknallt bin...“ „...Aber nicht verliebt“, beendete ich seinen Satz. Er nickte und senkte den Blick wieder. „Ich würde unheimlich gerne mit dir zusammen sein, das kannst du mir glauben, aber ich weiß nicht, ob was Längeres draus werden könnte. Das ist mir alles zu unsicher, weißt du, das hat nichts mit dir zu tun, wirklich nicht, du bist an gar nichts schuld, das geht alles von mir aus...“ Ich schwieg. „Tut mir leid“, sagte er kleinlaut und schielte zu mir hoch. Ich schwieg weiterhin und ließ meinen Blick auf den Tisch geheftet, während ich in mich hineinfühlte. Konnte ich die Sache damit abschließen? Konnte ich mich damit zufrieden geben und Garas Gefühle akzeptieren? „Kiyoharu?“, fragte er vorsichtig. „Und was, wenn ich dir sage, dass mich das nicht interessiert?“, wollte ich wissen und sah auf. Das brachte ihn für einen Moment aus der Fassung. „Was?“ „Was, wenn ich dir sage, dass ich trotzdem mit dir zusammen sein will? Wenn es mir egal ist, ob du verknallt oder verliebt in mich bist? Wenn es mich nicht kümmert, ob wir nun fünf Jahre oder fünf Monate zusammen sind, sondern die Hauptsache ist, dass wir es überhaupt sind?“, fuhr ich fort und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. „Was dann?“ Er machte den Mund auf, wieder zu, sah kurz zur Seite und mich dann wieder an. Mit einem Lächeln auf den Lippen. „Dann... wäre wohl nichts dagegen einzuwenden...“ Das nächste, an das ich mich klar erinnere, ist, dass wir in mein Haus gestolpert kamen, uns gegenseitig küssend und berührend, wo wir nur konnten. Unsere Zungen trugen einen Kampf aus, unsere Körper schmiegten sich aneinander und versuchten dabei, langsam und unsicher vorwärts zu kommen. Gara hatte seine Hände in meinen Haaren vergraben, ich meine unter seinem Shirt, seinen Oberkörper zum x-ten Mal erkundend. Nur war es dieses Mal ein klein bisschen anders als vorher. Er gab ein leises Stöhnen von sich, als ich über seine Brustwarzen strich. „Kiyo“, wisperte er und unterbrach dabei unsere bis dahin nicht enden wollenden Küsse. Ich nutzte die kurze Pause, um mich an seinem Hals zu schaffen zu machen und darauf zu warten, dass er weiterredete. ... Was er nicht tat. Also begann ich, an seinem Schlüsselbein zu knabbern. „Kiyo...“, fing er ein zweites Mal an. Jetzt sah ich auf, woraufhin er knallrot anlief. Ich musste lächeln. „Was möchtest du mir sagen...?“, schnurrte ich und fuhr kurz mit der Zunge über seine Haut, was ihn offensichtlich aus dem Konzept brachte, denn er bekam nur ein ‚mmh~’ zustande und legte den Kopf etwas in den Nacken. Klar, er war es wahrscheinlich nicht gewöhnt, dass jemand anderes die Führung übernahm. „Hat es was... hiermit zu tun?“, fragte ich weiter und strich über seinen Schritt. Er biss sich auf die Lippe und wurde noch eine Spur dunkler, nickte aber leicht. Ich knabberte an seinem Ohr. „Sag es“, forderte ich leise und begann, ihn durch den Stoff der Hose zu massieren. Gara stöhnte wieder leise und krallte sich etwas in meine Haare. „Kiyo...“ „Ja?“ Ich schaute ihn wieder an und bemerkte, dass er so, die Augen lustverhangen, die Lippen vom vielen Küssen leicht geschwollen, die Haare etwas zerzaust, am Hals einen Knutschfleck, noch wunderschöner aussah als sowieso schon. „Schlaf mit mir“, hauchte er, während er meinen Blick erwiderte. Darauf sagte ich nichts mehr, sondern lächelte nur und knöpfte seine Hose auf. ~★~ „Er ist ein unheimlich guter Küsser“, murmelte ich, schloss die Augen und lehnte mich auf dem Sofa zurück. „Das solltest du mal erlebt haben, einfach perfekt.“ „Du hast jetzt so ziemlich alles, was du in der letzten Viertelstunde aufgezählt hast, so beschrieben“, gab Hyde beinahe gelangweilt zurück und fuhr ungerührt fort, die Vorschläge für die Themen der nächsten Ausgabe von GLAMOUR ☆ FASHION durchzusehen. „Moment – was war das alles? Sein Gesicht, seine Bewegungen, sein Körper sowieso, seine Küsse, seine Art zu reden, sein Lächeln, sein Stöhnen, sein Betteln, der Sex mit ihm, ich warte ja nur darauf, dass du mir vorschwärmst, wie schön geformt sein-“ „Hyde“, sagte ich leise und öffnete die Augen wieder. Er rollte mit seinen. „Was denn?! Wir sollen hier arbeiten, und du säuselst rum, als hättest du ein bisschen zu viel Parfum drauf, tut mir leid, dass ich da nicht vor Begeisterung vom Stuhl falle!“ Ich musste lächeln. „Weißt du, was ich an dir so mag? Deine Ironie.“ „Das ist das, was die meisten an mir nicht ausstehen können“, brummte er zurück und breitete ein paar Papiere aus, ohne mich anzusehen. „Ich schon“, wiederholte ich und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, als er mich böse ansah. „Könnten wir jetzt bitte wieder auf das Titelblatt zurückkommen?“, wollte er gereizt wissen. (Er war ständig gereizt in letzter Zeit. Störte mich allerdings nicht viel.) „Wir hatten uns doch schon auf eins geeinigt“, antwortete ich, noch immer lächelnd. Er seufzte einmal tief, lehnte sich zurück und betrachtete mich. „Du findest wirklich Gefallen an dem-“ „Hyde“, warnte ich ihn leise. „-Kleinen“, beendete er seinen Satz, nicht ohne eine Grimasse zu schneiden. „Oder?“ Ich nickte. „Also zusammen sind wir schon mal.“ „Das kann ja heiter werden.“ Er wühlte in einem Papierstapel. „Und lass mich raten – du hältst es geheim?“ Wieder nickte ich. „Glaubst du, dass ich mich öffentlich outen würde? Ganz bestimmt nicht. Und es ist auch besser, wenn es komplett geheim bleibt – hab ich ihm auch schon gesagt.“ „Lass mich noch mal raten – er war nicht sonderlich glücklich?“ Ich legte den Kopf schief. „Ich glaube, er hat damit gerechnet. Auf jeden Fall hat er zugestimmt.“ Hyde nickte. „Dann wird es wirklich was Ernstes. Na herzlichen Glückwunsch.“ ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ die meisten Ungereimtheiten + Zeitlücken, die hier auftreten, werden im nächsten Kapitel geklärt ^^ Fashion #3 ---------- Rating: NC-17!! *YAY* A/N: ich bin tot. Nachdem ich etwa insgesamt 34.000 Wörter geschrieben hatte, ist der Laptop abgestürzt (der Laptop von meiner Mutter, den ich benutzt habe, während ich krank im bett lag ^^; ), sodass nur noch etwa 27.000 Wörter übrig waren!! Ich musste alles noch mal neu schreiben T_T Und dieses Kapitel ist LANG. Und PERVERS. Und WIE. Ich entschuldige mich schon mal für ALLES. ☆☆☆☆☆☆☆ = Flashback Beta’d: mit vieeeeeeel Liebe und Vergnügen von dem geduldigen Tattoo-chan 3 Disclaimer: Die Gothic Lolita Bible gehört nicht mir, und der Rest, der mir nicht gehört, auch nicht @_@ (logisch, nicht? oO) ~★~☆~★~☆~★~ „Sag mal, ist in letzter Zeit irgendetwas mit dir LOS?“, wollte Yasu irritiert wissen und betrachtete mich fragend. „Du bist so...“ „Glücklich“, nickte Kirito und drückte seine Zigarette aus, musterte mich dann. „Lass mich raten – du bist nicht mehr solo?“ „Hätte ich jetzt auch getippt“, warf Yasu ein. Ich musste lächeln und nickte leicht. „Da habt ihr auch ins Schwarze getroffen... aber bitte, fragt mich nicht, wer es ist.“ Sofort nickte Kirito wieder, ohne eine Miene zu verziehen. „Hätte ich sowieso nicht gemacht, weil uns das eigentlich auch nichts angeht. Und es ist besser, wenn so wenige wie möglich von eurer Beziehung wissen, dann kann nämlich auch nichts an die Öffentlichkeit dringen und dann könnt ihr nicht von den Medien auseinander genommen beziehungsweise bestalkt werden.“ „Du darfst dich allerdings nicht allzu offensichtlich mit ihr treffen“, stimmte Yasu ihm zu. Mein Grinsen wurde breiter. „Mit wem? Mit IHR?“, fragte ich. Kirito erstarrte und wandte sich mir zu, „Wie bitte?“, murmelte er ungläubig. Yasu musste lachen. „Hab ich’s nicht gesagt? Hab ich’s nicht gesagt?“ „Du willst mir gerade nicht ernsthaft erzählen, dass du... oder?“ Ich nickte lächelnd. „Doch. Tut mir leid, wenn ich dich damit jetzt schockiere...“ Kirito sah mich entgeistert an. „Oh Gott...“ Fassungslos schüttelte er den Kopf, runzelte dann aber die Stirn. „Aber Moment mal – dann wäre das dein erster, oder?“ Jetzt musste er auch grinsen. „Awww, ist das putzig! Bist du denn noch Jungfrau?“ Zur Antwort lief ich rot an, was Yasu wieder lachen ließ. „Erst regt er sich darüber auf, dass ich ihn als schwul bezeichne, und jetzt lässt er sich mal eben vor unserer Nase entjungfern, und wir kriegen es nicht mal mit!“ „Ich glaub’s nicht...“ Kirito schüttelte den Kopf, dann betrachtete er mich einen Moment und zog mich kurz in seine Arme. „Herzlichen Glückwunsch, Kleiner. Wirklich.“ „Oh, das heißt, dass du DOCH mit auf die Weihnachtsparty kommen kannst!“, strahlte Yasu. „Moment – wäre ich da sonst nicht hingekommen, wenn ich hetero gewesen wäre?“, fragte ich irritiert. Jetzt lachte Kirito. „Klar wärst du hingekommen, die Frage ist, ob du das GEWOLLT hättest. Es war nicht übertrieben, was ich dir davon erzählt habe, es wird EXTREM feuchtfröhlich. Und da es eine reine Männerrunde ist...“ „Wer kommt denn da alles hin...?“, wollte ich vorsichtig wissen. „Also... angefangen bei MIR natürlich“, begann Kirito grinsend, „kommen auf jeden Fall noch Jui, Hakuei, Rose, Yasu, Miyavi, ein paar B-Models, die Lust haben...“ „Sollte ich die kennen?“ „Hazuki wahrscheinlich nicht, der ist eher für düstere Sachen zuständig, Daisuke höchstens vom Sehen, er ist ziemlich flexibel und erinnert von den Aufmachungen an Hakuei, er hatte auch fast alle Moderichtungen schon mal durch, Hizaki kennst du eventuell auch vom Sehen, ist relativ bekannt und trägt meistens sehr aufwändige Kleider...“, zählte Kirito weiter auf. „Halt, die Namen kann ich mir sowieso alle nicht merken, aber zumindest kann ich mir jetzt ein Bild machen, wer...“ Ich hielt inne und sah zu Yasu. „MOMENT. Warum zur Hölle gehst DU dahin?!“ „Als Herausforderung“, antwortete Kirito lachend. Ich runzelte verständnislos die Stirn. „Ich bin der einzige da, der nicht an Männern interessiert ist“, stimmte Yasu zu und grinste ebenfalls. „Was meinst du, was da los ist?“ „Jedes Jahr“, betonte Kirito. „Wirklich, jedes Jahr versuchen sie, ihn zu bekehren, aber er WILL einfach nicht.“ Er wirkte beinahe beleidigt. „Wobei man dazusagen muss, dass es eine echte Kunst ist, wenn man dabei noch mit Hakuei und Jui befreundet ist“, fügte Yasu hinzu. „Und deshalb gehst du zur Weihnachtsfeier?“, fragte ich irritiert. „Um alle zu ärgern?“ Yasu nickte lächelnd. „Genau deshalb.“ „Und weil er masochistisch ist“, murmelte Kirito lächelnd. „Er wird dann natürlich zum Lieblingsopfer, ist ja klar.“ „Ihr könnt machen, was ihr wollt, nackt habt ihr mich noch nie gekriegt!“, warf Yasu breit grinsend ein. „Aber wir waren ganz nahe dran.“ Kirito streckte ihm die Zunge raus. „Und zwar nur, weil du diese eine verdammte Wette gewonnen hast!“ Er wandte sich an mich. „Kannst du dir das vorstellen? EINE Wette!“ Ich schüttelte grinsend den Kopf. „Dass ihr krank seid, hab ich euch schon mal gesagt?“ Kirito nickte. „Hast du. Bestimmt. Und sollen wir DIR mal was sagen?“ „Du bist genauso krank wie wir“, grinste Yasu. ~☆~ „Hey, Gara!“ Ich schenkte Yuu ein breites Lächeln und zog ihn für einen Moment an mich. „Was tut das gut, dich zu sehen, nach...“ „Drei Wochen“, er nickte und lächelte ebenfalls, hakte sich dann bei mir unter und führte mich mit sich in Richtung des Cafés, das er mir zeigen wollte. „Also wie gesagt, tut mir wirklich leid, dass ich vorher keine Zeit gefunden habe...“, begann ich, aber Yuu winkte nur ab und lächelte wieder. „Kein Problem, ehrlich. Ich meine, dein Job ist ja auch ziemlich anstrengend.“ Jetzt nickte ich. „Das kannst du mir glauben. Wenn es nach Kiyo ginge, dann müsste ich rund um die Uhr verfügbar sein...“ „Wie fühlt sich das eigentlich an, berühmt zu sein?“, fragte er und sah mich an. Ich musste einen Moment überlegen. „Ich denke, ich selbst habe mich nicht allzu viel verändert, jetzt werde ich nur manchmal auf der Straße erkannt und um Autogramme gebeten, und manchmal sehe ich mein eigenes Gesicht irgendwo hängen... Es ist schon ein ziemlich gutes Gefühl, das muss ich zugeben. Ich fühle mich plötzlich wie jemand Besonderes, ich fühle mich, als hätte ich was erreicht. Es ist einerseits zufriedenstellend und andererseits natürlich auch ein Ansporn, noch bekannter zu werden.“ „Kriegst du denn jetzt auch Angebote von außerhalb? Also nicht welche, die dir vermittelt wurden, sondern welche, die du komplett frei annehmen oder ablehnen kannst?“ Stolz nickte ich. „Wenn auch nicht so viele – die etwas kleineren Firmen oder Zeitschriften denken sich wahrscheinlich, ich würde zu viel kosten, aber was die Qualität der Angebote angeht, bin ich inzwischen mit Yasu vergleichbar.“ „Aber er ist doch schon ein bisschen länger dabei...?“ „Ja, von der Fanbase und von Erfahrung hab ich ja auch nicht gesprochen“, erwiderte ich lächelnd. „Da werde ich ihn wohl nur schwer ein- oder sogar überholen können.“ Yuu schüttelte leicht den Kopf. „Wenn ich mir das so vorstelle... vor einem Jahr waren Personen wie Yasu oder Kirito für mich fast gleichzustellen mit Göttern, kaum zu erreichen, und nur auf Bildern oder im Fernsehen zu bewundern... und jetzt bist du mit ihnen befreundet, du kennst Hakuei und Jui, und du bist mit KIYOHARU zusammen!“ Seine Stimme wurde immer ungläubiger. Ich musste kichern. „Das denke ich mir auch manchmal... weißt du, wenn ich mir überlege, dass ich vor einem Jahr noch nicht mal von GLAMOUR ☆ FASHION gehört habe... unvorstellbar eigentlich. Und jetzt trete ich in Werbespots auf, hänge auf Plakaten in der Gegend rum und werde von Fußgängern bestaunt.“ „Fassen wir zusammen – dein Leben ist geil“, grinste Yuu. „So ungefähr, ja.“ Ich nickte. „Wie sieht es denn im Moment mit dir aus?“ Während ich das fragte, kramte ich eine Zigarette aus der Hosentasche und zündete sie mir an. Yuu sah mich erstaunt an. „Seit wann rauchst du? Und vor allem – warum?“ Ich seufzte leise. „Berufskrankheit, glaube ich.“ Na ja, mehr oder weniger. Ich musste unwillkürlich ein paar Wochen zurückdenken... ☆☆☆☆☆☆☆ Okay... hier wohnte also Hakuei. Edle Gegend. Genau hier hätte ich ihn auch erwartet. Aber eigentlich war es nicht extravagant genug für ihn. Langsam stieg ich die Treppen zu seiner Wohnung hoch, hoffend, dass er an einem Montagabend wie diesem hier zuhause war. Und möglichst allein, nicht, dass ich in irgendein wichtiges Treffen hineinplatzte oder so. Wie auch immer. Ich drückte auf den Klingelknopf und war beinahe enttäuscht, ein ganz ordinäres Klingeln zu hören. Ich wartete etwa eine Minute, ohne dass irgendeine Regung aus dem Haus erkennbar gewesen wäre. Hm. War er doch nicht da? Gerade, als ich das zweite Mal klingeln wollte, wurde die Tür geöffnet – allerdings nicht von Hakuei. Rose blinzelte mich einen Moment an, was mir die Zeit gegeben hätte zu sagen, was ich wollte, hätte ich ihn nicht genauso angeblinzelt. Nicht nur, dass ich nicht mit ihm gerechnet hatte (es aber eigentlich natürlich hätte tun müssen), sondern er stand auch noch halb nackt vor mir, lediglich eine Bettdecke um die Hüften geschlungen, die weißblonden Haare ungestylt und ein wenig zerzaust. Er hatte wirklich ein hübsches Gesicht. Und eine makellose helle Haut. Und angenehm dunkelbraune Augen. „Wer ist da?“, hörte ich dann Hakueis Stimme aus der Wohnung. Rose drehte sich halb in deren Richtung. „Gara“, rief er zurück. „Ich glaub, er will dir deine Jacke zurückbringen.“ Ich nickte leicht, auch, wenn Rose nicht auf mich zu achten schien, sondern weiter in – wie ich vermutete – Hakueis Richtung sah. Und ich konnte weiterhin meinen Blick nicht von ihm nehmen. „Was ist, findest du deine Shorts nicht?“, fragte ebenjener gerade und ohne, dass ich was dagegen tun konnte, lief ich knallrot an. Ich weiß, dass ich ein unheimlicher Schnellmerker bin, aber erst in dem Moment wurde mir klar, dass ich die beiden anscheinend gerade bei etwas Wichtigem gestört hatte. Jetzt wurde mir auch klar, warum Rose nur eine Bettdecke anhatte. ......Mann, konnte ich schnell kombinieren. „Vielleicht... sollte ich ein anderes Mal...“, begann ich verlegen. Roses einzige Reaktion war, dass er den Kopf zu mir drehte und mich ansah, als ob er sagen wollte ‚macht nichts, wir waren eh gerade fertig’. Gott sei dank TAT er es nicht. „Hallo, Gara, schön dich zu sehen“, meldete Hakuei sich just in diesem Moment erneut zu Wort, tauchte hinter Rose auf und schenkte mir, mit einer Zigarette im Mundwinkel, ein breites Lächeln. Er wirkte weder verärgert noch irgendwie peinlich berührt, dass ich ihn gestört hatte. Im Gegenteil – er schien sich beinahe zu amüsieren. „Ich... wollte dir nur...“, fing ich wieder an und brauchte einen Augenblick, um mich wieder zu fangen, als Rose sich etwas an Hakuei lehnte, den Kopf in den Nacken legte und begann, an dessen Hals zu knabbern. Dabei vergrub er auch noch eine Hand in Hakueis Haaren, weshalb er die Decke nur noch mit einer Hand hielt und diese ein paar Zentimeter nach unten rutschte, um seine schmalen Hüften und die Umrisse seiner Beckenknochen zu entblößen. Nachdem ich diese Szene verdaut hatte, schüttelte ich meinen Kopf etwas, um ihn wieder frei zu bekommen, und setzte ein zweites Mal an. „Ich wollte dir nur deine Jacke vorbeibringen, die du auf Kiyoharus Geburtstagsfeier...“ Rose saugte sich mit geschlossenen Augen und leise schnurrend an Hakueis Hals fest. „...vergessen hast“, beendete ich meinen Satz tonlos und versuchte, meinen Blick von Roses Lippen loszureißen. Hakuei nickte leicht, noch immer lächelnd, und nahm einen Zug von seiner Zigarette. „Das ist nett, danke. Ich hab mir gleich gedacht, dass das nicht meine war, ich hatte aber keine Lust mehr, wieder zurückzufahren. Baby, bist du so lieb und holst sie eben?“, fragte er an Rose gewandt und strich dem Angesprochenen kurz über den Bauch. Rose löste sich wieder von ihm und verschwand wortlos in der Wohnung. Was das Ganze nicht viel besser machte, denn so hatte ich freien Ausblick auf Hakueis Tattoos, die sich über seine Arme und teilweise auch über seine Brust zogen (er war nämlich nicht viel mehr bekleidet als Rose, hatte er doch wirklich NUR die Shorts an). Mir gefielen die beiden Vögel auf seiner Brust. ... Okay. Was um alles in der Welt tat ich hier? „Hier“, hörte ich Roses Stimme, und keine Sekunde später wurde Hakuei meine Jacke hingehalten. Der nahm sie und machte die Tür ein wenig weiter auf, sodass ich erneut eine schöne Aussicht auf Roses Körper bekam. So langsam beschlich mich das Gefühl, dass die beiden das Ganze hier absichtlich machten. Hakueis selbstzufriedenes Lächeln sprach zumindest dafür. Er flüsterte Rose kurz was ins Ohr, woraufhin der nickte, die Andeutung eines Lächelns erkennen ließ und sich wieder abwandte. Dieses Mal konnte ich allerdings sehen, wohin er ging – erst ein wenig den Flur hinunter und dann in eines der hinteren Zimmer rechts, offenbar das Schlafzimmer. Vorher ließ er es sich aber nicht nehmen, die Decke von seinen Hüften zu entfernen, weshalb ich für einen Sekundenbruchteil einen Blick auf seinen Hintern und seine langen Beine erhaschte. Erst, als Hakuei sich gegen den Türrahmen lehnte und einen weiteren Zug von der Zigarette nahm, wurde mir bewusst, dass ich gerade seinem Freund hinterher starrte. Auf der Stelle lief ich erneut tomatenrot an. „Uhm, tut mir leid, Hakuei, ich...“, sagte ich kleinlaut und verstummte dann. Hakuei grinste breit. „Wofür entschuldigst du dich jetzt?“, wollte er belustigt wissen. „Dass ich... deinen Freund so angestarrt habe...“ „...Als würdest du ihn aufessen wollen?“, beendete er meinen Satz und grinste wieder. Ich nickte verlegen. „Und warum entschuldigst du dich dafür? Du hast den Anblick doch genossen, oder nicht?“ Ich sah zu ihm hoch. „Stört dich das nicht?“ „Er macht es doch mit voller Absicht“, gab Hakuei lächelnd zurück. „Er lässt sich gerne anstarren. Und solange es dabei bleibt, tut es doch keinem weh, oder? Außerdem mag ich es, mit ihm anzugeben.“ Das konnte ich durchaus nachvollziehen. Mit Rose würde ich auch angeben wollen. „Aber du solltest dich nicht wagen, ihn ohne meine Erlaubnis anzufassen“, fuhr Hakuei leise fort und sah mir jetzt direkt in die Augen. „Denn wenn ich das mitkriege, dann kannst du dir ganz schnell die Radieschen von unten ansehen.“ Mit einiger Mühe gelang es mir, ein Nicken anzudeuten. „Okay“, murmelte ich. Jetzt wurde er wieder gruselig. „Aber wer weiß – vielleicht lassen wir dich ja mal mitspielen.“ Hakuei zuckte mit den Schultern, nahm sich die Zigarette aus dem Mund, beugte sich zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, ehe er seine Zigarette zwischen sie steckte. „Vielen Dank für die Jacke.“ Er zwinkerte mir zu, nahm seine Jacke aus meinen Händen, drückte mir meine hinein und machte seine Haustür vor meiner Nase zu. Und hinterließ einen Gara, der so durcheinander war, dass er erst einmal tief durchatmen musste. Und dabei natürlich die Zigarette vergessen hatte. ☆☆☆☆☆☆☆ ~☆~ „Also ich find’s gut, dass du trotzdem mitkommst, obwohl du eine Beziehung hast“, meinte Kirito und legte mir einen Arm um die Schultern, was mir nur gelegen kam, schließlich war es unheimlich kalt. Dankbar kuschelte ich mich etwas an ihn, erwiderte aber nichts. „Solange du es mit ihm abgemacht hast, ist ja alles kein Problem“, bemerkte Yasu nur und hakte sich seinerseits bei Kirito unter. Anscheinend fror er ebenfalls. Auch darauf sagte ich nichts. Ich erinnerte mich noch deutlich an mein und Kiyos Gespräch über die Weihnachtsparty. „Warum soll ich denn da hingehen?“, hatte ich ihn verständnislos gefragt. „Was soll ich denn da? Die meisten seh ich sowieso fast jeden Tag, mich betrinken kann ich auch alleine und zum Knutschen hab ich dich!“ Er hatte geseufzt. Ein typisches Kiyoharu-Seufzen, das einem zeigen sollte, dass man gerade an seiner Geduld zehrte. Trotzdem blieb er immer vollkommen ruhig. Es war bemerkenswert. „Es geht ums Prinzip, Süßer. Wenn die anderen wissen, dass du auch schwul bist, aber nicht zur Party gehst, sehen sie es als persönliche Beleidigung an.“ „Ich lass mir doch von denen nicht vorschreiben, wo ich hinzugehen habe!“ Ich war ein wenig ungehalten gewesen, weil ich nicht verstanden hatte, warum Kiyoharu mich dazu drängte, hinzugehen. „Dann beantworte mir doch mal eine Frage – möchtest du dich an deinem Arbeitsplatz wie zuhause fühlen oder nicht?“ Das hatte mir zu denken gegeben. Kiyoharu hatte natürlich Recht, ich wollte mich mit den anderen einfinden, endlich voll zu ihnen gehören und von ihnen akzeptiert werden. Ich hatte nämlich noch immer das Gefühl, dass ich ein Außenseiter war, zwar bekannt, aber dennoch anders als die anderen. Es hieß, ich sei der erste, der es ‚von der Straße’ so hoch geschafft hatte. Ich unterschied mich einfach von den anderen Models, und das war genau der Zustand, den ich zu ändern gedachte. Wobei Kiyoharu da vollkommen richtig lag – das schaffte ich nicht, indem ich mich von ihnen fernhielt. Allerdings stellte sich dann natürlich auch die Frage, ob man so weit gehen musste, um akzeptiert zu werden. Wie auch immer, wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich an der Feier teilnahm. Ich meine, ich wollte ja schon. Aber aus anderen Gründen als die von Kiyo angeführten. ... Wie auch immer, Kirito, Yasu und ich waren gerade auf dem Weg zu der Party, die in einem Hotel stattfinden sollte. Wie ich es aufgeschnappt hatte, hatte ein Model (dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, war wahrscheinlich nicht so bekannt) dieses Jahr für den Platz gesorgt. Wir hätten wohl eine komplette Suite für uns allein, mit ausreichend Schlafzimmern, sodass wir alle dort übernachten konnten. Praktisch, eigentlich. „Ich hoffe ja, dass es da eine eigene Minibar gibt“, begann Kirito und bekam einen verträumten Gesichtsausdruck. „Randvoll gefüllt...“ „Und hoffentlich haben wir eine Etage nur für uns“, fügte Yasu hinzu. „Vor allem, wenn wir eine Hi-Fi-Anlage kriegen.“ Kirito lächelte. „Dann wird’s lustig.“ „Aber ich bin froh, dass ich hinterher nicht aufräumen muss.“ Die beiden tauschten ein wissendes Grinsen aus, ehe sich Kirito an mich wandte. „Was ist mit dir los? Du bist so still. Kennt man gar nicht von dir.“ Ich runzelte die Stirn. „Hab ich so eine große Klappe?“ „DAS wollte ich nicht sagen!“ „Also, eigentlich ist nichts, aber... ich weiß nicht, was mich gleich erwartet, und wie ich darauf reagieren soll, ich bin einfach ein wenig... unsicher“, antwortete ich nachdenklich. „Awww, der Kleine hat LAMPENFIEBER!“, mischte Yasu sich ein und lächelte mich an. „Da brauchst du dir absolut keine Sorgen machen, wenn das Interessante anfängt, bist du sowieso schon so blau, dass es dich auch nicht mehr stört.“ Als wir endlich (ich spürte meine Finger schon nicht mehr) an dem Hotel ankamen, wurden wir bereits erwartet, oder zumindest sah es so aus. Ein komplett in schwarz gekleideter relativ junger Mann mit halblangen schwarzen Haaren stand am Eingang, eine Zigarette zwischen und ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Als wir näher kamen, trat er seine Zigarette aus und begrüßte uns jeweils mit einem Handschlag, wobei er mich noch einen Moment länger betrachtete als die anderen beiden. Wahrscheinlich, weil er mich nicht kannte. „Ich bin Gara“, stellte ich mich vor und hätte seine Hand fast nicht mehr losgelassen, weil sie unheimlich warm war. Und dabei trug der Kerl keine Jacke, sondern nur ein pechschwarzes Hemd. Aber er war hübsch, auf eine reservierte Art und Weise, dass man sich fast nicht traute, ihn länger als nötig anzustarren. „Ist mir bewusst“, antwortete er und musterte mich wieder kurz. „Mein Name ist Hazuki, und ich wette, dass du noch nie von mir gehört hast.“ Ratlos schüttelte ich leicht den Kopf, woraufhin er grinste und Kirito einen Blick zuwarf. „Ich sag es ja schon seit Jahren – auf Leute wie mich achtet niemand.“ Dann sah er mich wieder an, noch immer das Lächeln auf den Lippen. „Aber gesehen hast du mich doch bestimmt schon mal, oder?“ Jetzt konnte ich nicken. „Ich wüsste aber nicht, wo, tut mir leid...“, gab ich kleinlaut zurück. Das brachte ihn zum Lachen, ein leises Lachen, das nach vielen Jahren Schornsteinrauch klang. Versöhnlich klopfte er mir auf die Schulter und schob mich dabei ein wenig zum Eingang, woraufhin ich glücklich in Richtung Wärme stapfte. „Entschuldige dich nicht, du bist nicht dafür verantwortlich“, meinte Hazuki. „Ihr seid die letzten, die restliche Gesellschaft ist schon da.“ „Hast du extra auf uns gewartet?“, wollte Kirito wissen. Hazuki nickte. „Atsushi könnte doch nicht verantworten, dass sein Lieblingsgast nicht erscheint“, meinte er geheimnisvoll und blickte zu Yasu, der sich ein wenig hatte zurückfallen lassen. Als mir auffiel, dass ein gewisser Hunger in dem Blick lag, wusste ich, warum Kirito Yasus Dabei-Sein eine ‚Herausforderung’ genannt hatte. Offenbar sah Hazuki Yasu als genau das. Ich atmete erleichtert auf, als ich endlich die Schwelle der Eingangshalle überschritt und von warmer Luft begrüßt wurde. Während Kirito und Hazuki sich unterhaltend vorgingen, wartete ich auf Yasu und fragte ihn dann leise: „Was ist dieser Hazuki für einer? Woher sollte ich ihn kennen?“ „Auch ein Model“, antwortete Yasu ebenso leise. „Zwar fest bei GLAMOUR ☆ FASHION angestellt, aber er übernimmt hauptsächlich externe Angebote, weil er eher an dunklen Styles orientiert ist, entfernt in Richtung Gothic, aber nicht so extrem wie andere. Arbeitet auch gelegentlich in der Werbebranche, sein Gesicht hast du bestimmt schon mal unbewusst irgendwo gesehen, in GLAMOUR ☆ FASHION selbst kommt er nur selten vor. Als Mensch wäre er mir, wie ich es ausdrücken möchte, zu dunkel. Er ist ganz nett, aber bei ihm hast du immer das Gefühl, dass er, wenn er zuhause ist, erst einmal ein paar Tiere seziert.“ Ich sah Yasu an, woraufhin er nur lächelnd mit den Schultern zuckte. „Ich weiß, dass das abwegig ist, aber für mich tut er so was. Oder er buddelt Leichen wieder aus, um sie teuer als Anatomiemodelle an Universitäten zu verkaufen.“ „Auf diese Art habe ich mir vor meiner Zeit als Model meinen Unterhalt verdient, aber das habe ich schon längst wieder hinter mir, deshalb finde ich es unpassend, jetzt darüber zu sprechen“, meldete Hazuki sich zu Wort, der stehen geblieben und auf Yasu und mich gewartet hatte, was wir natürlich verpasst hatten. Yasu lief rot an, aber Hazuki zwinkerte ihm nur zu, formte etwas mit den Lippen, grinste und stieg dann als erster in den Aufzug. „Was hat er gesagt?“, wisperte ich Yasu zu. „Frischfleisch“, gab dieser zurück und runzelte die Stirn. „Und das, was mich beunruhigt, ist, dass ich nicht weiß, ob er dich oder mich meinte.“ Ich runzelte die Stirn und stieg als letzter in den Aufzug, weshalb ich Kiritos Frage nur halb mitbekam. „...alles da?“, fragte er und sah Hazuki an, der inzwischen wieder dazu übergegangen war, so mysteriös zu lächeln. Ich wusste nicht, ob er das absichtlich machte oder ob ich mir sein Lächeln nicht vielleicht lediglich einbildete. „Die Üblichen“, antwortete der Dunkle, woraus ich schloss, dass Kirito nach den Gästen gefragt hatte. „Jui, Hakuei, Rose – sind die beiden nicht wie füreinander geschaffen? –, Hiroto, Miyavi und natürlich Atsushi und ich. Und ihr drei. Insgesamt sind wir also 10 Leute.“ „Nur?“, rutschte es mir heraus, was mir einen kurzen Blick von Hazuki einbrachte. Irgendwie begann dieser Kerl, mir gruselig vorzukommen. Wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Der düstere und geheimnisvolle Graf, der in Wirklichkeit ein Vampir ist und nur freundlich tut, wobei er seinen Opfern immer wieder bedeutungsvolle Blicke zukommen lässt. ... Ich fing an, Yasu zu verstehen. „Am Anfang waren wir mal mehr“, gab Kirito zurück, worüber ich ihm sehr dankbar war, denn ansonsten hätte Hazuki mich wieder in diesem leicht vorwurfsvollen und gleichzeitig nachsichtigen Ton belehrt, als wäre ich ein Schulkind. „Aber sehr viele haben inzwischen einfach eine Beziehung, sind zu alt geworden oder haben keine Lust mehr. Aber glaub mir, in diesem Fall zählt eine Person locker für drei, wenn man der Lautstärke und Tatbereitschaft nach geht.“ „Zumindest, wenn man Hakuei oder Kirito heißt“, murmelte Hazuki leise. Mit einem ‚Ding!’ kündigte der Aufzug an, dass wir den gewünschten Stock erreicht hatten. Wir stiegen aus und ließen uns von Hazuki führen. Er ging den langen Gang entlang, an dem die Türen nicht, wie in normalen Hotels, nur einige Meter Abstand voneinander hatten, sondern hier waren es locker zehn Meter oder mehr. Die Zimmer (oder Suiten) mussten wohl wirklich sehr groß sein. Am Ende des Ganges stand eine Tür offen und ich hörte Stimmengewirr. Eine Stimme konnte ich bereits direkt ausmachen – Miyavis. Die KONNTE man nicht verwechseln. Aber ich hörte auch zwei Stimmen, die mir nicht bekannt vorkamen. Aber außer diesem Atsushi kannte ich doch sonst alle, oder? Als ich allerdings zusammen mit Kirito, Yasu und Hazuki das Zimmer betrat, wurde mir klar, warum ich die Stimmen nicht kannte – einmal redete Miyavi, dann jemand, den ich noch nie gesehen hatte und Rose. Wie sollte ich auch Roses Stimme erkennen können, wenn er fast nie in meiner Gegenwart redete? Und vor allem nicht mit mir. Jetzt, wo ich darüber nachdachte, bei der Szene mit ihm und Hakuei vor ein paar Wochen hatte er mir noch nicht mal meine Jacke selbst geben können, sondern sie erst Hakuei hingehalten. Hm. War ich ihm so unsympathisch, hatte er Angst vor mir? Jetzt auch wieder – gerade hatte er sich noch lächelnd mit Hakuei unterhalten, doch als er mich bemerkte, wechselte sein Gesichtsausdruck wieder zu einem Drittel Neutralität, ein Drittel Neugier und ein Drittel Beherrschung. Sein Lächeln war wie weggewischt. Als jemand ein „YAAAAY!!!“ kreischte, zuckte ich zusammen und sah gerade noch so eben etwas Buntes auf mich zuspringen, dann fiel mir jemand um den Hals und ich fast hintenüber, hätten mich Kirito und Yasu nicht gerade noch so festgehalten (ich glaube, Hazuki war extra einen Schritt nach hinten getreten – na danke auch). Nachdem ich wieder einigermaßen meine Balance wiedergefunden und der Typ sich von mir gelöst hatte, wurde ich direkt von ihm angestrahlt. „Ich freu mich auch, dich zu sehen“, murmelte ich. Miyavi strahlte noch mehr. „Hi! Ich glaube, ich kenn dich gar nicht, oder?“ Er legte den Kopf schief. „Ich bin Gara“, half ich ihm auf die Sprünge, woraufhin er mir kurzerhand einen Kuss auf die Wange drückte. „Genau! Ich WUSSTE, ich kenne dich!“ Damit schob er mich ins Zimmer und fiel über Kirito und Yasu her. Ein wenig aus der Fassung gebracht durch diesen unerwarteten Überfall stand ich mitten im Raum und musste mich erst einmal sammeln, ehe ich mich umsah. Das Zimmer war ziemlich groß, mit mehreren Tischen, vielen Sofas und Sesseln und einem flauschigen roten Teppich, der mich an Kiyos Sofa erinnerte. Sofort fühlte ich mich wohl. Die Gäste hatten es sich bereits in einer Sitzecke gemütlich gemacht, Hakuei und Rose saßen aneinander gekuschelt auf einem Sofa, Jui kuschelte sich in einen Sessel und der, dessen Stimme ich wahrscheinlich bereits draußen gehört hatte, saß auf einem anderen Sofa und unterhielt sich mit Jui. Der Typ war – milde gesagt – süß. ... Wenn man korrekt sein wollte, dann müsste man sagen, dass er das niedlichste, flauschigste und putzigste Ding war, was ich je in meinem ganzen Leben gesehen hatte, aber wir wollen ja nicht zu übertrieben wirken. Er hatte halblange ursprünglich schwarze Haare, die zu großen Teilen blond gefärbt waren, einen Schmollmund, einen angenehm hellen Teint und war vergleichsweise bunt angezogen. Und er lächelte so, dass dabei sicherlich viele Frauen in Ohnmacht gefallen wären. ... Gut, aber ich war keine Frau, von daher konnte ich ruhig bei Bewusstsein bleiben. Das musste Atsushi sein – er war schließlich der einzige, den ich hier nicht kannte, außer Hazuki natürlich. Aber von Hazuki wusste ich, dass er nicht Atsushi war, denn sonst hätte er von ihm nicht in der dritten Person gesprochen. Obwohl, wer weiß, vielleicht war er schizophren und seine zweite Persönlichkeit hieß Atsushi. ... Wie auch immer. Ich wartete, bis Jui und der süße Typ zuende geredet hatten, und lächelte ihn dann an. „Uhm... du bist doch Atsushi, oder?“ Hakuei prustete los, Rose versteckte sein Grinsen an Hakueis Schulter, selbst Jui musste sich sichtbar das Lachen verkneifen, während das Flausche-Ding mich vollkommen irritiert anblinzelte. Oh. Anscheinend doch nicht. „Entschuldige, Gara, aber ... das war gerade ein wenig ironisch“, bemerkte Jui und versuchte sich an einem mitfühlenden Lächeln. „Ich stell euch mal vor, Gara, das ist Hiroto, Hiroto, Gara.“ Ich lächelte Hiroto entschuldigend an. „Tut mir leid, aber du warst der einzige hier, den ich nicht kenne, und deshalb habe ich gedacht...“ Er winkte ab, ebenfalls lächelnd, woraufhin ich ihn am liebsten geknuddelt hätte. „Kein Problem, persönlich kenne ICH hier nur Miyavi, von daher...“ „Ja, er hat mich mit Kirito angesprochen und mich gefragt, seit wann ich einen Freund hätte“, meldete Hakuei sich grinsend zu Wort. „Da kann ich doch nichts für, wenn ihr euch so ähnlich seht!“, verteidigte Hiroto sich beinahe beleidigt. Hakuei musste lachen. „Kiri, hast du das gehört?“ Kirito, der offenbar endlich durch die Tür gekommen und dessen Frisur nur ein kleines bisschen zerstört war, sah zu uns. „Eh?“ „Wir sehen uns so ähnlich, dass man uns verwechseln kann, wusstest du das?“ Der Angesprochene wirkte sowohl beinahe entsetzt als auch entrüstet. „Was??“ „Ich hab mich halt vertan!“, meldete Hiroto sich hilflos zu Wort und verbeugte sich in beide Richtungen, zu Hakuei und Kirito. „Tut mir leid...“ „Ist doch nicht schlimm.“ Hakuei zwinkerte ihm zu. „Als ich hier angefangen habe, wusste ich nicht, wer der Chef war, und hab Miya für meinen persönlichen Pagen gehalten. DAS war peinlich.“ Das brachte Hiroto zum Grinsen, obwohl er immer noch ein wenig verlegen schien. „Bist du neu bei uns? Ich hab dich vorher nämlich auch noch nie gesehen“, fragte Rose, was mich einerseits überraschte und andererseits auch ärgerte. Mich hatte er das nie gefragt, sondern einfach meine Anwesenheit geflissentlich ignoriert. ... Arroganter Kerl. „Relativ neu, ja“, antwortete Hiroto, noch immer lächelnd. „Ich bin erst seit ungefähr zwei Monaten fest dabei.“ Just in diesem Moment ging irgendwo eine Tür auf und alle wandten sich zu dem Geräusch um. In einem der vielen Türrahmen, die von diesem Zimmer ausgingen (und höchstwahrscheinlich zu den Schlafzimmern führten), stand ein vergleichsweise alter und dennoch ziemlich attraktiver Typ. Er war, ähnlich wie Hazuki, ganz in schwarz gehüllt, wirkte dabei unheimlich elegant, und gleichzeitig ebenfalls ein wenig unheimlich. Ich muss zugeben, ich hätte ihn als gutaussehend bezeichnet, aber er war nicht mein Typ. „Sind jetzt alle da? Wie schön“, sagte er und lächelte in die Runde, während er sich zu uns gesellte. „Ich denke, ihr kennt euch bis auf Hiroto alle untereinander, deshalb...“ Dann fasste er mich ins Auge. „Oh, Verzeihung. Dir sollte ich mich vielleicht noch vorstellen, mein Name ist Atsushi Sakurai, ich bin der heutige Gastgeber.“ Er deutete eine höfliche Verbeugung an, die ich sofort erwiderte. „Du hast wahrscheinlich noch nichts von mir gehört, was ich dir auf keinen Fall übel nehmen werde, aber du solltest wissen, dass du ohne mich heute hier nicht stehen würdest.“ „Wir alle nicht“, betonte Hazuki lächelnd, woraufhin Atsushi ihm zunickte. „Wie auch immer. Damit auch Hiroto sich hier leichter einfindet, stellt euch doch alle einmal vor und erzählt etwas von euch, damit er sich eure Namen besser merken kann.“ Als ich an der Reihe war, hätte ich fast gesagt ‚ich bin Gara, derjenige, der dich mit Atsushi verwechselt hat’, ließ es aber, weil mir das Ganze inzwischen ziemlich peinlich war. Ich meine – wer würde schon HIROTO, den putzigen und fluffigen Fratz, mit ATSUSHI, dem reifen und düsteren älteren Mann, verwechseln?! Also krassere Gegensätze hätte man wirklich nicht finden können. Deshalb hatten wahrscheinlich auch alle lachen müssen. Na ja. „Gut, da jetzt erst sieben Uhr ist, würde ich sagen, dass ihr euch erst einmal noch ein bisschen amüsiert und wir um acht Uhr anfangen, ja?“, schlug Atsushi vor und blickte in die Runde. Wir nickten zustimmend, auch, wenn ich nicht ganz wusste, womit wir dann anfangen würden. Aber das würde ich dann schon mitkriegen. Und wenigstens war ich nicht der ‚Jüngste’ hier, also wusste nicht nur ich nicht, was einen erwartete. „Die Bar ist offen, ihr könnt euch bedienen, wie ihr wollt, wenn ihr irgendwelche Wünsche habt, sagt einfach Bescheid. Viel Spaß.“ Atsushi lächelte erneut. Unvermittelt stieg in mir das Bild auf von Atsushi als liebevoller Priester, der über seine Schäfchen wachte. So fühlte ich mich gerade, ein wenig von ihm bemuttert. Konnte auch nur daran liegen, dass er so alt war im Vergleich zum Rest hier. Egal. Ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um. Yasu hatte sich in einen Sessel gepflanzt und Kirito saß neben ihm auf der Armlehne. Hm. Miyavi hatte sich zu Hiroto auf das Sofa gesetzt und Hazuki und Atsushi standen ein wenig abseits und schienen sich zu beraten. Vom Auftreten her ähnelten sie sich sehr, und auch bei dem Eindruck, den sie bei mir hinterlassen hatten. Von beiden erwartete ich irgendwie, dass sie zuhause eine Bibliothek mit Horrorfilmen aufmachen könnten. Gruselig. „Gara?“ Ich drehte mich um. Hakuei schenkte mir ein Lächeln. „Setz dich.“ Ganz bestimmt NICHT. Erstens müsste ich dann neben Rose sitzen, weil auf Hakueis anderer Seite kein Platz mehr war, und darauf hatte ich keine Lust. Ich wollte nicht wieder die ganze Zeit angeschwiegen werden, das musste ich nicht haben. Zweitens verstand ich nicht, warum Hakuei mich dazu aufforderte – wir hatten doch so gut wie nichts miteinander zu tun, und unsere erste Begegnung war nicht gerade positiv verlaufen. Drittens wollte er mich doch ganz sicher nur wieder verarschen. Als ich nicht reagierte, hob Rose den Blick, deutete ein Lächeln an und klopfte neben sich auf das Sofa. „Ich denke, ich sollte dir erst mal erklären, wer Atsushi ist, oder?“, fragte Hakuei mich, nachdem ich mich auf der Couch niedergelassen hatte. Daraufhin nickte ich, während ich mich noch fragte, warum um alles in der Welt ich meine Meinung so radikal nur wegen eines Lächelns geändert hatte. „Mir kommt sein Name ganz entfernt bekannt vor, aber wer er ist, weiß ich nicht...“ „Dann wird es ja mal höchste Zeit, so gut wie allen, die bei GLAMOUR ☆ FASHION arbeiten, ist er ein Begriff. Er hat gerade gesagt, dass wir ohne ihn nicht hier stehen würden – das liegt daran, dass er schon seit fast zwanzig Jahren für die Zeitschrift arbeitet.“ „Zwanzig? Aber Miya und Kiyoharu sind doch erst seit zwölf...“ Ich brach ab und nickte langsam. „Ach so, dann war er also schon VOR ihrer Zeit als Chefs Model bei GLAMOUR ☆ FASHION...?“ Hakuei lächelte. „Genau. Er hat die Zeitschrift überhaupt erst über Wasser gehalten. Schon damals hat er gelegentlich für die Gothic Lolita Bible gemodelt, daher kannten ihn einige Leute aus der Szene, die sich dann auch GLAMOUR ☆ FASHION geholt haben. Durch diese Einnahmen hat der damalige Redakteur so viel verdient, dass er weitermachen konnte – sonst hätte er schon viel früher aufgegeben.“ Beeindruckt nickte ich wieder. „Wow... die Gothic Lolita Bible kenn ICH sogar.“ Ich war mal mit einer Lolita zusammen gewesen, die jedes Mal ausgeflippt war, wenn eine neue Ausgabe rausgekommen ist... Ziemlich nervig. Aber na ja. „Es gibt viele bei GLAMOUR ☆ FASHION, die mal für die GLB gearbeitet haben“, bemerkte Hakuei. „Und zwar nicht nur Leute wie Atsushi und Hazuki, sondern auch zum Beispiel Jui. Und Miyavi.“ „Und du“, murmelte Rose, der seinen Kopf an Hakueis Schulter gelehnt hatte und die anderen Gäste zu beobachten schien. „Du auch?“, fragte ich. Hakuei nickte grinsend. „Schon ein paar Mal, wobei es teilweise schon recht... seltsame Shootings waren. Einmal war es eine Fantasiewelt, da musste ich Koboldohren tragen, bunte Flügel, eine weiße Haarmähne, die an den Spitzen rosa gefärbt war, über schwarzen Haaren, die an den Spitzen blond gefärbt waren. Und dann ganz in weiß mit einer roten Rose auf der Brust. Und es gab auch noch einen König mit Babyface, blonden Korkenzieherlocken und Schnurrbart.“ Er musste lachen. „Oder der Comic“, warf Rose ein. „Ja, genau!“ Er lachte wieder. „Einmal durfte ich mir ein pechschwarzes Bärenkostüm anziehen, mit Tatzen und Fellkapuze und allem, dann wurden mir noch pinke und schwarze Federn auf die Brust und ins Gesicht geklebt und das war dann ein Dämon.“ „Du sahst echt böse aus, zum Fürchten“, meldete Rose sich wieder zu Wort und lächelte. „Vor allem deine Püschelohren.“ „Hört sich interessant an“, grinste ich. „Die Bilder würde ich gerne mal sehen.“ „Kann ich dir gerne zeigen, ich hab sie noch zuhause“, erwiderte Rose und sah mich lächelnd an. „Aber du wirst ihn danach nie mehr ansehen können, ohne dich totzulachen, ich warn dich nur mal vor.“ Wow. Für einen Moment war ich sprachlos. Nicht nur, dass er mich anlächelte, sondern er sprach mich sogar an und war bereit, mir einen Gefallen zu tun! Was war denn in ihn gefahren...? „Die HAST du noch?“, wollte Hakuei erstaunt wissen. Rose nickte. „Klar hab ich die noch. Glaubst du, dass ich auch nur ein einziges Bild von dir wegschmeißen würde?“ „.... Okay, aber versprich mir, dass du sie keinem zeigst. Außer Gara.“ Der Blonde nickte erneut. „Versprochen.“ Damit drückte er dem anderen einen Kuss auf die Lippen. „Holst du mir bitte was zu trinken? Irgendwas Süßes, ja? Und für Gara Bier.“ Hakuei stimmte zu, ließ sich erneut küssen und verschwand anschließend. Ich war, um es gelinde auszudrücken, entgeistert. Rose sprach nicht nur mit mir, wollte, dass ich neben ihm saß, lächelte mich an, wollte etwas für mich tun und mich dafür offenbar zu sich nach Hause einladen, nein, er hatte sich auch noch gemerkt, was ich an Kiyos Geburtstag getrunken hatte! Ich starrte ihn an. ... Schlechte Idee. Von Nahem war er noch hübscher als sowieso schon. Als er meinen Blick erwiderte, lächelte er zum wiederholten Mal. „Was ist?“, fragte er sanft. „Du... bist komisch“, gab ich zögernd zurück. „Erst ignorierst du mich komplett, und jetzt...“ „Ich hab dich ignoriert?“, wiederholte er und schüttelte langsam den Kopf. „Ich hab alles gemacht, außer dich zu ignorieren. Meinst du, jedem anderen hätte ich so viel von mir gezeigt?“ Unwillkürlich dachte ich an seinen nackten Hintern zurück und lief rot an. Er grinste. „Meinst du, jedem anderen hätte ich so eine Show geliefert? Meinst du, ich hätte jeden anderen neben mir sitzen lassen, dass er mich fast berührt?“ Da runzelte ich die Stirn. Das klang dann doch ein bisschen ZU arrogant für mich. „Ich lasse mich nicht gerne berühren“, erklärte er, als könnte er meine Gedanken lesen. „Ich weiß selbst nicht, warum, aber bei fast allen fühle ich mich äußerst unwohl, wenn ich berührt werde. Ansehen, kein Problem, aber nicht anfassen. Es braucht schon ein gewisses Vertrauen, bevor ich das zulasse.“ „Und reden tust du auch nicht mit jedem“, fügte Hakuei hinzu, der gerade wieder aufgetaucht war und mir eine Flasche Bier, Rose eine Flasche Wodka hinhielt. Ich nahm sie und bedankte mich, Rose runzelte die Stirn. „Willst du, dass ich mich besaufe?“ „War nichts anderes Süßes da.“ Hakuei zuckte die Achseln. „Zumindest nichts, was du magst.“ „Hm. Trotzdem danke.“ Die beiden küssten sich wieder, diesmal etwas länger. Das brachte mich auf einen Gedanken. „Was machst du dann eigentlich überhaupt hier?“, wollte ich irritiert von Rose wissen. Der sah mich erstaunt an. „Was meinst du?“ „Ich meine, hier auf der Party, wenn es hier doch ein wenig... ausgelassener zugeht...“ „Solange es beim Küssen bleibt, ist alles okay“, meinte er nickend. „Damit hab ich kein Problem.“ „Er ist ein wenig schizophren“, warf Hakuei lächelnd ein. „Lässt sich nicht von Fremden anfassen, aber dafür küssen.“ „Küssen finde ich nicht so bedrohlich!“, verteidigte sich sein Freund. „Wenn jemand es schafft, dich mit seinem Mund tödlich zu verletzen, dann sag Bescheid...“ „Man kann beißen“, bemerkte ich. „Aber selbst dann kann ich mich doch noch wehren. ...Ich bin einfach seltsam.“ Rose seufzte. „DU bist seltsam?“, fragte Hakuei beinahe amüsiert. „Ausgerechnet DU? Wer von uns beiden ist denn früher wie ein weiblicher Punk rumgelaufen, hm?“ „...Willst du jetzt unbedingt seltsam sein, oder was?“ „Ich finde es nur komisch, dass ausgerechnet DU dich als seltsam bezeichnest.“ „Ich BIN seltsam!“ „Nein, neben mir ganz bestimmt nicht!“ „Stimmt, du bist schon seltsam genug, dass du auf jemanden wie mich stehst.“ „Warum soll DAS seltsam sein?“, wollte der Schwarzhaarige irritiert wissen. „JEDER steht auf dich, er gibt es nur nicht zu.“ „Unsinn.“ „Nein, wirklich! Man kann gar nicht NICHT auf dich stehen!“ „Das geht ganz einfach, Gara zum Beispiel steht nicht auf mich“, meinte Rose schnippisch und drehte sich zu mir. „Nicht wahr?“ Ich machte den Mund auf. .... Und wieder zu. „Gara? Hast du einen Moment Zeit?“, sprach Yasu mich an. So, wie es aussah, war Kirito dazu übergegangen, sich mit Hazuki und Atsushi zu unterhalten. Innerlich atmete ich auf. „Wir... klären das später, ja?“, strahlte ich Hakuei und Rose an, die mich noch immer erwartungsvoll anschauten, stand auf und flüchtete beinahe zu Yasu. Hinter mir hörte ich die beiden weiterdiskutieren. Yasu sah kurz zu ihnen, runzelte die Stirn und bedeutete mir, dass ich mich zu ihm setzen solle. „Ich habe euch doch nicht gestört, oder...?“ „Nein, das war... perfektes Timing“, antwortete ich fast schon gequält lächelnd. „Es wurde mir gerade ein wenig zu... brenzlig. Na ja. Was ist denn?“ Er musterte mich einen Moment misstrauisch, wozu er auch allen Grund hatte, schließlich benahm ich mich wirklich nicht normal, und vergewisserte sich dann mit einem Blick über die Schulter, dass Kirito und die beiden Dunklen außer Hörweite waren. „Es ist wegen Kirito“, flüsterte er. „Er benimmt sich in letzter Zeit ziemlich... seltsam.“ Und da waren wir wieder bei dem Thema ‚seltsam’. ... Ich verscheuchte diesen Gedanken, und versuchte mich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Inwiefern seltsam?“ „Na ja, er scheint ständig zu telefonieren, und wenn irgendjemand in Hörweite ist, legt er sofort auf, dann hat er in den letzten Wochen fast konstant schlechte Laune gehabt... und es scheint wirklich was Ernstes zu sein, denn er versucht, es zu unterdrücken. Wenn es wegen irgendetwas Kleinem wäre, würde er seine Wut sofort rauslassen, aber so... Ich glaube, es ist was Wichtiges. Das Problem ist, dass er nicht mit sich reden lässt, wenn ich ihn darauf anspreche, dann weicht er mir sofort aus, redet nicht mit mir oder ist eingeschnappt. Und hinterher entschuldigt er sich immer ausführlich und lässt nicht locker, bis ich ihm verziehen habe.“ Yasu sah mich besorgt an. „Und allein DAS wäre schon schlimm genug, früher hat er sich nämlich nie um mich gekümmert...“ Ich hatte mit gerunzelter Stirn zugehört und fuhr mir jetzt ratlos durch die Haare. „Ich muss zugeben, dass mir das nicht so bewusst aufgefallen ist...“ Yasu winkte ab. „Klar, du warst ja auch frisch verliebt und musstest das Ganze wahrscheinlich erst einmal verdauen, mach dir da keine Vorwürfe, aber ich hab mich in letzter Zeit öfter mit Kirito getroffen, deshalb hab ich es bemerkt... Und gerade hab ich ihn wieder darauf angesprochen, da ist er einfach aufgestanden und weggegangen. Das ist doch nicht mehr normal! Ich mach mir wirklich Sorgen um ihn...“ Er warf einen kurzen Blick zu dem Objekt unserer Unterhaltung. „Hm. Hört sich wirklich nicht schön an“, stimmte ich ihm zu. „Kann ja nichts mit der Arbeit zu tun haben, da läuft alles wie immer... hat er eigentlich im Moment einen Freund?“ „Ich weiß es nicht genau“, antwortete Yasu vorsichtig. „Er lässt manchmal Andeutungen in der Hinsicht fallen, aber sicher bin ich mir nicht... wobei es dann natürlich am wahrscheinlichsten wäre, dass es irgendwas mit seinem Typ zu tun hat.“ Ich nickte und trank einen Schluck Bier, während ich nachdachte. „Vielleicht krieg ich ja mehr aus ihm raus, ich kann’s ja mal versuchen. Und wenn er bei mir genauso reagiert wie bei dir, dann reden wir noch mal.“ Er stimmte zu, noch immer ziemlich beunruhigt wirkend. Ich blickte ihn von der Seite an. „Sag mal... warum machst DU dir eigentlich solche Sorgen um ihn?“, fragte ich langsam. „Weil...“, setzte Yasu an, überlegte kurz und begann dann von neuem. „Weißt du, bevor ich dich kannte, war Kirito für mich so etwas wie Hakuei und Jui für dich vor deinen Hachi Pe-ji. Jemand beinahe Unerreichbares.“ „...aber du kanntest Hakuei und Jui doch da schon lange, und Kirito war doch längst nicht so berühmt wie sie“, wandte ich irritiert ein. Yasu lächelte. „Klar, aber Kirito kannte ich nicht. Und von ihm hatte ich nur gehört, dass er einmal ziemlich leicht wütend wurde und das an allem ausließ, das nicht lebte und bei drei nicht auf dem Baum war, dass er, was seine Arbeit anging, sehr anspruchsvoll war, und dass er auf Männer stand. Das kombiniert mit einigen Erlebnissen, die ich mit ihm hatte, als er betrunken war...“ „Eh?“ Ich musste grinsen. „Was darf ich mir darunter denn vorstellen?“ „Na ja, beim ersten Mal, als er in meiner Gegenwart betrunken war, waren wir auf irgendeiner Feier, und irgendwann tauchte er neben mir auf und wollte mich küssen. Nachdem ich ihm da und auch noch am nächsten Tag ordentlich die Meinung gesagt hatte, ging er dazu über, ständig bei mir angeschmust zu kommen. Wirklich, jedes Mal, wenn er was getrunken hatte, saß er früher oder später neben mir und kuschelte mit mir. Und dabei kannten wir uns gar nicht! Wie auch immer, insgesamt respektierte ich zwar seinen Status, hielt aber nicht viel von seinem Charakter. Für mich war er ein sehr erfolgreiches Model, streitsüchtig, notgeil und besser nicht in meiner Umgebung. Wenn ich musste, unterhielt ich mich auch mit ihm, aber oft war das nicht. Und so war der Stand, als wir dich kennen lernten.“ „Ich wusste gar nicht, dass ihr euch da so wenig kanntet“, murmelte ich kleinlaut, weil ich das Gefühl bekam, dass viele Dinge, die ich hätte bemerken sollen, unbeachtet an mir vorbeigegangen waren. „Wegen dir haben wir uns doch erst richtig kennen gelernt“, erwiderte Yasu lächelnd. „Na ja, was heißt kennen gelernt... ich habe ihn mal angemacht, warum er sich nicht um dich gekümmert hat in deinen drei Anfangsmonaten, woraufhin er eine Weile schlecht auf mich zu sprechen war, aber dann... Wenn wir uns irgendwo zufällig begegnet waren, sprach er mich meistens an und unterhielt sich mit mir über irgendetwas. Ich meine, ich hatte nichts dagegen, er konnte ja nett sein, wenn er wollte, aber seltsam fand ich es trotzdem. An Kiyos Geburtstag dann, kurz, bevor du aufgetaucht bist, haben wir uns noch mal unterhalten und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir uns eigentlich ganz nett finden und da wir sowieso beide mit dir befreundet sind, könnten wir auch miteinander befreundet sein. Und dann...“ Er zuckte mit den Schultern. „Es hat halt alles gepasst. Inzwischen sind wir richtig gute Freunde, was mich natürlich freut, und deshalb mache ich mir auch Sorgen um ihn.“ „Ach so.“ Ich nickte langsam. „Gut, das wusste ich alles nicht.“ Dann schob ich die Unterlippe vor. „Mir erzählt ja auch niemand was.“ Yasu lachte und wuschelte mir durchs Haar. „Entschuldige. Von jetzt an erfährst du von jedem kleinsten Detail in meinem Leben.“ „Also SO extrem muss es ja nun auch nicht sein.“ Ich trank einen weiteren Schluck aus meiner Flasche und merkte dann erst, dass sie bereits leer war. Hm. War mir gar nicht aufgefallen. „Weißt du, wo hier die Bar ist?“, fragte ich Yasu, was er allerdings verneinte. Diskret schielte ich zu Kirito, der sich nur noch mit Hazuki unterhielt, Atsushi hatte offenbar in Miyavi einen neuen Gesprächspartner gefunden. Aber sie alle schienen wirklich in das Gespräch vertieft, daher wollte ich sie nicht stören. Ich sah zu Hakuei und Rose, aber obwohl die beiden nicht redeten, waren ihre Münder doch anderweitig beschäftigt. Okay, blieben nur noch Jui und Hiroto. Mich bei Yasu entschuldigend, dass ich ihn alleine sitzen ließ, stand ich auf und ging zu ihnen. „Entschuldigt, weiß einer von euch, wo hier die Bar ist?“, fragte ich höflich. Zu meinem Erstaunen nickte Hiroto auf die Frage, schenkte mir eins von seinen den Tag schöner machenden Lächeln und stand ebenfalls auf. „Ich wollte auch gerade gehen.“ Ich musste mich beherrschen, ihn nicht einfach anzuspringen, weil er so putzig war, und folgte ihm in das Zimmer, aus dem Atsushi vorher gekommen war. Das würde auch erklären, was er dort gemacht hatte. „Du bist Gara, oder?“, wollte Hiroto vorsichtig wissen und sah mich an, als würde ich ihn gleich anschreien oder so was. Ich nickte und er strahlte. „Gut, ich hatte schon Angst, dass ich mich vertun würde, und dabei hab ich doch deine acht Seiten selbst gelesen, nur wenn man mit einem Mal mit so vielen Namen konfrontiert wird, dann vergisst man einige schon mal... Also, wenn ich dich mal mit falschem Namen ansprechen sollte, berichtige mich einfach und nimm es mir bitte nicht übel, das ist dann keine Absicht, sondern einfach nur meine Verpeiltheit, ich hätte es wissen sollen, dass ich nicht so einfach die Agentur wechseln könnte, zumindest, dass es nicht SO einfach werden würde... obwohl, das wusste ich eigentlich schon, und im Endeffekt ist alles viel glatter gelaufen, als ich gedacht hätte, aber... Na ja. Ich hab es trotzdem nicht so sehr mit Namen. Das musst du mir verzeihen.“ Er lächelte wieder. „Du warst vorher bei einer anderen Zeitschrift?“, wollte ich interessiert wissen. „Wo denn?“ Hiroto rümpfte die Nase. „Keine andere Zeitschrift, aber eine Modefirma, die sich darauf spezialisiert hat, Models zu vermitteln und ihre eigenen Modekollektionen zu promoten, ich weiß nicht, ob dir der Name ‚Vanilla Sky’ etwas sagt, wenn nicht, ist nur besser so. Aber Gackt ist dir doch ein Begriff, oder? Gut. So was wie Miyas ärgster Feind, zumindest ist es so aus Gackts Sicht. Wo er nur kann, zieht er über GLAMOUR ☆ FASHION und besonders Kiyoharu her, obwohl ich gehört habe, dass Gackt, als er noch jünger war, einen ‚Unfall’ – ich weiß nicht, ob es wirklich einer war – hatte und sich deshalb das Gesicht operieren lassen musste, und da hat er sich Kiyoharu als Vorbild genommen, obwohl das nur Gerüchte sind, aber es könnte durchaus was dran sein, er war mal ein riesiger Fan von ihm. Wie auch immer, ich war bei seiner Agentur, und da ist es die Hölle. Du bist pro Tag ungefähr zwölf Stunden im Dienst, wenn möglich, noch länger, du musst ständig von einem Ort zum anderen hetzen, du bist überall zu spät dran, weil du unmögliche Stundenpläne vorgesetzt bekommst, und wenn du auch nur ein Shooting versäumst, stehst du schon mit einem Bein auf der Straße. Er macht wirklich unheimlich viel Druck und ist fast nie zufrieden – ein Perfektionist halt. Manche kommen mit ihm wunderbar klar, aber nicht alle – ich zum Beispiel, ich muss nicht ständig diesen Leistungsdruck haben und runtergemacht werden, wenn ich irgendetwas mache, das ihm nicht gefällt, und wenn ich etwas mache, was er okay findet, sieht er es als Selbstverständlichkeit an, sodass ich noch nicht mal gelobt werde! Furchtbar. Und arrogant ist er, unheimlich in sich selbst verliebt, sein gesamtes Haus besteht nur aus Spiegeln, das kannst du dir nicht vorstellen. Und die meisten seiner Models sind auch so, unheimlich hochnäsig, schauen ständig auf dich herab, wenn du auch nur eine Stufe unter ihnen stehst, und sie versuchen ständig, sich hochzuarbeiten, und das mit allen Mitteln, einige KÖNNEN sich nur hochgeschlafen haben, so wenig Talent, wie sie haben... aber sobald Gackt davon Wind bekommt, sind sie draußen. Na ja, ich hatte auf jeden Fall die Nase voll und habe beschlossen, hierhin zu wechseln, um ihn zu ärgern.“ „Nur deshalb?“, fragte ich grinsend. Hiroto erwiderte das Grinsen. „Eigentlich schon, ja, aber inzwischen fühle ich mich bei euch richtig wohl, es ist alles so entspannt im Vergleich, außerdem seid ihr alle viel sympathischer, man kriegt keinen Druck von oben und das Klima ist allgemein viel angenehmer. Ich bereue es nicht, hierhin gekommen zu sein, vor allem wegen der drei Chefs.“ Jetzt grinste er wieder. „Miya und Kiyoharu scheinen ziemlich nett zu sein, und Hyde hat sich aufopfernd um mich gekümmert, richtig schön. Eigentlich erwartet man ja, dass die Chefs einen ignorieren und nur zu einem kommen, wenn sie was von einem wollen, aber Hyde kümmert sich auch in seiner Freizeit um mich, hat mir alles gezeigt, stellt mich vielen Leuten vor... Er ist richtig cool.“ „Ha?“, machte ich. „HYDE kümmert sich um dich? Nicht Kiyoharu?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, der hat sich mir vorgestellt, mir ein bisschen was über GLAMOUR ☆ FASHION erzählt und das war’s. Hyde dagegen...“ Während er weiterredete (er schien gerne und vor allem VIEL zu reden), versuchte ich, diese Neuigkeit zu verdauen. Hyde kümmerte sich um Hiroto? Na ja, vielleicht war er sein Typ, sie waren zumindest beide recht klein. Hmm... „Hiroto?“, unterbrach ich ihn. „Ja? Oh, entschuldige, rede ich zu viel? Das passiert mir manchmal, dann kann ich mich nicht bremsen, und-“ „Steht Hyde auf dich?“ Diese Frage brachte ihn aus dem Konzept. Er blinzelte mich kurz an und schüttelte dann langsam den Kopf. „Nein, eigentlich nicht, zumindest macht er nicht den Eindruck... Es könnte natürlich sein, aber wenn, dann weiß er es ziemlich gut zu verstecken. Vor allem war ER es, der mir von dieser Party hier erzählt hat. Warum?“ „Na ja, normalerweise kann Hyde kein Model leiden, das schon etwas bekannter ist...“ „Das liegt daran, dass er eifersüchtig ist“, mischte sich jemand in unser Gespräch ein. Wir drehten uns um und bekamen ein Lächeln von Atsushi, der anfing, ein wenig in dem großen Kühlschrank zu wühlen. „Inwiefern eifersüchtig? Auf ihren Erfolg?“, wollte ich wissen. „Darauf, dass sie Kiyoharu nahe stehen“, antwortete der Gastgeber, ohne aufzusehen. „Einfach nur darauf.“ Er hatte offenbar gefunden, was er suchte (sah nach irgendetwas Hochprozentigem aus), stand auf und wandte sich mir und Hiroto zu. „Weil er ihn liebt.“ Das brachte MICH aus dem Konzept. „....was?“ Atsushi schaute mich an. „Kiyoharu und Hyde waren zusammen auf der Mittelschule, haben sich aber dann aus den Augen verloren, worüber Hyde sehr unglücklich war, er hatte sehr an Kiyo gehangen. Dann, als Kiyoharu und Miya anfingen zusammenzuarbeiten, wurde ziemlich schnell klar, dass sie noch jemanden brauchten, und als Kiyo und Hyde sich irgendwann zufällig auf der Straße trafen... Es war fast schon Schicksal. Die drei schlossen sich zusammen und wurden innerhalb kürzester Zeit ziemlich dicke Freunde. Was dann genau kam, kann ich dir leider nicht erzählen, weil ich ansonsten gesteinigt werde, auf jeden Fall verliebten Miya und Kiyoharu sich in dasselbe Mädchen. Sie entschied sich für Kiyoharu, was die erste Schneise in die Freundschaft der drei schlug, aber Miya fand sich damit ab. Kiyoharu und sie heirateten und waren glücklich, allerdings hielt dieses Glück nicht sonderlich lange. Als sie durch Hakuei erste größere Erfolge verbuchten, begann Kiyo, an seiner Orientierung zu zweifeln. Er stritt sich immer häufiger mit seiner Frau, weil er sich zunehmend zu seinen männlichen Models hingezogen fühlte, und irgendwann hatten sie einen großen Streit, worauf die Scheidung folgte. Miya machte Kiyoharu schwere Vorwürfe, dass dieser so eine wundervolle Frau einfach so gehen ließ, weshalb Kiyoharu ziemlich fertig war. Irgendwann bat er Hyde, mit ihm zu schlafen, damit er sich zumindest über eine Sache in seinem Leben klar werden konnte. Das Resultat davon war, dass Hyde sich unsterblich in Kiyoharu verliebte, womit dieser nicht klar kam. Er begann nacheinander mehrere Affären mit einigen der Models, vielleicht, um darin Trost zu finden, aber es schien nichts zu helfen, also schwor er sich, die Finger von allen Männern zu lassen, bis er sich absolut sicher ist, den Richtigen gefunden zu haben. Und Hyde, der ihn ja seit dieser einen Nacht uneigennützig und hingebungsvoll liebte, musste sich damit abfinden, den Mann seiner Träume niemals zu erreichen, weil dieser nach jemand anderem Ausschau hielt. Deshalb ist er allen, die Kiyoharu nahe stehen, ziemlich unfreundlich gegenüber, weil er Angst hat, dass sie ihm seinen Schwarm auf ewig wegnehmen könnten. Und dass er dich so bemuttert, Hiroto, könnte daran liegen, dass du nicht Kiyoharus Typ bist, daher fühlt sich Hyde nicht bedroht.“ Er schwieg einen Moment und ließ seine Geschichte einsinken, ehe er wieder lächelte. „Aber denkt darüber ein andermal nach, ja? Jetzt sind ernste Gedanken nicht angebracht. Also, nehmt euch was zu trinken und setzt euch wieder, wir fangen gleich an.“ Damit verschwand er wieder aus dem Raum. Hiroto und ich starrten ihm nach. „Wow“, murmelte er. „Ich habe ja schon einige Soaps gesehen, aber das hier schlägt alles.“ Ich war vollkommen durcheinander. Kiyoharu wollte auf den Richtigen warten? Und... er war mit mir zusammen. Hieß das, dass ich der Richtige war? „Lass uns zurück gehen, ja?“ Der Blondgefärbte sah mich kurz an und schnappte sich dann was zu trinken aus dem Kühlschrank, ich nahm mir ein weiteres Bier und ging, noch immer ein wenig benommen, zurück. In der Zwischenzeit war wohl umgeräumt worden, es standen jetzt vier Sofas so, dass sie fast ein Quadrat bildeten, Hakuei und Rose saßen noch immer auf dem, das an der Wand stand, von ihnen rechts aus gesehen hatten Kirito und Yasu sich eine Couch geholt, vor Kopf hatten es sich Hazuki und Atsushi gemütlich gemacht und auf dem letzten Sofa saßen Jui und Miyavi. Das sah doch schon mal ein wenig geordneter aus. Hiroto gesellte sich zu Jui und Miyavi, während ich noch überlegte, ob ich mich neben Yasu oder neben Rose setzen sollte. Ein beinahe bittender Blick von Rose nahm mir die Entscheidung ab, was mir ein Zwinkern und ein verstohlenes Thumbs up von Kirito einbrachte. Warum auch immer. „Vernünftig, dass du dich hierhin gesetzt hast“, flüsterte Rose mir zu. Ich sah ihn fragend an. „Wieso?“ „Dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich endlich erfahre, ob du so gut küssen kannst wie dein Ruf es hoffen lässt.“ Er grinste ein nicht sonderlich unschuldig wirkendes Grinsen, was so gar nicht zu ihm passen wollte. (Oder zumindest zu dem Bild, das ich von ihm hatte.) Unwillkürlich wurde ich ein wenig rot und wollte irgendetwas Geistreiches erwidern, dummerweise fiel mir allerdings nichts ein. Atsushi rettete mich, indem er durch dezente Gesten darauf hinwies, dass er etwas sagen wollte und deshalb alle anderen schweigen sollten. „Ich freue mich sehr, dieses Jahr zwei neue Gäste begrüßen zu dürfen und einige alte willkommen zu heißen.“ Er prostete uns zu. „Es mag euch beiden Neulingen ein wenig seltsam vorkommen, dass diese Versammlung hier jegliche Weihnachtsdekoration vermissen lässt, wo es doch ‚Weihnachtsparty’ heißt. Früher wurde der Name vor allem durch rot-weiße Girlanden, Weihnachtsmusik und Geschenke Austauschen verdeutlicht, aber mit der Zeit haben wir beschlossen, dass wir auch ohne diesen Kram in Weihnachtsstimmung kommen können – schließlich heißt es ja auch ‚Fest der Liebe’, oder?“ Einige mussten grinsen. „Genug der Vorrede, ich würde sagen, dass wir mit dem ersten Spiel anfangen.“ Zustimmendes Nicken. „Da ich für die Räumlichkeiten gesorgt habe, habe ich mir die Freiheit genommen, ein paar Regeln für das altbekannte Spiel Wahrheit oder Pflicht aufzustellen. Der ursprüngliche Ablauf ist klar, Person A fragt Person B, ob sie Wahrheit oder Pflicht wählt, und entweder muss sie auf eine Frage die Wahrheit antworten oder etwas Gewünschtes tun. Danach darf sie jemand anderes fragen. Das finde ich persönlich ein wenig unfair, weil man keine Alternativen mehr hat, sobald man sich für Wahrheit oder Pflicht entschieden hat. Deshalb schlage ich vor, dass jedem die Möglichkeit gegeben sein sollte, sich zu weigern, die Frage zu beantworten oder die Tat durchzuführen, dann allerdings wird er vor eine neue Entscheidung gestellt – entweder zieht er ein Kleidungsstück aus – wobei Accessoires hier nicht zählen“, Atsushi warf einen Blick in Miyavis Richtung, „oder aber er küsst jemanden. Hierbei darf er sich eine Person aussuchen, die eine beliebige Zahl zwischen zwanzig und hundert sagt, die dann vom ursprünglichen Opfer aus im Uhrzeigersinn abgezählt wird, wobei es selbst natürlich nicht mitgezählt wird. Ich mache ein Beispiel. Wenn Hazuki sich entschlossen hätte, nicht die Wahrheit zu sagen, sucht er sich zum Beispiel mich aus. Ich sage dann dreizehn, und von Hazuki aus wird abgezählt, Yasu wäre dann die Nummer 1, Kirito 2, Gara 3, Rose 4, Hakuei 5 und so weiter, bis wir dann schließlich wieder bei Rose ankommen. So weit klar?“ „Ist das nicht ein wenig umständlich, Saku-chan?“, wollte Hakuei mit schiefgelegtem Kopf wissen. „Es ist fair“, erwiderte Atsushi mit einem Lächeln. „Moment mal, kann ich denn dann aus dem Zählen rausgenommen werden?“, warf Yasu ein. „Ich hatte eigentlich nicht vor, irgendjemanden zu küssen, deshalb-“ „Und warum bist du dann hier?“, unterbrach der Gastgeber ihn, noch immer lächelnd. „Einmal ist es immer das erste Mal, es wird dich schon nicht umbringen, Yasu. Wenn du schon hier herkommst, kannst du nicht damit rechnen, dich einfach so von allen distanzieren zu können. Dieses Jahr nicht, Yasu“, fügte er noch leise hinzu. „Dieses Jahr nicht.“ Yasu wirkte nicht sonderlich begeistert, sagte aber nichts mehr, lächelte sogar etwas, als Kirito ihm was ins Ohr flüsterte. „Noch Fragen?“ Atsushi blickte erwartungsvoll in die Runde. „Was heißt ‚küssen’?“, tschirpte Hiroto leise. Wir sahen ihn einen Moment perplex an, ehe wir alle lachen mussten. Er wurde rot. „Argh! Nein, so meinte ich das nicht! Ich meinte, wie lange und ob mit oder...“ Er gestikulierte ein wenig verloren herum. „Ich finde eine Minute angemessen“, antwortete Atsushi ihm lächelnd. „Und natürlich mit, sonst wäre es ja witzlos.“ Yasu machte einen gequälten Gesichtsausdruck. Ich lehnte mich etwas zu Rose. „Mit?“, fragte ich leise. „Mit was?“ „Mit Zunge“, erwiderte er grinsend. „Gut, dass er gefragt hat, sonst wäre Yasu wieder so einfach davongekommen...“ Irgendwie wurde mir immer klarer, dass Kirito die Wahrheit gesagt hatte, als er meinte, dass alle Anwesenden Yasu als Herausforderung sehen würden. „Dann würde ich sagen, dass der Jüngste anfängt“, setzte Atsushi allem Gemurmel ein Ende und schaute zu Hiroto. „Moment, bin ich nicht der Jüngste?“, wollte ich wissen. „Also ich bin 22...“, meinte Hiroto vorsichtig. „...Okay, vergiss, was ich gesagt habe“, winkte ich ab. War er echt noch so jung? Aber definitiv erfahrener als ich. Hm. Frustrierend. „Uhm“, murmelte der Kleine und sah eingeschüchtert vom einen zum anderen. „Hakuei...?“ „Yes!“, machte Hakuei leise und grinste breit. „Ich nehme... Pflicht, da du noch nicht genug über mich weißt, um eine interessante Wahrheits-Frage stellen zu können.“ „Roses Wodkaflasche auf Ex?“ Wir starrten Hiroto an, woraufhin er wieder knallrot wurde. „Was denn? Was ist?“ „Du fängst schon mal gut an“, kommentierte Hakuei lächelnd, ehe er Rose die Flasche aus der Hand nahm, sie an seine Lippen setzte und anfing zu trinken. Und trank. Und trank. Und hörte gar nicht mehr auf. Fasziniert sah ich zu, wie die Flüssigkeit in der durchsichtigen Flasche immer weniger wurde und immer weniger... „Wenn er jetzt schon säuft wie ein Loch, wie soll’s erst hinterher werden?“, bemerkte Kirito leise, woraufhin Hakuei fast lachen musste, aber trotzdem tapfer bis zum letzten Tropfen durchhielt. Als er die Flasche auf den Boden stellte (mangels Tisch in der Mitte), bekam er einen respektvollen Applaus. „Das war unfair!“, beschwerte er sich und musterte Kirito beleidigt. „Warte nur, du kommst auch noch dran...“ Dann zeigte sich ein breites Lächeln in seinem Gesicht, als er sich etwas nach vorne lehnte. „Saku-chaaaan~...“ Atsushi seufzte ergeben. „Wahrheit. Ich will gar nicht wissen, was du bei Pflicht sagen würdest.“ Hakuei grinste noch breiter. „Nein, willst du wirklich nicht. Bist du mit Hazuki zusammen?“ Die beiden Dunklen auf der Couch starrte Hakuei entgeistert an und warfen sich dann einen kurzen Blick zu. „Wie kommst du auf die Idee?“, wollte der Ältere leise wissen, während Hazuki dazu überging, seine Schuhe äußerst interessant zu finden. „Beantworte die Frage“, forderte Hakuei. Als Antwort beugte Atsushi sich nach unten, zog sich einen Schuh aus und warf ihn zur Seite, ehe er den Blick auf Yasu heftete. „Wahrheit, nehme ich an?“ Der Angesprochene nickte langsam. „Besser für dich. Hast du dir schon mal vorgestellt, wie es wäre, einen Mann zu küssen, und fandest Gefallen an dem Bild?“ Yasu überlegte einen Moment und legte dann den Kopf schief. „Ja, habe ich.“ Hakueis eingeworfenes ‚mit wem~?’ überging er und wandte sich an Miyavi. „Myv?“ „Pflicht~“, antwortete dieser grinsend. „Uhm... schrei den ersten Hotelangestellten an, den du findest.“ „YAY!“ Der Bunthaarige sprang auf, rannte zum Telefon und wählte eine Nummer. Logisch, so ging es am schnellsten. „Ohren zuhalten“, murmelte Rose, und keine Sekunde später kreischte Miyavi ‚DAS REISMONSTER IST GEKOMMEN, UM MICH ZU HOLEN AAAAHHHHHHHHHHH’, nur noch viel, viel lauter. Dann legte er auf und kam wieder zurück. „Danke, das hab ich gebraucht“, meinte er zufrieden und machte es sich wieder bequem. „Also~... Gara?“ Ich wäre fast zusammengezuckt. „Ich? Uhm... Wahrheit.“ „Hm... mit wem bist du im Moment zusammen?“, fragte er unschuldig. Mist. Kacke. Und jetzt? Mich ausziehen wollte ich noch nicht so früh. „Rose? Sag eine Zahl...“, wandte ich mich an meinen Nachbarn. „Eh? Ich? Uh... sechsundzwanzig“, gab der Blonde zurück und zählte für mich durch. „......fünfundzwanzig, sechsundzwanzig. Kirito.“ „Also bitte, besser hättest du es gar nicht treffen können“, grinste Kirito und stand auf. „Hört euch diese große Klappe an!“, meinte Hakuei lachend. „Sagt der Richtige“, gab Kirito zurück und setzte sich neben mich auf die Armlehne der Couch. „Du kannst ihn ja hinterher fragen, wer von uns beiden besser küsst.“ „Brauch ich gar nicht, die Antwort kenn ich sowieso schon!“ Kirito seufzte leise, legte mir eine Hand auf die Wange und schob mir seine Zunge in den Mund. Ohne Vorwarnung. Einfach so. Ich gab ein leises Geräusch von mir, das gleichzeitig Überraschung und Unwillen ausdrücken sollte, und war kurz davor, mich instinktiv von ihm loszureißen, aber er streichelte mir nur beruhigend über die Wange und stupste meine Zunge mit seiner eigenen an. Ich versuchte mich daraufhin zu entspannen, was mir auch nach kurzer Zeit gelang, während ich den Kuss langsam erwiderte und meine Arme um Kiritos Taille schlang. Und irgendwie... erinnerte mich das an etwas... Plötzlich dachte ich an die eine Nacht zurück, die, in der ich das erste Mal mit Kirito was trinken gegangen war, er hatte mich dafür ausgelacht, dass ich überlegte, schwul zu sein, wir hatten uns betrunken und dann... wusste ich nichts mehr. Aber jetzt kehrte die Erinnerung ganz langsam zurück, ich erinnerte mich daran, wie Kirito mich gefragt hatte, ob ich noch zu ihm kommen würde, ich stimmte zu, und dann waren wir irgendwann in seiner Wohnung und er wollte wissen, ob ich immer noch daran interessiert sei, ihn zu küssen, und als ich bejahte, waren seine Lippen unvermittelt auf meinen, wir stolperten den Flur entlang... „.....eigentlich irgendjemand auf die Uhr?“ Ich bekam die Worte nur am Rande mit, aber Kirito schienen sie zu stören. Sehr zu meiner Unzufriedenheit beendete er den Kuss und sah in die Runde. „Ihr habt nicht auf die Uhr geguckt?“, wiederholte er. Kopfschütteln. Er seufzte einmal tief, leckte sich kurz über die Lippen, löste sich aus meiner Umarmung und wechselte zurück zu Yasu aufs Sofa. „Dafür hab ich einen gut“, beschwerte er sich leise. „.....Ihr beiden seht gut aus zusammen“, sprach Yasu das aus, was offenbar alle gedacht hatten. Kirito und ich tauschten einen Blick aus und sagten gleichzeitig „Du küsst auch nicht schlecht“, woraufhin wir beide grinsen mussten. „Wie auch immer...“ Ich ließ meinen Blick schweifen, um mir ein Opfer auszusuchen. „Atsushi?“ „Hey, das ist meiner!“, protestierte Hakuei. „Den darf nur ICH piesacken!“ Atsushi ignorierte ihn fachmännisch und fixierte mich einen Moment, wohl, um meine Absichten abzuschätzen. Ich muss zugeben, sein Blick hatte irgendetwas... Anziehendes. Es war nicht so einfach wegzuschauen. „Pflicht“, murmelte er leise. Menno. Er hatte mich durchschaut. Ich hatte ihn eigentlich noch etwas über Kiyos Vergangenheit ausfragen wollen. „Lass dir von Hazuki die Haare flechten“, gab ich zurück. Die beiden sahen mich an wie Autos, nur nicht so schnell. „In zwei Zöpfe bitte.“ Ich lächelte. Hakuei klatschte mir leise Beifall und nickte mir wohlwollend zu. „Du lernst.“ Auf Atsushis Stirn stand ganz deutlich ‚Bitte nicht noch so einer’. Selbst eineinhalb Stunden, etliche Liter Alkohol, zahlreiche Küsse, eine Gesangseinlage von Jui, einige pinke Strähnchen (Rose) und an anderer Stelle pinke Fingernägel, viel Pizza und unzählige sowohl scherzhafte als auch spöttische Kommentare später sah es nicht so aus, als würde das Spiel ein Ende finden. Atsushi merkte zwar an, dass er ursprünglich noch ein paar mehr Spiele geplant hatte, aber da wir ja so viel Spaß zu haben schienen... Wie Recht er damit hatte. Geküsst hatte ich inzwischen noch Jui (ruhig), Hiroto (zurückhaltend) und Hazuki (ziemlich dominant), Yasu hatte das Ganze bis dahin noch ungeküsst überstanden (und schien recht froh darüber zu sein), Kirito hatte sich einmal geweigert, Hakuei zu küssen, und es damit begründet, dass ihm bei dem Kuss mit mir nicht gesagt worden war, wann eine Minute vorbei gewesen war. Sein Einspruch wurde abgelehnt, woraufhin die beiden eine Riesenshow aus dem Ganzen machten und Kirito hinterher beinahe angewidert das Gesicht verziehend meinte, Hakuei würde viel zu sehr nach Rose schmecken, weshalb er von Hakuei gefragt wurde, woher ER denn wisse, wie Rose schmecke. ...Ich glaube, die beiden hatten einen ziemlichen Spaß. Gerade war Hiroto an der Reihe, er hatte sich Atsushi als Opfer ausgesucht und wollte von ihm wissen, mit wem er bereits in seinem Leben zusammen gewesen war. Keine Chance. Es hatte mich bereits überrascht, dass Atsushi überhaupt ‚Wahrheit’ genommen hatte, ich glaube, es war überhaupt erst das zweite Mal. Er schaute Hazuki neben sich an, der damit beschäftigt war, den pinken Lack auf seinen Nägeln nieder zu starren. „Sag eine Zahl“, forderte er den anderen auf. Hazuki entschied sich für 51 und zählte bereitwillig durch, stoppte allerdings abrupt, als die 46 bei ihm landete, und warf einen kurzen Blick zu Atsushi. Der zählte in Gedanken weiter und huschte mit den Augen erst zu Yasu, dann zu Kirito, zu mir, zu Rose... und blieb bei Hakuei hängen. Der brauchte einen Moment, um zu verstehen, was ihm dieser Blick sagen wollte, dann allerdings breitete sich ein Honigkuchenpferdgrinsen in seinem Gesicht aus. „Saku-chaaaan~“, schnurrte Hakuei und erhob sich langsam, „Sieht wohl so aus, als würdest du diesen Abend nicht drum herum kommen...“ Atsushi starrte seinen Sofanachbarn so düster an, als würde er ihn gleich erwürgen wollen. „Ja, sieht wohl so aus...“, knurrte er leise. Hazuki tat, als würde er nichts bemerken, und rutschte unauffällig ein paar Zentimeter vom Gastgeber weg. Dieser hob schließlich den Blick wieder und musterte Hakuei mindestens genauso finster. „Behalt bloß deine Hände bei dir, klar?“ „Mach ich doch immer“, antwortete der Angesprochene lächelnd und machte es sich breitbeinig auf Atsushis Schoß bequem, als würde er nirgendwo anders hingehören. „Macht er sowieso nicht“, flüsterte Rose neben mir. Ich sah kurz zu ihm. Irrte ich mich, oder hatte ich einen leicht eifersüchtigen Unterton herausgehört? Er war überhaupt nicht eifersüchtig gewesen bei allen anderen, die Hakuei geküsst hatte. Warum bei Atsushi? Na ja, egal. Ich wandte mich wieder den Objekten des allgemeinen Interesses zu und achtete besonders darauf, wie sie sich küssten. Hm. Ziemlich... synchron, wenn man das sagen konnte. Fast perfekt aufeinander abgestimmt. Zwar nicht so stark wie bei Hakuei und Rose, aber doch ähnlich. „Hatten die beiden mal was miteinander?“, wisperte ich dem Blonden neben mir zu. Der wollte gerade antworten, aber da machte Atsushi ein sowohl genervt als auch verärgertes Geräusch und versuchte, den anderen von sich herunter zu schieben, woraufhin Hakuei sich erst nicht sonderlich beeindruckt zeigte, dann aber unvermittelt doch von der Couch fiel. „Ey!“, beschwerte er sich. „Er hat mir auf die Zunge gebissen!“ „Was hatten auch deine Hände zwischen meinen Beinen verloren?!“, fauchte Atsushi zurück. „Jetzt tu nicht so, als wenn es dir nicht gefallen hätte~...“ „Du bist PERVERS!“, zischte der Dunkle, wobei sich trotzdem ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legte. Ob vor Wut oder warum auch sonst, wusste ich nicht. „Nein, DU bist pervers, wenn du drauf stehst, dass dich jemand befummelt...“ Ehe Atsushi anfangen konnte, Hakuei entweder zusammenzuschreien bzw. –schlagen, mischte Hazuki sich mit einem „das war aber keine Minute“ ein, woraufhin die beiden erstarrten. Einen Moment sahen sie Hazuki an, dann sich gegenseitig, und dann wieder Hazuki. „Heißt das...“, begann Atsushi mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „...dass wir noch mal müssen?“, beendete Hakuei den Satz und strahlte dabei, als habe er dem anderen ebenjene Zitrone in den Mund gesteckt. Hazuki nickte langsam und erntete einen weiteren Mörderblick von seinem Nachbarn, woraufhin er nur entschuldigend lächelnd mit den Schultern zuckte. „Tut mir leid, das sind die Regeln...“ „Die DU übrigens aufgestellt hast, Schnuckelchen“, bemerkte Hakuei, rappelte sich auf, klopfte sich imaginären Staub vom Hemd und nahm wieder auf Atsushi Platz. „Ja, waren sie“, murmelte Rose mir als Antwort auf meine vorherige Frage zu. „Aber GANZ früher. Zwar wohl nur kurz, aber es hat beide nachhaltig beeinflusst: Atsushi insofern, als dass er sich nie wieder jemand Extravaganten als Freund gesucht hat, und Haku, als dass sein Weltbild ein wenig verrückt wurde – zur Realität hin allerdings, nicht von ihr weg. Sie haben sich wohl oft gestritten, über alles mögliche, deshalb hat es auch nicht geklappt mit ihnen, und heute haben es beide als Jugendsünde abgetan, wobei Hakuei ihn immer noch gerne aufzieht. Das hat er sich nie abgewöhnt.“ „Aber es sind keine Gefühle mehr da...?“, fragte ich nach. Rose lächelte säuerlich. „Es sind genügend da, nur von Atsushi ausreichend negative, sodass ich nichts zu befürchten habe. Allerdings weiß ich nicht, wie Haku zu ihm steht – ich denke, er würde ihn schon gerne wiederhaben, aber er hat eingesehen, dass es nicht funktionieren würde.“ Er blickte zu den beiden auf dem Sofa – Atsushis Hände lagen inzwischen auf Hakueis Seiten und Hakuei hatte seine in den schwarzen Haaren des anderen vergraben (so weit das eben mit den beiden geflochtenen Zöpfen möglich war). Ich betrachtete Rose und stellte fest, dass ich ihn gerade das allererste Mal betrübt erlebte. Vorher kannte ich ihn immer nur aufmerksam, neugierig, fröhlich und so weiter... „Rose“, sagte ich leise, er richtete seinen Blick auf mich. „Er liebt dich. Er liebt dich wirklich, das würde man selbst dann merken, wenn er es nicht ständig in aller Öffentlichkeit zeigen würde.“ Der Blonde brachte ein schwaches Lächeln zustande und nickte langsam. „Ich weiß. Das weiß ich doch. Aber es ist trotzdem kein angenehmes Gefühl zu wissen, dass er mit jemand anderem glücklicher sein würde...“ „Wer wäre glücklicher wann?“ Wir fuhren hoch, weil wir nicht bemerkt hatten, dass Hakuei und Atsushi sich bereits wieder voneinander gelöst hatten. Hakuei blieb vor mir und Rose stehen und sah uns fragend an. „Nichts“, murmelte Rose und senkte den Kopf, woraufhin sein Angebeteter seine Aufmerksamkeit auf mich richtete. Ich deutete auf ihn und dann auf Atsushi, in der Hoffnung, dass er selbst drauf kommen würde. Tat er. Er machte erst große Augen, kniete sich dann vor Rose und nahm seine Hände. „Rose, sieh mich an. Ich liebe dich. Ich liebe dich, seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe, und daran kann kein Saku-chan der Welt was ändern. Entschuldige, wenn es ein bisschen anders rübergekommen ist“, sagte er ernst. „Tut mir leid.“ Mich überraschten vier Dinge: 1. Dass Hakuei sich überhaupt vor IRGENDJEMANDEN hinkniete, und das nicht, um irgendetwas Versautes zu tun, 2. dass er sich so ernsthaft und ohne zu zögern direkt bei jemandem entschuldigte, 3. dass er sich nicht scheute, so etwas vor relativ vielen Personen, die er nicht alle persönlich kannte, zu sagen, und 4. dass Atsushi aussah, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hatte er auch eins, weil er Hakueis Berührungen DOCH irgendwo genossen hatte, und es nur wegen seines Stolzes nicht zugeben wollte. Und vielleicht wegen Hazuki. Obwohl der nicht aussah, als würde ihn das Ganze hier sonderlich interessieren. Rose lächelte auf Hakueis Worte hin, drückte seine Hände und nickte. „Ist okay. Wirklich. Ich hätte aber auch nicht so viel da rein inter-“ Weiter kam er nicht, denn da hatte Hakuei sich wieder aufgerichtet und ihn geküsst. Mir wurde warm ums Herz, und da war ich nicht der Einzige. Überall gerührte Gesichter, und Jui ließ ein leises ‚süüüüüüüß~’ verlauten. Ich glaube, in dem Moment dachten alle genau wie Hazuki, als er vorher gesagt hatte, dass Hakuei und Rose wie füreinander geschaffen waren. Einen Augenblick später lösten die beiden sich wieder voneinander, und Hakuei machte es sich wieder neben Rose bequem, nur dass er jetzt seine Hand hielt. (Ich weiß, das alles klingt unheimlich kitschig, und Kitsch ist eigentlich etwas, dass ich auf den Tod verabscheute, nur die beiden waren wirklich süß, das konnte man nicht abstreiten.) „So. Entschuldigt die Störung. Macht einfach weiter.“ Eine weitere Stunde später machten sich bereits Veränderungen im Spielverlauf bemerkbar, waren die Pflichten und Wahrheiten am Anfang noch recht harmlos (sprich: nicht GANZ so versaut) gewesen, so sank deren Anständigkeit antiproportional zu dem steigenden Alkoholgenuss. Milde ausgedrückt. Und, kaum zu glauben – bis jetzt war Yasu noch immer nicht geküsst worden. Ich glaube, er war selbst ein wenig enttäuscht, weil er sich wohl schon darauf eingestellt hatte, und jetzt kam es wieder nicht dazu. Wer weiß, vielleicht sträubte er sich auch nur der Show willen dagegen... Hmm... „Kirito~?“, schnurrte Jui in die vage Richtung seines Gegenübers. Er schien nicht viel Alkohol zu vertragen. „Uh... Pflicht?“, schlug Kirito vor. Jui zermaterte sich das Hirn, aber ihm schien nichts Spektakuläres mehr einzufallen, also sah er zu Kiritos Couchnachbarn. „Küss Yasu.“ „Wehe dir“, knurrte das Opfer. Kirito musterte Jui noch einen Moment, um sicherzugehen, dass es auch wirklich ernst gemeint war, und wandte sich dann Yasu zu. „Du willst nicht?“ „DU willst nicht“, gab dieser zurück. „Du willst doch ganz bestimmt nicht, oder? Schau mal, es gibt so viel andere hübsche Männer hier...“ „Darf ich, auch wenn er nicht will?“, wollte Kirito von Atsushi wissen. „Hey! Ihr könnt mich doch nicht einfach übergehen!“, protestierte Yasu. „Klar“, nickte der Spielleiter (wie ich ihn insgeheim getauft hatte). Kirito grinste Yasu mies an, woraufhin der versuchte, von ihm wegzukrabbeln, aber da inzwischen seine Motorik zu wünschen übrig ließ, fiel er nur fast vornüber vom Sofa. „Ach, jetzt sträub dich doch nicht, mich kennst du wenigstens und magst mich, oder willst du lieber von DEM DA geküsst werden?“ Kirito deutete in Richtung Hakuei. Yasu sah zu Hakuei, der sofort sein dreckigstes Grinsen aufsetzte, dann zurück zu Kirito, der dazu übergegangen war, lieb zu lächeln, zu Atsushi, der ihn komplett ignorierte und sich mit Hazuki unterhielt, und schließlich zu mir. Ich nickte eifrig. Er machte ein zweifelndes Gesicht, aber ich nickte nur wieder. Kirito flüsterte ihm was ins Ohr, woraufhin er sich ein wenig zu entspannen schien. Die beiden wechselten noch ein paar Worte, die zu leise waren, als dass man sie hätte verstehen können, dann streichelte Kirito ihm kurz über die Wange und sagte ihm noch etwas. Und küsste ihn. Hundertmal zärtlicher und vorsichtiger als mich. „Uuuuuuh, bahnt sich da was an?“, grinste Hakuei. „So rücksichtsvoll bist du doch sonst nicht, Diktator-chan. Oder hast du auf einmal deine liebevolle Ader entdeckt?“ Kirito und Yasu ließen sich nicht stören, kein bisschen. Aber ich musste zugeben, dass ich es schon ein wenig seltsam fand, dass Kirito so viel Rücksicht auf ihn nahm. Bei mir hätte er das sicher nicht getan. Okay, bei mir HATTE er es nicht getan. Hm, wenn ich so zurückdachte – mein zweiter (und dritter und vierter und fünfter und....) Kuss mit einem Mann war ja mit Kirito gewesen, und da hatte er mir, soweit ich mich erinnern konnte, auch einfach die Zunge in den Hals geschoben. Nicht, dass mich das großartig gestört hätte, aber dass er jetzt plötzlich so ruhig war, erstaunte mich dann doch. „Da schwindet noch eine Jungfrau dahin~...“ Hazuki ließ ein sehnsüchtiges Seufzen vernehmen. „Stehst du so sehr auf Jungfrauen?“, kicherte Hiroto. „Die sind doch voll öde“, mischte Miyavi sich mit schwerer Zunge ein. „So wenig Erfahrung und so...“ „Kommt drauf an, wenn man so jemand Schnuckeliges wie Gara findet, kann man, finde ich, ruhig seine Meinung ändern...“ Ich sah zu Hakuei, der mir ein Lächeln schenkte. „Bitte?“ „Na ja“, meinte er schulterzuckend. „So jemanden wie dich entjungfert man doch gerne, oder?“ Hakuei sah in die Runde und erntete beifälliges Nicken. Ein schwacher Rotschimmer legte sich auf meine Wangen. „Warum das denn?“ „Du hast so eine Art an dir, dass man dir am liebsten den Arsch versohlen würde“, warf Atsushi ein. Yasu öffnete seine Augen einen Spalt und sah zu mir herüber, ehe er sich beinahe von Kirito losriss und sich lachend den Bauch hielt, die anderen grinsten nur. „Gara, dein BLICK!“, japste er nach Atem ringend. „Tut mir ja auch leid, wenn er plötzlich sadistische Fantasien entwickelt!“, verteidigte ich mich, woraufhin auch Atsushi, Hazuki und Hakuei anfingen zu lachen. „Was denn? Hab ich genau ins Schwarze getroffen, oder was?“ „Lassen wir das“, fiel mir Atsushi fast ins Wort und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kirito und Yasu zu, die sich, nachdem sich letzterer wieder beruhigt hatte, leise unterhalten hatten. „Kirito, du bist dran.“ Hm. Ich musterte Atsushi und Hazuki und versuchte mir, Atsushi als sadistischen Seme vorzustellen. Funktionierte nicht. Aber er war auch kein unterwürfiger Uke. Schließlich war er größer als Hazuki. Aber ich konnte mir auch Hazuki nicht als Seme vorstellen. Als Kirito Hiroto fragte, ob er lieber vor Scham sterben (bei Wahrheit) oder vor Scham sterben (bei Pflicht) wollte, beugte ich mich etwas über Rose hinweg zu Hakuei. „Psst, Haku?“ Er kam mir ein wenig entgegen, wodurch Rose etwas zwischen uns eingequetscht wurde, aber das nahmen wir in Kauf. „Was denn?“ „Du hast Atsushi am Anfang gefragt, ob er mit Hazuki zusammen ist...“, begann ich sehr leise. „Er sollte es endlich öffentlich machen, wenn er es schon dauernd so subtil zeigt“, gab Hakuei schulterzuckend zurück. „Wer von den beiden ist denn Seme?“ Rose kicherte leise, und Hakuei musste sich auf die Lippe beißen, um nicht erneut loszulachen. „Was interessiert DICH das?“ „Ich weiß nicht... nur so“, antwortete ich, schon wieder rot anlaufend. „Hazuki mag zwar gerade nicht so wirken, aber bevor er sich von jemandem flachlegen lässt, können Schweine fliegen“, grinste der Schwarzhaarige. „Und, wenn ich das mal so sagen darf, bei Männern hat Atsushi absolut keine Probleme, ein wenig zurückhaltender zu sein, wenn du verstehst, was ich meine...“ Er zwinkerte mir zu und lehnte sich wieder zurück. Stirnrunzelnd tat ich dasselbe und hätte mich fast erschrocken, als ich unvermittelt was in meinem Rücken spürte, aber als ich bemerkte, dass Rose nur seinen Arm um meine Taille gelegt und mich etwas zu sich gezogen hatte, war ich nur noch verwirrt. ... Was sollte DAS jetzt wieder heißen? .... Na ja. Könnte ich ihn ja später fragen. Jetzt kuschelte ich mich erst mal ein bisschen an ihn und lächelte leicht, als er mir über die Seite strich. Nachdem Hiroto Hazuki geküsst hatte (obwohl – eher andersherum), weil er nicht so gerne unbekleidet einmal durch die Hotelangestelltenetage rennen wollte, kam Atsushi an die Reihe. Er nahm Wahrheit (was alle überraschte), woraufhin Hiroto erst einmal nachdenken musste, was ihm aufgrund des Alkohols sichtlich schwer fiel. „Warst du schon mal~...“, fing er an und runzelte die Stirn, als müsste er sich stark konzentrieren, „...mit Kiyoharu zusammen?“ Atsushi sah Hazuki an, wie immer, wenn er irgendetwas nicht machen wollte, aber der schwieg nur und blickte geradeaus. „Eine Zahl?“, murmelte der Ältere leise. Hazuki drehte nur den Kopf zu ihm und fixierte ihn kurz, bis Atsushi aufseufzte und sich Hiroto zuwandte. „Ja, war ich“, antwortete er. In Hazukis Gesicht zeigte sich ein schwaches Lächeln. „Uhm...“ Der Spielleiter ließ seinen Blick schweifen, der schließlich doch wieder auf Hakuei liegen blieb. „Hakuei...“ „Pflicht“, gab der Angesprochene sofort grinsend zurück. „...und Rose“, fügte Atsushi noch hinzu. „Gilt das, wenn man zwei Leute gleichzeitig fragt?“, mischte Kirito sich ein. „Macht bei mir sowieso keinen Unterschied, es wird nur interessanter“, erwiderte Atsushi, die Achseln zuckend. „Ich schließ mich Haku an“, nickte Rose. „Auch Pflicht.“ „Also~... Hakuei, versuch doch mal, deinen Freund nur mithilfe von Worten scharf zu machen, ich denke, das Ergebnis wird ersichtlich sein. Und Rose, du solltest das natürlich nicht zulassen. Ich gebe euch fünf Minuten. Ach ja, und Hakuei, rück ein bisschen von ihm weg, dass du ihn auch nicht berührst.“ Hakuei tat wie geheißen, noch immer mit einem Grinsen im Gesicht. Rose war, soweit ich das sehen konnte, ein wenig rot angelaufen, sagte aber nichts, sondern zog mich nur etwas dichter an sich heran. Ein Nicken von Atsushi gab Hakuei das Startzeichen. Er beugte sich etwas zu dem Blonden neben mir und begann, ihm ins Ohr zu flüstern. ...Ich korrigiere: atemlos zu hauchen. Selbst ich bekam eine leichte Gänsehaut, und dabei verstand ich noch nicht mal alles, was er sagte. Es wurde totenstill im Raum (mehr oder weniger, schließlich lief noch Musik), weil jeder versuchte, etwas von Hakueis Worten aufzuschnappen, aber der Einzige, der sie vollständig verstand, war Rose, der bereits nach kurzer Zeit die Augen geschlossen und den Kopf ein bisschen in den Nacken gelegt hatte, sodass sein schlanker Hals entblößt wurde. Seine Finger an meiner Seite spannten sich immer wieder etwas an und drückten zwischendurch an meine Haut, was mich ein wenig kitzelte, aber ich versuchte so angestrengt, Hakueis Worte mitzukriegen, dass ich nicht darauf achtete. Und, uhm... WAS ich von Hakuei mitbekam, das reichte schon, dass ich mich ein wenig näher an Rose drückte, um mehr Körperkontakt zu bekommen. Meine Güte, hatte Hakuei ein Vorstellungsvermögen... (Ich möchte das, was er sagte, nicht wiedergeben. Vielleicht später. Aber es war unheimlich versaut. Und DETAILLIERT versaut.) Es wunderte mich wirklich nicht, dass Rose nicht so wirkte, als würde er angestrengt versuchen, an etwas anderes zu denken. Es war sowieso sinnlos, weshalb sich auch bereits nach nicht mal drei Minuten eine sichtbare Beule in seiner Hose abzeichnete. Und trotzdem schien Hakuei nicht vorzuhaben, in nächster Zukunft aufzuhören. „Haku~... du hast doch schon gewonnen...“, wisperte der Blonde, der bereits etwas schwerer atmete, öffnete die Augen und sah den Schwarzhaarigen an. Der hielt kurz inne und legte den Kopf schief. „Ich hab aber noch zwei Minuten“, erwiderte er beinahe beleidigt. „Ich glaube, fürs erste reicht das“, murmelte Atsushi, dem es sichtlich schwer fiel, nicht zwischen Roses Beine zu starren. (Mir auch, übrigens.) „Gara?“ Ich schrak hoch. „Ha? Was?“ Hakuei grinste mich an. „Wahrheit oder Pflicht?“ Oh. Ach so. Ich war jetzt dran. Uhm... .....und Rose glitt mit seiner Hand ein paar Zentimeter nach unten, an meine Hüfte, und dann an meinen Oberschenkel.... „Nimm Pflicht, BITTE“, wisperte er mir zu. Warum auch immer. Hm. Ich tat wie geheißen. „Dann kümmer dich doch mal um Roses kleines Problem“, lächelte Hakuei und deutete mit einer Hand auf eine Tür. „Im Badezimmer, bitte.“ Ich starrte ihn an, und ich glaube, das war einer der Momente, in dem man einen Systemabsturz hat. Na ja, es war nicht ganz so schlimm, nur auf Standby. Ich muss wohl ziemlich beschränkt ausgesehen haben, aber es wollte nicht in meinen Kopf rein, was er da gerade von mir verlangte. Ich sollte.... WAS?! „Willst du nicht?“, fragte der Schwarzhaarige nach und neigte seinen Kopf etwas zur Seite. „Bitte“, flüsterte Rose in meine Richtung. Ich brauchte einen Augenblick, dann stand ich sprachlos auf, nahm Roses Hand und führte ihn mit mir zum Badezimmer, machte das Licht an, ging mit ihm hinein und schloss die Tür hinter uns ab. Dann wandte ich mich zu ihm und musterte ihn kurz. „Ich soll doch jetzt nicht das machen, von dem ich denke, dass ich es machen soll, oder?“ „Kommt ganz darauf an, WAS du denkst“, antwortete der Größere (er war nur zehn Zentimeter größer als ich, so viel war das nicht) lächelnd und sah mich erwartungsvoll an. „Es gibt da so einige Methoden...“ Oh ja, und ob. Ich schob mich etwas näher zu ihm hin, noch immer ein wenig unschlüssig. Er beobachtete mich aufmerksam. „Und, uhm, das... geht in Ordnung?“, wollte ich vorsichtig wissen. „Hast du von Haku indirekt die Erlaubnis bekommen oder nicht?“, stellte Rose eine Gegenfrage, noch immer lächelnd. Hm. Da hatte er Recht. „Und... von dir?“ „Hast du von mir eine indirekte Erlaubnis bekommen oder nicht?“, fragte er ruhig. Ich überlegte. Er hatte einen Arm um mich gelegt. Das hieß, er hatte mich eindeutig berührt, und DAS hieß, dass er mir wohl so weit vertraute, dass ich ihn auch berühren durfte. Wenn das nicht mal eine indirekte Erlaubnis war, dann weiß ich auch nicht. Ich schaute noch einmal fragend zu ihm hoch und erntete nur ein Nicken, weshalb ich zögernd begann, seine Hose aufzumachen. Doch kaum hatte ich angefangen, hielt Rose meine Hände fest. „Na, nicht so stürmisch. Wie wäre es zuerst mal mit einem Kuss?“ Okay, das klang gut. Erst mal war ich total nervös, weil ich nicht glauben konnte, dass ich gerade tat, was ich tat, und weil es ROSE war, der Rose, dessen Körper ich schon vorher bewundert hatte und niemals hatte anfassen dürfen. Wahrscheinlich hatte er Recht, und ich sollte erst mal entspannt anfangen. Ich streckte mich ein wenig und drückte meine Lippen auf seine, bevor ich kurz darüber leckte und erwartete, dass er sie öffnete. Stattdessen machte er ein tadelndes Geräusch und schob mich etwas von sich weg, schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Also bitte... gib dir doch mal ein bisschen mehr Mühe, ich bin keiner von diesen geilen Säcken da draußen. Etwas mehr Liebe bitte.“ Ich nickte leicht verlegen, schloss meine Augen wieder und küsste ihn erneut, dieses Mal etwas sanfter. Und ich ließ meine Zunge erst einmal noch aus dem Spiel. Das schien wohl irgendwie richtiger zu sein, denn jetzt erwiderte Rose den Kuss ruhig und legte die Arme um meine Schultern. Ich seufzte leise und schlang meine Arme um seine schlanke Hüfte, intensivierte unseren Kuss dabei noch etwas. Er wartete einige Augenblicke, dann öffnete er seine unglaublich weichen Lippen freiwillig und hieß meine Zunge mit seiner willkommen. Und in dem Moment erfuhr ich erst, was es hieß, wenn jemand ‚gut küssen’ konnte. Vorher hatte ich nur den Unterschied gemacht zwischen ‚kann küssen’ und ‚ein nasser Waschlappen könnte es besser’, aber Rose passte in keine der beiden Schubladen. Er führte einen Tanz mit unseren Zungen auf, beinahe einstudiert, und trotzdem spontan. Ich verlor mich voll und ganz in diesem Kuss, seufzte immer wieder wohlig auf und schmiegte mich dichter an den schlanken Körper vor mir. Und Rose spielte mit mir, spielte AUF mir wie auf einem Instrument, und obwohl er mir die Oberhand ließ, wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mich irgendwie steuerte. Ich war im Himmel. Es fehlte nur noch ein Harfenspiel und Engelsgesang. Aber leider ist der Mensch ein atmendes Lebewesen, weshalb wir uns irgendwann keuchend wieder voneinander lösen mussten und uns einen Augenblick lang ansahen. In seinen Augen lag Verlangen, und wenn meine Augen das wiederspiegelten, was ich fühlte, dann mussten meine genauso aussehen. Es dauerte nicht eine Sekunde, und trotzdem wurde alles ohne Worte gesagt, was gesagt werden musste. Unsere Lippen fanden wieder zueinander, ich schob sein Shirt etwas hoch und fuhr mit meinen Fingerspitzen über seinen Bauch, genoss seine Wärme und die zarte Haut. Während wir uns weiterhin küssten, begann ich erneut, Roses Hose aufzumachen, und dieses Mal hielt er mich nicht zurück, sondern schien ziemlich froh zu sein. Die Beule in seiner Hose war durch unseren Kuss definitiv nicht kleiner geworden. Nachdem ich seine Hose geöffnet hatte, schob ich sie ihm über die Hüften und ließ seine Shorts gleich folgen. Rose löste sich kurzzeitig von mir und hauchte ein ‚warte’, ehe er sich auf den Toilettendeckel setzte und die Beine weit spreizte, mich dabei nicht aus den Augen ließ. Ich folgte ihm, kostete noch einmal von seinen Lippen (er schmeckte nach Erdbeeren und Alkohol, keine schlechte Mischung) und kniete mich anschließend vor ihn. Er hatte eine tolle Haut, makellos und wunderschön, weshalb ich erst ein paar Küsse auf seiner Oberschenkelinnenseite verteilte und kurz daran knabberte, ehe ich mich wichtigeren Dingen zuwandte. Zum Glück hatte ich vorher bei Kiyo üben dürfen, sonst hätte ich mich jetzt nicht getraut, auch nur IRGENDWAS zu machen. Aber so küsste ich mich erst Roses Erregung entlang und ließ ihn ein wenig von meiner Zunge spüren. Ich musste lächeln, als er eine Hand in meinen Haaren vergrub, und umschloss die Spitze seiner Erektion mit den Lippen, umspielte diese dann zärtlich mit der Zunge. Als ich das erste leise Stöhnen von ihm hörte, fing ich an, etwas an ihm zu saugen, und demonstrierte noch etwas mehr von meiner Zungenfertigkeit, was den Blonden etwas lauter aufstöhnen ließ. Ich muss zugeben, das Ganze machte mich ziemlich an. Rose war sowieso schon heiß, und jetzt konnte ich ihn berühren, wie ich wollte, und ich konnte ihn zum Stöhnen bringen, und er klang so unheimlich sexy, wenn er stöhnte... Mit der Absicht, ihn noch lauter werden zu lassen, begann ich, meinen Kopf langsam auf und ab zu bewegen, nicht ohne ihn weiter mit meiner Zunge zu reizen und zwischendurch immer wieder an ihm zu saugen. Ich legte eine Hand auf seinen nackten Oberschenkel und strich leicht darüber, genoss sein Stöhnen dabei in vollen Zügen. Ich wusste immer noch nicht genau, was ich hier gerade tat, aber jetzt wollte ich nicht mehr aufhören. Selbst schon leise stöhnend, saugte ich stärker an seiner Erregung und massierte sie dabei mit meiner Zunge. Und als Rose das nächste Mal erstickt aufstöhnte und sich etwas in meine Haare krallte, machte ich einen entscheidenden Fehler – ich schaute nach oben. Rose hatte den Rücken durchgebogen, sodass ich freie Sicht auf seinen flachen Bauch mit dem silber glitzernden Piercing hatte, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen zugekniffen und den Mund leicht geöffnet. Und stöhnte leise vor sich hin. Und jedes einzelne Geräusch, das er von sich gab, wanderte direkt zwischen meine Beine. Was hätte ich dafür gegeben, wenn ich ihn in diesem Moment hätte ganz spüren können, sein nackter Körper an meinem, seine Fingernägel sich in meine Schultern grabend... Er sah scharf aus, um zu untertreiben. Als hätte er meinen Blick bemerkt, öffnete der Blonde plötzlich die Augen und richtete seinen lustverhangenen Blick auf mich, sah mich direkt an und rang kurz nach Luft. „Fass dich selbst an“, hauchte er mit zitternder Stimme. Ohne auf eine zweite Einladung zu warten, machte ich meine Hose schnell auf und schob meine Hand hinein, umschloss mit ihr meine eigene Erektion, während ich Roses kurz mit den Zähnen streifte, was ihn zum Keuchen brachte. Er versuchte, mit seiner Hand in meinen Haaren meinen Kopf näher zu sich zu drücken und drängte sich mir gleichzeitig entgegen, woraufhin ich mit meiner freien Hand sein Handgelenk packte und zur Seite schob. Drängen lassen würde ich mich nicht. Er verstand und strich nur noch leicht durch meine Haare, krallte sich zwischendurch aber immer noch fest. Und während ich meine Hand immer schneller auf und ab bewegte und dabei immer stärker an Rose saugte, merkte ich, wie ich uns immer mehr unserem Höhepunkt entgegen brachte. Roses Stöhnen nahm langsam etwas Verzweifeltes an, er kniff seine Augen immer wieder zu und bog seinen Rücken durch, was mir jedes Mal eine hübsche Sicht auf seinen schönen Körper ermöglichte. Ich selbst hatte ebenfalls angefangen, leise zu stöhnen, nicht allein wegen des attraktiven Anblicks vor mir. Ich hoffte nur, dass man uns draußen nicht hörte... Und dann spannte Rose sich am ganzen Körper an, schnappte atemlos nach Luft, stöhnte ein letztes Mal auf und ergoss sich dann in meinen Mund. Ich verzog leicht das Gesicht, schluckte aber brav alles und beobachtete Rose dabei. Er atmete schwer, hatte die Augen geschlossen, die Lippen etwas geöffnet und den Kopf noch immer etwas in den Nacken gelegt. Er sah lecker aus, wirklich. Ich setzte mich auf und machte meine eigenen Augen zu, um mich auf mich selbst zu konzentrieren, in Gedanken immer noch Roses Anblick vor mir... Ich hörte erst etwas Rascheln, dann wurde meine Hand von meiner Erektion weggeschoben und eine andere umfasste sie. Ich öffnete meine Augen kurz und sah Rose gerade noch lächeln, ehe er meine Lippen mit seinen eigenen beschlagnahmte und ich wieder die Augen schloss. Wir küssten uns so intensiv wie vorher, weder richtig leidenschaftlich noch ruhig, eine Mischung daraus. Und dabei massierte er mich genau so, dass ich beinahe verrückt wurde. Ich legte eine Hand auf seine Wange und stöhnte leise in den Kuss, konzentrierte mich auf das Gefühl der Lust, das er in mir auslöste und immer weiter verstärkte. Es war kaum zu glauben, dass ich so stark auf jemanden reagierte, den ich kaum kannte. Es dauerte nicht lang, da erreichte auch ich meinen Orgasmus und kostete ihn voll aus, meine Lippen noch fest mit Roses verbunden. Wir küssten uns noch einen Moment länger, dann beendete er den Kuss und lehnte sich etwas zurück, ein vielsagendes Lächeln auf den Lippen. „Danke“, sagte er leise. „Ebenfalls“, gab ich zurück und musste auch lächeln. Ich hätte nicht beschreiben können, was ich in dem Augenblick fühlte. Ich war unheimlich froh, dass es so gekommen war, und ich hatte auch ein schlechtes Gewissen – schließlich war ich mit Kiyoharu zusammen und Rose mit Hakuei, aber die beiden hatten doch irgendwo eine Erlaubnis gegeben, oder? (Gut, Kiyo hatte bestimmt nicht damit gerechnet, dass SO WAS passieren würde, aber trotzdem...) Etwa zwei Minuten später ließen Rose und ich uns erschöpft aufseufzend neben Hakuei auf das Sofa sinken, ich streckte mich ein wenig aus und Rose kuschelte sich an uns beide, einen Arm wieder um meine Taille gelegt und die Finger seiner anderen Hand mit denen von Hakuei verschränkt. Miyavi war inzwischen eingeschlafen und Jui gerade mit Hiroto beschäftigt, aber die anderen starrten mich und den Blonden neben mir an. (Bis auf Hakuei. Der hatte ein wissendes und gleichsam amüsiertes Lächeln im Gesicht. ... Warum auch immer. Ich verstand ihn nicht.) „Was haben wir verpasst?“, wollte Rose von Hakuei wissen und ignorierte alle anderen fachmännisch. „Saku-chan hat gestrippt“, gab der Schwarzhaarige grinsend zurück. „Ihr habt echt was verpasst.“ „Warum habt ihr denn so lange gebraucht?“, fragte Yasu mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich schaute zu Rose. Wie, warum hatten wir so lange gebraucht? SO lange war es nun auch wieder nicht. Er bemerkte meinen irritierten Blick und grinste breit, ehe er sich etwas zu mir herüber beugte. „Du hättest mir auch einfach kaltes Wasser in die Hose schütten können“, flüsterte er mir ins Ohr. Einen Moment dachte ich nach, was er mir damit wohl sagen wollte, dann traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Hakuei hatte nur gesagt, dass ich mich um Roses Problem kümmern sollte, aber nicht, WIE! Er hatte überhaupt nicht von mir verlangt, dass ich irgendwas mit seinem Freund anstellte, ich hätte ihm auch einfach irgendwas erzählen können und darauf warten, dass es von selbst wegging. Aber NEIN, stattdessen hatte ich... Oh mein Gott. Ich lief knallrot an und biss mir auf die Lippe. Verdammt. Und, wenn ich darüber nachdachte, hatte Rose auch nichts in der Richtung gesagt, sondern mir viele Möglichkeiten offen gelassen. Aber darauf hatte ich nicht geachtet, sondern meiner Hose das Denken überlassen. ... Und jetzt würde er mich bis ans Ende meines Lebens für einen Perversen halten. Am liebsten wäre ich im Boden versunken. „Du solltest froh sein, dass du es gemacht hast, sonst wäre ich wirklich beleidigt gewesen“, wisperte mir der Blonde noch zu und lächelte wieder. „Du wolltest doch mitspielen.“ Damit hauchte er mir einen Kuss auf die Wange. ....Okay. Jetzt bekam ich Angst. Ich dachte an Hakueis Worte zurück, als ich ihm seine Jacke vorbei gebracht hatte – ‚Vielleicht lassen wir dich ja mal mitspielen’. War das hier alles etwa irgendeine abgekartete Sache, um mich an den Rand des Wahnsinns zu bringen? Konnte eigentlich nicht sein, sonst müsste Atsushi ja auch dabei sein, und er wirkte nicht so, als würde er Hakuei bei irgendetwas helfen wollen. Andererseits war er sicherlich ein guter Schauspieler. Oder vielleicht war ich einfach nur paranoid. „Ich geh noch was zu trinken holen, möchte noch jemand irgendwas?“, wollte Kirito wissen und riss mich damit aus meinen Gedanken. Zustimmendes Nicken von mehreren Seiten. „Okay, was wollt ihr? Ach ja, und kann dann einer mitkommen? Drei Hände hab ich noch nicht...“ „Warte, ich komm mit“, sagte ich sofort und sprang auf, ehe jemand anderes die Gelegenheit dazu bekam. Ich und Kirito merkten uns, was die anderen haben wollten, dann gingen wir in den Nebenraum mit der Minibar. „Hat Atsushi wirklich gestrippt?“, fragte ich ihn leise, während er die Getränke raussuchte. Kirito lächelte nur leicht. „Glaub Hakuei doch nicht alles, was er sagt...“ „Sag mal, wie steht ihr beiden eigentlich zueinander?“, fragte ich neugierig weiter. „Ich meine... ihr macht euch gegenseitig vor anderen Leuten runter, aber das ist doch nicht ernst gemeint, oder?“ Daraufhin musste er lachen. „Ach Quatsch, das ist nur Spaß, es ist nun mal so, dass wir beide ziemliche Großmäuler sind, und ehe dass wir jemanden verarschen, der das Ganze unter Umständen persönlich nimmt, ärgern wir uns lieber gegenseitig, weil wir wissen, dass wir es vertragen und uns wehren können. Aber er will auch nicht einsehen, dass ich von uns beiden der bessere Küsser bin...“ Verständnislos schüttelte er den Kopf, aber ich glaube, er meinte auch das nicht ernst. „Also, tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber ich habe schon jemanden gefunden, der besser küsst als du“, warf ich lächelnd ein. „Hast du schon mal Rose geküsst?“ „Bis jetzt noch nicht, nein, und du doch auch...“ Der Schwarzhaarige brach ab, dachte einen Moment nach und musterte mich dann halb fassungslos und halb amüsiert. „Nein. Sag mir jetzt bitte NICHT...“ „Dann sag ich’s dir nicht“, gab ich gespielt beleidigt zurück und zuckte mit den Schultern. Er knuffte mich in die Seite. „Du hast gerade... oh mein Gott. Und wir haben uns alle gedacht, dass ihr uns verarschen wollt und extra so lange wegbleibt, damit wir denken... Versautes Stück, du! Und er hat dich wirklich an sich rangelassen?“ Ich nickte lächelnd. „Mir vertraut er offenbar so sehr, dass ich ihn berühren darf...“ „Und was habt ihr....“ Zur Antwort machte ich eine eindeutige Geste, auf die Kirito wieder lachen musste. „Mein Gott, das ist erst das erste Jahr, in dem du hier bist, und du fängst gleich SO an...“ „Ich konnte nicht anders“, erwiderte ich schulterzuckend. „Jetzt hatte ich schon mal die Gelegenheit, und...“ „Verständlich. Ich weiß, was du meinst.“ Kirito grinste mich vielsagend an, und als ich seinen Blick nur fragend erwiderte, erklärte er mir, worauf genau er anspielte. „Du erinnerst dich an den einen Abend vor ein paar Monaten, wo du mir erzählt hast, dass du überlegst, ob du schwul bist, ja? Und am nächsten Morgen bist du in meinem Bett-“ Sofort nickte ich und winkte ab. „Klar erinnere ich mich noch, warum?“ „Du erinnerst dich aber nicht an den Abend vorher, oder...?“ Ich runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf, woraufhin der Schwarzhaarige nur wieder lächelte und mir auf die Schulter klopfte. „Da konnte ich auch nicht anders. Vergiss die Getränke nicht.“ Damit nahm er die Hälfte der Flaschen und verschwand aus dem Raum. Ich stand da, hatte den Kopf schief und meine Stirn in Falten gelegt und versuchte, mir Kiritos Andeutung nicht bildlich vorzustellen. Es funktionierte nicht. Jetzt kehrte auch langsam die Erinnerungslücke wieder, wir waren den Flur entlanggestolpert, in Kiritos Schlafzimmer, und er hatte mich ausgezogen und sein Mund... Ein wenig abwesend wirkend ging ich zurück. Ungefähr um zwei Uhr beschloss Atsushi, dass wir genug Spaß gehabt hatten und löste die Runde auf, die trotzdem zusammen sitzen blieb, weil die Räume verteilt werden mussten. Zwei Pärchen waren schon mal klar: Hakuei und Rose und Atsushi und Hazuki. Dann wollte Kirito unbedingt mit Yasu auf ein Zimmer und Jui gerne mit Miyavi. Blieben Hiroto und ich. Wir sahen uns an, nickten beide und alle waren zufrieden. „Ich muss noch eine rauchen“, schnurrte Kirito mir ins Ohr, gerade, als ich aufstehen wollte, und schlang die Arme um meinen Oberkörper. „Kommst du mit~...?“ „Wohin denn?“, wollte ich von ihm wissen und legte ihm einen Arm um die Taille, damit er nicht seitlich von der Armlehne fiel. „Nach unten?“, schlug er vor und lehnte seinen Kopf an meinen, schloss die Augen. „Ich glaube, ich brauch ein bisschen frische Luft...“ Da er ohne mich wahrscheinlich nicht mehr hätte gerade laufen können, wünschte ich allen eine gute Nacht, wurde von allen geknuddelt (und von Hakuei, Rose und Jui kurz geküsst, warum auch immer) und schleppte den inzwischen doch recht betrunkenen Kirito mit mir erst zum Aufzug, dann durch die Eingangshalle und zur Tür, wobei ich feststellen musste, dass diese abgeschlossen war. „Tja“, meinte ich schulterzuckend. „Raus ist nicht, Kirito. Reicht es dir, wenn ich dir ein Fenster aufmache?“ Er machte ein zustimmendes Geräusch, also schleifte ich ihn zu einem Fenster, das sich kippen ließ, und setzte ihn dort auf das Fenstersims. „Danke“, murmelte er und kramte sich Zigaretten heraus, fand allerdings kein Feuerzeug. Ich lieh ihm meins und bekam selbst eine Zigarette. Eine Weile rauchten wir schweigend vor uns hin. „Wolltest du irgendwas mit mir besprechen?“, fragte ich dann und sah den Schwarzhaarigen neugierig an. Der legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und stöhnte leise. „Ich sitze bis zum Hals in der Scheiße, Kleiner...“ Erwartungsvoll hob ich die Augenbrauen und wartete darauf, dass er weitersprach, aber es kam nichts mehr. „Warum denn? Benimmst du dich deshalb in letzter Zeit so seltsam?“ Ich schnippte etwas Asche beiseite. Kirito machte die Augen wieder auf und richtete den Blick auf mich. „Ist es dir aufgefallen...?“ „Nein, Yasu.“ Ich nahm einen weiteren Zug. „Er macht sich Sorgen um dich.“ „Pah, genau DER!“ Er lachte leise, aber es klang nicht fröhlich. „Der ist doch schuld an allem... verstehst du?“ „Kein bisschen“, erwiderte ich und legte den Kopf schief. „Aber du weißt, dass ich einen Freund habe?“ „Bis gerade eben nicht“, nickte ich. „Ich habe es geahnt, aber mehr auch nicht.“ „Na ja, auf jeden Fall hab ich ihn schon ein bisschen länger, und ich liebe ihn. Ich liebe ihn wirklich, er ist die wundervollste Person auf Erden, und er liebt mich auch, und wir sind glücklich, auch, wenn wir unsere Beziehung geheim halten, und...“ Er brach ab und betrachtete seine Zigarette, als sähe er sie zum ersten Mal. „Es ist wirklich schön mit ihm, wunderschön, aber irgendwie...“ „Du liebst ihn nicht mehr so wie am Anfang?“, versuchte ich Kiritos Satz zuende zu bringen, weil er nicht so wirkte, als würde er das selbst übernehmen. „Er hat einen anderen?“ „Quark... ich... nein, ich glaube, ich habe mich in jemand anderes verliebt, und ich weiß nicht, wie und warum und alles, und ich fühle mich so schuldig, weil ich immer noch mit ihm zusammen bin, und ich liebe ihn ja auch, aber... Versteh mich nicht falsch, ich habe ihn niemals betrogen! Und trotzdem...“ Kirito lehnte sich zurück und fuhr sich durch die Haare. In diesem Augenblick sah er wirklich hilflos aus. „Was... hat Yasu denn mit dem Ganzen zu tun?“, wollte ich vorsichtig wissen und trat meine Zigarette aus, wie schon Kirito vorher. Ich bekam keine Antwort. Dann machte ich große Augen. „Whow, du hast dich doch nicht...“ Wobei es nur logisch wäre, schließlich war Kirito so sanft zu ihm gewesen beim Küssen, er hatte diesen Abend unbedingt alleine mit ihm auf dem Sofa sitzen wollen und war deshalb froh gewesen, als ich mich nicht zu ihm gesetzt hatte... Es gab noch andere, so viele Zeichen, und ich hatte kein einziges richtig deuten können. Was war ich doch blöd. „Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe“, flüsterte Kirito, den Kopf schüttelnd. „Und in letzter Zeit streite ich mich ständig mit meinem Freund, weil ich ihn bitte, mir etwas mehr Freiraum zu geben, und er ist dann ziemlich eifersüchtig und geht mir eigentlich ziemlich auf den Geist, aber ich will ihn trotzdem nicht verlieren, und gleichzeitig will ich Yasu haben...“ Er sah mich wieder an. „Kleiner, ich habe Angst. Ich habe Angst, dass ich meinen Freund verliere, und dann Yasu sagt, dass er nicht mehr mit mir befreundet sein kann, wenn ich solche Gefühle für ihn habe, denn dann habe ich gar keinen mehr, den ich liebe... Aber ich weiß, dass es so kommen wird, denn Yasu steht nur auf Frauen, und wenn mein Freund das Ganze rausfindet...“ Wortlos drückte ich den Schwarzhaarigen fest an mich und strich ihm über den Kopf, als er leise schniefte. Ich hatte ihn noch nie so ratlos, so verzweifelt gesehen. Noch nie. Für mich war er der launische Senior, der alles besser wusste, und nicht jemand, den man trösten musste. Ich begann, ihm mit der anderen Hand über den Rücken zu streicheln, als er sich in mein Hemd krallte. „Ich weiß einfach nicht mehr, was ich machen soll“, wisperte Kirito weiter und schüttelte leicht den Kopf, ohne mich loszulassen. „Für wen empfindest du denn mehr?“, wollte ich leise wissen und zog ihn noch enger an mich, falls das überhaupt ging. Ich hatte in der letzten Zeit nicht bemerkt, dass es ihm schlecht ging, deshalb wollte ich wenigstens jetzt für ihn da sein. „Keine Ahnung“, antwortete er hilflos. „Seit dem Kuss mit ihm weiß ich gar nichts mehr, ich hätte ihn am liebsten nie wieder gehen lassen, es war so schön, ich hab richtig Herzklopfen gekriegt und so ein seltsames Gefühl im Bauch, und ich habe mich gefühlt, als würde ich im Sommer über eine Blumenwiese gehen... entschuldige, das ist kitschig...“ Ich lächelte leicht und strich ihm wieder über die Haare. „Nein, ist es nicht. Wirklich nicht“, beruhigte ich ihn sanft und überlegte dann eine Weile. „Und... du bist sicher, dass es nicht nur eine Schwärmerei ist...?“ „Ganz sicher“, bestätigte er sofort. „Am Anfang hab ich es noch für harmlos gehalten, aber nach zwei Monaten, in denen ich immer mehr versucht habe, meine Gefühle zu verdrängen, und sie trotzdem immer mehr wuchsen... da bin ich mir sicher, ja...“ „Okay“, ich nickte leicht. „Aber... ich glaube nicht, dass ich dir eine große Hilfe dabei sein kann, ich weiß nicht, was du fühlst...“ „Ich kann auch von dir nicht erwarten, mir meine Entscheidung abzunehmen“, nickte Kirito und löste seine Hände zögernd aus meinem Hemd. Trotzdem ließ ich ihn nicht los. „Wenn... es dir ein bisschen hilft, Yasu hat mich vor ein paar Stunden auf dich angesprochen und hat mir gesagt, dass er sich Sorgen um dich macht, ihm ist dein Verhalten direkt aufgefallen, er hat dich ja auch mehrere Male angesprochen... und ich glaube, dass er sich irgendwo die Schuld dafür gibt, weil du nicht mit ihm redest. Er sorgt sich wirklich um dich, Kirito. Und er schien unheimlich froh darüber zu sein, dass ihr jetzt doch Freunde geworden seid“, erzählte ich. Er nickte erneut und legte dann doch wieder die Arme um mich. „Danke“, flüsterte er. Darauf sagte ich nichts mehr, sondern drückte ihn nur weiter schweigend an mich, weil ich das Gefühl hatte, dass er genau das jetzt brauchte. Genau so, wie er nur jemanden gebraucht hatte, dem er sich anvertrauen konnte, ich glaube nicht, dass er von mir einen Rat erwartet hatte, er musste nur das Ganze irgendwie loswerden. So, wie wir da standen, gingen mir alle möglichen Gedanken durch den Kopf, ich dachte an seine Worte von vorher, ich dachte daran, dass er mir in dieser einen Nacht....... Es war inzwischen unvorstellbar für mich. Kirito war Kirito, ein guter Freund, und nicht jemand, in dessen Bett ich nackt aufwachte. Und er hatte es mir die ganze Zeit verschwiegen... war wahrscheinlich besser so gewesen, denn jetzt sah ich ihn nur noch als Freund, und in meinem Gemütszustand damals hätte ich höchstwahrscheinlich gleich eine Affäre mit ihm anfangen wollen. Ich hätte wirklich alles genommen, was in Reichweite war. Ich spürte seinen Herzschlag an meiner Brust, er war ruhig und gleichmäßig, genau wie sein Atem. Er war schön warm. ... Und er stank nach Alkohol. „Gara~...?“, murmelte er leise. „Das ist schöööö~n...“ Ich musste lächeln und nickte langsam. Ja, es war wirklich schön, so mit ihm dazustehen. Eine Weile genoss ich das Ganze noch ein wenig, dann spürte ich, wie Kirito sich immer mehr und immer mehr an mich lehnte und irgendwie... Ich stupste ihn an. „Kirito?“ Keine Reaktion. „Kirito!“ Als ich ihn das zweite Mal anstupste, wäre er fast zu Boden gesunken, hätte ich ihn nicht festgehalten. Schnell setzte ich ihn wieder auf die Fensterbank und tätschelte seine Wange. „Kirito, ist alles in Ordnung...?“ Er blinzelte mich an und lächelte leicht. „Was? Oh, klar, ich... bin nur ein bisschen müde...“ Er gähnte erschöpft. „Du wärst fast in meinen Armen eingeschlafen.“ Ich schüttelte seufzend den Kopf und hievte ihn wieder hoch. „Komm, ich bring dich ins Bett.“ Nachdem ich mit Kirito im Schlepptau den langen Weg zurück zu unserer Suite bewältigt hatte, fragte ich ihn, in welchem Zimmer er schlafe, dankenswerterweise hatte Yasu es ihm vorher gesagt und glücklicherweise erinnerte Kirito sich noch daran. Ich brachte ihn zum Bett, zog ihn bis auf die Shorts aus, deckte ihn zu und ging wieder aus dem Schafzimmer. Und stand plötzlich vor einer Menge Türen. Und hatte KEINEN blassen Schimmer, welche davon die richtige war. Hiroto hatte mir nicht gesagt, welches Zimmer er nehmen würde, also konnte ich nur noch ausprobieren. Die anderen dürften bereits schlafen, von daher konnte ich sie bei gar nicht so viel stören. So leise wie möglich öffnete ich die Tür, die direkt neben Kiritos und Yasus war, und spähte hinein. Ich brauchte nicht lange, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schließlich war die Suite auch dunkel, nur schien dort mehr Laternen- oder Mondlicht hinein. Erkennen konnte ich zwei schwarze Haarschöpfe und zwei Gestalten, die SEHR eng beieinander gekuschelt lagen. Das waren definitiv Atsushi und Hazuki. Ich musste lächeln. Wie niedlich die beiden so nebeneinander aussahen... Vorsichtig schloss ich die Tür wieder und probierte die nächste. Fehlanzeige, das waren Miyavi und Jui. Wenn es Hakuei und Rose gewesen wären, dann würden sie auch miteinander kuscheln. Und keiner der beiden war blond. Okay. Leise machte ich die Tür wieder zu und öffnete die drittletzte. Keiner im Bett, aber dafür war der Raum heller als die anderen vorher. Hm. Komisch. Obwohl – müsste hinkommen, es waren noch drei Räume übrig (wenn man die Bar und die beiden Badezimmer nicht mitzählte), in einem schlief Hiroto, in dem anderen Hakuei und Rose, und dann müsste einer leer stehen. War ja nicht so schlimm, wenn ich die Nacht alleine verbrachte. Zufrieden betrat ich das Zimmer, schloss hinter mir die Tür und sah mich erst einmal um. Und erstarrte. DESHALB war dieser Raum also heller als die anderen. Es gab offenbar in jedem Schlafzimmer NOCH eine Sitzecke (als ob die vier im Hauptraum nicht schon genug gewesen wären) mit Sofa und Sesseln und Tisch und so weiter, und genau in jener Sitzecke war das Licht eingeschaltet, was ich dank des ungünstigen Winkels der Tür nicht hatte sehen können, weshalb mir auch dieser Anblick entgangen war. Wo soll ich anfangen? Hakueis Lippen waren gerade dabei, Roses Hals zu verwöhnen, was er mit leisen, zufriedenen Seufzern quittierte, dabei den Kopf noch etwas mehr in den Nacken legte und die Augen schloss. Er saß breitbeinig auf einem sehr geräumigen Sessel, Hakuei kniete zwischen seinen Beinen und hatte seine Hände unter das Shirt des Blonden geschoben, während seine Lippen nicht eine Sekunde lang dessen Haut verließen. Als er an Roses Schlüsselbein angekommen war, biss er kurz in die zarte Haut, in deren Genuss ich ja diese Nacht bereits gekommen war, und lächelte auf Roses Keuchen hin. Mit einer fließenden Bewegung streifte er dem Blonden das Shirt über den Kopf, ließ es achtlos beiseite fallen und machte sich anschließend über Roses Oberkörper her, liebkoste jedes Fleckchen nackte Haut mit den Lippen und der Zunge, saugte sich kurz an Roses Brustwarzen fest, woraufhin dieser ein kaum wahrnehmbares, atemloses Stöhnen von sich gab und den Rücken durchbog, während er seine Hände in Hakueis Haaren vergrub, das Gesicht pure Lust ausdrückend. Und Hakuei dachte gar nicht daran aufzuhören, er knabberte an Roses Bauchnabelpiercing und bahnte sich seinen Weg weiter nach unten, bis er an Roses Hosenbund angekommen war. Da richtete er sich wieder auf und die beiden küssten sich. Ich hatte die beiden sich schon vorher küssen sehen, aber das war immer sehr sanft und sehr ruhig gewesen, das, was sich mir jetzt bot, traf auf beide Beschreibungen nicht zu. Ich konnte ihre Zungen miteinander spielen sehen und hörte Rose zum wiederholten Male aufseufzen, während die zwei sich in einer Art küssten, die nur noch als leidenschaftlich bezeichnet werden konnte. Und ich? Ich stand vollkommen regungslos da, wo ich gestanden hatte, als ich die beiden erblickte, und starrte sie mit offenem Mund an. So sehr ich auch wollte, ich konnte meine Augen nicht von ihnen nehmen, das Ganze wirkte beinahe einstudiert, auf jeden Fall war es erotischer als jeder Porno. (Und ich musste es wissen.) Ich merkte bereits, wie meine untere Hälfte allmählich zum Leben erwachte, aber ich konnte und wollte nichts dagegen tun, ich wollte noch mehr von den beiden sehen, noch mehr von Roses delikater Haut, noch mehr von Hakueis Tattoos, mehr von ihren Berührungen, mehr von ihren Küssen, mehr von ihrem Körper, mehr von ihrem Zusammenspiel. Sie wirkten so perfekt zusammen, dass ich mir unwillkürlich wünschte, Teil dieser Perfektion zu sein. Aber ich wusste, dass das nicht ging. Ich würde nur Zuschauer sein dürfen, kein Teilhaber. Aber das reichte mir. Noch während Hakuei und Rose sich küssten, war eine der Hände des Schwarzhaarigen zu Roses Schritt gewandert und hatte angefangen, ihn dort sanft zu massieren, worauf der Blonde mit leisem, auffordernden Stöhnen antwortete und sich dem anderen entgegen drückte. Als ihre Lippen sich nach einer Ewigkeit, so schien es, wieder voneinander lösten, machte Hakuei sich sofort mit seinen an Roses Ohr zu schaffen und öffnete gleichzeitig dessen Hose. Der Blonde wisperte atemlos den Namen des anderen und hob sein Becken an, sodass Hakuei ihm ohne Probleme das ihn störende Kleidungsstück ausziehen und es zu dem Shirt werfen konnte. Sofort darauf zupfte Rose am Shirt des anderen und sah bittend zu ihm, weshalb er sich gehorsam aufrichtete und sich ebenfalls erst des Shirts und dann der Hose entledigte. Anschließend fanden ihre Lippen wieder zueinander und während sich ihre Zungen miteinander austobten, wanderten Hakueis Hände überall über Roses Körper, über seine schöne Brust, seine langen makellosen Beine, seinen flachen Bauch, seinen einladenden Hals, seine weichen Haare... bis sie Rose schließlich noch die Shorts auszogen. Das wäre der Punkt gewesen, an dem ich spätestens hätte gehen sollen. Stattdessen stand ich noch immer da wie angeleimt und konnte nicht glauben, dass ich gerade diese beiden wunderschönen Menschen nur wenige Meter von mir entfernt hatte, die so intim miteinander umgingen und die mich offenbar noch nicht bemerkt hatten. Gut so, sonst wäre ich wahrscheinlich Hackfleisch, denn inzwischen stand mir nicht nur der Mund offen, ich war auch am Überlegen, ob ich mir eine Hand in die Hose schieben sollte oder nicht. Eher nicht, ich sollte lieber schnell abhauen in den freien Raum, und mich dort abreagieren, ich war betrunken, ich sollte eigentlich nicht hier sein und zusehen... Mein Herz blieb stehen, als sich unvermittelt zwei Köpfe zur Seite drehten und mich zwei Augenpaare ansahen. Scheiße. Während Hakuei und Rose mich mit einem undeutbaren Blick musterten und ich halb entgeistert, halb erregt, zurückstarrte, überlegte ich, was wohl besser wäre – darauf zu spekulieren, dass ich schneller rennen konnte als Hakuei, oder eher aus dem Fenster zu springen, um ihm die Arbeit abzunehmen. „Sieht aus, als hätten wir heute ein Publikum“, flüsterte Rose keuchend, ohne den Blick von mir zu nehmen. Warum konnte ich nicht einfach hier und jetzt im Boden versinken...? „Publikum? Endlich ist unser letzter Mitspieler da“, murmelte Hakuei mit einem amüsierten Lächeln, ehe er ganz langsam aufstand und dann Rose auf die Beine half. Noch langsamer als langsam kam er auf mich zu, mich wie eine Beute fixierend. Ich ging einen Schritt rückwärts, dann noch einen, und genau dann, als ich mich blitzschnell umdrehte und lossprinten wollte, packte Hakuei mich an der Schulter und rammte mich gegen die Wand, sodass mir jegliche Luft aus den Lungen gepresst wurde, aber statt des erwarteten Schlags spürte ich seine Lippen auf meinen und seine Hand an meinem Schritt. Ich keuchte erschrocken in den Kuss und stöhnte dann leise, als er mich gleichzeitig massierte und seine Zunge in meinen Mund schob. Eifrig erwiderte ich den Kuss, der genau richtig für meine derzeitigen Ansprüche war, unbeherrscht und ungeduldig, und krallte mich mit einer Hand in Hakueis Haaren fest. Viel zu schnell beendete er den Kuss und entfernte zu meiner Enttäuschung auch seine Hand, aber dafür lächelte er mich wieder an, wissend, belustigt. „Willst du mitspielen?“, hauchte er an meine Lippen. Ich hatte kaum genickt, da wurde mein Hemd schon mit einem Ruck aufgerissen und mein Hals von unermüdlichen Lippen und Zähnen bearbeitet, die mich selbst leise aufseufzen ließen. Hatte ich doch den Kopf, wie Rose vorher, in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, so hatte ich dabei den Blonden komplett ausgeblendet, der sich jetzt dadurch wieder bemerkbar machte, dass er seine Lippen sanft auf meine drückte, ein ziemlicher Kontrast zu Hakuei, der gerade dabei war, meine Hose aufzuknöpfen, und gleichzeitig über meine Schulter herfiel. Ein wenig irritiert über diese vielen, gleichzeitig an mir stattfindenden Ereignisse, konzentrierte ich mich erst einmal auf Roses Kuss, der, wie unser erster richtiger Kuss auch, harmlos anfing und sich immer weiter steigerte, bis wir beide leise stöhnten, wobei es bei mir zum Teil daran lag, dass Hakuei sich und mich inzwischen komplett ausgezogen hatte und gerade an meinem Beckenknochen knabberte. Rose stand seitlich zu mir und streichelte mir über die Brust, ich hatte einen Arm um ihn gelegt und die andere Hand noch immer in Hakueis schwarzen Haare vergraben. Und ich versuchte noch immer herauszufinden, was zur Hölle ich hier gerade tat. Als hätte er meine Gedanken gelesen, stand der Schwarzhaarige wieder auf und schob Rose sanft von mir weg, flüsterte ihm kurz etwas ins Ohr und schenkte mir dann ein Lächeln. „Nicht denken“, wisperte er ruhig und legte mir eine Hand auf die Wange. „Nur genießen.“ Dann küsste er mich erneut und ich blendete zum wiederholten Mal meine Umwelt aus und konzentrierte mich nur auf den Kuss, auf Hakueis Zunge, seine Hände an meiner Seite, sein nackter Körper an meinem und nicht auf seine Worte, auf moralische Fragen oder sonst irgendetwas Lästiges. So lange, bis ein Stöhnen meine Ohren erreichte, das definitiv nicht von mir oder Hakuei kam. Neugierig öffnete ich meine Augen einen Spalt und erblickte Rose, der sich breitbeinig auf dem Bett niedergelassen hatte und obwohl ich es nicht genau sah, bekam ich doch eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, was er gerade hinter seinem Rücken mit seinen Fingern tat, wenn man seinen leicht abwesenden Gesichtsausdruck, sein leises Stöhnen und seine eindeutigen Bewegungen mit der Hüfte mit in Betracht zog. Während ich ihn anstarrte, überkam mich wieder dieses sehnsuchtsvolle Gefühl, das mich immer ergriff, wenn ich etwas (nahezu) Perfektes sah, er wirkte wirklich perfekt, und ich wollte daran teilhaben. Ich wollte ein Stück von seiner Vollkommenheit abhaben, oder zumindest noch mehr in ihren Genuss kommen, als ihn nur anzusehen. Ich wollte ihn spüren. Fast hätte ich mich von Hakuei losgerissen, aber er hielt mich fest und biss tadelnd in meinen Hals. „Langsam“, murmelte er beinahe vorwurfsvoll und schaute mich gespielt beleidigt an. „Bin ich dir nicht hübsch genug?“ Da tat ich zum ersten Mal etwas, das ich die ganze Zeit vorher aus keinem bestimmten Grund vermieden hatte (wofür ich mich am liebsten erschlagen hätte) – ich betrachtete Hakuei genauer. Zuerst sein hübsches Gesicht, das mir ja schon vorher aufgefallen war, und dann seinen Körper. Die vielen Tattoos an seinen Armen, an seinem Hals und seitlich etwas unterhalb seiner Schlüsselbeine (das waren die beiden bunten Vögel, die mir so gut gefielen), seine muskulöse Brust und seine langen Beine. In diesem Licht hatte seine Haut einen fast goldbraunen Ton, was gut zu ihm passte. Ich schlug mich innerlich dafür, dass ich nie bemerkt hatte, was für einen schönen Körper er eigentlich hatte. Zögernd streckte ich mich etwas und knabberte kurz an seinem Lippenpiercing, woraufhin er lächeln musste, aber sonst nichts weiter tat. Ein wenig mutiger geworden ließ ich nun auch meine Hände wandern, streichelte über seine Muskeln, fuhr mit den Fingerspitzen seine Tattoos nach und... „Gara?“ Ein atemloses Hauchen. Ich riss mich von Hakueis Anblick los und schaute zu Rose, der mich fixierte. „Komm her.“ Keine Bitte, ein Befehl. Ich sah zu Hakuei, der noch immer sein amüsiertes Lächeln lächelte und mir zunickte, ehe ich mit leicht weichen Knien zum Bett herüberging. Rose zog mich sofort darauf, in die Mitte, setzte sich breitbeinig auf meinen Schoß und presste seine Lippen auf meine. Da mich das ein wenig unerwartet traf, brauchte ich einen Augenblick, bis ich mich an das Gefühl gewöhnt hatte, Rose zu küssen und ihn gleichzeitig so dicht unbekleidet an mir zu spüren... Und er machte es nicht besser. Nach kurzer Zeit setzte er sich auf und ...... ließ sich langsam auf meine Erregung sinken. Also... DARAUF war ich nun wirklich nicht vorbereitet gewesen. Ich kam vollkommen aus dem Konzept, als ich Roses enge Hitze um mich spürte, ihn genussvoll aufstöhnen hörte und den Kopf in den Nacken werfen sah. Eine Welle der Lust durchfuhr mich, als ich unwillkürlich tiefer in ihn stieß, was uns beide leise stöhnen ließ. Er war so... eng, und so heiß, und dann sah er noch so perfekt aus, wie er, nach Halt suchend, seine Fingernägel etwas in meine Brust grub... Ich war schon wieder im Himmel. Noch immer nicht begreifend, was ich gerade tat, fuhr ich mit meinen Händen über seine makellosen Oberschenkel und ließ sie schließlich an seiner Hüfte ruhen, während er langsam begann, sich zu bewegen. Ich erwiderte die Bewegungen und drang noch langsam in ihn ein, aber das Tempo erhöhte sich. Aber leider, noch bevor ich mich in Roses leisen Geräuschen, seinem Aufkeuchen, seinem Stöhnen, verlieren konnte, schmiegte er sich erst an mich und drehte uns dann um, sodass er auf dem Rücken und ich auf ihm lag. Hätte mich nicht weiter gestört, wenn ich nicht plötzlich zwei Hände innen an meinen Oberschenkeln gespürt hätte, die diese weiter auseinander drückten, bis es fast nicht mehr bequem war. Das war Hakuei, aber was... ........ ...Whow, Moment mal, wurde das hier... „Mach weiter“, schnurrte mir Hakueis Stimme ins Ohr und er strich mir beruhigend über den Rücken. Nur dass mich das nicht im Geringsten beruhigte. Ich war kurz davor, mich zu beschweren, dass ich noch nie mit zwei Leuten gleichzeitig geschlafen hatte, aber bevor ich das tun konnte, hatte Rose seine langen Beine um meine Hüfte geschlungen und mich tiefer in sich gezogen. „Bitte“, flüsterte er eindringlich, richtete sich ein wenig auf, wobei er sich mit den Ellbogen abstützte, und küsste mich erneut. Ich konnte Hakuei zwar noch immer hinter mir spüren, aber Rose war gerade wichtiger, also fügte ich mich in mein Schicksal, erwiderte den Kuss und fing wieder an, in den Blonden zu stoßen, blieb dabei noch immer langsam. Rose seufzte genussvoll auf und begann wieder, meine Zunge mit seiner zu umspielen, was sich nach kurzer Zeit zu einem Tanz entwickelte, in dem ich mich auch hätte verlieren können, hätte Hakuei nicht just in dem Moment Roses Beine von meiner Taille gelöst und eine Hand an mein Becken gelegt. Es dauerte keine Sekunde, da drang er schon mit einem Finger in mich ein und nahm sofort einen zweiten dazu, weshalb ich mich von Roses Lippen löste und in meinen Bewegungen inne hielt. „Hakuei...“, wisperte ich und hatte aber schon wieder vergessen, was ich hatte sagen wollen – aufhören sollte er nicht, weitermachen vielleicht? Er erwiderte nichts und fing an, seine Finger etwas in mir zu bewegen, was mich leise aufkeuchen ließ. Rose betrachtete mich mit lustverhangenem Blick und leicht geöffnetem Mund und nutzte die kurze Pause, um wieder etwas zu Atem zu kommen. Er sah zum Anbeißen aus, am liebsten hätte ich... Und dann hatte ich mit einem Mal Sternchen vor den Augen, spannte mich für einen Moment am ganzen Körper an und bog den Rücken durch, weshalb ich mit einem genussvollen Stöhnen noch etwas tiefer in Rose drang, was ihn wiederum kehlig aufstöhnen und sich anspannen ließ, wodurch er sich um meine Erregung herum zusammenzog, was mich erneut zum Stöhnen brachte. Ich konnte Hakueis Grinsen beinahe fühlen, als er ein ‚perfekt’ schnurrte und mir seine Finger wieder entzog. Einen Moment hielt ich erwartungsvoll die Luft an, dann stieß der Schwarzhaarige mit einem Mal in mich und traf sofort diesen Punkt in mir, der mich diese unbändige Lust spüren ließ, und dann spannte Rose sich auch noch an, was mich laut und beinahe verzweifelt aufstöhnen ließ... Ich wusste nicht, worauf ich mehr achten sollte, auf das überwältigende Gefühl, vollständig ausgefüllt zu sein, oder auf diese wundervoll enge Hitze um mich herum. Einen Augenblick verharrten wir so, regungslos, und beschränkten uns darauf, die jeweils anderen nur zu spüren. Mein Atem ging inzwischen bereits jetzt schon schwer. Dann hauchte Rose meinen Namen und schmiegte sich enger an mich, ich beschlagnahmte seine Lippen und Hakuei begann als erster, sich zu bewegen. Er verteilte ein paar Küsse auf meiner Schulter, während er einen langsam Rhythmus angab, an den ich und Rose uns erst einmal gewöhnen mussten, aber schon nach kurzer Zeit hatten wir das passende Tempo gefunden, und ab da nahm ich so viel gleichzeitig wahr, dass ich eigentlich an Reizüberflutung hätte sterben müssen. Ich spürte Hakueis Erektion, die immer wieder in mich stieß und mir ein Gefühl verschaffte, als wäre ich endlich komplett, seine Hände an meiner Hüfte, seine Beine an meinen, ich spürte Roses Wärme, seine Enge, seinen Brustkorb, der sich immer schneller hob und senkte, seine Hand in meinen Haaren, seine Lippen auf meinen, seine Zunge, seine langen Beine, seine zarte Haut unter meinen Fingerspitzen, ich spürte meinen schnellen Herzschlag, ein unbeschreibliches Gefühl, das mir beinahe den Atem raubte, die Lust, die mir immer wieder die Sinne vernebelte, und ein angenehmes Ziehen im ganzen Körper. Ich hörte Roses ersticktes Aufstöhnen, sein Keuchen und Hakueis schnellen Atem, mein Blut in meinen Ohren rauschen, mich selbst immer wieder aufstöhnen, ich roch Roses und Hakueis ganz eigenen Geruch, ich sah Roses wunderschönes Gesicht vor mir, seine helle Haut, seine noch helleren Haare, seine einladenden Lippen, seinen feurigen Blick... Und das alles gleichzeitig. Und immer wieder traf Hakuei diesen einen Punkt in mir, der mich Sternchen sehen ließ, und immer wieder zog sich Rose so zusammen, dass ich am liebsten jeden Moment losgelassen und mich vollkommen meinem Höhepunkt hingegeben hätte, aber ich wollte das hier noch ein wenig auskosten. Eigentlich war es völlig irrational, was ich hier tat. Ich... schlief gerade mit Hakuei UND mit Rose. Und so unglaublich es sich auch anfühlte – was fiel mir überhaupt ein?! Ich war anderweitig vergeben, und hatte ich nicht schon mit Rose im Badezimmer genug angerichtet...? Aber diese Gedanken wurden vollständig in den Hintergrund gedrängt von Hakueis leisem Stöhnen an meinem Ohr, von der Art, wie Rose meinen Namen wisperte... Ich würde mich nicht mehr lange beherrschen können, also glitt ich mit einer Hand zwischen Roses Beine und umschloss seine Erregung fest, um sie im Rhythmus von meinen und Hakueis Stößen zu massieren, woraufhin der Blonde seinen Rücken durchbog und sich mit einem genießerischen Stöhnen etwas in meine Schultern krallte. Ich knabberte an seinem Hals und spürte, wie Hakuei sich etwas nach vorne lehnte, um Rose selbst zu küssen, was dieser mit Eifer begrüßte. Ich merkte, wie sich der Blonde immer mehr anspannte, und erhöhte das Tempo ein wenig mehr, genauso wie die Kraft meiner Stöße, und als ich noch den Winkel etwas korrigierte, schaffte ich es, Roses Lustpunkt jedes Mal zu treffen, woraufhin er immer wieder laut aufstöhnte oder –keuchte und sich fast schon unter mir wand, seine Fingernägel gruben sich in meine Haut und er warf den Kopf in den Nacken, offenbar versuchend, seine Erlösung länger herauszuzögern. Ich gab ihm keine Gelegenheit dazu, umfasste seine Erektion noch stärker und biss leicht in seine Schulter. Das schien wohl den Ausschlag zu geben, denn unvermittelt spannte der Blonde sich noch extremer an, stöhnte unbeherrscht auf und drückte sich mir entgegen, ehe er in meine Hand kam. Sein Gesichtsausdruck allerdings war dann wieder zu viel für mich, Schweiß glitzerte ihm auf der Stirn, er hatte die Augen zugekniffen und den Mund etwas geöffnet, er erinnerte mich an unser vorheriges Zusammentreffen im Badezimmer, er schien vollkommen in der Lust aufzugehen. Und das zusammen mit dem ganzen Rest UND dann noch Hakueis Zähne an einem ziemlich empfindlichen Punkt auf meinem Rücken und seine Erregung an einem noch empfindlicheren Punkt in mir ließ mich aufgeben. Ich kämpfte nicht mehr dagegen an, sondern ließ zu, dass mich eine weitere Welle der Lust, dieses Mal viel intensiver und durchdringender als alle vor ihr, erfasste und mir die Sinne vernebelte, alles um mich herum verschwamm, während ich meinen Höhepunkt voll auskostete und buchstäblich dahinschmolz, von dieser Hitze, die in meinem Körper herrschte. Schwach erinnere ich mich daran, dass auch Hakuei seinen Höhepunkt erreichte, wir noch einen Moment liegen blieben und uns dann alle nebeneinander kuschelten, während Hakuei beinahe hingebungsvoll meine Hand sauber leckte (wobei er schon wieder so scharf aussah, dass ich mich beherrschen musste, ihn nicht um eine zweite Runde anzubetteln). Ich weiß noch, dass Hakuei und Rose irgendetwas sagten, vielleicht sprachen sie mit mir, vielleicht auch nicht, vielleicht antwortete ich ihnen auch, ich weiß es nicht mehr genau. Was ich aber definitiv weiß, ist, dass kurz darauf alles um mich herum schwarz wurde, offenbar hatte ich zu viel Alkohol getrunken, zu wenig gegessen oder mich überanstrengt, oder vielleicht auch alles zusammen. Oder vielleicht hatte es mich umgehauen, dass ich an etwas so Perfektem hatte teilhaben dürfen. Auf jeden Fall wachte ich am nächsten Morgen davon auf, dass mir Sonne ins Gesicht schien und mich etwas am Hals kitzelte. Ich seufzte leise, kuschelte mich enger an meinen Bettnachbarn und zog ihn mit dem Arm, den ich um ihn gelegt hatte, dichter an mich. Ich fühlte mich wie gerädert, wie aufgegessen, halb verdaut und wieder ausgespuckt. Ich hatte unheimliche Kopfschmerzen, die Sonne blendete mich, mir tat jede Faser meines Körpers weh, mir war schlecht und ich hatte gleichzeitig Hunger und Durst. Und ausgeschlafen war ich auch nicht. ... Moment mal, wer war das da eigentlich neben mir? Unter einiger Anstrengung gelang es mir, meine Augen zu öffnen und meinen Kopf in so eine Position zu bringen, dass ich den Haarschopf an meinem Hals sehen konnte, der mich gekitzelt hatte. Schwarz, teilweise blond gefärbt. Aber relativ kurz. Anders als Hakueis Haare, ganz anders. Wer zur Hölle... Immer wieder leise vor Schmerzen aufstöhnend, rutschte ich ein wenig nach unten, um das Gesicht des anderen ausmachen zu können. ... Hiroto. Das da war Hiroto. Nicht Hakuei oder Rose, sondern Hiroto, mein ursprünglicher Zimmernachbar. ... Wie um alles in der Welt kam ich hierhin...? „Hiroto“, flüsterte ich und dabei hörte sich meine Stimme an, als würde jemand mit einem Megaphon neben meinem Ohr stehen und das hineinbrüllen, was ich gerade sagte. Ich stöhnte erneut gequält auf und stupste den anderen vorsichtig wach. Er gähnte einmal ausgiebig, streckte sich und sah mich dann genauso fragend wie verschlafen an. „Was denn...?“ „Schrei doch nicht so“, beschwerte ich mich und kniff kurz die Augen zusammen. „Kein Grund, mich so anzubrüllen...“, erwiderte er beleidigt und verzog leidend das Gesicht. Okay, anscheinend hatten wir beide einen ziemlichen Kater. „Wie... bin ich hierher gekommen...?“, wisperte ich so leise wie möglich. „Was? Uhm...“ Hiroto runzelte die Stirn, frühes Denken am Morgen bringt Kummer und Sorgen. „...ich weiß nicht, du warst ja gestern Nacht noch kurz weg, und Hakuei und Rose sind, kurz nachdem du weg warst, reingekommen und haben mich gefragt, ob wir die Zimmer tauschen könnten, warum, weiß ich nicht mehr, ich glaube, wegen der Sitzecke im anderen Zimmer, und ich hab gesagt, dass sie dir Bescheid geben müssten, und sie haben gesagt, dass sie das machen würden... und dann bin ich irgendwann in der Nacht aufgewacht und du lagst neben mir, also...“ „Moment... Hakuei und Rose haben mit dir das Zimmer getauscht...?“, fragte ich ungläubig nach, plötzlich hellwach, aber nicht sonderlich erholter. „Jaaaa...“, antwortete Hiroto gähnend und kuschelte sich wieder an mich. „Können wir jetzt weiterschlafen...? Es gibt erst in drei Stunden Frühstück...“ Ich stimmte seufzend zu, legte wieder einen Arm um den Kleineren, mich schon gar nicht mehr wundernd, warum wir so dicht nebeneinander lagen, und versuchte weiterzuschlafen, was mir allerdings erst nach fast einer halben Stunde Badezimmer gelang, in der ich mir die Seele aus dem Leib kotzte. Danach ging es mir etwas besser, aber nicht viel. Etwa drei Stunden später hatten sich sämtliche Gäste (hauptsächlich in Shorts) im Hauptraum der Suite versammelt, wo wir bereits von einem reich gedeckten Tisch, dem Geruch von Kaffee und frischem Brot sowie einem so ausgeschlafenen Atsushi, dass wir ihn am liebsten erwürgt hätten, erwartet wurden. Soweit ich das feststellen konnte, hatten alle (außer Atsushi, der wahrscheinlich gestern Nacht noch sieben Flaschen Wasser getrunken hatte) einen Kater, Miyavi und Kirito hatte es offenbar am schwersten getroffen, sie wirkten, als würden sie nur noch leiden, Rose schien nur unheimlich müde zu sein und schlief ständig fast an Hakueis Schulter ein, am wenigsten waren Atsushi, Hakuei und Hazuki betroffen. Die drei saßen an einem Kopfende des Tisches und plauderten ganz ungezwungen miteinander, während Rose, Jui, Hiroto, Miyavi, Kirito, Yasu und ich uns nur ein ‚tut uns einen Gefallen und HALTET DIE KLAPPE’ dachten, zumindest sahen alle danach aus. Ich bekam kaum etwas runter, obwohl ich furchtbaren Hunger hatte, weil ich sonst fürchtete, dass das Essen sich nicht lange in meinem Magen wohlfühlen würde. Stattdessen trank ich Kaffee ohne Ende, schwarzen Kaffee, Milchkaffee, Capuccino, alles mögliche, um wach zu werden. Das Problem war – es half nicht. Und ich rätselte immer noch, ob ich die vorige Nacht nicht doch vielleicht nur geträumt hatte. Aber jedes Mal, wenn ich einen klaren Gedanken fasste, beschwerte sich mein Kopf aufs Nachdrücklichste, daher ließ ich erst einmal alles Denken sein und konzentrierte mich eher darauf, nicht seitlich auf Kirito zu kippen, weil er sonst wahrscheinlich mit mir vom Stuhl gefallen wäre. Und links neben mir vegetierte Miyavi vor sich hin. Also, wenn ich umfiel, dann nach vorne. In meinen heißen Kaffee rein. Der vierte, inzwischen. „Verehrte Anwesende“, erhob Atsushi dann plötzlich die Stimme, was ein Massenaufstöhnen verursachte. Und obwohl mir seine Lautstärke auch im Kopf wehgetan hatte, bekam ich unwillkürlich die seltsame Vision von Atsushi, wie er mit ‚Liebe Kinder’ weiterredete. ... Gruselige Vorstellung. „Ich möchte euch bitten, euch ein wenig zu beeilen, da wir in knapp zwei Stunden die Räume freigeben müssen. Falls ihr keine Kleidung zum Wechseln mitgebracht haben solltet, bedient euch ruhig an dem großen Schrank hinter mir, offenbar gehört das zum Service des Hotels. Und ich wollte mich noch einmal für den angenehmen Abend bedanken, ich hoffe, dass ihr euch auch amüsiert habt.“ „Noch eine Frage“, murmelte Rose müde, ohne die Augen zu öffnen oder seinen Kopf von Hakueis Schulter zu nehmen. „Wie zur Hölle... schaffst du es, jetzt so...“ Ihm schien das Wort nicht einzufallen, also schaltete ich mich ein. „...quietschfidel zu sein?“, beendete ich seinen Satz. „Danke, Gara“, nuschelte Rose und nickte leicht, wobei er fast von Hakueis Schulter und damit auch vom Stuhl gerutscht wäre, hätte der Schwarzhaarige ihn nicht festgehalten. „Bitte, Rose“, erwiderte ich nicht weniger erschöpft. „Liegt wohl an meiner Natur“, antwortete Atsushi lächelnd auf Roses vorherige Frage. „Solltest du nicht dasselbe auch deinen Freund fragen, dem man nicht viel mehr anmerkt als mir?“ „Ach, bei mir ist das was anderes“, winkte Hakuei ab und streichelte Rose zärtlich über den Bauch, was dieser mit einem zufriedenen Schnurren zur Kenntnis nahm. „Ich glaube, ich fühle mich nicht viel besser als der Rest hier, ich lasse mir nur einfach nicht so viel anmerken.“ „Angeber“, warf ich leise und beleidigt ein. „Alle beide.“ Hakuei zwinkerte mir grinsend zu. „Wir können’s uns aber auch leisten.“ Ich suchte in seinem Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen, dass ich mir die letzte Nacht nicht nur eingebildet hatte, aber er wurde leider schon wieder von Hazuki angesprochen und wandte sich deshalb ihm zu. Deshalb schaute ich zu Rose, der inzwischen seine Augen geöffnet hatte und mich ansah. Ich erwiderte seinen Blick für einen Moment, dann lächelte der Blonde und machte die Augen wieder zu. ~★~☆~★~☆~★~ hier hört der erste Teil des Kapitels auf – ursprünglich waren 36.365 Wörter, aber ich und Tattoo fanden das zu lang, deshalb hab ich einen Schnitt gemacht – tut mir leid, dass das hier fast NUR Weihnachtsparty ist, aber wenn ich schon so kranke Fantasien hab, darf ich sie auch bitte ausleben @_@ ich hoffe, es hat euch ein bisschen gefallen, wenn, dann lasst mir doch einen Kommentar da, das würde mich wirklich freuen ^________^ tbc~ [wenn ihr mehr Bilder von Hakuei, Rose, oder den anderen Charakteren haben möchtet, dann schaut doch mal in die FF-Zusammenfassung / die Profile der Charaktere, ich werd immer mal wieder Bilder hochladen ^^] Fashion #3 PART 2 ----------------- Rating: noch immer NC-17 |D A/N: ich hab schon selbst den Überblick verloren @_@ ☆☆☆☆☆☆☆ = Flashback (und was für einer) Beta’d: geduldigst von der wundervollen Tattoo Disclaimer: das ist alles nicht mir >_> WTF? Nicht adult??? Aber ... kann mir egal sein |D ~★~☆~★~☆~★~ Hakuei und Rose sagten nichts weiter zu mir, und auch ich sprach die Nacht nicht an, das einzige, was ich als Andenken behielt, war eine Erinnerung. Eine schöne Erinnerung. Ich fühlte mich Kiyoharu gegenüber nicht schuldig, ich wusste selbst nicht, warum. Vielleicht, weil ich zu betrunken gewesen war, um genug mitzukriegen oder um über richtig oder falsch urteilen zu können. Dabei wusste ich selbst, dass das nicht stimmte. Kiritos Geschichte hatte mich nüchtern genug gemacht. Von ihm und Yasu gab es nichts weiter zu berichten, bis auf dass Yasu für ein paar Tage schlecht auf Kirito zu sprechen war, weil der sich wohl in der Nacht an ihn heran gemacht hatte. Aber so gesehen, hatte ich nur Positives von der ‚Weihnachtsparty’ (der Titel schien mir inzwischen ein wenig unangemessen) davon getragen – wann immer ich Hiroto, Atsushi oder Hazuki irgendwo traf, konnte ich mich ganz locker mit ihnen unterhalten, und was das Schöne war, mit Rose war es ganz genauso. Irgendwie lief ich ihm immer öfter über den Weg, was entweder hieß, dass er mir vorher aus dem Weg gegangen war, oder aber, dass er mich jetzt verfolgte. Na ja. Jedes Mal, wenn wir uns sahen, redeten wir über dies oder das, über persönliche Belange, über die Arbeit, über Personen, die wir kannten – richtig angenehm. Und Hakuei... der war genauso geheimnisvoll wie vorher. Wenn wir uns über den Weg liefen, war er sehr selten alleine, und wenn, dann grüßte er mich kurz und ging dann weiter, ansonsten zwinkerte er mir zu und schenkte mir ein Lächeln. Ich verstand ihn nicht, ich verstand ihn immer noch nicht. Kein bisschen. Was sollte das Ganze? Silvester feierte die gesamte Belegschaft, alle Models, alle Journalisten und so weiter, zusammen. Es gab ein Riesenfest im Freien, das nicht sonderlich lange ging, weil es sonst zu kalt geworden wäre, aber eine so große Halle hatte man nicht gefunden, dass alle hineingepasst hätten. Also begann das ganze Fest erst um zehn, aber es lohnte sich, schon früher zu kommen. Ich sprach mit allen möglichen Leuten und wurde noch mehr Leuten vorgestellt, die mir bei meiner späteren Karriere behilflich sein konnten. Kiyoharu blieb fast die ganze Zeit bei mir und führte mich herum, was allein schon genug war, um meine Laune deutlich zu heben. Ungefähr zehn vor zwölf tippte mir jemand auf die Schulter. Erwartungsvoll drehte ich mich um und stolperte dann rückwärts, als mir jemand um den Hals fiel. Auch, wenn ich die Person nicht lange genug gesehen hatte, den Duft erkannte ich doch sofort. Ich schloss die Augen und drückte sie fest an mich. „Hey, Sachiko“, murmelte ich lächelnd. Sie löste sich wieder von mir und strahlte mich gut gelaunt an. „Hey, Gara! Wie geht’s?“ „Könnte nicht besser sein“, gab ich zurück und musste unwillkürlich zurückstrahlen. „Und dir?“ „Bisschen viel Stress auf der Arbeit, aber ansonsten ganz gut“, antwortete sie nickend und wirkte dabei ziemlich glücklich. „Wo arbeitest du denn jetzt?“, wollte ich neugierig wissen. „Kantō Express.“ Ich hob beeindruckt die Augenbrauen. „Wow, nicht schlecht. Hast du’s aber wirklich gut getroffen, oder?“ Sie nickte freudig. „Das stimmt, die Zeitung ist wirklich ziemlich groß, ich hab echt Glück gehabt, dass ich dort arbeiten darf, wenn auch in einer Abteilung, die von vielen noch nicht vollständig akzeptiert wird.“ Sie zwinkerte mir zu. „Manche nennen sie die Klatsch-Abteilung, dabei geben wir dem Volk nur die Informationen über die Stars, die es haben will. Ach ja, und keine Sorge, bevor ich was über dich schreibe, geb ich dir vorher Bescheid.“ Ich musste grinsen. „Ich glaube sowieso nicht, dass ich so bekannt wäre, als dass du was über mich schreiben könntest, Sachiko.“ „Ach, untertreib mal nicht“, entgegnete sie abwinkend und klopfte mir auf die Brust. „Du sammelst schon fleißig Fans, wahrscheinlich kriegst du das selbst nur einfach nicht mit. Deinen Beliebtheitsgrad kann man immer daran messen, wie viele Gerüchte über dich kursieren.“ „Oh. Uhm... was wird denn so über mich... erzählt?“, fragte ich vorsichtig. Sachiko lachte. „Mach dir keine Sorgen, nicht viel Schlechtes, höchstens, dass du magersüchtig wärst, aber das sind auch die wenigsten. Viele machen sich eher Gedanken um dein Privatleben, ob du wohl eher an Männern oder Frauen interessiert bist, welcher Typ von Mensch eher zu dir passt... Fanfictions hab ich auch schon über dich gefunden“, fügte sie mit einem verschwörerischen Unterton hinzu. „Fanfictions?“, wiederholte ich stirnrunzelnd. Sie nickte eifrig und ihr Gesicht leuchtete wieder auf, als sie neben mir noch jemand anderen entdeckte. „Oh, guten Abend!“ „Guten Abend“, ertönte neben mir Kiyos Stimme. Die beiden schüttelten sich die Hände, während Sachiko ihm die Erinnerung über ihre Person auffrischte. „Ach, richtig, ich erinnere mich an Sie... Sie haben es außerordentlich lang bei Kirito ausgehalten. Respekt.“ Die Braunhaarige lächelte geschmeichelt. „Vielen Dank. Ich glaube aber, dass ich Ihnen niemals richtig sagen konnte, wie sehr ich Ihre Arbeit bewundere, oder?“ Kiyoharu grinste leicht. „Möchten Sie irgendein Statement von mir?“ „Na ja, jetzt, wo sie mich drauf ansprechen...“, erwiderte Sachiko, woraufhin beide lachen mussten. „Es wäre wahrscheinlich besser, die beiden persönlich anzusprechen, aber bis jetzt habe ich sie nicht gefunden und bin dann über diesen charmanten Typen hier gestolpert“, sie warf mir ein kurzes Lächeln zu, „und da ich Sie jetzt erwische, kann ich Sie auch gleich fragen. Es sind Stimmen laut geworden, dass Ihre beiden Models Hakuei und Rose zusammen sind, können Sie das bestätigen?“ „Sie sagen es selbst, es wäre besser gewesen, wenn Sie die beiden persönlich angesprochen hätten, aber glücklicherweise habe ich erst vor Kurzem mit ihnen darüber geredet. Ja, die beiden sind zusammen, und sie treten auch in Kürze zusammen in einer Fernsehshow auf, in der sie das bestätigen werden“, erklärte Kiyo mit einem geschäftlichen Tonfall. Sachiko nickte. „Ich danke Ihnen. Möchten Sie noch irgendetwas Persönliches hinzufügen?“ „Sie meinen, ob ich zur Zeit eine Beziehung habe?“, fragte er, jetzt etwas amüsiert klingend. „Zum Beispiel, ja.“ „Dazu sage ich nur eins – das geht die Öffentlichkeit nichts an.“ Er zwinkerte ihr zu und entschuldigte sich, ehe er in der Menge untertauchte. „Ist er nicht fantastisch?“, seufzte Sachiko beinahe hingerissen und sah ihm einen Moment hinterher. Ich sah sie an. „Eh?“ „Als Mensch“, meinte sie und erwiderte meinen Blick lächelnd. „Immer so ruhig und entspannt, hat die Situation immer unter Kontrolle... der geborene Chef. Hattest du schon mal mit Miya zu tun? Er ist genauso. Genauso gelassen und seriös – bewundernswert.“ Sie seufzte erneut. „Ich wünschte, ich wäre auch so...“ „Du bist gut so, wie du jetzt bist“, fühlte ich mich verpflichtet zu sagen, bevor sie noch anfing, sich über sich selbst zu beschweren. Das durfte sie nämlich als letzte von allen Frauen. Sie strahlte mich wieder an. „Danke, Gara. Weißt du, selbst wenn wir uns eine Zeit lang nicht sehen, hab ich das Gefühl, als wäre alles so wie früher, als du angefangen hast...“ Ich machte ein gequältes Gesicht. „Oh Gott, erinnere mich bitte BLOß nicht daran!“ „Du wusstest nicht mal, dass man sich falsche Wimpern ohne normalen Hauskleber ankleben konnte!“, kicherte sie und knuffte mich in die Seite. „Ja, und dann hast du mich gefragt, wie sich sonst die ganzen Models die Strasssteinchen ins Gesicht kleben könnten...“ „...und du nur: ‚Was zum Teufel sind Strasssteinchen?’“ Wir lachten beide. „Du warst schon ein harter Brocken damals... und jetzt schau, was aus dir geworden ist. Du bist viel selbstbewusster als früher.“ „Findest du?“ Na ja, da war ich mir nicht ganz so sicher... „Und ob!“ Sachiko nickte eifrig. „Auf jeden Fall bist du nicht mehr so unsicher, wenn du irgendwelchen Stars begegnest, oder?“ „Okay, das stimmt. Und ich kenne jetzt auch viel mehr Stars. Vor zwei Jahren hätte ich nicht mal gewusst, wer Kiyoharu überhaupt sein sollte. Geschweige denn was GLAMOUR ☆ FASHION ist...“ „Dann sollten Sie sich glücklich schätzen, dass Sie so weit nach oben gekommen sind“, meldete sich eine kühle Frauenstimme zu Wort. Ich drehte mich zu ihr hin und wurde mit einem sehr feinen und sehr schönen Gesicht konfrontiert, von dem ich wusste, dass es mir bekannt vorkommen sollte. „Anna!“, rief Sachiko erfreut und die beiden Frauen umarmten sich kurz. „Du siehst umwerfend aus. Wie läuft’s?“ Das Model (sie konnte nur ein Model sein, so, wie sie aussah) namens Anna erwiderte Sachikos Lächeln und würdigte mich keines Blickes mehr. „So weit, so gut, im Moment haben wir einen ziemlichen Aufschwung, was wahrscheinlich an Sayuri liegt. An Sayuri und Ai, denke ich.“ Sachiko nickte, als wüsste sie, worum es ging. „Denke ich auch, die beiden werden immer beliebter – sie sind aber auch hübsch, das kann man nicht abstreiten.“ ... Oh, sie wusste wirklich, worum es ging. „Und wie sieht es bei dir aus? Weiterhin auf dem Weg nach oben?“, fragte Anna zurück. Sie war unheimlich hübsch und hatte eine unübertreffbare Figur, die durch ihre Kleidung noch betont wurde, trotzdem strahlte sie eine Kälte aus, die mich davon abhielt, sie anzusprechen. Eine kühle Schönheit. „Konstant, ja.“ Sachiko grinste. „Ich hab schon ein Angebot an Honshu News geschickt, und so, wie sie mit mir umgegangen sind, ist die Bestätigung nur noch pro forma.“ „Na herzlichen Glückwunsch.“ Anna lächelte wieder. „Ich wünsch dir alles Gute auf deiner weiteren Karriere, Sachiko.“ Die Angesprochene verbeugte sich leicht. „Vielen Dank, das wünsche ich dir auch, Anna. Wir sehen uns bestimmt noch mal wieder.“ „Wenn ich was Neues habe, bist du die erste, die es erfährt“, lächelte Anna zum Abschied und wandte sich dann wieder ab. „Noch so eine Person, die ich bewundere“, murmelte Sachiko mir zu. „Wundervolle Frau.“ „Ist sie ein Model?“, wollte ich vorsichtig wissen und erntete einen fassungslosen Blick. „Du... weißt nicht, wer das gerade war?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Sollte ich?“ „Das war ANNA TSUCHIYA!“ Sachiko seufzte tief und hilflos. „Ich glaube, du lernst es nie...“ Oh. DAS war also die geheimnisvolle Anna Tsuchiya, Kiyos weibliche Gegenspielerin. Hm. „Entschuldige, aber ich... beschäftige mich nicht mehr so oft mit weiblichen Models...“, gab ich entschuldigend zurück. Sachiko sah mich vielsagend an. „Aha“, meinte sie neugierig. „Schreib das bloß nicht über mich!“, sagte ich schnell, woraufhin sie wieder lachte. „Aber na ja... nein, Frauen interessieren mich inzwischen nicht mehr, zumindest nicht in dem Sinne.“ „Ich WUSSTE es!“, grinste sie triumphierend. „Irgendwoher hatte ich es gewusst, ehrlich!“ Ich lächelte leicht. „Solange nur du es weißt und der Rest von Japan nicht, ist das in Ordnung. Aber bevor du mich fragst, nein, ich werde dir nicht sagen, mit wem ich im Moment zusammen bin.“ Beleidigt schob sie die Unterlippe vor. „Och Mann. Spielverderber. Na ja, ich muss jetzt auch weiter, ich hab noch ein paar Artikel zu schreiben. Wir bleiben in Kontakt, ja?“ Ich nickte lächelnd und drückte sie noch einmal fest an mich. Es war ein seltsames Gefühl, nach so langer Zeit wieder eine Frau im Arm zu halten, aber nicht schlecht. Schließlich mochte ich Sachiko ja auch. „Bis dann, Sachiko. Alles Gute.“ Sie schenkte mir noch ein Lächeln. „Sag mal, diese Journalistin heute Nacht...“, murmelte Kiyoharu an mein Ohr und schlang von hinten die Arme um mich. Ich stand in seinem Schlafzimmer vor dem großen Fenster, das zum Garten hinausging, und betrachtete die Sterne. Es war bereits nach zwei, aber ich war noch überhaupt nicht müde. Zu viel ging in meinem Kopf herum. „Sachiko?“, fragte ich und lehnte mich etwas an ihn. Ich genoss es immer, wenn wir so nah beieinander waren, es war ein vollkommen anderes Gefühl, als wenn ich zum Beispiel Kirito umarmte. Viel... harmonischer, liebevoller... Die Augen schließend, legte ich meine Hände auf Kiyos Unterarme und strich sanft über sie. „Genau... wie steht ihr zueinander?“, wollte er wissen, mir noch immer ins Ohr flüsternd, was bei mir jedes Mal eine leichte Gänsehaut auslöste. „Als ich bei dir angefangen habe, haben sie und Yasu sich um mich gekümmert“, antwortete ich und lächelte, als ich an damals zurückdachte. Es schien mir inzwischen so fern, wie aus einem anderen Leben. „Du hast Kirito gesagt, dass er sie mir überlassen soll, damit sie sich meiner annimmt, daran kannst du dich aber wahrscheinlich nicht erinnern... Na ja, und dann hat sie zu einer Zeitung gewechselt. Bis Anfang Oktober hab ich nichts mehr von ihr gehört, danach haben wir uns noch ein paar Mal getroffen. Sie ist total nett, finde ich.“ „Hmm...“ Er knabberte kurz an meinem Ohrläppchen. „Ihr hattet mal was miteinander, oder? Das merkt man ziemlich deutlich...“ Wieder lächelte ich. „Wirklich? Aber ja, allerdings nur für eine Woche oder so... ganz am Anfang.“ Jetzt sah ich ihn von der Seite an. „Keine Konkurrenz für dich, keine Sorge“, fügte ich scherzhaft hinzu. Er schwieg eine Weile und streichelte mir nur zärtlich über den Bauch, legte den Kopf auf meine Schulter. Ich hätte ewig so stehen können, aber irgendwann löste er sich wieder von mir und murmelte leise meinen Namen. Ich drehte mich zu ihm und sah ihn an. Der Mond schien ins Schlafzimmer, ansonsten war kein Licht angeschaltet, aber ich konnte sein Gesicht deutlich erkennen. Er schien einen Moment mit sich zu ringen, dann richtete er seinen Blick wieder auf mich. „Gara... Ich... ich wollte dir das schon länger sagen...“, begann er. Mein Herz setzte für einen Schlag aus. Ich starrte ihn vollkommen regungslos an und hoffte, dass er genau das sagen würde, von dem ich dachte, dass er es sagen würde, denn das würde bedeuten... was Atsushi gesagt hatte... Und dann flüsterte Kiyoharu genau die Worte, die mich augenblicklich dahinschmelzen ließen. Innerhalb von Sekunden. „Ich liebe dich.“ Und ich stand da und versuchte, nicht wie irre in der Gegend rumzuspringen, aber ich konnte nichts dagegen tun, dass sich ein breites und glückliches Grinsen in mein Gesicht stahl. Ich schlang die Arme um seinen Nacken und drückte ihn an mich und mich an ihn und hauchte ein ‚ich dich auch’ zurück und war im Himmel. Und er lächelte zurück, mindestens genauso glücklich wie ich und küsste mich und ich erwiderte den Kuss und es war perfekt. Zum ersten Mal in meinem gesamten Leben hatte ich das Gefühl, Teil an etwas wirklich Perfektem zu haben. Zum ersten? Nein, Moment. ...... Moment mal! „Kiyo?“, wisperte ich leise und löste mich so weit von ihm, dass ich ihn ansehen konnte. „Ich... muss dir auch noch was sagen, aber das... ist nicht so positiv, auf der Weihnachtsparty hab-“ Er legte mir nur einen Finger auf die Lippen und lächelte ein wunderschönes Lächeln. „Was auf der Weihnachtsparty passiert ist, geht mich nichts an und interessiert mich auch nicht. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, wegen gar nichts. Ich bin sicher, du hast kostbare Erfahrungen gesammelt, du hast dein Umfeld etwas besser kennen gelernt, und das ist es doch wert, oder? Denk nicht mehr darüber nach. Bitte.“ Ich nickte leicht und lächelte ebenfalls. „Okay“, gab ich leise zurück. Dann waren seine Lippen wieder auf meinen und seine Hände auf meiner nackten Haut... Und entweder bildete ich es mir ein, oder er war viel zärtlicher als sonst. Liebevoller. Unwillkürlich musste ich daran zurückdenken, wie es bei meinem ersten Mal mit ihm war. (Oh mein Gott, eigentlich WILL ich mich daran gar nicht mehr erinnern. ... Ahem.) ☆☆☆☆☆☆☆ Die ganze Fahrt über saß ich wie auf heißen Kohlen. Es war schon schlimm genug, dass ich Kiyos Vorschlag, eine Beziehung mit ihm anzufangen, zugestimmt hatte, aber dann hatte ich auch noch einen Entschluss gefasst: Ich würde diese Nacht mit ihm ins Bett gehen, ob ich wollte oder nicht. Also, natürlich wollte ich, ich hatte schon die ganze Zeit gewollt, ich hatte mich nur verdammt noch mal nicht getraut. Himmel, war das peinlich. Ich hatte Angst, okay, aber das war doch auch verständlich, oder? So war ich, bevor ich das erste Mal Sex mit einem Mädchen hatte, auch gewesen, vielleicht noch ein bisschen schlimmer. (Nur kurz zur Erinnerung – ich hatte mich gerade mit Kiyoharu darauf geeinigt, dass es keinen Unterschied machte, ob ich verliebt oder ‚nur’ verknallt in ihn war, also waren wir jetzt zusammen. ... Wir waren ZUSAMMEN! KIYO und ICH! Allein das reichte schon aus, dass mein Gehirn vollständig überlastet war. Und wir waren gerade auf dem Rückweg von der Bar, in seinem Auto, mit einem Chauffeur, der uns immer wieder misstrauisch betrachtete, weshalb ich mich nicht traute, Kiyoharu auch nur anzufassen. Er interpretierte das wahrscheinlich als dezente Zurückhaltung meinerseits, weil ich die Neuigkeit erst einmal verarbeiten musste. Das war, kurz gesagt, ungünstig. Wenn er dachte, dass ich Ruhe brauchte, würde er ganz bestimmt nicht mit mir.... Ich sollte mich nicht so anstellen, verdammt!) Als wir vor Kiyos Villa hielten, sah er mich fragend von der Seite an. „Bleibst du noch?“, murmelte er leise, es klang allerdings eher wie eine Bitte. Ich nickte sofort eifrig und stieg mit ihm aus dem Wagen, den Chauffeur geflissentlich ignorierend. Wie wir den Weg zu seiner Haustür geschafft hatten, weiß ich auch nicht mehr, so multi-tasking-fähig, dass ich gleichzeitig küssen, anfassen, genießen UND gehen konnte, war ich nämlich eigentlich nicht, auf jeden Fall schaffte Kiyo es dann irgendwie noch, die Tür aufzuschließen, und wir stolperten hinein, ich meine Hände in seinen Haaren vergraben, er seine unter meinem Shirt, unsere Lippen nicht voneinander lassend. Kaum waren wir im Flur, machte Kiyo die Tür zu, drückte mich leicht dagegen, schmiegte sich an mich und begann einen Kampf mit meiner Zunge. Ich seufzte leise und umspielte seine Zunge eine Weile zufrieden, dann begannen wir, uns unter einigen Anstrengungen langsam in Richtung Schlafzimmer zu begeben. Wir waren nicht weit gekommen, da berührte er unvermittelt meine Brustwarzen, was mir ein leises Stöhnen entlockte. Okay... jetzt sollte ich ihm sagen, dass ich es dieses Mal ernst meinte. „Kiyo...“, flüsterte ich atemlos und brauchte erst einmal einen Moment, um wieder zu Luft zu kommen. Was sollte ich ihm jetzt sagen? Was hatte ich sagen wollen? Meine Güte, so schwer konnte das doch nicht sein... Und dann begann er auch noch, meinen Hals zu küssen. Super Idee, mach mich noch wirrer im Kopf, Kiyo... Ich versuchte weiterhin, mich zu konzentrieren, wobei mir seine Zähne an meinem Schlüsselbein nicht viel halfen. „Kiyo...“, versuchte ich es erneut. Unerwarteterweise hob er jetzt den Kopf und sah mich fragend an. Ich merkte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Jetzt sollte ich es ihm auch noch ins GESICHT sagen? Er lächelte nur und schnurrte ein ‚was möchtest du mir sagen?’ an meinen Hals, ehe er auch noch mit seiner talentierten Zunge darüber fuhr. Ich seufzte genussvoll auf und legte den Kopf in den Nacken. Hatte ich was sagen wollen? Und als wäre das alles nicht schon genug, spürte ich jetzt auch noch Kiyos Hand an meinem Schritt und musste mir auf die Lippe beißen, um nicht leise aufzustöhnen. „Hat es was... hiermit zu tun?“, hauchte er. Hatte es? Ich fürchte schon. Zögernd nickte ich und seufzte erneut leise, als Kiyoharu mein Ohr anknabberte. „Sag es“, forderte er und strich über meine wachsende Erregung. Was das Ganze nicht besser machte. Ich konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken und versuchte es ein drittes Mal. „Kiyo....“ Er betrachtete mich wieder und ich fragte mich, was er vor sich sah – jemand, den er am liebsten gleich vernascht hätte, ein kleines naives Model, die Liebe seines Lebens... (Ich übertreibe. Okay. Konzentrier dich auf das Wesentliche, Gara...) „Schlaf mit mir“, wisperte ich und gab mir alle Mühe, seinen Blick zu erwidern. Wow, es hatte sogar funktioniert. Gut, jetzt hatte ich es gesagt, jetzt gab es kein Zurück mehr.... (Ich dramatisiere. Okay. Komm wieder zurück zum Wesentlichen, Gara, nämlich dass gerade deine Hose...... MOMENT.) „Doch nicht hier!“, beschwerte ich mich leise. Kiyoharu hob den Blick wieder und sah mich an. „Entschuldige“, murmelte ich. „Ich bin ein bisschen... durch den Wind...“ „Beruhig dich erst mal, ja?“, erwiderte er sanft und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich nickte leicht und ließ mich von ihm ins Schlafzimmer führen (bzw. schleppen, meine Beine wollten nicht mehr so ganz, wie ich wollte). Siehst du, Gara, Kiyo ist ein sehr einfühlsamer und ruhiger Mensch, er wird schon aufpassen, dass nichts passiert, du brauchst dir keine Sorgen zu machen... Wir blieben neben dem Bett stehen, wo Kiyo mir erst einmal meine Hose ganz auszog und dann mein Shirt folgen ließ, während ich sein Hemd aufknöpfte, es ihm über die Schultern streifte und anschließend das tat, was ich immer machte, wenn ich ihn oben herum auszog – ich fuhr mit den Fingerspitzen seinen Schmetterling nach. Er hatte oben rechts einen Schmetterling auf die Brust tätowiert, der aussah, als hätte er sich nur kurz hingesetzt, um sich auszuruhen und gleich weiterzufliegen. Ich liebte diesen Schmetterling. (Hakueis Vögel waren zwar auch hübsch, aber es waren eben nur Vögel. Nichts geht über Schmetterlinge!) Und Kiyo ließ mich seinen Schmetterling ausgiebig bewundern, nahm dann meine Hand, küsste sie und schob mich anschließend auf das Bett. Ich war etwas ruhiger geworden, aber ‚beruhigt’ konnte man das noch nicht nennen, mein Herz schlug immer noch (oder schon wieder?) mindestens doppelt so schnell wie sonst und wenn ich darüber nachdachte, was gleich kommen würde.... Kiyo küsste mich zärtlich und kniete sich zwischen meine gespreizten Beine (Ich sollte die Frau sein! Ich glaub’s nicht...), ließ dabei zu, dass ich ihn weiter auszog, und streichelte liebevoll über meine Brust. Nachdem ich irgendwie dafür gesorgt hatte, dass seine Hose und unsere beiden Shorts sich zu meinen anderen Sachen gesellt hatten (fragt mich bitte nicht, wie, ich bin ein MANN und daher, wie schon erwähnt, eigentlich nicht multi-tasking-fähig), wurde ich wieder ein wenig unsicherer. Und jetzt? „Warte einen Moment, ja?“, wisperte er, hauchte mir einen Kuss auf die Lippen, stand auf und verließ das Schlafzimmer. Und ich lag da, starrte ihm nach und versuchte herauszufinden, was um ALLES IN DER WELT ihn dazu veranlassen könnte, mittendrin abzuhauen. (Okay, nicht wirklich mittendrin, aber... kurz davor.) Wahrscheinlich, wenn ich mich ein wenig mehr mit ‚solchen Sachen’ (sprich: Sex zwischen Männern) beschäftigt hätte, dann wüsste ich es, aber das hatte ich nicht. Hm. Also schloss ich die Augen und versuchte, tief durchzuatmen. Schon nach kurzer Zeit legten sich unvermittelt Kiyos Lippen wieder auf meine, woraufhin ich leise aufseufzte, den Kuss erwiderte und eine Hand in seinen Haaren vergrub. Das war ein Bonus von Kiyos Küssen – sie brachten mich immer genau in die richtige Stimmung. Nämlich in eine, dass ich ihn am liebsten um Sex angebettelt hätte. Na ja, und das war auch ihr Nachteil – denn wenn man gerade mit einem Shooting beschäftigt war, plötzlich in eine dunkle Ecke gezogen und SO geküsst wurde, konnte man hinterher an ALLES denken, nur nicht an das Shooting, das man gerade machte. (Ganz abgesehen davon, dass es peinlich war.) Aber in diesem Fall wirkte sein Kuss Wunder, innerhalb weniger Momente zerschmolz ich wieder zwischen seinen Fingern. „Du musst dich entspannen“, hauchte er anschließend in mein Ohr. „Sonst kann es weh tun...“ Es tat weh? Moment, was genau... Ich öffnete die Augen und sah, wie Kiyo sich etwas von dem Inhalt der Flasche (die er wahrscheinlich gerade geholt hatte, Rätsel gelöst) auf die Finger drückte. ..... Meine Augen wurden groß. „Moment mal!“, sagte ich, woraufhin er aufsah. „Du willst jetzt...“ Ich machte eine Geste, die er nicht missverstehen konnte. Er runzelte leicht die Stirn. „Nicht?“, fragte er. Oh. Offenbar war er davon ausgegangen, dass es selbstverständlich war. ...... Hm, wahrscheinlich WAR es auch selbstverständlich. Wenn ich so darüber nachdachte... Hatten nicht sowohl Kiyo als auch Kirito irgendwas über den Morgen danach gesagt...? Mein Gesicht hellte sich auf. „Ach, DESHALB wolltet ihr immer, dass ich mich hinsetze!“, meinte ich glücklich. Kiyo sah mich einen Moment befremdet an, dann zerstörte er die Stimmung zum wiederholten Mal, indem er einen Lachkrampf bekam. „Das ist nicht witzig!“, beschwerte ich mich und wurde rot. „Wenn ich nun mal so unaufgeklärt bin...“ Ich schmollte. Er strich entschuldigend über meine Wange. „Tut mir leid, das hatte ich vergessen“, erwiderte er lächelnd. „Aber nur mal eine Frage rein aus Interesse – wie hast du’s dir denn vorher vorgestellt?“ Ich überlegte. „Gar nicht“, antwortete ich und runzelte die Stirn. „Also nicht bildlich. Ich hab mir gedacht, dass es schon irgendwie gehen wird, nur dass ich davon keine Ahnung haben werde, bis mich jemand in diese geheimen Künste einweiht. Ist das nicht unangenehm, wenn du jetzt bei mir...“ Ich deutete wieder mit Gesten an, was ich meinte. Kiyo lächelte noch immer. „Am Anfang schon, das stimmt. Aber du gewöhnst dich schnell dran, glaub mir. Und nach einiger Zeit wirst du auch merken, warum manche Leute nicht genug davon bekommen können.“ Wieder legte ich die Stirn in Falten. Wenn es weh tat und unangenehm war... bekamen manche Leute nicht davon genug? Hatte das irgendeine Logik? Na ja, ich sollte es abwarten. Ich schlang einen Arm um Kiyos Nacken, als er sich etwas zu mir beugte und mir einen kurzen Kuss auf die Lippen drückte, ehe er mir noch etwas ins Ohr flüsterte. „Denk dran – bleib entspannt, ja? Versuch’s. Und wenn’s zu sehr weh tut, sag Bescheid.“ Ich nickte und schloss die Augen, als seine Lippen meine erneut verschlossen. Wieder so ein Kuss, den ich selbst schon nach kurzer Zeit immer fordernder werden ließ, weil ich einfach nicht genug von Kiyo bekam. Ich seufzte leise auf und verlor mich beinahe im zärtlichen Spiel unserer Zungen, bis ich unvermittelt eine Hand an der Innenseite meiner Oberschenkel spürte, die meine Beine noch etwas weiter auseinander drückte, und dann drang ein Finger vorsichtig in mich ein. Mein erster Gedanke, muss ich zugeben, war: ‚Ewww’ (ich verzog, glaube ich, auch ein bisschen mein Gesicht). Mein zweiter Gedanke war: ‚Wie soll sich DAS angenehm anfühlen?’ Mein dritter: ‚Wart’s mal ab.’ Also entspannte ich mich wieder und versuchte, mich an das seltsame Gefühl zu gewöhnen, dass sich etwas in mir bewegte, das sich gar nicht mal SO schlecht anfühlte. Es war erträglich, sagen wir es so. Aber dann nahm Kiyo noch einen zweiten Finger hinzu, woraufhin ich leise murrte und etwas hin und her rutschte, den Kuss aber noch nicht löste. Das tat ich erst, als er begann, seine Finger zu SPREIZEN. Das tat WEH. „Aua!“, murmelte ich leise und sah ihn beleidigt an, aber das einzige, was von ihm zurück kam, war ein ‚entspann dich’. Also versuchte ich, mich zu entspannen, was mir erst nach einigen Anläufen gelang, weil das Ganze doch ein wenig... seltsam war. Stattdessen konzentrierte ich mich auf unsere Küsse, und wenn gerade einer von uns wieder kaum Luft bekam, knabberte Kiyo sanft an meinem Hals herum. Gut, das half schon beim Entspannen, das musste ich zugeben. Aber gerade, als ich überlegte, ob ich das Ganze nicht vielleicht doch als ‚angenehm’ einstufen sollte, waren seine Finger auch schon wieder verschwunden. Ich öffnete die Augen und wurde beruhigend angelächelt, was allerdings durch Kiyos Worte wieder zunichte gemacht wurde: „Jetzt wird es sehr wahrscheinlich weh tun.“ NOCH mehr?, dachte ich mir und nickte nur leicht zurück. Ich konnte immer noch Bescheid sagen, wenn es zu sehr weh tat. Und außerdem würde Kiyo mir sowieso nicht weh tun, das wusste ich, er war ja so rücksichts- und gefühlvoll..... Keine Sekunde später schnappte ich nach Luft, keuchte leise auf und kniff anschließend die Augen fest zusammen. „Au! Au! Au!“, machte ich und krallte mich etwas in Kiyos Schultern. „Bescheid! Bescheid!“ .... SO WAS hatte ich nicht erwartet. Es fühlte sich an, als würde ich in zwei Stücke gerissen werden, und vor allem an einer Stelle, an der ich solch einen Schmerz noch nie gespürt hatte. Er hielt inne und verteilte ein paar Küsse auf meinem Gesicht. „Soll ich aufhören?“, fragte er leise und sah mich besorgt an. Ich schüttelte sofort den Kopf und zwang mich, tief durchzuatmen. Viele andere vor mir hatten solche Schmerzen ausgestanden, ohne zu meckern. (Unwillkürlich musste ich an ein paar frühere Freundinnen von mir denken, die ich entjungfert hatte. Ich hatte ihnen gesagt, sie sollen sich nicht so anstellen und aufhören rumzuschreien. Und jetzt tat ich genau dasselbe. ... Irgendwie fühlte ich mich ihnen jetzt näher verbunden.) „Ist okay“, flüsterte ich zurück. „Wirklich. Gib mir nur... ein bisschen Zeit.“ Und obwohl ich nicht daran geglaubt hatte – als ich mich erst einmal dazu durchgerungen hatte, mich zu entspannen, dann wurde es ein wenig erträglicher. Ich nickte Kiyo leicht zu, und er küsste mich erneut tröstend und fing an, sich zu bewegen. Es. Tat. WEH. Und WIE. Ich biss mir auf die Zunge, um mich nicht wieder lautstark zu beschweren (und war dabei froh, dass Kiyo mich zu dem Zeitpunkt nicht mehr küsste, sonst hätte ich IHM wohl auf die Zunge gebissen), und spannte mich unwillkürlich wieder an, wodurch es natürlich wieder schmerzhafter wurde. Und obwohl seine Stöße gar nicht als solche zu bezeichnen waren, sondern ganz leicht und vorsichtig waren, war ich kurz vorm Heulen. Wirklich. Mich brachte nicht viel zum Weinen, und Schmerzen im Normalfall eigentlich auch nicht, aber es konnte daran liegen, dass ich gerade bei Kiyo war, und er war eine Person, bei der man sich gut ausheulen konnte, also bekam ich irgendwie das Bedürfnis, mich ihm weinend an den Hals zu werfen – wenn ich das nicht gerade schon täte. ... Ich schweife ab. Auf jeden Fall war die erste Minute beinahe die schlimmste meines Lebens. Es schmerzte, und ich konnte und wollte nichts dagegen machen, sondern zwang mich, mich zu entspannen, grub allerdings trotzdem meine Fingernägel in Kiyos Schultern. (Womit ich IHM im Gegenzug weh tat, aber das interessierte mich in dem Augenblick herzlich wenig.) Und Kiyo war so lieb und fragte mich, ob es wirklich ging, und fügte hinzu, dass ich mich nicht zwingen müsste, dass wir gerne noch mal wann anders anfangen konnten... Aber davon wollte ich nichts wissen. Ich hoffte nur, dass es das am Ende wert sein würde. Und schon wieder wurde ich überrascht – je mehr ich mich entspannte und von Kiyos Zunge ablenken ließ, desto besser fühlte es sich an. Nein, wirklich, ich wollte es erst selbst nicht glauben, aber irgendwann bemerkte ich, dass der Schmerz plötzlich weg war. Einfach so. Und irgendwie ... wenn ich so darüber nachdachte, dass ich gerade mit Kiyo schlief und ihn so an mir, auf mir, in mir spüren konnte... Bei seinem nächsten Stoß stöhnte ich leise in unseren Kuss und krallte eine Hand in seine Haare. Irgendwie... konnte ich es jetzt beinahe genießen. Es fühlte sich... schön an. Und jetzt bemerkte ich auch, dass Kiyos Hände schon die ganze Zeit entweder über meinen Oberschenkel, meinen Bauch oder meine Seite strichen, dass er zwischen unseren Küssen immer wieder meinen Hals, meine Schulter, mein Gesicht oder was gerade in Reichweite war küsste, dass er sich so dicht an mich schmiegte... Und das zusammen mit diesem schönen Gefühl aus meiner unteren Körperhälfte... So langsam begann ich zu verstehen, wie sich so was angenehm anfühlen konnte. Ich fing an, Kiyos Stöße zu erwidern, meine Hüften ihm entgegen zu bewegen, sodass er tiefer in mich dringen konnte, außerdem erwiderte ich seine Küsse immer leidenschaftlicher und verlangender, während ich zwischendurch immer wieder leise aufstöhnte oder –seufzte. Kiyo schien mich zu verstehen und erhöhte sein Tempo ein bisschen, was ich nur begrüßen konnte. „Mehr~“, wisperte ich atemlos und legte den Kopf etwas in den Nacken, als Kiyo gerade mit der Zunge über eine sehr empfindliche Stelle an meinem Hals fuhr. „Ich will mehr...“ Ich biss mir etwas auf die Lippe, als er unvermittelt inne hielt und mich ansah. Hatte ich etwas Falsches gesagt...? Dann aber lächelte er, streichelte mir über die Wange und hauchte mir einen Kuss auf den Mund. „Noch mehr?“, fragte er fast schon belustigt. Sofort nickte ich und drückte mich etwas mehr an ihn. „Es fühlt sich so GUT an...“, gab ich zurück und schnurrte leise, als er mich erneut küsste. „Soll ich dir was Schönes zeigen?“, flüsterte er mir ins Ohr, was mich erschaudern ließ. Wieder nickte ich auf der Stelle. Daraufhin schenkte er mir noch ein leichtes Lächeln, hob mein Becken ein wenig an und entzog sich mir beinahe komplett, ehe er ohne Vorwarnung erneut in mich stieß. Bloß dass ich dieses Mal Sternchen sah, mich selbst leise aufschreien hörte, mich in Kiyos Schulter krallte und von einer Woge der Lust beinahe komplett davongetragen wurde. Moment – ich hatte.... ich schrie nie beim Sex! Warum denn jetzt auf einmal? ....... Wahrscheinlich, weil es sich absolut ÜBERWÄLTIGEND angefühlt hatte! Atemlos öffnete ich die Augen wieder und sah Kiyo lächeln. „Was um alles in der Welt....“, begann ich, wurde aber durch einen Kuss unterbrochen. „Erklär ich dir später“, wisperte er. Und dann fing es eigentlich an, mich süchtig zu machen. Vorher hatte es sich ganz nett angefühlt, aber nicht halb so fantastisch wie beschrieben, doch nachdem Kiyo dieses Irgendwas in mir getroffen hatte, und das auch immer wiederholte, war ich Wachs in seinen Händen. Ich schmolz vollkommen unter seinen Küssen, diesem Gefühl, den Geräuschen, die er von sich gab, dahin. Schon nach kurzer Zeit hatte ich raus, dass es ihm half, diesen Punkt in mir zu treffen, wenn ich meine Beine um seine Hüfte schlang, also gab ich ihn nicht mehr frei, drängte mich ihm fast schon begierig entgegen, erwiderte seine Küsse leidenschaftlich und gab mir keine Mühe mehr, mein Stöhnen zurückzuhalten. Es hatte sowieso keinen Sinn, wenn er diese Stelle in mir traf, dann konnte ich mich eh nicht mehr beherrschen. Und irgendwann später fand ich auch heraus, dass Kiyos eigenes Stöhnen lauter wurde, wenn ich mich anspannte, also tat ich das so sehr ich konnte, auch wenn ich am nächsten Tag tierischen Muskelkater haben würde, das war mir egal, ich wollte ihn stöhnen hören und wissen, dass ich ihn zu solchen Lauten brachte. Ich wollte mehr. Ich wollte mehr von Kiyo, ich wollte seine Berührungen; seine Hände an meiner Seite, meiner Brust, meinem Bauch; seine Lippen, seine Zähne, seine Zunge an meinem Ohr, meinem Hals, meinem Nacken, meinen Lippen; seinen Körper an meinem; ich wollte mehr Geräusche von ihm, sein Stöhnen, sein Keuchen, alles; ich wollte mehr und immer mehr. Es war wie eine Droge, je mehr ich bekam, desto mehr wollte ich, ich wurde wirklich süchtig. Und es schien kein Ende zu nehmen, der Moment dauerte beinahe ewig, zumindest in meinen Vorstellungen, und es sollte noch länger andauern, ich genoss es viel zu sehr, als dass es hätte aufhören sollen. Immer und immer wieder stieß er an diesen Punkt, der mich meinen Rücken durchbiegen, erstickt aufstöhnen, an ihn krallen und viel zu viele Gefühle gleichzeitig spüren ließ. Aber obwohl ich mehr wollte, wurde es irgendwann doch zu viel, ich fühlte mich, als hätte ich überhaupt keinen Bezug mehr zur Wirklichkeit, als wäre alles andere verblasst außer uns beiden, und ich konzentrierte mich derart auf dieses unbändige Gefühl der Lust, dass ich irgendwann einfach nicht mehr konnte und mit einem letzten lauten Aufstöhnen und Anspannen meinen Höhepunkt erreichte, ohne dass Kiyo mich irgendwie hatte berühren müssen. Noch während ich selig irgendwo in den Wolken schwebte, kam auch Kiyo in mir und ließ sich etwas auf mich sinken, vergrub das Gesicht an meinem Hals. (Ich hatte es verpasst, sein Gesicht zu sehen! Ich hätte mich erschlagen können. Ah, und wie er mir hinterher erzählte, war wohl mein völlig weggetretener Gesichtsausdruck zu viel für ihn gewesen, sodass auch er sich nicht mehr hatte beherrschen können. Ging es noch irgendwie besser? Ich war auf Wolke sieben und das machte ihn so an, dass er einen Orgasmus bekam, hey, wir passten wirklich gut zusammen!) Ich schlang die Arme um ihn und seufzte einmal sehr tief und sehr zufrieden, noch immer die Nachwirkungen spürend. Meine untere Hälfte fühlte sich zwar ein bisschen seltsam an, aber das war es auf jeden Fall wert gewesen. „Kiyo~...?“, schnurrte ich leise. Er löste sich aus meiner Umklammerung, rutschte neben mich aufs Bett, zog mich in seine Arme und küsste mich erst einmal, ungeachtet der Tatsache, dass ich etwas hatte sagen wollen. Nicht, dass ich mich beschwert hätte. Stattdessen saugte ich etwas an seiner Zunge und schmiegte mich so eng wie möglich an ihn. „Hm...?“, machte er irgendwann und streichelte mir über den Rücken. „Machen wir das noch mal?“, wollte ich unschuldig wissen und blinzelte ihn mit großen Augen an. Kiyo musste leise lachen. „Aber gerne doch.“ „Jetzt?“, schlug ich vorsichtig vor. Er lachte etwas lauter. „Das war ernst gemeint!“ Ich schob die Unterlippe vor. Er strich mir über die Wange und lächelte mich zärtlich an. „Ich glaube nicht, dass dir das so gut tun würde, Süßer. Warte erst einmal den nächsten Morgen ab, dann siehst du, was ich meine. Das ist bestimmt dann auch für dich nicht sonderlich angenehm.“ Ich war hin- und hergerissen zwischen 1. seinen gut gemeinten, total lieben und rücksichtsvollen Rat anzunehmen und 2. ihn anzubetteln. Ich tendierte zu 2. hin. Wieder schmollte ich. Und das einzige, was er tat, war KICHERN! Erneut küsste er mich sanft und drehte mich anschließend auf den Rücken. „Dann aber eine Variante, bei der du dich nicht den ganzen nächsten Tag über deinen Hintern beschweren kannst, ja?“, flüsterte er und machte es sich breitbeinig auf meinem Schoß bequem. Ich war selig. ☆☆☆☆☆☆☆ ~☆~ Wie auch immer, und danach fragte ich ihn noch, wie man es anstellen konnte, dass er lautere Geräusche von sich gab, woraufhin er meinte, dass man dafür nur seinen Mund gebrauchen müsste, anschließend machte er es mir einmal vor, ich durfte einmal üben und danach gingen wir schlafen. Also, richtig schlafen. Ihr wisst schon. Aber wem erzähl ich das, ahem. „Hallo? Bist du noch da?“ Yuu wedelte vor meinem Gesicht herum. Ich zuckte beinahe zusammen und sah ihn schwach lächelnd an. „Entschuldige, ich war... in Gedanken.“ Er musste grinsen. „Darf ich raten, an was du gerade gedacht hast? Beziehungsweise an wen?“ „Tut mir leid, aber... es will einfach noch nicht in meinen Kopf rein“, seufzte ich glücklich. „Dass wir jetzt endlich RICHTIG zusammen sind...“ „Habt ihr’s denn wenigstens gebührlich gefeiert?“, wollte er wissen. Mit gebührlich meinte er bestimmt was anderes, als auf jeder einzelnen horizontalen und fast jeder vertikalen Fläche in Kiyos Haus Sex zu haben, oder? (Oh ja, es war beinahe ein Marathon gewesen. Aber schön.... wunderschön.) „Inwiefern gebührlich?“ „Im Freundeskreis? Oh, schau mal, sind das nicht...“ Yuu deutete in die Richtung der Bar, zu der wir hin wollten. Neben dem Eingang auf der Mauer saß jemand mit sehr blonden Haaren und einem knallpinken Schal, der sich gerade mit jemand anderem mit schwarzen Haaren unterhielt. „Ja, sind es“, nickte ich und hakte mich bei Yuu unter. Nachdem Hakuei uns bemerkt hatte, redete er einen Moment auf Rose ein, der ziemlich genervt aussah und irgendwann aufstand und in der Bar verschwand. Anschließend kam Hakuei zu uns herüber, Yuu interessiert betrachtend, aber irgendwie, als wäre Yuu eine seltsam aussehende Sache, die er auf der Straße gefunden hatte. „Yuu, nehme ich an?“ Yuu nickte unsicher und sah zu Hakuei auf. Ich glaube, jetzt konnte er ansatzweise nachfühlen, wie ich mich gefühlt hatte, als Hakuei mich das erste Mal angesprochen hatte. „Ich bin mir sicher, dass du nichts dagegen hast, wenn dein Freund sich schon mal was zu trinken gehen holt, oder?“, fuhr der Schwarzhaarige fort, sprach aber dieses Mal mich an. Er hatte bereits ein bisschen was intus, das hörte man. Yuu und ich sahen uns an, und er nickte seufzend, als ich ihm ein ‚geh schon mal vor’ zumurmelte. Er löste sich von mir und stapfte in die Bar. „Was ist denn?“, wollte ich schon leicht gereizt wissen. Hakuei sah Yuu kurz hinterher. „Du bist immer noch mit ihm befreundet?“, fragte er dann. „Natürlich“, antwortete ich stirnrunzelnd. „Warum sollte ich nicht? Und – woher weißt du, wer er ist? Und was geht es dich eigentlich an??“ „Eigentlich nichts, ich hatte mich nur gewundert, dass es so lange dauert.“ „Dass WAS so lange dauert?“ Ich wurde immer irritierter. „Deine Metamorphose, deine Veränderung, nenn es, wie du willst.“ Er machte eine unbestimmte Geste. Ich runzelte erneut die Stirn. „Bist du betrunken?“ „Wie lange kennt ihr euch schon?“ „Es geht dich zwar nichts an, aber schon über zehn Jahre.“ „Oh.“ Ich wartete, aber es kam nichts mehr. Nur dieses vielsagende ‚oh’. „Was – oh?“ „Na ja, es wundert mich, dass ihr noch befreundet seid.“ Ich schüttelte verständnislos den Kopf. „Hakuei, was WILLST du von mir?! Warum sollten wir nicht?“ „Weil du dich verändert hast, ziemlich stark, und viele Freunde kommen damit nicht klar“, antwortete er, als wäre damit alles gesagt. „Ich hab mich nicht verändert!“ Er hob nur zweifelnd eine Augenbraue. „Und selbst wenn, wie könntest du das wissen? Du kanntest mich doch vorher gar nicht!“ „Das brauch ich auch gar nicht, das kann ich dir so sagen – überleg doch mal, du bist viel selbstbewusster und offener als vorher, oder?“ Widerwillig nickte ich. „Das stimmt. Ja und?“ „Und du bist mehr auf dich fixiert, oder?“ „Was?“ „Ich will damit nicht sagen, dass du egoistisch bist, aber du überlegst morgens, was du anziehst, um nicht wie ein Vollidiot dazustehen, du kümmerst dich hauptsächlich um das, was dich direkt betrifft und angeht, den Rest übersiehst du größtenteils, du achtest darauf, wie du bei anderen Leuten ankommst, du befriedigst deine eigenen Bedürfnisse so weit wie möglich und machst das, wozu du gerade Lust hast, nicht wahr?“ „Und selbst wenn, ich wüsste nicht-“ „Und mit diesem Yuu – redet ihr über ihn oder über dich? Fragst du ihn persönliche Fragen, wenn er was von sich erzählt, interessiert es dich dann?“ „Klar tut es das, wir sind Freunde!“, gab ich gereizt zurück. „Ach wirklich? Was arbeitet er zur Zeit?“ Ich machte den Mund auf. „Wenn er arbeitet, ist er zufrieden mit seinem Job, wie viel verdient er, hat er Aufstiegschancen? Wenn er nicht arbeitet, was war sein letzter Job, hat er einen in Aussicht, hat er sich schon irgendwo beworben? Hat er im Moment eine Freundin? Eine Freundin in Aussicht? Weiblichen Kontakt überhaupt?“, fragte Hakuei ungerührt weiter. „Das geht dich-“ „Ich will es auch gar nicht wissen, ich will nur wissen, ob DU es weißt.“ „Verdammt, Hakuei, was willst du von mir?“, rief ich. „Du solltest endlich aufhören zu tun, als wärst du anders als die anderen!“, gab er zurück. „Du denkst, du hast dich nicht verändert, aber du willst es nur nicht sehen, du willst nicht sehen, dass du bis zu einem gewissen Grad eingebildet bist, stattdessen versuchst du dich von den anderen abzuheben, indem du dir denkst ‚Die sind so berühmt, dass sie nur noch an Glamour und an Fashion denken, und keine richtigen Freunde mehr haben, aber ICH bin ganz anders!’, nicht wahr? Du fühlst dich immer noch wie ein Außenseiter, oder? Gib es zu, du bist der Ansicht, dass du noch immer derselbe bist wie vor zwei Jahren, nur dass du jetzt einen Job hast, der dich ein wenig bekannter macht, aber stattdessen solltest du die Augen aufmachen, sehen, dass auch du nur noch an Glamour denken kannst, dass du auch keine richtigen Freunde mehr-“ Das war die Stelle, an der ich zuschlug. Ziemlich feste. Ich hatte vorher noch nie jemanden so geschlagen, aber ich muss zugeben, dass ich mit dem Ergebnis ganz zufrieden war. Bis zu dem Moment, in dem ich ein Knie in den Magen gerammt bekam und selbst ins Gesicht geschlagen wurde, sodass ich hustend zu Boden fiel und mir die eine Wange aufschürfte. Und als Hakuei mich wieder hochzog, schlug ich erneut zu. So ging es noch ein paar Minuten, in denen ich mir einige weitere Schrammen holte und Hakuei als Souvenir etliche blaue Flecken verpasste, und dann ging alles so schnell, dass ich kaum noch mitkam. Ich glaube, Hakuei wollte mir gerade das erste blaue Auge meines Lebens schenken, da wurde ich zur Seite gezogen, viel zu schnell, als dass Hakuei hätte reagieren können, weshalb er zwar trotzdem zuschlug, aber jemand anderes traf, der von der Wucht zur Seite stolperte, und hätte Yuu nicht gerade im Weg gestanden, wäre Rose wohl auch auf den Boden anstatt Yuu in die Arme gefallen. Rose schien noch zu überrascht zu sein, weshalb er für einen Moment nur dastand und sich die Wange hielt, dabei Hakuei anstarrte, der entgeistert zurückstarrte. „Scheiße, Rose“, flüsterte der Schwarzhaarige. „Verzeih mir...“ Er wirkte wirklich vollkommen fassungslos. Als der Blonde das hörte, verwandelte sich sein erstaunter Gesichtsausdruck zu einem verärgerten. „’Scheiße, Rose’ – ist das ALLES, was dir dazu einfällt?!“ Ich korrigiere, er war stinksauer. Er baute sich vor Hakuei auf (was er wirklich konnte, die beiden waren genau gleich groß) und begann, ihn zusammenzuschreien, als wäre das Jüngste Gericht gekommen. „Was bildest du dir eigentlich ein, Hakuei, dass du denkst, jeden zweiten, der dir dumm kommt, zusammenschlagen zu müssen?? Das ist doch krank, ich habe noch nie einen erwachsenen Menschen gesehen, der so oft irgendwelche Leute zu Brei schlägt wie du, und was bringt es dir?! Hast du irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe, dass du dir ständig selbst beweisen musst, dass du stärker bist als andere!? Man sollte eigentlich meinen, dass du deine Lektion gelernt hättest, als du fast einen wildfremden Menschen erschlagen hast!!“ „Rose...“, murmelte Hakuei. „LASS MICH AUSREDEN! Man sollte eigentlich meinen, dass du, nachdem du im GEFÄNGNIS gewesen bist wegen deinen gewalttätigen Neigungen, von Gewalt absehen würdest, aber nein, was machst du stattdessen? Du schlägst die Person zusammen, von der du vorher noch gesagt hast, dass du dir vorstellen könntest, dich mit ihr anzufreunden! Wenn DAS deine Methode ist, Freunde zu machen, kannst du mir getrost gestohlen bleiben! Hakuei, ich sage dir das nicht zum ersten Mal, und ich habe das Scheißgefühl, dass ich es dir nicht zum letzten Mal sagen werde, weil es nicht in deinen verdammten Schädel rein will, dass diese Scheißgewalt dir verdammt noch mal NICHTS bringt, kapierst du das? Es ist scheißmenschenunwürdig, es ist scheißerniedrigend und es KOTZT MICH AN!! Und wenn das scheißeinzige ist, was du zu mir sagen kannst, nachdem du mich verdammt noch mal geschlagen hast, ‚Scheiße, Rose’ ist, dann kannst du dich ins Knie ficken, aber die Beine mach ich ganz bestimmt nicht mehr für dich breit!!!“ In dem kurzen Moment, in dem Rose Luft holte und ein weiteres ‚scheiße’ murmelte, warfen ich und Yuu uns einen kurzen Blick zu. „Wenn du es dich wagen solltest, in den nächsten Scheißtagen auch nur ein Scheißhaar von mir anzuschauen, dann dreh ich dir den Hals um, verdammt noch mal!“, fauchte Rose als Schlussfazit, drehte sich um und stapfte mit wütenden Schritten davon. „Rose...“, versuchte Hakuei es trotzdem noch, bekam aber nur ein ‚Verpiss dich!’ zurück. Ich starrte Rose nur hinterher und war gegen meinen Willen beeindruckt. Ich hätte nicht gedacht, dass er so ausflippen konnte. Aber eins hatte ich gelernt – wenn er anfing zu fluchen, wurde es ernst. „Ich glaube, das war nicht das einzige Donnerwetter, das ihr euch anhören dürft“, bemerkte Yuu leise. ~☆~ „Manchmal hab ich wirklich das Gefühl, ich bin in einem KINDERGARTEN!“ Hyde schlug mit der Faust auf den Tisch. „Was zum Teufel habt ihr euch dabei gedacht?? Ihr seid doch erwachsene Menschen, von euch darf man doch ein bisschen mehr erwarten, oder?“ Er knallte eine Zeitung vor unsere Nasen auf das Holz. „Seht euch die Schlagzeile an!“ Diese lautete ‚Gewalttätiges Model schlägt wieder zu – wörtlich’. Wow, wir hatten es zur Schlagzeile eines etwas seriöseren Klatsch-Blattes geschafft. Ich bezweifelte allerdings, dass Hakuei darüber glücklich war. Das warf kein gutes Licht auf uns beide. „Ich weiß nicht, worum es ging, aber ich hoffe für euch, dass ihr eine gute Ausrede habt!“ „Ich glaube, es liegt weder in deinem Ermessen, das zu erfahren, noch es zu bewerten“, bemerkte Kiyo leise. Die ganze Zeit schon saß er an seinem Schreibtisch, den Stuhl etwas zur Seite gedreht, den Blick aus dem Fenster gerichtet, eine Zigarette rauchend, unbewegt und uns nicht mal ansehend. Er brauchte gar nicht viel zu sagen, schon durch seine Haltung machte er deutlich, was er von dem Vorfall hielt. Hyde schien dieser Einwand kurz den Faden verlieren zu lassen, also suchte er sich einen neuen. „Ich hoffe, ihr seid euch darüber im Klaren, dass ihr nicht nur euren, sondern auch unseren Ruf geschädigt habt! Wann immer ihr etwas tut, dann tut ihr das nicht nur als ihr selbst, sondern als eins unserer Models, und das heißt, dass die Leute Rückschlüsse ziehen von euch auf eure Kollegen, und ich glaube nicht, dass ihr das wollt.“ „Mal abgesehen davon seid ihr so zu nichts zu gebrauchen“, warf Kiyo ein, noch immer rauchend und ohne uns anzusehen. Aber der Satz war der erste, der mir weh tat. „Mit so was kann man euch nicht mal auf die Straße lassen“, fuhr er fort und deutete mit der Zigarette vage in meine Richtung. Ich nahm an, dass er die Schrammen auf meiner Wange meinte. „Geschweige denn Shootings machen, überschminken lässt sich so was nämlich auch nicht.“ „Und DAS wiederum heißt, dass wir einige Aufträge absagen müssen, was wiederum bedeutet, dass ziemlich viele Leute ziemlich wütend sein werden und in Zukunft davon absehen, uns Aufträge zu geben“, fügte Hyde hinzu. „Wozu ich nur sagen kann herzlichen Glückwunsch!“ „Hakuei, du solltest es eigentlich besser wissen“, murmelte Kiyo und schüttelte langsam den Kopf. „Besonders du. Und Gara, von dir hätte ich mehr Selbstachtung erwartet. Ihr enttäuscht mich.“ Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und drehte sich zum ersten Mal wirklich zu uns, um erst Hakuei und dann mich für einen Augenblick lang anzusehen. „Und jetzt geht. Ich will euch nicht mehr sehen.“ Hakuei stand auf, ich nach einem Moment ebenfalls und folgte ihm nach draußen. Ich wusste, dass Hakuei mir noch etwas sagen wollte, und er war mir noch eine Entschuldigung und eine Erklärung schuldig. Ich schloss die Tür und sah ihn an. „...Ist es nicht entwürdigend, dass er es immer noch schafft, mir ein schlechtes Gewissen zu machen?“, bemerkte er seufzend. „Wer? Rose?“, fragte ich. Hakuei sah mich an. „Rose schafft es, mir pro Tag mindestens acht Mal ein schlechtes Gewissen zu machen, auch unabsichtlich, aber ich rede gerade von Kiyoharu. Er ist ein echter Meister darin.“ Er bot mir eine Zigarette an, ich lehnte ab. Das war nicht das gewesen, was er mir hatte sagen wollen, das wusste ich, also gab ich ihm eine Ausrede, noch etwas bei mir zu bleiben. „Was ist denn mit Rose?“, wollte ich wissen. Es interessierte mich wirklich. „Habt ihr noch mal miteinander gesprochen...?“ „Ich... habe noch nicht versucht, ihn anzurufen, und ich glaube, dass es besser so ist“, erwiderte er vorsichtig. „Eins weiß ich inzwischen – wenn er anfängt zu fluchen, ist es wirklich ernst.“ Zu dem Schluss war ich auch gekommen. „Du liebst ihn sehr, oder?“ „Mehr als mein Leben“, antwortete er ernst und nickte. Ich glaubte ihm sofort. „Warum hörst du dann nicht auf ihn? Ich meine... er hat ja schon gemeint, dass er nicht zum ersten Mal mit dir darüber geredet hat...“ „Nein, gestern war definitiv nicht das erste Mal, das war vor ungefähr sechs Jahren“, bestätigte er und seufzte dann einmal tief. „Und es ist auch die einzige Sache, über die wir uns wirklich streiten können. ... Kann ich dich auf einen Kaffee einladen?“ Ich hatte nichts dagegen, und so verließen wir zusammen das Gebäude und gingen die Straße hinab, während Hakuei redete. „Ich weiß eigentlich selbst nicht, warum ich es mir nicht abgewöhnen kann“, erklärte er, noch immer auf seine Schlägereien bezogen. „Ist fast wie mit dem Rauchen. Ich weiß, dass es mir nicht gut tut, aber ich hab mich zu sehr daran gewöhnt und bin zu faul, es mir wieder abzugewöhnen. Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich mich in meiner Jugend oft mit allen möglichen Leuten geschlagen habe. Und dass ich andere viel zu gerne provoziere.“ „Nicht gerade eine Eigenschaft, mit der du dir Freunde machst“, bemerkte ich und musste unwillkürlich an Roses Worte vom Vortag denken – ‚Du schlägst die Person zusammen, von der du vorher noch gesagt hast, dass du dir vorstellen könntest, dich mit ihr anzufreunden’. Hakuei hatte sich also mit mir anfreunden wollen... dieser Gedanke machte mich irgendwie glücklich. „Schon klar.“ Er nickte und legte einen Arm um meine Schultern. „Gara...“ Erwartungsvoll sah ich zu ihm hoch, war aber trotzdem überrascht, als er sich etwas zu mir beugte und mir einen Kuss auf die Lippen drückte. „Entschuldige. Ich hätte vieles nicht sagen sollen.“ Ich lächelte und legte nun meinerseits einen Arm um seine Taille. „Schon okay.“ „Weißt du, ich hatte sowieso schlechte Laune und Langeweile, und dann kamst du daher mit diesem Typen, und ihr habt mich so sehr an... einen alten Freund von mir erinnert...“ Hakuei schüttelte den Kopf. „Ich war etwas neben mir, tut mir leid.“ „Ist schon gut“, versicherte ich ihm. „Nur noch zwei Fragen – du musst sie nicht beantworten, kann auch sein, dass sie ein bisschen zu persönlich sind, dann tut es mir leid, aber es interessiert mich. Was war das mit dem Gefängnis, das Rose gestern angesprochen hat, und warum hast du gesagt, dass man, wenn man berühmt ist, keine richtigen Freunde haben kann?“ Hakuei seufzte leise. „Ich brauch erst mal einen Kaffee, um richtig wach zu werden, ja?“ (Kein Wunder, er wirkte, als hätte er die Nacht kein Auge zugetan. Ich konnte mir denken, warum.) Keine fünf Minuten später saßen wir in dem Café, etwas abseits von den anderen Gästen (die uns misstrauisch betrachteten, weil wir erstens aussahen, als wären wir gerade aus dem Krieg gekommen, zweitens ist Hakuei ja sowieso schon eine beeindruckende Erscheinung, und drittens hatte er mich noch mal geküsst, einfach so), jeder mit einer Tasse Kaffee vor sich. „Es wundert mich, dass du nicht wusstest, dass ich mal im Gefängnis war“, begann Hakuei und musste dann lächeln. „Aber andererseits, du bist schon stolz, wenn du die Gothic Lolita Bible kennst, von daher sollte ich mir wahrscheinlich nicht allzu große Hoffnungen machen. Also, an dem besagten Abend waren Atsushi und ich gerade unterwegs, da fing ein wildfremder Typ an, uns von der Seite dumm anzumachen.“ (Bemerkung: Das war das erste Mal, dass Hakuei in meiner Gegenwart statt ‚Saku-chan’ ‚Atsushi’ sagte.) „Ich glaube, er kannte entweder mich oder uns beide aus der Presse, vielleicht auch aus Zeitschriften, was weiß ich. Und da ich aus meinen Beziehungen selten ein großes Geheimnis gemacht habe, wusste er auch, dass ich nicht an Frauen interessiert war, weshalb ich mir schon ein paar dumme Sprüche anhören durfte. Natürlich hab ich ihn ein bisschen zurück angeblafft, aber als er dann auch noch über Atsushi hergezogen hat, war es vorbei mit mir, weshalb ich ihm mit einem Stuhl eins über den Schädel gezogen habe.“ Er trank einen Schluck Kaffee und schüttelte leicht den Kopf. „Mittelschwere Gehirnerschütterung, hätte er nicht so einen Dickschädel gehabt, wäre er tot gewesen.“ „Scheiße“, murmelte ich. „Ich bin ins Gefängnis gekommen, schwere Körperverletzung, aber Kiyoharu hat mich wieder rausgeholt.“ „Kaution bezahlt?“, riet ich. Er lächelte säuerlich. „Ziemlich viele Leute bestochen. Die offizielle Version lautete hinterher, dass der Kerl unglücklich gefallen ist und ich keine Schuld an der Sache hatte. Atsushi musste auch als Zeuge aussagen, und es ist ihm gewaltig gegen den Strich gegangen, dass er lügen musste, aber die Chefs haben nun mal eben immer das bessere Argument.“ Ich fragte mich, warum mir das Ganze so bekannt vorkam, zumindest entfernt, dann fiel mir ein, dass Yuu mir davon erzählt hatte, dass ein Model ins Gefängnis gekommen ist, aber hinterher wieder rausgeholt wurde. Aber dass Kiyo dafür Bestechung einsetzte... „War das in der Zeit, in der du mit Atsushi zusammen warst?“, wollte ich wissen. „Ach, Quatsch, zusammen war ich mit ihm ganz am Anfang meiner Karriere, als mich noch kein Schwein kannte. An dem Abend waren schon ein paar Jahre vergangen, und ich hatte mich eigentlich noch mal mit ihm aussprechen wollen, deshalb war es so ironisch, dass ich genau an DEM Abend etwas tun würde, wegen dem er mich auch heute fast nicht mehr ansehen will.“ Stirnrunzelnd dachte ich an ihren Kuss auf der Weihnachtsparty zurück. Da hatte es nicht so ausgesehen, als würde Atsushi nichts mehr von ihm wissen wollen. „Ich weiß, was du jetzt denkst“, sagte Hakuei grinsend. „Solange es nur ums Körperliche geht, hat er eigentlich keine Probleme, wenn er nicht mit mir reden müsste, würde er auch mit mir ins Bett gehen.“ „Ein bisschen inkonsequent, oder?“, bemerkte ich. Er zuckte mit den Schultern. „Sag das Saku-chan. Wie auch immer. Deine zweite Frage war das mit den echten Freunden, nicht wahr? Vielleicht hab ich gestern ein bisschen übertrieben, aber es ist wirklich so, dass du, wenn du berühmt wirst, fast keine Freunde mehr hast, auf die du wirklich zählen könntest. Und gerade die nicht, die du schon kanntest, bevor du berühmt wurdest.“ „Warum nicht?“, fragte ich. „Du veränderst dich. So weit waren wir schon, nicht wahr? Und entweder veränderst du dich so, dass du zu gut für deine Freunde wirst, oder sie werden zu gut für dich. Entweder wirst du so eingebildet, dass du dir denkst, du hast es nicht nötig, dich mit Niemanden abzugeben. Natürlich wird es etwas schöner verpackt in Sätze wie ‚ich fühle mich von dir unverstanden’, ‚wir sind zu verschieden geworden’, ‚wir haben uns auseinander gelebt’ oder ‚wir sind einfach nicht mehr auf dem selben Level’. Aber was man eigentlich damit meint, ist, ‚du weißt nicht, wie es ist, bekannt zu sein, und um mich herum habe ich sehr viele Leute, die das nachvollziehen können, deshalb brauche ich dich nicht mehr’. Und es wird einem nicht mal direkt bewusst. Ich glaube, du und dieser Yuu seid im Moment auf diesem Stand, nur, dass ihr es noch nicht bemerkt habt.“ Er fing wieder an, mich aufzuregen, weil er mir irgendwelche Sachen erzählte, über die er gar nichts wissen konnte. „Wie willst du das denn beurteilen können?“, fuhr ich ihn an. „Du kannst mir immer noch nicht sagen, ob er im Moment vergeben ist oder nicht, oder?“ Ich wurde wütend. Und ich wurde genau aus demselben Grund wütend wie am vorigen Tag – weil er Recht hatte. Ich wusste nichts mehr über Yuu, fast nichts. Ich wusste, dass er ein paar nette Typen kennen gelernt hatte, aber woher er sie kannte oder wie sie hießen, hatte ich schon wieder vergessen. Vielleicht hatte er es auch gar nicht erzählt. Ich wusste es nicht mehr. Und das machte mich unheimlich wütend, aber auf mich selbst. „Verstehst du, was ich meine?“, fragte Hakuei sanft. Ich nickte langsam. „Gut. Aber es liegt nicht immer an einem selbst, manchmal denken sich deine Freunde auch ‚Was ist denn aus dem geworden? Der ist ja genau so ein hohler Star wie alle anderen. Mit so was will ich nichts zu tun haben’.“ Ich schwieg eine Weile. Konnte sein, dass Yuu so von mir dachte, dass er mich für oberflächlich und eingebildet hielt. Vielleicht war ich das auch. Ich wusste es nicht. „Du sprichst aus eigener Erfahrung, oder?“, wollte ich leise wissen. Er nickte. „So war es mit einem langjährigen Freund und später Geliebten von mir auch. Nao hieß er, relativ unbekannt, vielleicht eine Art C-Model. Ich kannte ihn von der Agentur, bei der ich vor GLAMOUR ☆ FASHION war, er wechselte mit mir zusammen. Wir waren ein Herz und eine Seele. Und irgendwann wurden wir dann immer unterschiedlicher, stritten uns nur noch...“ Er runzelte die Stirn. „Wenn ich’s mir so überlege, zu der Zeit habe ich mich mit sehr vielen Leuten gestritten. Mit ihm, mit Saku-chan, mit Yasu... vielleicht war ich damals auch einfach unausstehlich.“ „Auch mit Yasu?“, fragte ich nach. „Klar. Mit ihm streite ich mich heute noch regelmäßig. Der Typ ist ein Engel, das sag ich dir. Ein richtiger Engel, ihm fehlt nur der Heiligenschein, aber dann würde seine Tarnung auffliegen.“ Ich überlegte, ob das gerade ironisch gemeint war. Klang danach. Hakuei bemerkte meinen zweifelnden Blick und lächelte. „Das meine ich vollkommen ernst. Wir kennen uns fast zehn Jahre, und diese ganzen verdammten zehn Jahre war er bei mir, während jeder einzelnen verdammten Krise. Er hat mich kein einziges Mal sitzen lassen, nicht zu der Zeit...“, er zeigte mir sein linkes Handgelenk, über das sich beim genaueren Hinsehen feine Narben zogen (woraufhin ich etwas sagen wollte, aber er redete einfach weiter), „...nicht zu der Zeit, in der ich depressiv war, nicht zu der Zeit, in der ich so verdammt hinter Rose her war, dass ich mich fast aus dem Fenster gestürzt hätte... Aber wir sind einfach zu verschieden. Ich liebe ihn dafür, dass er die ganze Zeit bei mir war, ohne ihn hätte ich wahrscheinlich schon aufgegeben, den Job, mein Leben, was auch immer. Aber ich hasse ihn dafür, dass er so moralisch korrekt und nett ist. Ich bin das genaue Gegenteil davon, weshalb wir uns die Hälfte der Zeit, die wir miteinander verbringen, gegenseitig anschreien.“ „Und die andere Hälfte?“ „In der entschuldige ich mich ungefähr zehn Mal, erzähle ihm unter Tränen der Dankbarkeit, dass ich nicht wüsste, wo ich ohne ihn wäre, und dass er mich heiraten soll. Von der Idee ist er allerdings nicht sonderlich begeistert.“ Jetzt musste ich grinsen. „Das kann ich mir vorstellen. ... Das war jetzt nicht als Beleidigung gemeint, entschuldige.“ Er winkte ab. „Macht nichts.“ Irgendwie... freute es mich, dass Hakuei so offen von sich und seinen Problemen redete. Das zeigte doch, dass er mir vertraute, oder? „Sag mal... Rose hat gestern gemeint, dass du dich hast mit mir anfreunden wollen... warum hast du dich dann nach der Weihnachtsparty mehr oder weniger von mir fern gehalten?“, wollte ich neugierig wissen. Hakuei lächelte. „Wäre nicht von Dauer gewesen, das auf keinen Fall. Aber offenbar ist dieser Mistkerl von Kiyoharu der Ansicht, dass ich nicht der richtige Umgang für dich bin, weshalb er mir gesagt hat, dass ich mich entweder von dir fern halte oder ein für mich ziemlich wichtiges Shooting verpasse.“ Ich blinzelte. „Eh?“ „So hat er es ausgedrückt. Vielleicht noch ein wenig unfreundlicher. Und entschuldige, dass ich ein Shooting über deine Person stelle, aber du läufst nicht weg, im Gegensatz zum Shooting. Ich hätte dich nicht weiterhin ignoriert.“ „Moment mal – Kiyo hat dir gesagt, dass du dich von mir fern halten sollst?“, fragte ich nach. Hakuei überlegte. „Nicht er direkt, nein, aber Hyde. Und er hat mir durch eine Blume mitgeteilt, dass der Befehl direkt von einer der Personen kommt, die ich am meisten verabscheue auf diesem Planeten.“ „Was?“ Ich schüttelte leicht den Kopf. „Moment mal, da hab ich irgendwas nicht mitgekriegt – du kannst ihn nicht leiden? Warum das denn?“ „Wir können uns gegenseitig nicht ausstehen“, erwiderte er, noch immer schwach lächelnd. „Sein Argument ist, dass ich zu extravagant, anspruchsvoll und arrogant bin. Mein Argument ist, dass er ein Wichser ist, weil er mich nach Strich und Faden verarscht hat.“ Ich glaubte es nicht. Ich konnte nicht glauben, dass jemand Kiyo voller Überzeugung einen... dass jemand Kiyo voller Überzeugung beleidigen konnte. Und dann noch Hakuei, jemand, der seit mehr als einem Jahrzehnt für ihn arbeitete. „Was... wie das denn?“, fragte ich leise. „Die Geschichte kennst du bestimmt nicht“, grinste Hakuei. „Keiner erzählt sie gerne, weil sie jedem nur Schwierigkeiten gebracht hat. Sie beginnt ganz früher, in den Anfängen, als ich GLAMOUR ☆ FASHION durch meine von Kiyoharu so sehr verabscheute Extravaganz zu Ruhm verhalf. Zu der Zeit musste ebenjener Kiyoharu leider feststellen, dass er sich, wenn er sich einen runterholte, nicht mehr seine ach so heißgeliebte Frau, sondern eins seiner Models, das zufällig vor dir sitzt, vorstellte.“ „Was?“ Mehr konnte ich nicht sagen. „Kurz gesagt, ich war schuld daran, dass Kiyoharu schwul wurde. Ich bin auch nicht stolz drauf, das kannst du mir glauben. Nachdem er sich mit seiner Frau gestritten und sich von ihr getrennt hatte, ist er mit Hyde ins Bett gegangen, hat gemerkt, dass Männer die besseren Menschen sind und musste diese Erkenntnis natürlich in seinem Alltagsleben anwenden, und das hat er WIE gemacht?“ Hakuei sah mich erwartungsvoll an. Ich musste noch die Tatsache verdauen, dass Hakuei die ganze Geschichte ein wenig anders als Atsushi erzählte, und konnte deshalb nicht sofort antworten. „Uhm... dadurch, dass er nacheinander Affären mit seinen Models angefangen hat?“ „Bis auf ein kleines Wort soweit richtig“, nickte der Schwarzhaarige lächelnd. „Das Wort, das mich stört, ist ‚nacheinander’. Nicht nacheinander, Gara. Gleichzeitig.“ Mir klappte der Mund auf. Dann überlegte ich einen Moment, ob ich ihm glauben sollte. Ob das, was er da sagte, stimmte. Andererseits wusste ich auch nicht, ob das, was Atsushi mir erzählt hatte, stimmte. Ich würde Kiyo mal selbst fragen müssen. „Was...?“ „Und zwar mit mir, Saku-chan, einem Model aus der GLB und einem namenlosen C-Model. Ach ja, und Hyde.“ Er trank noch einen Schluck Kaffee. „Irgendwann hat Saku-chan dann rausgefunden, was Sache ist, mir davon erzählt und wir haben ihn auffliegen lassen. Oh, und Hyde hat die ganze Zeit von allem gewusst. Während er Kiyoharu was von unsterblicher Liebe vorgefaselt hat, wusste er, dass er neben ihm noch vier andere Kerle vögelte. Ist das krank?“ Er schüttelte den Kopf, trank seine Tasse aus und musterte mich dann. „Alles okay?“ Ich starrte regungslos auf die Tischplatte und überlegte, versuchte herauszufinden, was ich davon glauben sollte und durfte und auf was ich Kiyo ansprechen musste und was ich lieber unausgesprochen ließ. Es war... unvorstellbar für mich, dass Kiyo, der liebe, nette, sanfte Kiyo, der mich liebte, den ich liebte, der so zärtlich war, dass dieser Kiyo so was getan haben sollte. Hakuei hob mein Kinn etwas an, sodass ich keine andere Wahl hatte, als ihn anzusehen. „Tut mir leid, wenn das etwas unerwartet für dich kommt, aber ich hab mir gedacht, da ihr schließlich zusammen seid und er dir so was ganz bestimmt nicht selbst erzählen wird, sollte ich es dir sagen.“ „....Woher weißt du, dass wir zusammen sind?“, murmelte ich. „Bis gerade eben war ich mir nicht sicher, aber danke für die Information.“ Er zwinkerte mir zu. „Ich glaube, du solltest jetzt erst mal an was anderes denken und eine Nacht drüber schlafen. Ach ja, und wenn du möchtest, du kannst Saku-chan gerne fragen, Kei auch, wenn du willst. Die von der Gothic Lolita Bible wissen bestimmt, wo er ist. Sie werden dir alle die Geschichte bestätigen, die ich dir gerade erzählt habe. Frag Hyde, aus seiner Reaktion wirst du auch merken, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Ich nehm’s dir auch nicht übel, ich glaube, wenn ich in deiner Situation wäre, würde ich diesen Idioten vor mir erst mal zusammenschreien, dann stinksauer davon rauschen und ihn nicht mal mehr mit dem Arsch angucken.“ Das brachte mich zum Lächeln. „Aber... noch eine Frage – warum bist du dann trotzdem bei GLAMOUR ☆ FASHION geblieben? Ich meine...“ Es war bestimmt nicht leicht, unter jemandem zu arbeiten, der... „Glaubst du, ich würde diesem Dreckskerl noch einen einzigen Sieg über mich gönnen?“, gab Hakuei zurück und lächelte ebenfalls. „Aber genug von mir. Du weißt jetzt mehr über mich als viele andere Personen, die mich länger kennen als du, und ich weiß gar nichts über dich. Erzähl mir was von dir.“ „Eh?“ Ich sah ihn fragend an. Das hatte mich noch nie jemand gebeten, zumindest nicht so direkt. Und nicht so allgemein. Eher so ‚wo bist du aufgewachsen? Hast du Geschwister?’, so was in der Art. „Irgendwas. Das, von dem du denkst, dass es mich interessieren würde. Etwas, von dem du glaubst, dass du es mir erzählen möchtest. Ich möchte mehr über dich wissen. Du bist eine sehr interessante Person, Gara. Allein schon dadurch, dass Rose sich so schnell von dir hat anfassen lassen.“ Ich überlegte. Mir fiel nichts ein, was Hakuei interessieren könnte. Andererseits hätte ich bis eben nicht gedacht, dass er sich ÜBERHAUPT für mich interessierte. „Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, dann mach’s dir einfach und fang ganz vorne an“, schlug er vor. Also begann ich zögernd damit, dass ich als Einzelkind in eine Familie hineingeboren wurde, die früher mal reich gewesen war, aber dann immer mehr verarmte und ausstarb. Meine Eltern waren nicht arm, aber sie waren auch nicht die Reichsten. Es reichte zum Leben, bis zu meinem siebten Lebensjahr, dann starben meine Eltern beide nacheinander an einer Krankheit. Ich kam zu meiner Großmutter, einer sehr strengen und traditionellen Frau. Je älter ich wurde, desto häufiger hatten wir Auseinandersetzungen. Mal über meine Haare, die zu lang waren, dann über die Klamotten, die ich trug, die Freunde, die ich hatte, die Sachen, die ich machte, meine schulischen Leistungen (die zwar nicht die Besten waren, aber doch schon nicht schlecht), und so weiter. Als ich fünfzehn war, starb sie ebenfalls, sodass ich auf mich allein gestellt gewesen wäre, hätte Yuu mir nicht angeboten, dass wir zusammen ziehen. Die restlichen Jahre Schule wohnte ich mit ihm zusammen, wir hatten beide kleinere Nebenjobs, sodass es auch vom Finanziellen her passte. Doch später, als wir studieren wollten, gingen unsere Neigungen auseinander, weshalb ich wegzog. Ein ganzes Jahr hielt ich es auf der Uni aus, dann wurde mir der Leistungsdruck zu stark und ich kehrte wieder zurück, in eine eigene Wohnung, da Yuu inzwischen mit seiner Freundin zusammen gezogen war. Doch auch nachdem sie sich getrennt hatten, zogen wir nicht wieder zusammen, wahrscheinlich brauchten wir einfach ein wenig privaten Raum. Vor allem hätte ich sonst nicht so viele kurzweilige Beziehungen haben können. Und während ich am Anfang noch recht unsicher war, was ich alles erzählen sollte und was nicht, merkte ich doch im Laufe der Zeit, dass es gut tat zu reden. Dass es gut tat, dass mir jemand zuhörte. Und Hakuei war ein guter Zuhörer, stellte Zwischenfragen an den richtigen Stellen, war an den richtigen Stellen ruhig und er ließ es sich wirklich anmerken, dass ihn das, was ich da erzählte, interessierte. Nachdem ich das erst mal gemerkt hatte, erzählte sich meine Lebensgeschichte fast wie von selbst. Ich erzählte das, was mir selbst wichtig war, und ließ Uninteressantes oder Unwichtiges aus. Und als ich fertig war, merkte ich richtig, wie erleichtert ich war. Nicht, dass ich noch nie jemandem so viel über mich erzählt hätte, aber in diesem Fall tat es unheimlich gut, dass es Hakuei war, der mich danach gefragt hatte. Eben weil wir uns nicht ganz so gut kannten. „Hast du denn noch irgendwelche lebenden Verwandten?“, fragte er, nachdem er meine Geschichte hatte einsinken lassen. Ich schüttelte den Kopf. „So weit ich weiß, nicht, vielleicht einen Cousin siebten Grades, aber ansonsten eigentlich nicht.“ Er schwieg einen Moment. „Das mit deinen Eltern und deiner Großmutter tut mir leid.“ Lächelnd winkte ich ab. „Ist okay. Ich bin inzwischen schon drüber weg.“ „War bestimmt nicht leicht“, murmelte Hakuei. „Vor allem nicht bei deiner Großmutter.“ Ich sah ihn an. So was hörte ich selten. Eigentlich hatte ich so was noch nie gehört. Die Leute nahmen immer an, dass es leicht gewesen sein muss, über den Tod meiner Oma hinweg zu kommen, schließlich hatte sie die ganze Zeit an mir herumgemeckert. Und wenn ich die ganze Zeit sage, meine ich die ganze Zeit. Aber trotzdem war sie... „Ich meine, sie ist trotzdem deine Großmutter, oder nicht?“ Genau das hatte ich gerade denken wollen. Ich lächelte und nickte leicht und hätte ihm gerne danke gesagt, aber ich war mir nicht sicher, ob meine Stimme mitmachen würde, also sagte ich nichts und versuchte, die Tränen zurückzukämpfen. „Ach, Gara“, seufzte Hakuei, stand auf, setzte sich auf den Stuhl neben mich und legte meinen Kopf an seine Brust, drückte mich dann an sich und strich mir sanft über den Rücken. Und ich schloss die Augen und bedankte mich leise. ~☆~ „Kirito, ich bezweifle, dass es so eine gute Idee ist, wenn du ihm sagst, dass du ihn liebst, während du noch mit deinem Freund zusammen bist“, bemerkte ich zweifelnd. „Aber ich MUSS es ihm sagen, ansonsten drehe ich durch, es wird mit jedem Tag schlimmer, an dem ich ihn sehe, mit jedem TAG!“ Er streckte sich auf seinem Sofa aus und legte sich theatralisch einen Arm über die Augen. „Du kannst dir nicht vorstellen, was ich durchmache, ständig muss ich so tun, als würde ich nicht den Boden anbeten, auf dem er geht, andauernd muss ich mich beherrschen, ihn nicht zu berühren, du weißt, ich will ihn nicht wegen seines Körpers, aber ich möchte ihn doch wenigstens anfassen dürfen, verstehst du, umarmen und nicht mehr loslassen, sein hübsches Gesicht berühren... und wenn er lächelt, würde ich ihm gerne jedes Mal sagen, wie wunderschön er aussieht...“ Ich starrte ihn einen Moment an. „.....Es hat dich echt erwischt, oder?“ „Das Leben ist grausam!“, schniefte er und setzte sich auf. „Gara, was soll ich machen?“ „Warum fragst du mich das?“, wollte ich leise wissen. „Weil du der einzige bist, der bisher davon weiß!“ Ich seufzte. Die Last der Verantwortung. „Also, da du dich ja offenbar so sehr in Yasu verliebt hast...“ „Du untertreibst!“ „Sei es mir für den Moment gestattet. Da du ihn so sehr liebst, würde ich sagen, bringt es nichts mehr, wenn du weiter mit deinem Freund zusammen bleibst, oder? Sonst machst du alles nur noch schlimmer.“ „Ich soll mich von ihm trennen?“ Kirito schnitt eine Grimasse. „Da wird er aber gar nicht zufrieden sein...“ „Musst du in Kauf nehmen. Trenn dich lieber von ihm, als dass du ihm vorspielst, ihn noch zu lieben, während du es gar nicht mehr tust.“ Darüber dachte er einen Moment nach. „Und dann?“ „Dann gehst du zu Yasu und sagst ihm, dass du ihn liebst. Untertreibe ruhig ein wenig, ansonsten fühlt er sich unter Umständen... zu sehr gedrängt“, gab ich zurück. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann...“, murmelte Kirito und sank wieder zurück, starrte an die Decke. Ich war noch nicht so oft in seiner Wohnung gewesen, und an das erste Mal wollte ich mich gar nicht mehr erinnern, aber trotz allem fühlte ich mich doch recht wohl. „Also ICH mach es ganz bestimmt nicht für dich“, meinte ich schwach lächelnd. „Und sonst kann ich auch nicht rausfinden, ob ich nicht vielleicht doch ein ganz kleines bisschen mehr als nur ein Freund für ihn bin...“ Kirito stöhnte gequält auf und fuhr sich durch die Haare. „Alles, was du sagst, klingt so ... logisch, ich dagegen kann keinen klaren Gedanken mehr fassen... ich kann nur noch an IHN denken...“ ER war laut Hakuei ja auch ein Engel. Aber wenn ich das Kirito sagte, dann wollte er bestimmt die ganze Geschichte wissen, und ich wusste nicht, ob ich sie ihm erzählen wollte. Abgesehen davon war Kirito so liebeskrank, dass er mir verboten hatte, Yasus Namen in seiner Gegenwart auszusprechen. ... Er war echt schlimm dran. „Und trotzdem, ich werde den Gedanken nicht los, dass wir irgendwie füreinander bestimmt sind, der Kuss, unser Zusammentreffen durch dich... selbst viele normale Leute, die Fanfictions schreiben, sehen mich und IHN als ihr OTP...“ Ich runzelte die Stirn. „OTP?“ „One True Pairing. Zwei, die füreinander geschaffen sind…“ „Ach, ich wollte dich sowieso mal fragen, ob du weißt, was Fanfictions sind. Sachiko hatte den Begriff nämlich auch gebraucht.“ Kirito sah mich an. „Du weißt nicht, was Fanfictions sind? Zum Beispiel auf Livejournal oder so... Es gibt sogar eine eigene Community für mich“, meinte er stolz. Ich hob die Augenbrauen. „Livejournal?“ Community....?? Er atmete tief durch. „Weißt du, es gibt da eine Erfindung, die es einem möglich macht, Leute auf der ganzen Welt zu erreichen... über den Computer. Das sind diese Dinger mit den Bildschirmen-“ „Ich bin nicht doof!“, beschwerte ich mich beleidigt. „Soll ich dir mal zeigen, was Fanfictions sind? Soll ich dir mal zeigen, was der Rest Japans über dich denkt?“, fragte Kirito im verschwörerischen Tonfall. Ich nickte. Er holte seinen Laptop, schaltete ihn an, klickte ein wenig herum und drehte mir (ich hatte mich inzwischen neben ihn gesetzt) den Bildschirm zu. „Lies mal, das ist eine PWP über uns beide“, war sein Kommentar. Er klang, als müsste er sich mit aller Mühe das Grinsen verkneifen. „Uns beide?“, fragte ich. „PWP?“ „Lies sie an, und wenn du die generelle Idee begriffen hast, erklär ich’s dir.“ Also begann ich zu lesen. Es war dankenswerterweise in japanisch geschrieben, englisch konnte ich zwar auch, aber längst nicht so gut. Es ging irgendwie darum, dass Kirito ein Shooting hatte und ich ging ihn abholen, und im Auto..... Ich starrte auf den Bildschirm. „Soweit klar?“, grinste Kirito. „Was.... was um alles in der Welt IST das?!?“, wollte ich entgeistert wissen. „Fanfictions sind Geschichten von Fans, sie nehmen sich einige Charaktere aus der Realität, aus Mangas, Filmen, und so weiter, und schreiben eine Geschichte um sie herum. Nicht immer sind es PWPs, keine Sorge. PWP heißt eigentlich ‚Plot, what Plot?’, was so viel heißt wie ‚diese Geschichte hat außer Sex keine Handlung’.“ Ich war noch immer fassungslos. „Und so was schreiben Leute über uns??“ „Und ob. Und sehr viele andere Leute lesen es und finden es gut.“ Er grinste wieder. „Die findest du natürlich in allen möglichen Ausführungen, zum Beispiel Miyavi/Jui, Hakuei/ich, was weiß ich.“ Die nächste Stunde verbrachten wir damit, weitere Fanfictions über uns zu suchen, und nachdem ich das Ganze erst mal verdaut hatte, kriegte ich mich teilweise bei den Pairings nicht mehr ein. Das Ausgefallenste, was wir fanden, war Miyavi/Rose/Hyde, einfach, weil es so FALSCH war. „Und je öfter du in irgendwelchen Fanfics auftauchst, desto beliebter bist du natürlich. Logischerweise gibt es über Jui, Hakuei und Kiyo die meisten. Ach, ich wollte dir noch Livejournal zeigen.“ Die darauffolgende Stunde bekam ich eine Einführung in ebendiese Seite mit seinen Communities und allem. Irgendwann fanden wir sogar eine Community nur über mich, was mich irgendwie stolz machte. Es gab sogar Leute, die sammelten jedes Bild von mir, das sie finden konnten. Noch gab es natürlich nicht allzu viele (nicht vergleichbar mit zum Beispiel Kirito), aber überall las ich Sachen wie ‚der kommt noch mal ganz groß raus’ und so weiter. Eine Person meinte sogar, dass sie Kiyo eine Mail geschrieben hätte mit der Bitte, mehr Bilder von mir abzudrucken. Ich war gerührt. Ich wusste, dass ich Fans hatte, natürlich, aber ich hätte nicht gedacht, dass es Leute gab, die alles von mir sammelten, was sie finden konnten. ~☆~ Meine gute Laune hielt allerdings nicht lange an. Bereits am nächsten Tag, als ich das große Gebäude von GLAMOUR ☆ FASHION betrat, merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte, es herrschte nicht eifrige Betriebsamkeit, sondern vielmehr Stillstand. Alle Leute standen wie angewurzelt da und schienen zu lauschen, es war mucksmäuschenstill. Ich hielt nach jemandem Ausschau, den ich kannte, entdeckte Yasu und ging zu ihm hin. „Was ist hier los?“, fragte ich leise. „Haben Sie Bombenalarm ausgerufen, oder was?“ Er bedeutete mir mit einer Geste, leise zu sein, also schwieg ich. Und dann hörte ich es auch – eine Stimme. Dafür, dass sie ziemlich weit weg war, konnte man sie recht gut verstehen. „Dass du in letzter Zeit vergleichsweise wenig davon mit mir verbracht hast, okay, dafür kannst du nichts, wir haben beide einen anspruchsvollen Job. Dass du dich ständig mit irgendwelchen Leuten schlägst, meinetwegen, ich VERABSCHEUE es zwar, aber ich glaube, du wirst dich in der Hinsicht NIEMALS ändern können. Meinetwegen! Ist alles nicht so schlimm. ABER DASS DU GERADE DANN, WENN ICH NACHGEBE UND MICH WIEDER MIT DIR VERTRAGEN WILL, MIT DIESEM KERL RUMKNUTSCHST, IST DEFINITIV ZU VIEL!!“ Selbst wenn ich die Stimme nicht direkt erkannt hätte, wüsste ich spätestens jetzt, wer da mit wem redete (vielmehr schrie) und worum es ging. Rose betrat die Eingangshalle, dicht gefolgt von Hakuei, der verzweifelt versuchte, zu Wort zu kommen. „Ich weiß NICHT, was du dir dabei gedacht hast, und ich will es auch eigentlich gar nicht wissen, inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass ich die komischen Vorgänge in deinem Kopf nicht mehr verstehe, zumindest nicht mehr alle! Ich will gar nicht mehr wissen, warum du dich mit Gara geschlagen hast, ich will gar nicht mehr wissen, was deine Zunge in Atsushis Mund verloren hatte, es INTERESSIERT mich nicht!“ Ich biss mir unwillkürlich auf die Lippe. Aua. Das musste Rose wehgetan haben. Ausgerechnet Atsushi. Ich folgte den beiden mit den Augen, wie sie sich ihren Weg durch die Eingangshalle bahnten, Rose fuchsteufelswild und Hakuei ein sich am laufenden Band entschuldigendes Häufchen Elend. „Und jetzt sei endlich ruhig!“, fuhr der Blonde ihn an. „Ich will keine Entschuldigung hören, die helfen dir jetzt auch nicht mehr! Ich will einfach nicht mit einem verdammten Höhlenmenschen zusammen sein, der die fickt, auf die er gerade Lust hat, und die verprügelt, auf die er keine hat!“ Oh-oh. Er begann zu fluchen. Ich und Yasu wechselten einen Blick. „Es würde mir ja unter Umständen reichen, wenn du mir einfach eine Scheißerklärung geben könntest, aber wenn du noch nicht mal DAS kannst, dann haben wir uns nichts mehr zu sagen!“ „Rose, hör mir doch mal zu...“, versuchte Hakuei es, hatte aber offenbar nicht mit Erfolg gerechnet, weshalb er fast in Rose hineinrannte, als der unvermittelt stehen blieb, sich zu ihm umdrehte und ihn anfunkelte. „Nein, DU hörst MIR jetzt mal zu! Ich hab genug von dir, ich will dich nicht mehr sehen, DENK nicht mal dran, mich anzurufen oder auch nur an meinem Haus vorbeizugehen, ich bin fertig mit dir und..“ Er brach ab, wahrscheinlich machte seine Stimme nicht mehr mit. „Ich liebe dich“, sagte Hakuei leise. „Das steht verdammt noch mal nicht zur Scheißdebatte!!“, schrie Rose und funkelte ihre Zuschauer (also uns) an, obwohl man sehen konnte, dass er den Tränen nahe war. „Und ihr glotzt nicht so bescheuert, sondern geht nach Hause und fickt euch selbst!“ Und mit den Worten drehte er sich wieder um und verließ das Gebäude. Und Hakuei stand da, wie vor den Kopf geschlagen, was er wahrscheinlich auch war, und starrte ihm wortlos nach. In der Halle war es noch immer totenstill. Etwa eine Minute verging so, dann wandte Hakuei sich ab und ging den ganzen Weg zurück, von vielen Augenpaaren verfolgt, bis er verschwunden war. „Heilige Scheiße“, murmelte ich. „Hoffen wir nur, dass er sich nichts antut“, erwiderte Yasu genauso leise. Wir sahen uns an und rannten gleichzeitig los. ~★~☆~★~☆~★~ to be continued~ ich hab’s mal ausgerechnet, insgesamt sind es 36.365 Wörter, davon sind 20.607 Weihnachtsparty, das sind ~56,67 % (mehr als die Hälfte T_T) und der Anteil der Lemons hier sind ~23,58 % XD das heißt, fast ein viertel dieses ganzen Kapitels ist SEX >.> [und der Anteil von Roses Ausflippern: klägliche ~2,62 % ^^; es fühlte sich mehr an..] wenn euch das Kapitel etwas gefallen hat, schreibt mir, und wenn nicht, auch >_> ich komm nur nie dazu zu antworten, verzeiht mir bitte T___T könntet ihr mir noch mal sagen, wer von mir bescheid bekommen möchte, wann ich was neues hochlade? <.< vielen dank für eure unterstützung! m(__)m Glamour #3 ---------- Rating: PG-13/R A/N: nun ja... ich entschuldige mich für das Ich und das ich, das ist ein bisschen verwirrend, aber ich hoffe, die allgemeine Sicht kommt rüber ^^; Beta’d: jaaaa, von der geduldigen und lieben Tattoo ^_____^ Disclaimer: außer dem kranken Plot gehört nichts mir |D POV: sollte direkt klar werden, aber ich schreib’s trotzdem noch mal hin: Kiyo ~★~☆~★~☆~★~ Ich telefonierte gerade mit Hyde, da erreichte mich von meiner Sekretärin die Nachricht, dass Rose sich vor ein paar Minuten in der Eingangshalle mit Hakuei gestritten hatte. Ich seufzte leise und gab es kurz an Hyde weiter, ehe ich auflegte und mich auf den Weg zu Hakueis Büro machte. Als ich ankam, war ich offenbar nicht der erste – Gara und Yasu standen vor der Tür und redeten auf sie ein. Also, vielmehr auf Hakuei, der sich höchstwahrscheinlich dahinter befand. Keinen Moment später wurde die Tür aufgerissen und ein ziemlich verärgerter Hakuei erschien. „ICH. BIN. OKAY“, sagte er langsam, deutlich und nachdrücklich und funkelte die beiden an. „Jetzt tut nicht so, als würde ich mich gleich aus dem Fenster stürzen.“ „Als ob dir dieser Gedanke noch nie in deinem Leben gekommen wäre“, meldete ich mich zu Wort. Gara und Yasu drehten sich zu mir um und Hakuei legte seinen finstersten Blick auf mich. Ich lächelte freundlich. „Nicht der auch noch“, stöhnte Hakuei gequält. „Hör zu, das hier ist nicht deine Angelegenheit, klar?“ „Es IST meine Angelegenheit insofern-“ „Wenn ich nicht zulasse, dass es meine Arbeit in irgendeiner Weise beeinflusst, dann ist es NICHT deine Angelegenheit!“, zischte er und knallte die Tür zu. „Haku, wenn du jemanden brauchst-“ Yasu wurde durch ein ‚Verschwindet!’ unterbrochen, sah Gara an und zuckte mit den Schultern. „Worum ging es denn?“, wollte ich wissen. Gara und Yasu tauschten einen Blick aus. „Hakuei... hat Atsushi geküsst, und Rose hat die beiden dabei erwischt“, antwortete Gara zögernd. Whow. Da hatte er sich natürlich genau den Richtigen ausgesucht. Das musste wehgetan haben. Ich schwieg einen Moment. „Hat Rose...“ Die beiden nickten und ich seufzte erneut leise. Anscheinend musste in letzter Zeit noch mehr zwischen ihnen vorgefallen sein, ansonsten hätte Rose nicht direkt so drastische Schritte unternommen. .... Eigentlich schade um die beiden. „Ist er gegangen?“ Die beiden nickten wieder und ich dachte erneut kurz nach. „Hört zu, sagt ihm, er kann die nächsten Tage frei kriegen, wenn er möchte, aber er sollte sie irgendwann, wenn möglich, nachholen. Ja?“ Sie nickten wieder, Gara dieses Mal beinahe gerührt wirkend. Ich schenkte ihm ein leichtes Lächeln, wuschelte ihm kurz durch die Haare und ging dann zurück in mein Büro, wo ich erst einmal alle Termine für Rose absagte und dann bei Hakuei anrief. „Was willst du?“ „Fühlst du dich imstande, heute zu arbeiten?“, wollte ich wissen. „Ich hab dir schon gesagt-“ „Ja, ist okay. Ich wollte nur noch mal sicher gehen.“ „Du bist ein Dreckskerl und ein Arschloch, weißt du das eigentlich?“ Ich hob die Augenbrauen. „Bitte?“ „Ich weiß NICHT, was Gara für dich ist, das Spielzeug für zwischendurch, oder ob du ihn nur so verarschst, weil du Spaß dran hast. Die Hoffnung, dass du es ernst meinst, hab ich ja schon aufgegeben, obwohl ich für dich hoffe, dass du es ernst mit ihm meinst, ansonsten kannst du dich-“ „Ich meine es ernst“, fiel ich ihm ins Wort. „Was?“ „Ich meine es ernst mit ihm.“ „So ernst wie du mit mir damals?“ „Ich liebe ihn.“ Er schwieg. Ich hatte damals keinem der fünf erzählt, dass ich sie lieben würde, weil es auch nicht stimmte. Vielleicht konnte ihn das umstimmen. „Nimm dir den Tag frei, Hakuei.“ „Steck dir den Tag sonst wo hin.“ Damit legte er auf. Ich betrachtete das Telefon für einen Moment und schüttelte dann den Kopf. Er war immer noch nicht darüber hinweg. Würde es niemals sein. Er ließ keine Möglichkeit aus, mir zu zeigen, wie sehr er mich hasste. Und ganz ehrlich – ich hatte es irgendwo verdient. Anschließend rief ich Gara an, um zu fragen, ob er diesen Abend Zeit hatte. ~★~ Uns war beiden nicht nach Sex, also machten wir es uns auf seiner Couch bequem und redeten erst über irgendwelche banalen Dinge, aber ich merkte, dass er mich auf etwas anderes ansprechen wollte. Also zog ich ihn irgendwann an mich und strich ihm durchs Haar. „Was ist?“, fragte ich sanft. „Du wirkst so abgelenkt...“ „Na ja... Hakuei weiß inzwischen, dass wir... also...“ Er druckste etwas herum. „Ja, das hab ich auch mitgekriegt“, erwiderte ich und lächelte leicht. „Ist nicht so schlimm, solange es nur er ist.“ Er schwieg eine Weile, aber das war es nicht, was er eigentlich hatte sagen wollen, ich wusste das, und er wusste, dass ich es wusste. „Warum können wir es nicht bekannt machen?“, fragte er bittend und drehte sich so, dass er mich ansehen konnte. „Wenigstens die engsten Freunde...“ Ich sah ihm an, wie viel ihm das bedeuten würde, und es tat mir in der Seele weh, ihn enttäuschen zu müssen. Ich hätte ihn so gerne glücklich gesehen. „Süßer, deine engsten Freunde arbeiten alle für mich“, gab ich zurück und streichelte zärtlich über seine Wange. „Du kannst mir glauben, dass es auch für mich eine Erleichterung wäre, wenn wir den anderen von uns erzählen könnten, vieles wäre dadurch einfacher und angenehmer, und wenn nicht so vieles dagegen sprechen würde, dann würde ich es auch sofort tun. Aber sieh doch mal – ich bin eine der drei wichtigsten Personen hier, und wenn rauskommen würde, dass ich eine Beziehung mit einem Model habe, das ICH entdeckt habe, um das ICH mich die ganze Zeit gekümmert habe und das von MIR die Möglichkeit zu den Hachi Pe-ji bekommt hat – wie würde das wirken? Und damit meine ich noch nicht mal, wie es auf die Öffentlichkeit, sondern eher auf deinen Freundeskreis wirken würde. Würden sie sich nicht betrogen fühlen? Und außerdem – würden sie nicht auch an MIR zweifeln? Selbst wenn du ihnen die Wahrheit sagst, würde ich einiges an Respekt verlieren, das kannst du mir glauben. Und das kann ich nicht riskieren. Oder vielmehr möchte ich es nicht riskieren.“ Darüber dachte er nach. „Okay, das seh ich ein“, murmelte er dann und kuschelte sich wieder an mich. „Danke“, erwiderte ich aufrichtig und drückte ihn etwas an mich. „Es fällt mir auch nicht leicht, glaub mir...“ „Aber.... das war auch nicht das, was ich sagen wollte“, meinte er zögernd. „Hakuei... hat mir was über deine Vergangenheit erzählt, und Atsushi vorher auch, und... bevor ich irgendetwas voreilig glaube, wollte ich nur von dir hören, ob es die Wahrheit ist.“ Er hob den Kopf wieder und sah mich an. Daraufhin senkte ich den Blick. „Wenn... sie dir das erzählt haben, von dem ich denke, dass sie es haben, dann... kannst du ihnen glauben“, antwortete ich leise. Er sah mich ungläubig an. „Dass du mit vier Models und Hyde... gleichzeitig Affären hattest?“ Ich nickte leicht. „Ja, es.... es stimmt.“ Gara setzte sich auf. „Aber warum?“, wisperte er fassungslos. „Warum... du wirkst nicht so, als könntest du einer Fliege was zuleide tun...“ Ich schaute ihn ernst an und schüttelte den Kopf. „Ich habe keinen Grund, Gara. Vielleicht wollte ich über..... über sie hinweg kommen, vielleicht wollte ich einfach nur Trost, weil sich mein Leben so abrupt komplett geändert hatte, vielleicht hatte ich auch einen Minderwertigkeitskomplex, genau weiß ich es selbst nicht mehr“, gab ich stockend zurück. „Es... gibt sowieso keinen Grund, der es gerechtfertigt hätte, so vielen Menschen so sehr weh zu tun, das weiß ich. Es war einer der größten Fehler meines Lebens, vielleicht der größte. Ich habe mich auch eine lange Zeit dafür gehasst, das kannst du mir glauben.“ Es entstand eine Stille, in der wir unseren Gedanken nachhingen, dann legte ich eine Hand auf seine Wange. „Ich weiß, ich hätte es dir selbst sagen sollen, aber...“ Wieder senkte ich den Blick für einen Moment. „...ich weiß nicht, ich glaube, ich... hatte Angst, du würdest schlecht über mich denken, und das ist das letzte, was ich will... aber ich glaube, dass du jetzt noch schlechter über mich denkst, weil ich es dir nicht selbst sagen konnte, oder?“ Ich sah ihn an und er erwiderte meinen Blick, und in seinen Augen lag so viel Liebe für mich, dass ich hätte heulen können. Mir wurde warm ums Herz, und erneut spürte ich, wie viel er mir bedeutete. Ich war froh, dass ich ihn hatte. „Kiyo“, murmelte er, und so, wie er es sagte, klang es wie das schönste Kompliment auf Erden. „Ich liebe dich für das, was du bist, ich liebe dich wie du jetzt bist. Ich würde wegen eines Fehlers aus deiner Vergangenheit, den du eingesehen und bereut hast, doch nicht schlecht von dir denken.“ Und ich lächelte nur und drückte ihn an mich. „Danke“, flüsterte ich und meinte es auch so. „Wirklich, danke.“ Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann noch einen, und den nächsten verlängerte er zu einem Zungenkuss, für den allein ich ihn schon liebte, weil er so gut küsste, dass ich gleich wieder bessere Laune bekam. Ich seufzte leise und genussvoll auf und zog ihn auf meinen Schoß. „Ich liebe dich auch, und wenn du dich sechs Mal mit Hakuei prügelst“, sagte ich leise und lächelte, ehe ich ihn erneut küsste und anschließend die schon halb verheilten Schrammen auf seine Wange berührte. „Tut es eigentlich noch weh?“ „Ein bisschen“, antwortete er und schob die Unterlippe vor, als hoffte er auf einen Mitleidsbonus. Bekam er. „Soll ich pusten?“, wisperte ich und strich über seinen Oberschenkel. Er grinste nur. Natürlich blieb ich über Nacht. Wir mussten zwar beide am nächsten Tag schon sehr früh raus, aber ich genoss es zu sehr, den Rest der Nacht noch mit ihm zu kuscheln. Er war so... kuschelig. Nein wirklich, er schmuste total gerne. Wenn wir beide müde waren, setzten wir uns teilweise einfach irgendwo hin, kuschelten und sonst nichts. Man konnte sich prima entspannen dabei. „Ich war heute Nachmittag bei Rose...“, sagte Gara leise. „Ist wahrscheinlich auch fertig mit der Welt, oder?“, fragte ich mitfühlend und zog ihn enger an mich. „Total aufgelöst...“ Er seufzte. „Er gibt sich nicht so viel Mühe wie Hakuei, das zu verbergen. Wenigstens hat er mich nicht sofort wieder weggeschickt.“ „Hm.“ Dass Gara und Rose so weit waren, dass er sogar wusste, wo der Blonde wohnte, war irgendwie an mir vorbei gegangen. „Und es besteht keine Hoffnung, dass es zwischen den beiden wieder besser wird?“ „Von Rose aus in erster Linie nicht, nein...“ Er schaute mich an. „Kannst du Rose eigentlich leiden?“ Ich zuckte die Achseln. „Ich hab nichts gegen ihn, falls es das ist, was du meinst. Für meinen Geschmack hat er sich zu viel von Hakuei beeinflussen lassen. Aber andererseits hat es ihm gut getan.“ „Erzähl mir ein bisschen was über ihn.“ Ich überlegte kurz. „Er hat extrem früh angefangen zu modeln, noch als er in der Schule war, mit sechzehn, glaube ich, hat er die ersten Shootings bei Vanilla Sky gehabt.“ „Vanilla Sky? Das ist doch die Agentur von Gackt, oder?“ Wow. Das wusste er? Ich nickte lächelnd. „Genau. Woher weißt du das? Nachhilfeunterricht gehabt?“ Er lächelte ebenfalls leicht. „Von Hiroto. Der kommt auch daher.“ „Stimmt. Na ja, Gackt ist auch der einzige, der so blöd ist und Minderjährige beschäftigen würde, aber egal. Gut, vielleicht nicht der einzige. Aber er ist der einzige, der sich dann auch noch an sie ranmacht und sie fast vergewaltigt.“ Gara machte große Augen. „Was?“ „Als ich das gehört habe, hab ich ihm angeboten, bei mir zu arbeiten, woraufhin er in Tränen ausgebrochen ist. Ich weiß bis heute nicht, warum. Und so ist er zu uns gekommen, mit sehr zarten siebzehn Jahren.“ „Moment, wird er deshalb nicht so gerne angefasst?“, fragte er. „Weil Gackt...“ „Nein, ich glaube, das liegt noch weiter zurück. Aber ist schon ein starkes Stück, oder? Einem Minderjährigen einen Traum wahrmachen – er hat damals selbst gesagt, dass es sein größter Traum war, Model zu werden, warum, weiß ich auch bis heute nicht –, und ihn dann zu belästigen, obwohl er es verabscheut, berührt zu werden. Dadurch wurde es noch schlimmer, denke ich. Als er bei uns angefangen hat, mussten wir ihn dazu zwingen, dass er sich schminken ließ, ansonsten ließ er niemanden an sich heran, er schüttelte schon sehr ungern Hände. Er war auch nicht sonderlich selbstbewusst, recht bescheiden und aß zu wenig. Viel zu wenig. Am Anfang hatten er und Hakuei nicht viel miteinander zu tun, Hakuei mochte solche Charaktertypen wie Rose – ruhig und unsicher – nicht, also hielt er sich von ihm fern, bis Rose ihm irgendwann vor der Nase zusammengeklappt ist. Dann hat er ihn so lange runtergemacht, bis Rose ihm versprach, regelmäßig zu essen, was er dann glücklicherweise auch tat. Er war nicht essgestört, er hatte nur das Gefühl, er müsste nicht so viel essen. Danach war wieder eine Pause in der Beziehung der beiden, bis sie irgendwann durch Zufall aufeinander trafen und dann noch mal, und da waren sie sich so sympathisch, dass sie direkt Freunde wurden. Nicht die besten, aber doch gute, das sah man sofort. Und in den zwei Jahren, in denen sie nur befreundet waren, wurde aus Rose ein Schmetterling.“ Gara strich mit den Fingerspitzen über den Schmetterling auf meiner Brust. Ich musste lächeln. „Nicht ganz SO ein Schmetterling, aber doch vergleichbar. Er wurde selbstbewusst, offener, definitiv beliebter dadurch, er strahlte eine gesunde natürliche Schönheit aus... Viele Leute verknallten sich in ihn. Hakuei auch, glaube ich. Oder er ist die ganze Zeit in ihn verknallt gewesen, so genau weiß ich es nicht. Auf jeden Fall war er schon eine längere Zeit scharf auf ihn, und es stärkt schon dein Selbstbewusstsein, wenn du jeden zweiten Tag von Hakuei zu hören bekommst, dass du einen wunderschönen Körper hast, dass er dich die ganze Zeit lang ansehen könnte, und dass er dich am liebsten gleich auf dem Küchentisch... Und das weiß ich deshalb so genau – bevor du fragst –, weil er das auch in der Öffentlichkeit gemacht hat. In der Öffentlichkeit hat er sich natürlich ein wenig zurückgehalten, aber wenn die Models unter sich waren... Aber es war schon sehr offensichtlich. Und in diesen zwei Jahren ihrer Freundschaft hat Rose auch zu sehr großen Teilen seine Menschenangst überwunden. Wie du ja zweifelsohne gemerkt hast.“ Er lief leicht rot an. „Du wolltest ja nicht wissen, was auf der Weih-“ „Nein, und ich will es auch immer noch nicht wissen“, unterbrach ich ihn lächelnd und stupste ihn in die Seite. „Also halt ja den Mund.“ „Aber dann wundert es mich, dass Hakuei ihre Beziehung immer wieder auf die Probe gestellt hat, indem er sich geschlagen hat, und dann das mit Atsushi...“ Ich schüttelte den Kopf. „Da kannst du mich nicht fragen, das weiß ich nicht. Ich weiß viel, aber ich kann den Leuten auch nur bis zur Stirn schauen und nicht weiter.“ Ich tippte gegen seine Stirn und hauchte einen Kuss darauf. „Und jetzt solltest du schlafen.“ Er nickte und schmiegte sich an mich. „Ich liebe dich.“ Ich lächelte und legte einen Arm um ihn. „Ich dich auch, Süßer. Schlaf schön.“ ~★~ Als ich am nächsten Morgen in mein Büro kam, saß Hyde auf meinem Stuhl, die Arme verschränkt, und schmollte mich an. Ich seufzte leise und lehnte mich neben ihm an meinen Schreibtisch. Er sah starr an mir vorbei. „Was ist?“, wollte ich ruhig wissen. „Du hast Rose heute und morgen frei gegeben.“ „Ja, habe ich.“ „Und Hakuei gestern.“ „Ah, hat er sich doch freigenommen? Das ist gut, ich hätte es nicht verantworten können, wenn er sich überarbeitet hätte. Denn dann hätte er nicht nur einen Tag gefehlt, sondern mehr als eine Woche“, gab ich zurück, noch immer ganz locker. Hyde hob den Blick und sah mich endlich an. „Seit wann kümmerst du dich um HAKUEI?!“ „Ich mag zwar ein Arschloch sein, aber so unmenschlich bin ich dann doch nicht“, murmelte ich. „Und WAS für ein Arschloch du bist!“, fauchte er. „Du hast mir versprochen, mich gestern anzurufen! Und du vergisst solche Sachen nicht, das kannst du dir nicht leisten!“ „Ich habe dir gesagt, dass ich dich VIELLEICHT anrufe“, erwiderte ich, noch immer die Ruhe selbst. „Aber ich habe keine Zeit gefunden.“ Hyde sprang auf, wodurch wir beinahe auf Augenhöhe waren (Ich lehnte mich an den Tisch und war deshalb etwas kleiner), und wollte etwas sagen, aber ich kam ihm zuvor. „Mach da bitte jetzt kein Drama draus und häng dich nicht an Kleinigkeiten auf, sondern sag mir, was du eigentlich sagen willst“, bat ich. „Ich hab dich in den letzten Wochen vielleicht zwei Mal außerhalb der Arbeit gesehen! Das ist mir zu wenig, Kiyo!“ Klang mein Name bei Gara wie ein Kompliment, so war er bei Hyde ein Hilfeschrei nach Aufmerksamkeit. „Du wirst anspruchsvoll in letzter Zeit. Merkst du das nicht selbst?“ „Und du bist nicht mehr du selbst in letzter Zeit! Seitdem du mit diesem-“ „Hyde“, murmelte ich leise. „-BASTARD zusammen bist, existiere ich praktisch nicht mehr für dich!“ „Hyde!“ „Ich nenne ihn einen Bastard, weil er einer IST, er bildet sich ein, dass du...“ „Bitte geh.“ Ich nickte zur Tür. „So möchte ich nicht mit dir reden.“ Wütend stürmte er aus meinem Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Ich seufzte leise und setzte mich auf meinen Stuhl. Er war in letzter Zeit wirklich gereizt. Aber hatte er Recht damit, dass ich nicht mehr derselbe war, seitdem ich mit Gara...? Mein Tag war stressig wie immer, ich arrangierte ein paar Shootings, sprach mit einer Unzahl von Models, fragte Hakuei, ob er okay sei, woraufhin ich nur angeschnauzt wurde (Mistkerl), kümmerte mich ein wenig um unser Küken Hiroto (weil Hyde wahrscheinlich nicht in der Stimmung dazu war, und ich konnte ihn nicht einfach sitzen lassen) und hatte ein aufschlussreiches Gespräch mit Atsushi: „Und du bist dir sicher, dass du das willst?“ Er nickte. „Ich habe hier nichts mehr verloren.“ „Deine Person wird von so gut wie allen respektiert, manchmal habe ich das Gefühl, dass du mehr Respekt bekommst als ich“, wandte ich ein. Atsushi lächelte nur. „Du hast es wirklich lange hier ausgehalten.“ „Obwohl viele Personen mit Kräften versucht haben, mich zu vergraulen“, bemerkte er und musterte mich amüsiert. „Ich bin sicher, nicht mit böswilliger Absicht“, erwiderte ich beinahe kühl. „Oh doch, das denke ich schon“, erwiderte er fröhlich. „Und... an wen denkst du da?“ „Hakuei, zum Beispiel.“ Gut, das musste ich gelten lassen. „Hast du es ihm deshalb heimgezahlt?“ „Heimgezahlt?“ Er tat unschuldig. „Ach, du hast dir doch nicht zufällig gerade dann von Hakuei die Zunge in den Hals stecken lassen, als sein Freund sich wieder mit ihm vertragen wollte, oder?“ Atsushi lächelte leicht. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“ „Was hast du ihm erzählen müssen, damit er dich küsst? Unsterbliche Liebe bekunden?“ „Ich hab ihm gesagt, dass ich mir das mit uns beiden noch mal überlegt habe und zu dem Schluss gekommen bin, dass es sich durchaus lohnen würde, einen Neuanfang zu machen.“ „Das hat er dir abgekauft?“ „Ich hab es natürlich verlockender verpackt. Und ehe er sich versieht, ist er wieder Single und hat GAR keinen mehr.“ „Mir tut es nur für Rose leid“, merkte ich an. „Ach, um den kümmert Gara sich schon, keine Sorge. So, wie die beiden sich auf der Party angehimmelt haben... Gara hat ihm jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Rose wird gut versorgt.“ .... Mal abgesehen davon, dass Gara mit MIR zusammen war, störte mich an dem Ganzen nur, dass Hakuei so bereitwillig auf Atsushi angesprungen war. Na ja. Sollte nicht meine Sorge sein. Am Abend ließ ich mich nicht nach Hause fahren, sondern zu Hyde. Ich hatte noch was gutzumachen. Schon als er die Tür öffnete, wusste ich, dass er mir nicht böse war, gar nicht böse sein KONNTE. „Warum kommst du erst jetzt?“, fragte er mich leise, nachdem ich seine Wohnung betreten hatte. „Weil mir vorher nicht bewusst war, dass du meine unregelmäßigen Besuche als Freibrief sehen würdest, davon auszugehen, dass wir eine Beziehung haben und ich dich insofern nicht vernachlässigen darf.“ „Kiyo, du weißt, dass ich dich liebe.“ „Und du weißt, dass ich dich nicht liebe“, erwiderte ich leise und sah ihn ernst an. „Sieh es nicht als dein Recht an, dass ich hier bin. Ich gehöre dir nicht. Obwohl du mich, wenn das ginge, schon längst gekauft und in deinen Schrank gestellt hättest.“ Er schaute mich mit Tränen in den Augen an. „Warum kannst du nicht einfach reinkommen und sofort anfangen, wie früher, ohne ein Wort... ohne langes Rumgerede vorher?“ „Weil jetzt nicht früher ist.“ Ich schloss für einen Moment die Augen. „Hyde, ich schlafe inzwischen beinahe nur noch aus Pflichtgefühl mit dir, damit du zufrieden bist und mich nicht die ganze Zeit damit nervst, warum ich dir denn ausweichen würde, ob du mir nicht genug bedeutest, bla bla bla.“ „Warum... musst du so was so direkt sagen...?“, murmelte er verletzt. „Weil es dir doch sowieso scheißegal ist, was ich zu dir sage, solange es keine Komplimente sind, blendest du es doch ohnehin aus!“ Er starrte mich eine Weile nur an und hoffte wahrscheinlich, dass ich einfach dazu übergehen würde, ihn auszuziehen, aber als ich das nicht tat, fühlte er sich offenbar gedrängt, unsere Konversation weiterzuführen. Nicht, dass sie uns irgendwo hin gebracht hätte. „Trotzdem tut es weh...“ „Hyde, ich kann vor deinen Augen drei andere Leute gleichzeitig verführen und mit ihnen eine Orgie veranstalten, solange ich dir hinterher sage, dass du toll zugeschaut hast, bist du selig! Erzähl mir nichts davon, dass es dir weh tut, wenn ich dir sage, dass ich nur noch mit dir schlafe, damit du mir nicht auf den Geist gehst!“ Er wusste einen Moment nicht, was er darauf sagen sollte. „Aber... was, wenn es jedes Mal, wenn du so was tust oder sagst, etwas wie eine Nadel in meine Seele gestochen hat? Es tat zwar kurz weh, war dann aber vergessen, nur mit der Zeit sind so viele dazugekommen, dass meine Seele jetzt ganz durchlöchert ist und ich langsam, aber sicher, durch die vielen Nadelstiche verblute?“ Ich starrte ihn an. „Du verblutest nicht, Hyde.“ „Was, wenn doch?“ „... Ich geh jetzt wieder.“ Ich drehte mich um. „Warte! Ich will nicht, dass du gehst...“ „Dann hättest du mich anders begrüßen sollen.“ Ich machte die Tür auf und ging hinaus. „Kiyo! Du kannst doch jetzt nicht einfach so wieder gehen!“ „Doch, das geht ganz einfach.“ Mein Chauffeur war schon nach Hause gefahren, also hätte ich ihn anrufen müssen, aber ich hatte keine Lust zu telefonieren. Ich hatte keine Lust mehr auf gar nichts, eigentlich. Und das nur, weil Hyde nicht verstehen wollte, dass ich ihn nie geliebt hatte, jetzt nicht liebte und nie lieben würde. Ich hatte eigentlich keinen Grund mehr, mich außerhalb der Arbeit mit ihm zu treffen – Sex bekam ich woanders her, Liebe ebenfalls, und geistige Unterstützung erst recht. Okay, der Sex mit ihm war gut, aber mehr auch nicht. Eigentlich ging ich wirklich nur noch zu ihm hin, damit er mir hinterher nicht auf den Keks ging. Und das war nicht das, was ich wollte. Andererseits hatte er mich in der Hand. Er hatte mich vollkommen in der Hand, ob mir das gefiel oder nicht, und wenn er wollte, bräuchte es nur einen Anruf bei der Presse, und mein Grab wäre geschaufelt. Na ja, seins auch, aber egal. Ich ging zu Fuß nach Hause, tätigte noch ein paar Anrufe und legte mich dann ins Bett. Ziemlich unzufrieden. Aber es wurde besser, als ich an Gara dachte. ~★~ „Wir sind schon sooooo lange nicht mehr essen gegangen!“ Ich musste lächeln und half ihm in die Jacke, ehe wir das Restaurant verließen. „Das stimmt. Mit dem ganzen Stress verliere ich so was häufiger aus den Augen... tut mir leid.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Ist doch nicht deine Schuld, wenn wir beide einen so anstrengenden Job haben. Gehen wir jetzt noch zu dir?“ Wieder lächelte ich. „Wenn du nichts dagegen hast...“ „Sag mal, warum hat Atsushi jetzt eigentlich aufgehört?“ Fragend sah er mich an und hakte sich bei mir unter, während wir in Richtung meines Wagens gingen. „Seine Worte waren, dass er bei uns nichts mehr verloren hätte.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob er meinte, dass er zu alt sei oder nicht mehr das Aussehen für ein Model habe...“ „Quatsch, nicht mehr das Aussehen, jeder, der doch nur ansatzweise ein bisschen Verstand hat, leckt sich die Finger nach ihm!“ Erneut zuckte ich mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt.“ „Aber ist auch ein schöner Abgang – macht erst noch einen großen Skandal um Hakuei und Rose, und zieht sich dann aus dem Geschäft zurück...“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist schon durch die Medien gegangen, das stimmt.... und dabei haben sie erst vor kurzem bekannt gegeben, dass sie zusammen sind.“ „Und die beiden waren so süß zusammen.“ Er kuschelte sich etwas an mich. „Ja.“ Ich nickte. „Wirklich schade...“ Wenn ich ganz ehrlich war, dann tat es mir mit den beiden nach einigem Nachdenken nicht mehr im Mindesten leid. Rose hatte sich schon viel zu sehr an Hakuei angepasst, dachte wahrscheinlich inzwischen auch schon wie er, sodass er für mich von keinem großem Nutzen mehr würde sein können. Hakuei hatte ja sowieso einen solchen Hass auf das Modelgeschäft entwickelt, dass er Rose damit definitiv angesteckt hatte. Und ich musste nicht zwei von seiner Sorte herumlaufen haben, also war es eigentlich ganz gut, dass die beiden nicht mehr zusammen waren. Vielleicht wurde Rose ja jetzt wieder so wie vorher – naiv, dumm und eingebildet. So konnte ich ihn gebrauchen, solange er nicht ZU eitel wurde. Ein bisschen unsicher, nicht allzu selbstbewusst, sodass er immer wieder meinen Rat brauchen würde... das wäre eine große Hilfe für mich. Mal schauen, vielleicht bekam ich ihn wieder so hingebogen. Musste ich mal ausprobieren. Bei mir angekommen, schliefen wir die ganze Nacht miteinander. Viel Abwechslung gab es allerdings nicht, das musste ich auch ehrlich zugeben. Wenn er ständig mein Gesicht sehen wollte, dann gab es nun mal nicht so viel Variationen. Und sonderlich leidenschaftlich war es auch nicht. Es war ganz nett, aber nicht etwas, das ich dauernd haben musste. Auf Dauer zu langweilig. Vor allem wollte er ständig wissen, wie sehr ich ihn liebte und ob ich es auch ernst meinte, ob ich ihn je verlassen würde..... Mann, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du der einzige für mich bist, dass ich dich mehr liebe als alles andere auf der Welt, dass ich dich niemals verlassen oder betrügen könnte?! Wie oft muss ich es noch wiederholen? So langsam nervte er mich wirklich. Aber ich konnte auch nicht mit ihm Schluss machen, dann würde er sich das sicher so sehr zu Herzen nehmen, dass er GLAMOUR ☆ FASHION verlassen würde, und das konnte ich nicht zulassen. Nicht, wenn es im Moment so gut lief. Und nicht, wenn Atsushi gerade ausgestiegen war. Ich brauchte ihn als Publikumsmagneten, deshalb würde ich ihn wohl noch etwas länger ertragen müssen. Und als wäre das alles nicht schon genug, kam Kirito ein paar Tage später auch noch bei mir an, während ich gerade mit einem Layout beschäftigt war. „Was ist denn?“, fragte ich leicht gestresst und sah ihn an. Er druckste etwas herum. „Das... kann ich dir hier nicht sagen. Hast du nicht einen Moment Zeit?“ Mit einem entschuldigenden schwachen Lächeln sah ich ihn an. „Kannst du vielleicht eine halbe Stunde warten? Dann hab ich ein paar Minuten für dich. Tut mir leid, aber es ist gerade alles ein wenig... unkoordiniert. Ist es so wichtig, kann es nicht warten?“ „Ja und nein“, antwortete er kleinlaut und nickte. „Okay, in einer halben Stunde bin ich wieder da.“ Er hielt sein Versprechen. „Kiyo, das... wollte ich dir eigentlich schon ein bisschen länger sagen....“ Er druckste wieder herum, und ich bekam eine Ahnung davon, worum es ging. „Ich.... hab mich in jemand anderen verliebt.“ Ich starrte ihn einen Moment an. „Was?“, fragte ich dann leise. Jetzt sah er mir ins Gesicht. „Ich... liebe dich auch noch, Kiyo, aber ich... liebe jemand anderen mehr als dich, und ich... will weder mir noch dir etwas vormachen. Es tut mir leid, wirklich, es ist... irgendwie passiert, ich weiß auch, dass ich absolut keine Chance habe...“ Keine Chance, das war noch milde ausgedrückt. Glaubte er echt, dass der Typ ihn noch angucken könnte, wenn er es ihm beichtete? Yasu stand auf FRAUEN. Kirito, sieh es ein, er wird sich niemals für dich interessieren. Aber bitte, wenn du einen der drei wichtigsten Männer in deinem Unternehmen links liegen lassen willst.... Ich war nicht verletzt, das nicht gerade, aber ich war verärgert, weil er meinen Stolz angekratzt hatte. Man beendete nicht so einfach eine Beziehung mit mir, nur weil man einen Hetero hübscher fand. Ich senkte den Blick und schwieg einen Moment, musste dabei wohl ziemlich verloren gewirkt haben. „Wirklich, Kiyo, es tut mir leid!“, murmelte Kirito inständig und sah mich bittend an. „Du kannst auch nichts dafür, mach dir da bitte keine Vorwürfe, das ist... meine Schuld, und es tut mir wirklich leid... es war sehr schön mit dir, ich habe dich geliebt wie sonst keinen, aber....“ Ich konnte nichts dafür? Glaubte er echt, dass ich MIR die Schuld daran geben würde? Also bitte, ich hatte die ganze letzte Nacht damit verbracht, Jui zu vögeln, DEN Jui, ich war mit einem aufsteigenden Model, Gara, zusammen, und außerdem sabberte HYDE mir hinterher, und er glaubte, dass ich mir Vorwürfe machte, weil er sich in eine Sackgasse gebracht hatte? (Okay, das wusste er natürlich alles nicht, aber wirkte ich so, als ob...... Okay, falsche Frage. Natürlich wirkte ich so. Dadurch konnte ich doch überhaupt mit drei Typen gleichzeitig zusammen sein – dass ich so wirkte, wie man es von mir erwartete.) Mit einem beinahe hilflosen Gesichtsausdruck fuhr ich mir durch die Haare, schüttelte einmal tief durchatmend den Kopf und blickte meinen Gegenüber schmerzerfüllt an. „Musstest... du mir das unbedingt jetzt sagen?“, wollte ich leise wissen. Kirito sah so aus, als ob er ein schlechtes Gewissen bekam (Recht so!), legte die Arme um mich und drückte mich an sich. Ich erwiderte die Umarmung und klammerte mich etwas an ihn. „Entschuldige.... sonst hätte ich wahrscheinlich den Mut nicht aufgebracht....“, erwiderte er sanft. „Verzeih mir bitte. Ich liebe dich immer noch irgendwo, und ich werde es auch immer tun, aber...“ Ich atmete erneut einmal tief durch und vergrub mein Gesicht an seinem Hals, war wieder eine Weile still, als müsste ich mich beherrschen, nicht jeden Moment loszuheulen. „Ist.... ist okay“, meinte ich dann zögernd. „Das kommt jetzt natürlich... ein bisschen plötzlich, und...“ „Ich weiß, dass das nicht leicht ist für dich...“ Er strich mir über den Rücken. „Vor allem, weil wir uns ja weiterhin sehen werden...“ Langsam nickte ich und drückte ihn ein letztes Mal an mich, ehe ich ihn wieder losließ, ihn anschaute und mir kurz auf die Lippe biss. „Kann ich.... kann ich wenigstens erfahren, wer es ist?“, bat ich vorsichtig. Er sah zur Seite. „Yasu“, antwortete er wenigstens wahrheitsgemäß. (Na ja, das waren zumindest Pluspunkte, dass er es mir sagte. Aber sonst – echt, während ich gerade am Arbeiten war....) „Ich weiß, dass das bescheuert klingt, aber ich... hab mich wirklich ernsthaft in ihn verliebt, und ich werde es ihm auch sagen, und ich... hoffe, dass er danach überhaupt noch was mit mir zu tun haben will...“ Tja, dann hoff mal schön weiter, weil ich nicht glaube, dass diese Hoffnung sich bewahrheitet. Ich nahm seine Hand und drückte sie, schien mich zu einem Lächeln zu zwingen. „Das... hoffe ich für dich mit, Kirito. Viel Glück. Ich.... werde dich vermissen. Wirklich“, flüsterte ich. Kirito erwiderte mein Lächeln leicht, wenn auch mit Tränen in den Augen. „Danke“, gab er aufrichtig zurück. Zwei Minuten später kehrte ich zurück an meine Arbeit und machte da weiter, wo ich aufgehört hatte. ~★~ Ich war anspruchsvoll. Ich war extravagant. Ich war mein öffentliches Ich. Und die Leser, Zuschauer und Fans liebten Es. Meine Models liebten Es. Meine Bekannten liebten Es. Hyde liebte Es, Jui liebte Es und Kirito hatte Es geliebt. Auch Gara liebte Es. Ich hasste Es. Wenn es etwas auf der Welt gab, das ich noch mehr hasste als Hakuei, Orangenmarmelade, Rassismus, Bush, Kakerlaken und Gackt (für mich waren die letzten beiden sowieso dasselbe – etwas Unnützes, das man trotzdem niemals totkriegen wird, selbst durch einen Atomkrieg nicht, und beide find ich abstoßend hässlich), dann war es mein öffentliches Ich. Das Ich, das lächelte, cool war, alles unter Kontrolle hatte, das arbeitete, bis es irgendwann Modemarken auskotzte, das diejenigen, die es mochte, an sich heran ließ und seine Gedanken mit ihnen teilte. Es war falsch. Das Ich war nicht wie ich. Zwischen Mir und mir bestand ein großer Unterschied. Das eine wird großgeschrieben, weil alle Welt es kennt, jeder es liebt, weil es bedeutend und berühmt ist. Das andere wird kleingeschrieben, weil es verborgen ist und niemand es je zu Gesicht bekommt. Bis auf wenige Personen – Hyde, zum Beispiel. Wenn mir Jui auf den Sack ging, beschwerte ich mich bei Hyde, wenn ich mich über Gara freute, erzählte ich es Hyde glücklich, wenn Hakuei mich ankotzte, lästerte ich mit Hyde über ihn. Wer noch? Mit Miya hatte ich inzwischen keinen so engen Kontakt mehr. Seit meiner Frau damals schon nicht. Er hat es mir nie verziehen, dass sie mich geheiratet und ich sie sitzen gelassen habe. Na ja, verständlich. Gab es außer Hyde noch jemand anderen, der mein ich kannte anstatt mein Ich? Hakuei. Ausgerechnet er. Genau der, der Meine und seine Arbeit mehr hasste als sonst was auf der Welt. Er durchschaute mich mit einem Grinsen und ließ mich immer durch dezente Andeutungen und Sprüche wissen, dass er wusste, was ich dachte. Er kannte mich zu lange. Viel zu lange. Wäre er nicht so bekannt gewesen, hätte ich ihn schon längst rausgeschmissen. Aber leider liebte das Publikum auch ihn. Wer kannte mich außer Hyde und Hakuei noch? Sonst eigentlich niemand. Eine schlechte Quote, bei den vielen Leuten, mit denen ich zu tun hatte. Und dann waren die beiden noch genau die richtigen Persönlichkeiten: Der eine jemand, bei dem der Hass auf Gegenseitigkeit beruhte, und der andere unsterblich in mich verliebt. Wobei ich dessen Liebe niemals erwidern würde. Warum ich Hyde nie würde lieben können? Eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Vielleicht war es dieses weinerliche sich-an-mich-Klammern, diese Verzweiflung, die mir missfiel. Er ließ mir keinen Freiraum, und Freiraum war das, was ich dringender brauchte als die Luft zum Atmen. Ich war frei. Ich war frei zu entscheiden, was ich heute arbeitete, wen ich heute vögelte, wo ich hinging, was ich machte, mit wem ich mich traf. Und Hyde wollte rund um die Ohr mit mir zusammen sein, wollte immer wissen, was ich machte, am liebsten hätte er mir Überwachungskameras an die Kleidung geklebt. Das gefiel mir nicht. Das ich, das ich war, verachtete die meisten meiner Bekannten, meiner Models. Nein, nicht wirklich verachten, aber ich sah auf sie hinab, wie wahrscheinlich schon deutlich geworden ist. Ich war nun mal besser als sie. Ich ließ mich nicht so leicht durchschauen. Ich gab mir keine Blöße. Ich konnte gleichzeitig mit mehreren Typen zusammen sein, und es störte keinen. Ich sollte nur aufpassen, dass die Betreffenden nicht zu nah an Hakuei gerieten – er könnte es durchschauen. Aber sonst hatte ich nichts zu befürchten. Mit Jui war Ich hauptsächlich zusammen, damit er bei GLAMOUR ☆ FASHION und mental stabil blieb. Und natürlich wegen des Sex. Und damit Ich mit dem romantischen Kitsch nicht aus der Übung kam. Bei ihm sah Ich am Besten, ob Ich noch romantisch sein konnte oder nicht. Mit Kirito war Ich zusammen gewesen, weil er nicht allzu viele Fragen stellte, unheimlich gut im Bett, willig, hübsch und darüber hinaus noch eine ganz angenehme Gesellschaft war. Ich war gerne bei ihm gewesen, muss ich wirklich sagen. Er war mir sympathisch. Er war vor allem versaut, daher hatte Ich Mich an ihm richtig ausleben können. Dann war Ich natürlich noch mit vielen, vielen anderen, kleineren Models zusammen gewesen. Alles nur ein Zeitvertreib, ich (und Ich) konnte sie nicht wirklich ernst nehmen. Gut, Jui nahm ich auch nicht ernst, dazu war er zu... kindlich, aber Kirito musste ich respektieren. Sollte ich wahrscheinlich zumindest. Ich tat es zwar auch nicht, aber das lag daran, dass Ich ihn ohne Probleme anlügen konnte, mehrere, unzählige Male, und er glaubte Mir jedes Mal. Immer. Und mit Gara war Ich zusammen... weil er mich interessierte. Er war eine ungeprägte Persönlichkeit, jederzeit bereit, geformt, umgebogen, neu erfunden oder beeinflusst zu werden. Als er Mich kennen lernte, war er niemand, er wusste nichts mit sich und der Welt anzufangen, er hatte sich bereits beinahe aufgegeben. Er lebte vor sich hin, ohne Sinn und Verstand. Ich allerdings gab ihm Beschäftigung, Visionen, ein vollkommen neues Umfeld, Alternativen, Privilegien, Aufstiegsmöglichkeiten, Bekanntheit. Er hatte Mir sehr viel zu verdanken, Ich hatte Mich auch nach Kräften für ihn eingesetzt. Er ließ sich von Mir beeinflussen, sah zu Mir auf, versuchte so zu werden wie Ich, verliebte sich in Mich, weil er die Rolle, die ich spielte, vergötterte. Er liebte mich nicht, genauso wenig wie Jui. Sie liebten Mich, nicht mich. Sie liebten das große Mich. Mein öffentliches Ich. Aber bei Gara war es noch etwas spezieller, weil ich nur ein Platzhalter war, eine Variable X, die jederzeit durch jemand anderen hätte ersetzt werden können. Ich war mir sicher, dass er sich, wenn Hyde sich so aufopferungsvoll um ihn gekümmert und sich für ihn eingesetzt hätte, in Hyde verliebt hätte. Das machte mich gleichzeitig ein bisschen traurig und wütend. Jui und Kirito liebten Mich wenigstens, aber Gara war Ich so was von egal, und trotzdem wagte er es, die Worte ‚ich liebe dich’ ohne ein Wimpernzucken zu Mir zu sagen. Aber ich wollte ihn nicht gehen lassen, dazu war er viel zu unbedarft. Er war naiv, er glaubte Personen meist sofort. Und das war das Gefährliche an ihm – ich konnte nicht zulassen, dass irgendwer ihm irgendetwas eintrichterte und ich ihn dadurch verlor. Er war ein Publikumsmagnet, die Leute liebten ihn jetzt schon. Ich brauchte ihn als Model. Und außerdem genoss ich seine Gesellschaft, ähnlich wie bei Kirito. Er wirkte immer so unschuldig, ganz anders als Kirito. Und trotzdem hatte er kein Problem damit, mit Rose rumzumachen. (Wenn Kirito die Wahrheit gesagt hatte zumindest. Aber ich glaubte nicht, dass er log, warum sollte er?) Ich verstand ihn nicht, nicht immer, und ich glaube, er tat es selbst nicht. Das machte ihn wieder zu einem Risiko – er war unberechenbar. Und trotzdem durchschaute ich ihn oft. Er faszinierte mich. Und, was das Wichtigste war: Er ging mir nicht auf die Nerven, sondern nahm Rücksicht auf mich. Das taten weder Jui noch Kirito, Jui wollte die ganze Zeit nur Liebe, und Kirito wollte die ganze Zeit nur Sex. Gara nahm es mir nicht übel, wenn ich schlecht gelaunt war oder zu kaputt war, um mit ihm zu schlafen. Er gab sich schon damit zufrieden, mit mir kuscheln, egal, was war. Wenn ich es so sah, dann er war er die momentane Nummer 1 meiner Liste. ~★~ „Komm rein.“ Rose wirkte etwas überrascht, mich zu sehen, schien sich aber trotzdem zu freuen. Nun ja, auch wenn man es nicht wirklich sehen konnte. Er wirkte ausgelaugt, müde, lustlos und resigniert. Verständlich. „Wie geht’s dir?“, wollte ich freundlich wissen und betrat seine Wohnung, schloss die Tür hinter mir und folgte ihm ins Wohnzimmer, setzte mich neben ihn auf das Sofa, versuchend, mir nicht vorzustellen, was auf diesem Möbelstück bereits alles getrieben wurde. „Wie seh ich denn aus?“, fragte Rose ironisch lächelnd und seufzte dann einmal leise, fuhr sich durch die Haare. „Entschuldige, ich... bin nur vollkommen fertig.“ „Merkt man.“ Ich schenkte ihm einen mitfühlenden Blick. „Aber sonst geht’s mir eigentlich... den Umständen entsprechend.“ Er zuckte mit den Schultern. „Willst du irgendwas essen, trinken, sonst was?“ Wie wär’s mit deinem Körper und deiner Seele? „Nein, danke“, erwiderte ich und strich ihm kurz über die Wange. „Kriegst du es denn mit der Arbeit soweit hin?“ Er nickte, jetzt mit einem zwar schwachen, aber dennoch echten Lächeln. „Es geht schon, Kiyo, danke. Ich muss ja sowieso irgendwann über ihn hinwegkommen. Da mache ich das am Besten so schnell wie möglich.“ Jetzt nickte ich verständnisvoll. „Vernünftig, ehe du ihm den Rest deines Lebens hinterhertrauerst...“ Wir unterhielten uns noch ein bisschen weiter, bis ich den Vorschlag machte, ihn zum essen einzuladen. Er war dankbar, dass ihn jemand mal zwang, von zuhause wegzugehen, und sagte mir das auch ein paar Mal, bis ich ihm versicherte, er bräuchte sich nicht zu bedanken. (Dafür würde er noch genug Gelegenheit bekommen.) Aber mal ehrlich – ich wäre auch froh, wenn mich jemand aus einer Wohnung herausholen würde, die von oben bis unten voll mit Hakuei war. Rose hatte nicht mal die Fotos weggeworfen von ihnen beiden. Und falls er daran nichts geändert hatte, war sein Schlafzimmer ein einziger Hakuei-Schrein. Furchtbar. Wir verbrachten einen schönen Abend zusammen, ich konnte ihn ein bisschen von seinen Sorgen ablenken und vergaß für eine Weile meine eigenen. Selbst Kirito war in weite Ferne gerückt. Ich wusste, dass ich ihn irgendwann mal vermissen würde, aber im Moment hatte ich keine Zeit dafür. „Sollen wir noch was trinken gehen?“, schlug ich vor, als wir uns gerade auf den Heimweg machen wollten. Rose zögerte merklich, weshalb ich noch hinzufügte: „Komm, morgen ist Sonntag. Und du hattest sowieso viel zu viel Stress, da solltest du dich ein bisschen entspannen.“ „Aber nicht allzu viel“, erwiderte er schließlich. „Ich garantiere nämlich für nichts, wenn ich erst mal richtig dicht bin...“ Das wusste ich. Ich lächelte und nickte. Keine zwei Stunden später war er voll bis obenhin. Ich war geübt darin, andere Leute unter den Tisch zu trinken. Auf unserem Rückweg klammerte er sich an mich und erzählte mir lang und breit, wie sehr er Hakuei vermisste und dass er nicht von ihm loskam und dass er ihm alles verzeihen würde, wenn er sich doch endlich mal entschuldigen käme, aber das tat er nicht, also konnte er ihm auch nicht vergeben, und so weiter und so fort. Und das Schlimmste daran war eigentlich, dass er alles ernst meinte. Und ich hörte ihm zu, nickte, stützte ihn, schleppte ihn mit mir und bekundete mein Mitgefühl. Als wir wieder bei ihm waren, drückte ich ihn gegen die erstbeste Wand und küsste ihn. Er kicherte erst leise, erwiderte den Kuss aber dann trotzdem und schlang die Arme fest um mich. Und er konnte gut küssen. Just in dem Augenblick klingelte mein Handy. Ich seufzte gequält auf, ließ aber trotzdem von dem Blonden ab, was er mit einem Murren quittierte, kramte mein Handy aus der Hosentasche und schaute auf das Display. Hyde. Na super. Perfektes Timing, und außerdem war er die letzte Person, mit der ich gerade sprechen wollte. Ohne Vorwarnung schnappte Rose sich mein Handy und nahm den Anruf an. „Jaaaa?“, fragte er langgezogen und grinste dann. „Nein, der ist gerade ...furchtbar beschäftigt.“ Und damit legte er auf, ließ das Handy ohne Weiteres auf den Boden fallen und schob mir die Zunge in den Hals. Konnte ich ihm da noch irgendwie widerstehen? Ich schob eine Hand unter sein Shirt und streichelte über seinen Bauch, ehe ich anfing, seinen Hals anzuknabbern und seine Hose dabei öffnete. Er war so betrunken, dass er definitiv einen Filmriss haben würde, von daher machte es nichts, wenn ich die Wahrheit hinterher ein bisschen verdrehte. Ich könnte ja behaupten, dass er mich verführt hatte. Aber nein, dann würde er sich wahrscheinlich Vorwürfe machen und sich von mir fernhalten. Nicht sehr geschickt. Was könnte ich ihm noch erzählen? Dass er mit irgendeinem fremden Typen abgehauen war und offenbar mit ihm geschlafen hatte? Nein, dann würde er sich auch nicht mehr mit mir treffen. Ich könnte auch behaupten, dass ich mich an nichts mehr erinnerte, und ihn dann überreden, dass ich der einzig Richtige für ihn war. Ja, das wäre möglich. Ehe ich meine Gedanken noch weiter ausführen konnte, hielt er meine Hände fest und murrte wieder leise. „Kein Sex“, murmelte er mit schwerer Zunge. „Ich kann... ihn nicht so... kein fremdgehen...“ Ich hielt inne und sah ihn fragend an. Er rutschte nur an der Wand herunter, rollte sich zusammen und schlief ein. Wortlos starrte ich auf ihn hinunter. Was zur Hölle sollte das denn jetzt? Schlief einfach ein... Und was war das? Er wollte Hakuei nicht fremdgehen? Sie waren zwar nicht mehr zusammen, aber egal. Kopfschüttelnd hob ich mein Handy auf, holte eine Decke für ihn, deckte den Blonden zu und verließ die Wohnung. Nach Hause wollte ich nicht. Dort war es leer und langweilig. Außerdem hatte ich eigentlich diese Nacht fest eingeplant, also konnte ich nicht einfach ohne Sex zurückkehren. Das ging doch nicht. Also rief ich meinen Chauffeur an, bat ihn, mich abzuholen und mir gleich noch Kopfschmerztabletten mitzubringen. Ich würde sie gut gebrauchen können, das wusste ich. Hyde hatte nie welche. Er öffnete mir die Tür mit einem Gesichtsausdruck, aus dem deutlich Wut, Schmerz und Enttäuschung sprachen. Ich schob mich an ihm vorbei in die Wohnung, zog mir die Jacke aus, ließ sie auf den Boden fallen, dann meine Schuhe, mein Shirt. Hyde starrte mich an und versuchte nur noch, ärgerlich auszusehen. „Was wird das?“, wollte er gereizt wissen. Ich sah ihn an. „Ich hoffe doch eine durchgevögelte Nacht“, antwortete ich. Er blickte kurz zur Seite und ich wusste genau, was er dachte. Er versuchte, mir zu widerstehen, und kämpfte mit sich, ob er mich nicht lieber rausschmeißen sollte. „Und wo warst du gerade?“ „Bei Rose. Ist eingeschlafen, bevor es zu irgendetwas kommen konnte. Warum hast du mich eigentlich angerufen?“ Auch, wenn ich gerade in Gedanken bereits woanders war, interessierte es mich irgendwo. „Ging um Gara. Du wolltest doch ein provozierendes Shooting machen, oder? Ich hab genau den perfekten Kandidaten gefunden.“ „Ach ja?“ Ich ging zu ihm hin und knöpfte ihm das Hemd auf. „Da reden wir hinterher drüber, ja?“ „Wer sagt denn, dass ich dir schon zugestimmt habe?“, knurrte er leise. „Pff. Halt den Mund und mach die Beine breit.“ Die Leute hörten immer auf das, was ich ihnen sagte. Das war praktisch. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ und? Hattet ihr vorher schon einen Verdacht? |D wenn ja, ab wann? Das interessiert mich ^^ und dieses Kapitel ist nicht halb so rübergekommen, wie ich eigentlich wollte, aber ich hoffe, dass es trotzdem okay ist ^^; ist Hyde nicht ein armes Schwein? ._. er tut selbst mir leid <_< ach ja, einen Kommentar möchte ich noch anfügen, der von Tattoo stammt XD im Text heißt es "Außerdem hatte ich eigentlich diese Nacht fest eingeplant, also konnte ich nicht einfach ohne Sex zurückkehren. Also rief ich meinen Chauffeur an[...]" Tattoo: HA! JETZT MUSS DER ARME CHAUFFEUR RAN!! XD Fashion #4 ---------- Rating: R/NC-17 A/N: für diejenigen, denen Hakuei und Rose auf den Nerv gehen: lasst ruhig die Geschichte, wie die beiden zusammen gekommen sind, weg, das ist eigentlich auch nicht wichtig |D Beta’d: geduldigst, mit Hingabe und so genau wie möglich von Tattoo ;) Disclaimer: weder Joshua noch Sky gehören mir >.> (und Jaaaa, die gibt’s wirklich |D) POV: wieder mal Gara (wer aufgepasst hat, der hat gemerkt, dass der Kapiteltitel Auskunft über den POV gibt |D) ~★~☆~★~☆~★~ „Ich hab mich von ihm getrennt.“ Die Stirn runzelnd, versuchte ich, die niedergeschlagen wirkende Stimme am Telefon zu identifizieren. „Kirito?“, riet ich vorsichtig. „Nein, ein Schatten meiner selbst.“ Ich seufzte leise und machte es mir wieder auf meinem Sofa bequem. „Was ist denn?“, fragte ich sanft. Wenn es nicht ernst wäre, würde er nicht auf meinem Telefon anrufen. Eigentlich hatte er mich noch nie darauf angerufen, fiel mir auf. Wozu hatte man auch ein Handy? „Ich vermisse ihn.“ Jetzt klang er beinahe kleinlaut. Wieso auch immer, ich war irgendwie in letzter Zeit der Ansprechpartner für Beziehungsprobleme aller Art geworden. Nicht, dass ich mich beschwerte – ich freute mich ja, dass Hakuei mit mir darüber redete, wie sehr er Rose vermisste, und Rose mit mir darüber, wie sehr er Hakuei vermisste, und Kirito, wie gerne er Yasu haben würde, und Yasu, wie sehr es ihn störte, dass Kirito ihm aus dem Weg ging. Ich freute mich wirklich, weil mir das zeigte, dass sie mir vertrauten. Und gleichzeitig war das alles ein bisschen viel für mich, weil jeder von mir erwartete, dass ich ihm zuhörte, ihm womöglich noch eine Problemlösung anbot und immer für ihn da war. Auf Dauer war es doch anstrengend. „Daran lässt sich wahrscheinlich nichts ändern“, gab ich zurück und schlug mich in Gedanken, dass ich nicht etwas Netteres hatte sagen können. „Doch. Ich fühl mich einsam.“ Erneut seufzte ich leise und stand wieder auf. „Soll ich vorbei kommen?“, bot ich an. „Wann willst du’s ihm eigentlich sagen?“, wollte ich wissen und sah zu Kirito. Wir schliefen in einem Bett, weil er sonst überhaupt keinen Schlaf kriegen könnte, hatte er gemeint. „Wem?“, gab er zurück, die Augen schon geschlossen. „Yasu.“ Er stöhnte gequält auf, drehte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im Kissen. „Ich weiß nicht...“, murmelte er. „Aber bitte bald, Yasu macht sich wirklich ernsthafte Sorgen um dich, und ich will auch nicht immer abblocken müssen, wenn er nach dir fragt, sonst bekommt er einen völlig falschen Eindruck...“ Kirito murrte leise und drehte mir den Kopf zu. „Danke, dass du hergekommen bist“, sagte er zögernd. Ich lächelte schwach. „Kein Thema.“ Dann dachte ich einen Augenblick nach. „Was weißt du eigentlich über Anna Tsuchiya?“ Sein Blick wechselte zu komplett irritiert. „Was? Wie kommst du jetzt auf DIE?“ „Weiß nicht. Themenwechsel. Sachiko scheint mit ihr befreundet zu sein.“ Außerdem sollte ich langsam mal erfahren, was sie für eine Person war, wenn sie so etwas wie Kiyos Gegenstück darstellte. „Sachiko?“ „Deine frühere Sekretärin.“ „Welche?“ Ich seufzte. „Ist egal. Vergiss es.“ „Also....“ Kirito überlegte. „Bei der Arbeit ist sie sehr konzentriert, zielstrebig und fair. Und privat – wenn sie einen mag, ist sie wohl sehr offen, freundlich, rücksichtsvoll und sehr, sehr ausgefallen. Im positiven Sinne, also kreativ, zum Beispiel. Ganz zu schweigen davon, dass sie im allgemeinen Sinne gesehen wunderschön ist.“ „Eine Traumfrau?“, schlussfolgerte ich und hob eine Augenbraue. Kirito nickte. „Zumindest sehr nah dran, ja. Sie war mal verheiratet, vor ein paar Jahren, mit einem anderen Model, Joshua hieß er, glaube ich. Dann hat sie noch einen Sohn gekriegt, Sky, und sich fast eineinhalb Jahre später wieder scheiden lassen. Sie ist äußerst beliebt, weil sie nur Halbjapanerin ist, eines ihrer Elternteile war halb russisch und halb amerikanisch.“ Darüber dachte ich einen Moment nach. „Wie lange ist sie denn schon der Chef vom weiblichen Teil von GLAMOUR ☆ FASHION?“ „Ein paar Jahre, glaube ich. Sie ist noch nicht allzu lange hier, aber sie hat schon mal einen guten Anfang gemacht, indem sie Kiyoharu deutlich gesagt hat, dass sie von seiner Art zu arbeiten nichts hält. Sie selbst hält eine gewisse Distanz zu ihren Models, was Kiyoharu wiederum nicht gefällt. Ich glaube, dass sie so was wie Erzfeinde sind, weil sie sich gegenseitig am liebsten auf die Füße treten und rausschmeißen würden und das, was der jeweils andere macht, absolut nicht in Ordnung finden.“ Kirito überlegte wieder. „Uns, also uns Models, ignoriert sie größtenteils, von daher musst du dir eigentlich keine Gedanken um sie machen.“ Den nächsten Tag, der glücklicherweise ein Sonntag war, verbrachte ich ebenfalls mit Kirito, da Kiyo mir gesagt hatte, dass er an diesem Wochenende zu beschäftigt sein würde, um mich zu sehen. Ich musste zugeben, dass er mir trotz seines ganzen Gefühlschaos, das er größtenteils an mir abließ, nicht auf die Nerven ging. Dazu mochte ich ihn viel zu sehr. Wenn ich so darüber nachdachte – ich kannte ihn jetzt schon knapp ein ganzes Jahr. Es kam mir viel kürzer vor, aber trotzdem konnte ich Kirito inzwischen recht gut einschätzen und wusste viel mehr über ihn. Und dass er mit seinen Problemen zu mir kam und mir vertraute, sagte ja auch einiges aus. „Weißt du, wenn mein Freund nicht gewesen wäre, dann hätte ich mir dich bestimmt gekrallt.“ Das ließ mich innehalten und mitten auf dem Bürgersteig stehen bleiben. Ich sah den Schwarzhaarigen an. „Was?“ Kirito grinste leicht. „Das meine ich so, wie ich es gesagt habe. Ich bin sicher, unter anderen Umständen hätte ich mich auch in dich verlieben können. Aber da es nicht so gekommen ist, bin ich voll und ganz damit zufrieden, mit dir befreundet zu sein.“ Daraufhin musste ich wieder lächeln. „Danke...“ „Und du bist auch nicht irgendwie sexuell unterbeschäftigt?“, fragte er und schaute mich vieldeutig an. Ich lachte und schubste ihn etwas von mir weg. „Du Perverser!“ „Ach? ICH bin pervers, weil ich dir ein bisschen Aushilfe anbiete, aber DU bist nicht pervers, wenn du Rose, der dank seinem notgeilen Freund sowieso eigentlich nicht mehr gerade laufen können sollte, einen ‚Gefallen’ tust?“, wollte er ebenfalls lachend wissen. „Hakuei hat ja auch gesagt, dass ich das tun soll!“, verteidigte ich mich grinsend und wusste selbst, dass das kein Argument war. Ich war nur irgendwo froh, dass Kirito nicht wusste, was ich noch alles mit Rose beziehungsweise mit ihm und Hakuei angestellt hatte... „Red ein bisschen leiser, da vorne ist ein Typ, der starrt uns schon die ganze Zeit an“, meinte Kirito gedämpft und nickte in Richtung meiner linken Schulter. Unauffällig, wie ich nun mal war, drehte ich mich sofort um und erstarrte. Oh. Mit ihm hätte ich jetzt am allerwenigsten gerechnet. Er war selbst mit einigen Freunden da, schien ihrem Gespräch aber nicht wirklich folgen zu können. Er starrte mich unverwandt an, und als er merkte, dass ich seinen Blick erwiderte, murmelte er seinen Begleitern etwas zu und ging dann los in meine Richtung. Ich kam ihm etwas entgegen, und auf halber Strecke trafen wir uns, erst einmal stehen bleibend und uns gegenseitig musternd, als hätten wir uns noch nie zuvor gesehen. „Ich versuche jetzt, nicht vorwurfsvoll zu klingen, aber ich glaube kaum, dass mir das gelingen wird“, fing er zögernd an, den Blick nicht von meinem Gesicht nehmend. „Du hast keine Verwendung mehr für mich, oder?“ „Yuu, es tut mir-“, begann ich, aber er schüttelte nur den Kopf. „Sei mal ruhig und hör MIR mal für ein paar Minuten zu, wenn du das schon in den letzten Monaten nicht geschafft hast. Ich habe in den letzten drei Wochen darauf gewartet, dass du dich meldest, du hast nicht angerufen, du bist nicht vorbeigekommen, du hast überhaupt nicht von dir hören lassen, in keinster Weise. Ich darf dich an deine Worte erinnern – ‚ich melde mich’. Das hast du gesagt.“ Er klang ernst, aber man hörte seine Verletztheit deutlich heraus. „Yuu, das-“ „Lass mich bitte ausreden.“ Er wurde nicht lauter, er wurde nicht aggressiv, er blieb ganz ruhig und bat mich leise. Ich schwieg. „Wir beide wissen, dass du dir jetzt eine Ausrede aus den Fingern saugen könntest und dann versprechen, dass du wieder mehr mit mir unternimmst, und spätestens nach einem Monat heißt es wieder ‚tut mir leid, ich hab wieder so viel zu tun’ oder ‚entschuldige, aber jetzt gerade nicht’.“ „Ich habe auch einen anstrengenden Job und meine Arbeit-“ „DIE IST MIR SCHEIßEGAL!“, schrie er und schloss für einen Moment die Augen, atmete tief durch. „Ich hatte gehofft, dass es besser wird, dass du langsam einsiehst, was für ein Scheißjob Model sein ist, zumindest so, wie du es bist, dass du merkst, dass du dich rein auf das Körperliche reduzierst, immer oberflächlicher wirst und dich immer mehr mit Leuten abgibst, die du nicht richtig kennst. Aber das hast du nicht gemerkt, du hast es alles mit offenen Armen willkommen geheißen und dich dabei von deinem ursprünglichen Freund, deinem ursprünglichen LEBEN abgewandt. Weißt du noch, wofür ich gut war in der letzten Zeit? Zum Ausprobieren, ob du nicht vielleicht doch schwul bist, zum Angeben, mit wem du Tolles zusammen bist, wie super es gerade für dich läuft, was für klasse Leute du kennen lernst, außerdem noch als jemand, der sich bedingungslos um dich kümmert, wenn es dir schlecht geht. Frag dich selbst – was hast du für mich getan in den letzten Monaten? Was hab ich für dich getan?“ Ich hielt meinen Blick gesenkt. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. „Sieh mich an, Gara, bitte.“ Langsam hob ich den Kopf, bis ich Yuu wieder in die Augen sehen konnte. „Du bist zu gut für mich, oder?“, murmelte ich. Er verengte seine Augen etwas. „Hast du mir nicht zugehört? Das hab ich nicht gesagt, ich-“ „Doch, das ist es aber, oder nicht? Ich halte mich zu gut für dich, und du dich zu gut für mich.“ Genau das, von dem Hakuei mir erzählt hatte. „Und jetzt wagst du es auch noch, mich arrogant zu nennen?!“, wollte er entgeistert wissen. „Yuu, das mit uns beiden kann nicht mehr klappen, wir haben uns zu sehr auseinander gelebt, ich glaube, dass es das Beste ist, wenn wir uns gar nicht mehr sehen...“ „Nicht mal eine Entschuldigung kriege ich?“, flüsterte er und nickte leicht. „Okay. Ich verstehe schon, du brauchst gar nichts mehr zu sagen. Aber beantworte mir bitte zum Schluss noch eine einzige Frage, ja? Wann bist du eigentlich zu so einem Arschloch mutiert?“ Ich erwiderte nichts mehr, sondern drehte mich nur um und ging. ~☆~ „Das Leben ist scheiße.“ „Du sagst es.“ „Schalt noch mal zurück, was war das?“ „Ach, nur so eine komische Spielshow, wo die Teilnehmer ganz viele verschiedene Sachen machen müssen, und wenn sie das schaffen, dann kriegen sie Geld.“ „Unheimlich präzise Beschreibung, ich weiß sofort, welche Show gemeint ist.“ Rose sah mich an und verpasste mir eine Kopfnuss. „Sei nicht so ironisch, Ironie ist auch scheiße.“ „ALLES ist scheiße.“ „Ja. Irgendwie schon.“ Ein wenig ratlos, was wir mit uns anfangen sollten, sahen wir dabei zu, wie ein Teilnehmer der Show freiwillig ins Wasser sprang und seine Teamkollegen sich darüber aufregten. Spannend, wirklich. „Ich hab in diesen vier verdammten Scheißwochen keine einzige Nacht durchgeschlafen.“ Rose seufzte einmal tief und rutschte etwas an der Sofalehne herunter. Er hatte so ein ausziehbares Schlafsofa, sodass wir beide uns ohne Probleme darauf ausstrecken konnten. Es war zwar erst Samstagnachmittag (eine Woche nach der Begegnung mit Yuu), aber wir hatten absolut keine Lust, nach draußen zu gehen. „Ich kann nicht einschlafen, wenn er nicht neben mir liegt und drei viertel des Bettes einnimmt.“ Ich lächelte bei der Vorstellung. „So breit ist er doch gar nicht.“ „Nein, aber er hat hohe Besitzansprüche...“ Da lächelte auch Rose. „Außer beim Essen. Er isst selbst wenig, zwingt mich aber ständig, mehr zu essen.“ „Ist aber irgendwo auch verständlich, oder? Wenn du mal deshalb zusammengebrochen bist...“ Ich zuckte die Achseln. Erstaunt blickte der Blonde mich an. „Das weißt du? Ach, hat dir Kiyoharu wahrscheinlich erzählt. Ja, das stimmt. In der Hinsicht macht er sich noch heute Sorgen... ich glaube, am liebsten würde er jeden Tag vorbeikommen, um zu kontrollieren, ob ich genug esse. Was hat er dir noch erzählt?“ „Dass du... in Tränen ausgebrochen bist, als er dir angeboten hat, dich bei GLAMOUR ☆ FASHION arbeiten zu lassen.“ Er grinste breit und musste dann sogar lachen. „Oh ja, daran erinnere ich mich noch... es war mir total peinlich hinterher, aber in dem Moment... Er hat sich wahrscheinlich gedacht, dass ich so glücklich war, von Gackt wegzukommen. Na ja, glücklich darüber war ich durchaus, aber noch glücklicher darüber, bei ihm arbeiten zu dürfen. Soll ich dir mal den Grund dafür zeigen?“ Sofort nickte ich, also kämpfte er sich vom Sofa hoch, kramte ein wenig in einem der vielen Schränke herum und drückte mir dann einen sehr dicken Ordner in die Hand. „Schau mal.“ Neugierig öffnete ich ihn und wurde direkt von einer weiblichen Europäerin angesehen. Also, von einem Bild. Sie hatte sehr lange und gewellte braune Haare, helle Haut, ein hübsches Gesicht und war deutlich geschminkt – dunkelroter Lippenstift, türkiser Lidschatten, schwarzer Eyeliner. „Ist das auch ein Model?“, wollte ich wissen und sah zu Rose. Dessen Grinsen wurde nur noch viel breiter. „Blätter weiter durch“, gab er zurück und stemmte die Hände in die Hüften. Ich tat wie geheißen. In dem Ordner waren ausschließlich Bilder von dieser Frau drin, mehr oder weniger geschminkt und aufgemacht, in allen möglichen Outfits, manchmal ganze Serien von verschiedenen Fotos aus demselben Shooting. Eine ganze Kollektion von Bildern. Stirnrunzelnd schaute ich zu Rose auf. „Wer ist das?“ Er nahm mir den Ordner wieder ab und gab mir einen anderen, dessen Beschriftung drei Herzchen waren, der erste hatte, glaube ich, eins gehabt. „Schau mal da rein.“ Wieder gehorchte ich. Wieder waren es nur Fotos, Zeitungsbilder und so weiter und so fort von dieser Frau (die keine wirkliche Oberweite hatte, aber dafür war sie vom Gesicht her hübsch). Eine regelrechte Sammlung. Nur bei den Bildern jetzt hatte sie irgendwie die Haare kürzer und sah irgendwie aus..... Rose tauschte den Ordner mit den drei Herzchen gegen einen mit sechs aus. Ich schlug diesen auf und zuckte zusammen. „WOAH!“ Fassungslos starrte ich den Blonden vor mir an. „Das ist.... ist das....?“ Er nickte nur. „Hakuei. Alles Hakuei. So sah er ganz am Anfang aus. Wie ein weiblicher Punk.“ „MOMENT!!“ Ich schüttelte den Kopf. „Die aus dem ersten Ordner waren auch....“ „Das sind alles Bilder von ihm“, nickte Rose grinsend. „Alles, was ich finden konnte. Insgesamt habe ich, glaube ich, mindestens zwanzig Ordner, für jedes Jahr wenigstens einen. Na ja, und einen Ordner, in dem die Zeit ein bisschen durcheinander gekommen ist, normalerweise hab ich sie chronologisch geordnet, aber in dem ist es.... bunt gemischt.“ Er räusperte sich. Fragend schaute ich ihn an. Er wurde rot. „Na ja, er hat.... In dem Ordner ist alles, wo man mehr Haut als gewöhnlich von ihm sieht. Er hat zum Beispiel ein Nude-Photobook von sich herausgegeben. Das hab ich natürlich auch, aber die Bilder, die ich gefunden habe, sind trotzdem da drin, und wo man seine Brust sieht oder seine Beine....“ „Und.... wie lange machst du das schon?“, wollte ich beeindruckt wissen. „Seit ich... fünfzehn bin“, antwortete er zögernd und lief erneut dunkel an, räumte die Ordner dann sorgfältig wieder weg und machte es sich erneut neben mir bequem. „Ich hab einmal ein einziges Bild von ihm gesehen und gewusst, dass ich genau das, was er macht, auch mal machen würde. Dann hab ich herausgefunden, dass er als Model arbeitete, und mit sechzehn hab ich mich dann überall beworben, allerdings hat mich nur Vanilla Sky angenommen.“ „Okay, dann ist es verständlich, dass du dich so gefreut hast, als Kiyo dir das Angebot gemacht hat....“, bemerkte ich, nun selbst grinsend. Rose nickte sofort, selbst lächelnd. „Ich war ein richtiger Hakuei-Fanboy, und ich hab mich auch dadurch nicht aufhalten lassen, dass er ständig irgendwelche anderen Freunde hatte. Ich meine, ich hatte auch welche, so ist es nicht, ich hab mich nicht komplett auf ihn fixiert.“ „Und wie seid ihr dann zusammengekommen?“, wollte ich interessiert wissen. Daraufhin musste er lachen. „Durch meinen Geschirrspüler“, antwortete er und schien sich für einen Moment ganz in seinen Erinnerungen zu verlieren. „Ist eine längere Geschichte...“ „Ich hab Zeit“, meinte ich sofort. Er grinste wieder. „Okay. Also... zu der Zeit hat Hakuei gemerkt, dass er mich ziemlich hübsch findet, und hat es mir auch direkt gesagt. Und wieder. Und wieder und wieder und wieder – hat Kiyoharu dir wahrscheinlich schon erzählt, dass er mich, wo es nur ging, angemacht hat. Ich meine, ich hatte nicht allzu viel dagegen, schließlich stand ich schon seit Jahren auf ihn, aber ich bekam langsam das Gefühl, dass er nur an meinem Körper interessiert war. Es wirkte zumindest die meiste Zeit so, schließlich sagte er andauernd, wie heiß er mich fand und so weiter. Deshalb bin ich erst mal nicht darauf eingegangen. Irgendwann hat er allerdings schlagartig aufgehört, mit allem. Er unterhielt sich nur noch ganz normal mit mir, er hat mich nicht mehr angefasst, nicht mehr mit mir geflirtet und so weiter. Es war, als hätte er über Nacht jegliches Interesse an mir verloren. Wie ich später erfuhr, hatte er lediglich rausgekriegt, dass ich ihn für notgeil hielt, weshalb er sich schwor, mich nie wieder anzumachen, damit ich nicht mehr so von ihm dachte. Ich interpretierte natürlich die falschen Sachen da hinein, machte mir Vorwürfe, dass ich ihn so lange zurückgewiesen hatte, und lief ihm irgendwann vollkommen betrunken in die Arme. Ich selbst erinnere mich an nichts mehr, aber Haku hat mir hinterher erzählt, dass ich ihn wohl selbst angemacht, ihn beinahe angebettelt hatte. Aber das einzige, wozu er sich hinreißen ließ, war ein Gutenachtkuss auf die Wange.“ Fast schon beleidigt zog Rose eine Schnute. „Na ja, und obwohl er die Chance gehabt hatte, hat er nur auf dem Sofa geschlafen, ist am nächsten Morgen sehr früh aufgestanden, hat Frühstück gemacht, sich rührend um mich gekümmert und alles. Daraufhin hab ich ihn gefragt, warum er mich nicht mehr anmacht, ob ich irgendwas gemacht hätte. Seine Worte: ‚Ich weiß, dass ich dich niemals kriegen werde, wenn ich dich nur anmache, also möchte ich dir zeigen, wie sehr ich dich liebe.’ Blöd, wie ich nun mal war und bin, hab ich ihm nicht geglaubt und ihn gebeten zu gehen. Dafür könnte ich mich heute erwürgen... Daraufhin hab ich begonnen, ihn zu ignorieren und ihm aus dem Weg zu gehen, weil ich irgendwie die kranke Ansicht hatte, dass jemand wie ER sich doch nicht in jemanden wie MICH verlieben konnte. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Hakuei hat einige Male versucht, mit mir zu reden, aber ich hab jedes Mal abgeblockt, ich glaube, wir waren beide ziemlich verzweifelt. Und irgendwann ist mein Geschirrspüler kaputt gegangen und hat meine Küche überschwemmt. Das fand ich nicht ganz so toll, also hab ich versucht, ihn zu reparieren, als irgendwann die Tür klingelte. Unbedacht, wie ich bin, öffnete ich und stand natürlich direkt Haku gegenüber. Dazu muss man sagen, dass ich in dem Moment absolut schrecklich aussah, die Hosenbeine hochgekrempelt, die Haare zusammengebunden, mit Brille und ungeschminkt. Ich wäre am liebsten im Boden versunken, aber hinter mir konnte man bereits eine Wasserlache sehen, weshalb Hakuei mich gefragt hat, ob ich vielleicht meine Badewanne vergessen hatte. Wohl oder übel hab ich ihm dann sagen müssen, dass meine Spülmaschine kaputt gegangen war. Er hat mich sofort gefragt, ob er mir irgendwie helfen könnte. Na ja, und Hilfe konnte ich gebrauchen. Schon nach einer halben Stunde hab ich es zutiefst bereut, weil er inzwischen oben herum nackt war und sich ebenfalls die Hose hochgekrempelt hatte, und ...“ Er machte eine unbestimmte Geste. „Wie auch immer, als wir fertig waren, hat das eine zum anderen geführt, und dann... na ja, du kannst es dir vorstellen. Und als Hakuei hörte, dass ich Zweifel an seiner Liebe gehabt hatte, zeigte er mir, so oft er konnte, durch Kleinigkeiten, durch Worte, durch sonst was, wie viel ich ihm bedeutete, bis ich ihm wirklich glaubte. Das war vor ungefähr zwei Jahren, aber unter den anderen Models bekannt gemacht haben wir es erst recht spät, sodass alle glaubten, wir wären erst ziemlich kurz zusammen.“ Ich musste lächeln. „Süß“, murmelte ich leise und meinte es auch so. Rose nickte langsam und wirkte mit einem Mal ganz verloren. „Ja... und deshalb werde ich auch nie von ihm loskommen...“ „Ach, jetzt tu nicht so, als ob ihr auf ewig getrennt wärt“, warf ich ein und legte den Kopf an seine Schulter. „Eh?“ „Das ist ein temporärer Zustand, das weißt du genauso wie ich und wie Hakuei. Ihr liebt euch doch beide noch mehr als alles andere auf der Welt, er spricht von fast niemand anderem als dir, er lässt sich zwar nicht viel anmerken, aber er macht sich extrem starke Vorwürfe. Aber ich glaube, er hat auch Angst davor, dass du nicht mehr mit ihm zusammen sein willst. Ein Happy End gibt’s trotzdem. Das verspreche ich dir, Rose.“ Er schwieg eine Weile. „Hoffen wir’s“, meinte er dann mit einem sehnsuchtsvollen Seufzen. „Möchtest du was trinken?“ Als er mit den Getränken zurückkam, legte er einen Arm um mich und ich kuschelte mich näher an ihn. Dann forderte er mich auf, von meinen Sorgen zu erzählen, schließlich war geteiltes Leid halbes Leid. An dem Abend kamen wir zu dem Schluss, dass das Leben scheiße war. Nicht immer, aber doch ziemlich oft und in vernichtend vielen Bereichen. Dann allerdings mussten wir einräumen, dass das Leben furchtbar toll war. Nicht immer, aber doch meistens noch öfter und in den gleichen Bereichen. Und auch in anderen. Zum Beispiel sollten wir es nicht als selbstverständlich ansehen, dass wir unseren Job, Freunde, Familie (in Roses Fall), eine Wohnung, eine so große Vielfalt an Nahrungsmitteln, und so weiter und so fort, hatten. Nachdem wir lang und breit darüber geredet hatten, und je mehr wir tranken, desto deutlicher wurde, dass wir eigentlich keinen Grund hatten, uns zu beklagen, und eigentlich froh sein sollten. Danach ging es uns irgendwie besser. „Sag mal... was ist das, wofür du dich am meisten schämst?“, wollte ich wissen und musterte den Blonden erwartungsvoll. Der begann sofort zu kichern. „Das kann ich dir direkt sagen – dass Hakuei und ich es auf dem Küchentisch meiner Eltern getrieben haben, im Endeffekt ist mir das so unglaublich peinlich.... weißt du, wir sind sie mal besuchen gefahren, damit sie den Freund ihres Sohnes kennen lernen konnten – sie kannten Hakuei natürlich von den ganzen Bildern, die ich schon in meiner Zeit auf der Schule besessen hatte –, und es lief auch alles ohne Probleme, Haku mochte meine Eltern und anders herum, und da wir für ein paar Tage geblieben sind, haben wir im Gästezimmer, das früher mal mein Zimmer war, übernachtet. Und schon in der ersten Nacht hab ich mich dagegen gesträubt, in meinem früheren Bett mit Haku zu schlafen, während meine Eltern nur zwei Zimmer weiter waren.“ Jetzt musste auch ich lachen. „Ah, und dann seid ihr auf den Küchentisch umgestiegen?“, fragte ich. Rose lief rot an. „Na ja.... und auf den Boden und auf die Dusche und die Wand und...“ Er überlegte. „Doch, und mitten in der Nacht hat er mich dann auch noch im Bett verführt.“ Wieder lachte ich. „Ich glaube, dein Durchsetzungsvermögen lässt zu wünschen übrig...“ „Versuch DU doch mal, ‚nein’ zu sagen, wenn Haku gerade sowohl mit einer Hand als auch mit seinem Mund zwischen deinen Beinen zugange ist, weil du gerade von ihm geträumt hast!“, verteidigte Rose sich beleidigt. „Das geht nicht!“ Nachdenklich legte ich den Kopf schief. „Gut, das kann ich nachvollziehen.“ Der Blonde machte große Augen. „Was soll DAS denn heißen?“, fragte er gespielt geschockt. Ich knuffte ihn grinsend in die Seite. „Interpretier da bloß nicht zu viel rein“, meinte ich. „Hat dir die Kostprobe vor Weihnachten nicht gereicht?“, wollte Rose mit hochgezogenen Augenbrauen wissen. „Willst du etwa noch mehr?“ Schweigend schaute ich ihn einen Augenblick an, dann vergrub er eine Hand in meinen Haaren und zog mich zu sich. Ich erwiderte den Kuss auf der Stelle und fragte mich, was das werden sollte. Auf der Weihnachtsparty war es okay gewesen, da hatte ich die Erlaubnis gehabt, sowohl von Kiyo (ahem, mehr oder weniger) als auch von Hakuei (er hatte schließlich angefangen), aber jetzt hatte ich nichts, worauf ich mich berufen konnte. Und trotzdem kam ich nicht umhin, noch einmal von Roses Zunge kosten zu wollen. Er hatte offenbar nichts dagegen, sondern seufzte stattdessen genussvoll auf. Und der Rest war verschwommen, ich weiß noch, dass wir irgendwann auf dem Sofa lagen, Rose die Beine gespreizt, ich dazwischen, ihn immer weiter küssend, sein Shirt hochgeschoben und mein Hemd bereits aufgeknöpft. Ich konnte deutlich sehen (und spüren), dass Rose das Ganze mehr als nur befürwortete, und auch ich schien nicht wirklich abgeneigt. (Klartext: Wir waren scharf aufeinander. Und WIE.) Ich ließ keine Sekunde von seinem Mund ab, machte mit meiner unteren Hälfte deutliche Bewegungen gegen Roses, woraufhin er nur zufrieden aufseufzte und sich mir entgegen drückte. Das kam alles viel zu plötzlich, als dass ich hätte rational darüber nachdenken können, deshalb handelte ich mehr intuitiv, als ich dem Blonden erst das Shirt auszog und dann seine Hose öffnete, anschließend eine Hand hineinschob.... Und wer weiß, wie weit wir noch gegangen wären, hätte es nicht just in dem Augenblick an der Tür geklingelt. Wir hielten beide inne und blickten in die Richtung des störenden Geräusches. Dann sahen wir uns an. „Gehst du bitte eben aufmachen?“, bat Rose mich leise. Ich hörte die Beunruhigung in seiner Stimme, nickte leicht und rappelte mich vom Sofa auf, ehe ich mit weichen Knien zur Haustür ging. Ganz vorsichtig öffnete ich und hoffte, nicht vor dem zu stehen, von dem ich glaubte, dass ich vor ihm stehen würde. Na ja, wie jeder weiß, sind viele Hoffnungen naiv. Hakuei hob wortlos die Augenbrauen, als er mich sah. „Das ist nicht das, wonach es aussieht!“, platzte ich sofort heraus. Seine Augenbrauen wanderten noch etwas höher, als Rose hinter mich trat. „Wir haben nicht....“, begann der Blonde etwas hilflos (während er seine Hose zurechtzog und wirkte, als wäre es völlig normal, dass er oben ohne herumlief), und ich nickte eifrig. „Es ist nichts passiert!“ „Fast nichts.“ „Also eigentlich so gut wie nichts“, stimmte ich zu, noch immer nickend. Man konnte Rose ansehen, dass er genau dasselbe dachte wie ich: Scheiße. „Nichts Ernstes, auf jeden Fall!“ „Es ist wirklich fast nichts, kaum der Rede wert.“ Hakuei schaute von mir zu Rose, noch immer mit einem undeutbaren Blick, und schwieg. „Und das ist auch wirklich das erste Mal!“, beteuerte Rose verzweifelt. „Also es ist ja noch nicht mal wirklich das erste Mal, es ist ja nichts passiert....“, bemerkte ich. „Sag was!“, forderte Rose mit Tränen in den Augen. „Ihr seid sternhagelvoll, oder?“, wollte Hakuei ruhig wissen. „.....Kann ich reinkommen?“ Ohne ein weiteres Wort fiel Rose ihm um den Hals und fing an zu schluchzen. Hakuei seufzte leise, legte die Arme um ihn und schloss die Augen. Und ich schlich mich an den beiden vorbei nach draußen. Ein wenig unentschlossen, wo ich in meinem Zustand hin sollte, rief ich mir ein Taxi. Das Problem war, dass ich noch immer nicht wusste, wo ich hinkonnte. Früher wäre ich zu Yuu gegangen, aber der hatte mich ja jetzt sitzen lassen. Zu Kiyo konnte ich nicht, der musste arbeiten. Kirito war noch mit einem Shooting beschäftigt, und Yasu, glaube ich, war anderweitig verabredet. Hm. Also ließ ich mich nach Hause fahren, fiel dort todmüde in mein Bett und hoffte, dass sich das zwischen Hakuei und Rose noch klären würde. ~☆~ Tat es. Die beiden tauchten am nächsten Tag nicht auf, aber dafür waren sie am darauffolgenden ein Herz und eine Seele. Ich entschuldigte mich noch einmal ausführlich bei Hakuei, woraufhin er nur abwinkte und mir sagte, dass ich ihn das nächste Mal einfach fragen sollte. (Ihn um Erlaubnis zu bitten, seinen Freund zu vögeln, fand ich dann doch ein wenig seltsam, aber ich nahm es so hin. Wenn er meinte.) Aber das war nicht das Wichtigste an diesem zweiten Tag, sondern eher die Tatsache, dass Kiyo mir ein besonderes Shooting mit jemand anderem versprochen hatte, das mich im ganzen Land bekannter machen würde. Klar war ich da gespannt und aufgeregt. „Verdammte .... du bist der größte Feigling, den ich je kennen gelernt habe!“, regte ich mich auf, während ich mit dem Handy am Ohr den Gang entlang hastete. „Es hat sich einfach noch keine Möglichkeit ergeben!“, klagte Kirito. „Schieb dir dein ‚keine Möglichkeit ergeben’ SONST wo hin!“, fuhr ich ihn an und bog um eine Ecke. „Du MACHST dir einfach keine Möglichkeit, DAS ist es!“ „Ich trau mich nicht!“ Am Ende des Gangs erblickte ich Kiyo, weshalb ich meinen Schritt noch etwas beschleunigte (da Kirito mich aufgehalten hatte, war ich bereits fünf Minuten zu spät dran). „Also, du hast zwei Möglichkeiten!“, redete ich weiter. „Entweder du bleibst auf deinem verdammten Arsch sitzen und hoffst, dass ein WUNDER geschieht und er plötzlich die Fähigkeit bekommt, deine Gedanken zu lesen-“, an diesem Punkt rannte ich jemanden halb um, entschuldigte mich leise und stapfte dann weiter, „-oder aber du sagst ihm endlich, dass du ihn liebst!! Ich hab langsam keine Lust mehr!“ Frustriert legte ich auf und blieb vor Kiyo stehen, der mich mit einem belustigten Lächeln musterte. „Probleme?“, fragte er. Ich nickte tief durchatmend. „Und dann ruft der Idiot mich ständig an, wenn ich es gerade nicht gebrauchen kann, und heult mir einen vor, so langsam geht es mir auf den Sack!“ Für einen Moment schloss ich die Augen. „Okay. Muss ich irgendwo anders hin, um den Typen zu treffen?“ „Der ‚Typ’ steht direkt hinter dir“, meldete sich eine Stimme hinter mir zu Wort. Ich zuckte zusammen und drehte mich um. Der Kerl, den ich vorher umgerannt hatte, lächelte mich amüsiert an. „E-Entschuldigung...“, begann ich zögernd und wurde rot. „Kein Problem, ich bin schon so einiges gewohnt“, erwiderte er abwinkend und hielt mir dann eine Hand hin. „Ich bin Toshiya.“ Noch immer ein wenig verlegen, schüttelte ich seine Hand und stellte mich ebenfalls vor. Das Model an sich kam mir nicht wirklich bekannt vor, nur der Name. Ich hatte ein Gefühl, als sollte ich mich an irgendetwas erinnern, mit dem er zu tun hatte... Toshiya warf einen erwartungsvollen Blick zu Kiyo. „Wo sollen wir hin?“ „Und wo kommst du noch mal her?“, wollte ich neugierig wissen, während ich zusah, wie Toshiya geschminkt wurde. Ich war erst als Zweites in den Einzel-Shootings dran, also konnte ich mich noch etwas mit ihm unterhalten. Er sah kurz zu mir. „Vanilla Sky“, antwortete er. „Kennst du mich nicht?“ Hm. Ich dachte nach. Ich wusste, dass jetzt irgendetwas klingeln sollte, aber das tat es nicht. „Entfernt“, gab ich zu. „Ich hab deinen Namen schon mal gehört, auch in Verbindung mit Vanilla Sky, glaube ich...“ „Wundert mich“, erwiderte er. „Normalerweise bin ich recht bekannt. Aber ich habe schon von DIR gehört, vor allem von Hiroto.“ Ich musste lächeln. „Ihr kennt euch?“ „Klar, bei uns kennt jeder jeden, mehr oder weniger gut. Aber ich hab Hiroto geholfen, bei uns einzusteigen, und dann, wieder auszusteigen – ein Jammer eigentlich, dass er nicht länger geblieben ist, aus ihm hätte noch mal richtig was werden können.“ Toshiya zuckte mit den Schultern, weshalb er zum wiederholten Male von der Stylistin angewiesen wurde, still sitzen zu bleiben. „Aber bei uns herrscht nun mal ein hartes Klima.“ „So anspruchsvoll?“, fragte ich nach. Der Schwarzhaarige nickte langsam. „Wirklich SEHR. Aber deshalb gehören wir ja zu den Spitzen, weil wir so ein hohes Niveau haben.“ Er betrachtete mich kurz. „Ich soll auch nur als dein Popularitäts-Pusher fungieren. Sei froh, dass du mir gefällst, sonst hätte Kiyoharu es sich klemmen können.“ Ich versuchte gerade herauszufinden, ob Toshiya schon eingebildet war oder noch sachlich. „Ihr kennt euch auch?“, wollte ich erstaunt wissen. Er lachte leise, was ihm eine weitere Warnung der Stylistin einbrachte. „Wer kennt ihn nicht? Er kennt beinahe jeden Erfolgreicheren aus dem Geschäft persönlich, jeder ist ihm auf jeden Fall schon mal begegnet. Er gibt sich viel Mühe, was seinen Bekanntheitsgrad angeht, vielen neuen Sternchen stellt er sich oft direkt vor. Hat er bei dir auch gewartet, bis du einigermaßen bekannt warst, bevor er sich um dich geschert hat?“ „Na ja...“ Ich legte den Kopf schief. „Er hat mich erst zu einem Model gemacht. Mich auf der Straße angesprochen, mit mir einen kurzen Vertrag ausgehandelt und dafür gesorgt, dass ich berühmter wurde. Und jetzt läuft es mehr oder weniger von selbst. Aber wir kennen uns von Anfang an.“ „Es läuft von selbst? Das würde ich nicht sagen, wenn du noch nicht mal weißt, von welcher Agentur deine Shootingpartner kommen“, bemerkte er freundlich lächelnd und zwinkerte mir zu. „Bild dir noch nicht allzu viel ein, nur, weil du jetzt berühmt bist, an Erfahrung fehlt dir noch sehr viel, besonders, wenn du vorher noch nie gemodelt hast.“ Ich musterte ihn einen Moment. Obwohl er nett wirkte, ein niedliches Lächeln und Lachen hatte, wurde ich doch das Gefühl nicht los, dass ich gerade irgendwie über den Tisch gezogen wurde. „Braucht man denn so unbedingt Erfahrung?“, fragte ich herausfordernd. „Man sollte zumindest wissen, was man will, was man nicht will, und wie man das alles erreichen kann“, antwortete er sofort, noch immer lächelnd. „Weißt du das?“ „Weißt DU denn, was du willst?“, lautete meine Gegenfrage, um etwas Zeit zu gewinnen. Was wollte ich? Ich wollte Kiyo, aber den hatte ich schon, ich wollte... Yuu zurück? Ich wollte, das Kirito und Yasu so glücklich wurden wie Hakuei und Rose? Nein, das betraf mich ja nicht direkt... „Es geht dich zwar nichts an, und ich hab eigentlich zuerst gefragt, aber ja, ich weiß, was ich will“, meinte Toshiya grinsend. „Ich will meinen Ruf ausbügeln und einmal in meinem ganzen Leben ein Shooting mit Anna Tsuchiya machen.“ Stirnrunzelnd sah ich ihn an. „Ein Shooting mit...? Warum das denn?“ „Nur, damit ich den Leuten, die behaupten, ich würde ihr so ähnlich sehen, zeigen kann, dass sie UNRECHT haben!“, erklärte Toshiya mit einem gequälten Unterton. Ich musste lachen und betrachtete ihn dann genauer. „Also geschminkt siehst du schon mehr wie ein Bishonen aus, gewisse Ähnlichkeiten sind da...“ „Warte nur auf unser gemeinsames Shooting, dann kannst du dich auf was gefasst machen“, murmelte Toshiya, der beleidigt wirkte. Ich dachte mir: Was auch immer er mir ‚antun’ will, so schlimm kann es ja nicht sein. Und doch..... doch, konnte es! Es fing alles ganz harmlos an. Zuerst machten wir ein paar Fotos, bei denen wir nur nebeneinander saßen, dann welche Rücken an Rücken. Toshiya korrigierte immer wieder etwas an meiner Haltung, an meinem Gesichtsausdruck und so weiter und so fort – kurz, er spielte sich auf. Aber okay, vielleicht auch berechtigt, das konnte ich nicht abschätzen. Die Fotografin wirkte zumindest ziemlich froh, dass Toshiya ihr die Arbeit abnahm. Abgesehen von Toshiyas Besserwisserei war das Ganze angenehm entspannt, ich hatte mich zwischendurch noch ein bisschen mit ihm unterhalten, hauptsächlich über gemeinsame Bekannte. (Er kannte Hazuki persönlich! Und Atsushi logischerweise auch, das hatte mich überrascht.) Und dann hörte ich irgendwann einen Befehl von Toshiya direkt an meinem Ohr, der mich zusammen mit seiner Hand an meiner Taille doch ein wenig aus dem Konzept brachte: „Augen zu, Kopf in den Nacken legen, etwas nach hinten lehnen.“ Ich schaute ihn irritiert an. „Was?“ Ohne mit der Wimper zu zucken wiederholte Toshiya seine Anweisungen und lächelte dann leicht. „Hat man dir nicht gesagt, was für eine Art Shooting das hier werden sollte...?“ Spätestens da bekam ich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, das mich auch die nächsten vier Stunden nicht mehr losließ. Ich befolgte zwar alle Anweisungen von Toshiya, aber mir war nicht allzu wohl dabei. (Wenigstens hatte ich mich in keiner Weise ausziehen müssen, aber das machte es im Endeffekt auch nicht besser.) Ich konnte noch nicht einmal sagen, dass mir die Art der Fotos nicht gefiel, als wir sie uns hinterher gleich auf dem Laptop ansahen, fand ich sogar, dass sie außerordentlich gut gelungen waren, auf der Stelle Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden und mir gefielen sie auch, allein vom ästhetischen Sinne her. Und dennoch gab es da eine dunkle Vorahnung, ich konnte es nur einfach nicht genauer definieren.... „Und? War das jetzt so schlimm?“, wollte Toshiya zufrieden wissen und schenkte mir ein weiteres Lächeln. Ich erwiderte es schwach. „Wirke ich, als würde ich mir das so zu Herzen nehmen?“ „Du wirkst, als hätte dich jemand entjungfert und du wüsstest noch nicht so ganz, ob du dich darüber freuen oder darüber weinen sollst“, gab er zurück und zwinkerte mir zu, wie er es schon fast die ganze Zeit immer wieder getan hatte. „Das erste Mal ist immer ein bisschen Wehmut dabei. Warte nur ab, bis du damit angeben kannst.“ Darüber dachte ich eine Weile nach. „Ich finde es nur schade, dass wir uns nicht näher kennen und das Ganze hier ein wenig unpersönlich abgelaufen ist.“ Jetzt schlich sich ein Grinsen in Toshiyas Gesicht. „Zwei Sachen – falls es dir noch niemand gesagt hat: Mach nie ein Shooting mit jemandem, der dir viel bedeutet. Da gibt es zu Vieles, das dagegen spricht, das kann ich dir ein anderes Mal aufzählen. Und die zweite Sache...“ Er neigte den Kopf etwas zur Seite und hob die Augenbrauen. „Wenn du möchtest, dann können wir unsere zukünftigen Treffen etwas... persönlicher gestalten.“ Meine Augen wurden groß. „Bitte?“, fragte ich leise. Toshiya lächelte nur wieder. „So leid es mir auch tut und so gerne ich noch etwas mehr Zeit mit dir verbracht hätte, ich muss wieder gehen, die Arbeit schreit geradezu nach mir.“ Er zog mich kurz in seine Arme (und bildete ich mir das ein, oder war seine eine Hand ein bisschen zu weit nach unten gerutscht?) und klopfte mir dann auf die Schulter. „Ruf mich doch beizeiten mal an, ja?“ Und mit den Worten und einem weiteren vielsagenden Lächeln war er verschwunden. Und ich starrte ihm nur eine Weile perplex hinterher, bis ich mich fragte, ob ich gerade ernsthaft von TOSHIYA angemacht worden war. Ich tastete nach der Stelle, an der vorher seine Hand gelegen hatte, und musste feststellen, dass er mich nicht befummelt, sondern mir nur seine Telefonnummer in die hintere Tasche meiner Hose geschoben hatte. ..... Okay, wahrscheinlich hatte er das auch nur getan, um mich befummeln zu können, aber egal. Ich war gespannt auf die Reaktionen auf die Fotos. ~☆~ Kiyo hatte mir zwar gesagt, dass die Fotos von Toshiya und mir in der GLAMOUR ☆ FASHION-Ausgabe vom März sein würden (und auch noch in irgendeiner anderen Zeitschrift), aber ich hatte es vollkommen verpennt, mir diese anzuschauen, weshalb ich nichts Böses ahnend am 1. März nachmittags in einem Café saß und bei einem Kaffee versuchte, mich geistig auf das kommende Interview vorzubereiten. Ich hatte noch ungefähr eine halbe Stunde, bis ich den Journalisten treffen sollte, jemanden von der Zeitung Honshū News, oder wie auch immer sie hieß. Zumindest kein Käseblatt, so viel war mir gesagt worden. Im nächsten Moment wurde vor mir eine Zeitschrift auf den Tisch geknallt, sodass ich zusammenzuckte, etwas von dem Kaffee verschüttete und erschrocken aufsah. Hakuei ließ sich auf den Sitz mir gegenüber sinken und starrte mich durchdringend an. „Lies“, befahl er leise. „Oder vielmehr: Schau.“ Neugierig betrachtete ich die Zeitschrift genauer. Es war eine namhafte Modezeitschrift, das wusste ich, davon hatte Kiyo mir erzählt. Aber viel interessanter fand ich das Cover: Toshiya und ich lehnten Rücken an Rücken, ich sah mit einem kühlen Blick zur Seite, und Toshiya blickte genau in die Kamera, ein verschmitztes und nur bei näherer Betrachtung erkennbares Lächeln auf den dunkler geschminkten Lippen. Ich möchte nicht angeben, aber wir sahen zum Anbeißen aus. Schnell blätterte ich zu den angegebenen Seiten, um mir auch die restlichen Fotos anzuschauen, die ausgewählt wurden. Was wir anhatten, ist nicht ganz so interessant, aber wir sahen auf jeden Fall elegant aus. Daher wirkte es auch nur umso eleganter auf dem ersten Bild, auf dem ich die Augen geschlossen und den Kopf etwas zur Seite geneigt hatte, und Toshiya hatte von hinten einen Arm um mich geschlungen, berührte meine Lippen mit den Fingerspitzen und betrachtete meinen Hals, als würde er gleich hineinbeißen wollen. Es folgten noch ein paar langweilige (vielmehr harmlose) Bilder entweder von uns beiden allein oder nur welche ohne jeglichen Körperkontakt, dann kam wieder eins, das mir richtig gut gefiel: Wir beide mit geschlossenen Augen, ich eine Hand auf seiner Brust, er eine Hand an meinem Kinn, das er anzuheben schien, und unsere Lippen geöffnet und nur getrennt durch Millimeter. Wir wirkten wirklich so, als würden wir uns gleich küssen wollen. Und dabei hatte das Ganze nichts Versautes an sich, sondern war noch so künstlerisch und geschmackvoll, dass ich mich selbst bewundern musste. „Stolz?“ Ich hob den Blick und musste feststellen, dass Hakuei mich noch immer unverwandt anstarrte. „Also ICH finde die Bilder vollkommen gelungen“, gab ich ehrlich zurück. Er seufzte leise. „Es liegt nicht an den Bildern, Gara. Die sind klasse. Wenn ich nicht schon auf Männer stehen würde, dann hättest du mich damit endgültig überzeugt, aber... Verstehst du nicht, worauf ich hinaus will?“ Verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Was meinst du?“ „Weißt du, wer das ist?“, wollte er wissen und deutete auf Toshiya. „Das ist Toshiya, ein sehr erfolgreiches Model von Vanilla Sky, unheimlich erfahren, ein bisschen arrogant und recht pervers“, antwortete ich. Hakuei hob eine Augenbraue. „Pervers?“ „Er hat mich angemacht“, gab ich stirnrunzelnd zurück. „Ich hab ihm gesagt, dass ich es schade fand, dass das Shooting so unpersönlich abgelaufen ist, worauf er meinte, dass wir unsere nächsten Treffen ja etwas persönlicher gestalten können.“ „Wie auch immer. ... Weißt du, was er GEMACHT hat?“, fuhr Hakuei fort. „Durch irgendwas seinen Ruf verloren?“, riet ich. „Richtig. Und weißt du auch, wodurch?“ „Sollte ich das wissen?“ „Er ist vor gerade mal drei Jahren mit an den Haaren herbeigezogenen Lügen über Jui an die Öffentlichkeit gegangen, hat gebeichtet, dass sie bereits seit Längerem zusammen waren, und-“ „WHOAH!!“ Ich starrte ihn entsetzt an. „Nicht wirklich, oder?“ Hakuei schwieg einen Moment. Ich lief rot an. „Scheiße“, murmelte ich leise. Ich erinnerte mich, wie Yuu mir von diesem Skandal erzählt hatte, Toshiya soll wohl über Jui Lügen aus dessen angeblicher Karriere als Drogendealer verbreitet haben... Und zusammen waren sie auch noch gewesen. Und jetzt hatte ich ohne irgendeinen Hintergedanken ein Shooting mit diesem... Typen gemacht. „Oh, verdammte...“ „Damit machst du dir keine Freunde, Gara“, nickte Hakuei säuerlich lächelnd. „Du bist zu kurz im Geschäft, als dass du dir so was leisten könntest, deshalb kann ich dir jetzt, wo es sowieso schon zu spät ist, nur noch raten, dich vorher über deine Shootingpartner zu informieren – denn selbst wenn die Fotos durchaus ansprechend sind, die Öffentlichkeit vergisst nicht so schnell.“ Ich schüttelte leicht den Kopf. Und Kiyo hatte dieses Shooting für mich arrangiert – warum? Warum hatte er das getan, obwohl er doch auf jeden Fall gewusst haben muss, was Toshiya getan hatte? „Und... jetzt?“, fragte ich etwas hilflos. „Jetzt hältst du den Kopf oben, selbst, wenn du mit faulen Tomaten beworfen wirst“, erwiderte Hakuei schulterzuckend. „Du hast dir das Ganze eingebrockt, jetzt musst du damit leben. Du kannst dich schlecht von dir selbst distanzieren, das sieht die Öffentlichkeit nicht gerne. Behaupte einfach, dass du Toshiya bereits vorher kennen gelernt hast, ihr euch sofort sympathisch wart und deshalb dieses Shooting zusammen gemacht habt. Weise aber alle Gerüchte zurück, dass ihr beiden irgendetwas miteinander habt, egal, ob dir geglaubt wird oder nicht, und betone auch, dass Jui in dem Ganzen absolut keine Rolle gespielt hat, weder aktiv noch passiv.“ Unzufrieden runzelte ich die Stirn. Das hörte sich ziemlich ernst an. „Das ist das Einzige, was ich machen kann?“, fragte ich skeptisch nach. „Du kannst natürlich auch versuchen, den Leuten zu erklären, dass du so beschränkt bist und keine Ahnung davon hattest, dass die Toshiya und Jui zusammen gewesen sind.“ Okay. Er hatte wahrscheinlich recht. Jetzt musste ich mich irgendwie aus der Affäre ziehen. „Gut, das... ist wahrscheinlich das Beste.“ Dann fiel mir etwas anderes ein. „Was ist aber, wenn Toshiya die Geschichte mit ihm und mir abstreitet?“ Da musste Hakuei lächeln. „Bist du so naiv oder tust du nur so? Du hast doch selbst gesagt, dass Toshiya auf dich steht.“ Ich blinzelte ungläubig. „Ich soll.... WAS?!“ „Woran du wieder denkst....“ Er seufzte frustriert. „Zu viel Zitronentee getrunken? Du sollst nicht gleich mit ihm ins Bett gehen, lass ein bisschen deinen Charme spielen.“ „Charme?“, fragte ich zweifelnd. Hakuei grinste. „Hast du nicht, oder wie?“ „Ich.... weiß nicht.“ „Wenn du keinen hättest, dann hätte er dich ganz bestimmt nicht angemacht. Du versuchst einfach, verführerisch zu wirken, umschnurrst ihn ein wenig, machst ihm die Sache schmackhaft und haust wieder ab.“ „Okay.“ Ich atmete einmal tief durch. „Das hört sich nach einem Plan an. Danke, Hakuei.“ „Also so langsam solltest du lernen, wie es ist, auf eigenen Beinen zu stehen und nicht immer von den Meinungen oder Ratschlägen anderer abhängig zu sein“, warf Hakuei ernst ein und musterte mich. Ich nickte langsam. „Ja, das... sollte ich wohl. Trotzdem danke.“ Nachdem Hakuei gegangen war, schaute ich nach, ob ich Toshiyas Telefonnummer noch in meiner Brieftasche hatte. Ja, hatte ich. Perfekt. ~☆~ Na ja, und etwas mehr als zwei Tage, einige Stunden und offensichtlich zu viel Charme sowie zu wenig Durchsetzungsvermögen meinerseits später hörte ich mich selbst aufkeuchen, als Toshiya ohne Vorwarnung mit zwei Fingern in mich eindrang und dabei mit den Zähnen eine sehr empfindliche Stelle an meinem Hals bearbeitete. Ich weiß auch nicht mehr so ganz, wie es dazu gekommen war, wir hatten uns bei ihm verabredet, und nachdem ich ihn ein wenig ‚angeschnurrt’ hatte (hieß so viel wie Komplimente machen, ihn immer wieder verstohlen anlächeln, gewisse Andeutungen fallen lassen und hinterher behaupten, nichts in der Richtung gesagt zu haben, kurz: ich hatte geflirtet, was das Zeug hielt), hatte er mich irgendwann gepackt, auf den Esstisch gesetzt und angefangen, mich auszuziehen, während er mir die Zunge in den Hals schob. Was hatte Hakuei noch mal gesagt? Ich musste nicht gleich mit Toshiya ins Bett gehen? Tja, nun sah es wohl so aus, als käme ich nicht mehr darum herum. Ich seufzte leise auf und krallte mich etwas in Toshiyas Schultern, kniff dabei die Augen zusammen, weil es nun doch schon ein paar Tage her gewesen war, seitdem ich das letzte Mal mit Kiyo geschlafen hatte, und da hatte sich natürlich ein gewisser Druck aufgestaut. „T-Toshiya...“, machte ich noch einen verzweifelten letzten Versuch und klammerte mich gleichzeitig mit einem Arm an ihn, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Ich... will...“ Ich wollte, dass er verdammt noch mal aufhörte und mich für den Rest meines Lebens in Ruhe ließ, aber wenn ich wie ein Mädchen etwas zwischen die Beine gesteckt bekam, dann funktionierte mein Gehirn nicht mehr richtig, und so kam sonst nichts weiter über meine Lippen. „Mehr?“, hauchte er mir ins Ohr und grinste dreckig, ehe er mir seine Finger entzog und dann meine Beine weiter auseinander drückte, bis es beinahe weh tat. Auch, als ich den Kopf schüttelte, um ihm zu zeigen, dass ich das nicht hatte sagen wollen, zeigte er sich unbeeindruckt. „Nicht? Willst du, dass ich aufhöre?“, wisperte er und biss in meinen Hals. Ich nickte langsam und stöhnte erstickt auf, als er in mich stieß. Er war längst nicht so zärtlich, vorsichtig oder leidenschaftlich wie Kiyo oder Hakuei (geschweige denn Rose), sondern schien wirklich nur auf meinen Körper scharf zu sein, mehr nicht. Er wollte mich nicht, weil er mich mochte, weil ich ihn faszinierte oder sonst irgendetwas. Er wollte mich, um pure Lust zu erleben. Und irgendwie ließ mich dieses Wissen nur noch genüsslicher aufstöhnen, während er immer wieder unbarmherzig in mich drang und mir noch nicht einmal Zeit gab, mich an ihn zu gewöhnen. Es machte mich an, dass er nur heiß auf meinen Körper war – war das krank? „Willst du immer noch, dass ich aufhöre?“, flüsterte Toshiya lächelnd. Ich schnappte atemlos nach Luft und schüttelte sofort den Kopf. „Ich kann dich nicht hören...“ „Nein...“, presste ich hervor und stöhnte erneut laut auf, als er unvermittelt meinen Punkt traf. „Mach... weiter...“ Ich hasste ihn dafür, dass er sich in so einer Situation noch so gut artikulieren konnte. Er grinste und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Fühlt es sich so gut an?“, wollte er gnadenlos weiter wissen. „Ja...“, stöhnte ich als Antwort und schlang die Beine um seine Taille. „So... gut... schneller...“ Und Toshiya gehorchte mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. Nach dem einen Mal auf dem Küchentisch vernaschte er mich einmal mitten im Flur, weil wir es nicht mehr bis zum Schlafzimmer geschafft hatten, und dann in seinem Bett noch einmal. Hinterher lagen wir nebeneinander, er rauchend, ich ihn zuheulend. „Weißt du, und dabei BIN ich eigentlich schon glücklich vergeben....“, murmelte ich fassungslos und schüttelte immer wieder den Kopf. Toshiya grinste mich an. „Ich doch auch, oder glaubst du ernsthaft, dass jemand wie ich lange Single bleiben kann?“ „Dann hoffe ich für dich, dass du keinen Stress wegen mir kriegst...“, erwiderte ich. „Ach, Quatsch, er weiß, dass ich mich gerne mal aushäusig bediene, das ist kein Problem. Und wenn dein Kerl auch aus der Modebranche ist, dann wird er wissen, dass es ohne ein bisschen Fremdgehen auch nicht geht.“ Er sah mich an. „Oder?“ „Ich bin ihm aber bis jetzt noch nie fremd gegangen“, bemerkte ich leise und schuldbewusst. „Und wie lange seid ihr zusammen?“ „Uhm... RICHTIG zusammen oder zählt auch nur so halb?“ „Nur so halb zählt auch.“ „Dann...“ Ich überlegte. „Ungefähr ein halbes Jahr.“ „Und du hast ihn ein HALBES JAHR nicht betrogen?“ Toshiya hob die Augenbrauen. „Glaub ich dir nicht. Nicht bei eurer... was ist das? Weihnachtsparty? Da werden doch haufenweise Typen durchgevögelt, erzähl mir nicht, dass du Häschen da außen vor geblieben bist.“ „Hm.“ Okay, da hatte er recht. „Außerdem, wenn man berühmt ist, dann muss man teilweise Sex einsetzen, um das zu kriegen, was man haben will. Nicht wahr?“ Er lächelte und strich mir durchs Haar. „Du wolltest doch eigentlich nur ein bisschen schleimen, damit ich dir aus deiner Misere helfe, richtig?“ Ich schob seine Hand beiseite. „Na ja....“ „Keine Panik, wenn du schlecht im Bett gewesen wärst, dann hätte ich es allein schon abgestritten, um dich zu ärgern, aber du gefällst mir, Gara. Auch wenn du ein bisschen planlos bist.“ Er grinste wieder, drückte seine Zigarette aus und mir einen Kuss auf den Mund. „Ich bin nicht planlos!“, protestierte ich. „Ich komm auch ganz gut alleine klar!“ „Ach?“ Toshiya setzte sich auf und zog mich auf seinen Schoß. „Dann zeig doch mal, was du kannst.“ ~☆~ Im Endeffekt konnte ich doch einiges von meinem Image retten, vor allem durch mein Interview im Honshū News, das ich am 1. März gegeben hatte – überraschender- und glücklicherweise war es Sachiko gewesen, die mich hatte interviewen sollen (sie war schon wieder befördert worden), und so konnte ich ihr die Sache erklären, mich von ihr beraten lassen, was wohl das Beste für mich wäre, und erst einmal klarstellen, dass Jui bei dem gesamten Shooting, vorher und auch nachher nie ein Thema gewesen war. Und dann, als Toshiya die Geschichte, die ich zum Besten gegeben hatte, auch noch offiziell bestätigte und abstritt, dass wir was zusammen hatten (spätestens dabei wäre ich am liebsten im Boden versunken), ebbte die Flut an empörten Mails, Briefen und Anrufen endlich ab. Es kamen immer noch welche, klar, ganz würde ich diese Sache auch niemals loswerden können, aber wenigstens hatte ich nicht komplett mein Gesicht verloren. Seltsamerweise stellte sich aber auch noch ein anderer Effekt ein, den ich mir so überhaupt nicht vorgestellt hätte – mein Bekanntheitsgrad stieg mit einem Schlag drastisch. Ich war zwar nicht unbedingt beliebter (außer bei den Yaoi-Fangirls etc.), aber berühmter auf jeden Fall, inzwischen kursierten die Bilder aus der einen Modezeitschrift und aus GLAMOUR ☆ FASHION (es waren verschiedene genommen worden, um das Ganze etwas interessanter zu gestalten), fast überall im Internet, die Zeitschriften verkauften sich wie sonst was, ich war Thema Nummer 1. Mir fiel ein Satz ein, den ich irgendwo gehört hatte: Selbst wenn es Kritik ist – Aufmerksamkeit bleibt Aufmerksamkeit. Ich hatte vorher nicht daran geglaubt, dass man sich über negative Aufmerksamkeit freuen könnte, aber offenbar tat ich genau das. Ich hatte natürlich ein schlechtes Gewissen wegen Jui (bei dem ich mich bereits hatte entschuldigen wollen, aber seitdem gingen er und Miyavi mir nur noch aus dem Weg), und ein noch schlechteres wegen Toshiya beziehungsweise wegen Kiyo – ich hatte ihn betrogen! Und trotzdem fühlte es sich nicht halb so schlimm an wie erwartet, mich traf auch nicht der Blitz, ich log einfach ein paar Mal und die Sache war gegessen. Seltsam, ich hätte erwartet, nicht so leicht davon zu kommen. Hakuei und Rose sahen die zweite Sache allerdings nicht so eng wie die erste – sie fanden es zwar schade, dass ich es mir wahrscheinlich mit Jui verdorben hatte, aber sie lachten mich dafür aus, dass ich Toshiya nicht mal hatte widerstehen können. „Ich habe Kiyo betrogen, versteht ihr das nicht?!“, versuchte ich ihnen die Sache begreiflich zu machen. „Und was war auf der Weihnachtsparty?“, fragte Rose lächelnd und zog eine Augenbraue hoch. „Das ist was anderes! Da hatte ich seine Erlaubnis.“ Ich runzelte die Stirn. „Zumindest fast.“ „Und als du fast mit Rose geschlafen hast und es auch HÄTTEST, wenn ich nicht just in dem Moment vorbeigekommen wäre?“, fragte Hakuei, ebenfalls lächelnd. „Das ist auch was anderes!“, verteidigte ich mich. „Ich hab ja schon einmal mit ihm, da zählt ein zweites Mal doch auch nicht mehr!“ Aus irgendeinem Grund lachten sie dabei noch mehr. Oh, stimmt, fast hätte ich das Wichtigste vergessen – wen hatte ich seit dem 1. März nicht mehr gesehen und nur ganz selten gesprochen? Richtig. Kiyo. Nicht, dass er mich abblockte, aber er musste ständig arbeiten, immer hatte er etwas zu tun, und ich konnte es ihm nun mal nicht übel nehmen – die neuen Kollektionen waren erschienen, und er musste neue Verträge abschließen, die richtigen Entscheidungen treffen, solche wichtigen Dinge eben. Da hatte er keine Zeit für mich. Und dabei wollte ich ihm so einiges erzählen. Anfang der zweiten Märzwoche fand sich endlich ein halber freier Tag, den er mit mir verbringen konnte. Er wirkte gestresst und müde, und trotzdem lud er mich zum Essen ein, war so lieb wie immer und brachte mich immer wieder zum Lachen, obwohl ich ihn eigentlich hätte aufmuntern sollen. Gut, vielleicht tat ich das auch, zumindest wirkte er, als wir zurück bei ihm zuhause waren, nicht mehr ganz so angespannt. Massieren tat ich ihn trotzdem, ich fand, das hatte er verdient. Und außerdem würde er dann das Gefühl kriegen, mir meine Frage auf jeden Fall beantworten zu müssen, wenn ich schon so viel für ihn tat. „Kiyo~...?“, fing ich an. Er saß vor mir, hatte die Augen geschlossen und fuhr mit den Fingerspitzen zärtlich über einen meiner Oberschenkel, während ich seine Schultern massierte. „Was ist, Süßer?“, fragte er sanft. Schon alleine, wie liebevoll er dieses ‚Süßer’ sagte.... ich konnte ihm überhaupt nicht mehr böse sein. Am liebsten hätte ich ihn geknuddelt und ihm tausend mal gesagt, wie sehr ich ihn liebte. „Zu der Sache mit Toshiya.....“ „Du wusstest nicht, wer er war, oder?“, wollte er ruhig wissen. Ich hielt inne und senkte den Blick. „Wenn du es gemerkt hast... warum hast du nichts gesagt? Warum hast du vorher nichts gesagt? Warum hast du überhaupt IHN genommen?“ Mit einem leisen Seufzen drehte er sich zu mir um und legte mir eine Hand auf die Wange. „Es tut mir leid. Du hast Recht, ich hätte dir Bescheid sagen sollen, ich hätte dich um Erlaubnis fragen sollen... aber ich habe befürchtet, dass du dann nicht mehr dazu bereit wärst. Es war ein großer Schritt für dich, oder? Und dass du ihn gemeistert hast, siehst du daran, dass das Land dich noch immer liebt, dass die Bilder absolute Spitze geworden sind und dass du ohne große Probleme und auch ohne meine Hilfe damit fertig geworden bist. Das war wirklich eine wichtige Stufe, Gara, dass du dich nicht immer auf mich verlässt – eigentlich solltest du dich alleine um deinen Bekanntheitsgrad, um deine Shootings und so weiter kümmern.“ Warum redete in letzter Zeit jeder irgendwas davon, dass ich nicht selbstständig war und mir ständig Hilfe holen musste? Als würde ich jedes Mal um Hilfe schreien, wenn ich mit einer Situation nicht klar kam.... „Hm. Stimmt eigentlich“, erwiderte ich nachdenklich. „Aber warum hast du ausgerechnet Toshiya ausgesucht? Warum nicht irgendwen anderen?“ „Um bewusst zu provozieren“, antwortete er lächelnd und küsste mich lange. „Und offensichtlich war es doch ein Erfolg, oder?“ Er wich mir aus. So langsam bekam ich das Gefühl, abgefertigt, wenn nicht sogar abserviert zu werden. Warum hatte er mich nicht vorher GEFRAGT? Schließlich war es MEINE Person, die jetzt in aller Munde war, nicht seine! Er hätte mir wenigstens, allerwenigstens Bescheid sagen können. War das denn zu viel verlangt? Ich machte den Mund auf. „Und ihr beiden scheint euch – wenn das stimmt, was ich gehört habe – doch auch gut verstanden zu haben, oder?“, wechselte er das Thema abrupt und lächelte wieder. Oh-oh.... Jetzt begab ich mich auf gefährliches Terrain. „Er ist ganz nett“, wich ICH ihm dieses Mal aus. Ich musste aufpassen, erstens war Toshiya Teil von GLAMOUR ☆ FASHIONs Erzfeind, und zweitens sollte ich wohl mein Treffen mit ihm möglichst unter den Tisch kehren und hoffen, dass er dasselbe tat. Um abzulenken, wollte ich wieder auf das eigentliche Thema zurückkommen, aber auch dieses Mal war Kiyo schneller als ich. „Nur, was mich gewundert hat, ist, dass er deiner Geschichte, dass ihr euch vorher schon getroffen habt, einfach so zugestimmt hat, schließlich-“ „Bitte, red nicht mehr von der Arbeit“, bat ich leise und setzte meinen liebsten Blick auf. Er grinste und küsste mich ein zweites Mal. „Wie du wünschst.“ Verdammt. Ich fühlte mich in dem Moment ein wenig ratlos – konnte Kiyo sich denken, was zwischen Toshiya und mir passiert war? Wenn ja – warum störte es ihn nicht? Wenn nicht, warum hatte er dann so zielgerichtet gefragt? Ach, ich sollte mit dem Denken aufhören. Das verkomplizierte die Dinge doch nur. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ Es kommen nicht mehr viele Kapitel, nur noch bis 12, und die hab ich alle fertig... >_>; Kommentare, die konstruktiv sind, verdienen einen Kuchen, die anderen kriegen nur einen Keks ;) Fashion#5 --------- Rating: NC-17 (MUAHA) Beta’d: mit sehr viel Liebe gebeta’d von dem (zu recht *pfeif*) ungeduldigen Hasipupsi Tattoo Disclaimer: Kei gehört Ryo (der besitzt seine Seele) und Mirai gehört Larme D’ange ^^; A/N: ES TUT MIR LEID, DASS ICH ERST JETZT WIEDER UPDATE, ICH BEDECKE MEIN HAUPT MIT ASCHE, ESSE DREI MAL TÄGLICH LAKRITZ FÜR EUCH LEUTE UND SCHÄME MICH IN GRUND UND BODEN!!!!!!!! ich verbeuge mich bis zur Erde und darüber hinaus vor euch aus Scham .________. verzeiht mir >.< ich hoffe, das Kapitel kann es wenigstens ein kleines bisschen wieder gut machen <_< ~★~☆~★~☆~★~ In der letzten Märzwoche gestand Kirito Yasu endlich, dass er ihn liebte. Ich musste das endlich betonen, weil Kirito vorher noch ungefähr zwanzig Mal (ungelogen!) mit mir telefoniert hatte, teilweise während meinen oder seinen Shootings, sogar einmal mitten in einem Interview. Und jedes Mal beklagte er sich herzzerreißend darüber, in was für einer Misere er steckte, dass er nicht mehr klar kam mit seinem Leben, dass er es Yasu sagen wollte, dass er SO nicht weiterleben konnte, dass er Schuldgefühle hatte wegen seinem Freund, dass er es nicht mal mehr ertragen konnte, Yasu anzusehen, und wenn er schon allein in seiner Nähe war, wurde er nervös... Und jedes Mal noch ein wenig ausgeschmückter, noch ein wenig verzweifelter, noch ein wenig sehnsuchtsvoller. Er tat mir leid, aber ich verstand ihn nicht– warum ging er nicht einfach zu Yasu hin und beichtete es ihm? Dann könnte er sich entweder darauf einstellen, von ihm loszukommen, oder aber mit ihm glücklich werden. Das war doch viel besser als diese schreckliche Ungewissheit, als dieses In-der-Luft-Hängen – fand ich zumindest. Aber Kirito unternahm nichts, um sein Seelenheil zu retten. Ganz ehrlich, so langsam hatte er bereits begonnen, mir auf den Geist zu gehen – solange er sich noch über seine Gefühle nicht im Klaren gewesen war, hatte ich ihm natürlich zur Seite gestanden, aber wenn er zu feige war, diese dann hinterher auszusprechen, auch auf starkes Drängen meinerseits, dann wurde es doch ein wenig viel, wenn ich ihn andauernd trösten sollte. Ich bekam sogar den leisen Verdacht, dass er sich in seinem Leid ganz wohl fühlte. Aber so richtig konnte ich mir das nicht vorstellen – nicht bei Kirito, nicht bei dem ehrgeizigen Model, das er war. Und dann, Ende März, war es schließlich so weit. Kirito hatte sich einen Samstag ausgesucht, an dem er Yasu zu einem Spaziergang einlud, ganz romantisch. Am Abend des besagten Tages begann ich zu verstehen, warum Kirito einen Samstag gewählt hatte. Und warum er vorher lieber in seiner Sehnsucht aufgegangen war, als mit Yasu zu reden. Ich saß mit ihm etwa eine Stunde nur auf seiner Couch, umarmte ihn, drückte ihn an mich und flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr, während er ohne viel Erfolg versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen. Viel von dem, was passiert war, hatte ich noch nicht erzählt bekommen, nur das Wichtigste: Yasus Antwort war ein klares Nein gewesen mit der Begründung, dass er Kirito zwar außerordentlich als Freund schätzte, aber mehr auch nicht. Er hatte sich sein ganzes Leben lang für Frauen interessiert, und das hatte sich auch nicht geändert. Allein das hätte schon gereicht, um Kiritos Selbstvertrauen mit einem Mal sich in Luft auflösen zu lassen, aber dann hatte Kirito noch irgendetwas gemacht (was genau, wusste ich nicht), wegen dem Yasu definitiv wütend auf ihn sein würde. Und jetzt waren nicht nur alle Hoffnungen von Kirito zerschlagen worden, er hatte auch extreme Schuldgefühle. Besonders schlimm war es für ihn auch dadurch, dass er sich die ganze Situation unheimlich zu Herzen nahm. Ich hätte nicht gedacht, ihn jemals so am Boden zu sehen. Irgendwann löste sich der Schwarzhaarige wieder von mir, wischte sich die Tränen von den Wangen, schniefte einmal und hielt den Blick gesenkt. „Ich fühl mich so mies....“, murmelte er kraftlos. Kurzerhand nahm ich seine Hand und drückte sie fest. „Du kannst nichts dafür, Kirito“, erwiderte ich sanft. „Doch!“ Jetzt schaute er mich für einen Augenblick an. „Ich... Als er mir gesagt hat, dass es ihm furchtbar leid tut und er auch alles dafür tun würde, dass es mir besser geht, hab ich ihn gebeten, noch mit zu mir nach Hause zu kommen....“ „Kirito“, sagte ich leise. „Ich... hab ihn geküsst und versucht, ihn auszuziehen, und natürlich hat er sich gewehrt, ich war schon kurz davor, ihn irgendwo anzubinden... da ist mir klar geworden, was ich eigentlich gerade tue... und dann ist er abgehauen...“ Er brach wieder in Tränen aus und ich zog ihn wieder an mich, schwach den Kopf schüttelnd. „Ich... war so verzweifelt... verstehst du?“, flüsterte er. „Ja... ist schon okay“, wisperte ich zurück und strich ihm über den Kopf. „Das vergibt er dir, Kirito. Bestimmt.“ Oh ja, jetzt konnte ich verstehen, warum er sich einen Samstag ausgesucht hatte – damit er den Sonntag noch zur Erholung hatte. Und jetzt wurde mir auch langsam bewusst, weshalb Kirito so lange gewartet hatte – er hatte von Anfang an gewusst, dass er keine Chance bei Yasu haben würde. Er hatte es gewusst, und sich trotzdem in ihn verliebt, sich trotzdem in das Ganze so reingesteigert... Hatte er sich vielleicht nur in Yasu verliebt, um ihm aus der Ferne hinterher schmachten zu können, sich nach ihm zu verzehren, mit dem bittersüßen Wissen, dass er ihn wohl immer würde beobachten, aber niemals besitzen können? Ich hatte bereits gehört, dass für manche Menschen gerade diese Unsicherheit, ob man nicht doch vom Angebeteten akzeptiert würde, diese Sehnsucht, mit der man demjenigen nachhimmelte, das Beste an der Liebe war. Wie schon gesagt, ich verstand Kirito nicht so ganz – ich persönlich wusste lieber, ob die Person, an der ich interessiert war, dieses Interesse auch erwiderte oder nicht, anstatt dass ich sie aus der Ferne vergötterte und in meinen Gedanken als ein ganz anderes Wesen darstellte als das, was sie war. Und offensichtlich war Kirito mit dieser Sehnsucht nicht fertig geworden, sonst hätte er sich nicht (fast) an Yasu vergriffen. Eine weitere halbe Stunde später hatte sich der Schwarzhaarige wieder so weit beruhigt, dass er sich nur noch mit geschlossenen Augen an mich kuschelte und sich nicht mehr von der Stelle rührte. Besorgt streichelte ich ihm über den Kopf. „Und was machst du jetzt?“, wollte ich vorsichtig wissen. „Ewig in Schande leben?“, schlug er leise vor. Okay, SO schlimm konnte es ihm nicht mehr gehen, wenn er wieder dramatisch wurde. „Nein, ernsthaft. Meinst du, du wirst damit fertig?“ „Ich muss. Miya, Kiyo und Hyde würden mich zusammen umbringen, wenn ich wegen so was gehen würde. Vor allem, weil ich es ja eigentlich von Anfang an wusste...“ Kirito seufzte einmal, rutschte dann etwas an mir herunter, legte den Kopf auf meine Beine und rollte sich auf dem Sofa zusammen. „Na ja... also umbringen werde ich mich nicht, das kann ich dir schon mal sagen...“ Darauf musste ich lächeln und strich abwesend über seine Wange. „Das ist gut. Ohne dich wäre es auch ziemlich langweilig...“ „..... Du bist bescheuert, weißt du das eigentlich?“, murmelte der Schwarzhaarige, ohne die Augen aufzumachen. „Ich weiß nicht, wie du mich die ganzen letzten Wochen, sogar Monate ausgehalten hast... und warum du jetzt IMMER NOCH hier bist, ist mir vollkommen schleierhaft.“ Ich lächelte wieder und schüttelte leicht den Kopf. „Frag mich nicht, ich weiß es auch nicht“, gab ich zurück. „Aber ich glaube, dass du trotzdem noch mal mit ihm reden solltest, damit du deine Schuldgefühle nicht dein ganzes Leben mit dir rumschleppen musst...“ „Ja, wahrscheinlich sollte ich das tun...“, erwiderte Kirito nachdenklich. „Weißt du... selbst wenn ich es wusste, tut es dennoch weh... und diesen Schmerz werde ich nicht so schnell wieder los, vielleicht nie. Aber überleben werde ich es.“ „Wenigstens frisst du nicht alles in dich hinein, sondern redest darüber...“ Da drehte er seinen Kopf so, dass er mich ansehen konnte, und lächelte jetzt selbst schwach. „Wenigstens habe ich jemanden, der mir zuhört.“ Damit griff er nach meiner Hand und hauchte mir einen Kuss auf den Handrücken. „Freundschaft ist gegenseitiges Zuhören“, bemerkte ich glücklich und strich ihm mit der anderen Hand wieder durch die Haare. Es tat gut, von Kirito ein ‚danke’ zu hören, und vor allem in dieser Form. Ich wüsste auch nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich ihn und Yasu am Anfang nicht kennen gelernt hätte... Und Kirito würde nie jemand ersetzen können, auch wenn ich Kiyo liebte, auch wenn ich besser mit Hakuei über ernste und vor allem mich persönlich betreffende Dinge sprechen konnte. Er war und blieb.... Meine Gedanken stockten für einen Moment, als ich Kiritos Zunge an meiner Hand spürte, dann kurz seine Zähne. Er küsste meine Finger entlang und umschloss meine Fingerspitzen dann mit den Lippen. „Kirito!“, beschwerte ich mich unwirsch. Er sah mich mit seinen fast schwarzen Augen an. „Bleibst du heute Nacht hier...?“, bat er. „Nicht für so was“, murrte ich. „Ich brauche ein bisschen Trost....“ Bitte? Erst war monatelang davon die Rede, dass er Yasu über alles liebt, und jetzt wollte er mit mir....? Ich betrachtete ihn stirnrunzelnd. „Nur heute Nacht...“ Er setzte sich auf und setzte seinen herzallerliebsten Blick auf. „Ich verspreche dir, dass ich dich nie mehr darum bitten werde, aber jetzt möchte ich abgelenkt werden...“ Sein Flehen wurde eindringlicher, aber er unternahm nichts, um mich irgendwie zu zwingen oder so. Wenn ich nein sagen würde, dann würde er es wahrscheinlich ohne Weiteres akzeptieren. Konnte man aber jemandem, der so verzweifelt war, einen Wunsch abschlagen? ~☆~ Der darauffolgende Montag war sowohl für Kirito als auch für Yasu und mich kein Problem, da Kirito und Yasu jeweils den kompletten Tag separat beschäftigt waren und Yasu deshalb keinem von uns beiden begegnen musste. Ich informierte Hakuei und Rose über das, was passiert war. Hakuei war entgeistert darüber, dass Kirito (Hakuei fügte hier noch ein ‚MEINEN’ ein) Yasu fast vergewaltigt hätte, meinte aber, dass er sich da nicht einmischen würde, höchstens Yasu noch beistehen, wenn er das wollte. Kiyo traf ich an diesem Tag nicht. Wir sahen uns sowieso ziemlich selten – entweder war er beschäftigt oder ich. Das machte mich unzufrieden. Ich wollte mich nicht noch mehr von ihm entfernen. Zwar unabhängig werden, wie er gesagt hatte, aber mich dabei nicht von ihm loslösen. Am Dienstag erfuhren wir (also alle Models, die für GLAMOUR – FASHION arbeiteten), dass Yasu gefeuert worden war. Ich erfuhr es nicht als erster: Früh am Morgen hatte ich noch mit einem Journalisten gesprochen, also betrat ich das Hauptgebäude etwas später als gewöhnlich. Die Eingangshalle war voll von kleineren Grüppchen, die sich eifrig unterhielten und alle wirkten, als hätten sie soeben den Tod ihres Idols erfahren. Neugierig trat ich zu ein paar mir unbekannten Models (drei der fünf weinten) und fragte sie, was los sei. „Yasu ist entlassen worden!“, antwortete einer von ihnen, woraufhin ein anderer aufschluchzte. Abgesehen von der Tatsache, dass mich diese Neuigkeit vollkommen die Fassung verlieren ließ, sodass ich den Typ ungefähr eine Minute nur entgeistert anstarren konnte, überraschte es mich, dass Models, die ich vorher noch nie gesehen hatte, so emotional darauf reagierten. Gut, ich wusste nicht alles, was Yasu in seiner Freizeit trieb, vielleicht kannte er sie persönlich, aber beste Freunde waren sie trotzdem bestimmt nicht – und dennoch wirkten sie vollkommen fertig. „Was?“, fragte ich irgendwann. „Kiyoharu hat es heute morgen bekannt gegeben“, nickte der andere, der nicht am schniefen war, resigniert und hielt den Blick auf den Boden geheftet. „Er hat allerdings nicht gesagt, warum...“ Ich bedankte mich kurz, wandte mich ab und stürmte los. Die seltsamsten Vorstellungen fanden ihren Weg in meinen Kopf – hatte Kirito etwas damit zu tun? Nein, wenn er gewollt hätte, dass Yasu ihm nicht mehr vor der Nase rumlief, dann wäre dieser wahrscheinlich eher freiwillig gegangen... Warum denn dann? Ärgerlich stieß ich (ohne anzuklopfen) die Tür zu Kiyos Büro auf und wurde von einem leeren Zimmer begrüßt. Verdammt, wo steckte er? Als ich mich umdrehte, rannte ich direkt in Hyde hinein. Kurzerhand packte ich ihn an den Schultern und schüttelte ihn. „Wo ist er?!“, fuhr ich ihn an. Hyde war zu überrascht, um sich von mir loszureißen. „Was?“ „Kiyo! Ich muss mit ihm reden, wo ist er?“ Der Kleinere entwand sich meinem Griff und ging vorsichtshalber noch zwei Schritte rückwärts, mich misstrauisch beobachtend. „Ich weiß es selbst nicht, er hat nichts gesagt...“ „Das klingt ganz nach diesem Feigling – uns erst so was vorsetzen und dann abzuhauen.“ Hakuei war hinter Hyde aufgetaucht, Jui im Schlepptau. „Komm schon, Hyde. Wo ist der Drecksack?“ „Haku!“, sagten Jui und ich vorwurfsvoll, sahen uns für eine Sekunde an und senkten gleichzeitig den Blick. Er hatte mir immer noch nicht für das Shooting mit Toshiya verziehen, und ich hatte aufgegeben, mich dafür zu entschuldigen. „Wie gesagt, ich weiß nicht, wo er ist!“, betonte Hyde verteidigend. „Was wollt ihr überhaupt?“ „Wegen Yasu“, antwortete Hakuei und schien kurz davor zu sein, sich mit seinen vollen 1,83m vor Hydes 1,58m aufzubauen, da fragte ebenjener Zwerg: „Yasu?“ Wir starrten ihn einen Moment an. „Er wurde gefeuert“, bemerkte Hakuei langsam und deutlich, als würde er mit einem schwerhörigen Geisteskranken sprechen. Hyde klappte die Kinnlade runter. „Ich glaub's nicht“, murmelte Jui, drehte sich um und rauschte davon. Hakuei folgte ihm sofort, und auch ich lief ihnen hinterher. „Wo willst du hin?“, fragte der Schwarzhaarige. „Zu Miya!“, erwiderte Jui entschlossen. „Es kann doch wohl nicht sein, dass Kiyo das alleine beschlossen hat!“ „Wo ist eigentlich Kirito?“, wollte ich wissen. „Ich HOFFE, noch bei dem Shooting, dann weiß er es nämlich noch nicht“, gab Hakuei zurück. Vor Miyas Büro klopfte Jui kurz an, machte sich aber nicht die Mühe, auf ein ‚herein’ zu warten, öffnete die Tür und blieb erst vor Miyas Schreibtisch stehen. Der blickte erstaunt auf und sah sich mit drei ziemlich aufgebrachten Models konfrontiert. „Ja bitte?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Was ist mit Yasu?“, begann Jui als erster. Miya schaute uns der Reihe nach an. „Inwiefern?“ „Das weißt du auch nicht?“, schlussfolgerte Hakuei beherrscht, der wirkte, als würde er gleich das Mobiliar (das EXTREM teuer wirkte) auseinander nehmen wollen. „Dass er von Kiyoharu gefeuert worden ist?“ Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben erlebte ich meinen Chef beinahe entsetzt. (Gut, ich hatte ihn auch erst ein oder zwei Mal gesehen.) Dann griff er langsam zum Telefon und sprach kurz mit ein paar Leuten, während sein Gesichtsausdruck immer ungläubiger wurde. „Wie, du weißt auch nicht, wo er ist?!“, fauchte er letztendlich in den Hörer, legte dann genervt auf und sah uns, die wir geduldig gewartet hatten, wieder an. „Tut mir leid, im Moment kann ich euch noch nichts Genaueres sagen. Wenn ich mehr weiß, erfahrt ihr es sofort, ja?“ „Ist das alles?“, fragte ich. „Was ist das denn für eine Organisation, wo einer der höheren Bosse mal so eben jemanden feuern kann, ohne die anderen davon zu informieren?“, regte Jui sich auf. „Wehe ihm, wenn er nicht einen stichhaltigen Grund hat“, knurrte Hakuei. „Könntet ihr nun bitte mein Büro wieder verlassen?“, wollte Miya wissen. Jui protestierte, aber Hakuei schob ihn kurzerhand aus dem Raum. Ich schloss die Tür hinter uns und sah die beiden an. „Und jetzt?“ „So ungern ich das auch sage, aber jetzt warten wir“, antwortete Hakuei ernst und schüttelte den Kopf. „Also so etwas hat es bis jetzt auch noch nicht gegeben.“ Als Kirito am Nachmittag nur kurz in sein Büro wollte, um ein paar Papiere abzuholen, fing ich ihn ab und erzählte ihm das, was ich bis dahin gehört hatte: Es habe schon seit längerem Spannungen zwischen Yasu und den drei Chefs (Miya, Hyde, Kiyo) gegeben, immer wieder auftretende Unstimmigkeiten, dass Yasu zum Beispiel lieber in anderen Zeitschriften abgedruckt werden wollte als in GLAMOUR – FASHION selbst, dass er Aufträge, die wichtig waren, nicht angenommen habe, und so weiter. Aber das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn Yasu und Kiyo sich nicht am vorigen Abend gestritten hätten. Viel über den Inhalt des Streits war nicht bekannt, nur, dass Yasu Kiyo beschimpft und gesagt haben soll: ‚Ist doch egal, was ich mache, du kannst mich ja eh nicht rausschmeißen, dafür brauchst du mich viel zu sehr!’ Daraufhin habe Kiyo die Nase voll gehabt und am nächsten Tag die entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Kirito war noch geschockter als ich und wirkte für einen Moment so, als würde er gleich zusammenklappen, fing sich aber dann doch wieder und fragte mich, was ich von der ganzen Sache hielt. „Ich glaube, ich kannte Yasu nicht so gut, wie ich geglaubt hatte, es zu tun“, antwortete ich nachdenklich. Ich hatte Yasu nie wütend erlebt. Ich wusste nicht, wie er sein konnte, wenn er richtig verärgert war. Vielleicht sollte ich Hakuei mal fragen. Trotzdem hatte ich ein Gefühl, dass irgendetwas an der Sache faul war. Ich hatte versucht, an Kiyo heranzukommen, aber er war nur kurz in der Eingangshalle aufgetaucht, um seine Geschichte vorzutragen, und dann sofort wieder verschwunden. Am Abend bekam ich ihn trotz allem ans Telefon, worüber ich ziemlich froh war. „Kiyo-“ „Du willst mich bestimmt wegen Yasu sprechen, oder?“, fragte er und klang ziemlich erschöpft dabei. Ich war offensichtlich nicht der erste, der ihn deshalb anrief. „In erster Linie wollte ich dich fragen, ob du am Wochenende Zeit hast, wir haben uns so lange nicht mehr gesehen...“ „Warum erst am Wochenende? Morgen hast du doch nicht so viel zu tun, oder?“, erwiderte er, und ich konnte sein schwaches Lächeln beinahe aus seiner Stimme heraushören. Ich lächelte ebenfalls. „Sehr gerne, Kiyo. Und am Wochenende dann noch mal?“ „Ja, gerne, das wäre schön...“ „Aber jetzt mal zu Yasu – warum haben weder ich noch Hakuei oder Kirito was von diesen ‚Spannungen’ zwischen euch und Yasu mitbekommen...?“ Kiyo seufzte leise. „Weißt du... er hatte das Image des rücksichtsvollen, freundlichen und hilfsbereiten Typen, der sich um alle kümmerte. Im letzten Jahr hat er sich allerdings langsam ins Gegenteil verkehrt, wurde immer unbeherrschter, übellauniger und so weiter... da wir allerdings seinen Ruf als guten Menschen dringend brauchten, haben wir versucht, das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte, aufrecht zu erhalten, in der Hoffnung, er würde sich wieder beruhigen. Aber da es nur noch schlimmer wurde....“ Darüber dachte ich kurz nach. „Aber-“ „Tut mir wirklich leid, dich jetzt so abwürgen zu müssen, aber ich habe im Moment absolut keine Zeit, eigentlich hätte ich schon längst weg sein müssen... Wir sehen uns dann morgen, Süßer. Und entschuldige, dass wir uns so selten treffen können. Es gefällt mir auch nicht... ich vermisse dich.“ Mir wurde warm ums Herz und ich lächelte wieder. „Ich dich auch...“, murmelte ich. „Ich liebe dich, Süßer, und ich freue mich auf morgen. Schlaf schön und zerbrich dir dein hübsches Köpfchen nicht zu sehr. Gute Nacht“, fügte er noch sanft hinzu. „Ich dich auch“, gab ich noch zurück und kuschelte mich mehr an meine Couch, dann legte Kiyo auf. Er konnte so süß sein, wenn er wollte... ~☆~ Und als wäre die ganze Aufregung mit Yasu nicht schon genug gewesen, hatte Kiyo mir am Wochenende eröffnet, dass er nun definitiv für zwei Wochen nach Paris fliegen würde. Vorgewarnt, dass er eventuell an einer sehr großen Modeschau in Frankreich teilnehmen würde, hatte er mich schon früher, aber die Zusage hatte er erst am Wochenende bekommen. Mit ihm würden die Models fliegen, die er für die Zeit entbehren konnte beziehungsweise diejenigen, die nicht zu viele Termine in der Zeit hatten, sodass man diese verschieben könnte. Darunter waren Kirito, Jui, Hakuei, Miyavi und Hiroto. Wenigstens blieb Rose mit mir da, dann konnten wir uns wieder gegenseitig zuheulen. (He, das brachte immerhin was!) Über Yasus Entlassung hatte ich nicht viel mehr erfahren, also hatte ich mehrere Male versucht, ihn anzurufen, aber es war nie jemand rangegangen, bis auf ein Mal, wo Yasu nur kurz sagte, dass er nicht mit mir reden wollte, und wieder auflegte. Seitdem hatte ich mich nicht mehr bei ihm gemeldet – warum auch? Wenn er mich nicht sprechen wollte... Also scheinbar hatte Kiyo wohl Recht. Mitten in der Woche nach dem Traumwochenende, das ich mit Kiyo verbracht hatte, flog dieser nach Frankreich und ließ seinen Süßen lediglich mit dem Versprechen zurück, ihn ganz oft anzurufen. Ein paar Tage später allerdings erwartete mich eine Nachricht, die meine Laune wieder um einiges hob – ich würde in einem so genannten Massenshooting mitmachen, bei dem auch Rose beteiligt war. Das machte die ganze Situation doch viel erträglicher! Vor dem Shooting allerdings kam die Planung. Und Planung hieß Besprechungen. Und Besprechungen hieß seeeeehr viel Informationen, die mich kein kleines bisschen interessierten. „Schlaf nicht ein“, murmelte Rose an mein Ohr, als ich für einen Moment die Augen zugemacht hatte. Ich schrak hoch und warf einen schnellen Blick zu Hyde, der bereits seit einer Viertelstunde am Stück unaufhörlich über irgendetwas redete, das mir an einem gewissen Körperteil vorbei ging. Er schien mich nicht bemerkt zu haben. „Ich wäre jetzt lieber zuhause und würde noch ein paar Stunden schlafen“, erwiderte ich sehr leise und sah auf meine Uhr. Sieben Uhr morgens. Seit ungefähr sechs Uhr waren wir in diesem Raum und bis jetzt hatte ich nichts anderes getan als zuzuhören. Ich war bereits um viertel nach fünf aufgestanden. „Ich wäre jetzt lieber in Paris“, bemerkte Rose mit einem träumerischen Gesichtsausdruck. „Ach ja, die Stadt der Liebe...“, ich seufzte theatralisch. Rose grinste und knuffte mich in die Seite. „Versautes Stück, du...“ „Was?“, wollte ich gespielt entrüstet im Flüsterton wissen. „Ich habe überhaupt nichts Anzügliches gesagt, und du interpretierst da sofort irgendwas rein, was gar nicht da war!“ „Jetzt tu nicht so, als ob du es nicht so gemeint hättest“, verteidigte Rose sich. Hyde warf uns beiden einen kurzen tadelnden Blick zu. Ich musste ebenfalls grinsen. „Klar, jetzt bin ich wieder schuld...“ Just in dem Augenblick klingelte Roses Handy. Allerdings so leise, dass es fast niemand mitbekam. Schnell nahm er den Anruf an und flüsterte ein ‚Ja?’. Ich hätte darauf wetten können, dass ich wusste, wer ihn anrief. Sofort breitete sich auf Roses Gesicht ein glückliches Lächeln aus. „Hi, Schatz... Nein, du hast mich nicht geweckt, ich bin im Moment mitten in einer Besprechung. Wie viel Uhr habt ihr denn?“ Er warf kurz einen Blick zu Hyde, der ihn entweder ignorierte oder wirklich blind war. „Wie ist es denn? .... Das ist schön. Ja, er sitzt neben mir. Soll ich schöne Grüße bestellen?“ Der Blonde sah mich an. „Schöne Grüße zurück“, wisperte ich ihm zu. Er gab es an Hakuei weiter und kicherte dann leise. „Ich glaube, da wird er sich sehr drüber freuen. Was habt ihr denn heute noch Schönes gemacht?“ Er lauschte eine Weile interessiert und grinste immer wieder breit, schenkte mir dann aber nur ein kurzes Lächeln, als ich ihn fragte, worüber ich mich freuen würde. Dann nickte er irgendwann, als ob er nicht wüsste, dass Hakuei das nicht sehen könnte, und lächelte wieder. „Klar vermisse ich dich, aber nicht viel mehr als gestern. ... Awww, wie süß...“ Ein weiterer kurzer vorwurfsvoller Blick von Hyde. Aber er sagte nichts – wahrscheinlich war er so was gewöhnt. Mit einem Mal färbten Roses Wangen sich rot. „Haku!“, flüsterte er entgeistert. „Haku, ich bin mitten in einer.... hör auf! ... Ich leg gleich auf!“ Er schloss kurz die Augen und biss sich auf die Lippe. Neugierig lehnte ich mich etwas zu Rose, der sein Handy daraufhin so hielt, dass ich Hakueis Stimme und seine Worte ebenfalls hören konnte. Ich erstarrte, als ich realisierte, was Hakuei da redete. „Haku, bitte!“, flehte der Blonde neben mir inständig und rutschte etwas auf seinem Stuhl herum. Es half nichts. (Und NEIN, ich werde auch hier nicht wiedergeben, was Hakuei sagte. Auf jeden Fall war es Gift für jemanden mit einer regen Fantasie wie mich in SO einer Situation.) „Haku...“, hauchte Rose irgendwann. „Bitte... du bist grausam...“ Er warf mir einen Blick zu. „Nein, du hast einfach ein viel zu anschauliches Vorstellungsvermögen“, erwiderte Hakuei fröhlich. „Schau doch mal, dass du irgendwie aus der Versammlung raus kommst, damit wir es wenigstens beide genießen können.“ Ohne Vorwarnung sprang Rose auf. „Ich muss mal eben kurz auf Toilette!“, sagte er laut und noch mit dem Handy in der Hand, sodass sich alle Augenpaare auf ihn legten. Hyde seufzte ergeben. „Mach schnell.“ „Und Gara auch!“, fügte der Blonde hinzu und zeigte auf mich. Ich starrte ihn fassungslos an und rührte mich nicht vom Fleck, weshalb Rose kurzerhand mein Handgelenk packte, mich vom Stuhl hoch zog und mit aus dem Raum schleifte. „Rose...“, murmelte ich beunruhigt. „Na toll, jetzt hält er uns wahrscheinlich für sonst was“, bemerkte Rose kopfschüttelnd, das Handy noch immer am Ohr, und zog mich mit sich die Gänge entlang zum Männerklo. „JA, ich habe ihn mitgenommen, was denkst du von mir, glaubst du, ich lass ihn da alleine sitzen und ihn sich vorstellen, was ich gerade mache, während er dem Zwerg weiter zuhören muss?“, fragte er Hakuei aufgebracht und machte die Tür hinter uns zu. Noch immer ein wenig überrumpelt, schaute ich ihn ratlos an. „Und was...“ Ich konnte den Satz nicht zuende bringen, denn da wurde ich schon an die gekachelte Wand hinter mir gedrückt und spürte Roses Lippen auf meinen. Was zur... Aber noch nicht einmal diesen Gedanken konnte ich fertig denken, da auch schon die Zunge des Blonden ihren Weg in meinen Mund fand und mich mit einem Talent ablenkte, das mich jedes Mal aufs Neue zu verzaubern schien. Ich seufzte leise auf, erwiderte das liebevolle Zungenspiel, legte meine Arme um Roses Taille und zog ihn etwas näher an mich. Für eine Weile verloren wir uns nur in dem Kuss, der Blonde sich an mich schmiegend, ich seine Wärme genießend. Und irgendwann löste sich der andere wieder von mir, platzierte einige Küsse unter meinem Ohr, was, wie er zweifellos wusste, mich jedes Mal wild machte. Ich seufzte erneut wohlig auf und kniff die Augen etwas zusammen, als Roses Zunge geschickt Muster auf meine Haut zu malen schien. Ich flüsterte seinen Namen und legte den Kopf in den Nacken, als er anfing, an meinem Hals zu knabbern. Ich fragte mich, was er vorhatte, und betete dafür, dass es nicht das war, was ich dachte. „Gara...“, hauchte er und fuhr mit einer Hand zwischen meine Beine, was mich allein schon zusammenzucken ließ, aber als er dann noch meine wachsende Erregung massierte, stöhnte ich leise auf. „Darf ich mich revanchieren...?“ Oh Gott. Genau das, was ich befürchtet hatte. Ich konnte ja jetzt schon kaum glauben, wie talentiert seine Zunge war, und dann sollte ich sie auch noch an meinem besten Stück spüren dürfen....? Nie im Leben. Da würde ich doch vollkommen verrückt werden. Ich blinzelte etwas und sah den Blonden vor mir dann an. „Dann hast du aber falsch angefangen...“, erwiderte ich. Er musste lächeln und küsste mich dann ein weiteres Mal, jetzt ganz sanft und langsam, wie ich es auch auf der Weihnachtsparty getan hatte. Ich seufzte erneut und erwiderte den Kuss ebenso zärtlich, öffnete irgendwann meine Lippen für ihn und erfreute mich ein weiteres Mal an diesem Spiel, an diesem Tanz unserer Zungen. Es war herrlich. Nachdem wir uns wieder, schwer atmend, voneinander gelöst hatten, öffnete Rose meine Hose und schob sie mir zusammen mit meinen Shorts über die Hüften, während er sich kurz an meinem Schlüsselbein festsaugte. „Hey!“, protestierte ich schwach und versuchte, seinen Kopf zur Seite zu schieben, verlor aber jeglichen Willen zum Widerstand, als der Blonde mit einer Hand meine Erektion umfasste. „Er kommt sowieso erst in einer Woche zurück, bis dahin ist der Knutschfleck wieder weg...“, flüsterte er und lächelte mir kurz zu, ehe er sich vor mir auf die Knie sinken ließ. Allein schon dieser Anblick war beinahe genug, um mich kommen zu lassen: Der Blonde, wie er vor mir kniete, die großen braunen Augen auf mich gerichtet, ein unschuldiges Lächeln auf den Lippen. Und dann sah ich nichts mehr, sondern spürte nur noch. Seine Zunge wanderte einmal an meiner Erregung entlang, ehe sie diese an der Spitze kurz umspielte, was mir ein ersticktes Keuchen entlockte. Er küsste sich an meinem Glied entlang, schien sich dabei meine empfindlichen Punkte zu merken und bearbeitete diese hinterher noch einmal ausgiebig mit den Lippen, saugte sogar teilweise an ihnen. Und ich merkte bereits, wie meine Knie weich wurden und ich an der Wand herunter zu rutschen drohte, aber ich riss mich noch zusammen, so schwer das auch war. Roses Zunge machte mich, wie ich erwartet hatte, völlig wahnsinnig, ich stöhnte immer wieder hilflos unter seiner Behandlung auf, vergrub eine Hand in seinen weichen Haaren. Und er hatte noch nicht mal RICHTIG angefangen.... Wie sollte ich das durchstehen? Das nächste Mal, als ich zu Rose nach unten sah, erwiderte er meinen Blick wieder und lächelte, ehe er in Richtung des Waschbeckens nickte. Irritiert blickte ich dort hin und merkte, wie meine Augen groß wurden. Auf dem Waschbecken lag Roses Handy, noch angeschaltet und, dem Display nach zu urteilen, noch mit... Hakuei verbunden?! Auf LAUTSPRECHER!?! Entsetzt machte ich den Mund auf und wollte etwas sagen, aber alles, was ich zustande brachte, war ein kehliges Stöhnen, als Rose meine Erektion ENDLICH mit den Lippen umschloss. Instinktiv versuchte ich, noch mehr von dieser Hitze, die ich spürte, zu bekommen, und drängte mich ihm entgegen, wollte tiefer in seinen Mund stoßen, aber Rose legte die Hände an meine Hüften und drückte diese entschieden zurück gegen die Wand. Nach Luft ringend, schaute ich zu dem Blonden. „Sei brav“, mahnte der und erwiderte meinen Blick gespielt beleidigt. „Sonst muss ich dich noch ein bisschen warten lassen...“ Daraufhin wechselte er wieder zu dem, was er vorher auch schon gemacht hatte – er verteilte lediglich Küsse auf meinem besten Stück, mehr nicht. „Rose...“, flehte ich verzweifelt und krallte mich etwas in seine Haare, woraufhin er auch noch meine Hand weg schob. „Rose, bitte, tu mir das nicht an, ich will deinen Mund spüren... bitte, Rose... das ist unfair... ich hab dich auch nicht warten lassen...“ „Ich war ja auch nicht so ungeduldig“, gab der Blonde schnippisch zurück und lächelte wieder. „Und außerdem glaube ich, dass es ihm gefällt, wenn er dich noch ein bisschen betteln hört...“ Schlagartig lief ich rot an, als mir bewusst wurde, dass Hakuei wahrscheinlich jedes einzelne meiner Worte gehört hatte. Trotzdem wollte ich, dass Rose mit dieser Folter aufhörte, das hatte ich nicht verdient... „Bitte... Rose, ich bitte dich inständig.... ich... bitte... ahh...“ Ein weiteres Stöhnen entrang sich meiner Kehle, als der Blonde mich endlich wieder seinen heißen Mund spüren ließ. Dieses Mal konnte ich mich noch beherrschen, mich ihm nicht direkt entgegen zu drücken, aber das wurde schon fast unmöglich, als ich dann auch noch Roses Zunge an meiner Spitze spürte, und es hilflos über mich ergehen lassen musste, wie er meine Erregung umspielte, im einen Moment an ihr saugte und sie im nächsten mit den Zähnen streifte. Es ließ mich beinahe den Verstand verlieren, ich hörte mich immer wieder atemlos aufstöhnen, ich fuhr mit einer Hand wieder in Roses Haare, weil ich sonst gar nichts gehabt hätte, an dem ich mich festhalten konnte, obwohl ich auch so den Bezug zur Wirklichkeit verlor. Ich hatte die Augen geschlossen, kniff sie immer wieder zusammen, musste mich zwingen, Rose meine Hüften nicht entgegen zu bewegen, obwohl er sie nicht mehr fest hielt, da ich wusste, dass er mich dann wieder bestrafen würde, und das hätte ich nicht mehr ausgehalten. Für mehrere Minuten glaubte ich mich im Himmel, zumindest fühlte ich mich so. Die harte und kalte Wand hinter mir verschwand, das Gefühl, gleich zu Boden zu sinken, verschwand, das Wissen, dass Hakuei jedem meiner Geräusche lauschte, verschwand, meine Müdigkeit verschwand, und das alles wurde ersetzt durch dieses wundervolle Gefühl, das mich jedes Mal ergriff, wenn ich tatsächlich an etwas (nahezu) perfektem teilhaben konnte. Ich hatte es bei meinem ersten Mal mit Kiyo gespürt, ich hatte es gefühlt, als ich mit Hakuei und Rose geschlafen hatte, es war auch da gewesen, als ich Rose mit dem Mund verwöhnt hatte. Und so befand ich mich auf irgendeiner höheren Bewusstseinsebene und bekam nur noch das mit, was der Blonde mit mir anstellte. Aber das alleine reichte schon, um mich fast an Reizüberflutung sterben zu lassen. Seine Zunge war noch viel geschickter als erwartet. Daher dauerte es auch nicht lange, bis ich meinen Höhepunkt erreichte und für ein paar Sekunden GAR nichts mehr spürte außer purer Lust, die meinen gesamten Körper zu durchziehen schien, bis in meine Fingerspitzen hinein reichte sie. Deshalb war es auch so intensiv. Als ich die Augen das nächste Mal aufmachte, war die Decke ein Stück gewachsen. Nein, Moment, ich saß auf dem Boden. ... Wie kam ich dort hin? Diese Frage wurde in den Hintergrund gedrängt, als ich Roses Zunge auf meinen Lippen spürte, die ich natürlich sofort öffnete, um an dem willkommenen Gast zu saugen. „Bin ich wirklich so gut?“, schnurrte Rose leise und lächelte mich wieder an, nachdem er den Kuss nach viel zu kurzer Zeit, wie ich fand, wieder beendet hatte. „Du bist sogar für ein paar Momente bewusstlos geworden...“ Oh. Also hatte sich mein Bewusstsein nicht erweitert, sondern verflüchtigt. Ich musste trotzdem noch immer nach Luft schnappen und bemerkte dann erst, dass Rose noch immer eine sichtbare Beule in seiner Hose hatte. „Du hast...“, begann ich. „Du hast es mir nicht erlaubt“, erwiderte er und grinste. „Deshalb würde ich vorschlagen, machst du es jetzt wieder gut...“ Der Gedanke gefiel mir. Ich lächelte. „Und an was hast du da gedacht...?“ „Lass dir was einfallen“, antwortete er vielsagend und küsste mich ein weiteres Mal. „Aber wehe, wenn du mich nicht zum Stöhnen bringst...“ Einige Zeit später, gerade, als Rose sich von Hakuei verabschiedet, wir unsere Kleidung gerichtet und uns noch ein letztes Mal geküsst hatten, wurde an die Tür geklopft. Der Blonde und ich sahen uns an. Die Tür war eigentlich offen, also hätte jeder einfach reinkommen können. Warum klopfte da jemand? Ich öffnete die Tür. Hazuki lächelte mich an. „Seid ihr soweit? Wir wollen anfangen“, sagte er. „Wie lange stehst du da schon?“, wollte Rose wissen und hob eine Augenbraue, versuchte dabei nicht amüsiert auszusehen, hatte allerdings wenig Erfolg. „Ein paar Sekunden“, antwortete Hazuki und schenkte auch ihm ein Lächeln. „Ich wurde zwischendurch schon mal hergeschickt, um nachzusehen, ob mit euch alles in Ordnung ist, und um zu fragen, warum ihr beide zusammen gegangen seid.“ „Spanner“, murmelte Rose. Hazuki grinste. „Ich hab schon auf dem halben Weg wieder kehrt gemacht, weil du so laut gestöhnt hast, Rose. Von spannen kann da nicht die Rede sein.“ „Und was hast du Hyde dann erzählt?“, fragte ich. Er zwinkerte mir zu. „Dass ihr euch noch schminken müsst. Ach ja, und dass Frauen nun mal nie alleine auf die Toilette gehen.“ ~☆~ Okay, also so langsam war es echt nicht mehr lustig. Warum wollte alle Welt was von mir? Es war für mich schon vollkommen unverständlich, was Kiyo an mir fand. Und Hakuei und Rose erst recht! Die beiden waren zusammen, und trotzdem spannten sie mich irgendwie zwischen sich ein, und Rose hatte sogar einmal fast mit mir geschlafen, als er keine Erlaubnis von Hakuei hatte, und einmal mit Erlaubnis von Hakuei... genau genommen zwei Mal. Weihnachtsparty und dann letztens auf der Toilette. Das war schon paradox genug! Aber dann kam da natürlich noch Toshiya hinzu, der mich nicht nur angemacht, sondern dann auch noch fünf Mal durchgenommen hatte, dass mir am nächsten Tag das Sitzen schwer gefallen war. Und Kirito durfte man auch nicht vergessen, der bei mir Trost gesucht hatte. Aber okay, das konnte ich alles (bis auf Kiyo) noch irgendwo verstehen – Hakuei und Rose waren nun mal pervers, Toshiya nahm alles, was er kriegen konnte, und Kirito hatte Beistand gebraucht. Aber was für ein Motiv hatte ein mir völlig wildfremder Typ namens Kei, den ich vor zwei Stunden auf einer Party kennen gelernt hatte, mich ‚Zuckerschneckchen’ zu nennen, mich ständig zu befummeln, wenn keiner hinsah, und die ganze Zeit davon zu faseln, mit mir gleich auf die Toilette zu verschwinden?!? Ich meine, er war nett, er hatte Stil und Charisma, war wirklich attraktiv und sexy und konnte reden wie ein Wasserfall, aber ich hatte ihn noch nie zuvor in meinem Leben gesehen und war gleich mit ‚Darling’ begrüßt worden. Und für den Rest der Party hatte er an meinem Arsch geklebt, mich über mein Leben ausgefragt, mit mir geflirtet und mich schließlich auch befingert. So langsam begann er, mir auf die Nerven zu gehen. „Sag mal, wie oft muss ich es noch wiederholen?“, fuhr ich ihn irgendwann an, als ich genug hatte. „Ich bin vergeben und das auch noch glücklich!“ Der Rotbraunhaarige grinste mich an. „Weiß ich doch, Sweetheart. Ich weiß ziemlich viel über dich.“ „Ach?“ Ich hob skeptisch eine Augenbraue. „Das bezweifle ich.“ „Ich weiß, was dein Lieblingsgericht ist, und was an zweiter und dritter Stelle steht, weiß ich auch. Ich kenne deine Lieblingsfarbe, ich weiß, was du früher studiert hast, ich weiß, mit wem du zusammen bist, warum du als Waise aufgewachsen bist und wer dich zu einem Model gemacht hat. Ich weiß, dass du kein großes Problem damit hast, deinem Liebling fremd zu gehen, und dass du unheimlich gut küssen kannst“, zählte Kei an einer Hand auf. (Nun ja, er war schon betrunken, seine Koordinationsfähigkeit ließ nach, dafür schien er geistig noch ganz da zu sein.) Regungslos starrte ich ihn an. „Was?“ „Also, dein Lieblingsgericht ist Sushi, obwohl du auch sehr gerne Ramen isst, und auch gegen Eiscreme hast du nichts. Deine Lieblingsfarben sind schwarz, rot und weiß, du hast früher .... was war das noch mal, was du studiert hast? Na, egal. Du bist mit Kiyo zusammen, deine Eltern sind beide an AIDS gestorben, als du sieben Jahre alt warst....“ Ich packte ihn am Kragen und zog ihn mit mir in eine dunkle und unbelebte Ecke, wo ich ihn an die Wand drückte und finster musterte. „Hör zu, ich weiß nicht, wer du bist, ich weiß nicht, woher du das alles hast, aber ich schwöre dir, wenn ich dich noch einmal irgendwo sehe, dann kannst du dich auf was gefasst machen, du durchgeknallter Stalker!“, fauchte ich ungehalten. „Das ist strafbar, das weißt du?!“ Der andere grinste nur wieder und legte eine Hand auf meine Wange. „Entschuldige, wenn das alles ein bisschen abrupt kommt. Aber alles, was ich will, ist, von dir mehr über Kiyoharu zu erfahren.“ „F*** dich ins Knie, am Arsch werd ich dir was über ihn erzählen!“, knurrte ich und ließ ihn angewidert wieder los, trat ein paar Schritte zurück. Kei neigte den Kopf etwas zur Seite, noch immer lächelnd, und folgte mir. „Es wird schon seinen Grund haben, dass ihr beiden Turteltäubchen eure Beziehung geheim haltet. Was, wenn ich dir verspreche, sie nicht öffentlich zu machen, wenn du mir mehr über ihn erzählst?“ „Ich lass mich nicht erpressen!“, zischte ich. „Erst recht nicht von jemandem wie dir. Wer bist du überhaupt? Ein Journalist, ein Stalker?“ „Ein alter Bekannter von ihm“, antwortete Kei und hob eine Augenbraue. „Und ich handle im Auftrag von jemand anderem, der Kiyo länger kennt als wir alle hier.“ Oh Gott, jetzt auch noch im Auftrag von jemand anderem! Ich schüttelte den Kopf. „Mach, dass du verschwindest und lass dich nie wieder vor mir blicken, sonst kannst du dich auf was gefasst machen.“ Kei lächelte breit. „Wir werden sehen“, gab er zufrieden zurück und betrachtete mich anschließend von oben bis unten. „Und es besteht wirklich keine Möglichkeit, dass ich dich Zuckerschneckchen heute mit zu mir nach Hause nehmen kann...?“ Mein Gesicht verdüsterte sich noch mehr. „NEIN!“ (Und so sehr es mich selbst überraschte, ich blieb bei dieser Antwort. Wahrscheinlich, weil der Typ mir langsam unheimlich geworden war.) ~☆~ Kurz, nachdem Kiyo aus Paris wieder zurückgekommen war, versuchte ich noch einmal, Kontakt mit Yasu aufzunehmen. Ich wusste, dass er keinen von uns sehen wollte, aber das war mir egal, ich wollte trotzdem wenigstens mal mit ihm reden. Ich wäre auch gerne weiter mit ihm befreundet geblieben, aber wenn er von sich aus sagte, dass er mit uns nichts mehr zu tun haben wollte... Dieses Mal lautete die Antwort aber eine andere, überraschenderweise. Yasu schwieg erst eine Zeit und bat mich dann, kurz bei ihm vorbei zu kommen. Und Kirito mitzubringen. Also, eine halbe Stunde später standen Kirito und ich nebeneinander auf Yasus Fußmatte und überlegten, was uns jetzt wohl erwarten würde – dass wir für Yasus Rausschmiss verantwortlich gemacht würden, dass er uns anbetteln würde, wieder zurück zu GLAMOUR – FASHION zu dürfen... Ich wusste nicht, was er wollte. Yasu öffnete die Tür und lächelte leicht, als er uns sah, er wirkte ... besiegt? Resigniert? Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht genau beschreiben, denn in der nächsten Sekunde hatte Kirito sich ihm schon an den Hals geworfen und war in Tränen ausgebrochen. Yasu seufzte leise und schlang seinerseits die Arme um Kirito, ehe er ein paar Schritte rückwärts in seine Wohnung machte, wobei Kirito ihm folgen musste. Ich betrat nach den beiden die Wohnung, schloss die Tür hinter mir und sah Yasu erwartungsvoll an. „Kirito, ist okay...“, murmelte der und schob den anderen von sich. „Bitte beruhig dich. Es geht um was Ernstes, klären wir erst mal das, ja?“ „Das kann nicht wichtiger sein als das, was ich dir fast angetan hätte....“, murmelte Kirito schniefend. Yasu nickte. „Doch, kann es.“ Als wir in seinem Wohnzimmer saßen, bot Yasu uns erst einmal was zu trinken oder zu essen an, aber wir lehnten ab und baten ihn, auf das zu sprechen zu kommen, was er eigentlich gewollt hatte. „Also... wie soll ich anfangen?“ Er seufzte und sah Kirito an. „Ich glaube, es ist am Besten, wenn du einfach sagst, mit wem du schon seit ziemlich langer Zeit zusammen warst, bevor du dich im Februar von ihm getrennt hast.“ Kirito blinzelte ihn verwirrt an. „Was? Warum?“ „Bitte, sag es einfach. Ich weiß es, aber Gara nicht.“ „Und warum soll ER es erfahren?“, wollte Kirito irritiert wissen. „Kirito. Sag es einfach.“ Er warf mir einen Blick zu. „Mit Kiyo.“ Mein Herz blieb stehen. Ich schwöre, in diesem Moment setzte mein Herz für einen Moment aus, nur, um dann doppelt so schnell wie vorher zu schlagen. Ich sprang auf. „Das stimmt nicht!“, rief ich aufgebracht und sah von Kirito zu Yasu. Yasu wirkte ruhig, aber Kirito schien nicht zu wissen, worum es ging. „Das KANN nicht stimmen! Kirito, du LÜGST!“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß doch wohl am Besten, mit wem ich zusammen war, oder?“, fragte Kirito und hob eine Augenbraue. „Und mit wem bist du seit November zusammen?“, wollte Yasu von mir wissen. „Mit Kiyo!“, antwortete ich verärgert. Jetzt sprang auch Kirito auf. Wir starrten uns einen Augenblick regungslos an. „Du lügst“, sagten wir gleichzeitig. „Nein, ihr sagt beide die Wahrheit“, murmelte Yasu. Wir sahen ihn an. „Kirito, du hast es mir selbst gesagt, als du mir deine Liebe gestanden hast“, erklärte Yasu und schaute mich dann an. „Und dann habe ich von Hakuei gehört, dass du schon seit längerem mit ihm zusammen bist, Gara.“ „Wann hat er dir das gesagt?“, fragte ich schwach. Mein Kopf schwirrte, und ich wiederholte immer und immer wieder, dass das doch nicht sein konnte, dass das nicht möglich war. Das würde Kiyo nicht machen, nicht noch einmal. Yasu lächelte säuerlich. „Am Tag, bevor ich rausgeflogen bin.“ Kirito und ich sanken gleichzeitig zurück auf das Sofa, unfähig, etwas zu sagen. „Hat... bist du deshalb...“, fand Kirito als erster seine Sprache wieder. „Ich hab ihn damit konfrontiert, ich habe Kiyoharu gesagt, dass ich es nicht billigen werde, wenn er euch beide nach Strich und Faden verarscht, und dass ich ihm die Chance gebe, es euch selbst zu sagen“, erzählte Yasu und seufzte einmal tief. „Daraufhin ist er eiskalt geworden und hat mir gesagt, dass MICH das überhaupt nichts angeht. Und dann meinte er, dass wenn ich es wage, noch ein einziges Mal zu euch oder irgendeinem anderen aus GLAMOUR – FASHION Kontakt aufzunehmen, dann wird er persönlich dafür sorgen, dass ich den Rest meines Lebens eingesperrt in einem dunklen Keller mit nur Kakerlaken und Ratten als Gesellschaft verbringen werde. Und glaubt mir, das meinte er ernst. Er hat mir auch erklärt, wie er das bewerkstelligen würde – er kennt genügend Leute ohne Identität, die ohne Probleme in mein Leben schlüpfen und meinetwegen nach Tahiti auswandern können, sodass es niemandem auffallen würde.“ Ich fühlte mich, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen werden. Da erst realisierte ich, was das Ganze bedeutete – es war eine Lüge. Alles war eine Lüge gewesen!! Kiyos Liebesgeständnis, seine süßen Worte, der Sex, unsere gesamte Beziehung war eine Lüge gewesen!!! Er hatte mich von vorne bis hinten belogen, hatte mich benutzt, und sich währenddessen wahrscheinlich noch ins Fäustchen gelacht, weil ich auf ihn hereingefallen war. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie er sich darüber amüsierte, dass er sowohl Kirito als auch mich gleichzeitig vögeln konnte.... Nein, das passte nicht. Das war nicht der Kiyo, den ich kannte! Und nicht nur, dass er mich und Kirito belogen, betrogen und ausgenutzt hatte, er hatte Yasu bedroht und ihn gefeuert, er hatte... Während ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, blieb Kirito nur regungslos neben mir sitzen und wirkte, als müsste er das Ganze erst einmal in seinen Kopf kriegen. Ich versuchte, mein Schluchzen zurückzuhalten, aber wenn ich daran dachte, wie lieb er zu mir gewesen war, wie viel Rücksicht er auf mich genommen hatte, was er mir alles erzählt hatte... Er hatte mir versichert, dass wenn wir beide auf einer einsamen Insel stranden würden, er für den Rest seines Lebens glücklich wäre, er hatte immer wieder betont, wie sehr es ihm missfiel, unsere Beziehung geheim zu halten, er hatte tausende von Male wiederholt, wie sehr er mich liebte, wie viel ich ihm bedeutete... Kirito und ich blickten uns ein paar Sekunden an, dann lagen wir uns heulend in den Armen. Und so sehr es auch weh tat, es gab etwas, das stärker als dieser Schmerz war – Wut. Kiyoharu hatte gewusst, wie viel er mir bedeutete, er hatte gewusst, wie sehr ich ihn liebte, er hatte gewusst, dass ich ohne ihn verloren wäre, und trotzdem hatte er... Ich war wütend, ich war unheimlich wütend. Das würde ich nicht auf mir sitzen lassen. Und mit dem Dreck, den er am Stecken hatte, ließ sich ganz bestimmt was machen. Als wir beide uns wieder mehr oder weniger beruhigt hatten, meldete Yasu sich mit einem verhängnisvollen Satz zu Wort: „Tut mir leid, so abrupt das Thema zu wechseln – aber glaubt ihr, dass ihr die einzigen seid?“ ~☆~ Wir hatten das Thema nicht weiter verfolgt, Kirito und ich hatten beschlossen, erst einmal über die gesamte Situation nachzudenken und Kiyo zunächst die kalte Schulter zu zeigen, aber nicht so auffällig, dass er was gewittert hätte. Wir hatten auch noch überlegt, wen Kiyo noch verarschen könnte, aber uns war niemand anderes eingefallen. Nach ein paar Tagen trafen Kirito, Yasu und ich uns ein zweites Mal, bei dem ich Yasu fragte, warum er sich letztendlich doch dafür entschieden hatte, mit uns zu reden. Seine Antwort: Er hatte sowieso nichts mehr zu verlieren und er hätte nicht mit dem schlechten Gewissen weiterleben können. Wir kamen zwar zu dem Schluss, dass Kiyo sich mindestens für Kirito einen Ersatz geschaffen hatte, wenn er nicht sogar noch mit mehr Leuten gleichzeitig zusammen war, auch schon, als er mit Kirito und mir zusammen gewesen war. Wir wussten nur nicht, mit wem. Und wir konnten schlecht überall herumgehen und fragen, wer mit Kiyo eine Beziehung hatte. „Der macht’s doch so geschickt, dass das keiner freiwillig sagen würde“, seufzte Kirito resigniert. „Und außer ihm weiß keiner, mit wem er zusammen ist...“, merkte ich nachdenklich an. „Toll, sollen wir zu ihm hingehen und ihn fragen?“, bemerkte Kirito zynisch. Yasus Gesicht hellte sich auf. „Nein, nicht zu IHM hin, aber mir fällt da jemand ein, der es ganz bestimmt weiß!“ „Nein, das würde er nicht machen, nicht genauso wie damals“, Kirito schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass er den Fehler machen würde, vor Hyde anzugeben, wen er alles vögelt.“ Auch, wenn ich längst wusste, dass Kiyoharus Gefühle nicht echt gewesen waren, solche Sätze taten mir noch weh. „Aber wenn er davon ausgeht, dass Hyde ihn zu sehr liebt, als dass er ihn verrät...?“, warf ich ein. „Ein Versuch ist es wert“, Yasu zuckte mit den Schultern. „Oder wollt ihr euch alleine an ihm rächen und die Möglichkeit verpassen, ihn zusammen mit anderen komplett fertig zu machen?“ Kirito musterte ihn befremdet. „Du wirst mir unheimlich. Entdeckst du eine dunkle Seite an dir...?“ Yasu lächelte. „Nein, aber ich würde ihn am liebsten dafür erwürgen, was er euch angetan hat“, erwiderte er sanft. (Er sah wirklich wie ein Engel aus, nur passten seine Worte nicht so ganz zu seinem Aussehen. ... Ein gefallener Engel?) Da weder Yasu noch Kirito jemals bei Hyde zuhause gewesen waren, wussten wir nicht, wo er wohnte. Also mussten wir logischerweise noch jemand anderen in die ganze Sache einweihen. „Wenn ich diesen Drecksack von Mistkerl das nächste Mal sehe, dann kann ich mich wirklich nicht mehr beherrschen und schlag ihn so zusammen, dass er seine Innereien auskotzt, das sag ich euch!“, fauchte Hakuei mit einem blutrüstigen Gesichtsausdruck. „Man sollte eigentlich meinen, dass er seine Lektion damals gelernt hat, aber NEIN, diesem Arschloch reicht es nicht! Wenn ihr wollt, bringe ich ihn mit meinen eigenen Händen um...“ „Ich glaube, das ist fürs erste nicht nötig“, beschwichtigte Yasu ihn sofort schwach lächelnd. „Für den Anfang würde es reichen, wenn du uns helfen könntest, von Hyde zu erfahren, ob noch irgendwelche anderen Leute involviert sind...“ „Wofür wir erst einmal seine Adresse brauchen“, fügte ich hinzu. „Dann gehen wir direkt!“, beschloss Hakuei bestimmt und stapfte los. Kirito hob lächelnd eine Augenbraue. „Ich wusste, dass er genau der Richtige ist.“ An Hydes Haus angekommen, klingelte Kirito einmal an, während Yasu auf Hakuei einredete, dass dieser nicht gleich versuchte, die Wahrheit aus Hyde herauszuschütteln. Hyde öffnete und starrte uns beunruhigt an. „Uhm“, machte er. „Dürfen wir reinkommen?“, fragte Yasu freundlich. „Was wollt ihr?“ Hydes Tonfall wurde misstrauisch. „Nur mit dir reden“, antwortete Kirito. Hyde warf Hakuei, der finster auf ihn herunterstarrte, einen Blick zu und zögerte sichtlich. „Es ist wichtig“, betonte ich. Also machte Hyde die Tür ganz auf und ließ uns eintreten. „Was um alles in der Welt-“ „Du liebst Kiyoharu noch, oder?“, begann Kirito. Hyde hob die Augenbrauen und machte keine Anstalten, uns irgendwie in sein Wohnzimmer zu führen oder ähnliches. „Ich wüsste nicht, was euch das-“ „Überrascht es dich zu hören, dass ich mit ihm zusammen war?“, fragte Kirito weiter. Keine Reaktion von Hyde. „Und ist es eine Neuigkeit für dich, dass er gleichzeitig mit mir und Gara zusammen war?“ Jetzt trat etwas Gehetztes in Hydes Blick. Nervös sah er vom einen zum anderen. „Was-“ „Also nein“, schlussfolgerte ich. „Wen betrifft es noch?“, wollte Yasu wissen. Hyde kniff die Lippen zusammen. „Mehr wollen wir nicht wissen, du sollst überhaupt nichts anderes machen, als uns ein paar Namen zu sagen“, betonte Kirito. „Findet es doch selbst heraus. Und jetzt verlasst meine Wohnung, wenn ihr hergekommen seid, um mich zu belästigen-“ „Ich bemitleide dich“, meinte Hakuei plötzlich. Hyde schaute ihn an. „Und andererseits auch nicht. Wie sehr liebst du ihn? Du musst wirklich absolut verzweifelt sein, wenn du die ganzen Jahre zu ihm gehalten hast.“ „Sei ruhig“, flüsterte Hyde. „Ihr wart mal normale Freunde. Erinnerst du dich daran? Und ihr wart es noch, als er geheiratet hat. Du hast dich für ihn gefreut, warst immer an seiner Seite, ihr habt zusammen gehalten. Du hättest damals schon alles für ihn getan, weißt du noch? Deshalb hast du auch keinen Moment gezögert, als er dich bat, mit ihm zu schlafen. Darauf bist du heute noch stolz, oder? Dass du sein erster Mann warst. In der Nacht ist dir aufgegangen, dass du ihn liebst. Aber ab da wird es nur noch krank. Als er mit mir zusammen kam, hat er es groß bei dir ausposaunt, nicht wahr? Und du hast dich mit ihm gefreut, denn ihr beiden wart ja immer noch zusammen. Und dann, als Atsushi noch dazu kam, und Kei, und Mizuki, da hat es dich auch nicht gestört, er war ja noch immer deins, oder?“ „Bitte, hör auf“, murmelte Hyde. „Es hat dich nicht gestört, selbst wenn er vor deinen Augen mit jemand anderem geschlafen hat. Und das tut es heute doch auch nicht, stimmt’s? Du wusstest, dass er mit den beiden hier zusammen war. Du weißt, dass die beiden nicht seine einzigen Errungenschaften sind. Und trotzdem bleibst du bei ihm, trotzdem lässt du dich weiter ausnutzen, verarschen, betrügen. Denn er gehört dir, nicht wahr? Eigentlich ist er deins, dir erzählt er Sachen, die er sonst keinem anderen erzählt. Aber nicht, weil du ihm so viel bedeutest – sondern weil er weiß, dass er dich vollkommen in der Hand hat. Ist es nicht so?“ Hyde starrte auf den Boden und regte sich nicht. „Wenn du uns hilfst, dann sorgen wir dafür, dass du von ihm los kommst, dass du nicht mehr so abhängig von ihm bist. Versprochen.“ Hakueis Stimme klang fest, und ich bekam das Gefühl, dass er es wirklich so meinte. „Er ist damals schon zu weit gegangen, und jetzt lassen wir ihn damit nicht mehr davonkommen.“ „Hör auf“, bat Hyde kraftlos. „Die Namen, Hyde“, sagte Hakuei nachdrücklich. Hyde schwieg eine Weile, dann fing er an zu sprechen. „Rose...“, begann der kleine Chefredakteur tonlos. „WAS?!?“, schrie Hakuei. Hyde schaute zu ihm auf. „Er wollte es zumindest, aber Rose ist mittendrin eingeschlafen...“ „ICH DREH IHM DEN HALS UM!“ „Wer noch?“, wollte Yasu sanft wissen. „Am liebsten würde ich seine Eingeweide mit meinem bloßen Händen rausreißen...“ „Das hilft uns jetzt auch nicht weiter, Haku“, murmelte Rose und strich dem Schwarzhaarigen kurz über die Wange. Wir (das heißt Kirito, Yasu, Hakuei und ich) hatten uns in Hakueis Haus versammelt, da dieses am nächsten zu Hydes lag. Rose war zufällig vorbeigekommen und hatte die ganze Geschichte frisch erfahren, deshalb sah man ihm den Schock noch an. „Nein, das löst das Problem nicht...“, bemerkte Kirito nachdenklich. „Ich will ihn auch nicht umbringen. Nur fertig machen.“ Ich wusste nicht, was ich wollte. Ich war selbst erneut in einer Art Schockzustand, weil ich nicht glauben konnte, dass Kiyoharu gleichzeitig mit mir, Kirito UND Jui zusammen gewesen war... und dann auch noch... „Sag mal... du wärst fast auch mit ihm ins Bett gegangen?“, meinte Hakuei irgendwann stirnrunzelnd und schaute den Blonden neben sich an. Rose machte große Augen. „Was?“ „Das hat Hyde zumindest gesagt“, bestätigte Yasu. Der Blonde sah zwischen den beiden hin und her. „Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht, wirklich!“ „Du sollst zwischendrin eingeschlafen sein“, warf Hakuei und hob eine Augenbraue. „Spricht dafür, dass er dich abgefüllt hat.“ Rose schlug sich vor die Stirn. „Scheiße... wenn ihr das meint, was ich denke, dann... kann das durchaus sein...“ Er schaute zu Hakuei neben sich. „In der Zeit, als wir getrennt waren, ist er mal vorbei gekommen, hat mich zum Essen eingeladen und ist hinterher noch was mit mir trinken gegangen... ab dann weiß ich nichts mehr.“ Er runzelte angestrengt die Stirn. „Aber ich glaube, er war nicht so betrunken wie ich... hm, jetzt, wo ihr es sagt...“ Er kratzte sich am Kopf. „Das würde auch erklären, warum ich am nächsten Morgen nur mit einer Decke im Flur lag.“ „Was machen wir jetzt?“, fragte Yasu in die kurz aufgetretene Stille hinein. „Kiyo fertig“, warf Kirito ein. „Und wie?“, wollte Hakuei wissen. „Erst mal reden wir mit Jui“, beschloss Kirito langsam nickend. „Und Hiroto.“ „Ich versteh nicht, warum er mit DEM zusammen ist“, meldete Rose sich zu Wort. „Er ist überhaupt nicht Kiyoharus Typ... viel zu klein, unschuldig und niedlich. Und er hat ihn doch direkt an Hyde abgeschoben, oder?“ „Vielleicht brauchte er ein neues Betthäschen, wo er mich nicht mehr hatte“, erwiderte Kirito schulterzuckend. Yasu sah ihn von der Seite an. „Bevor du fragst, JA, unsere Hauptbeschäftigung WAR Sex. Aber er war gut, deshalb hat mich das nicht gestört.“ „Um auf das Thema zurückzukommen“, fing Hakuei schwach lächelnd an. „Was macht ihr, wenn ihr mit den beiden geredet habt?“ „Warum denn nur mit den beiden?“, fragte Yasu. „Wir können ja auch Atsushi noch informieren, er war ja damals betroffen... und du, Hakuei, weißt ja schon Bescheid.“ „Ach, du willst die von seinem letzten Turteltäubchen-Club auch noch dabei haben?“, bemerkte Hakuei und überlegte. „Wird allerdings schwierig, Kei und Mizuki zu finden...“ „Kei?“, fragte ich. Hakuei musterte mich. „Ja, so hieß der Typ aus der Gothic Lolita Bible damals, und Mizuki war das B-Model...“ „Wie sieht dieser Kei aus?“, wollte ich aufgeregt weiter wissen. Hakuei stand auf und begann, in einigen Schränken zu wühlen. „Ich... bin letztens einem Kerl namens Kei begegnet“, erklärte ich auf die fragenden Blicke hin. „Und er meinte, er sei ein alter Bekannter von Kiyo...“ „So?“ Hakuei hielt ein Bild hoch. Ich betrachtete es und stellte mir den Typen ein paar Jahre älter vor. „Genau das ist er“, bestätigte ich. „Ich hab ihn für einen Stalker gehalten, weil er wusste, was ich gerne esse, was meine Lieblingsfarben waren, woran meine Eltern gestorben sind...“ „Deine Eltern sind tot?“, fragte Kirito stirnrunzelnd. „Eben darum fand ich ihn etwas gruselig, weil er das alles wusste, was ich nicht jedem erzähle“, nickte ich. „Und er wollte von mir nur Informationen über Kiyoharu... ach ja, und er meinte, er würde im Auftrag von jemand anderem handeln, der Kiyo länger kennt als wir alle.“ Hakuei und Kirito tauschten einen Blick. „Ich hab allerdings nicht weiter nachgefragt, weil mir der Kerl zu unheimlich war“, endete ich und schnitt eine Grimasse. „Hätte ich vielleicht machen sollen...“ „Weißt du denn, wo er gerade ist?“, wollte Yasu wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Sieht aus, als würde da jemand seinen eigenen verspäteten Rachefeldzug starten“, warf Hakuei ein. „Was wollt ihr denn machen, wenn ihr mit den ganzen Leuten geredet habt?“, wollte Rose wissen. ~☆~ An dem Tag arbeiteten wir den Plan aus, den wir uns ganz allein für Kiyoharu ausdachten. Ich hatte bis zum betreffenden Tag nicht viel zu tun, Hakuei wollte mit Atsushi reden (und Rose mit dabei sein), Kirito mit Hiroto und Yasu mit Jui, und dann hieß es erst einmal warten beziehungsweise vorbereiten. Das einzige, was ich tun musste, war Sachiko informieren. Es war immer gut, als öffentliche Person gute Beziehungen zur Presse und zu den Medien allgemein zu haben – und in meinem Fall waren es natürlich sehr gute Beziehungen, da wir beide uns gegenseitig respektierten, mochten und schon ziemlich lange kannten. Das einzige Problem dabei war nur, Sachiko versprechen zu lassen, die Story bis zum Tag X nicht zu veröffentlichen. Es war natürlich ein Anreiz, so einen großen Skandal als erstes öffentlich zu machen, aber ich versprach ihr im Gegenzug, dass wir nur sie informieren würden, daher brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Sie war begeistert. Den Rest der Zeit, die ich warten musste, verbrachte ich in Zwiespalt. Ich hatte mich als einziger bei der Racheplanung zurückgehalten, da ich nicht wusste, ob es das war, was ich wollte. Klar wollte ich das Ganze nicht einfach so hinnehmen, das auf keinen Fall. Aber wollte ich Rache, wollte ich Kiyo zerstören? Er hatte mich benutzt, das tat mir weh. Aber seltsamerweise war der Schmerz nicht halb so groß wie erwartet. Es war so ein Schmerz wie ein gebrochener Arm. Im ersten Moment tat es wegen des Schocks nicht weh, dann folgte eine Zeit, die so schmerzerfüllt war, dass man glaubte, man würde sterben, doch nachdem die Wunde verbunden und ein paar Tage später etwas verheilt war, merkte man sie nur noch, wenn man stark drauf drückte. Und selbst dann war der Schmerz seltsam betäubt, wie aus weiter Ferne. Kiyo war keine offene Wunde. Ich fragte mich, woran das lag. Hatte ich ihn nicht geliebt? Doch, hatte ich. Er war der erste Mann gewesen, der mit mir geschlafen hatte, ihm hatte ich das alles zu verdanken. Aber war es das, weshalb ich ihn geliebt hatte? Dann hätte ich auch Miya lieben können, wenn er das für mich getan hätte. Ich liebte aber auch Kiyos Art, sein Lächeln, wie er sich immer so um mich gekümmert hatte, ich liebte sein Sofa, seinen Schmetterling, seine schlechte Laune. Ich liebte IHN. Oder? Sechs Tage vor dem angesetzten Datum rief Kiyo mich an und fragte mich, ob ich schon was vor hätte. „Meinst du heute?“, wollte ich zögernd wissen. Ich würde mich nicht mit ihm treffen, ganz bestimmt nicht. Das würde ich nicht ertragen. Ich war ihm schon aus dem Weg gegangen, aber es hatte auch weh getan, wenn ich ihn nur gesehen hatte. „Ja, wir haben uns so lange nicht mehr getroffen, ich vermisse dich... Wenn es heute nicht geht, kannst du dann morgen? Ich will dich sehen...“ Lügen, dachte ich, alles Lügen, süße, verlockende, anreizende, glaubhafte Lügen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Heute ist okay“, sagte ich leise. „Das freut mich.“ Lüge, Lüge, Lüge, wiederholte ich gedanklich. „Möchtest du irgendetwas unternehmen? Ich könnte auch irgendetwas improvisieren, wenn du raus möchtest.“ Mir fiel das Atmen schwer. Er klang ganz normal, freundlich, sorgte sich um mich. „Nein, ich... komme nur vorbei. Aber heute Abend muss ich wieder zuhause sein, ich erwarte noch einen wichtigen Anruf.“ Ich wollte nicht zu ihm, ich wollte ihn nicht sehen... „Okay. Danke.“ Er klang wirklich froh. Lüge, alles eine Lüge, wahrscheinlich lachte er mich in Gedanken aus. „Ist alles in Ordnung? Du klingst niedergeschlagen.“ „Es ist alles in Ordnung“, antwortete ich lächelnd. „Bis gleich.“ Ich würde nicht mit ihm schlafen, ich würde ihn nur ansehen und versuchen, mir seinen Anblick einzuprägen, damit ich wusste, was ich vergessen sollte. Als er mir die Tür öffnete, hatte er sein wärmstes Lächeln auf den Lippen, er umarmte und küsste mich zärtlich, führte mich in seine Wohnung, in die Höhle des Löwen, in der er bestimmt schon unzählige perverse Dinge mit Kirito, liebevolle Dinge mit Jui getan hatte. Es tat weh. Ich war jeden Moment kurz davor, in Tränen auszubrechen, aber das konnte ich mir nicht erlauben. Aber wenn ich ihn ansah, dann wurde mir warm ums Herz. Und gleichzeitig zog es sich zusammen, versuchte sich gegen diese Gefühle zu wehren, weil es wusste, dass sie nicht erwidert wurden. Wir taten es nacheinander auf meinem Lieblingssofa, dem Badezimmerteppich, an der Wand im Flur, mehrmals in seinem Bett und schließlich in der Dusche noch mal. Es war, als würde ich noch einen Vorrat ansammeln, für die Zeit, die kommen würde. Für die Zeit, in der ich ihn nicht mehr hatte. Ich war unheimlich froh, dass mein Gehirn nicht mehr richtig funktionierte, wenn ich etwas Hartes zwischen den Beinen hatte, das nicht mir gehörte, denn so konnte ich die ganze Situation in den Hintergrund drängen und einfach nicht mehr daran denken. Wir trieben es beinahe wie Kaninchen, als würde auch er wissen, dass es das letzte Mal wäre. Und mit jedem Mal, bei dem ich einen Orgasmus bekam, hasste ich mich ein bisschen mehr. Gegen Abend verließ ich seine Wohnung wieder, noch immer den Abschiedskuss auf meinen Lippen spürend. Jemand hatte ziemlich fest auf den Gipsarm geschlagen. Meine Wunden waren wieder aufgerissen, mit jedem ‚ich liebe dich’, das über seine Lippen gekommen war, ein bisschen mehr. Im Herz blutend verkroch ich mich in meinem Bett und wollte nur sterben. Drei Tage vor dem angesetzten Datum wurde ich entführt. Ich kam gerade aus dem Hauptgebäude, da wurde ich plötzlich von einem nach einem Bodyguard aussehenden Muskelprotz gepackt, in eine schwarze Limousine geschubst und mit Handschellen gefesselt. „So sieht man sich wieder, Zuckerschneckchen“, begrüßte Kei mich augenzwinkernd. Ich starrte ihn einen Moment an. „Was um alles in der Welt-“ „He, du wolltest ja beim ersten Mal nicht hören, also bringe ich dich jetzt zum Boss persönlich, zum Chef lui-même“, Kei zuckte mit den Schultern, „Und tut mir leid, dass ich dich nicht zum Reden kommen lasse, aber wir wollen ja nicht riskieren, dass du um Hilfe schreist, oder?“ Kaum hatte er das gesagt, knebelte mich der Bodyguard auch noch. Mein Gesicht verdüsterte sich. Kei schenkte mir ein strahlendes Lächeln. „Keine Sorge, wir werden dir nichts antun, wenn du redest.“ Ich hätte ja geredet, wenn er mich gelassen hätte! Aber wenigstens würde ich jetzt sehen, wer hinter all dem steckte. Und vielleicht konnte ich ihn dann auch dazu bringen, am Tag X teilzunehmen. Das wäre bestimmt noch ‚lustiger’. Aber mich überraschte es, dass sich Kei einen Bodyguard, eine sehr teuer und luxuriöse Limousine sowie ein solches Vorgehen leisten konnte. Er hatte früher auch als Model gearbeitet, und was war er jetzt? Auffällig interessiert sah ich mich im Innenraum des Autos um, begutachtete die Ledersitze, die eingebaute Minibar, die verschiedenfarbigen schwach glimmenden Lichter um die Scheiben herum. „Neugierig, wo das alles herkommt und ob es mir gehört?“, deutete Kei meine Blicke richtig und lächelte wieder freundlich. „Keine Sorge, das ist alles nicht meins, ich bin eigentlich auch nur eine Art Diener. Wir sind gleich da.“ Wir hielten vor einem der teuersten Hotels der gesamten Stadt. Der Schrank von Mensch, der kein einziges Wort gesagt hatte, zog mich aus dem Auto und schleppte mich in das Hotel, dort in den siebten Stock und zu einer Suite hin. Kei war uns, die Hände in den Hosentaschen vergraben, gefolgt, und klopfte dann an die Tür. Eine sanfte Stimme rief ‚herein’. Sie war hell, aber nicht so wie Yasus, sondern... anders. Sie klang nicht schlecht. Kei öffnete die Tür, dankte dem Bodyguard und schob mich in die Suite, die mich erst einmal blendete, weil sie sehr groß, sehr hell und SEHR prachtvoll (beziehungsweise verschwenderisch) eingerichtet war. In der Sitzecke hatte es sich jemand auf einem Sofa bequem gemacht und betrachtete uns beide. Es war ein unheimlich hübscher Mann mit einem ebenmäßigen Gesicht, vorne glatten und braunen Haaren, die hinten allerdings rot gefärbt und gelockt waren. Er trug eisblaue Kontaktlinsen und ein ihm wie angegossen sitzendes kariertes Oberteil. Er wirkte sehr edel und elegant, wie er da saß, mich aufmerksam betrachtete und ein Bein über das andere geschlagen hatte. Ich fragte mich, was er mit Kiyoharu zu tun hatte. „Ich hab ihn!“, verkündete Kei überflüssigerweise fröhlich, führte mich zur Sitzecke und nahm mir den Knebel ab. „Wer bist du?“, war das erste, was ich fragte, und musterte den anmutigen Typ vor mir. Der lächelte leicht. „Ich heiße Mirai. Und du bist Kiyoharus momentaner Freund?“ „Ja, bin ich...“, bestätigte ich. „Perfekt“, lächelte Mirai. „....zusammen mit Jui und Hiroto“, fügte ich hinzu. Mirais Lächeln verschwand. Er und Kei wirkten für einen Moment sprachlos. „Hört zu, ich weiß nicht, wer ihr seid... doch, wer du bist, Kei, weiß ich inzwischen, aber ich weiß nicht, wer du bist, Mirai, aber wie es aussieht, wurdest du auch von Kiyo verarscht. Also, ich, Jui, Hiroto und all die anderen haben es erst kürzlich rausgefunden, aber das wollen wir nicht auf uns sitzen lassen wie du damals, Kei, deshalb haben wir beschlossen...“ Ich begann, vom kommenden Ereignis zu berichten, erzählte kurz die Vorgeschichte und von den Vorbereitungen. „Du, Kei, bist sowieso herzlich eingeladen zu kommen, und Mirai – wenn dir auch so was passiert ist oder er dich irgendwie ausnutzt hat, dann kannst du natürlich auch kommen. Er soll sich auch an seine Vergangenheit erinnern.“ Die beiden waren einen Moment still und tauschten einen Blick. Ich berief noch ein letztes Treffen am Tag vor dem angesetzten Datum ein. Es versammelten sich alle, nur Mirai und Kei kamen als letztes, was insofern passte, als dass alle sie dann gleichzeitig kennen lernten (beziehungsweise wiedersahen). Als Mirai den Raum betrat, klappten Hakuei und Atsushi die Kinnlade herunter. „Mirai?“, fragten sie gleichzeitig. Er schenkte ihnen nur ein kurzes Lächeln, sagte aber nichts. „Na klar, kaum ist Mirai da, werde ich mal wieder ignoriert“, grummelte Kei und schmollte gespielt. „Hey, Kei“, begrüßte Hakuei ihn, noch immer etwas irritiert wirkend. „Lange nicht gesehen, long time no see“, erwiderte Kei und zwinkerte ihm zu. Dann wandte er sich an die anderen. „Ich bin Kei, war früher mal bei der Gothic Lolita Bible und bin jetzt persönlicher Assistent dieser wundervollen Person hier neben mir.“ Er deutete auf Mirai. „Und ich bin Mirai“, stellte dieser sich vor. Hakuei und Atsushi machten gleichzeitig ‚WOAH!!!’, wobei Hakuei von seinem Stuhl fiel und Atsushi einen Satz zurück machte. Entgeistert starrten sie Mirai an. „Was soll das Ganze?“, sprach Rose den Gedanken aus, den viele im Raum hatten. „Wer ist das?“ „Ich bin ein in Frankreich berühmter Schriftsteller, der unter einem Pseudonym schreibt“, antwortete Mirai lächelnd. „Wisst ihr, wer DAS ist?“, wollte Hakuei wissen, der noch immer auf dem Boden saß. „DAS DA..... ist Kiyos Frau.“ Ein einstimmiges „WAS?!?“ ertönte. Jeder außer Kei starrte Mirai geschockt und entsetzt an. „War“, berichtigte der lächelnd. „Also... sowohl als auch. Ich bin keine Frau mehr, und Kiyoharus war ich sowieso nur kurz.“ „Mirai... warum??“, wollte Hakuei verzweifelt wissen. Der Angesprochene (die Angesprochene?) zuckte amüsiert mit den Schultern. „Ich wollte wissen, was daran so toll ist, schwul zu sein.“ „Aber trotzdem veröffentlicht er seine Bücher als eine Frau“, merkte Kei an und grinste. „Er ist da ein bisschen schizophren.“ Ich glaubte es nicht. Dieser Typ... soll mal verheiratet gewesen sein? Mit KIYO?? Miya sollte mal in diesen Kerl verliebt gewesen.... Unvorstellbar. Ich schüttelte heftig den Kopf. „Was meinst du, sollte ich Miya mal einen Besuch abstatten?“, überlegte Mirai in dem Augenblick. Kei hob zweifelnd die Augenbrauen. „Ich glaube nicht, dass ihm das gut tun würde. Es ist das Beste, wenn du einfach hier mitmachst und dann wieder mit mir zurück nach Frankreich fliegst. Da gehörst du hin, da bist du besser aufgehoben.“ „Ja, wahrscheinlich hast du Recht“, nickte Mirai und schenkte allen Anwesenden ein Lächeln. „Also, darf ich bei euch mitmachen?“ ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ (nur noch vier Kapitel =D) damit habt ihr nicht gerechnet, was? |D aber es stimmt, dass Mirai vorher mal eine Frau gewesen ist, das steht in seinem Profil auf seiner Website ... gruselig <.< (und wen’s interessiert: bei Mizuki hab ich an den von Sadie gedacht ^^) (oh ja, und ursprünglich sollten Kirito und Yasu wirklich zusammenkommen, um des lieben Friedens Willen, aber dann hab ich mir gedacht, dass es doch nicht wirklich passt >_> bedankt euch bei Tattoo! XD *sämtliche Verantwortung abgeb*) TRETET MIR IN DEN AR*** UND ICH UPDATE FRÜHER >.< verzeiht mir T_T Glamour #4 ---------- Rating: PG-13/R A/N: ich mag dieses Kapitel ^_______^;;; Beta’d: mit penibelster und geduldigster Arbeit von Tattoo 3 *lieb* POV: Kiyoharu =D (siehe Kapiteltitel ^^) ~★~☆~★~☆~★~ Hiroto hatte mich für den Sonntag in ein ziemlich teures Hotel bestellt. Er hatte gemeint, dass es ziemlich dringend sei und er eine Überraschung für mich habe. Ich hatte nur widerwillig auf sein Drängen hin nachgegeben, weil ich mich eigentlich mal wieder mit Jui treffen wollte, ich hatte ihn ein wenig vernachlässigt in letzter Zeit. Ich meine, nicht, dass es mir nicht gut getan hätte, nicht alle fünf Minuten zu wiederholen, dass und wie sehr ich ihn liebte, aber er wurde schnell beleidigt, wenn ich ihn zu lange nicht sah. Für Hyde hatte ich überhaupt keine Zeit gehabt, aber seltsamerweise hatte er mich zu keinem Treffen gezwungen. Gara hatte ich ja schon in der vorigen Woche gesehen, er konnte ruhig noch ein bisschen warten. Aber während ich auf dem Weg zu dem Hotel war, aus dem Auto nach draußen sah und die Lichter der Straßenlaternen und der Neonschilder vorbeizogen, breitete sich langsam ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend aus. Ich traute Hiroto nicht. Ich kannte ihn zu kurz, er könnte mich in irgendeine Art von Falle locken – in ein Hotel waren wir noch nie gegangen.... Ach, wahrscheinlich wurde ich einfach nur paranoid. Ich sollte nicht an so etwas denken, dazu gab es sowieso keinen Anlass. Am Hotel angekommen, stieg ich aus und betrat das Foyer, ging in Richtung Aufzug. Ich war gespannt, was für eine Überraschung er dieses Mal für mich vorbereitet hatte. Die vorherigen hatten mir immer außerordentlich gefallen, er war wirklich ein würdiger Ersatz für Kirito, auch, wenn er eigentlich nicht mein Typ war – seine Versautheit machte das alles wieder wett. Und dabei sah er noch so niedlich aus! Vielleicht war es das, was mich an ihm so anmachte – diese kindliche Unschuldigkeit gemischt mit dieser Obszönität... Dass ich jetzt ein neues Betthäschen hatte, dafür konnte ich dieses Mal ausnahmsweise nichts. Hiroto war irgendwann in mein Büro gekommen, hatte sich auf meinen Schoß gesetzt und angefangen, mein Hemd aufzuknöpfen. Einfach so – konnte ich da nein sagen? Und in dem Stil ging es weiter, ich musste überhaupt nichts machen, er kam von selbst an, bettelte um Treffen mit mir und bot sich mir auf dem Präsentierteller an. Also bitte, ein solches Angebot konnte ich doch nicht ausschlagen. Vielleicht störte mich aber auch gerade seine Direktheit an ihm. Ich lebte nach dem Grundsatz, dass du den Leuten mehr vertrauen kannst, wenn du sie überzeugt hast, als wenn sie sofort vorgeben, derselben Meinung wie du zu sein. Gara hatte ich überzeugt, Jui hatte ich überzeugt, Kirito hatte ich überzeugt, und Hiroto? Bei ihm war es von selbst gekommen. Ich fand das verdächtig. Aber bitte, solange ich so guten Sex bekam, wollte ich mich nicht beschweren. Während ich im Aufzug war, ging ich in Gedanken noch einmal unser Gespräch durch, und suchte nach irgendwelchen suspekten Stellen. Er war zwar geheimnisvoll geblieben, aber nicht verdächtig. Obwohl... er hatte gemeint, dass mich etwas erwarten würde, mit dem ich auf keinen Fall rechnen würde. Und er hatte nicht gesagt, ob es gut oder schlecht war. Der Aufzug hielt auf der angegebenen Etage und öffnete seine Türen. Ich zögerte. Wollte ich wirklich wissen, was mich erwartete? Entschlossen ging ich los, erwartungsvoll, misstrauisch und ein bisschen nervös. Er kam von Vanilla Sky, was, wenn das alles nur eine Farce gewesen war, um mich hierher zu locken? Also nein, jetzt wurde ich wirklich paranoid. Vor der Tür, die mir diese Überraschung bringen sollte, stoppte ich, und atmete einmal tief durch. Dann legte ich mein Ohr an die Tür, um eventuelle Stimmen zu hören. Wenn noch irgendjemand anderes dort war, dann würden sie bestimmt darauf spekulieren, dass ich vorher klopfte und ab dann ruhig sein. Aber nein, ich hörte nichts. Doch, plötzlich ertönte eine Stimme. „Wann kommt er denn endlich...?“ Ich schloss für einen Moment die Augen und seufzte kaum hörbar. Hiroto. Das war nur Hiroto. Kein Grund zur Besorgnis. Ich sah auf meine Uhr. Ich war bereits eine Viertelstunde zu spät. Also klopfte ich und öffnete die Tür, als ein ‚herein’ ertönte. Ich betrat den Raum und blieb wie angewurzelt stehen. ... Nein. Das konnte nicht... Nein. Unmöglich. Absolut unmöglich. ....... Sie waren alle da. .... Alle waren sie gekommen, und jeder von ihnen musterte mich hasserfüllt, abschätzig, verletzt, enttäuscht, kalt, wie auch immer, sie standen alle in einem Halbkreis um die Tür, elf Leute insgesamt: Ganz links die heutigen, angefangen bei Jui, dann Yasu, Kirito, Gara, Hiroto und Rose und Hakuei standen dicht beieinander, und mit Hakuei fing meine Vergangenheit an. Atsushi war gekommen, sogar Hyde. Das hätte ich nicht von ihm gedacht. Er hatte den Blick gesenkt. Und neben ihm Kei und... Mirai. Sie hätte ich am wenigsten erwartet. Nein. Das hier passierte nicht wirklich, das war ein Traum, aber warum wirkte es so echt? Warum sah Mirai ein paar Jahre älter aus, hatte dasselbe spöttische Lächeln auf den rosigen Lippen wie damals, war genauso umwerfend wie schon immer? Ich flüsterte leise ihren Namen. „Schon scheiße, wenn keiner mehr zu einem hält, oder?“, brach Hakuei endgültig die Stille und lächelte schief. Ich sah ihn an, dann musterte ich sie der Reihe nach. Jui musterte mich mit einem Blick, der nicht so schwach wirkte wie erwartet, in ihm lag Enttäuschung und Wut. Yasu wirkte ganz ruhig, klar, ihm war nichts Schlimmes passiert. Kirito beobachtete mich verächtlich, ganz anders dagegen Gara, der rein gepeinigt aussah, als wäre er lieber woanders. Warum? Vor einigen Tagen hatten wir uns noch gesehen, da war er wie immer gewesen... Hiroto lächelte mich tatsächlich an, ein Indiz dafür, dass ich ihm nie etwas bedeutet hatte. Damit konnte ich leben. Aus Roses Blick konnte ich nichts anderes herauslesen als Interesse, als wäre ich ein seltenes Insekt, Hakuei wirkte – wie zu erwarten war – so, als würde er mir gleich an die Kehle gehen wollen. Atsushi war genauso ruhig wie Yasu, Hyde dagegen wich weiterhin meinem Blick aus und Kei hatte schadenfroh eine Augenbraue gehoben. Mirai sah mich unverwandt an, eine Mischung aus Amüsement und Ärger in ihren wunderschönen dunkelbraunen Augen. Ich wollte sie umarmen. „Petze“, murmelte ich leise in Yasus Richtung. Dessen Gesicht verdüsterte sich. „Du hättest mich gleich aus dem Weg räumen sollen, du weißt doch, was für ein Helfersyndrom ich habe.“ „Was wollt ihr?“, fragte ich beherrscht und schaute zu Hakuei. Der hob die Augenbrauen. „Sieh nicht mich an. Ich bin nur stocksauer auf dich, weil du meinen Freund angepackt hast. Frag Gara, frag Kirito, frag Jui, ihre Wunden sind am frischesten.“ Also sah ich zu den zweien, aber bevor noch irgendjemand etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür. Ich drehte mich um. Jemand öffnete vorsichtig und steckte seinen schwarzen Haarschopf herein. „Ich bin doch nicht zu spät, oder?“, fragte er mit einem entschuldigenden Lächeln. „Habt ihr schon angefangen?“ „Toshiya!“, entfuhr es Hiroto. „Was zur Hölle machst du hier, ich.... ich hab dir gesagt, du sollst dich raushalten!“ Oh nein. Ich blickte zu Jui, dem die Panik ins Gesicht getreten war. Ja, noch hast du Angst vor Toshiya, noch missfällt dir sein Anblick.... Ich biss mir unmerklich auf die Lippe. Heute würde bestimmt nichts ungesagt bleiben... „So was kann ich doch nicht verpassen“, lächelte Toshiya und zwinkerte in Hirotos Richtung. Na ja, vielleicht auch Garas. „Hat schon jemand den Anfang gemacht?“ „Anfang womit?“, wollte Hiroto wissen, der inzwischen rot angelaufen war und einige vorwurfsvolle Blicke erntete. Offenbar war Toshiya in dem Ganzen hier nicht eingeplant gewesen. „Mit Anschuldigungen“, erklärte Toshiya und machte die Tür hinter sich wieder zu, warf Jui einen kurzen Blick zu. „Wenn nicht, würde ich gerne anfangen, damit diese wundervolle Person zu meiner Linken nicht noch weiter leiden muss.“ Er deutete auf Jui. Der biss sich (wie ich, allerdings aus einem anderen Grund) auf die Unterlippe und drückte sich etwas an Yasu, der einen Arm um ihn legte. „Ich glaube, du hast hier nichts verloren“, sagte das Helfersyndrom in Person feindselig. „Ich glaube, doch“, gab Toshiya zurück und lächelte, schaute mich dann an. „Möchtest du es ihnen erklären, Kiyoharu, oder darf ich? Ich habe Angst, dass du alles verdrehst.“ Ich schwieg. „Gut, ich werte das als Zustimmung. Ich denke, hier wissen alle, dass Jui und ich mal zusammen gewesen sind-“ „Ich weiß nicht mal, wer du Clown bist“, warf Kei in Richtung Toshiya ein. „Hör auf! Ich will nicht hören, was du sagst, du hast mich hintergangen, du hast mich sitzen gelassen, du hast Lügen über mich verbreitet!“, rief Jui plötzlich, Tränen in den Augen. „Wie auch immer“, fuhr Toshiya unbeeindruckt fort, „Jui und ich waren auf jeden Fall mal zusammen, und wir waren so glücklich miteinander, dass wir uns zusammen aus dem Modelgeschäft absetzen wollten, um in Frieden zu heiraten. Okay, vielleicht nicht heiraten, aber wir wollten nicht mehr weitermachen, wir hatten genug Geld und die Nase voll“, erzählte Toshiya und schenkte mir ein Lächeln. „Ihr könnt euch vorstellen, dass das unsere Chefs – sprich: diese Witzfigur hier und Cher Zwei Punkt Null, also Gackt – nicht sonderlich begeistert hat, als sie das von unseren Freunden erfahren haben. Also haben sie dementsprechende Maßnahmen ergriffen.“ „Das stimmt nicht!“, schrie Jui hilflos. „Du verdrehst alles, DU hast die Lügen erzählt, DU hast mich sitzen lassen!!“ „Gackt und ich haben ihn gezwungen, diese Lügen zu verbreiten“, hörte ich mich selbst sagen. Alle Blicke legten sich auf mich. Ich allerdings sah Jui an. „Es stimmt, was er sagt. Wir haben ihm jeglichen Umgang mit dir verboten.“ Jui schüttelte fassungslos den Kopf. „Was...?“, hauchte er. „Tut mir leid, dass du es so spät erfährst, aber besser spät als nie“, bemerkte Toshiya schulterzuckend und zwinkerte ihm lächelnd zu. „Da seht ihr mal, was für eine Scheiße dieser Kerl hier sonst noch machen kann“, fügte er hinzu und deutete auf mich. „Also langsam ist das wirklich nicht mehr lustig“, meldete Kei sich zu Wort. Jui begann zu schniefen, was Toshiya veranlasste, zu ihm zu gehen und ihn in seine Arme zu ziehen, woraufhin er nur noch mehr schluchzte. „Können wir diese lächerliche Veranstaltung endlich mal zu einem Ende bringen?“, fragte ich gereizt. Das grenzte ja fast an ein groteskes Theaterstück... „LÄCHERLICH?!“, fuhr Hyde mich an und musterte mich zum ersten Mal, seit ich den Raum betreten hatte. „DAS HIER nennst du LÄCHERLICH?!?! Du hast die Gefühle von jedem einzelnen hier aufs Heftigste verletzt, und das findest du LÄCHERLICH?!“ „Schrei mich nicht an“, forderte ich ruhig und sah ihn fest an. „Kommandier mich nicht rum!!“, fauchte er. „Ich habe mich lange genug von dir ausnutzen lassen! Schau dich nur an, hier stehst du, umringt von deinen Feinden, die früher mal deine Freunde waren! Wie viele von denjenigen, die hier stehen, hassen und verachten dich? DU bist lächerlich, du hast niemandem mehr auf der Welt, ist dir das eigentlich klar? Das hast du dir gründlich versaut!“ „Miyas Freundschaft hast du für Mirai aufgegeben“, fing Hakuei an und deutete auf Mirai. „Mirais Liebe hast du für meinen Anblick und Hydes Körper weggeworfen. Und Hyde, der einzige richtige Freund, den du jemals hattest, den hast du verführt und dann angewidert das Ergebnis betrachtet, das gerade noch gut genug war, um dir als Sexobjekt zu dienen! Deinen Job hast du aufgegeben für zahllose Affären, die deinen Drang nach Anerkennung, Liebe und Sex gestillt haben, dich allerdings niemals glücklich machen konnten. Und schau, zu was du dich gemacht hast!“ „Schau, zu was du MICH gemacht hast“, ertönte plötzlich eine männliche Stimme, die mir ganz, ganz entfernt bekannt vorkam. Ich sah entgeistert zu Mirai. Ihr Lächeln war verschwunden, dafür zog sie sich die Jacke aus und knöpfte anschließend ihr Hemd auf, hielt es weit auf. Dort, wo vorher ihr zwar flacher, aber dafür hübscher Busen gewesen war, hatte sie nun die Brust eines Mannes. Und zwei lange, hässliche, gebogene Narben quer darüber. Ich keuchte völlig entgeistert auf und starrte sie an. „Möchtest du unten herum auch sehen?“, fragte sie spöttisch und breitete die Arme aus. „Geschockt? Bist du ernsthaft geschockt darüber, was du aus den Menschen machen kannst?“ Ich merkte, wie meine Knie weich wurden. Die wunderschöne Frau, die Frau, in die ich mich verliebt hatte, war verschwunden. Vor mir stand nun ein mir vollkommen fremder Mann. Ich kannte ihn nicht mehr. Mit ihm war ich nicht verheiratet gewesen, nein, mit ihm nicht. Ich hatte die bezaubernde, wundervolle Mirai geheiratet. Dieser Mirai vor mir war nicht mal ein Abklatsch, er hatte nicht die Hälfte ihrer Anmut, nicht einmal ein Viertel ihrer Eleganz. Dieser Mirai vor mir, der mich triumphierend ansah, war ein Alptraum. „Das wollte ich dir schon lange mal zeigen“, fuhr Mirai fort, seine Stimme jetzt fester. Ich hörte noch Mirais frühere Stimme heraus, plötzlich hatte ich wieder ihr Lachen im Ohr, ihre melodische Stimme... „Dem Monster, das mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin.“ Mirai hätte mich niemals Monster genannt, Mirai liebte mich. „Ich... bin kein...“ „Du wirst dir wünschen, niemals geboren worden zu sein“, murmelte Hakuei und starrte mich düster an. „Morgen wird ein Artikel in Japans bekanntester Zeitung erscheinen, auf der Titelseite. Er wird den Inhalt haben, wie einer der renommierten und erfolgreichen Chefs von GLAMOUR – FASHION an der eigenen Scheiße zugrunde geht.“ „Wir haben alle gegen dich ausgesagt, du wirst wahrscheinlich einige Prozesse an den Hals kriegen“, fügte Kirito hinzu. „Unter anderem auch für Yasu. Und wahrscheinlich auch für Toshiya.“ Er sah zu Toshiya, der Jui schon seit Minuten beruhigend und zärtlich über den Kopf streichelte. „Oh ja, und die Polizei wird Beweise dafür finden, dass du fast alle Kollektionen gefälscht hast, wofür du auch noch mal blechen wirst“, merkte Yasu an. „Völlig egal, ob du es warst oder Gackt, ihr habt doch sowieso zusammen gearbeitet, nicht wahr?“ Ich starrte ihn an, blickte dann zu Hyde, der meinem Blick wieder auswich. „So eine Doppelmoral ist wirklich einmalig“, murmelte Hakuei kopfschüttelnd. „Nach außen hin ziehst du über Gackt her, wo du kannst, und eigentlich macht ihr gemeinsame Sache, indem ihr irgendwelche Ideen für Spottpreise von arbeitslosen Designern abkauft und sie groß als eure eigenen Ideen rausbringt und vermarktet.“ „Geschickt, eigentlich“, merkte Atsushi an, der sich bis dahin zurückgehalten hatte. „Denn so könnt ihr sichergehen, dass ihr nicht verklagt werdet. Da die Designer kaum leben können mit dem Geld, das sie bekommen, können sie es sich nicht leisten, einen Prozess gegen euch zu führen.“ „Du wirst vollkommen vernichtet“, flüsterte Kirito. „Du verlierst dein Ansehen, dein Geld, deinen Job, du bist ersetzbar! Das weißt du, nicht wahr? Man kann dich ohne Probleme ersetzen. Du wirst entlassen, du wirst NICHTS mehr haben. Und da die Zeitungen, nachdem sie die Neuigkeit aufgegriffen haben, deinen Kopf rollen sehen wollen, werden sie überall zeigen, wie du aussiehst, damit du auch ja nicht mehr unerkannt auf die Straße gehen kannst.“ „Du wirst kein soziales Leben mehr haben“, fügte Hakuei hinzu. „Keiner wird mehr mit dir was zu tun haben wollen, weil er nicht wissen wird, ob du ihn gerade auch wieder nur verarschst oder nicht...“ „Du wirst ausgelacht werden“, meldete jetzt auch Mirai sich wieder zu Wort, das höhnische Lächeln zurück auf ihren... auf seinen Lippen. „Dafür, dass du mal mit so jemandem wir mir zusammen, sogar verheiratet warst.“ „Mach dich auf die schlimmsten Jahre deines Lebens gefasst... die den Rest deines Lebens andauern werden“, grinste Kirito. „Weißt du, wir haben uns gefragt, ob das vielleicht nicht ein wenig hart ist“, fuhr Yasu fort. „Wenn wir dir alles nehmen, was dir wichtig ist“, nickte Hakuei. „Deinen materiellen Besitz...“ „Deinen Ruf...“ „Alle deine Freunde...“ „Deinen Job...“ „Wir haben uns die ernsthafte Frage gestellt, ob es gerecht ist, wenn wir dir im Gegenzug zu dem, was du uns allen angetan hast, dies alles nehmen“, wiederholte Kirito. „Und wir sind zu dem Schluss gekommen... ja. Ja, das ist nur gerecht.“ Es überraschte mich, das von Gara zu hören. Ich betrachtete ihn, und er starrte mich nur feindselig an. Variable X, fuhr es mir durch den Kopf, du bedeutest ihm nichts. Deshalb hat er sich nichts anmerken lassen bei eurem Treffen vor ein paar Tagen. Weil du ihm eh egal bist. „Du hast uns im Gegenzug viel zu viel genommen“, redete Gara weiter. „Unsere Träume, Wünsche, Hoffnungen, unsere Unschuld, unseren Glauben an das Gute, an die Menschheit, an die Liebe. Unser Vertrauen in dich, in alle anderen. Du hast unsere Gefühle aus uns herausgesaugt, wie ein Vampir, und du hast selbst dann nicht gestoppt, als wir leer waren, sondern immer weiter gesaugt, weil du wusstest, dass du mit einer Regung von dir unsere Gefühle wieder aufleben lassen konntest. Du bist ein Monster, Kiyoharu. Und du hast uns auch fast zu welchen gemacht. Du hast dafür gesorgt, dass wir naiv blieben, damit du uns kontrollieren konntest, wie du wolltest. Das waren wir für dich, nicht wahr? Ein Experiment, wie sehr du andere menschliche Wesen beeinflussen und in deine Macht bringen kannst. Jetzt weißt du es. Sogar so weit, dass sie blind für das Offensichtliche wurden und von einer außenstehenden Person darauf hingewiesen werden mussten, dass du nichts anderes als ein Puppenspieler bist.“ „Bezahl dafür“, murmelte Jui. „Du WIRST dafür bezahlen“, mischte Hakuei sich wieder ein. „Du hast mit einem hohen Einsatz begonnen, du hast ihn immer weiter vermehrt, aber jetzt ist dein falsches Spiel aufgefallen. Jetzt verlierst du alles.“ Eine Weile herrschte Stille. „Wie könnt ihr mir das antun?“, fragte ich irgendwann leise. „Wie könnt ihr das tun, obwohl ihr mich angeblich geliebt habt?“ „Oh, du solltest die Liebe nicht unterschätzen“, bemerkte Mirai. „Das hier tun sie auch nur, weil sie dich lieben.“ „Liebe ist ein sehr abstrakter Begriff...“, meinte Kei nachdenklich. „Sie kommt auch in der Hassliebe vor. Ich bin mir sicher, dass ich dich irgendwo in meinem Herzen auch noch liebe, aber die Liebe ist wie Wein. Je älter sie wird, desto besser wird sie... aber wenn sie zu alt wird, dann verdirbt sie. Und wenn man sie zu lange an der Luft stehen lässt, verwandelt sie sich in Essig. Stell dir vor, die Liebe ist der Wein, und durch die Erkenntnis, dass du ein machtgeiles Arschloch bist, verwandelt sie sich bei einigen langsam, bei anderen schneller, in Essig. Und Essig ist der HASS. Ich hasse dich weder, noch liebe ich dich, ich habe den Wein, zusammen mit dem Essig, einfach weggekippt. Du bedeutest mir nichts mehr, wie eine nervige kleine Ameise, die ich ohne weiteres zertreten kann.“ Mirai runzelte auf diesen Vergleich die Stirn, und Kei sah ihn kurz an. „Ich weiß, dass meine Metaphern nicht viel taugen und dass es GANZ furchtbar ist, wenn ich sie vermische, aber ich habe gerade nichts Besseres gefunden“, murmelte er Mirai zu. „Auch, wenn das Ganze hier sowieso ein bisschen durcheinander ist“, fing Hiroto unvermittelt an und lächelte leicht, „habe ich trotzdem ein schlechtes Gewissen, jetzt von etwas vollkommen anderem anzufangen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst“, erlaubte Hakuei ihm großzügig. „Dieses ganze Gespräch hier wurde aufgezeichnet“, fuhr Hiroto fort und deutete in einige Zimmerecken, „und wird Miya zusammen mit deinem Kündigungsschreiben vorgelegt. Denn du WIRST kündigen, Kiyoharu, verzeih, dass ich es vorher nicht berichtigt habe.“ Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Warum werde ich kündigen?“, wollte ich leise wissen. „Frag nicht. Du wirst es“, lächelte Hiroto zurück. „Seid ihr jetzt endlich fertig?“, fragte ich. Hakuei trat ein paar Schritte auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen, dann beugte er sich zu mir. „Du brauchst überhaupt nicht so gelassen zu tun, ich weiß, dass du zusammenbrechen wirst, wenn wir gehen. Vor uns würdest du dir keine Schwäche erlauben. Aber selbst wenn du dich hier vor uns beherrschen kannst – wie lange wirst du es vor der Öffentlichkeit können? Das hier wird öffentlich werden, und was machst du dann? Lange wirst du dein Gesicht nicht mehr wahren können. Deshalb kannst du jetzt ruhig Schwächen zeigen. Wir sehen sie früher oder später sowieso. Kiyoharu.“ Mirai nahm eine unförmige Tasche von dem Bett hinter sich und reichte sie Hakuei, der sie mir in die Hand drückte. „Schau dir die doch mal beizeiten an“, sagte er und trat einen Schritt zurück, als würde er sich vor mir ekeln. „Ich hoffe, wir sehen uns nie mehr wieder.“ Er verließ den Raum als erstes, Rose folgte ihm, dann alle anderen. Kein einziger blickte zurück. Toshiya hatte einen Arm um Jui gelegt und drückte ihn fest an sich, Kei wollte nach Mirais Hand greifen, aber der sah ihn nur tadelnd an. Yasu schloss die Tür hinter sich. Nicht mal er schaute sich um. Ein dumpfes Geräusch ertönte, als die Tasche mir aus den Händen glitt und zu Boden fiel. Es war, als würde aus ihr eine Kälte herausströmen, als würde diese über den Fußboden kriechen und langsam in meine Füße schlüpfen, meine Knöchel hinaufklettern, sich in meine Knochen krallen und meine Beine hochwandern, es sich für einen Moment in meinem Magen gemütlich machen, dann mit eisiger Hand mein Herz umschließen und unerbittlich meine Kehle zudrücken, bis sie schließlich mein Gesicht erreichte, mein Sichtfeld weiß werden ließ, weiß wie Schnee. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr, ich sank auf die Knie, musste mich mit den Händen vor mir abstützen, um nicht mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen, ich sank immer weiter in mich zusammen, bis meine Stirn irgendwann auf dem weichen hellen Teppich unter mir lag. Ich schluchzte auf, begann zu zittern, mir wurde eiskalt. Ich war am Ende. Es gab kein Zurück mehr. Ich war von meinen eigenen Puppen, die sich von meinen Fäden losgekämpft hatten, überwältigt, mit meinem eigenen Garn zusammengeschnürt worden, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Und während ich immer wieder erstickt aufschluchzte, mein Gesicht in den Teppich drückte, mich in das weiche Material hineinkrallte, wurde mir bewusst, dass es kein ‚ich’ mehr gab. Nur noch das Ich. Das große Ich. Das öffentliche Ich. Das kleine ich war vor vielen Jahren verloren gegangen, ausgelöscht worden, als ich Miyas Freundschaft wegwarf, als ich Mirai sitzen ließ. Das kleine ich hatte noch Moralvorstellungen gehabt, Träume und Hoffnungen. Aber davon war nichts mehr übrig. Das Ich, als das ich mich ausgab, und das Ich, das heimlich auf all diese dummen Models hinabsah, sie waren schon längst eins geworden. Hätte es noch ein ich gegeben, dann hätte es sich gegen das Ich gewehrt. Aber ich war schon vor langer Zeit besiegt worden. Von mir selbst. ~★~ Am nächsten Tag ließ ich die Vorhänge geschlossen. Ich schaltete den Fernseher nicht ein, um Morgennachrichten zu schauen, ich blätterte die Zeitung nicht durch. Ich stand nicht vom Bett auf. Regungslos blieb ich liegen und wünschte mir, einfach die Augen zumachen zu können und nie wieder aufwachen zu müssen. Nach einer Weile siegte allerdings die Neugier. Ich rappelte mich auf, zog mir einen Morgenmantel an und holte die Tasche an mein Bett, die Hakuei mir gestern gegeben hatte. Als ich sie öffnete, konnte ich erst einmal nichts damit anfangen. Viele Kassettenhüllen, wie für einen Kassettenrecorder gemacht, aber so etwas besaß ich überhaupt nicht mehr. Ich öffnete eine Hülle und las ‚Kirito’ darauf. Das, was darin war, sah nicht aus wie eine normale Kassette. Ich schüttete die Tasche auf meinem Bett aus und verstand, als eine Kamera ebenfalls auf das Laken fiel. Offenbar alles Kassetten für die Kamera... Ich zählte durch. Elf Kassetten. Für elf Leute. Kam hin. Mit zitternden Fingern öffnete ich jede Hülle einzeln und las den Namen jeder Person, die gestern dabei gewesen war, bis auf Toshiyas. Zögernd stand ich auf, ging zu meinem Fernseher und schaute, ob die für die Kamera notwendigen Anschlüsse da waren. Waren sie. Ich schloss sie an den Fernseher an und holte dann alle Kassetten, betrachtete sie. Dann ordnete ich sie erst einmal nach Wichtigkeit der jeweiligen Person beziehungsweise wen ich lieber sehen wollte. Diejenigen kamen an den Schluss. Hiroto war der erste – er bedeutete mir gar nichts, schließlich war er nur kurz ein Betthäschen für mich gewesen. Ich steckte die Kassette mit seinem Namen in die Kamera, drückte auf Play und setzte mich im Schneidersitz vor den Fernseher. Ein leises, raschelndes Geräusch ertönte, dann hörte man ein dumpfes ‚POCK!’. Im Bild war lediglich eine gelb gestrichene Wand und die Hälfte eines Posters von einem verstorbenen Musiker mit pinken Haaren. Kurz tauchte Hirotos Gesicht direkt vor der Linse auf, dann verschwand er wieder, nur um kurz darauf wieder aufzutauchen, dieses Mal weiter weg, und sich auf einen Stuhl vor der Kamera zu setzen, ein Lächeln im Gesicht. „Hey! Ich hoffe, wenn du das hier siehst, dann geht es dir so schlecht, dass du am liebsten sterben würdest“, begann er zufrieden und grinste kurz. „Denn das heißt, dass ich es sowieso nicht noch schlimmer machen kann. Aber das glaube ich sowieso nicht. Nein, eigentlich, wo ich so drüber nachdenke, müsste ich beinahe so was wie eine Erholung sein...“ Er überlegte einen Moment und winkte dann ab. „Na ja, egal. Ich habe dir eigentlich nicht so viel zu sagen wie die anderen, weil wir uns ja kaum kennen, was hauptsächlich daran liegt, dass du mich zu Hyde abgeschoben hast. Das ging mir eigentlich ziemlich gegen den Strich, ich hatte gehört, dass du dich aufopfernd um neue Models kümmern würdest, wie du es auch bei Gara zum Beispiel, oder bei Rose gemacht hattest, und eigentlich wollte ich deshalb zu dir, aber mich dann einfach diesem Zwerg zuzuteilen, fand ich doch schon hart. Hyde interessierte mich nicht! Wenn ich mich hochschlafen wollte, dann war er der letzte, den ich anmachen würde, weil ich weiß, dass ich bei ihm eh keine Chance habe, weil er nur hinter dir her ist.“ Der Braunhaarige atmete einmal tief durch. „Wo war ich? Richtig. Nein, du hast dich nicht verhört, ich will mich hochschlafen, bei Gackt hat das ja leider nicht geklappt, als er rausgekriegt hat, dass ich mich nur an ihn rangemacht hatte, weil ich erfolgreich werden und endlich auch so ein großes Haus und ein hübsches Auto und viele, viele Männer besitzen wollte, da wollte er mich rausschmeißen, aber ich konnte ihn überreden, mich zu dir zu lassen, damit schien er ganz zufrieden zu sein. Dann hatte er mich nicht am Hals, sondern du, aber es kam ganz anders, es war wirklich unerwartet, dass du mich einfach zu Hyde abgeschoben hast, und das war echt nicht nett von dir.“ Er zog eine Schnute. „Ich meine, was kann ich dafür, dass ich nicht dein Typ bin? Ich bin nun mal ein kleiner Engel, oder zumindest tue ich so. Wie auch immer, letztendlich hab ich dich doch dazu gekriegt, mich zu vögeln, und in der Hinsicht muss ich dich wirklich mal loben, also du bist nicht nur bei deinem Job gut, sondern auch im Bett. Hättest du dich etwas mehr um mich gekümmert und hätte ich mehr von dir erfahren und wäre ich dir nicht mit meinem ständigen Geplapper auf die Nerven gegangen, dann hätten wir beiden ganz bestimmt auch mehr werden können, aber im Endeffekt ist es ja gut, dass nichts daraus geworden ist, denn dann wäre ich nur noch einer in deiner Sammlung gewesen. So aber bist DU einer in MEINER Sammlung.“ Hiroto grinste zufrieden. „Gib’s zu, du hast die Male mit mir genossen, mehr als ich, deshalb finde ich, kann man schon sagen, dass ich dich verarscht habe und nicht umgekehrt. Hm, wo ich so drüber nachdenke, ist das hier doch nicht so aufbauend wie ich dachte. Aber egal, schließlich geht’s ja darum. Ha, du wolltest dich bestimmt schon freuen, so lieb wie ich bin, könnte ich nie etwas Nachteiliges über dich sagen, stimmt’s?! Das hast du jetzt davon. Macho. Weißt du, ich mag Typen wie dich nicht, die glauben, sie wären der Mittelpunkt der Welt. Du kotzt mich an, und das, was du den anderen alles angetan hast, das werde ich dir auch nie verzeihen. Das ist wirklich zum Kotzen. Bah, mir wird schlecht, wenn ich weiter daran denke, dass du dich quer durchs Rudel... bah. Widerlich. Du bist abartig, hörst du? Das ist pervers, das ist anormal, das ist KRANK. Du hast doch einen echten Dachschaden. Geh mal zum Psychiater. Na ja, das war es nicht, was ich sagen wollte.“ Er überlegte eine Weile. „Hmm... jetzt hab ich vergessen, was ich sagen wollte. Ich rede zu viel. Na ja, wenn’s mir noch irgendwann mal einfällt, dann schick ich’s dir per Post, ja? In diesem Sinne – ein schönes Weiterleben in Schande noch.“ Er schenkte der Kamera noch ein strahlendes Lächeln, dann stand er auf, verschwand aus dem Bild. Als das Bild schwarz wurde, blieb ich noch eine Weile regungslos sitzen und starrte auf den Bildschirm. Das war es, was mich erwarten würde? Die geheimsten Gedanken der Personen, die ich benutzt hatte? Ich betrachtete meine Ordnung der Kassetten. Schnell sortierte ich einiges um und machte dann mit Kei weiter. Das erste, was man sah, war ein überdimensionales und unscharfes Auge, dann trat Kei ein paar Schritte zurück und legte den Kopf schief, trat wieder zur Kamera und fuhrwerkte hörbar an ihr herum. Im Bild sah man nur noch eine wunderschöne Suite, ganz weit im Hintergrund ein Fenster, das allerdings auf einer zu hohen Etage war, als dass man etwas hätte erkennen können. Mit einem Mal wurde die helle Suite stockfinster, dann wurde es wieder strahlend hell wie vorher, anschließend sah man nur noch schwarz-weiß. „Mensch, ist das ein geiles Ding...“, hörte man Kei murmeln. Das Bild verfärbte sich sepia, flimmerte kurz und stand plötzlich auf dem Kopf. Kei kicherte leise. Nun war die Suite wieder in ihrem ursprünglichen Zustand zu sehen. Dann wirkte es unvermittelt so, als hätte man eine durchsichtige gelbe Folie vor die Linse gelegt, die sich nach einigen Sekunden langsam ins orangene verfärbte. „Das gefällt mir!“, beschloss Kei und setzte sich vor die Kamera, lächelte sie an. „Hi, Kiyo! Das hier ist alles ein bisschen improvisiert, weil ich erst vor ein paar Tagen erfahren habe, dass das Zuckerschneckchen, also Gara, nicht alleine mit dir zusammen ist.“ Inzwischen war das Bild nicht mehr orange, sondern rot. Es schien, als würde der Farbfilter alle Farben des Regenbogens einmal durchlaufen und das Bild dementsprechend einfärben. „Das hier wird auch gar nicht lang, weil ich dir nicht viel zu sagen habe, außer dass du eines der größten Arschlöcher bist, das mir je auf dieser Erde begegnet ist.“ Während Kei violett anlief, dachte er einen Moment nach. „Ich frage mich nur, warum du das alles getan hast. Warum du es damals getan hast und diesen Fehler heute erneut begehst. Wahrscheinlich hatten das Zuckerschneckchen, Kirito und Jui und die anderen einfach nur Pech, in deine Hände zu fallen. Ich weiß selbst, wie charmant du sein kannst, und inzwischen denke ich gerne an die Zeit zurück, die wir miteinander hatten. Ich bin sicher, deine Techniken haben sich seit damals nur noch verfeinert.“ Als er das nächste Mal lächelte, war das Bild blau. „Es fasziniert mich, wie gut du Theater spielen kannst, das solltest du hauptberuflich machen, damit hättest du bestimmt viel Erfolg. Bevor du irgendetwas falsch verstehst – mit Faszination meine ich nichts Positives. Es beeindruckt mich, und es stößt mich gleichzeitig ab, weil das, was du mit deinem Talent anstellst, absolut verabscheuungswürdig ist. Aber du wirst dich nie ändern. Egal, was du machst, du änderst dich nie.“ Er schwieg, während er langsam ins Grüne überwechselte. „ICH habe mich geändert seit damals, das merkst du vielleicht. Früher war ich nur verspielt, jetzt bin ich ein richtiges Spielkind, aber wenigstens habe ich einen Job an Mirais Seite gefunden, der mir gefällt. Ich habe ihm geholfen, aus Japan herauszukommen, und zum Dank darf ich bei ihm bleiben. Keine Sorge, ich passe gut auf ihn auf. Ich lebe mein Leben weiter. Ich glaube, das war es, was ich dir sagen wollte – es gibt auch ein glückliches Leben ohne dich. Du magst es dir nicht vorstellen, aber das gibt es.“ Jetzt war er wieder gelb. „Aber wenigstens konnte ich mit dieser ganzen Sache abschließen. Und auch Mirai ist froh darüber, glaube ich.“ Kei lächelte erneut. „Das war es auch schon. Danke, dass du es dir angesehen hast.“ Damit stand er auf und schaltete die Kamera aus, nachdem das Bild noch endgültig wieder ins Rote übergegangen war. Ich schüttelte langsam den Kopf, erinnerte mich an Keis kleine Eigenheiten damals. Er hatte immer Zuckerwatte haben wollen, wenn er schlecht gelaunt war. Oder einen Kuss, damit konnte man ihn wunschlos glücklich machen. Er war eigentlich ganz niedlich gewesen... Ich dachte an seine Worte und daran, dass er Mirais Hand nehmen wollte am Vortag... ich konnte mir die beiden nicht zusammen vorstellen. Das passte nicht. Verärgert schob ich die nächste Kassette in die Kamera. Dieses Mal sah man einen relativ dunklen Raum, der edel eingerichtet war. Beinahe sofort trat Atsushi ins Bild, einen ernsten Gesichtausdruck aufgesetzt. „Wenn es meine Entscheidung wäre, dann würde ich jetzt hier nicht stehen“, begann er ruhig mit seiner wohlklingenden Stimme, keine Miene verziehend. „Aber Hakuei, Kirito, Gara und Yasu bestanden darauf, dass jeder ein solches Video exklusiv für dich anfertigte, um dir noch einmal seine letzten Gedanken zu äußern. Und da es ein ziemlicher Aufwand gewesen wäre, jeden einzeln mit dir sprechen zu lassen, haben sie beschlossen, dass es so viel einfacher ist.“ Atsushi seufzte leise. „Ich persönlich halte nichts von dieser Methode, da ich niemals deine Reaktion auf das, was ich hier sage, erleben werde, es sei denn, du filmst dich gerade selbst und das wäre doch ein recht absurder Gedanke.“ Er schwieg einen Moment. „Eigentlich halte ich auch nichts davon, an jenem Sonntag anwesend zu sein, da es keinen Unterschied macht, ob meine Persönlichkeit gegenwärtig ist oder nicht. Wie heißt es doch noch? Die Zeit heile alle Wunden. Bei mir war es die Enttäuschung und die Desillusion, die meine Wunden geheilt hat, Wunden, die du mit deinen Klauen in meine Haut gerissen hattest. Enttäuschung durch dich und Desillusion durch Hakuei. Du weißt, dass ich mich damals in seine Arme flüchtete. Das bereue ich heute noch. Er war so weltfremd wie ein Kind. Dies alles ließ mich nüchtern werden, abstumpfen, könnte man sagen. Du wurdest zweitrangig, Beziehungen wurden zweitrangig für mich. Freunde, Anerkennung, kleinere Dinge im Leben rutschte an die erste Stelle – so wurde ich nicht unglücklich. Ich habe viele langjährige Freunde, die sich eher erschießen als mich im Stich zu lassen, auf sie vertraue ich.“ Kurz trat ein trauriges Lächeln in sein Gesicht. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich dafür verachten oder bewundern soll, dass du so etwas in mir bewirkt hast. Durch meine Einstellung habe ich bereits viele Beziehungen verloren. Allerdings hat mich das auch jedes Mal nur zweitrangig getroffen. Es ist sehr abstrakt, das weiß ich, aber vielleicht verstehst du, was ich dir mitteilen möchte.“ Wieder eine Weile Stille. „Du hattest Angst vor mir, nicht wahr? Du hast befürchtet, ich würde dich durchschauen, nicht nur damals, auch heute noch. Du warst beunruhigt, dass ich deine Lügen erkennen würde, da ich so scharfsinnig, so realistisch und so ernüchtert war. Du hast an der falschen Stelle gesucht, Kiyoharu Mori. Nicht ich, nicht der hellsichtige erfahrene Erwachsene konnte dich durchschauen. Das ist dir selbst irgendwann aufgegangen. Nein, derjenige, der dich am ehesten verstehen konnte, war ein angeberischer Halbstarker. Dennoch hast du mit allen Mitteln versucht, mich aus dem Geschäft zu drängen, du fürchtetest Konkurrenz. Jetzt hast du dein Ziel endlich erreicht. Du bist mich los.“ In Atsushis Gesicht trat erneut ein Lächeln. „Und ich habe meins erreicht. Die Welt ist DICH los.“ Aua. Er hatte mehr bei mir anrichten können als Hiroto und Kei zusammen, wahrscheinlich, weil er so ernst geblieben war und so sachlich. Aber was meinte er damit, dass mich ein angeberischer Halbstarker besser verstand als er....? Nicht in der Stimmung für Rätsel, legte ich die nächste Kassette ein. Yasus und Roses waren recht unspektakulär, beide waren der Ansicht, dass ein Statement von ihnen unnötig war, da ich ihnen nicht wirklich etwas angetan hatte. Rose nutzte die Möglichkeit, um mich ein wenig mit Hakuei voll zu schwärmen und damit anzugeben, dass er mit Gara geschlafen hatte, als ich in Paris gewesen war. Schlampen. Alle beide – Gara und Rose. Danach kam Jui an die Reihe. Auch sein Video war nicht wirklich sehenswert, er heulte mich eigentlich nur damit zu, dass er so etwas von mir niemals gedacht hätte und dass ich doch immer für ihn da gewesen wäre, dass ich es verstanden hätte, als er lieber mit Toshiya zusammen sein wollte, und dass ich ihn sofort wieder in die Arme geschlossen hätte, als dieser diese schrecklichen Lügen über ihn verbreitete. Klar hatte ich dich da mit offenen Armen empfangen, du Idiot, das war doch meine Absicht gewesen. Ich hatte unter Sexmangel gelitten, und wenn du ganz aus GLAMOUR – FASHION, ganz aus dem Geschäft gewesen wärst, dann hätte ich dich nie wieder durchnehmen können.... Langweilig. Kannte ich alles schon. „Du Mistding, jetzt funktionier doch endlich!!“ Die Kamera wurde wild geschüttelt, dann gab es ein Geräusch, das wie ein ‚ploff’ klang, als würde die Kamera in eine dicke Decke geworfen werden. Dieser Eindruck wurde dadurch unterstützt, dass es mit einem Mal schwarz war. Ein paar Minuten hörte man Kirito etwas herum wühlen, dann wurde die Kamera wieder aufgehoben. Missmutig starrte der Schwarzhaarige ins Bild. „Läufst du etwa schon? Na klasse. Und ich find die Bedienungsanleitung nicht mehr und weiß deshalb nicht, wie ich irgendetwas lösche oder überspiele.“ Kurzerhand setzte er sich auf sein Bett und hielt die Kamera vor sich, wodurch abwechselnd immer mal wieder nur sein Hals, sein Gesicht von der Nase abwärts oder nur seine Stirn zu sehen war, selten aber sein Gesicht. „Ich hab schon seit drei Stunden versucht, dieses Drecksteil hier zum Laufen zu kriegen, und es hat sich gewehrt wie ein Kerl bei der Entjungferung. Deshalb bin ich jetzt auch einigermaßen angepisst und nicht in der Stimmung, einen langen Kommentar zu machen. Ich hab dir eh nicht viel zu sagen. Ich meine, ich wollte das hier mit dem Kommentar machen, weil ich finde, dass es eine schöne Möglichkeit ist, dir Beleidigungen an den Kopf zu werfen, ohne dir die Chance zu geben, sie zu erwidern, aber abgesehen davon finde ich es praktisch, weil wir so noch mal offen mit dir reden können, ohne irgendeine seltsame Reaktion deinerseits oder spöttische Kommentare von anderen fürchten zu müssen. Also mach ich hier mal den Anfang und geb das Ding dann hinterher an Gara und Yasu weiter.“ Kirito runzelte kurz die Stirn. „Also, was ich dir sagen wollte... ich hab das irgendwo mal aufgeschrieben, das meiste aber wieder gestrichen, weil dieses Video sonst einen Aufkleber namens ‚Nicht geeignet für Individuen unter 18 Jahren’ oder so einen Mist haben müsste, und außerdem würdest du das meiste gar nicht hören wollen. Also kürze ich es auf das Wesentliche: Du hast mir sehr weh getan. Wirklich, wie ein Messerstich direkt ins Herz.“ Für einen kurzen Moment zeigte das Bild seine Brust, wobei man sehen konnte, dass sein Hemd halb offen stand. Dann war wieder Kiritos Kinn im Bild. „Ich hab dir vertraut, und du hast dieses Vertrauen missbraucht, du hast mich belogen, betrogen, blabla, du kennst die Geschichte. Aber du hast auch meinen Stolz verletzt, ich fühle mich richtiggehend verarscht von dir, dass du es nicht nur mit mir und Jui, sondern auch mit Gara getrieben hast. Das grenzt an Geschmacklosigkeit. Ich mag Gara, der Kleine ist süß und ein total guter Freund, außerdem kann er gut küssen, aber du hast fast so was wie einen Keil zwischen uns treiben wollen, ob bewusst oder unbewusst, ist mir egal. Das nehme ich nicht hin, ich nehme auch nicht hin, dass du meine Freunde verarschst. Wenn nur ich es wäre, okay, meinetwegen, aber nicht Gara und Jui auch noch. Und dann Rose... versteh mich nicht falsch, ich mag Rose nicht, ich finde ihn teilweise arrogant und so naiv, dass ich das Kotzen kriege, aber Hakuei ist GLÜCKLICH mit ihm, und das zählt für mich. Sie haben sich gefunden, und ich wünsche ihnen alles Glück der Welt, dass sie jetzt für immer zusammen bleiben. Allein dafür, dass du versucht hast, dir Rose unter den Nagel zu reißen, sollte man dich kastrieren. Aber na ja, das überlass ich Hakuei. Überleg dir nur in Zukunft, wessen Freund du f***st und wessen nicht. Würde ich dir wirklich raten.“ Kirito sah noch einmal finster in die Kamera, dann wurde diese wieder wild herumgeschwenkt. Man hörte den Schwarzhaarigen noch etwas von ‚Drecksding’ und ‚verdammter Ausknopf’ murmeln, dann wurde das Bild wieder schwarz. Das war typisch Kirito. Natürlich, von Herzen, improvisiert, zielstrebig und spontan. Jetzt vermisste ich ihn. Wirklich, in dem Moment hätte ich ihn am liebsten in meine Arme geschlossen und die schmutzigen Sachen, die er mir ins Ohr flüsterte, genossen. Aber ich würde ihn wahrscheinlich nie mehr persönlich wiedersehen. Diese Erkenntnis schmerzte noch immer. Meine Finger zitterten wieder, als ich die nächste Kassette einlegte. Wieder erschien die Suite von Keis Video, nur dieses Mal in einem anderen Blickwinkel und dankenswerterweise blieb sie so sonnendurchflutet wie sie war und veränderte sich nicht regenbogenfarben. Mirais Gesicht war groß im Bild, als sie... als er die Kamera so ausrichtete, dass sie das gesamte große Bett filmte. Er lächelte zufrieden und machte es sich im Schneidersitz bequem. Er trug lediglich ein offenes Hemd und Shorts. „Wenn du dir das hier ansiehst, bin ich wahrscheinlich schon längst wieder in Frankreich“, fing er mit seiner sanften Stimme an. „Dann ist das Ganze zwischen uns beiden gelaufen... ich hoffe, dass ich es hinkriege, am Anfang nichts zu sagen, sodass es dir erst nicht auffällt – ich werde mich extra so anziehen, dass du nicht bemerkst, dass mir obenrum etwas fehlt...“ Er sah auf seine Brust und öffnete das Hemd etwas weiter, sodass eine der beiden Narben sichtbar wurde. „Obwohl ich nicht das Gefühl habe, dass mir etwas fehlen würde. Dafür hab ich jetzt zwischen den Beinen etwas mehr.“ Er kicherte leise. „Himmel, was klingt das alles absurd... Wenn du dich für die Hintergründe meiner Operation interessierst – ich wollte mich von dir distanzieren. Deshalb bin ich auch nach ein paar Jahren mit Kei aus Japan geflüchtet, weil mich alles an dich erinnerte. Aber fangen wir von vorne an.“ Mirai hatte jetzt wieder dieses offene und einladende Lächeln, das ihn so attraktiv machte. Nein, das DIE Mirai so attraktiv gemacht hatte. „Wir lernten uns auf der High School kennen, weißt du noch? Damals fandest du mich absolut furchtbar, weil ich so selbstständig war, du konntest mit emanzipierten Frauen nicht viel anfangen. Dann verloren wir uns aus den Augen, in dieser Zeit freundete ich mich mit Miya an, dem ich durch Zufall begegnet war. Dann, als DU Miya kennen lerntest, wurde nach kurzer Zeit klar, dass ihr eine gemeinsame Bekannte hattet. In dieser Zeit hatte ich mich weiterentwickelt und war, wie du es später ausdrücktest, zu einer Fee herangereift. Nach deinen eigenen Aussagen verliebtest du dich direkt in mich, als du mich nach der High School das erste Mal wiedersahst. Du hast sofort angefangen, mir den Hof zu machen, in jeder erdenklichen Art. Ich habe dich am Anfang allerdings gleich zurückgewiesen, da ich langsam, aber sicher, Gefühle für Miya entwickelt hatte. Er hatte auch Interesse an mir, das wusste ich, nur störte es mich, dass er sich oft einfach in seine Arbeit stürzte und sich tagelang nicht blicken ließ. Wie sollte ich mit so jemandem zusammen sein? Ich begann, öfter mit dir auszugehen, deine Komplimente zu genießen und sie teilweise zu erwidern, deine Gesellschaft als äußerst angenehm zu empfinden. Und als Miya dann endlich klar wurde, dass er dabei war, mich an dich zu verlieren, fing er an zu kämpfen. Um mich. Das gefiel dir wiederum nicht. Es war eine verzwickte Situation damals, ich mochte euch beide wirklich sehr gerne. Und ich traf eine folgenschwere Entscheidung, als ich Miya nach seinem Liebesgeständnis zurückwies.“ Mirai schwieg eine Weile, und es war schwer, ihn sich als Mann vorzustellen, dafür benahm er sich gerade viel zu sehr wie eine Frau. „Seine Ehrlichkeit war das, was mich dazu brachte – er hatte mir gesagt, dass er nicht versprechen konnte, immer für mich da zu sein. Seine Arbeit war ein wichtiger Teil seines Lebens. Ich gab ihm einen Korb und ließ mich in deine Versprechungen einlullen, dass du mir die Sterne vom Himmel herunterholen würdest. Du sagtest, dass du alles für mich aufgeben würdest, wenn ich es nur verlangte, du erzähltest mir sonst was, und ich glaubte es dir alles, weil ich dir glauben wollte. Ein halbes Jahr später heirateten wir. Ich weiß noch, dass mein Kleid feuerrot war, weil dir die Farbe so sehr gefiel. Aber schon zwei Jahre später begannst du dich zu verändern. Du kamst mehrere Nächte nicht nach Hause, du warst ständig bei irgendwelchen Leuten, die ich nicht kannte, du betrankst dich immer häufiger, du hast mich vernachlässigt.“ Sein Gesichtsausdruck wurde traurig und er senkte den Blick. „Wenn ich versuchte, mit dir darüber zu diskutieren, hast du mich ausgelacht oder einfach ignoriert. Ich hoffte, dass es besser werden würde, aber irgendwann kamst du nachts nach Hause, machtest überall Licht an und riefst nach Hakuei. Ich bin zu dir gegangen und hab dir gesagt, dass dich in deinem Haus nur deine Ehefrau erwarten würde. Du warst sternhagelvoll und hast irgendein Zeug gebrabbelt von wegen dass du Hakueis Gesicht ständig vor dir sehen würdest, jedes Mal, wenn du erregt wärst oder einen Orgasmus bekämst. Das reichte mir. Als ich mich scheiden lassen wollte, hast du einen Riesenaufstand gemacht. Das war wahrscheinlich das einzige Mal in deinem Leben, dass du rumgeschrien und Sachen aus dem Fenster geworfen hast. Ich hab natürlich zurückgeschrien, was hätte ich auch machen sollen, anders hättest du mir nicht zugehört. Und irgendwann hast du mir eine runtergehauen. Für ein paar Tage bin ich zu Miya gezogen, der sich aufopfernd um mich kümmerte.“ Mirai lächelte jetzt wieder. „Ich weiß, was du denkst. Nicht ein einziges Mal hat er mich angefasst oder auch nur etwas gesagt. Er hat mir sein Gästezimmer zur Verfügung gestellt, hat alles in die Wege geleitet, hat mir einen Anwalt besorgt, hat sich dafür eingesetzt, dass ich eine neue Wohnung, etwas weiter weg, bekam. Ich hätte heulen können, er war wirklich meine Rettung in der Not. Da habe ich erst realisiert, dass ich einen Riesenfehler gemacht hatte. Dass ich mich für den Falschen entschieden hatte. Dass Miya bloß bescheiden gewesen war und sich trotzdem um mich gekümmert hätte, egal, wie viel Arbeit angefallen wäre. Aber ich konnte nicht mehr wieder zurück, so sehr ich es auch wollte. Anschließend habe ich euch beide eine sehr lange Zeit nicht mehr gesehen. Erst entwickelte ich einen Hass gegen Schwule, aber dann wurde mir klar, dass mir damit absolut nicht geholfen war. Ich bekam von dem Skandal um dich, Hakuei, Atsushi, Kei und Mizuki mit und dachte mir: Das ist nicht der Mann, den du geheiratet hast. Das ist nicht der Mann, der dir noch unter dem Sternenhimmel versprochen hatte, sie dir eines Tages vor die Füße zu legen. Ich hörte, dass Kei in meine Nachbarschaft gezogen war, nahm mit ihm Kontakt auf und ließ mir von dir erzählen. Du hattest dich komplett verändert, das wurde mir klar. Und ab dann wollte ich nur noch weg von dir, so weit wie möglich. Ich ließ mich zu einem Mann umoperieren, halb, um den Erinnerungen an dich zu entkommen, und halb, um Kei zu gefallen. Mit beidem hatte ich Erfolg, wir flogen zusammen nach Frankreich und ich begann eine sehr ertragreiche Karriere als Schriftsteller, auch, wenn ich immer einen Übersetzer brauchte. Aber ich hatte mit dir noch nicht abgeschlossen, ich wollte dir noch einmal ins Gesicht sehen und dir schweigend mitteilen, dass ich dich verachtete. Ich wollte dir zeigen, zu was ICH geworden war.“ Der Braunhaarige überlegte noch einen Augenblick. „Und mit Miya werde ich, glaube ich, nie abschließen können. Ich werde mich immer dafür hassen, dass ich ihn nicht glücklich machen konnte. Tu mir bitte einen Gefallen – ich möchte ihm so nicht unter die Augen treten, weil ich Angst habe, dass ich ihn anwidere. Tu mir den Gefallen und sag ihm, dass er glücklich werden soll. Er hat meinen Befehl, sich zu verlieben und nicht mehr an mich zu denken. Ich hab das ungute Gefühl, dass auch er mich nicht vergessen konnte. Wenn er mich allerdings bereits aus seinen Erinnerungen gestrichen hat, dann bedanke dich bitte bei ihm dafür. Ich möchte, dass er wirklich glücklich wird. Das hat er verdient. Und meine Strafe ist die Gewissheit, dass ich ihn niemals mehr werde glücklich machen können, nicht mit diesem Körper.“ Jetzt stahl sich ein Lächeln auf Mirais Lippen, das anders war als die vorherigen. „So, und, um zum Ende zu kommen, möchte ich dir nur noch etwas zeigen. Ich weiß, dass ich dich am Sonntag fragen werde, ob du überprüfen möchtest, dass ich wirklich von oben bis unten ein Mann geworden bin, und ich weiß jetzt schon, dass ich es dir nicht vor allen anderen zeigen werde, selbst wenn du mich bittest. Deshalb möchte ich dir die Gewissheit geben, dass ich wirklich ein kompletter Mann und kein Zwischenwesen bin.“ Unvermittelt krabbelte jemand hinter Mirai auf das Bett und schlang von hinten seine Arme um ihn. Mirai lächelte wieder, die Augen noch immer auf die Kamera gerichtet, legte den Kopf etwas in den Nacken und vergrub eine Hand in Keis rotbraunem Haarschopf. „Und dabei wird mir jemand helfen....“ Vollkommen regungslos starrte ich auf den Bildschirm, beobachtete die beiden Körper, verfolgte die Bewegungen von Keis Zunge mit den Augen. Irgendwann wischte ich mir ärgerlich die heruntergetropften Tränen vom Handrücken und schloss kurz die Augen, öffnete sie aber sofort wieder, da mich dieses perfekte Zusammenspiel der beiden faszinierte. Und ja, Mirai war ein Mann durch und durch. Ich dachte an meinen hemmungslosen Sex mit Mirai zurück und verglich ihn mit dem hier. Mirai stöhnte öfter, aber leiser, und schien das Ganze mehr zu genießen. Vielleicht war hier mehr Liebe im Spiel, dachte ich. Womit hatte ich das verdient? Ich nahm auch dann die Augen nicht vom Schirm, als mein Chauffeur meine Tür öffnete. „Mori-san? Da ist ein Besucher für Sie.“ „Soll reinkommen“, murmelte ich bewegungsunfähig. Miya betrat mein Schlafzimmer und stellte sich hinter mir, beobachtete das Treiben auf dem Bildschirm einen Moment. „Was ist das?“, fragte er irgendwann. „Kei“, antwortete ich tonlos. „Kei von damals. MEIN Kei. DER Kei. Und der andere... erkennst du sie nicht wieder?“ „Was...“ Ohne ihn anzusehen, spulte ich an den Anfang zurück und tat mir alles noch ein zweites Mal an. Noch bevor Mirai wieder über die Gegenwart sprach, war Miya entgeistert zu Boden gesunken, saß schräg hinter mir und starrte den Fernseher mit offenem Mund an. Auch, während Kei und Mirai miteinander schliefen, bat er mich nicht, die Kamera auszuschalten. Also ließ ich es durchlaufen. Als Mirai und Kei endlich ihren Höhepunkt erreicht hatten, blieben sie noch eine Weile atemlos liegen, bis Mirai leise kicherte, den anderen von sich herunterschob und sich aufsetzte, wieder direkt in die Kamera blickte. „Bis dann, Kiyoharu Mori. Ich denke, wenn wir uns noch einmal wiedersehen sollten, wird es in einem anderen Leben sein.“ „Oder in der Hölle“, fügte Kei lachend hinzu und griff um Mirais Hüfte, der grinsend schnell die Kamera ausschaltete. Auch dieses Mal liefen mir Tränen die Wangen hinunter. Ich wischte sie nicht weg, sondern senkte den Kopf und krallte mich in meine eigenen Handballen. „Kiyoharu?“, sagte Miya leise. „Ja?“, flüsterte ich. „Du bist gefeuert.“ „Nein, ich kündige“, widersprach ich und drehte mich halb zu ihm um. Er hatte ebenfalls Tränen in den Augen. „Ich lasse dich nicht kündigen...“, erwiderte er. „Dann kriegst du ja noch weniger Geld...“ „Ich lasse mich von einer halben Portion wie dir nicht feuern“, murmelte ich und schniefte leise. „Scheiße, Miya...“ „Weißt du eigentlich, dass ich dich hasse?“, gab er hilflos zurück. „Es tut mir leid.“ Ich streckte die Hände nach ihm aus, legte sie ihm auf die Wangen und meine Stirn an seine. „Es tut mir so leid, wirklich... wenn ich gewusst hätte, wie sehr du sie geliebt hast...“ Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. „Du wurdest heute Morgen zum Arschloch der Nation befördert, Kiyo...“ „Das ist mir gerade scheißegal, ich will nur, dass du mir vergibst, das reicht mir, das reicht mir wirklich...“, wisperte ich. Miya legte seine Hände auf meine, nahm sie sanft von seinem Gesicht und drückte sie. „Es ist okay. Jetzt weiß ich wenigstens, dass sie mich auch geliebt hat... und jetzt habe ich ihre Erlaubnis, glücklich zu werden.“ „Du hast die ganze Zeit gewartet, oder?“, fragte ich. „Du hast die ganze Zeit auf sie gewartet....“ „Ja, wahrscheinlich schon....“ Miya und ich blieben einige Momente so sitzen. „Wenn ich sage, du bist gefeuert, dann meine ich das auch so. Kiyoharu, es tut mir leid, aber ich möchte nicht länger irgendetwas mit dir zu tun haben. Dafür hast du zu viel angerichtet.“ „Und jetzt würden sie mir auch nicht folgen, wenn ich gehen würde...“, bemerkte ich bitter. „Deshalb hast du mich vorher doch nur da gelassen, oder? Weil du wusstest, wenn du mich rausschmeißen würdest, dann würde Jui mir folgen, und Kirito auch, und dann würde Yasu wahrscheinlich auch noch mitkommen, und Hakuei wollte seine Rache und mir hinterher jagen... und das hast du dir nicht leisten können.“ „Und weil du wusstest, dass ich dich rausschmeißen wollte, hast du dir so viele Models wie möglich gekrallt, damit ich das nicht mehr konnte, oder?“, entgegnete Miya und schüttelte den Kopf. „Was für eine kranke Welt....“ „Danke, dass wenigstens du mir vergibst...“ „Schon okay.“ Er klopfte mir auf die Schulter und rappelte sich anschließend auf, zögerte noch einen Augenblick. „Kannst du mir... eine Kopie von der Kassette machen?“, bat er dann und deutete auf die Kamera. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Das sind meine. Und außerdem würde es dich nur unglücklich machen.“ Miya überlegte. „Stimmt. Auf Wiedersehen, Kiyoharu. Ich wünsche dir alles Gute. Und du bist wirklich gefeuert.“ Damit verließ er mein Schlafzimmer. Einige Momente, einige Minuten saß ich nur reglos da und versuchte, meine Gefühle zu ordnen. Irgendwann gab ich auf – es waren zu viele. Mir wurde so langsam bewusst, was es hieß, meinen Job los zu sein. Ich würde diese ganzen Menschen, die ich gerade auf dem Bildschirm gesehen hatte, niemals mehr persönlich wiedersehen – zumindest nicht, wenn es nach ihnen ging. Ich würde nicht wieder diese respektvollen, bewundernden und faszinierten Blicke auf mich ziehen. Ach, was interessierte mich meine Anerkennung? So langsam merkte ich erst, was ich eigentlich an ihnen allen gehabt hatte – nicht nur an Kirito oder Gara, sondern auch an Jui, Miya, sogar Yasu, Rose und Atsushi. Sie hatten mich zwar nicht alle gemocht, aber sie hatten mich akzeptiert. Ich betrachtete die drei übrig gebliebenen Videos. Wollte ich sie wirklich sehen? Wollte ich wissen, wie enttäuscht sie von mir waren? Und die Antwort: Ja. Ja, ich wollte es alles wissen, ich wollte wissen, was ich ihnen angetan hatte. Nicht aus Sadismus, eher aus Masochismus. Aber natürlich interessierte es mich, was sie mir zu sagen hatten. Bei der nächsten Kassette zögerte ich, sehr lange. Aber letztendlich spielte ich sie dennoch ab. Man sah eine Küche, oder zumindest konnte man raten, dass es eine Küche war. Die Wand war zur Hälfte gekachelt, hinter dem vor die Kamera gestellten Stuhl befand sich ein Schrank, der die Hälfte des Hintergrundes einnahm. Eine Weile passierte nichts, dann trat eine kleine Gestalt ins Bild und setzte sich auf den Stuhl, den Blick gesenkt. Hyde blieb ein paar Augenblicke nur sitzen, dann konnte man sehen, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, er aufstand und aus dem Bild verschwand. Fast sofort wurde das Bild der Kamera wieder schwarz. Einige Sekunden nichts, dann erschien die Küche erneut. Hyde setzte sich in einem weiteren Versuch auf den Stuhl, blickte allerdings dieses Mal direkt in die Kamera. Er machte den Mund auf, wieder zu, warf einen Blick zur Seite. Nachdem er einige Zeit sichtlich die Tränen zurückhalten musste, stand er wieder auf und schaltete die Kamera aus. Für Momente war wieder nichts zu sehen, dann tauchte die Küche ein drittes Mal auf. Hyde setzte sich erneut hin und atmete einmal tief durch, zwang sich sichtbar, in die Kamera zu schauen. „Kiyo....“, begann er, brach ab und flüchtete ein weiteres Mal, wurde durch das schwarze Bild ersetzt. Beim nächsten Mal hielt Hyde die Kamera in der Hand, hatte offenbar zum Schlafzimmer gewechselt und versuchte es dort. „Es tut weh, Kiyo“, flüsterte er mit schwacher Stimme. „Es tut wirklich weh....“ Wieder ein Szenenwechsel. Dieses Mal war die Umgebung dunkler, also war es wahrscheinlich ein paar Stunden später. Auf Hydes Lippen lag ein resigniertes Lächeln. „So schwierig es auch wird, ich werde von dir loskommen. Das schaffe ich. Die anderen helfen mir, das haben sie mir versprochen. Sie werden mir helfen, von dir loszukommen... Ich werde dich vergessen. Du wirst genauso heimlich und langsam aus meinen Leben, aus meinem Herzen verschwinden, wie du dich hineingeschlichen hast.“ Szenenwechsel. Das Bild schwarz, aber man konnte hören, dass die Kamera lief. „Ich frage mich wirklich, wie viel ich dir bedeutet habe. Das wäre das einzige, was mich noch an dir interessieren würde... aber ich habe Angst vor der Antwort“, hörte man leise Hydes Stimme. Es war eine Weile still. „Egal, was du sagen würdest, es würde mich nur wieder verletzen. Und es tut so schon genug weh.“ Die Hintergrundgeräusche verstummten. Ich brauchte eine Weile, um zu realisieren, dass das Video bereits zuende war. ... Was hieß hier ‚bereits’? Neben Mirais war diese Kassette die gewesen, die mich emotional am meisten mitgenommen hatte. Hyde hatte nicht einmal in die Kamera blicken können, nur aufgrund der Tatsache, dass er wusste, dass ich mir das entstandene Video einmal ansehen würde.... Ich bereute. Ich bereute leise, irgendwo hinten in meinem kalten und zu unberührten Herzen. Er fragte sich, was er mir eigentlich bedeutete? Das konnte er ruhig – ich hatte ihm ja nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass ich ihn auch nur mögen würde. Er war mir ziemlich auf die Nerven gegangen. Und er hatte zu mir gehalten, war für mich da gewesen, hätte und hatte auch alles für mich getan, hatte es tapfer ertragen, wenn ich von meinen neuesten Errungenschaften berichtete... Er war zu gut für diese Welt. Er war zu gut für mich. Ich hoffte, dass er mich so weit vergessen könnte, dass es ihm nicht mehr weh tat, er sich aber trotzdem noch an mich erinnerte. Ich bereute. Und ich wusste, dass es durch das nächste Video nicht besser werden würde. Hakuei saß in seinem Schlafzimmer auf seinem Bett und betrachtete irgendetwas über der Kamera interessiert. Hinter ihm konnte man ein Fenster sehen, es drang kein Licht von draußen herein – es war also wahrscheinlich nachts. Das einzige Licht kam von einer kleinen Lampe neben dem Bett. Man hörte etwas rascheln, dann trat jemand ins Bild, wieder heraus und dann erschien Rose, der es sich neben Hakuei bequem machte und murmelnd fragte: „Musst du das wirklich so spät machen...?“ Der Angesprochene schenkte ihm ein Lächeln und strich ihm kurz über die Wange. „Ja, muss ich. Das, was ich gerade im Kopf habe, muss ich loswerden. Entschuldige.“ Rose seufzte, ließ sich küssen und rollte sich dann an Hakueis Seite auf dem Bett zusammen, schloss die Augen. „Guten Morgen, guten Tag, guten Abend, was auch immer für eine Tageszeit sein mag, wenn du dir das hier ansiehst“, begann Hakuei in Richtung Kamera, einen ernsten Gesichtsausdruck aufgesetzt. „Obwohl ich das ‚guten Tag’ wahrscheinlich streichen kann, denn so, wie ich dich kenne, kannst du es kaum erwarten, dir alle Videos anzusehen, wahrscheinlich schaust du sie dir gerade noch in der Sonntagnacht an oder am Montagmorgen. Du bist nun mal so neugierig, und du wolltest anderen immer einen Schritt voraus sein. Wie auch immer – diese Videos wurden nicht in erster Linie dafür geschaffen, dich fertig zu machen, falls du das glaubst. Wenn es trotzdem darauf hinausläuft, dann solltest du dich eventuell fragen, woran das liegt. Nein, wir haben beschlossen, dass solche Videos ganz praktisch sind. Erst mal müssen wir dir nicht direkt gegenüberstehen, sondern haben ein nicht lebendiges Objekt vor uns, das den Namen ‚Kiyoharu’ trägt, weshalb wir es auch so ansprechen können. Ich denke, das hilft einigen Betroffenen um einiges. Jui, zum Beispiel, und Hyde auch. Ich könnte dir alles, was jetzt kommt, dir auch noch einmal ins Gesicht sagen, ich hätte damit kein Problem. Aber, wie Kirito angemerkt hat, es ist der beste Weg, DIR mal UNSERE Meinung mitzuteilen, ohne dir eine Möglichkeit zu geben, dich direkt dagegen zu wehren, direkt zu widersprechen. Denn dir würden irgendwelche Ausreden einfallen oder Ähnliches, und darauf wollten wir es nicht anlegen. Nein, sieh dir das hier in Ruhe an und nimm dir bitte die Zeit, über jedes einzelne Video, über jede einzelne Person, über alles, was gesagt wurde, nachzudenken. Und darüber, was du getan hast – Zeit dafür hast du ja jetzt genug.“ Hakuei schwieg kurz und schien zu überlegen. „Du hast viel Unverzeihliches getan. Die Sache mit Mirai damals – das hatte sie auf keinen Fall verdient. Dass du Hyde die ganzen Jahre ausgenutzt hast. Natürlich auch diese Polygamie mit mir, Atsushi, Kei und Mizuki. Dass du Leute allgemein verarschst. Ich hoffe, dir wird langsam klar, was du damit anrichtest, was du damit schon angerichtet hast. Dir scheinen die Konsequenzen deiner Handlungen nicht ganz bewusst zu sein. Ich mag dich nicht. Ich mochte dich noch nie. Ganz am Anfang, als ich dich noch nicht richtig kannte, da warst du mir sympathisch. Und dann, als du dir mich gekrallt hast, habe ich mich sogar in dich verliebt. Jugendsünden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich war hin und weg von dir, und mittlerweile glaube ich, dass ich mich damals mit jedem eingelassen hätte, der mehr Einfluss hatte als ich. Das gebe ich ganz offen zu – ich war vor Liebe und Popularitätsgeilheit blind. Wirklich blind. Du hast mir nie gesagt, dass du mich liebst, du hast mich teilweise wirklich zurückgewiesen, und ich wollte es nicht sehen. Das hast du, glaube ich, die ganzen Jahre nicht begriffen – ich war nie wegen mir auf dich sauer. Dafür war ich selbst verantwortlich. Ich hasste dich für das, was du den anderen drei angetan hattest.“ Hakuei runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich gebe mir auch einen gewissen Teil der Schuld an der ganzen Sache mit Jui, Kirito und Gara heute. Irgendwie wusste ich, dass es dir damals so sehr gefallen hatte, mehrere Freunde gleichzeitig zu haben, dass du nicht so einfach damit aufhören würdest. Wenn ich näher hingesehen hätte, dann hätte ich vielleicht bemerken können, dass Jui und Kirito beide mit dir zusammen waren, aber ich hatte nicht genauer hingeschaut, ich habe mich auf mein eigenes Glück konzentriert...“, er warf einen Blick zu Rose, der wirkte, als wäre er eingeschlafen, „....ich habe mich um mich selbst gekümmert. Warum? Ich weiß nicht. Vielleicht, weil ich so wenig wie möglich mit dir zu tun haben wollte. Denn ob du es glaubst oder nicht – ich bin der Ansicht, dass ich dich besser verstehe als jeder andere. Ich habe mal ein wenig in deiner Vergangenheit gestöbert, viel über deine Familie herausgefunden, mich mit alten Freunden von dir getroffen. Ich habe einiges erfahren, das mich hätte beunruhigen sollen, aber ich dachte mir: Schluss damit, das geht dich nichts an, das mit Kiyoharu ist abgeschlossen, kümmere dich um deine eigenen Probleme. Und trotzdem habe ich dich mit der Zeit immer besser verstanden. Du hast einen Minderwertigkeitskomplex, nicht wahr? Deshalb brauchtest du so unbedingt Anerkennung, deshalb hast du alles dafür getan, um an die Spitze zu kommen. Du wolltest so oft es ging hören, dass du unfehlbar seist, was auch immer du dafür hast tun müssen. Dadurch bist du so ehrgeizig, egoistisch und berechnend geworden. Mit der Zeit wurde dein Komplex schwächer, aber er ist immer noch da, da bin ich mir sicher – wie sonst sollte man erklären, dass du eine solche machtgeile, sexbesessene und scheinbar selbstsichere Rampensau geworden bist?“ Hakuei war für einen weiteren Moment still. „Mitleid empfand ich nie für dich. Vielleicht hättest du welches verdient oder sogar gebraucht. Aber es war deine Entscheidung, dich so lange hinter einer Maske zu verbergen, dass sie dir irgendwann angewachsen ist. Du warst nicht immer so. Du warst mal einigermaßen normal, aber deine Unsicherheit hat dich dazu gebracht, so arrogant zu werden. Unlogisch? Nun, du bist ein lebendiges Paradoxon. Na ja... ich komme langsam aber sicher vom Thema ab. Weißt du, ob ich noch irgendwas vergessen habe?“, wollte er wissen und strich dem Blonden neben sich ein paar Haarsträhnen zurück. Der murrte leise. „Dass du ihn kastrieren wirst, wenn er es wagt, jemanden anzupacken, den du kennst?“, schlug er vor. Hakuei lächelte leicht. „Außer das.“ „Dass du ihm alles Gute wünschst für’s neue Leben?“ Rose gähnte einmal ausgiebig. „Ah, richtig.“ Hakuei wandte sich wieder der Kamera zu. „Was auch immer du jetzt machen wirst, ich wünsche dir viel Glück dabei – du wirst es brauchen, glaube ich. Denn überall, wo du hinkommst, wird man dein Gesicht kennen. Was für eine Ironie eigentlich – zwölf Jahre lang hast du mit deiner ganzen Macht für GLAMOUR – FASHION geworben, hast die Zeitschrift repräsentiert, bist in vielen angesehenen Zeitungen und Fernsehshows aufgetaucht.... und genau das wird dir jetzt mehr oder weniger zum Verhängnis. Trotzdem – ich persönlich bin nur über zwei Sachen wirklich wütend: Dass du Gara verdorben und Rose angemacht hast. Wobei das erste natürlich ungleich mehr wiegt als das zweite. Wäre Gara an die richtigen Leute geraten, dann hätte er ein richtiges beliebtes Sternchen werden können. Aber er ist jemandem wie dir in die Klauen gefallen... Na ja. Ändern kann ich nichts mehr daran, so sehr ich es auch wünsche. Aber ich kann es wenigstens wieder gut machen. Ich werd ihn aus dem Modelgeschäft rausholen... Oder es wenigstens versuchen.“ Hakuei lächelte. „Jetzt kann ich zum ersten Mal wirklich Mitleid für dich fühlen, Kiyoharu. Sieh es als eine Verbesserung an – ich hasse dich nicht mehr, du tust mir nur noch leid. Ich bin gespannt, wie das Gespräch am Sonntag..“ Er brach ab und schaute zu Rose, der Hakueis Shirt an der Seite etwas hochgeschoben hatte und ihn dort offenbar gerade biss. „.......Was wird das?“ „Ich bin müde~... es ist drei Uhr nachts, Haku, lass mich endlich schlafen....“, bat der Blonde. „Sofort, Schatz...“ Hakuei sah noch einmal in die Kamera, lächelte erneut. „Eine Sache noch – ich wollte mich bedanken dafür, dass du mich damals aus dem Gefängnis freigekauft hast, auch, wenn da nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Und danke dafür, dass ich durch dich so berühmt geworden bin. Viel Glück in deinem weiteren Leben noch.“ Er stand auf und schaltete die Kamera aus. Nein. Darüber konnte und wollte ich nicht weiter nachdenken, ich versuchte, die vergangenen Minuten aus meinem Gedächtnis zu streichen, aber einige Worte hallten doch immer wieder nach... „Dass ich dich besser verstehe als jeder andere“. Was für ein Unsinn! Warum sollte jemand, den ich nicht leiden konnte, der mich nicht leiden konnte...? „Eine solche machtgeile, sexbesessene und scheinbar selbstsichere Rampensau“ – was erlaubte er sich überhaupt? Nein, darüber würde ich nicht weiter nachdenken, ich würde es einfach vergessen und mir das letzte Video... Das letzte? Ich hatte schon beinahe alle durch, nur noch eines fehlte – das, welches ich ganz an den Schluss gelegt hatte. Wonach hatte ich sie noch einmal sortiert? Genau, welche Person ich lieber sehen wollte als andere... beziehungsweise wer mir mehr bedeutete. Deshalb waren Hiroto, Kei und Atsushi auch am Anfang gewesen. Jetzt erinnerte ich mich. Und deshalb waren Mirai, Hyde und Hakuei recht am Ende... aber warum Hakuei? Nein, auch darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken. Ich musterte die letzte Kassette. Ich wusste schon, warum ich sie mir für den Schluss aufgehoben hatte. Ich wollte mir anhören, wie wenig ich ihm bedeutete. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schob ich die letzte Kassette in die Kamera. Mir taten bereits die Beine weh vom langen Sitzen, aber das musste ich mir noch angucken. Ein Sofa. Es war purpurrot und mit einem Badezimmerteppich bezogen. Na ja, nicht ganz, aber es hatte diese flauschigen und plüschigen und weichen Fransen. Wenn man sich entspannen wollte, dann war es perfekt. Ich hätte beinahe aufgekeucht, als ich meine Couch sah – er hatte das Video bei mir zuhause gedreht?? Wie ... und vor allem wieso? Aber dass er das Sofa liebte, das wusste ich. Geliebt hatte. Jetzt wahrscheinlich nicht mehr. Gara trat ins Bild, machte es sich auf dem Sofa bequem, kuschelte sich etwas hinein und steckte sich dann eine Zigarette zwischen die Lippen, die er auch sofort anzündete. Eine Weile rauchte er nur schweigend und sah sich ein wenig in dem elegant eingerichteten Wohnzimmer um, das nicht sein eigenes war. Als die Zigarette zur Hälfte abgebrannt war, schaute ihr Besitzer das erste Mal direkt in die Kamera. Und lächelte etwas. „Meine letzte“, sagte er und blickte die Zigarette an. „Die letzte, die ich in meinem ganzen Leben rauchen werde. Es ist eine von deinen, einfach nur der Symbolik halber.“ Er lächelte wieder. „Du hast mich zum Rauchen gebracht, und als du das geschafft hattest, wolltest du es mir wieder abgewöhnen... Ich muss zugeben, in der Hinsicht war ich einfach nur Mitläufer, du kannst eigentlich nichts dafür. Aber wenn ich deine Zigaretten rauche, dann fühlt es sich ein bisschen so an, als würde ich dich küssen. Also fühl dich gerade mal von mir geküsst. Zum letzten Mal.“ Wortlos rauchte der Braunhaarige die Zigarette zuende, drückte sie aus und lehnte sich dann mit einem tiefen Seufzen zurück, sah einige Momente nur in die Kamera. „Variable X...“, murmelte er dann nachdenklich und schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie du auf so was kommst. Wirklich nicht. Oh, bevor du dich die ganze Zeit über fragst, wo ich das her habe, ich habe noch mal mit Hyde gesprochen, gestern, und dann habe ich beschlossen, ein neues Video zu machen, weil meins eigentlich schon fertig war. Aber dann hat er mir Sachen erzählt wie von dieser Variablen, und dann habe ich mir gedacht, stelle ich ein paar Dinge richtig. Im Moment ist es...“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „...kurz nach zwölf Uhr mittags, an dem Sonntag, der dich stürzen wird. Ein bisschen spät, das weiß ich, aber besser spät als nie. Ich habe Hyde auch erst gestern wiedergesehen, als wir ein Treffen veranstaltet haben, zusammen mit Kei und Mirai... und mit ihm warst du mal verheiratet? Hm.“ Er legte den Kopf schief, etwas unzufrieden aussehend. „Es gibt vieles, was ich nicht von dir weiß. Sehr vieles. Ich habe mir eingebildet, dass ich dich kennen würde, aber da habe ich mich anscheinend ganz übel geschnitten. Ich weiß nichts über deine Familie, zum Beispiel. Ich habe dich auch nie gefragt, weil ich immer mit irgendetwas anderem beschäftigt war, mit deinem hübschen Gesicht, deiner Art zu sprechen, deinen lieben Gesten... deine Präsenz allein hat mich so sehr abgelenkt. Deshalb habe ich bei manchen Sachen nicht nachgehakt, wo ich es hätte tun sollen. Zum Beispiel bei Toshiya – ich habe dich nicht weiter gefragt, warum du mir nicht vorher wenigstens Bescheid gesagt hast. Jetzt ist mir klar, warum – du wolltest mich benutzen, um selbst zu mehr Ruhm zu gelangen, und wenn ich abgelehnt hätte, dann hättest du ein Problem gehabt. Also lieber erst gar nichts sagen. Aber als oberflächlich würde ich mich trotzdem nicht bezeichnen... vielleicht blind vor Liebe oder so etwas, das trifft es eher. Mir ist es nämlich auch nie aufgefallen, dass du dich nicht übermäßig für mich interessiert hast – jetzt, im Endeffekt, wo ich mehr oder weniger nüchtern oder ernüchtert auf unsere gesamte Beziehung zurückblicken kann, werden mir solche Dinge natürlich bewusst. Aber erst hinterher. Jetzt, wo es sowieso zu spät ist.“ Gara seufzte leise und zupfte etwas an seinem Hosenbein herum, ehe er fortfuhr. „Aber um noch mal auf die Variable X zurückzukommen – es stimmt nicht. Ich habe dich geliebt, ich habe den Kiyo geliebt, der mir geholfen hat, als ich keinen Job bekam, der mich bekannt machte, der für mich da war, der sich um mich gekümmert hatte, den ich zum Lächeln bringen konnte, dessen Launen ich genossen habe, weil es mir zeigte, dass er kein Über-Mensch ist, auch, wenn er so wirkte... Wenn du schlecht gelaunt warst, dann habe ich mein Bestes getan, um dich aufzumuntern, oder ich habe dafür gesorgt, dass du deinen Frust los wurdest... weißt du das nicht mehr? Glaubst du, das hätte ich bei jedem gemacht, der mich einfach so von der Straße geholt hätte? Du bist und bleibst jemand Besonderes für mich, und ich glaube, dass ich dich immer als jemanden ansehen werde, den ich respektieren kann. Einfach, weil du ständig unterwegs warst und trotzdem so ruhig, ausgeglichen, freundlich und liebevoll. Ich würde mir gerne einreden, dass meine Liebe auf Gegenseitigkeit beruhte, aber ich glaube nicht, dass das der Fall ist. So langsam bekomme ich auch das Gefühl, dass die einzige Person, die du je geliebt hast, du selbst bist.“ Nachdenklich neigte er den Kopf wieder zur Seite und pflückte einige Flusen von seiner Hose. „Ich mag da vollkommen falsch liegen, aber das Problem ist, dass ich inzwischen glaube, dass ich dich überhaupt nicht gekannt habe. Nur ein kleines bisschen. Aber von deiner Berechnung habe ich sehr wenig mitbekommen. Eigentlich nichts. Dafür konntest du viel zu gut Theater spielen. Vielleicht solltest du Schauspieler werden.“ Er seufzte erneut und lächelte dann etwas gequält. „Weißt du, ich kann dir ja noch nicht mal böse sein, dass du mich betrogen hast... wie du zweifellos weißt, war ich dir leider auch nicht immer treu. Das erste Mal betrogen – so sehr es mir auch missfällt, dieses Wort zu benutzen, aber es ist das richtige – habe ich dich auf der Weihnachtsparty, aber das weißt du sicher schon von Kirito oder so. Na ja, mit Rose auf der Toilette eben und hinterher noch mit ihm und Hakuei in ihrem Schlafzimmer... und dann hast du Haku verboten, sich bei mir blicken zu lassen – warum? Meintest du, dass er ein schlechter Einfluss auf mich wäre? Oder wolltest du lediglich nicht, dass er mir von dem Vorfall damals, überhaupt von dir erzählte? Auch egal. Danach kam...“ Er musste überlegen. „Toshiya, genau. Aber ich glaube, das konntest du dir auch zusammenreimen. Dabei wollte ich eigentlich nur ein bisschen ‚meinen Charme einsetzen’, und irgendwann fand ich mich dann auf seinem Küchentisch wieder... Na ja, und danach hatte Kirito mich angefleht, nachdem Yasu ihm einen Korb gegeben hatte. Er brauchte Trost und den sollte ich ihm geben... Ich weiß nicht, ob es was geholfen hat, da Yasu bereits zwei Tage später entlassen wurde. Oh, und das letzte Mal war mit Rose, während du in Paris warst, da wurde er während einer Besprechung angerufen und von Hakuei heiß gemacht, sodass ich wieder ‚mitspielen’ durfte... Aber die beiden sind sowieso ein Sonderfall für sich, warum machen sie so was, wenn sie glücklich zusammen sind?“ Erst da schien Gara aufzufallen, was er gerade tat, und er lächelte entschuldigend. „Verzeih... ich mache gerade das, was du bei Hyde immer tust – ich gebe mit meinen vielen Typen an... dabei möchte ich dir nur zeigen, zu was für einer Schlampe du mich gemacht hast. Ja, ich mache DICH dafür verantwortlich, du hast mich entjungfert und mich süchtig nach Sex gemacht... seit dem Jahresanfang ungefähr werde ich schon nervös, wenn ich ein paar Tage hintereinander keinen gekriegt habe. Und jetzt erklär mir mal bitte, wie ich SO ohne einen Freund weiterleben soll?“ Er seufzte frustriert auf und fuhr sich einmal durch die Haare, legte den Kopf in den Nacken. „Weißt du... eigentlich würde ich gerne neben dir sitzen, wenn du dir das hier ansiehst... nur, damit ich weiß, ob du dich über mich lustig machst. Ob du darüber lachst, dass ich dich nicht hasse. Ob du Schadenfreude empfindest, weil du mein Leben so drastisch und nachhaltig umgekrempelt hast... Das würde mich wirklich interessieren. Ob ich dir wirklich so wenig bedeute, dass du mich ohne schlechtes Gewissen verarschen kannst... Ich glaube, dann wäre es einfacher, nicht mehr an dich zu denken, obwohl ich wahrscheinlich schnell über dich hinwegkommen werde. Weißt du, ich arbeite nach dem aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Prinzip. Und da ich dich in nächster Zeit wahrscheinlich nicht mehr sehen werde...“ Mit einem weiteren Seufzen blickte Gara wieder in die Kamera, sagte eine Weile wieder nichts. „Es gibt so viel, was ich dir gerne sagen würde, aber dann lieber von Angesicht zu Angesicht, damit ich deine Reaktion sehen kann. Ich würde auch eigentlich gerne noch mal mit dir sprechen, aber ich habe Angst davor... Deshalb bleibt es bei diesem Video. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder. Na ja...“ Er spielte etwas mit einer Haarsträhne und lächelte dann unsicher. „Dann verabschiede ich mich mal...“ Während er aufstand und zur Kamera ging, murmelte er noch etwas. Dann wurde der Bildschirm schwarz. Ich stutzte und brauchte einen Moment, ehe ich kurz den Kopf schüttelte und schnell zurückspulte. Hatte ich gerade das gehört, was ich geglaubt hatte zu hören? „Dann verabschiede ich mich mal...“ Gara stand auf und ging zur Kamera. „Bevor ich ....“ Ich spulte ein weiteres Mal zurück. Was sagte er da so leise? „Bevor ich mich noch ....“ Noch einmal zurückspulen. Das konnte doch nicht sein... „Bevor ich mich noch verplappere“, murmelte Gara und schaltete die Kamera aus. Wie bitte? „Bevor ich mich noch verplappere.“ Ich starrte auf den schwarzen Schirm. Was um alles in der Welt... war das? Nicht nur, dass Gara und Hakuei die einzigen waren, die zugegeben hatten, mich geliebt zu haben (und Hakuei hatte es als Jugendsünde abgetan und betont, dass er nur noch Mitleid für mich empfand), Gara hatte das Video in MEINEM Haus gedreht, auf der Couch, auf der wir uns schon unzählige Male vergnügt hatten, er hatte zugegeben, mich betrogen zu haben... und er wollte mich damit nicht verhöhnen, sondern mich lediglich dafür verantwortlich machen, dass ich Schuld an seinem Sexhunger war... Diese Minuten, in denen Gara so offen mit ‚mir’ geredet hatte, fand ich viel emotionaler als Juis ewiges Rumgeflenne. Und, wenn ich mich nicht ganz täuschte, dann schien er im Video nur danach zu schreien, mit mir ins Bett zu gehen... Was sollte das? Warum tat er so was? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das extra getan hatte – dafür war er viel zu unbedarft. Diese Kassette warf mehr Fragen auf, als sie geklärt hatte. Und schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich sie wohl nie würde beantworten können. Nicht in diesem Leben. Noch immer im Morgenmantel, stand ich langsam auf und ging aus meinem Schlafzimmer, etwas wacklig auf den Beinen. Ich lief durchs ganze Haus zur Tür, verließ meine Villa, stapfte den gesamten Weg bis zum Tor, öffnete es, überquerte die Straße und schellte am Haus meines Chauffeurs an. Er öffnete mir die Tür und hob fragend die Augenbrauen. „Sie hätten mich anrufen können, ich wäre sofort zu Ihnen-“ „Ich möchte nirgendwohin gefahren werden“, murmelte ich. „Möchten Sie reinkommen?“, bot er mir an und trat einen Schritt zur Seite. Ich ging an ihm vorbei in die Wohnung und realisierte dann erst, wie selten ich dieses Haus betreten hatte. Ein paar Mal schon, aber mehr auch nicht... Es hatte sich allerdings auch nicht viel verändert. „Wann werden Sie sich endlich mal eine Freundin suchen?“, wollte ich wissen und setzte mich im Wohnzimmer in einen Sessel. „Dann, wenn Sie endlich vernünftig geworden sind“, antwortete er mit einem Lächeln und blieb in der Tür stehen. „Möchten Sie etwas zu trinken? Einen Tee, um die Nerven zu beruhigen?“ „Ich habe keinen angegriffenen Nerven!“, protestierte ich. „Einen Tee“, nickte er bestätigend und verschwand für einen Moment, kehrte dann mit einer Decke zurück, die er mir in die Hand drückte, und ging in die Küche. Ich wickelte mich in die Decke ein und sah mich etwas um. Wenig Fotos, und die, die da waren, sahen nach Familie aus. Ich fragte mich, wie oft ich ihn wohl aus Dates oder aus Treffen mit irgendwelchen Freunden und Verwandten geholt hatte, um mich irgendwohin zu fahren. Schon seltsam, wie man so lange jemanden persönlich für einen arbeiten lassen konnte, und trotzdem nichts über ihn wusste... Nach ein paar Minuten kehrte er zurück, hielt mir eine Tasse hin und setzte sich mir gegenüber, musterte mich. „Ich muss Sie entlassen“, begann ich leise und trank einen Schluck vom Tee. Nicht gerade der beste, aber er schmeckte mir. „Wurden Sie gefeuert?“, fragte er. „Ich kann Sie nicht mehr bezahlen. Und wenn ich wieder irgendwo arbeite, werde ich wahrscheinlich auch nicht genug verdienen, um mir Sie wieder leisten zu können... Aber wahrscheinlich haben Sie eh die Nase voll.“ „Überhaupt nicht“, entgegnete er überraschenderweise und schüttelte den Kopf. „Ich habe gerne für Sie gearbeitet. Manchmal konnten Sie ein bisschen schwierig sein, aber Sie haben mich mehr als anständig bezahlt und waren immer nett zu mir. Und außerdem fand ich die Personen, die ich mit Ihnen herumfahren durfte, oft ziemlich interessant.“ Er lächelte wieder. Seufzend trank ich noch einen Schluck. „Danke. Danke für alles. Sie haben nie jemandem auch nur irgendwas über mich verraten, oder?“ Er schüttelte den Kopf erneut. „Gar nichts. Das, was heute morgen in den Zeitungen stand, wusste ich schon alles, deshalb müssen Sie sich da auch keine Sorgen machen, dass ich deshalb schlecht von Ihnen denken könnte. Ihr Privatleben geht mich nichts an. Sind Sie deshalb herübergekommen, um mir das zu sagen?“ „Nein... ich glaube, ich brauchte einfach nur etwas Gesellschaft...“, gab ich zögernd zu. Wieder lächelte er. „Meine Tür wird immer für Sie offen stehen. Ich werde es vermissen, all diese hübschen Leute herumfahren zu können.“ „Ich hoffe, dass sie eine andere gute Arbeit bekommen... wenn Sie möchten, dann kann ich Ihnen auch einen Job verschaffen oder ein gutes Wort für Sie einlegen. Dass Sie absolut loyal und zuverlässig sind...“ „Werden Sie jetzt ein guter Mensch?“, fragte er. „Sie kommen extra vorbei, Sie machen mir Komplimente, Sie bieten mir Ihre Hilfe an...“ „Hab ich das sonst nicht gemacht?“, wollte ich stirnrunzelnd wissen. „Nein, eigentlich nicht. Meist nicht mal ein ‚danke’.“ Er sagte es ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme. „Hm. Wahrscheinlich sollte ich mich wirklich ändern... verzeihen Sie mir.“ „Da gibt es nichts zu verzeihen, nach knapp zehn Jahren hat man sich daran gewöhnt“, winkte er ab. „Werden Sie denn umziehen?“ „Ja, wahrscheinlich schon... ich meine, Geld habe ich erst mal genug, aber ich will es ja nicht alles gleich verschwenden...“ „Ich wünsche Ihnen alles Gute.“ Jetzt lächelte ich. „Danke. Ich Ihnen auch.“ ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ *höhö* nur noch drei Kapitel xD *Countdown* wer der Chauffeur ist, ist eigentlich auch nicht wichtig oO Danke fürs Lesen!! Fashion#666 ----------- Rating: NC-17. ..... oder so >_> A/N: die Lemon-Szene hat mich gekillt X_X deshalb hab ich sie auch so unelegant abgebrochen *hust* (und Lemon-Szenen sind keine Leemohn-Szenen >_< *Word kick* wtf ist Leemohn?) Beta’d: YAY natürlich ^^ Disclaimer: die Rock-Oper über Hamlet gehört nicht mir, sondern Penicillin XD und dass Hakuei nicht nur modelt, sondern auch den ganzen anderen Kram macht, das stimmt <.< der muss total überbeschäftigt sein x_x und Avex (Musikkonzern) gehört nicht mir, sondern sich selbst >.> ~★~☆~★~☆~★~ Model war ich noch für vier Monate, bis ich meinen Vertrag bei Avex bekam. Auch wenn sich die Atmosphäre unter den Models bei GLAMOUR ☆ FASHION allgemein unheimlich gebessert hatte, ging ich gerne. Hakuei hatte mir zwei Tage, nachdem der Artikel über Kiyoharu erschienen war, angeboten, ins Musikgeschäft einzusteigen. Da hatte ich zum allerersten Mal erfahren, dass er selbst Musik machte, das hatte ich vorher überhaupt nicht gewusst. Und dass er schauspielerte und auch schon in einem oder zwei Filmen mitgespielt hatte, war mir auch vollkommen neu. (Ich hatte sie mir natürlich gleich angesehen und ihn danach gefragt, ob er irgendwelche Mitschnitte von Stücken hatte, in denen er mitgemacht hatte. Ich hatte lachen müssen, als ich erfuhr, dass er mal zum Spaß eine Art Rock-Oper über Hamlet inszeniert hatte, aber sie stellte sich hinterher als ziemlich authentisch heraus – er hatte auch mit der Band, in der er war, einen Soundtrack dazu herausgebracht.) Auf jeden Fall verfügte er über gute Beziehungen zu den Leuten von Avex, die mich mal vorsingen ließen und mir nahe legten, mal einen Songtext zu schreiben und ihnen vorzulegen. Daraufhin schrieb ich gleich vier, weil ich so viele verschiedene Ideen hatte, die ich alle umsetzen wollte. Zwei Wochen später bekam ich die Bestätigung, dass ich unter ihrem Label arbeiten könnte. Ich lief nicht davon, das nicht. Aber ich fühlte mich einfach in meinem Job nicht mehr wohl. Das lag nicht an den Personen, auf keinen Fall. Vielmehr daran, dass ich zu viele Erinnerungen an jeder Ecke des Hauptgebäudes, zu viele Déjà-vus bei den Shootings und so weiter hatte. Wenn ich Kiyoharu vergessen wollte, dann konnte ich dies nicht, indem ich ihn mir jeden Tag vergegenwärtigte. Die anderen schienen kein Problem damit zu haben. Jui und Toshiya hatten entschieden, es noch einmal miteinander zu probieren, wobei ich fand, dass die beiden ein sehr ungleiches Paar waren – Toshiya, der fremdgehen für absolut legitim hielt und Jui, der alle Liebe der Welt brauchte. Aber okay, wenn sie meinten. Kirito hatte seine Genugtuung bekommen, hatte sich mit Yasu ausgesprochen und war auf der Suche nach einem neuen ‚Opfer’, als wäre nichts passiert. Der einzige, dem es eventuell ähnlich ging wie mir, war Hyde. Aber wenn, dann ließ er sich nichts anmerken, sondern stand jeden Tag tapfer durch. Er tat mir leid, auch wenn ich ihn nicht mochte. Durch seine Liebe zu Kiyoharu hatte er es sich ja eigentlich auch mit den anderen Models verdorben. Allerdings sah ich Hiroto neuerdings oft an seiner Seite... Hm, gleich und gleich gesellt sich gern – Hiroto war ja nur sieben Zentimeter größer. Mitten in der Hitze des Sommers begann ich schließlich meine musikalische Karriere bei Avex. In den zwei Monaten, die als Übergangsphase dienten zwischen GLAMOUR ☆ FASHION und Avex, in denen ich zwar immer noch für die Zeitschrift arbeitete, aber gleichzeitig schon einmal Einblicke in das Label und das Musikgeschäft allgemein bekam, hatte ich, wann immer sich die Zeit bot, meinen Gesang trainiert und weitere Texte geschrieben. Am Anfang war es eine echte Qual, weil ich ständig über die Liebe schreiben wollte, aber irgendetwas in mir sträubte sich dagegen, sie zu verherrlichen. Ich wollte keinen Pop machen. Pop machte mich krank. Ich wollte die Wirklichkeit beschreiben, wie sie war, mit allen ihren dunklen Seiten – auch, wenn diese uns nicht gefielen. Also schrieb ich über Verrat, Schmerz, Verzweiflung, ich schrieb über Krieg und die gesamte Gesellschaft. Die Texte waren oft sehr unausgereift, aber je mehr ich schrieb, je mehr ich mir eine dazu passende Musik dazu vorstellte, desto mehr gefiel mir das, was ich da produzierte. Ich brauchte eine Band, so viel war klar, und ich brauchte eine Band, die zu meinem Stil passte. Das war ein Problem, da Avex die Thematik meiner Texte oft nicht gefiel. Sie wollten seicht anfangen, mit etwas Harmloserem, mit etwas weniger Ernstem. Ich sagte ihnen, dass ich das veröffentlichen würde, was ich schrieb, und nichts anderes. Ich würde mich nicht verbiegen, dieses Mal nicht. Ich hatte mich verbogen, als ich bei GLAMOUR ☆ FASHION gearbeitet hatte, ich hatte mich angepasst, ohne zu hinterfragen, ich hatte hingenommen, ohne den Sinn zu sehen, ich hatte das getan, was alle anderen auch getan hatten, ich hatte schweigend beobachtet und nachgemacht, ich hatte dazugehören wollen, ohne zu merken, dass es genau das war, was man nicht tun sollte – ich hätte ich selbst bleiben sollen, dann hätte ich wahrscheinlich mehr Erfolg gehabt. Ich hatte nicht allzu viel Erfolg gehabt, das merkte ich immer stärker, je mehr ich mich mit anderen verglich. Ich war zwar berühmt, bekannt, beliebt geworden, aber der Publikumsmagnet, als den ich mich irgendwann empfunden hatte, als den Kiyo mich hingestellt hatte, der war ich nie gewesen. Ich fand meine Band nach einem weiteren Monat. Es war keine wirkliche Band, es waren hauptsächlich Musiker, die vorher in anderen bekannten und guten Bands gewesen waren, eine bunte Mischung, die ich noch ein paar Mal geändert hatte, nachdem ich mir anhörte, was sie für Musik spielten. Irgendwann fand ich, passte es. Dadurch, dass jeder einzelne den Stil seiner vorherigen Band verinnerlicht hatte, konnte ich eine Vielzahl von Einflüssen vereinen. Der eine Gitarrist übernahm das Schreiben der Musik, ich gab ihm einige Texte von mir und bat ihn, etwas zu schreiben, das dazu passte. Was ich bekam, war etwas vollkommen anderes – wenn man sich nur die Musik anhörte, dann klang sie beinahe verspielt, sogar fröhlich, kraftvoll, schnell und abwechslungsreich, sie hatte markante Gitarrenklänge. Und das zu einem Text, der von Verzweiflung und Hilflosigkeit handelte. Wir probierten es aus, spielten es und ich sang mit voller Inbrunst, in meinem Bauch ein mulmiges Gefühl, mein Herzschlag doppelt so schnell wie sonst. Ich war begeistert. Es passte perfekt und verlieh dem Ganzen eine gewisse Ironie. Die Leute von Avex hatten zwar einiges daran auszusetzen, aber sie beschlossen schließlich, es wenigstens einmal zu probieren. Ich vergaß ihn. Nein, ich verdrängte ihn nicht, ich zwang mich nicht, nicht an ihn zu denken, ich vergaß ihn einfach. Ich hatte zu viel anderes zu tun – ich traf mich in meiner Freizeit, wann immer es ging, mit Kirito, Yasu, Hakuei und Rose, und sonst schrieb oder sang ich. Ich war umgezogen in eine neue Wohnung, die größer, schöner und heller war als meine alte, in ihr fühlte ich mich gleich wohl. So langsam begannen Erinnerungen, Sehnsüchte und Gefühle zu schwinden, alles, was mit Kiyoharu zu tun hatte, trat in den Hintergrund. Ich fragte nicht, was aus ihm geworden war. Das wollte ich genau genommen auch gar nicht wissen. Ich konzentrierte mich darauf, meinen Gesang zu verbessern – bevor ich damit nicht einigermaßen zufrieden war, würde ich nichts veröffentlichen. Noch etwas, was Avex gegen den Strich ging, aber sie ließen mich machen. Oft verbrachte ich ganze Nächte im Studio, sang, nahm auf, hörte an, war unzufrieden, begann erneut. Ich hatte auch keine Zeit für Sex mehr. Oder zumindest nicht so viel. Teilweise verspürte ich schon einen Druck, dann krallte ich mir irgendeinen wildfremden süßen Typen und verbrachte eine Nacht mit ihnen – für eine Beziehung jeglicher Art hätte ich keine Zeit gehabt. Und eigentlich auch keine Lust. Ich hatte Freunde, das reichte mir. (Gut, es war nicht so, dass Kirito oder Hakuei und Rose mir nicht in dieser Hinsicht geholfen hätten, wenn ich sie gebeten hätte... Aber ich wollte nicht mehr mit meinen Freunden schlafen, Hakuei und Rose waren glücklich zusammen und ich wollte Kirito die Chance geben, jemanden zu finden, den er lieben konnte. Und das wollte ich nicht sein, weil ich wusste, dass er für mich ein Freund war und mehr nicht. Und wenn ich ihn auch noch zurückweisen würde, genauso wie Yasu, aus einem ähnlichen Grund.... Das wollte ich ihm nicht antun.) Ich war glücklich. Oder vielleicht redete ich mir das auch nur ein. Okay, so glücklich, wie man nur sein konnte, wenn die Klimaanlage im Studio ausgefallen und es selbst im August noch über 25°C waren, wenn die Bandmitglieder langsam ungeduldig wurden, wenn man in seiner Karriere bis dahin noch keinen Schritt weitergekommen war und wenn man konstant an seiner Stimme feilen musste, weil sie einfach nicht wollte, wie man selbst wollte. Aber wenigstens wusste ich jetzt, was ich wollte – ich wollte singen, ich wollte etwas damit bewirken, und um das tun zu können, wollte ich erst einmal richtig singen lernen, was gar nicht so einfach war, wenn man zwar Talent, aber absolut keine Erfahrung hatte. ~☆~ „Garaaaaaaaaaa~?“ Diese Stimme und dieser Tonfall war mir in den letzten Monaten so vertraut geworden, dass ich nur leise aufseufzen konnte. „Ja?“ Das war mein Bassist, Yukke. Er konnte richtig nett sein, aber er ärgerte die anderen immer und war teilweise schon recht hyperaktiv. Und wenn er einen schon mit diesem begeisterten Tonfall ansprach, dann war ihm langweilig und dann wollte er beschäftigt werden. „Da draußen steht ein niedlich aussehender Typ und will dich sprechen.“ Yukkes Augen leuchteten. „Ist das dein Lover?“ Oh ja, das hatte ich vergessen zu erwähnen – er hatte eine sehr direkte Art. „Niedlich aussehend?“, wollte ich stirnrunzelnd wissen. Yukke nickte eifrig. „Ich glaube, er ist ein bisschen kleiner als du, braune Haare, und er wirkte ein wenig verloren und unentschlossen. Seinen Namen hat er nicht gesagt, aber er meinte, dass er extra hergekommen sei, um dich zu sprechen, weil es wohl sehr, sehr wichtig sei. Ich finde, du solltest ihn nicht warten lassen, er wirkte, als würde er es sich jeden Moment anders überlegen.“ „Uhm... danke“, murmelte ich, ehe ich mich abwandte und aus dem Studio ging. Das war nicht... aber wer sonst? Yukke kannte ihn nicht, also fiel ER schon mal weg. Wer war denn sonst kleiner als ich, hatte... Wie erstarrt blieb ich stehen, als ich die Tür öffnete. Er erwiderte meinen Blick, ein wenig nervös aussehend und eine Weile schauten wir uns nur wortlos an, ehe ich mich umdrehte und den anderen zurief, dass sie nach Hause gehen konnten, da ich nicht glaubte, dass ich, wenn ich jetzt ging, noch einmal wiederkommen würde. Gemurre als Antwort, wir hatten eigentlich mit den Aufnahmen beginnen wollen. Aber da das Equipment eigentlich sowieso noch nicht da war und erst am nächsten Tag kommen würde, war es nicht ganz so tragisch. „Wie um ALLES in der Welt kommst du hier her?“, wollte ich vollkommen irritiert wissen, nachdem wir das Gebäude verlassen hatten. „Mit dem Auto?“, erwiderte er fragend. Ich sah ihn an, und er lächelte leicht. „Entschuldige. Ich bin zu GLAMOUR ☆ FASHION hingegangen und wollte dich da eigentlich sprechen, habe dann aber gesagt bekommen, dass du schon lange nicht mehr da arbeitest und sie mir nicht sagen könnten, wo du jetzt wärst. Also hab ich gefragt, an wen ich mich wenden könnte, wurde aber dann von zwei freundlichen Herren nach draußen ‚begleitet’. Anscheinend haben sie mich für einen Stalker oder so gehalten. Kannst du dich daran erinnern, dass Kirito mal bei mir angerufen hatte, als du bei mir warst?“ Ich nickte langsam. Genau, da hatte ich mich darüber aufgeregt, dass Kirito Yuus Nummer hatte. „Die war noch in meinem Telefon gespeichert, also hab ich ihn angerufen, wobei er erst überhaupt nicht wusste, wer ich war, und dann wollte er mir nicht sagen, wo du bist. Ich hab ihn nach deiner Telefonnummer gefragt, aber die hatte er noch nicht, weil du umgezogen bist, und Handynummer war ihm zu umständlich, außerdem wollte ich die auch gar nicht, ich wollte dich sehen, also hat er mich an Hakuei weitergeleitet. Da ist erst mal Rose ans Telefon gegangen, die beiden sind zusammengezogen, nicht wahr? Auf jeden Fall war Hakuei nicht da, also hab ich ihn gefragt, aber er wusste nur, dass du bei Avex bist, aber nicht, wo genau, in welchem Gebäude und so weiter. Er hat mir die Telefonnummer von Avex gegeben, ich hab dort angerufen und nach dir gefragt, aber sie meinten, dass sie keine Auskunft über dich geben würden. Also hab ich wieder bei Hakuei angerufen, ihn dieses Mal auch glücklicherweise erwischt und ihn gefragt. Er hat sich erst unheimlich aufgeregt, weil er wusste, dass wir beide nicht mehr befreundet waren, und dachte, dass ich diese Information irgendwie an die Presse weitergeben würde und so weiter, weshalb ich ihm erst mal erklären durfte, dass ich dir weder hinterherstalke noch vorhabe, irgendwelche Geschichten über dich zu verbreiten, sondern wirklich NUR mit dir reden wollte.“ Er holte einmal tief Luft. „Wie auch immer, wie du siehst, war ich endlich erfolgreich und stehe nun vor einem angehenden Musiker.“ Er betrachtete mich. Ich war sprachlos. Das hatte Yuu alles auf sich genommen, nur um mit mir zu REDEN? Ich schüttelte langsam den Kopf. „Weißt du, es hat mich gewundert, dass du so plötzlich mit dem Modeln aufgehört hast, und noch mehr, dass du-“ „Yuu, Yuu, halt mal die Luft an, ja?“, bat ich schnell, bevor er weiterreden konnte. „.... WARUM?“ Er blinzelte mich an. „Ha?“ „Warum wolltest du so unbedingt mit mir reden?“, wollte ich verwirrt wissen und blieb auf dem Bürgersteig stehen. Yuu stellte sich vor mich und sah mir in die Augen. „Weil ich dich vermisst habe“, antwortete er geradeheraus. „Mir hat etwas das letzte halbe Jahr gefehlt. Aber ich wusste, dass es keinen Sinn haben würde, wenn du dich nicht änderst. Und dann kam ja dieser Riesenskandal um euch ... und da hab ich mich schon gefragt, ob ich vielleicht mal mit dir reden sollte, hab’s mir aber doch anders überlegt. Und dann hat Hakuei in irgendeinem Interview gesagt, dass du dich sehr verändert hättest seit der Sache mit Kiyoharu – und zum Guten. Deshalb habe ich mir gedacht, könnte ich es noch mal mit dir versuchen.“ Er lächelte leicht. „Und, ganz ehrlich, du wirkst viel ausgeglichener, selbstbewusster und zufriedener als vorher.“ „Findest du?“, murmelte ich. Er nickte lächelnd. „Auf jeden Fall.“ Yuu musste es wissen. Yuu kannte mich am Besten, oder hatte mich zumindest am Besten gekannt. Bevor ich Model, eingebildet, oberflächlich und sexsüchtig geworden war. Das hatte bestimmt seine Spuren hinterlassen, aber wenn Yuu sagte, dass ich schon besser aussah als vorher... „Tut mir leid, dass ich dich ein Arschloch genannt habe.“ Wortlos zog ich ihn in meine Arme. ~☆~ Klar, dass es so werden würde wie vorher, war unwahrscheinlich, das wusste ich. Und trotzdem fühlte ich mich mit einem Mal ganz leicht, als ich das alles von Yuu gehört hatte. Auch wenn es mir nicht bewusst gewesen war, seine vorherigen Anschuldigungen waren mir zu Herzen gegangen. Vielleicht war ich dadurch so unsicher geworden... Nachdem wir uns an dem einen Nachmittag einmal ausgiebig ausgesprochen, ich ihn über sein und er mich über mein Leben ausgefragt und wir uns für ein anderes Mal verabredet hatten, trafen wir uns noch einige Male. Es hatte sich etwas zwischen uns geändert, das wurde immer wieder deutlich, wir waren ein klein bisschen distanzierter, vorsichtiger, beinahe, als würden wir den jeweils anderen erst einmal austesten müssen. Aber trotzdem kehrte dieses warme Gefühl zurück, das ich früher immer in seiner Gesellschaft empfunden hatte. Ich war wieder zuhause. Was die Musik anging – die Aufnahmen verliefen ohne Probleme. Zumindest für den Rest der Band. Ich war mit dem Lied zufrieden, die Musik klang toll, die Melodie war perfekt abgestimmt und abwechslungsreich genug, der Text passte zum Rest und rundete den Klang noch ab. Nun ja – der Text. Mein Gesang eher weniger. Ich war unheimlich unzufrieden mit ihm, egal, was ich tat, ob ich höher, tiefer, gehetzter, langsamer, betonter, monotoner sang, ob ich die Töne hielt oder sie eher abhackte, es gefiel mir nicht. Und nach jedem Mal, bei dem ich etwas anderes ausprobierte, bat die Band, es so zu lassen, es gefiel ihnen, sie wollten nichts mehr ändern. Ich aber. So langsam wurde ich beinahe panisch – was, wenn ich für diese Art von Text, diese Art von Musik, diese Art von JOB nicht geeignet war, was, wenn das Ganze sich als ein einziger Flop herausstellte? Das wäre eine Riesenenttäuschung für mich. Und vor allem müsste ich Avex dann einiges zurückzahlen, wenn ich nichts einbrachte – für die Räumlichkeiten, das Equipment, und so weiter. So kam es, dass ich oft im Gebäude übernachtete, oder vielmehr, die Nacht durchmachte. Eine Dusche gab es sowieso schon, und ich brachte einige meiner Klamotten ins Studio. Dann sang ich so lange, bis ich heiser war, nahm irgendwelche Halsschmerztabletten, legte mich für ein paar Stunden hin, sang weiter, schlief wieder ein bisschen und so weiter. Mein Rekord lag bei drei Tagen, in denen ich fast nichts aß, bis mich meine Band schließlich aus dem Studio warf und mir was zu essen spendierte. Ich bekam nichts herunter. In den drei Tagen hatte ich keinen Fortschritt gemacht. Fehlte mir irgendetwas? Oder besaß ich etwas zu viel, das störte? War vielleicht der Ansatz vorhanden, aber ich müsste noch mehr an ihm arbeiten, ihn ausbauen, ihn vollständig entfalten? Solche Fragen stellte ich mir am laufenden Band. Und immer blieb ich vor dem WIE stehen. WIE konnte ich dafür sorgen, dass mir mein Gesang selbst gefiel? Anfang September schließlich machte ich einen Schritt nach vorne. Es war der Todestag meiner Großmutter, die ich geliebt hatte und die sich nicht hatte lieben lassen wollen. Ich versank in Gedanken an sie, führte mir wieder ihr Gesicht vor Augen, ihre kleinen Eigenheiten, ihre scharfen Worte und ihre lieben Augen, ihre wie zum Nähen geschaffenen Hände, ihr Talent zum Kochen. Anschließend zwang ich mich, noch einmal zu singen, obwohl ich in Gedanken noch bei meiner Oma war, an sie dachte, daran dachte, dass sie hoffentlich an einem besseren Ort als der Erde war. Und während ich sang, dachte ich unentwegt an sie. Hinterher hörte ich es mir noch einmal an, da ich geistig so weit weg gewesen war, dass ich mir nicht einmal selbst zugehört hatte. Ich war überrascht. Meine Stimme klang anders, schmerzerfüllter, sehnsüchtiger, klarer, ausdrucksstärker, authentischer und mitreißender als vorher. Vorher hatte ich gesungen, aber dieses Mal hatte ich mit Gefühl gesungen. Neugierig probierte ich das Ganze noch ein paar Mal aus, versuchte, mich in andere Gefühlslagen zu bringen – Wut, Enttäuschung, Hass, unbändiges Glück, Amüsement – und beobachtete das Ergebnis. Es war faszinierend. Also sang ich von morgens zehn Uhr bis abends acht Uhr durch, bis ich wirklich nicht mehr konnte. Zehn Stunden am Stück – das war selbst für mich zu viel. Aber ich war so erschöpft und gleichzeitig so aufgeregt, dass ich einfach nicht nach Hause gehen konnte. Also machte ich es mir auf der Couch bequem und döste ein paar Stunden vor mich hin. Gegen zwölf Uhr wachte ich auf, weil ich irgendwo ein Geräusch gehört hatte. Ich rollte vom Sofa, rappelte mich auf, streckte mich einmal und gähnte. Es war stockfinster im Studio, aber das störte mich nicht, inzwischen fand ich mich auch ohne Licht zurecht. Neugierig trat ich auf den Flur, der allerdings mit Bewegungsmeldern ausgestattet war, und sah den langen Gang hinab. Nichts zu sehen. Aber ich bekam langsam Durst, vielleicht funktionierte der Kaffeeautomat zwei Stockwerke tiefer ja wieder. Einen Versuch war es wert. Ich wollte losgehen und stolperte dabei beinahe über irgendetwas, das am Boden lag. Als ich mich gerade darüber aufregen wollte, wer hier irgendetwas liegen gelassen hatte, erstarrte ich und für einen Moment entgleisten meine Gesichtszüge. Kiyoharu saß neben der Tür auf dem Boden, ein Bein (über das ich fast gefallen wäre) ausgestreckt, offenbar gerade auch aufwachend, und blinzelte mich an. „Gara-“, begann er, aber ich schnitt ihm das Wort ab. „Was um alles in der Welt machst du hier?!“, fuhr ich ihn verärgert an. „Ich wollte mit dir-“ Wortlos wandte ich mich ab und stapfte den Gang entlang. Was auch immer er mit mir wollte, wahrscheinlich hatte er reden sagen wollen und f***en gemeint, es interessierte mich nicht. „Gara, warte!“, bat er und ging mir hinterher. „Warum du es überhaupt VERSUCHST, ist mir schleierhaft!“, fauchte ich ihn über meine Schulter hinweg an und ging weiter, Richtung Aufzug. Dort konnte man die Türen schließen, da wäre ich für eine Weile sicher, um mir überlegen zu können, wie ich ihm am effektivsten eine Abfuhr erteilen konnte. Die Treppen wollte ich nicht riskieren, wer wusste, was er dort alles mit mir anstellen würde. „Ich möchte nur mit dir reden!“, gab er beinahe hilflos zurück und eilte mir hinterher, woraufhin ich meinen Schritt noch beschleunigte. „Bitte, Gara...“ „Nein“, antwortete ich deutlich. „Nein, Kiyoharu, ich werde nicht mit dir reden. Egal, was du anstellst.“ Ich drückte auf den Knopf neben dem Aufzug und glücklicherweise öffneten die Türen sich sofort. Ich ging hinein und wollte die Türen schon schließen, aber Kiyoharu schaffte es trotzdem noch, hinein zu schlüpfen. „Gib mir doch wenigstens eine Chance“, murmelte er leise, während der Aufzug sich in Bewegung setzte. Ich lächelte säuerlich und verdrehte die Augen. „Eine Chance? Die hast du gehabt. Und du hast sie verschwendet. Es wird kein zweites Mal geben.“ „Sieh mir in die Augen, wenn du mit mir redest“, forderte er schwach, offenbar in der Hoffnung, dass ich das nicht könnte. Ich blickte ihn fest an und schwieg einen Moment, ehe ich klar und deutlich anfing zu sprechen. „Ich werde nicht mit dir reden. Du bekommst keine zweite Chance, Kiyoharu. Und ich möchte in Zukunft nicht mehr von dir belästigt werden.“ Just in dem Moment gab es ein hässliches lautes Knirschen und mit einem Ruck blieb der Aufzug stehen, während gleichzeitig mit einem Mal die Lichter ausgingen. Ich stand zwar noch, merkte aber bereits, wie meine Knie weich wurden. Nein, dachte ich, nicht jetzt, nicht hier, und vor allem nicht mit IHM. Ich tastete hinter mich und zwang mich, ruhig durchzuatmen, während meine Fingerspitzen die kalte Oberfläche des Spiegels berührten. Die Kälte schien sich blitzartig in meinem ganzen Körper auszubreiten, ich schauderte und begann zu zittern. „K-Kiyo...“, fing ich mit brüchiger Stimme an, während ich das Gefühl bekam, aus der Dunkelheit würden mich unzählige Augen ansehen und jeden Moment würde sich eine eiskalte Hand auf meine Schulter oder um meine Kehle legen... Seitdem ich einmal als Kind versehentlich oben auf unserem Dachboden eingesperrt worden war, konnte ich die Kombination aus einem engen Raum und tiefster Dunkelheit nicht ohne eine Panikattacke überstehen. Und das war, gelinde gesagt, ungünstig. Vorsichtig streckte ich eine Hand aus und zuckte beinahe zusammen, als Kiyoharu sie unvermittelt ergriff und drückte. Noch bevor ich etwas sagen konnte, ertönte ein weiteres lautes Geräusch, das sich nicht gesund anhörte, und keine Sekunde später fielen wir. Wer jemals auf einem Freifallturm gewesen war, der weiß, wie sich so etwas anfühlt – man fühlt sich plötzlich frei und losgelöst, aber nicht immer im positiven Sinne, es gibt nichts, was einen noch hält, man bekommt fast einen Schock und muss unwillkürlich aufschreien, und sofort darauf ist es schon wieder vorüber. Nur dass in diesem Fall ein kleiner Unterschied bestand: Es würde keine Bremsen geben, die den Aufzug aufhalten würden. Ich hörte mich selbst schreien, spürte keinen Boden mehr unter den Füßen, und noch während mein Schrei nachhallte, stoppte der Aufzug so abrupt wie er gefallen war – mit einem urplötzlichen Ruck. Selbst wenn ich dadurch nicht auf den weichen Teppich des Liftes gefallen wäre, meine Beine hätten so oder so nachgegeben. Schwer atmend, den Herzschlag und das Blut in den eigenen Ohren rauschen spürend und am ganzen Körper zitternd lag ich auf dem Teppich, hatte die Augen zugekniffen und musste um Luft ringen – in mir zog sich alles zusammen, dazu kam noch der Schock und die Gewissheit, dass wir jeden Moment noch weiter fallen könnten. „Gara?“, fragte Kiyoharu leise und tastete nach mir, legte mir eine Hand auf die Schulter. Seine Stimme zitterte ebenfalls, aber er klang definitiv besser als ich mich fühlte. Mit einem Mal gingen die Lichter wieder an. Ich merkte nur, wie ich von vorsichtigen Händen hingesetzt und an die Wand gelehnt wurde, aber das alles wurde in den Hintergrund gedrängt durch die Tatsache, dass ich keine Luft mehr bekam. Es war, als hätte sich meine Kehle von selbst zugeschnürt, als würde irgendetwas auf meinen Brustkorb und meinen Bauch drücken und mich daran hindern zu atmen. Panik machte sich in mir breit, ich rang verzweifelt nach Atem, aber es half alles nichts. „STEH AUF!“, wurde ich – offenbar nicht zum ersten Mal, sonst hätte er nicht so verärgert geklungen – von Kiyoharu angefahren. Langsam schüttelte ich den Kopf. Ich spürte meine Beine nicht mehr, ich wusste nicht mal, ob ich noch welche hatte, und selbst wenn, hätte ich nicht aufstehen können. Bestimmt nicht. „Kann... nicht...“, wisperte ich, wodurch ich das Ganze nur noch schlimmer machte, denn mein Körper verspannte sich dadurch noch mehr und hinderte mich daran, Luft zu kriegen. Mittlerweile konnte ich nicht mal mehr klare Gedanken fassen, außer einem einzigen: Ich würde sterben. „Du musst aufstehen!“, wiederholte Kiyoharu, der sich inzwischen schon ziemlich verzweifelt anhörte, und versuchte, mich auf die Beine zu ziehen. Eher instinktiv als durch reifliche Überlegung stemmte ich mich an der Wand vom Boden hoch, und durch Kiyoharus Unterstützung stand ich irgendwann aufrecht, woraufhin mir zusätzlich noch schwindlig wurde. Der andere hob meine Arme in die Senkrechte und legte mir eine Hand auf den Bauch. „Entspann dich“, murmelte er. „Du musst dich hier entspannen, dann wird es besser.“ Ich versuchte es, aber irgendetwas sträubte sich in mir, es war fast, als würde mein Körper sagen: Wenn du dich da entspannst, dann erstickst du nur noch früher, also lass es sein! Trotzdem bekam ich irgendwie etwas mehr Luft als vorher, was schon mal ein kleiner Fortschritt war. „Entspann dich“, murmelte Kiyoharu erneut, dieses Mal noch nachdrücklicher. „Bitte.“ Und da fiel mir unvermittelt wieder ein, wie es bei meinem ersten Mal mit ihm gewesen war – dort hatte ich auch nicht geglaubt, dass es mir helfen würde, wenn ich Kiyoharus Ratschlag befolgte, aber im Endeffekt hatte er doch Recht gehabt. Also zwang ich mich, mich zu entspannen, vor allem am Bauch, über den der andere inzwischen beruhigend strich, und versuchte, tief durchzuatmen. Ich spannte mich zwar immer wieder selbst an und das Atmen fiel mir noch immer unheimlich schwer, aber langsam wurde es besser. „Ganz ruhig... es ist alles okay“, flüsterte Kiyoharu, der mir jetzt auch noch zärtlich über die Wange streichelte. Ich nahm meine Arme wieder herunter und spürte sofort, dass ich wieder weniger Luft bekam, aber dieses Mal konnte ich ruhig bleiben und tief durchatmen. Inzwischen begann ich auch, etwas mehr von meiner Umwelt wahrzunehmen. Die Lichter waren etwas dunkler als vorher, wahrscheinlich war es eine Art Notfallbeleuchtung oder so, die Aufzugwand hinter mir war kalt, aber die Luft dafür stickig, meine Beine schienen aus Pudding zu bestehen und ich fühlte mich so schwach, als hätte ich eine Woche nichts gegessen. Und trotz allem hatte sich mein Herzschlag noch nicht beruhigt. „Geht’s wieder?“, wollte Kiyoharu zögernd wissen und strich mir einige Haarsträhnen zurück. Langsam nickte ich und öffnete die Augen wieder. Er stand ziemlich dicht vor mir, eine Hand noch immer auf meinem Bauch, die andere auf meiner Wange, einen sehr besorgten Ausdruck in seinem Gesicht. „Ja, tut es“, antwortete ich kraftlos und schob seine Hände weg, woraufhin er einen Schritt zurücktrat. „Du hast mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt“, merkte er besorgt an. „Ich wusste gar nicht, dass du vor so etwas solche Angst hast...“ „Nur weil man sich eine Weile kennt, heißt das nicht, dass man den anderen in- und auswendig kennen muss“, gab ich zurück und deutete ein Lächeln an. „Wie du ja bereits eindrucksvoll bewiesen hast.“ Er senkte kurz den Blick. „Das wäre jetzt nicht nötig gewesen“, sagte er leise. „Nein“, seufzte ich und sank wieder auf den Teppich zurück, da ich die Befürchtung hatte, dass meine Beine nicht mehr lange mitmachen würden. „Wäre es nicht...“ „Hast du vielleicht ein Handy mit?“, wechselte er das Thema. Ich nickte und tastete meine Hosentaschen ab. Und runzelte die Stirn. „Uhm... ich glaube, das liegt oben im Studio...“ „Na wunderbar“, murmelte Kiyoharu und betrachtete das Innentableau des Lifts. „Rate mal, was für eine Aufschrift auf dem Stück Papier ist, das über den Notrufschalter geklebt wurde.“ Gequält stöhnte ich auf und sah zu ihm hoch. „Nicht wirklich, oder?“ Er schnitt eine Grimasse. „Ich fürchte schon.“ „Das heißt, wir sitzen hier fest?“ „Sieht so aus, ja.“ „Ohne Essen, ohne Trinken, ohne Möglichkeit, IRGENDJEMANDEN zu kontaktieren?“ „Du sagst es.“ Ich fuhr mir durch die Haare. „Na klasse.“ Das stand gerade auch unbedingt auf meiner Wunschliste ganz oben: Mit Kiyoharu in einem Aufzug feststecken. Klar, das war das BESTE, was mir passieren konnte. „Lassen die Türen sich irgendwie öffnen? Ich brauche frische Luft...“ Kiyoharu versuchte, die Türen per Hand zu öffnen, nachdem er mehrere Male auf den Tür-öffnen-Knopf gedrückt hatte. Kein Erfolg zu verzeichnen. Er legte den Kopf in den Nacken und studierte die Decke eine Weile. „Da ist eine Klappe“, fiel ihm irgendwann auf. „Das hätte ich dir auch so sagen können“, murmelte ich. Er musterte mich und ich zuckte mit den Schultern. „Ist doch in den Filmen immer so, oder? Und wäre ich eine Frau, dann würdest du mich zwingen, die Klappe aufzumachen, damit du mir unter den Rock schauen könntest und dich spontan unsterblich in mich verlieben würdest, und dann würden wir den Rest der Zeit, die wir hier festsitzen, zumindest keine Langeweile haben, weil ich ja sowieso schon seit längerer Zeit...“ „Wenn du schon redest, dann lass es wenigstens etwas Gescheites sein“, unterbrach Kiyoharu mich und hob eine Augenbraue. „Aber das IST doch in den ganzen Filmen so!“, verteidigte ich mich entrüstet. „Wärst du jetzt so freundlich aufzustehen und dieses Ding da aufzumachen, damit wir hier drin nicht ersticken?“ „ICH?“, fragte ich. „ICH soll sie aufmachen? Warum ausgerechnet ich?“ „Weil ich nicht glaube, dass du die Kraft hast, mich zu halten“, erwiderte Kiyoharu genervt. „Ich glaube aber auch nicht, dass ich dann die Kraft habe, die Klappe aufzubrechen“, gab ich schnippisch zurück. Er verdrehte die Augen. „Verdreh die Augen nicht!“ „Wer von uns beiden wollte die frische Luft haben?“, wollte Kiyoharu wissen. Etwa eine halbe Minute später stand ich mit einem Fuß auf seinen Händen, mit denen er eine Räuberleiter gemacht hatte, mit dem anderen auf dem Griff, der an einer Seite des Aufzugs angebracht war, und versuchte herauszufinden, wie man diese dämliche Klappe öffnen konnte. „Kannst du dich mal ein bisschen beeilen?“, presste Kiyoharu hervor. „Du bist schwer.“ „Wer wollte denn so unbedingt, dass ich oben bin?“, erwiderte ich mehrdeutig und drückte gegen die Ecken der Klappe, um zu schauen, wo die Scharniere angebracht waren. „Ich lass dich gleich fallen.“ „Bitte, wenn du morgen unbedingt die Schlagzeile lesen willst ‚Ehemaliges Model in Lift durch Räuberleiter zu Tode gekommen’...“ Ich atmete einmal tief durch und schlug dann mit aller Kraft gegen die Decke, woraufhin 1. meine Hand anfing, unheimlich weh zu tun, 2. Kiyoharu mich WIRKLICH fast fallen ließ und 3. die Klappe sich sehr unbeeindruckt zeigte. Obwohl mein Körper mir davon abriet, versuchte ich es ein zweites Mal und gab dann ein leises Wimmern von mir. „Ich glaub, ich schaff das nicht...“ Dann versuchte ich es noch ein drittes Mal, jetzt mit meiner anderen Hand, ich schlug so fest ich konnte, es gab ein Knacken und mit einem Mal flog die Klappe auf. Beziehungsweise eher ab. Sie landete irgendwo weiter hinten auf dem Liftdach, und dankenswerterweise strömte angenehm kalte Luft in das Innere der Kabine. „Geh RUNTER!“, fauchte Kiyoharu mich an, woraufhin ich schnell zu Boden sprang, um nicht eine Bruchlandung hinzulegen. Der Aufzug sackte mit einem dumpfen Geräusch und einem erneuten Knirschen ein paar Zentimeter weiter nach unten. Wir beide erstarrten und sahen uns beunruhigt an, wagten es ein paar Momente nicht, uns zu bewegen, aber als nichts passierte, richtete ich mich wieder ganz auf und sah nach oben. „Dieser Lift wird mir zunehmend unsympathischer“, knurrte ich. „Erst geht er kaputt, dann funktioniert der Notrufschalter nicht, dann droht er jeden Moment, ganz abzustürzen und dann VERARSCHT er mich auch noch!“ „Was?“ Ich zeigte auf die Scharniere der Klappe, die ich herausgebrochen hatte. „Innen“, bemerkte ich trocken. „Sie waren verdammt noch mal INNEN! Ich hätte einfach dran ziehen können! Aber NEIN, stattdessen haben diese bescheuerten Leute irgendwas drüber geklebt, sodass man die Scharniere nicht mehr sieht! Und jetzt tun mir die Hände weh.“ Kiyoharu musste lächeln. „Heute hat sich alles gegen dich verschworen.“ „Aber echt.“ Ich verzog das Gesicht. „Und was machen wir jetzt?“ „Nachschauen, ob wir vielleicht so nah an einem Stockwerk dran sind, dass wir rausklettern können“, antwortete er und schüttelte seine Hände etwas aus. „Aber erst, wenn ich meine Finger wieder spüre.“ „Wenn meine eigenen nicht so weh tun würden, dann würde ich ja anbieten, dass wir Positionen tauschen“, warf ich ein und zuckte die Achseln. „Machst du mit Absicht solche mehrdeutigen Kommentare?“, fragte er und sah mich prüfend an. Ich grinste. „Nein, ich bin so versaut, entschuldige.“ „Was meinst du, wie hoch ist die Chance, dass wir hier lebend wieder rauskommen?“ „Hm.“ Ich dachte nach. Der Lift war einmal fast abgestürzt und wirkte, als würde er jeden Moment den Schacht herunterkrachen. Aber abgesehen davon müssten wir wahrscheinlich nur eine Nacht in der Kabine verbringen, am nächsten Tag würde uns definitiv jemand rausholen. „Ich denke, ziemlich hoch. Neunzig Prozent oder so. Warum fragst du?“ „Nur so. Weil es schade für dich wäre, gleich am Anfang deiner Karriere abzukratzen, wenn du nicht mal etwas veröffentlicht hast.“ Kiyoharu bewegte seine Finger und massierte sie etwas. „Und vor allem jetzt, wo ich endlich den Dreh raus hab“, stimmte ich ihm zu und seufzte, schaute dann hoch zur Decke. „Sollen wir’s noch mal versuchen?“ „Okay.“ Er nickte und machte wieder eine Räuberleiter, ich stieg erst auf seine Hand, dann wieder auf den Griff, und hielt mich zusätzlich oben an der Kante des viereckigen Lochs fest. Abschätzend schaute ich mich um. Weiter oben konnte ich die Umrisse von anderen Türen sehen, dort war wahrscheinlich das nächste Stockwerk, aber es war zu hoch, als dass wir es hätten erreichen können. Und außerdem waren die Türen ja zu – das hätte auf keinen Fall funktioniert. Dafür erblickte ich direkt über dem Rand des Lifts die Anfänge von weiteren Aufzugtüren. „Ich glaube, wenn die Türen aufgehen würden, könnten wir einfach rausspazieren“, sagte ich laut, dass Kiyoharu mich auch hörte. „Aber nach oben kommen wir nicht, das ist zu weit und außerdem würde es nichts bringen.“ Dieses Mal stieg ich etwas vorsichtiger zurück auf den Boden. Der Aufzug gab keinen Mucks von sich. Während ich mir den Schmutz von den Händen klopfte (wer machte auch oben auf einem Lift sauber?), betrachtete Kiyoharu mich nachdenklich. „Was ist?“, fragte ich ihn. „Was ist das in deiner Hose?“, stellte er eine Gegenfrage. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, was er meinte, und konnte mir nur mit Mühe ein Rotwerden unterdrücken. Scheiße. „Nichts, was dich mehr interessieren sollte“, erwiderte ich ausweichend und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. „Nein, ich meine in deiner Hosentasche“, fügte er hinzu und neigte den Kopf etwas zur Seite. Oh, verdammt. „Nichts“, antwortete ich unwahrheitsgemäß. „Und? Hast du noch irgendeinen Plan, wie-“ „Letzte Chance“, murmelte Kiyoharu. Ich trat einen Schritt zurück, und dann noch einen, aber wie sollte man in einem AUFZUG weglaufen? Er versuchte, mir in die Hosentasche zu greifen, und so sehr ich mich auch wehrte, irgendwann hielt er mir mit hochgezogenen Augenbrauen die Zigarettenschachtel vors Gesicht. Ärgerlich schnappte ich sie ihm weg und steckte sie wieder in die Hosentasche, ohne etwas zu sagen. „‚Die letzte, die ich in meinem ganzen Leben rauchen werde’“, zitierte er mich leise. „Halt den Mund“, fuhr ich ihn an. „Das geht dich nichts an!“ „Es ist meine Marke“, stellte er leise fest. Ich verdrehte leicht die Augen und sah zur Seite. „Das geht dich nichts an“, wiederholte ich. „Ah? Das geht mich nichts an, wenn du mich küsst?“, wollte er wissen. Jetzt wurde ich wirklich rot, allerdings auch halb aus Wut. „Ich habe gesagt, dass dich das nichts angeht!“, fauchte ich. Er hob abwehrend die Hände. „Schon okay. Du brauchst nicht gleich so gereizt zu reagieren.“ „Ich reagiere nicht gereizt!“, reagierte ich gereizt. „Das ist interessant – du kannst ganz normal mit mir reden, aber wenn es um uns beide geht, dann sinkt deine Laune in den Keller.“ „Dazu hab ich auch allen Grund, finde ich“, erwiderte ich missmutig. „Aber wenn du mich wirklich vergessen hättest-“ „Ich HABE dich vergessen, aber ich kann wohl schlecht was dagegen machen, wenn du plötzlich wieder auftauchst, oder? Wie kommst du überhaupt hier her?“ Er lächelte schief. „Hab durch Insiderinformationen erfahren, dass du hier bist, und da ich noch mal mit dir reden wollte, bin ich hergekommen. Ich hab dich singen hören, wollte dich aber nicht stören und hab mich deshalb hingesetzt, um darauf zu warten, dass du rauskommst... und dabei muss ich wohl eingeschlafen sein.“ „Eingeschlafen?“, fragte ich skeptisch. Konnte ich mir irgendwie nicht vorstellen – er konnte doch jetzt unmöglich einen anstrengenderen Job haben als vorher bei GLAMOUR ☆ FASHION, oder? Denn selbst da war er nie bei der Arbeit eingeschlafen... „Seit dem Tag X kann ich nicht mehr normal schlafen“, nickte er. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte – einerseits tat er mir schon irgendwo leid. Wir hatten ihm mit einem Mal alles genommen, was er besessen hatte... Aber andererseits hatte er es auch verdient. Er ging mir gegen den Strich, und trotzdem. Es gab ein trotzdem – er hatte sich verändert. Er lenkte nicht mehr von den Themen ab, über die er nicht sprechen wollte. Er wirkte irgendwie natürlicher, er zwang sich zu keinem Lächeln mehr... Er wirkte nicht mehr so oberflächlich wie vorher. Und wenn ich Yuu Glauben schenken konnte, dann tat ich das auch nicht mehr. Und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. „Was hältst du denn von meinem Gesang?“, wollte ich irgendwann zögernd wissen. Kiyoharu überlegte einen Moment. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so singen kannst“, meinte er dann langsam. „Was heißt das?“ Ich runzelte die Stirn. „So... überzeugt, so ... gefühlvoll, so stark. Du hast dich verändert. Ich glaube, du fragst jetzt auch nicht mehr bei jedem Scheiß nach, was du machen sollst, oder?“ Er musste lächeln, als ich schon zu einer empörten Erwiderung ansetzen wollte. „Es gefällt mir, wie du singst. Es kommt etwas... überraschend, weil du vorher anders gesungen hast, aber ich persönlich finde es gut. Warum fragst du das ausgerechnet mich?“ „Ist ja kein anderer da“, gab ich zurück, obwohl ich selbst wusste, dass ich mir diese Antwort besser gespart hätte, weil sie außer ausweichend nichts anderes war. Und das ließ natürlich Interpretationsraum offen. Aber gut, das ließen die Zigaretten auch. „Hast du irgendwas zu essen?“ Er breitete die Arme aus und sah an sich herunter. „Siehst du irgendwelche Stellen, an denen ich Essen versteckt haben könnte?“ Ich betrachtete ihn einen Moment. Er trug ein enges Shirt und eine ebenfalls gut sitzende Hose, und ich musste zugeben, dass er Recht hatte. Ich machte den Mund auf, dann kam mir ein anderer Gedanke und ich musste lachen. „SEHEN nicht....“, erwiderte ich und sank kichernd zu Boden. Kiyoharu schaute wortlos auf mich herunter und setzte sich dann vor mich. „Hab ich dir schon mal gesagt, dass du pervers bist?“ Das brachte mich zum Grinsen. „Dann frag dich mal, wer mich dazu gemacht hat.“ „Hakuei“, antwortete er ohne zu zögern, woraufhin ich wieder lachen musste. „Gut, damit könntest du sogar Recht haben... hätte er mich auf der Weihnachtsparty nicht erst halb mit Rose verkuppelt und dann noch in einen Dreier verwickelt, dann hätte ich wahrscheinlich auch nicht mit Toshiya und Kirito und noch mal Rose und...“ Nachdenklich runzelte ich die Stirn. „Hab ich wen vergessen? Nein, ich glaube nicht, Hiroto kam erst hinterher...“ „Was?“ Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Nein, mit ihm hatte ich nie was, entschuldige.“ Ich kicherte wieder leise. Kiyoharu hob eine Augenbraue. „Ist irgendwas los?“ „Nein, ich glaube, es ist die reine Verzweiflung, mit dir auf so engem Raum gefangen zu sein...“, gab ich lächelnd zurück. „Am liebsten würde ich kreischend hier raus rennen, aber da das nicht möglich ist... Ich finde es ziemlich unrealistisch, hier mit dir zu sitzen, mich mit dir zu unterhalten und zu tun, als ob nie etwas gewesen wäre, während du mich so ausgenutzt, hintergangen, betrogen und belogen hast. Ich verstehe mich nur selbst nicht, weil ich immer noch so locker in deiner Gegenwart sein kann, warum ich mich von dir habe beruhigen lassen und warum ich trotz der ganzen Situation so bin wie immer...“ Ich legte den Kopf schief. „Wahrscheinlich erinnert mein Körper sich nur an deinen oder so was. Oder ich erinnere mich daran, wie lieb du zu mir gewesen bist. Eher beides.“ „Sag so was nicht, wenn du es nicht ernst meinst“, murmelte er. „Ich meine es ernst“, widersprach ich direkt und lächelte wieder, als er mich ansah. „Weißt du, was ich jetzt am liebsten machen würde?“ „Wenn du mich anpackst, dann fängst du dir nicht nur eine, ich hoffe, das ist dir klar“, unterbrach ich ihn sofort und lehnte mich an die Wand hinter mir. „Spekuliere nicht darauf, dass ich dir irgendwann mal im Rest deines Lebens noch vergeben und verzeihen werde.“ „Dann sag solche Sachen nicht“, bat er leise. „Das vermittelt nur einen falschen Eindruck. Und außerdem wird es dann für mich noch schwerer, mich zu beherrschen.“ „Beherrschen?“, fragte ich. „Beherrschen, WAS nicht zu tun?“ „Dich zu umarmen“, gab er zurück und senkte seinen Blick wieder für einen Augenblick. „Dich an mich zu drücken, dich zu küssen... alle deine empfindlichen Stellen zu finden, dich zum Stöhnen zu bringen, dich-“ „Was auch immer du gerade versuchst, es wird nicht funktionieren“, fiel ich ihm erneut ins Wort und lächelte leicht. „Ich bin nicht mehr wie vorher. Ich habe gelernt zu widerstehen. Erinnerst du dich an die Woche vor dem Tag X? Ich bin zu dir hingegangen, obwohl ich es eigentlich nicht wollte, ich habe mit dir geschlafen, obwohl ich es eigentlich nicht wollte, und das nur, weil ich nicht widerstehen konnte, weil ich schwach, von dir abhängig war, seelisch wie körperlich. Und bei jedem Orgasmus hatte ich Tränen in den Augen, aber das hast du wahrscheinlich nicht mal bemerkt. Obwohl, unter der Dusche war es schwer. Und auf dem Sofa auch, da saß ich-“ „Es reicht!“, redete er mir dazwischen. „Bitte. Es reicht. Ich möchte jetzt nicht daran denken. Es tut mir leid.“ Ich machte eine wegwerfende Geste. „Deine Entschuldigungen kannst du dir ruhig sparen, die sagen alles und gar nichts. Damit kannst du dich nicht rausreden.“ Ich schloss die Augen und legte den Kopf etwas in den Nacken und spürte beinahe Kiyos Blick auf mir. Es war ein schönes Gefühl, begehrt zu werden. Und es war ein noch schöneres Gefühl zu wissen, dass es genau derjenige war, der einen verletzt hatte, denn so konnte man sich prima an ihm rächen. Ich überlegte bereits, ob ich ihn nicht ein wenig quälen, mir eine Hand in die Hose schieben und ihn dabei zusehen lassen sollte. Aber das war gefährlich, denn wenn er mich hinterher doch verführte... Wir saßen eine Weile nur schweigend da, die Anspannung in der Kabine merklich ansteigend. Irgendetwas würde gleich passieren, das wusste ich. Aber ich wusste auch, wenn er irgendetwas versuchen würde – ich könnte ihm widerstehen. Das hatte ich inzwischen gelernt. Als er anfing zu sprechen, traute ich meinen Ohren erst nicht, aber es war sein voller Ernst, und so machte ich irgendwann die Augen auf und betrachtete ihn, während er, den Blick zu Boden gerichtet, erzählte. „Meine Eltern hatten sich bereits unter einem ungünstigen Stern kennen gelernt“, begann er leise. „Mein Vater stammte aus einer reichen Familie und sollte mit seiner Cousine verheiratet werden, die er allerdings nicht liebte. Stattdessen hatte er ein Auge auf meine Mutter geworfen, deren Eltern nicht mehr lebten, sie kam nur schwer über die Runden. Mein Vater widerte sie an, mit seiner ganzen Art, sie hätte am liebsten ihren ebenfalls armen Jugendfreund geheiratet, aber wenn sie das getan hätte, dann wären sie beide zugrunde gegangen. Aber was sollte sie tun – als mein Vater ernsthaft begann, ihr den Hof zu machen, willigte sie schließlich ein, ihn zu heiraten, weil sie keinen anderen Ausweg mehr sah. Es folgten einige Jahre der reinsten Hölle für sie, da mein Vater, wenn er betrunken war, unzurechnungsfähig wurde, und da er das, was er begehrte, nun besaß, gab er sich keine Mühe mehr, seine negativen Seiten zu verstecken. Außerdem war er von seiner Familie verstoßen worden, sodass die beiden nicht viel reicher waren als meine Mutter vorher. Nach ein paar Jahren bekam sie ein Mädchen, womit mein Vater mehr als unzufrieden war, weshalb er nicht nur das Kind, sondern auch meine Mutter misshandelte. Ein paar weitere Jahre später wurde meine Mutter mit mir schwanger und starb bei meiner Geburt. Während meiner ersten sechs Lebensjahre wurde ich immer wieder für den Tod meiner Mutter verantwortlich gemacht und behandelt, als hätte ich sie mit meinen eigenen Händen erwürgt. Meine Schwester kümmerte sich nicht um mich, sie war ein wenig wirr im Kopf, sie malte ständig, unentwegt, irgendwelche dunklen Bilder und sprach so gut wie nie. Erst später fand ich durch Nachbarn und frühere Bekannte meiner Eltern heraus, dass mein Vater meine große Schwester systematisch fertig gemacht und vergewaltigt hat.“ Hier legte er eine Pause ein, in der er sichtlich versuchte, aufkommende Erinnerungen niederzukämpfen, um weitersprechen zu können. „Mit sechs kam ich schließlich in ein Heim und wurde vollkommen von meiner ‚Familie’“, er sprach es wie ein Schimpfwort aus, „abgeschottet. Aber in dem Heim wurde es nicht viel besser, ich war mir selbst überlassen und das führte dazu, dass ich immer zurückgezogener, vorsichtiger und unsozialer wurde, ähnlich wie meine Schwester. Mit vierzehn schließlich holte mich der Jugendfreund meiner Mutter zu sich und kümmerte sich um mich. Für eine Zeit wurde alles ein bisschen erträglicher, da er wirklich nett und fürsorglich war und ständig betonte, wie ähnlich ich meiner Mutter sehen würde... Doch noch bevor ich ein richtiges Leben anfangen konnte, machte er alles wieder zunichte, indem er mich verführte. Gerade er, der beinahe zu so etwas wie einer Vaterfigur für mich geworden war... Ich weiß nicht, ob es zu der Zeit war oder schon vorher, auf jeden Fall lernte ich zu schauspielern, Dinge vorzutäuschen, die nicht da waren, Dinge zu verstecken, die eigentlich an die Oberfläche wollten. So war es einfacher, das Ganze zu ertragen, so fiel niemandem in der Schule auf, was mit mir los war. Ich hatte Freunde, ich kam ohne Probleme mit anderen klar, aber es fühlte sich alles unwirklich an. Ich hatte mehrere Freundinnen, die mich auch zuhause besuchen kamen, und auch sie bemerkten nichts, sie fanden meinen Ersatzvater ganz charmant und sagten mir, was für ein Glück ich hatte, ihn zu haben. Einer von ihnen, die ich wirklich geliebt hatte, vertraute ich mich an. Sie drängte mich, zur Polizei zu gehen und es ihnen zu erzählen. Ich weigerte mich. Ich konnte es nicht. Zwei Wochen später riss sie von zuhause aus, auf ihrem Abschiedsbrief an mich: ‚Weil ich dir nicht helfen konnte’. Obwohl ich nur zwei Jahre bei ihm wohnte und mit sechzehn wieder auszog, ich fühlte mich danach bei dominanten Männern immer unwohl. Ansonsten verlief mein Leben ‚normal’. Als ich Mirai kennen lernte, hatte ich erst Angst vor ihr, weil sie meiner Schwester so ähnlich sah, und dann schlug Angst in Hass um, weil sie mich konstant an meinen Vater erinnerte. Deshalb ist es auch unheimlich irrational, dass ich mich später doch in sie verliebte, ich kann es mir auch nicht erklären. Auf jeden Fall war ich unendlich glücklich, als ich den Job als Model bekam, ich fühlte mich dabei einfach wohl.“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Entschuldige, ich komme vom Thema ab. Vor ungefähr sieben Jahren erfuhr ich dann plötzlich, dass meine Schwester tot war – schon seit meinem zehnten Lebensjahr. Sie war von meinem Vater im Winter nackt in einen See geworfen worden, weil sie angefangen hatte, sich gegen ihn zu wehren. Etwa drei Jahre später hat er sich im Gefängnis selbst erhängt. In seinem Testament hatte er geschrieben, dass der gesamte Besitz meiner Schwester dem Jugendfreund meiner Mutter zukommen sollte, dem ‚richtigen Vater’ meiner Schwester. Ich weiß bis heute nicht, ob das wirklich stimmt und ob mein Vater das die ganze Zeit gewusst und daher meine Schwester so misshandelt hat.“ Ich schwieg. Ich war, gelinde ausgedrückt, geschockt. Hakuei hatte zwar irgendwann mal angedeutet, dass Kiyo in seiner Jugend nicht viel Schönes zugestoßen war, aber ... er war ja geradezu vom Teufel selbst heimgesucht worden. „Verstehst du jetzt, warum ich dir nie von mir erzählt habe?“, wollte er schwach wissen und schaute mich zum ersten Mal seit den letzten paar Minuten wieder an. Ich nickte langsam. „Wer... weiß das denn alles, was du mir gerade...“ „Der Jugendfreund, falls er noch lebt... wie viel Hakuei weiß, will ich mir nicht ausmalen. Miya kennt einen Bruchteil der Geschichte.“ Kiyoharu überlegte. „Hyde?“, fragte ich. „Der weiß nur, dass meine Eltern und meine Schwester tot sind.“ Whow. Moment mal. „Heißt das... dass ICH...“ Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen... Er sah mich an. „Du bist der erste, dem ich davon erzähle.“ Ich schüttelte den Kopf. „Warum?“, wollte ich leise wissen. Ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ausschlussprinzip“, gab er zurück. „Wenn ich es nicht langsam jemandem erzählt hätte, dann wäre ich verrückt geworden. Und außer dir hätte mir keiner zugehört. Miya nicht, Hyde nicht, Hakuei interessiere ich nicht, und für den Rest könnte ich ebenfalls im Sterben liegen, es würde sie nicht jucken.“ „Und wie kommst du darauf, dass ICH mich für dich interessieren würde?“ „Intuition.“ Er lächelte wieder. „Und offenbar habe ich Recht behalten, oder? Stichwort Zigaretten.“ „Bild dir da bloß nichts drauf ein“, murrte ich und wich seinem Blick aus. „Ich soll mir nichts darauf einbilden, dass du dir extra meine Zigaretten kaufst, damit du das Gefühl hast, mich zu küssen?“, fragte er beinahe amüsiert nach. „Ach, sei ruhig.“ „Wie läuft es eigentlich gerade sonst bei dir?“ Die Frage hatte ich befürchtet. Ich runzelte leicht die Stirn. „Soweit ganz gut, bis auf dass ich noch nichts aufgenommen habe, weil mir mein Gesang bis heute nicht gefallen hat.“ „Das meinte ich nicht“, erwiderte er schmunzelnd. „Das weiß ich“, gab ich kurz angebunden zurück, fügte aber nichts mehr hinzu. Mein Liebesleben hatte ihn nicht zu interessieren, fertig. Und ich würde ihn auch nicht nach seinem fragen. Obwohl es mich natürlich schon irgendwie neugierig machte. Und was er im Moment arbeitete, ob er überhaupt einen Job gefunden hatte, ob die Leute auf der Straße stehen blieben, um ihn auszulachen... Ich hoffte nicht. Denn das hatte er wirklich nicht verdient. Und eigentlich hatte er es auch nicht verdient, dass ich jetzt auf stur schaltete, wo er mir doch solche persönlichen Sachen erzählt hatte... Ich seufzte leise. „Wenn du mein Liebesleben meintest, nein, da läuft im Moment NICHTS gut. Ich krieg keine Beziehung auf die Reihe, und ich weiß nicht mal, ob ich das will, ich schlaf mal mit dem und dann mit dem... sogar mit einem aus meiner Band hab ich’s mal versucht, aber ich glaube, das war ein Fehler, weil er beim Spielen jetzt immer so abwesend wirkt.“ „Solltest du nicht eigentlich gelernt haben, dass man mit Leuten, mit denen man auch weiterhin zu tun hat, besser keine Beziehung anfängt...?“, fragte Kiyoharu und lächelte leicht. Ich streckte ihm die Zunge raus. „Musst du gerade sagen. Ich wette, dir geht’s nicht viel besser. Oder?“ Herausfordernd sah ich ihn an. Er tat, als müsste er überlegen. „Hm.... ich glaube, du hast Recht“, meinte er dann. „Nein, viel besser sieht es tatsächlich nicht aus für mich. Eher schlechter, weil ich ganz bestimmt nicht so viele hübsche Typen um mich herum habe wie du. Apropos, hast du eigentlich noch Kontakt zu den anderen Models?“ „Ja, klar, Kirito, Yasu, Hakuei, Rose... warum fragst du?“ „Nur so.“ Er zuckte mit den Schultern. „Was machst du eigentlich gerade?“, traute ich mich endlich zu fragen. Ich hatte erst gezögert, weil ich keine Antwort bekommen wollte wie ‚ich finde keine Arbeit’ oder ‚ich habe keinen Willen mehr zu arbeiten’ oder so etwas. Denn Schuldgefühle konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen. „Ich schreibe unter einem Pseudonym für verschiedene Zeitungen und Magazine... ich verdiene eigentlich ganz gut daran, und interessant ist es auch. Zwar natürlich kein Vergleich zu GLAMOUR ☆ FASHION, aber ich bin zufrieden“, erwiderte er und lächelte leicht. „Das Problem wird nur sein, dass ich nie selbst werde Interviews führen können... Es sei denn, jemand stellt sich dafür bereit. Wenn das, was du veröffentlichst, sei es ein Album oder eine Single, Erfolg hat, darf ich dich dann interviewen?“ Da musste ich erst einmal überlegen. „Kommt drauf an, für welche Zeitung es ist, für irgendein Klatsch- oder Käseblatt geb ich keine Interviews. Aber grundsätzlich erst mal ja.“ „Wenn es für eine seriöse Zeitung ist, versprichst du es mir dann?“, wollte er wissen und betrachtete mich aufmerksam. Ich lächelte. „Klar, wieso nicht?“ „Wie geht’s den anderen eigentlich? Was macht Hyde, wie kommt Miya zurecht?“ Erneut zuckte ich die Achseln. „Es läuft. Die beiden sind wieder enger befreundet, glaube ich. Bei Hakuei und Rose ist alles unverändert, Kirito hat es akzeptiert, dass Yasu nichts von ihm will und ist auf der Suche nach jemand anderem – wobei es mich gewundert hat, dass er so schnell über ihn hinweggekommen ist –, Yasu versucht sich zur Zeit an einer bekannten Fotografin... und bei Jui und Toshiya geht es im Moment auf und ab, weil sie nicht wollen, dass die Öffentlichkeit über sie Bescheid weiß, und trotzdem macht Toshiya immer irgendwelche Andeutungen, und dann flirtet er immer noch mit anderen... Ich versteh die beiden nicht. So, wie ich es höre, haben viele den Eindruck, dass Hiroto sich an Hyde ranmacht, der aber nichts von ihm wissen will. Oh, ja, und es scheint, als hätte Gackt ein Interesse an Anna Tsuchiya entwickelt. Einseitig, versteht sich.“ Kiyoharu musste plötzlich grinsen und schüttelte dann leise lachend den Kopf. „Müsste ich mir irgendwelche Sorgen machen, wenn ich dich nach der Arbeit meiner früheren Zeitschrift frage und du mir alle Affären und Beziehungen der Models aufzählst?“ Jetzt grinste ich ebenfalls. „Aber das ist doch das, was dich interessiert, oder? Danach frag ich zumindest immer, die Arbeit der anderen ist doch langweilig.“ „Ich glaub’s nicht, ich wollte eine Zeitschrift unterstützen, und stattdessen hab ich eine lebende Seifenoper geschaffen...“ Mein Grinsen wurde breiter. „Du sagst es, hättest du nicht die ganzen Models verschwult, dann wäre das alles nicht passiert.“ Eine Weile saßen wir in Schweigen da, aber es war nicht dasselbe Schweigen wie vorher. Alle Anspannung war verschwunden, es war beinahe angenehm, so mit ihm dazusitzen. Mir kam der seltsame Gedanke, dass ich Kiyoharu vermisst hatte. Seine Art vermisst hatte, sein Lächeln vermisst hatte, es vermisst hatte, so locker mit ihm... Nein, Moment. So wie jetzt hatten wir vorher nie geredet, er hatte sich immer verstellt. Das hier war eigentlich völlig neu, wie wir miteinander umgingen, wir konnten uns gegenseitig sticheln, Scherze machen, ganz offen. Es gefiel mir. Und dann beschlich mich ein weiterer Gedanke: Was, wenn das Ganze drumherum nicht passiert wäre? Was, wenn Kiyoharu mich einfach nur betrogen hätte und fertig? Was, wenn er meine ganzen Freunde nicht auch noch so verletzt, die ganzen Kollektionen nicht geklaut, Mirai nicht zu einem Mann gemacht hätte? Dann hätte ich ihm längst verziehen. Ich wollte es eigentlich auch, irgendetwas in mir wollte ihm verzeihen. Aber das konnte ich nicht – nicht wegen Kirito und Yasu und Hakuei und Rose und auch nicht wegen Jui, Hyde, Mirai, Kei und so weiter. Es ging nicht. Ich spürte seinen Blick wieder auf mir, aber dieses Mal nicht so verlangend, sondern eher... anerkennend, neugierig. „Gara?“ „Hm?“, machte ich. „Darf ich dich vögeln?“ Ich blies die Backen auf. „Jetzt?“, fragte ich nach, als würde es mir gerade unheimlich ungelegen kommen. „Würde sich anbieten“, gab er zurück. „Hm.“ Ich schürzte die Lippen. „Okay.“ Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er starrte mich einen Moment an, ich erwiderte seinen Blick ruhig. „Meinst... meinst du das ernst?“ „So ernst wie du deine Frage gemeint hast.“ Ich hob eine Augenbraue. Das ließ ihn zögern. Offenbar war seine Frage auch nicht so gemeint gewesen. „Mach jetzt keinen Rückzieher“, warnte ich ihn. Kiyo musterte mich misstrauisch. „Und...du verarschst mich wirklich nicht?“ Zur Antwort streckte ich meine Beine aus und spreizte sie ein wenig, breitete dann noch die Arme aus und lächelte. Noch immer ziemlich skeptisch wirkend kniete er sich zwischen meine Beine und betrachtete mich nur ein paar Augenblicke. Ich lächelte erneut und hob eine Hand, fuhr eine seiner Augenbrauen mit der Fingerspitze nach, strich ihm über die Wange, durchs Haar. „Du glaubst mir nicht, oder?“ „Ich werde dir erst glauben, wenn ich dich um mich spüren kann“, murmelte er zurück, scheinbar gebannt von meinen Berührungen. „Dann sorgen wir doch dafür, dass du mir ganz schnell glaubst“, flüsterte ich, zog ihn zu mir und drückte meine Lippen auf seine. Als er nach einem Moment begann, den Kuss zu erwidern, seine Hände an meine Seiten legte und ich meine Arme um seinen Nacken schlang, ergriff mich irgendwie ein seltsames Gefühl am ganzen Körper. Es war fast wie eine Art Elektrizität, ein angenehmes Kribbeln, und gleichzeitig spürte ich, wie sich eine Geborgenheit und eine Erleichterung in mir ausbreitete, die ich in den letzten Monaten oft vermisst hatte. Es war das Wissen, einen vertrauten Körper spüren zu dürfen, mit jemandem intim zu werden, der einen kannte, der wusste, was man wollte, der sanft und liebevoll mit einem umging. Das hatte ich selten verspürt. Aber da war auch noch etwas anderes, dieses Kribbeln, das kam nicht daher. Das stammte von dem Wissen, dass ich drauf und dran war, mit jemandem zu schlafen, der mich ausgenutzt und belogen hatte und meine Freunde ebenfalls. Und von der Tatsache, dass ich es genoss. Es war wie wenn man etwas Verbotenes tat, man wusste eigentlich, dass es falsch war, dass man es nicht tun sollte, und tat es trotzdem. Weil man der süßen Versuchung nicht widerstehen konnte. Und Kiyo WAR eine Versuchung. Er war eine reine Verlockung auf zwei Beinen, der man sich, wenn man einmal von ihr gekostet hatte, nie wieder komplett entziehen konnte. Als wir uns wieder voneinander lösten, suchte Kiyo nach meinem Blick, wohl noch immer unschlüssig. Ich sah ihn an und küsste ihn dann ein zweites Mal, leckte sofort über seine Lippen und drückte sie dann mit meiner Zunge auseinander, ehe ich ein zärtliches Spiel mit Kiyos begann. Das brachte ihn merklich aus dem Konzept – so offensiv war ich vorher nie gewesen. Er brauchte einige Momente, bis er es schaffte, die Überhand im Kuss zu gewinnen, aber nachdem er sein Selbstvertrauen wiedergewonnen hatte, beendete er den Kuss und küsste sich stattdessen an meinem Hals entlang. Ich legte, genussvoll schnurrend, den Kopf in den Nacken und vergrub eine Hand in seinen Haaren. „Ich hab dich vermisst“, murmelte er und zog kurz mit den Zähnen an meinem Ohrläppchen, während er langsam mein Shirt immer höher schob. „Mich?“, fragte ich grinsend und kraulte ihn etwas im Nacken, „Oder den Sex mit mir?“ Er biss mich seitlich in den Hals, was mir ein zufriedenes Seufzen entlockte, und zog mir anschließend das Shirt ganz aus. „Beides“, antwortete er lächelnd. Als wir uns das nächste Mal küssten, wurde mir mit einem Mal schmerzlich bewusst, wie SEHR ich ihn wirklich vermisst hatte. Und wie sehr hatte ich mir gewünscht, dass ich ihn noch einmal wiedersah und wir wie normale Menschen miteinander umgehen könnten... Mein Herz hing eben doch noch an ihm. Und mein Körper ebenfalls – sonst würde er nicht so heftig auf solche noch harmlosen Berührungen reagieren. Ich ließ unseren Kuss fordernder werden, langte beinahe nach seiner Zunge, fuhr mit meinen Händen unter sein Oberteil, zog ihn dichter an mich heran. Kiyo ließ den Kuss so lange andauern, bis ich irgendwann keine Luft mehr hatte, und machte sich dann erst einmal über meinen Hals her, knabberte, küsste, biss und saugte. ... Moment. Ich schob seinen Kopf zur Seite. „Keine Knutschflecken, bitte“, murmelte ich, als er mich fragend ansah. „Ich möchte nicht in Verlegenheit um eine Erklärung kommen...“ Er lächelte leicht und nickte, machte dann an meinen Schlüsselbeinen weiter, küsste sich weiter nach unten und fuhr dann mit der Zunge über eine meiner Brustwarzen, was mir ein genussvolles Seufzen entlockte. Es folgte allerdings ein leises Aufkeuchen, als er etwas dichter zu mir rutschte und mit einer Hand über die deutlich sichtbare Beule in meiner Hose rieb. „Sag mal...“, bemerkte er leise und blinzelte zu mir hoch, während er zwischendurch immer wieder mal an meiner Brustwarze saugte. „Hast du irgendwie geübt? Normalerweise wärst du schon Pudding in meinen Fingern, würdest dich unter mir winden und mich anbetteln, dass ich dich durchnehme...“ Darauf musste ich lächeln und schnurrte leise, strich durch seine Haare. „Das mache ich zwar geistig, aber... ja, ich hatte schon Nachhilfe... ich habe auch eine bessere Kondition“, erwiderte ich und hob lasziv grinsend und auffordernd eine Augenbraue. Trotzdem legte ich seufzend den Kopf noch etwas mehr in den Nacken, als Kiyo mich etwas stärker massierte. „So, du bettelst mich also geistig an?“, wiederholte er und machte meine Hose auf, während er sich langsam mit seiner Zunge einen Weg meine Brust hinunter zu meinem Bauchnabel bahnte. „Das bringt mir aber nichts. Wie wäre es, wenn du laut bettelst?“ Er knabberte meinen Nabel sanft an. Ich atmete bereits etwas schwerer und seufzte immer wieder zufrieden auf. „Bring mich dazu“, wisperte ich. „Bring mich zum Betteln, zum Stöhnen, zum Schreien... das kriegst du nicht mehr umsonst. Verdien es dir.“ „Worauf du dich verlassen kannst“, gab er zurück, schob meine Hose zusammen mit den Shorts etwas nach unten und umschloss ohne Vorwarnung meine Erregung mit den Lippen. Ich keuchte leise auf und krallte mich etwas in seine Haare, zwang mich aber sofort, meinen Griff zu lockern, und schloss die Augen, um mich ganz auf dieses Gefühl zu konzentrieren, das sich mehr und mehr in mir ausbreitete. Es war unbeschreiblich. Ich muss zwar zugeben, dass Kiyos Zunge nicht annähernd so talentiert war wie Roses, aber es war eben die Tatsache, dass es KIYO war, der hier gerade vor mir kniete und mich mit seinem Mund verwöhnte. Das allein ließ mich geistig im Himmel schweben. Ich gab ein leises Stöhnen von mir, als er anfing, an mir zu saugen, und zupfte dann an ein paar seiner Haarsträhnen. „Kiyo...“, hauchte ich. „Bitte... verschwende keine Zeit, ich will dich...“ Ich seufzte zum wiederholten Mal auf, als er mich noch kurz seine Zähne spüren ließ, und folgte ihm dann mit dem Blick, als er sich wieder aufrichtete. „Das tut gut zu hören“, erwiderte er leise und lächelte schwach. Es war ein echtes Lächeln. „Steh auf“, forderte er. Ganz der gehorsame Diener, befolgte ich seinen Befehl und rappelte mich auf, noch immer an die kalte Fahrstuhlwand gelehnt. Ich schlang einen Arm um Kiyos Nacken und erwiderte seinen Kuss innig, drückte mich ihm entgegen. Er zog mich nun ganz aus und ließ sich dann von mir ausziehen. Ich hatte seinen Körper vermisst, nicht so sehr ihn an sich, sondern mehr das Gefühl, seine Haut an meiner spüren zu können, seine ganzen Tattoos, seine schlanke Gestalt. Ohne dazu in irgendeiner Weise aufgefordert zu sein, griff ich nach seiner Hand und saugte an zwei seiner Finger, ließ ihn deutlich meine Zunge spüren und hielt dabei die Augen genussvoll geschlossen. „Du bist so sexy“, wisperte er mir ins Ohr und begann, daran zu knabbern. Er erinnerte sich an jeden meiner empfindlichen Punkte, und nicht nur das, das Ganze überhaupt wirkte, als wären wir nie getrennt gewesen. Fast wie beim Fahrradfahren – man verlernte es nie. Wir hatten offenbar nie verlernt, wie unsere Körper aufeinander reagierten. Ich gab seine Hand wieder frei und flüsterte zurück: „Und du bist heiß.“ Erwartungsvoll spreizte ich meine Beine und saugte mich an dem Stern an seinem Hals fest. Es war alles so vertraut, so unheimlich vertraut, wie ein Ritual, an das man sich, immer wieder vollzogen, auch Jahre später noch bis ins kleinste Detail erinnerte. Sex war eben nicht gleich Sex. Vor allem nicht mit unterschiedlichen Personen, es stimmte nicht, dass es egal war, mit wem man schlief. Denn so sanft, wie Kiyo mich behandelte, so liebevoll... Ich schnappte leise nach Luft, als ich seine Finger in mir spürte, und entspannte mich auf der Stelle. Ich hatte geübt, dieser Teil klappte inzwischen ohne Probleme. Und was hatte ich bei unserem ersten Mal für einen Aufstand gemacht... dafür schämte ich mich jetzt noch. Auch noch viele Male danach tat es am Anfang immer noch weh, aber inzwischen war er noch immer völlig verschwunden. Das einzige, was ich spürte, war Kiyo. „Sag es noch mal“, befahl er mir leise. Vielleicht befahl er es mir auch nicht, vielleicht war es nicht als Befehl gemeint, aber ich empfand es so. Und ich gehorchte. „Ich will dich“, wisperte ich atemlos und schlang meine Arme um seine Schultern, schmiegte mich an ihn. „Bitte, Kiyo...“ Er drang tiefer mit seinen Fingern in mich ein, bewegte sie ein wenig. „Noch mal.“ „Ich will dich“, wiederholte ich gefügig. „Ich will dich jetzt und hier, auf der Stelle, und ich will dich immer wieder.“ Seine Finger waren nah an diesem Punkt in mir, aber er umging ihn absichtlich, das fühlte ich. „Keinen anderen?“, fragte er nach. „Nein“, hauchte ich und schüttelte schwach den Kopf, legte ihn in den Nacken, damit Kiyo meinen Hals küssen konnte. „Keinen anderen, ich will niemanden so wie dich, niemanden... Ah!“ Mein Griff verstärkte sich etwas und ich machte die Augen zu. Er spreizte seine Finger etwas und biss leicht in meine Haut. „Jetzt?“ „Sofort!“, antwortete ich beinahe flehend. „Bitte, ich halt’s nicht mehr aus...“ Und dann legte er sich eins meiner Beine um die Hüfte, entzog mir seine Finger und ersetzte sie durch etwas Größeres. Ich atmete einmal tief durch und spürte, wie mir Tränen in die Augen traten. „Tut es weh?“, wollte er besorgt wissen und strich mir ein paar Haarsträhnen zurück, küsste mich zärtlich. Er war genauso lieb zu mir, wie er es immer gewesen war... „Ja“, wisperte ich und nickte langsam. „Hier.“ Ich legte eine seiner Hände auf mein Herz. „Merkst du es? Es schlägt so schnell, als würde es herausgelassen werden wollen... Es tut mir weh, wenn ich an früher denke und-“ „Dann lass es“, unterbrach er mich kurzerhand. „Dann denk nicht an früher.“ „Sorg dafür“, flüsterte ich und lächelte leicht, zog ihn enger an und damit auch tiefer in mich. „Dann sorg dafür, dass ich nicht mehr daran denke.“ „Worauf du dich verlassen kannst“, war das Einzige, was er noch sagte, ehe er mit seinen Stößen anfing, mit seinen Bewegungen, die mir noch so sehr vertraut waren, die ich auch in den ganzen Wochen, Monaten nicht hatte aus meinem Kopf löschen können. Und ich erwiderte diese Bewegungen, sorgte dafür, dass er so tief wie möglich in mich stoßen konnte, stöhnte ununterbrochen genussvoll auf, krallte mich in seine Haare und küsste ihn immer wieder. Nur – es funktionierte nicht. Ich dachte noch immer nach. Ich dachte darüber nach, was für ein wundervolles Gefühl es war, mit jemandem zu schlafen, der einem etwas bedeutete. Es war, als hätte man ein Geheimnis, ein richtig geheimes Geheimnis, und man würde es nur mit dieser einzigen Person teilen, und im Gegenzug teilte sie ihrs auch mit einem selbst. Es beruhte auf Gegenseitig, jeder nahm und gab etwas, und hinterher waren beide zufrieden. Ich hatte bereits ausprobiert, wie es war, wenn man mit jemandem schlief, den man nicht einmal richtig kannte. Oft hatte ich es über alle Maßen genossen – den Sex zumindest. Und hinterher fühlte es sich an, als hätte mir jemand mein Herz herausgerissen und weggeworfen. Ich fühlte mich leer, benutzt, obwohl meist ich derjenige war, der den Anstoß gegeben hatte. Es passte nicht. Es bedeutete mir nichts, es war nur etwas Temporäres, und mehr nicht. Ich wollte diese Leere nicht spüren, nicht dieses dumpfe Nichts, das alleine mehr sagte als alle Gefühle zusammen. Und trotzdem, auch in diesem Moment fühlte ich mich leer. Kiyoharu hätte mich ausfüllen sollen, nicht nur meinen gesamten Körper, meine Empfindungen, sondern auch meinen Geist, meine Gedanken. Aber dort war er nicht. Ich dachte an alles, nur nicht an ihn. Ich hörte mich zwar selbst aufstöhnen, ich spürte die Lust, ich FUNKTIONIERTE noch, aber ich war nicht mit der Seele dabei. Kiyo bedeutete mir noch etwas, wahrscheinlich viel zu viel. Ich hatte ihn geliebt. Vielleicht liebte ich ihn immer noch. Ich hatte mich nicht demnach verhalten – sondern mit viel zu vielen anderen Männern geschlafen. Aber trotzdem hatte ich ihn mehr geliebt als jede andere Person in meinem Leben. Und dennoch... und dennoch konnte er mir nicht das geben, was ich wollte. Was ich brauchte. Ich dachte an Hakuei und Rose. Sie hatten mir damals beigestanden, als ich über Kiyo hinwegkommen wollte. Sie hatten mir sogar angeboten, teil an ihrer Beziehung zu haben. Selbst heute noch, wenn ich mich zu einsam fühlte, kam ich auf dieses Angebot zurück, und es erschreckte mich, wie gut mir die beiden taten. Aber letzten Endes waren sie Freunde. Ich wollte sie nicht ausnutzen, und ich wollte nicht riskieren, dass sie sich wegen mir trennten. Ich dachte daran, wie krank diese gesamte Situation war. Ich fragte mich, warum ich mich wieder auf Kiyo eingelassen hatte. Wie es weitergehen würde. Ich fand keine Antworten, und ich war mir nicht sicher, ob ich diese überhaupt wollte. Er bemerkte nicht einmal, dass ich so abwesend war, und ich bemerkte nicht, wie wir uns wieder anzogen und auf den Boden setzten, aber irgendwann saßen wir da und unterhielten uns und ich hatte keine Ahnung, worum es überhaupt ging, und ich war trotzdem in der Lage, passende Antworten zu geben. Mir war nach Heulen zumute. Und irgendwann wurde es dann plötzlich schwarz um mich. ~☆~ Wach wurde ich durch ein lautes Geräusch. Ich blinzelte etwas und kniff dann die Augen zusammen, von der Sonne geblendet. Moment – Sonne? Ich brauchte einen Moment, um die Situation zu erfassen. Kiyoharu und ich lagen glücklicherweise angezogen nebeneinander auf dem weichen Teppich des Aufzugs, dessen Türen offenbar gerade geöffnet worden waren. „Sind Sie okay?“, wollte der Typ wissen, der wie ein Handwerker aussah und wahrscheinlich hergeholt worden war, um den Lift zu reparieren. „Geht es Ihnen gut? Waren Sie die ganze Nacht da drin?“ Ich stöhnte leise, setzte mich auf (wobei ich das Gesicht verzog) und fasste mir an den Kopf. Ich hatte Kopfschmerzen, und abgesehen davon tat mir jede Faser meines Körpers weh. Warum bloß? Ich warf einen Blick zu Kiyoharu, der auch langsam aufzuwachen schien. Mir war schwindlig, wahrscheinlich vor Hunger. Ich schaute zu dem Kerl, der in der Tür stand und offensichtlich nicht wusste, was er tun sollte. „Haben Sie... irgendwas zu essen?“ „Was? Uhm... klar“, antwortete er und kramte eine Bento-Dose hervor. „Können Sie ruhig behalten, mir schmeckt es sowieso nicht, nur will ich meine Frau nicht enttäuschen...“ Er hielt sie mir hin, ich nahm sie ihm ab und ließ mich dann von ihm hochziehen, half anschließend Kiyoharu auf die Beine. „Danke für das Essen und dass Sie uns da rausgeholt haben“, meinte ich und trat mit wackligen Schritten aus der Kabine, streckte mich erst einmal ausgiebig. Es war, als wäre alles, was im Aufzug vorgefallen war, nur ein Traum gewesen und als würden wir jetzt aufwachen. Aber dass es nicht so war, das spürte ich ganz deutlich. Am Rande bekam ich mit, wie Kiyoharu den Handwerker um etwas zu schreiben bat, während ich die Hälfte des Bentos in mich hineinstopfte. Ich hatte Durst, meine Kehle fühlte sich an wie ausgedörrt, außerdem wollte ich duschen und schlafen und rauchen und SINGEN. Ich reichte Kiyoharu den Rest des Bentos, verabschiedete mich von dem Typen und wollte mich abwenden. „Gara!“ Ich drehte mich noch mal um und nahm den Zettel, den Kiyoharu mir hin hielt, musterte ihn. Er hatte mir seine jetzige Adresse, seine Telefon- und Handynummer sowie das Pseudonym aufgeschrieben, unter dem er als Journalist arbeitete. „Meld dich, ja?“ Auf dem Weg nach draußen kam ich an einem Zigarettenautomaten vorbei. Nachdenklich blieb ich davor stehen. Ich kaufte eine Marke, von der ich vorher bereits gehört, sie aber noch nie probiert hatte. Während ich überlegte, woher ich sie kannte, zündete ich mir eine Zigarette an. Ich trat nach draußen und hätte beinahe mit den Fingern geschnipst, als mir einfiel, dass es Hakueis Marke war. Schmeckte gar nicht mal so schlecht. Als ich nach draußen trat, begrüßten mich warme Sonnenstrahlen. Ein neuer Tag war angebrochen. Mit einem Lächeln auf den Lippen ließ ich die Zigarettenpackung, die ich vorher besessen hatte, zusammen mit Kiyoharus Zettel in einen Papierkorb fallen. Am nächsten Tag begann ich mit den Aufnahmen zu meiner ersten Single. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ noch zwei Kapitel ^^ Fashion#7 --------- Rating: PG-13 A/N: das ist das vorletzte Kapitel, deshalb ist es etwas kürzer ausgefallen als die Gara-Kapitel vorher, aber mir persönlich gefällt es trotzdem ^^ [Note ein paar Wochen später, also jetzt: OMG WAS HAB ICH DA GESCHRIEBEN, ES GEFÄLLT MIR?!?!?!?!?!] [Ja. So bin ich. Schreib was, bin zufrieden, les es und denk mir 'auf was fürm Zeug warst du da?' >_>] Beta’d: und alle gemeinsam... JAAAAAAA! *laola* von wem wohl? ^^ ~★~☆~★~☆~★~ Fünfzehnter Geburtstag – ein Datum, das man feiern musste. Obwohl es ja nicht wirklich ein richtiger Geburtstag war, GLAMOUR ☆ FASHION gab es ja schon länger, aber seit fünfzehn Jahren war Miya der Chef der Zeitschrift und Hyde der Vize. Da beide nicht mehr wussten, wann genau sie GLAMOUR ☆ FASHION übernommen hatten, hatten sie die Feier einfach in den Sommeranfang gelegt – zu einer Zeit, in der es weder kühl noch heiß war, sondern angenehm warm. Obwohl ich bereits vor mehr als zwei Jahren ausgestiegen war und ins Musikgeschäft gewechselt hatte, war ich trotzdem eingeladen worden. Aber so verwunderlich war das eigentlich nicht, es waren fast alle eingeladen, die jemals für die Zeitschrift gearbeitet hatten und berühmter als ein C-Model geworden waren. Die Feier fand im Freien statt, unter blühenden Kirschbäumen. Die Stimmung hätte nicht besser sein können. Ich traf viele Leute wieder, die ich länger nicht mehr gesehen hatte, zum Beispiel Jui, Hiroto und Hazuki, nur um einige zu nennen. „Bist du sicher, dass du so viel verträgst?“, fragte Kirito, als Hazuki einen Schluck Bier trinken wollte. Der hielt mitten in der Bewegung inne und musterte den anderen finster. „Ich frage mich, was ich hier eigentlich tue“, knurrte er leise. „Du hast schon genug getrunken, finde ich, wenn du besoffen bist, dann bist du zu nichts mehr zu gebrauchen“, erwiderte Kirito ernst. Hazuki hob eine Augenbraue. „Nicht, dass du dich um mein Wohlergehen kümmern würdest, nein...“ Kirito grinste nur, schnappte ihm das Bier weg und trank selbst aus der Flasche. „Bist du sicher, dass DU so viel verträgst?“, warf Hazuki ein. „Wenn DU blau bist, dann wirst du nämlich ziemlich versaut.“ „Echt?“ Kirito runzelte nachdenklich die Stirn. „Oh ja“, nickte ich. „Erinnerst du dich nicht daran, dass du mal verlangt hast, dass wir dich einen... wie sollten wir ihn noch mal nennen?“, wollte ich von Hazuki wissen. Der flüsterte Kirito ins Ohr, was ich meinte, und lächelte, als dieser große Augen machte. „Was? DAS hab ich gesagt?“ „Nachdem wir dich vom Tisch wieder runtergekriegt hatten“, bestätigte ich. „Warum erzählst du mir so was nicht?!“, regte Kirito sich auf und knuffte Hazuki in die Seite. „Weil es viel amüsanter ist, gewisse Andeutungen fallen lassen zu können, ohne dass du weißt, worum es geht“, gab der grinsend zurück. „Ich sag nur Silbertablett“, merkte ich an, woraufhin Hazuki lachen musste. Kirito sah zwischen uns beiden hin und her, sichtlich entrüstet. „Was für ein Silbertablett??“ „Erklär du’s ihm“, meinte ich zu Hazuki, der schmunzeln musste, Kirito einen Arm um die Taille legte und ihn mit sich zog. „Mal ehrlich – sind die beiden nicht süß?“, murmelte Yasu, der neben mich getreten war. Ich lächelte. „Sie wären noch viel süßer, wenn sie endlich offiziell zusammen wären“, wandte ich ein. „Das stimmt“, gab er zu. „Sie betonen zwar immer, dass es nichts Festes sei, aber man merkt deutlich, dass sie nur umeinander herum tänzeln und darauf warten, dass der andere den ersten Schritt macht.“ „Apropos erster Schritt...“ Erwartungsvoll sah ich ihn an. Yasu schnitt eine Grimasse. „Ich frag sie heute. Das hab ich mir vorgenommen, nach der Feier fang ich sie ab und frag sie. Ich weiß aber nicht, wie ich sie nennen soll, Tsuchiya-san ist zu formell, Anna-san wahrscheinlich auch, aber Anna-chan werde ich sie auf keinen Fall nennen...“ „Mach, wie’s dir in den Sinn kommt“, ich zuckte die Schultern. „Ich bin sicher, beißen wird sie dich deshalb nicht.“ „Na ja... ich meine nur, bei Sachiko hatte ich auch kein Glück...“ „Ach, das kannst du doch nicht vergleichen“, winkte ich ab. „Die war da doch schon in Kirito verknallt. Aber Anna ist im Moment vollkommen frei, das hat Sachiko doch auch gesagt.“ „Ich höre meinen Namen?“ Wie bestellt tauchte die Journalistin neben uns auf und schenkte uns ein strahlendes Lächeln. „Schön, euch beide wiederzusehen, wie geht’s euch?“ „Kann nicht klagen“, antwortete ich ebenfalls lächelnd und drückte sie zur Begrüßung kurz an mich. „Könnte besser sein“, meinte Yasu und schürzte die Lippen. Sachiko sah ihn fragend an, aber er sprach die Frage nicht aus, die ihm wahrscheinlich auf der Zunge brannte. Also erledigte ich das für ihn. „Sag mal, ich hab gehört, dass Anna einen Neuen haben soll“, begann ich so unauffällig wie möglich. „Stimmt das?“ Sachiko runzelte die Stirn. „Soweit ICH das weiß, hat sie zwar einige Verehrer, ist allerdings an keinem interessiert. Warum?“ Ich schaute zu Yasu und sie folgte meinem Blick. „Oh! Hat sich da jemand in sie verguckt?“ Sie musste grinsen. „An deiner Stelle würde ich es wenigstens versuchen, sie scheint von dir nicht GANZ so abgeneigt zu sein, sie meinte zumindest, dass du nicht so schwul wärst wie die anderen.“ Sie zwinkerte mir zu und ich streckte ihr die Zunge raus. Yasu, dem das Thema sichtlich unangenehm war, wechselte es, als sich die Gelegenheit ergab. „Wie läuft’s denn zur Zeit bei dir?“ „Mit Miya?“ Er nickte, und Sachiko strahlte wieder übers ganze Gesicht. „In letzter Zeit hab ich ihn ein wenig selten gesehen wegen der ganzen Vorbereitungen zu der Feier, aber er hat mir versprochen, dass er das alles mit einer Woche Europa wieder gut macht.“ Sie wirkte, als würde sie gleich auf und ab hüpfen. „Ich werde Paris sehen! Und Rom, und vielleicht auch Venedig, und Berlin auf jeden Fall!“ Sie seufzte leise und glücklich. „Entschuldigt, ich sollte nicht so angeben damit. Was ist eigentlich mit dir?“ Jetzt blickte sie mich an. „Ich hab gehört, dass es schon eine Weile her ist, seitdem du das letzte Mal einen Freund hattest...“ Nachdenklich zuckte ich die Achseln. „Keine Zeit, glaube ich.“ „Was ist DAS denn für eine Ausrede?“, meinte sie entrüstet. „Für so was hat man IMMER Zeit!“ „Ich verbringe meine Zeit lieber mit Singen oder mit meinen Freunden“, lächelte ich beinahe entschuldigend. „Hast du keinen Druck oder so was?“, wollte sie wissen. Ich musste lachen. „Das möchte ich mit dir nicht ausdiskutieren, zumindest nicht jetzt“, erwiderte ich grinsend. „Wenn man genug Freunde hat, die bereit sind, einem einen Gefallen zu tun...“, murmelte Yasu mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck. Sachiko musterte uns befremdet. „Hör nicht auf ihn“, beschwichtigte ich sie. „Oh, jetzt fällt mir auch ein, was ich wollte“, erinnerte Sachiko sich plötzlich. „Hakuei und Rose sind vor...“ Sie warf einen Blick auf die Uhr. „....Etlichen Minuten auf die Toilette verschwunden, und jetzt find ich sie nicht mehr, aber ich wollte sie eigentlich fragen, ob sie noch was trinken wollen, es gibt nämlich nicht mehr so viel, und bis was Neues geliefert wird, dauert es noch etwas. Könnte einer von euch mal kurz nachschauen gehen?“ Yasu und ich tauschten einen Blick. „Ich gehe“, meinte ich und er nickte sofort, sichtlich erleichtert. Ich ließ mir noch sagen, wo ich die Toiletten finden konnte, und stapfte dann los. Auf dem Weg dorthin sah ich Hyde und winkte kurz. Er bemerkte mich erst nicht, nickte mir dann aber zu. Er hatte sich nicht gut von Kiyoharu lösen können – er trauerte ihm zwar nicht mehr hinterher, aber er hatte sich sehr in sich zurückgezogen. In seinem Job war er weiterhin so gut wie vorher, aber er ließ niemanden mehr so richtig an sich heran. Eigentlich schade – wenn er wollte, dann konnte er auch ganz nett sein. Ich betrat die Toiletten, die den Ansprüchen der Gäste entsprach. Hieß: Sehr sauber, sehr groß und sehr hell. Mit verschränkten Armen lehnte ich mich an die Wand neben der Tür und ließ diese hinter mir zufallen. „Lasst euch von mir nicht stören“, meinte ich amüsiert. Als Antwort ertönte aus der Kabine vor mir ein Stöhnen von Rose, das er merklich zu unterdrücken versuchte. „Haku, jetzt hör mal kurz auf!“, fauchte er leise. „Was ist denn?“, murrte Hakuei und allein sein Tonfall verriet, dass er am liebsten noch ein ‚Nervensäge’ hintendran gehängt hätte. „Ich soll euch von Sachiko fragen, ob ihr noch was trinken wollt“, antwortete ich lächelnd. „Sie hat euch bereits gesucht und scheint langsam misstrauisch zu werden.“ „Für mich gerade nichts, danke“, gab Hakuei zurück. „Rose?“ Der Blonde schwieg einen Moment. Ob sein Mund gerade anderweitig beschäftigt war oder er nachdachte, wusste ich nicht. „Ich möchte nur noch eine... ahh... Cola“, erwiderte er mit brüchiger Stimme. „Ich geb’s weiter“, bemerkte ich grinsend. „Ach ja, und wenn ich ihr wäre, dann würde ich mir noch eine Ausrede einfallen lassen für Sachiko. Sonst hält sie euch noch für Perverse.“ „Was wäre daran so schlimm?“, murmelte Hakuei. „Sie ist Journalistin“, erwiderte ich achselzuckend, obwohl es die beiden sowieso nicht sehen konnten. „Aber jetzt lasst euch nicht weiter stören, ja?“ Ich verließ die Toiletten wieder, noch immer ein Lächeln auf den Lippen, und wäre beinahe in Toshiya hineingerannt. „An deiner Stelle würde ich noch ein paar Minuten waren“, bemerkte ich. Er sah mich fragend an. „Warum?“ „Hakuei und Rose“, antwortete ich. Toshiya musste grinsen und umarmte mich für einen Moment. „Wir haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen, wie geht’s, was macht deine Karriere als Sänger?“ „Geht stetig bergauf“, nickte ich lächelnd. „So gut?“ „Nein, so schlecht, dass es nur noch besser werden KANN“, grinste ich. „Ach, komm, ich hab mir mal was von dir angehört, klang schon gar nicht schlecht“, winkte er ab. „Verbesserungsbedürftig ist es trotzdem noch.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Und wie läuft’s bei dir? Warum haben Jui und du euch eigentlich so schnell wieder getrennt?“ „Weißt du, erst lief’s total gut, so von wegen Wiedersehensfreude und da wusste er ja endlich, wie diese ganzen Lügen damals zustande gekommen sind, kein Problem, aber er hat nach kurzer Zeit gemerkt, dass ich mich ziemlich verändert hatte.“ Er dachte kurz nach. „Und dann haben wir uns in gegenseitigem Einverständnis, ohne Streit und ganz friedlich voneinander getrennt, weil er nicht mit einer Schlampe zusammen sein wollte, wie er es ausgedrückt hat.“ „Schlampe?“, wiederholte ich. „Das klingt nicht sonderlich friedlich.“ Jetzt grinste Toshiya. „Hey, ich bin eine, deshalb hab ich mich da nicht drüber aufgeregt. Außerdem wollte er rund um die Uhr von mir hören, dass und wie sehr ich ihn liebe, und auf Dauer geht einem das schon auf den Keks. Aber bei mir ist so weit alles okay, auch, wenn ich mich teilweise etwas einsam fühle.“ Er betrachtete mich interessiert. „Apropos...“ Lächelnd schüttelte ich den Kopf. „Keine Chance, Toshiya, entschuldige.“ „Oh, hast du jemanden gefunden, dem du treu bleiben wirst?“, fragte er. Ich nickte. „Ja, habe ich. Mich selbst.“ Er hob die Augenbrauen. „Hm. Aber wenn du narzisstisches Etwas mal wieder Gesellschaft brauchst...“ „Trotzdem danke für das Angebot“, lächelte ich. Dann ging ich zurück zu Sachiko, Yasu und Miya. „Und? Hast du sie gefunden?“, wollte Sachiko von mir wissen. „Hakuei möchte nichts und Rose eine ahh-Cola“, machte ich den Blonden nach. Sachiko Augen wurden groß. „Die treiben es gerade nicht wirklich auf dem Klo, oder?“, flüsterte sie entgeistert. Ich lachte leise. „Nein, keine Sorge. Sie müssen sich nur noch schminken“, beruhigte ich sie. Yasu und Miya hoben gleichzeitig zweifelnd eine Augenbraue. „Na ja, so was hätte ich ihnen auch nicht zugetraut...“, überlegte Sachiko. Miya wandte sich ab, damit sie sein Grinsen nicht sah, aber sie bemerkte es trotzdem. „Was ist denn?“, fragte sie neugierig. „Gar nichts, Schatz“, versicherte er ihr schnell und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Was weiß ich denn, was er von ihm will!“, hörte ich hinter mir Kirito und drehte mich um. „Er hat ja nichts gesagt!“ „Nur, dass er ausgerechnet GARA sprechen will?“, gab Hazuki skeptisch zurück. „Was?“, wollte ich wissen. Kirito ignorierte mich und führte seine Auseinandersetzung mit Hazuki fort. „Ja, was kann ich denn dafür, wenn er sich ausgerechnet MICH schnappt und mir komische Anweisungen gibt, ich hab doch auch keine Ahnung, warum er hier überhaupt aufgetaucht ist, eingeladen hab ich ihn bestimmt nicht!“ „Und sonst hat er wirklich nichts gesagt, warum er hier ist, was er von ihm will-“ „Das hab ich dir doch gerade erklärt!“, unterbrach Kirito ihn genervt. „Er hat mir nur gesagt, dass ich Gara holen soll, und wenn’s geht so schnell wie möglich, und dass ich nicht überall herumerzählen soll, dass er da ist, weil er nur mit IHM sprechen will!“ „Fauch mich doch nicht gleich so an, ich fand es nur ein bisschen seltsam, dass-“ Wieder konnte Hazuki nicht zuende reden. „Ich fauch dich überhaupt nicht an, aber du glaubst mir ja nicht!“ „Und OB du mich anfauchst“, widersprach Hazuki, jetzt selbst verärgert. Kirito wandte sich an mich. „Ich fauch ihn doch nicht an, oder??“ Ich sah zwischen den beiden hin und her. „Uhm...“, machte ich. „Kann es sein, dass du immer noch nicht ganz über die Sache damals hinweg bist?“, meinte Hazuki unvermittelt. „So aggressiv wirst du nämlich wirklich normalerweise nur, wenn die Sprache auf ihn kommt.“ „Das stimmt überhaupt gar nicht!“, verteidigte Kirito sich heftig. „Er ist mir so was von egal, das glaubst du nicht!“ „Nein, das glaube ich wirklich nicht, und du solltest demnächst auf deine Zunge acht geben, ansonsten könnte es möglich sein, dass ich dich werde bestrafen müssen“, knurrte Hazuki ungehalten. „Bestrafen?“ Kirito verdrehte die Augen. „Das mit der Schokosoße war ja wohl keine richtige Bestrafung, also bitte...“ „Ich meine auch nicht das mit der Schokosoße, sondern das mit den Handschellen“, berichtigte Hazuki ihn leise. Kirito zögerte merklich, und ich nutzte die entstandene kurze Pause. „Wo ist er?“, wollte ich schnell wissen. „Da lang“, antwortete Hazuki, ehe Kirito die Chance bekam, noch etwas zu sagen. „Bis zur Straße, und dann rechts. Und du, mein Kleiner, solltest wirklich ein bisschen auf deine Sprache achten....“ Ich bedankte mich knapp und sagte Yasu, Sachiko und Miya kurz Bescheid, dann überquerte ich den großen und gut gefüllten Platz, bog an der Straße in die angegebene Richtung ab. Er saß auf einer Bank, hatte den Blick nach vorne gerichtet und rauchte. Ich ließ mich neben ihn sinken. „Was machst du hier?“, fragte ich irgendwann, die Stille als zu unangenehm empfindend. „Dich fragen, warum du deine zwei Versprechen nicht eingelöst hast“, murmelte Kiyoharu und schaute mich von der Seite an. „Welche sollten das gewesen sein?“ „Dass ich dich interviewen darf...“ „Da war die Bedingung, dass ich Erfolg habe“, wandte ich ein. „Viele haben deine CDs gekauft, du hast noch mehr Fans gewonnen“, widersprach er. „Und mindestens genauso viele verloren, außerdem hab ich es nicht mal in die Charts geschafft.“ „Das ist kein Kriterium.“ Ich seufzte leise. „Und welches sollte das andere Versprechen gewesen sein?“ „Dass du dich bei mir meldest.“ Jetzt erwiderte ich seinen Blick. „Das habe ich dir nicht versprochen, und das weißt du.“ Er schwieg einen Moment. „Du hättest dich trotzdem bei mir melden können.“ Ich lachte bitter. „Warum? Um über die guten alten Zeiten zu reden?“ „Diese eine Nacht kann dir doch unmöglich nichts bedeutet haben!“, meinte er jetzt beinahe hilflos und drehte sich zu mir. „Ach, weiß du, wie oft ich mir gedacht habe, dass dir unsere gesamte Beziehung nicht nichts bedeutet haben kann?“, seufzte ich. „Sie HAT mir etwas bedeutet!“, protestierte er. Ich hob die Brauen. „Wirklich? Umso besser. Dann hat es dir wenigstens auch ein bisschen weh getan, von mir getrennt zu sein.“ Er atmete einmal tief durch. „Wie kannst du jetzt so kalt mit mir sprechen?“ „Wie könnte ich nicht?“, fragte ich lächelnd. „In dieser Nacht habe ich mich entschuldigt, Gara, ich habe mich bei dir entschuldigt. Ich habe dir mehr über mich erzählt als je einem anderen, ich habe mich dir vollkommen geöffnet. Und wir haben miteinander geschlafen, das kannst du doch auch nicht vergessen, du hast es genossen....“, versuchte er weiterhin, mich davon zu überzeugen, dass es unangemessen war, wie ich mit ihm umging. Ich betrachtete ihn einen Moment. „Weißt du jetzt ungefähr, wie es ist, verarscht zu werden?“, wollte ich wissen. „Kannst du dir jetzt vorstellen, wie es ist, jemandem seinen Körper und seine Seele zu schenken und dabei zusehen zu müssen, wie dieser beides wegwirft und darüber lacht?“ Seine Gesichtszüge entgleisten. „Du hast mich.....“ „In dieser besagten Nacht habe ich dich nicht verarscht, nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Halb wünsche ich mir, ich hätte es, aber das wäre dir gegenüber nicht fair gewesen, weil du mir ja all diese Sachen über dich erzählt hast – obwohl das ja nicht zwangsläufig nach sich zieht, dass ich sanfter mit dir umgehen muss. Nur, weil du mir Dinge über dich erzählst, die sonst keiner weiß, gehe ich keine Verpflichtungen ein oder muss Kindermädchen für dich spielen. Nein, in dieser Nacht habe ich deine Gesellschaft wirklich genossen, ich glaub, ich habe mir sogar eingebildet, dass es mit uns ja vielleicht doch noch etwas werden könnte...“ „Kann es!“, bestätigte er auf der Stelle. „...aber dann, am Morgen, als ich aufgewacht bin, ist mir bewusst geworden, dass das Ganze wie ein Traum gewesen war, eine Utopie. Wir können niemals glücklich werden, ich kann niemals mit dir glücklich werden. Ich wünsche es mir irgendwo, selbst heute noch, aber ich weiß, dass es nicht geht. Nicht, seitdem du mein Vertrauen und mich selbst so missbraucht hast. Und kaum waren wir aus dem Aufzug draußen, da fiel mir auf, dass ich dich nicht brauche. Im Lift habe ich dich gebraucht, da hatte ich keinen anderen, aber in dieser Welt, der Realität, habe ich viele andere, die mir mehr bedeuten als du, die ich eher brauche und auf die ich mich verlassen kann. Das klingt vielleicht ein wenig abstrakt, aber die Sache im Aufzug war für mich abgeschlossen, als sich die Türen geöffnet hatten.“ Ich legte den Kopf etwas in den Nacken. „Und dieses Mal ist es endgültig, nicht wie nach dem Tag X. Da habe ich immer noch an dir gehangen, wahrscheinlich bist du deshalb ausgerechnet zu mir gegangen und nicht zu Jui oder Kirito oder Hiroto. Weil du wusstest, dass du mich noch kriegen könntest, Jui hatte Toshiya, Kirito würde sich jemand anderes suchen, Hiroto wollte sich nur hochschlafen... Aber ich, ich wollte dich noch immer.“ „Das stimmt nicht“, sagte er leise. Ich sah ihn an, und er schüttelte den Kopf. „Das stimmt wirklich nicht. Glaubst du, dass ich dir das alles erzählt habe, damit ich dich ins Bett kriege?“ Ich zögerte. „Du hast mir mehr bedeutet als Kirito, als Jui, als Hiroto, als all die anderen. Du hast mir wirklich mehr bedeutet“, betonte er nachdrücklich. „Falls du dich daran erinnerst, ich habe dir gesagt, dass ich keine dominanten Männer mag. Und wenn du es noch weißt, waren alle, mit denen ich zusammen war, mehr oder weniger unterwürfige Ukes.“ „Hakuei?“, fragte ich zweifelnd. „Damals schon“, nickte er. „Auch bei dir?“ „Selbst bei mir, ja. Und falls du noch zurückdenken kannst, dann wirst du dich daran erinnern, dass ich von Zeit zu Zeit unsere Positionen getauscht habe.“ Langsam nickte ich. Das stimmte. Ich war nicht immer der Uke gewesen, wenn auch die meiste Zeit. „Glaubst du, dass ich das auch anderen erlaubt hätte?“ „Das kann ich nicht beurteilen, ich habe mich mit den anderen nicht über den Sex mit dir unterhalten“, gab ich säuerlich zurück. „Ich kann es dir sagen: Nein, habe ich nicht.“ Er wirkte ernst. „Gara, du warst etwas Besonderes für mich, ob du es glaubst oder nicht. Du warst mehr als nur irgendeine kleine Affäre für zwischendurch.“ „Gut zu wissen“, gab ich zurück. Er blickte mich einen Moment schweigend an. „Gara, ich weiß auch nicht, woran es lag, aber seit dem Tag, an dem ich dich das erste Mal gesehen habe, sind meine Gefühle ständig für dich gewachsen.“ „Hmm...“ Ich hob einen Arm und zeichnete mit dem Finger eine Linie, die langsam anstieg, in die Luft. „So war es für mich am Anfang, als ich dich kennen gelernt habe. Ich hab mich gefragt, was du von mir wolltest und dass ich unmöglich Model werden könnte, aber trotzdem war ich dir dankbar für alles, was du für mich getan hast, und außerdem warst du unheimlich nett und freundlich.“ Die Linie wurde steiler. „Dann hab ich mich langsam, aber sicher in dich verliebt, und du hast mir dabei geholfen, das zu realisieren. Nach deiner Geburtstagsfeier schließlich sind wir halb zusammengekommen, und an Neujahr schließlich ganz.“ Mittlerweile hatte ich meinen Arm ganz nach oben ausgestreckt, sodass ich beinahe aufstehen musste, um die Kurve sachgemäß weiterzeichnen zu können. „Und dabei frage ich mich, ob du die Tage ganz zufällig ausgewählt hast, oder extra, damit du dir keine zusätzlichen Daten merken musstest. Aber egal. Dann ging es immer mal wieder bergauf und –ab, wie das nun mal so ist...“ Ich malte einige kleine Wellen. „...und dann hab ich erfahren, dass du auch mit Kirito zusammen warst und Yasu bedroht hast...“ Ich machte einen drastischen Strich nach unten, den ich langsam fortführte, während ich weiterredete. „...dann kam der Tag X, an dem mir aufgegangen ist, dass du auch eine erbärmliche Seite an dir hast... und dann hab ich dich für eine Zeit vergessen. Oder verdrängt? Ich weiß es nicht.“ Ich führte die Linie jetzt als Gerade, parallel zum Boden, weiter. „Dann kam die eine Nacht im Aufzug, aber schon am nächsten Morgen ging mir auf, dass es alles nicht real werden konnte...“ Ich malte eine Art kleinen Berg und ließ meinen Arm dann wieder sinken. „Und seitdem bist du mir egal.“ Ich sah ihn an. „Und du willst mir sagen, dass deine Linie konstant ansteigt?“, wollte ich wissen. Kiyoharu senkte den Blick und wandte den Kopf ab. „Ich...“ „Sieh mich an, wenn du mit mir redest.“ „Wie kannst du so gefühlskalt sein?!“, fuhr er mich aufgebracht an. „Wie kannst du so mit mir reden...?“ „Ganz einfach – ich kann so mit dir umgehen, weil du mir nichts mehr bedeutest“, antwortete ich auf der Stelle, dann neigte ich nachdenklich den Kopf zur Seite. „Weißt du, es gibt viele Leute, die sagen, dass Hass das Gegenteil von Liebe ist, da man, wenn man jemanden liebt, die höchsten positiven Gefühle entgegenbringt, und bei Hass sind es die tiefsten negativen. Es gibt aber auch viele Leute, die der Ansicht sind, dass Gleichgültigkeit das Gegenteil von Liebe wie von Hass ist. Wenn man jemanden liebt, dann schenkt man dieser Person alle Gefühle, die man hat, aber derjenige, der einem egal ist, bekommt nicht eins.“ „Red nicht so mit mir“, bat er leise. „Warum kannst du mir nicht verzeihen? Warum kannst du mir nicht einfach verzeihen? Ich habe genug bereut, ich habe mich selbst gequält, indem ich mich jeden einzelnen Tag an alles erinnert habe, ich habe mich entschuldigt, ich habe versucht, es wieder gutzumachen, ich habe dir von mir erzählt, ich habe mich dir geöffnet, ich habe dich an mich herangelassen, näher als jeden anderen... warum kannst du mir nicht vergeben? Mehr erwarte, mehr möchte ich überhaupt nicht von dir! Nur, dass du mir verzeihst....“ Sein Flehen wurde eindringlicher. „Ich könnte dir vielleicht verzeihen“, meinte ich nach einer Weile Schweigen. „Ja, vielleicht könnte ich dir wirklich verzeihen... zumindest das, was du mir angetan hast. Aber solange die Wunden der anderen noch nicht verheilt sind, kannst du nichts von mir erwarten.“ „Weißt du, wie sehr ich mir wünsche, dass ich dich in irgendeinem anderen Leben getroffen hätte...?“, wisperte er kaum hörbar. „Weißt du, wie sehr ich mir wünsche, dass wir uns einfach ganz normal ineinander hätten verlieben können, zusammen kommen, glücklich sein können, ohne meine gesamte Vergangenheit, ohne...“ Er brach ab. Ich schaute zu ihm. Er erwiderte meinen Blick nicht, sondern starrte geradeaus. Ihm liefen bereits Tränen über die Wangen. Er hatte mir gesagt, dass er sich nur einmal in seinem gesamten Leben richtig aufgeregt hatte, und das sei bei Mirai gewesen. Ich versuchte, mich in seine damalige Lage zu versetzen. Er war mit einer Frau verheiratet, die ihn an seine große Schwester erinnerte, die als Kind von ihrem Vater missbraucht wurde. Er liebte diese Frau wirklich, aber dann kehrten die Gefühle zurück, die er versucht hatte zu unterdrücken, die Gefühle, die er bei dem Jugendfreund seiner Mutter verspürt hatte... Er wusste selbst nicht mehr, was er wollte, wollte er die Frau, die er liebte, oder wollte er sich seinen Neigungen hingeben? Irgendwann hatten diese überwogen und er stritt sich mit Mirai. Er hatte sich wahrscheinlich gedacht, dass sie ihn nicht verstand, dass sie nicht wusste, in was für einer Lage er war, dass sie überhaupt nichts über ihn wusste, und gleichzeitig fühlte er sich unsicher, von sich selbst unter Druck gesetzt, weil er eine gewisse Zuneigung für Hakuei entwickelt hatte, die er so eigentlich nicht wollte. Und sie sah nur den Mann, der ihr versprochen hatte, sie glücklich zu machen, der sie vernachlässigte und bei anderen Männern Trost suchte, einen anderen Mann, als den, den sie geheiratet hatte, obwohl er unter der Oberfläche immer derselbe geblieben war. „Es tut mir leid“, murmelte ich. „Ich kann dir nicht helfen. Bitte behellige mich in Zukunft nicht mehr, ich will nichts mehr von dir wissen.“ Er erwiderte nichts, sondern vergrub nur das Gesicht in den Händen. Ich stand auf und ging den Weg zurück, den ich gekommen war. Als ich um die Ecke bog, blieb ich stehen und zwang mich, ruhig weiterzuatmen. Jemand zog mich in seine Arme und drückte mich fest an sich, und jemand anderes strich mir beruhigend übers Haar, über den Rücken, sagte mir, dass alles okay sei, küsste mir vorsichtig die Tränen weg. Und ich krallte mich in Hakueis Shirt, mein Inneres zog sich zusammen, ich bekam fast keine Luft, wie damals in dem Aufzug... „Hab ich das Richtige getan?“, flüsterte ich hilflos. „Sagt, hab ich das Richtige getan...?“ Weder Hakuei noch Rose gaben mir eine Antwort. ~★~☆~★~☆~★~ tbc~ aber nur noch ein Kapitel ^____^; an alle, denen ich es noch nicht gewünscht habe: Merry Christmas! Das letzte Kapitel kommt noch in diesem Jahr! *versprech* Glamour #5 ---------- Rating: G A/N: Ich überlasse es jedem einzelnen, dieses Kapitel zu interpretieren. Beta’d: WHUEY natürlich von der unvergleichlichen TATTOO! 33 ~★~☆~★~☆~★~ Als ich den Raum betrete, der bereits gefüllt ist von erwartungsvollen Gesichtern, verfügbaren Zetteln und Stiften, ausgerichteten Kameras und Fotoapparaten, von Hyänen, Interessierten, Mitfühlenden, Gleichgültigen, Sensationssuchenden, von Abneigung bis Hass, Zuneigung, Neugier, Unwillen, Anteilnahme, Schadenfreude, merke ich, wie mir zum ersten Mal in den letzten Jahren wieder mulmig wird. Alle sind sie gekommen, und noch mehr, alle sehen mich aufmerksam an, die einen mehr, die anderen weniger. Die Kameras blitzen, als ich zu dem leicht erhöhten Podest gehe, den Blick suchend in die Menge der Journalisten gerichtet, um nachzuprüfen, ob auch alle da sind, die mir versprochen hatten zu kommen, ich werde mit den Videokameras verfolgt, während ich mich auf den bereitgestellten Stuhl setze. Ich sitze alleine da, wie ein Angeklagter vor dem Gericht, was ich in den letzten Jahren bereits zu oft erleben durfte. Ich wurde mehrere Male wegen Plagiaten verklagt, wegen der Sache mit Toshiya, ob es nun Verleumdung oder so etwas war, weiß ich gar nicht mehr, wegen meiner Drohungen Yasu gegenüber, aber das waren alles nur Peanuts im Vergleich zu dem, wessen ich mich selbst angeklagt habe, jeden Tag, jede einzelne Minute. Seit dem Tag X. Schon irgendwie ironisch, geht es mir durch den Kopf, dass besagter Tag dieselbe Variable hat wie ich für Gara. Tag X und Person X..... Obwohl er es abgestritten hat, dass man mich hätte beliebig austauschen können. Ich glaube noch heute, dass man mich durch jemand anderen, der nett und hübsch war, hätte ersetzen können, und Gara hätte sich in ihn verliebt. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Er hat sich in MICH verliebt, nicht in jemand anderes. Ich konzentriere mich wieder auf das, was vor mir liegt, auch wenn mir das schwer fällt. Ich habe die Nacht nicht geschlafen, bin immer wieder das durchgegangen, was ich jetzt gleich sagen würde, hatte es immer wieder, in einer Endlosschleife, wiederholt. Ich darf nichts vergessen, ich darf nichts auslassen, ich muss alles sagen, was ich zu sagen habe, ansonsten würde es nicht wirken. Und darauf kommt es an. Kurz teste ich, ob das Mikro vor mir funktioniert, und bin erleichtert, als es das tut. Das hätte ich jetzt am allerwenigsten gebrauchen können – ein kaputtes Mikrofon. Denn dann hätte ich eine Ausrede, das Ganze noch um etwas zu verschieben, wie ich es mit allem tue heutzutage, ich komme zu nichts mehr. „Erst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie alle erschienen sind, obwohl Sie noch nicht wirklich wissen, worum es gehen wird“, beginne ich mit fester Stimme und nicke meinem Publikum zu. Einige lächeln und nicken zurück, andere starren mich nur weiterhin mit unveränderter Miene an. „Das macht es für mich ein wenig einfacher... und vielleicht in anderer Hinsicht schwerer.“ Ich atme einmal tief durch und fange dann mit meinem eigentlichen Anliegen an. „Einige von Ihnen werden sich vielleicht noch an meinen damaligen Skandal, vor fast zwei Jahrzehnten, erinnern. Er wurde nicht ganz so groß gehandhabt, da weder ich noch die Betreffenden damals so berühmt gewesen waren, als dass es sich gelohnt hätte, das Ganze auszuschlachten. Ich denke nicht gerne daran zurück. Und noch mehr schmerzt es, wenn ich an die jüngsten Ereignisse denke. Vor einigen Jahren habe ich vielen Menschen weh getan, die mir nahe standen, die mir viel bedeuteten und denen ich viel bedeutete, ich habe sie ungeachtet ihrer Gefühle ausgenutzt.“ Ein Reporter meldet sich. Ich halte inne und sehe ihn an. „Wen genau meinen Sie damit?“, ruft er laut, für alle im Saal hörbar. „Ich meine damit die Models Jui, Kirito und Gara sowie den jetzigen Vize-Chefredakteur von GLAMOUR ☆ FASHION, Hyde“, antworte ich zögernd. Er hat mich in meinem Redefluss unterbrochen, ich habe Mühe, meinen roten Faden wiederzufinden. Eine Frau am Rand der versammelten Journalisten macht mich auf sie aufmerksam, indem sie mir zuwinkt, ich schaue zu ihr und sie lächelt mich an, malt ein Zeichen in die Luft. Ich verkneife es mir, ihr irgendwie zu danken, das kann ich hinterher noch machen. Ich möchte jetzt in dem Moment nicht unprofessionell erscheinen. „Aber ich denke, das ist Ihnen allen noch bewusst, vor allem, da der gesamte Skandal auch noch mit anderen verbunden war, wie etwa der um Toshiya und Jui, deshalb muss ich ihn nicht noch zusammenfassen. Weshalb ich Sie eigentlich hergebeten habe – ich möchte mich entschuldigen. Ich möchte mich öffentlich entschuldigen.“ Ein Raunen erhebt sich in dem großen Raum, einige Journalisten runzeln die Stirn, andere hob zweifelnd die Augenbrauen, wieder andere schreiben eifrig mit. „Und zwar nicht nur bei den eben genannten, sondern auch bei denen, die damals betroffen waren – Hakuei, Atsushi, Kei, Mizuki und natürlich meine Ex-Frau Mirai. Ich habe sie alle durch mein mehr als egoistisches und selbstsüchtiges Verhalten verletzt, unnötig verletzt, und ich habe mich nie wirklich bei ihnen dafür entschuldigt. Keiner von ihnen hat mir bis heute verziehen, und ich muss sagen, dass ich das nachvollziehen kann.“ Ich werfe wieder einen kurzen Blick zu der Frau, die mir ein weiteres ermunterndes Lächeln schenkt und zufrieden nickt. „Es gibt natürlich keine Entschuldigung, die das, was ich getan habe, verzeihlich machen könnte, in absolut keinster Weise. Das ist mir bewusst, und trotzdem möchte ich öffentlich bekunden, dass ich seit einigen Jahren jeden Tag aufs Neue bereue. Ich möchte lediglich öffentlich zeigen, dass ich kein gefühlskaltes Wesen bin, und deutlich machen, dass ich jeden verstehen kann, den ich verletzt habe und der mir deshalb bis heute nicht vergeben kann. Allerdings bitte ich auch alle Betroffenen um Verzeihung. Ich erwarte nicht von ihnen, dass sie mir vergeben, aber ich wäre natürlich über alle Maßen erleichtert, wenn sie es könnten.“ Erneut mischt sich ein Journalist ungefragt ein: „Sie haben sich schon vor ein paar Jahren öffentlich entschuldigt, warum tun Sie es heute erneut?“ Beinahe habe ich auf diese Frage gewartet. Ich kann ein schwaches Lächeln nicht zurückhalten. „Um zu zeigen, wie ernst es mir ist. Dass ich es wirklich genau so meine, wie ich es sage, dass das Ganze von Herzen kommt. Dass ich es keine einzelne Minute vergessen habe. Dass ich es nicht vergessen konnte.“ Ich lege die Hände auf den Tisch und verbeuge mich so tief ich kann. Eine Weile verharre ich so, dann richte ich mich wieder auf und wende mich dann an den gesamten Saal. Etliche Hände werden in die Luft gestreckt, verwirrte, unüberzeugte, zufriedene Gesichtsausdrücke befinden sich vor mir. Ich beantworte alle Fragen geduldig, so weit meine Privatsphäre und die der anderen es zulässt, ich lasse mich auf jeden ein, ich öffne mich ihnen. Ich habe zwar Übung im Umgang mit der Presse, allerdings habe ich solch eine Presseversammlung noch nie erlebt. „Liebten Sie eigentlich irgendjemanden, mit dem Sie zusammen waren, wirklich?“ Es wird still im Saal, ich schweige einen Moment. „Ich habe sie alle geliebt, weil sie alle in ihrer Art einzigartig und vollkommen sind. Ich mag mich nicht danach verhalten haben, aber ich habe ohne Ausnahme jeden geliebt, weil sie mein Leben ausmachten“, erwidere ich leise und senke kurz meinen Blick. „Aber es gibt eine Person, die ich noch ansprechen wollte. Diese Person hat... sie war immer etwas Besonderes für mich. Für sie habe ich mehr empfunden als für die anderen, und sie hat auch mehr für mich empfunden – hatte ich den Eindruck. Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, ihm endlich zu zeigen, wie aufrichtig ich es meine, da er mir vorher nie geglaubt hat. Es gibt einen Menschen auf dieser Welt, dem ich wirklich, ehrlich und mit ganzem Herzen ‚ich liebe dich’ sagen kann. Und diesem Menschen muss ich es auf diese Weise mitteilen.“ Ich mache eine lange Pause, die merklich mit Spannung gefüllt ist. Will ich das hier wirklich sagen? Bin ich in der Lage, so etwas zu sagen? Ist es mir das wert? Nachdem ich jede Frage mit ja beantwortet habe und die Frau mir aufmunternd zunickt, fahre ich fort. „Gara... ich liebe dich. Und ich meine es so, wie ich es sage.“ Mir wird schwarz vor Augen, ich kann kaum gerade stehen, so schwindlig ist mir. Ich bin es nicht mehr gewöhnt, vor Kameras und Fotoapparaten und Journalisten und Feinden und Freunden und allem zusammen zu stehen, die Angst zu haben, ein falsches Wort könnte alles zunichte machen. Ich habe mich an Sachiko geklammert, die mich dankenswerterweise festhält, mir auf den Rücken klopft und verhindert, dass ich umfalle. Ich kann nicht mehr. Ich fühle mich ausgelaugt, erschöpft, verbraucht, nutz- und sinnlos, verzweifelt, kraft- und machtlos, wie ein Mörder, der auf alle Leichen, die er je zu denselben gemacht hat, hinunter blickt. Mein Leben ist in sich zusammengestürzt wie ein altes Schloss, und nun mache ich die Leute auf die Ruinen aufmerksam, biete Führungen an, gebe ihnen Einblick darin, wie das Leben in dem Schloss wohl gewesen sein mag. Es kommt alles wieder hoch. Meine Kindheit, meine Jugend, Mirai, Miya, Hyde, Hakuei, Gara, erneut Mirai, wieder Gara, Gara, Gara, Gara. Ich wünsche mir so sehr, ihn zu sehen, dass mir beinahe schlecht wird davon. Sachiko hat behauptet, ich sei stark, sie meinte, ich könne gut mit solchen Dingen umgehen. Das stimmt nicht. Ich bin schwach, ich bin hilflos, ich kann nichts tun. Ich bin zerstört worden, und ich habe mir meine eigenen Luftschlösser eingerissen. Ich bin kaputt, gebrandmarkt, zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich hoffe, dass sich irgendjemand bei mir meldet. Und sei es auch nur Hakuei. Ich wäre in meiner Situation selbst über Kei froh gewesen, hätte ich dann doch wieder mal am süßen Duft des Erfolges und der Beliebtheit schnüffeln dürfen. Es fehlt mir. Es fehlt mir alles, die Leute, die Macht, das Geld, der Ruf. Ich kann nicht ohne das alles leben, kurzzeitig ja, aber nicht über einen längeren Zeitraum. Ich möchte berühmt sterben. Ich will jemanden sehen, jemand, der mir sagt, dass ich mir wieder das Wohlwollen des Publikums erschleichen kann, wenn ich mir nur genügend Mühe gebe, ich brauche jemanden, der mir die Chance dazu gibt, der mir eine Möglichkeit offen hält, nicht wieder ein namenloser Jemand zu sein. Ich brauche es alles. Ich brauche Glamour. Ich brauche Fashion. Und ich bin bereit, alles dafür zu tun. Einfach nur, um diese sinnlose Existenz nicht weiterleben zu müssen. „Du warst toll“, sagt Sachiko stolz und lässt mich wieder los. „Man hat wirklich gemerkt, wie ernst es dir war.“ Sie schenkt mir ein Lächeln. Hat man das? Ich hoffe es. Ich nicke. „Danke“, erwidere ich leise. „Und danach kommt Gara nicht darum herum, sich bei dir zu melden“, fügt sie an und zwinkert mir zu. „Wenn du ihm schon so ein Liebesgeständnis machst...“ Ja. Ich muss lächeln, nicke wieder. So ein Liebesgeständnis, ja, dann wird er wohl nicht darum herum kommen, sich bei mir zu melden, ganz bestimmt nicht. So ein Liebesgeständnis.... Ich muss raus aus diesem dunklen Schacht, in den ich gefallen bin. Es ist so eng und dunkel und unheimlich hier. Niemand ist bei mir. Ich bin ganz alleine, und ich habe Angst. Ich möchte heraus, aber ich kann nicht, jemand hat den Deckel auf den Schacht gelegt. Und so sitze ich frierend auf dem kalten Boden, kratze verzweifelt an den Wänden und weiß nicht, ob es fünfzig Meter bis nach draußen sind oder nur fünf, ich kann aber nicht aufstehen, weil ich nichts sehe. Ich bin blind. Ich sehe nichts. Aber ich weiß, ich muss wieder nach draußen. Ein paar Stunden später werden die Berichte im Fernsehen ausgestrahlt, auf so vielen Kanälen, dass es niemand hätte nicht bemerken können. Mein Liebesgeständnis, so ein Liebesgeständnis, es ist oft dabei. Ganz oft. Mein Handy klingelt. Ich habe es behalten, ich habe noch immer dieselbe Nummer, mit denselben eingespeicherten Nummern. Nachts lege ich es unter mein Kopfkissen. Als ich die Nummer und den Namen auf dem Display sehe, muss ich lächeln. So ein Liebesgeständnis. ~★~☆~★~☆~★~ ZUENDE! @________@ Ich hab sie zuende gebracht........ >_> Die FF, die ich nur wegen Uta () angefangen und die mich zwischendurch unheimlich emotional mitgerissen hat, in der es oft mit mir durchgegangen ist, die FF, die mich oft hat sterben lassen |D Vielen vielen Dank an alle, die bis hierhin durchgehalten haben, die mir so viele liebe, aufmunternde und motivierende Kommentare geschrieben haben... ohne euch hätte ich die FF niemals zuende bringen können! Vielen Dank an , , , und , ich liebe euch Leute! Und wir alle sollten uns noch einmal ganz herzlich bei bedanken, die mich dazu gebracht hat, eine Kiyoharu-FF zu schreiben, was in einem MONSTER von FF ausgeartet ist! DANKESCHÖN! Aber das größte Lob gehört natürlich , die jedes einzelne Kapitel geduldig durchgelesen, kommentiert und korrigiert hat, die mich nie aufgegeben und immer unterstützt hat und ohne die ich nicht so schreiben könnte, wie ich es jetzt tue! Und deshalb alle im Chor: DANKESCHÖN!! Ich hoffe, ihr bleibt mir weiterhin treu. Vielen Dank. m(__)m Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)