Die S-Collection von Lichtregen (SasoDei One-Shots) ================================================================================ Kapitel 9: Sand --------------- Sand. Überall Sand. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich das einfarbige Meer, von Horizont zu Horizont. Die Sonne stand hoch am Himmel, brannte erbarmungslos auf sie nieder. Nur mäßig sorgte der gelegentlich aufkommende Wind für eine kurze Abkühlung. Aufgewirbelte Staubkörner tanzten in der Luft, flimmerten in der alles versengenden Hitze. Eine gänzlich lebensfeindliche Umgebung, trocken, heiß und todbringend. Und es war kein Ende in Sicht. Sasori hatte nie verstanden, warum die Redensart gerade 'wie Sand am Meer' lautete. Schließlich war in seinen Ausmaßen nichts vergleichbar mit dem Sand der Wüste, seiner Schönheit in Anbetracht der unendlichen Weite. Er genoss die Stille, die Abgeschiedenheit, die Ruhe vor dem sich anbahnenden Sandsturm. Stundenlang hätte er dem Schauspiel der Natur zusehen, die sich vor seinen Augen ausbreitende Perfektion betrachten können. Die Endlosigkeit des Sandes... das war Kunst. „Ich hasse diesen beschissenen Sand!“ Das lautstarke Schimpfen riss ihn aus seinen Gedanken, ließ ihn irritiert in die Richtung der Quelle der Störung schauen. Bei seiner Bewunderung für die Landschaft hatte er beinahe vergessen, dass er nicht allein war... „Worüber hast du dich nun schon wieder zu beschweren, Deidara?“, fragte er genervt, wollte es im Grunde gar nicht wissen. Sein Partner moserte schließlich in einer Tour, seit sie vor über einer Woche aus dem Feuerreich aufgebrochen waren und nun die Wüste Sunas durchquerten. „Worüber ich mich beschwere?“ Deidara schnappte nach Luft, scheinbar verärgert über das geringe Interesse, das Sasori seiner Klage entgegenbrachte. „Über diesen scheiß Sand! Er ist einfach überall, zwischen den Zehen, klebt im Gesicht, fliegt in die Augen, knirscht zwischen den Zähnen. Man kann nicht mal sprechen, ohne dass einem der Mund gepudert wird! Die dämlichen Schnipsel an den Hüten bringen absolut gar nichts, hm!“, zeterte er. „Dann halt doch einfach zur Abwechslung mal den Mund, dann fliegt dir auch nichts rein“, erwiderte Sasori trocken. Die gleiche Leier und das Tag für Tag... „Ihr habt gut reden!“, spuckte Deidara schnaubend aus. „Ihr verschanzt Euch ja die ganze Zeit über in Hiruko! Wenn Ihr mal herauskommen würdet, anstatt Euch feige versteckt zu halten, würde es Euch auch nicht gefallen, ständig auf Sandkörnern herumzubeißen.“ Ein wütender Blick wurde ihm zugeworfen, doch er ignorierte ihn. Das mangelnde Kunstverständnis seines Partners war ihm immerhin hinreichend bekannt. „Dass du die Genialität meiner Kunst nicht verstehst, ist mir nicht neu, Deidara“, konterte Sasori spöttisch, wobei Hirukos Kiefer zustimmend klapperte. „Dem Feind seine wahre Gestalt nicht zu offenbaren und die Schwächen der Verteidigung mit denen des Angriffs auszugleichen, sind die wesentlichen Taktiken eines jeden Ninjas. Und Hiruko verbindet auf derart perfektionierte Weise diese beiden Elemente, dass ich seit meinem Beitritt zu Akatsuki jeden Kampf mit ihm gewonnen habe.“ Er machte eine kunstvolle Pause, um seine Worte wirken zu lassen. „Nenn mir also einen Grund, warum ich so töricht wie du sein und mich den Launen der Wüste aussetzen sollte.“ Für einen Moment schien Deidara perplex, wusste wohl keine Erwiderung auf seine fundierten Argumente. Sein Schweigen währte jedoch nicht lange. „Nun, ich an Eurer Stelle würde Hiruko nicht tagelang durch den Sand schlurfen lassen. Der ganze Staub, die vielen Sandstürme... Ihr solltet besser aufpassen, dass Eurer Puppe kein Sand ins Getriebe kommt.“ Er lachte amüsiert auf. „Wobei ich es sehr unterhaltsam fände, Euch durch die Wüste schleichen zu sehen, wenn Hiruko erst einmal so unbeweglich wie ein Sandsack ist.“ Ein abfälliges Brummen ertönte aus dem Inneren Hirukos. „Glaubst du wirklich, ein wenig Sand könnte meinen Puppen etwas anhaben? Ich habe sie so erbaut, dass sie jeglichen Witterungsbedingungen standhalten und selbst dich noch überdauern werden.“ Stolz schwang in seiner sonst so gleichgültigen Stimme mit und mit unverkennbarem Spott fügte er hinzu: „Ganz im Gegensatz zu deinen lächerlichen Knallfröschen...“ Deidara schnaubte. „Ihr wisst, ich respektiere Euch als Entwickler, aber von Kunst habt Ihr einfach keine Ahnung, Sasori no danna,“ meinte er kopfschüttelnd, begleitet von einer negierenden Handbewegung. „Kunst zeigt sich nicht durch Eure klappernden Holzpuppen, sondern in dem einzigen, vergänglichen Moment einer Explosion, hm.“ Für einen kurzen Augenblick hielt er inne, verklärte sich sein Blick. Wahrscheinlich durchlebte er gerade vor seinem inneren Auge ihren letzten Kampf gegen vier Konoha-Anbu, deren Innereien nun die Wände der kleinen Waldhütte zierten, in der sie für eine Nacht untergekommen waren. „Schwachsinn“, riss ihn Sasori unsanft aus seinem Tagtraum. „Kunst ist allein die Schönheit der Ewigkeit. So wie der Sand, der sich in alle Himmelsrichtungen erstreckt.“ Als er Hirukos Kopf zur Seite neigte, sah er, wie Deidara ihn ungläubig anstarrte, als hätte er geradewegs den Verstand verloren. „Wollt Ihr damit sagen, diese pieksenden, knirschenden und absolut nervigen Körner bezeichnet Ihr als Kunst?“ Ein lautstarkes Lachen schüttelte seinen ganzen Körper durch. „Sand ist doch total langweilig! Wenn man ihn in die Luft jagt, wirbelt er nur Staub auf... Gestein hingegen kann man formen, zerstören, in viele in ihrer Gestalt verschiedene Stücke sprengen! Felsen sind also um Längen interessanter als Euer dämlicher Sand, hm!“ Um seine Worte zu unterstreichen, deutete Deidara abwertend in Richtung der Wüstenlandschaft. „Das siehst du falsch, Deidara“, entgegnete Sasori kühl. „Die Ewigkeit des Sandes, seine unendliche Weite, ist Kunst. Irgendwann wird jeder Stein zu Sand. Gestein verwittert, korrodiert, wird schlussendlich zur Wüste. Sand hingegen währt ewig, ist unzerstörbar, nur wandelbar, da Sandkörner lediglich schrumpfen, aber nie gänzlich verschwinden.“ „Ihr seid derjenige, der das falsch sieht, Danna“, gab Deidara sofort zurück. „Wenn Ihr schon Sand mit Kunst vergleichen wollt, dann steht Sand allein für das Vergängliche einer lediglich für einen Moment erstrahlenden Explosion. Eine Zerstörungskraft, so flüchtig wie Spuren im Sand.“ Dagegen fiel Sasori kein entkräftendes Argument ein. Aber er wollte Deidara, auf dessen Gesicht sich bereits ein siegessicheres Grinsen abzeichnete, auch nicht die Genugtuung verschaffen, das letzte Wort zu haben. Zwar verliefen ihre Diskussionen über ihr gegensätzliches Verständnis von Kunst stets im Sand, da sie beide viel zu stur waren, um nachzugeben und die Ansicht des anderen anzuerkennen. Aber derjenige, der das letzte Wort behielt, konnte zumindest einen Zwischensieg verbuchen in dem ständigen Kampf darüber, wessen Kunst die einzig wahre sei. Mit dem netten, da für ihn äußerst amüsanten Nebeneffekt, dass eine Niederlage den blonden Explosionskünstler stets auf die Palme brachte. „Du kannst glauben, was du willst, Deidara“, erhob Sasori deshalb nach dem kurzen Moment der Stille erneut das Wort. „Aber einzig meine Marionetten gleichen in ihrer Schönheit und ihrer Anmut den in der Luft wirbelnden Sandkörnern. Deine stümperhaften Explosionen machen hingegen einfach nur Krach.“ „Das ist kein Krach, sondern ein Knall, hm!“, empörte sich Deidara über seine Wortwahl. Oh ja, jetzt hatte er ihn. Der Sieg schien zum Greifen nah. „Und der ist zehnmal besser als das penetrante Klappern Eurer langweiligen Holzp–“ Eine plötzliche Windböe kam auf, erfasste den pulvrigen Sand und blies ihn direkt in Deidaras Gesicht. Er hustete, spuckte und fluchte, als ihm ein gehöriger Schwall in den Mund flog. „Dieser verdammte Sand! Mir reicht's! Das war das letzte Mal, dass ich mich von Euch bequatschen lasse und wir den 'kürzesten Weg' nehmen!“ Deidara tobte und Sasori konnte nicht umhin, dass ihm dies ein belustigtes Zucken seiner Mundwinkel entlockte. „Wenn du auf mich gehört und den Mund gehalten hättest...“, setzte Sasori an, doch Deidara unterbrach ihn. „Ach haltet doch die Klappe! Ihr habt nur deshalb nichts gegen die Wüste auszusetzen, weil Ihr in dieser Pampa aufgewachsen seid und...!“ Er stockte, was Sasori irritiert aufblicken ließ. Es war niemals gut, wenn Deidara zu sprechen aufhörte, deutete dies doch meist darauf hin, dass er verquere Gedanken ausbrütete. Wohlgemerkt verquerer als seine ohnehin schon verdrehte Ansicht von Kunst. Auf das Ergebnis, das sein Gehirn gleich ausspucken würde, konnte er also gern verzichten... „Wobei...“, sagte Deidara zögerlich, scheinbar noch damit beschäftigt, seine Gedanken zu ordnen... oder damit, zu überlegen, wie er ihm auf größtmögliche Weise auf die Nerven gehen konnte. „Womöglich seid Ihr auch gerade deshalb aus Suna abgehauen und tut nur so, als würdet Ihr den Sand mögen!“, eröffnete er ihm seine Schlussfolgerung, nicht ohne Triumph in der Stimme. Oh ja, es war ohne Zweifel letzteres... „Der ganze Sand, die trostlose Landschaft, die unerträgliche Hitze... Da wäre wohl jeder abgehauen. Mmh... Aber wenn Ihr Euch auch jetzt nicht beklagt, kann das nicht der einzige Grund sein...“ Deidara blieb so plötzlich stehen, dass er beinahe in ihn hineingelaufen wäre, und schaute ihn derart eindringlich mit einer Mischung aus Neugierde und Belustigung an, als versuche er, die Wahrheit aus Hirukos maskiertem Gesicht abzulesen. Sasori ahnte mit Sicherheit zu Recht, dass jegliche Offenbarung, die Deidara zuteil geworden war, seine Nerven nur übermäßig strapazieren würde. „Steh mir nicht im Weg rum, Deidara, sonst wird das Letzte, was du spürst, ein Gruß von Hirukos Schwanzspitze sein“, knurrte er unheilvoll und setzte dazu an, die Puppe an Deidara vorbeizuschieben. „Vielleicht...“, fuhr der andere, ohne Umschweife und als ob er die Drohung nicht vernommen hätte, fort. Deidaras durchdringender Blick gefiel ihm nicht, ganz und gar nicht. „... habt Ihr ja ein dunkles Geheimnis, das Euch dazu bewegt hat, Eure Heimat zu verlassen.“ Sasori hielt mitten in der Bewegung inne, hatte seine Finger, über die Chakrafäden mit Hiruko verbunden, bereits gebeugt, um die Puppe an Deidara vorbeizuschieben. Er hatte ja gewusst, dass ihm die Ausgeburt Deidaras Gehirns nicht gefallen würde. Jetzt wusste er auch warum. Deidaras Mutmaßungen bohrten in Tiefen, die er nicht mehr ergründet hatte seit... Aber er durfte sich jetzt nicht ablenken und die Erinnerungen zurückkehren lassen, die er so lange erfolgreich verdrängt hatte. Er konnte sich keinen Fehler erlauben, um die Behauptung des anderen nicht noch zu stärken. Deidara beobachtete ihn schließlich immer noch aufmerksam. Es fehlte nur noch, dass er wissend mit den Augenbrauen wackelte... „Du redest wieder Unsinn, Deidara“, brummte Sasori träge zurück, hoffte insgeheim, den bohrenden Fragen damit ein Ende zu bereiten. Deidara zuckte im Gegenzug nur lässig mit den Schultern. „Dann sagt mir, warum Ihr wirklich gegangen seid, Danna. Wenn ich so darüber nachdenke, habt Ihr das mir gegenüber noch nie erwähnt...“ „Das geht dich auch absolut nichts an, Deidara“, erwiderte Sasori gereizt. „Anstatt dich mit belanglosen Fragen aus der Vergangenheit anderer zu beschäftigen, solltest du dich lieber auf den bevorstehenden Kampf mit dem Einschwänzigen vorbereiten. Mit deinen stümperhaften Fertigkeiten gefährdest du sonst die Mission, wenn du den Kampf in den Sand setzt.“ „Macht Euch da mal keine Gedanken“, tat Deidara den Rat mit einer Handbewegung ab. „Ihr wollt ja nur vom Thema ablenken, indem Ihr mir Sand in die Augen streut, hm!“ Damit hatte er wohl Recht. Sein Plan, Deidara von seiner Fragerei abzubringen, war gescheitert. Zugegeben, er hatte seine unsichere Taktik wahrlich auf Sand gebaut... Aber einen Versuch war es wert gewesen. „Deidara...“, grollte Hirukos tiefe Stimme bedrohlich, während sein metallischer Schwanz gefährlich zuckte. Sasori sah mit Genugtuung, dass sein Partner einen Schritt zurückwich. „Noch ein Wort und es war dein letztes.“ Deidara schluckte, schien kurz etwas erwidern zu wollen, überlegte es sich dann aber wohl anders und schwieg. Er sollte wissen, dass Sasori keine leeren Drohungen machte. Ebenso wie dass man ihn am besten nicht gegen sich aufbrachte und unnötig reizte, indem man seine Geduld auf die Probe stellte. Denn Sasori war kein geduldiger Mann und erst recht nicht, wenn er wütend war. Das hatte Deidara bereits ein ums andere Mal am eigenen Leib erfahren müssen... Zufrieden mit dem Ausgang der lästigen Situation setzte sich Sasori wieder in Bewegung, dicht gefolgt von seinem Partner, der noch wenige Augenblicke auf der Stelle, wo sie zum Stehen gekommen waren, verharrte. Wohltuende Stille herrschte zwischen ihnen. Deidara hatte aufgrund seiner schlagkräftigen Argumente offensichtlich aufgegeben, ihn mit Fragen löchern zu wollen. Und auch sonst war er glücklicherweise nicht gesprächsfreudig. Konnte ihm nur recht sein, so hatte er wenigstens seine Ruhe. Die Sonne stand nun hoch oben am Firmament, sodass ihre Schatten unter ihnen herliefen. Gnadenlos brannte sie auf die Erde nieder, versengte jegliches Leben, das es wagte, in der Wüste Sunas Fuß zu fassen. Die Mittagshitze vibrierte in der Luft und Sasori hätte für einen Moment schwören können, dass er am Horizont bereits die Stadtmauern Sunagakures erblickt hatte. Doch das war unmöglich, das Dorf in der Wüste noch einen Dreitagesmarsch entfernt. Der Sand knirschte unter ihren Füßen und mit einem Mal hörte er auch das Knarren eines der Gelenke Hirukos, in dem sich wohl der Sand verfangen hatte. Dass Deidara diesbezüglich auch noch Recht behalten musste, gefiel ihm gar nicht. Die minimale Einschränkung dürfte ihn seiner Einschätzung nach aber in anstehenden Kämpfen nicht behindern. Vielmehr störten ihn die Erinnerungen, die Deidara durch seine unverschämten Fragen aufgewühlt hatte und nun in sein Bewusstsein drangen. Sein Partner war der Wahrheit durch seine Vermutungen gefährlich nahe gekommen... zu nahe für seinen Geschmack. Zum Glück hatte der andere keine Ahnung davon, dass er Recht hatte. Das Wissen darum würde ihm sicherlich zu Kopf steigen und er ihm folglich keine ruhige Minute mehr lassen... Wobei dunkles Geheimnis es nicht wirklich traf... Gut, er hatte den Sandaime Kazekage ermordet und sich seine Künste durch den Umbau zu einer Marionette zu eigen gemacht. Zumal sein Meisterwerk den meisten, die anderen Mitglieder Akatsukis eingeschlossen, nicht bekannt war, das spurlose Verschwinden des Dorfoberhauptes vor mehr als einem Jahrzehnt bis heute Rätsel aufgab. Deidara hingegen hatte ihn schon oft mit dem Eisensand kämpfen sehen, wann immer er des Aufenthalts in Hirukos Innerem überdrüssig geworden war oder neue Schöpfungen im Kampf hatte ausprobieren wollen. Kein Grund also, diese Tatsache vor dem anderen länger geheim halten zu müssen. Der Abschied von seiner Heimat lag vielmehr bereits zwanzig Jahre zurück. Und obwohl er sich damals, im Alter von 15 Jahren, geschworen hatte, niemals wieder einen Fuß in dieses Dorf zu setzen, kehrte er nun bereits zum zweiten Mal zurück. Als einmalige Ausnahme gedacht, hatte der erste Aufenthalt allein der Komplettierung seiner Sammlung gedient. Die sich mit jedem Schritt, den ihre Füße sie durch die Wüste trugen, nähernde erneute Rückkehr behagte ihm deshalb gar nicht. Er hatte die Stadt, die Wüste, die Erinnerungen schließlich nicht ohne Grund zurückgelassen und ein Leben als Abtrünniger, folternd und mordend, und durch seinen schnell erlangten Ruf schon bald darauf als Mitglied Akatsukis begonnen. Er hatte vergessen, jegliches Gefühl in sich auslöschen, die Vergangenheit hinter sich lassen wollen. Zu viel hatte er verloren, ihn zu vieles an die zermürbenden Stunden, Monate, Jahre des Wartens, der Hoffnung erinnert, die erst zuletzt gestorben war. Der Sand, einzigartig in seiner Flüchtigkeit im Wind, war für ihn zum Symbol, zu einem allgegenwärtigen Mahnmal der Vergänglichkeit des Lebens geworden. Er hatte ihn gehasst. Als er dem Dorf schließlich den Rücken gekehrt hatte, hatte sich auch sein Blick auf die Welt geändert. Er wollte nichts mehr missen, auf nichts und niemanden mehr warten müssen. Fortan hatte er alles daran gesetzt, der Vergänglichkeit entgegenzuwirken, indem er sein Lebensziel der Ewigkeit widmete. So hatte sich mit der Zeit auch sein Bild von Sand gewandelt, dessen unendliche Weite nun seiner Sicht von Vollkommenheit entsprach. Auch Vater und Mutter waren für ihn nichts mehr als zwei Puppen, die er auf seinem Weg hin zur Perfektion, der ewigen Schönheit, gebaut hatte, so wie zahllose andere nach ihnen. Er hatte erreicht, was er wollte. Nichts hatte ihm mehr etwas bedeutet, kein Leben war es ihm wert gewesen, es zu verschonen, keinen Verlust hatte er zu befürchten. Bis Deidara seinen Weg gekreuzt hatte. Deidara, der wie Sand in die verbliebenen Ritze seines erkalteten Herzens, deren Existenz er nicht einmal mehr für möglich gehalten hätte, gerieselt war und sich dort festgesetzt hatte. Obwohl ihre Zusammenarbeit ihn gerade anfangs an der Partnerwahl ihres Anführers hatte zweifeln lassen und sie seit dem ersten Tag wegen ihrer gegensätzlichen Ansichten ständig aneinander gerieten, hatte Sasori Deidaras Begleitung mit der Zeit zu schätzen gelernt. Zugegeben, alles war besser als die Gesellschaft der Schlange, die er – obwohl sie die Faszination für die Ewigkeit teilten – zuvor neben sich hatte erdulden müssen. Die lebhaften Diskussionen mit Deidara empfand er, auch wenn sie oft genug im Sande verliefen oder ihn selbst an der Rand der Weißglut trieben, ihn seine Beherrschung vergessen ließen, um einiges angenehmer als die verschlagenen und spitzzüngigen Bemerkungen seines ehemaligen Partners. Auf eine bizarre Art und Weise waren sie sogar Inspirationsquelle für seine Kunst. Möglicherweise wäre ihm schon die Kreativität verloren gegangen, sein Talent eingerostet, würde er nicht den ständigen Drang verspüren, Deidara die Überlegenheit seiner Kunst zu demonstrieren und sie deshalb stetig weiterzuentwickeln. Doch Deidara war mit seiner Sicht von Kunst das komplette Gegenteil von ihm, setzte auf flüchtige Explosionen anstatt auf etwas, das nie verging. Bei jedem Kampf, in dem er seine Sprengkörper einsetzte, spielte er mit seinem Leben, genoss sichtlich den Drahtseilakt zwischen Leben und Tod. Einmal hatte er sogar mit der Fähigkeit geprahlt, in einem finalen Schlag selbst zu seinem größten Kunstwerk werden, in einer Explosion gewaltigen Ausmaßes aufgehen zu können. Ob er es nun zugeben wollte oder nicht... Deidara bedeutete ihm mehr, als dieser ahnte. Und das war genau sein Problem. Denn Deidara war vergänglicher als jeder andere. Ausgerechnet er, der seine und die Unendlichkeit seiner Marionetten zu perfektionieren versuchte, geriet an einen Partner, dessen Leben wie Sand durch seine Finger rann. Bereits bei ihrer ersten Begegnung, Deidaras Rekrutierung, hatte Sasori vermutet, dass Deidara einen frühen Tod sterben würde. Je mehr Zeit er mit ihm verbracht und Kämpfe bestritten hatte, desto mehr bestätigte sich seine Annahme. Deidara war deshalb in vielerlei Hinsicht wie Sand. Bisweilen war er nervig, stellte lästige Fragen und gab unverschämte Antworten. Er war eine Person, die einem im Gedächtnis blieb, haftete dort solange, bis man ihn abklopfte. Seine definierten Gesichtszüge glichen dem feingemahlenen Wüstensand, während seine Unberechenbarkeit und Leidenschaft an einen Sandsturm erinnerten. Wenn man nicht aufpasste, konnte man sich nicht nur an seinen Sprengsätzen, sondern auch an seiner Hitzköpfigkeit verbrennen. Ebenso hatte er seine Techniken und Fähigkeiten gerade in den letzten Jahren enorm entwickelt, wie ein Sandkorn zur Perle geschliffen. Über alles andere war Deidara jedoch vor allem eins und das bedauerte Sasori am meisten, weil es hieß, dass er sich sicherlich schon bald wieder an einen neuen Partner würde gewöhnen müssen: Er war sterblich... flüchtig wie die Spuren im Sand. Sasori seufzte. Welch trübsinnigen Gedanken er nachhing... Das passte weder zu ihm noch zu der Situation, in der sie sich befanden. Immerhin sollten sie sich auf die anstehende Mission einstellen oder, besser gesagt, sollte er Deidara anhalten, dass dieser sich gründlich vorbereitete. Sonst käme sein Ende wirklich schneller als gedacht... Aber dafür wäre später noch Zeit genug. Erst einmal genoss er die wenigen Minuten der Stille, in denen er noch seine Ruhe hatte. „Wann sind wir endlich da, Sasori no danna? Diese Wüste nimmt ja kein Ende, hm!“, murrte Deidara nach einer Viertelstunde missmutig und brachte ihn so um seine wohlverdiente Ruhe. „Immer noch drei Tage, Deidara“, antwortete Sasori genervt. „Wie vor einer halben Stunde auch...“ „Drei Tage!“, stöhnte Deidara. „Weit und breit gibt es nichts Interessantes zu sehen, ständig und überall dieser lästige Sand und diese Hitze! Da vergeht einem ja die Lust aufs Kämpfen! Der Ichibi ist bestimmt schon über alle Berge...“ „Jetzt steck nicht gleich den Kopf in den Sand“, schalt Sasori ihn. „Die Hauptsache ist, dass du dich ordentlich vorbereitet hast...“ Der fragende Unterton rief prompt Deidaras Unmut hervor. „Das habt Ihr vorhin schon gefragt! Und die Antwort ist immer noch dieselbe.“ „Ich will nur nicht, dass du dich hinterher bei mir beschwerst, ich hätte dich nicht auf den Ernst der Mission hingewiesen“, entgegnete Sasori ruhig und fügte beiläufig hinzu: „Wenn du dann überhaupt noch in der Lage bist, dich zu beschweren...“ „Ich habe alles unter Kontrolle, also mischt Euch nicht ständig ein, hm“, blaffte Deidara schnippisch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du das meinst...“ Gleichgültig zuckte Sasori mit den Schultern. Wenn es tatsächlich so kommen sollte, würde es halt so kommen. Dann gäbe es zumindest niemanden mehr, der ihn warten lassen konnte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)