Geständnisse von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- -1- Mann, manchmal bringt er mich aber auch zur Weißglut! Dabei ist es doch gar nicht so schwer, oder? Ich meine, wenn wir allein sind, klappt es doch auch. Warum dann nicht, wenn wir an einer Straßenecke stehen oder uns vor meiner Haustür verabschieden? Klar, irgendwie kann ich ihn ja verstehen, aber er stellt sich auch an! Wie ein Mädchen – dabei würde ein Außenstehender mich eher als das Mädchen in unserer Beziehung bezeichnen... wenn man denn erkennen würde, dass wir eine Beziehung führen, was ja mein eigentliches Problem ist. Missmutig schaue ich nach links, wo das Übel unseres Problems liegt, in meinem Bett, und leise vor sich hin schnarcht. Michael. Mein erster und wenn es nach mir geht auch mein letzter Freund. Also nicht, dass ich nie wieder einen Freund haben will, nein, ich will nur ihn, für immer und ewig. Michael hat so eine süße Art an sich, wenn er mich anlächelt. So ein tolles Lächeln, wie es eben nur er haben kann! Ich kann das nicht wirklich beschreiben, aber wenn er mich so anstrahlt, dann muss ich automatisch mit strahlen! Er schafft es immer wieder ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Und dann sind da noch seine blauen Augen. Ein schönes und intensives Blau. Nicht so ein graublau, nein, ein klares Blau, das es mir immer eiskalt den Rücken runter läuft. Außerdem hat er so tolle dunkle Locken, nur ganz wenige, aber ich finde es einfach herrlich darin rumzuwuscheln – was er nicht wirklich so toll findet. Aber Kraulen darf ich ihn! Das hat er mir erlaubt... trotzdem wuschel ich ihm lieber durch die Locken! Ja, mein Michael ist mein Held! Ich könnte jetzt noch tausend Sachen aufzählen, wie seine Nase, seinen Mund, seine Ohren, seinen Hals, die schöne Brust, der feste Bauch, seinen Hintern... Ich würde nie ein Ende finden und das Schöne ist, dass es Michael genau so geht. Manchmal schaut er mich einfach nur an und erzählt mir dann, wie toll er meine Wimpern findet. Das mag jetzt etwas seltsam klingen – und zugegeben ich musste auch kichern – aber er meint das vollkommen ernst. Und jeden Tag findet er was neues! Wenn ich so drüber nachdenke, dann sind wir schon verrückt. Verrückt nacheinander! Aber ich schweife ab. Mein augenblickliches Problem liegt ja immer noch neben mir und schnarcht. Michael ist ein kleiner Feigling! Seit drei Monaten und acht Tagen sind wir jetzt schon zusammen und wir haben uns schon unzählige Male geküsst und berührt. Aber eben nur in meinem oder seinem Zimmer. Also nicht das ich den Drang habe mich vor anderen Leuten auszuziehen und unanständige Sachen zu machen! Nein, nein. Es ist nur traurig, wenn ich andere Pärchen sehe, die sich küssen und das eben nicht nur Zuhause. Man sieht sie überall! In der Schule, im Supermarkt, im Kino, auf Partys, auf der Straße, einfach überall – und keiner schert sich darum. Aber warum ist das bei uns nicht so? Warum darf ich das mit meinem Freund nicht, ohne gleich doof angeschaut zu werden? Mann hört ja so einiges. Manche werden angepöbelt, andere sogar zusammengeschlagen. Klar bereitet mir das auch Bauchschmerzen, aber es ist schwer immer auf meinen Freund zu verzichten, wenn er doch gerade neben mir steht! Egal wo wir zusammen hingehen, mehr als ein sanftes Lächeln und ein flüchtiges Streicheln ist nicht drin. Bis jetzt hab ich nur einmal dieses Thema angeschnitten und Michael hat es gleich abgetan. „Lass uns noch ein bisschen warten“, hat er gesagt. Aber was heißt ein bisschen? Eine Woche? Einen Monat? Noch länger? Ich will ja nicht ungeduldig sein, aber seit dem sind jetzt schon wieder fast vier Wochen vergangen und ehrlich gesagt macht mich das stinkig! Ich weiß ja, wie er sich fühlt, aber genau so fühle ich mich doch auch! Es ist schon eine Kunst, eine Beziehung für so lange Zeit geheim zu halten – noch nicht einmal unsere engsten Freunde wissen Bescheid, geschweige denn unsere Eltern. Es ist beklemmend mit dem ständigen Gefühl erwischt zu werden herumzulaufen und nicht nur das – ich will meinen Michael berühren wann ich will! Trotzig verschränke ich die Arme vor meiner Brust und starre an die Decke. Vielleicht sollte ich es einfach mal tun? Ihn einfach zu mir runter zerren und ihn auf offener Straße küssen? Mir doch egal wenn die blöd schauen... na ja. Neben mir regt sich etwas. Wacht mein Dornröschen etwa auf? „Hm...“ Ach wie süß, jetzt reibt er sich verschlafen über die Augen. „Hey, bin ich etwa eingeschlafen?“ Ich muss grinsen. Nee, du doch nicht! Michael kann schon Fragen stellen. Er scheint mein Grinsen auch richtig zu deuten, denn er muss selber schief lächeln. „Alles klar!“, bestätigt er mir und krabbelt dichter zu mir rüber. Obwohl mein Bett nicht gerade sonderlich groß ist, hat er doch ziemlich weit weg gelegen. Aber das ändert er ja gerade. „Tut mir leid“, flüstert er mir ins Ohr und pustet leicht hinein. Mann, das kitzelt! Aber ich kann ihm verzeihen und streichel ihn unter der Decke. Hm! Langsam die Seite entlang, dann zu den Hüften und zu den Oberschenkeln. Schön, dass da kein störender Stoff mehr im Weg ist! „Kleiner Nimmersatt!“, nuschelt er an meinem Hals und küsst ihn. „Gar nicht!“, verteidige ich mich und kneife ihn frech in den Hintern. Dafür beißt er mir in die Schulter. Okay, das hab ich wohl verdient! Es ist noch nicht mal eine Stunde her, seit der wir uns wild in den Laken gewälzt haben und ich könnte schon wieder! Oh je, jetzt schaut er mich wieder so an! Ich merke genau, wie ich rot werde und wir beide wissen auch warum. „Na, was haben wir denn da?“ Warum stellt er denn immer solche blöden Fragen? Und warum muss er gerade DA seine Finger drauflegen? „W-Weiß nicht?!“, antworte ich leicht zitternd und versuche seinem Blick stand zu halten. Mir kommt es so vor, als hätte ich was wichtiges vergessen, aber es will mir einfach nicht einfallen! „Hm, lass mich überlegen... es ist warm und es wird langsam hart... was kann das wohl sein?“ Oh Gott. „Komm schon Benny. Hilf mir!“ Nein, nein, nein! Jetzt fängt er wieder mit seinem kleinen fiesen Spielchen an! Wie soll man denn da hart bleiben? Eh, also nicht sooo... oh Mann. „Ich...“ „Ja?“ Was will er denn jetzt hören? „Benny!“ Oh Gott, jetzt nimmt der doch tatsächlich seine Finger DA weg. Was soll denn das jetzt werden? Ah, ich verstehe. Er will auch verwöhnt werden! Na, dann mal los. Sanft streichle ich ihm über die Arme, bis zu den Schultern hinauf und küsse ihn erst einmal. Ja, ein guter Anfang. Und dann rutscht es mir raus. „Wollen wir es nicht mal sagen?“ Ah ja, super Benny! Erst denken – dann reden. Natürlich schaut mich Michael fragend an. „Eh...“ Vor wenigen Minuten hat sich mein Hirn einfach verabschiedet und jetzt schaltet es sich spontan wieder ein. Warum finde ich jetzt nicht eine passende Ausrede? „Benny?“ „Ja?“ „Was wollen wir sagen?“ „Ach... ich hab nur laut gedacht. Wirres Zeug – du weißt schon!“ Nein weiß er nicht. Jetzt wird er gleich fragen. Ich kenn ihn doch. „Nein, weiß ich nicht!“ Ha! Ich hab’s doch gewusst! Und da soll mal einer behaupten ich kenne meinen Freund nicht! Hm... wenn man es genau nimmt, kann das ja auch keiner behaupten, weil niemand weiß, dass er mein Freund ist! „Benny!“ Jetzt drängelt er wieder so! Okay mein Freund, wenn du es so haben willst. „Ich will dich küssen!“ „Benny?“ „Auf der Straße, im Supermarkt, in der Schule, vor unseren Freunden, im Kino, im Bus, auf der Klassenfahrt, Zuhause und überhaupt! Ich hab’s satt!“, sprudelt es aus mir heraus. So, jetzt ist die Stimmung im Arsch. Das sieht wohl auch Michael so, denn er rückt leicht von mir ab und setzt sich schließlich auf. Die Decke rutscht ihm bis zum Schoß und ich kann ein wenig von dem dunklen Haar sehen, durch das ich auch so gerne wuschel... ich schweife schon wieder ab. Warum sagt er denn nichts? „Benny?“ Oh oh, jetzt klingt seine Stimme so traurig. Hätt‘ ich nur mein Maul gehalten. Trotzdem murmel ich was aufforderndes vor mich hin und setzte mich ebenfalls auf. „Du meinst also, dass wir es endlich sagen sollten?“ Ja, so hatte ich mir das gedacht. Nicht jedem sagen, aber den wichtigen Menschen in unserem Leben. „Du weißt, dass mir das nicht leicht fällt...“ Ich nicke. Klar weiß ich das. Mir fällt es ja auch nicht leicht. Aber ich mag nicht mehr mit diesem Geheimnis herumlaufen. Es ist komisch. Es macht mich zunehmend nervös. Irgendwann werden es meine und seine Eltern ja doch raus bekommen, oder unsere Freunde. Ich rückte wieder zu ihm und kuschel mich an seine Seite. „Ist es dir wichtig?“, fragt er. „Ja, irgendwie schon. Es ist nicht schön mit einem Geheimnis herumlaufen zu müssen, sich immer verstecken zu müssen. Verstehst du?“ Diesmal nickt er. Dann seufzt er. „Ich... Ich denke es wird langsam Zeit. Du hast Recht.“ „Du musst nicht!“, beteuere ich. Vor nicht mal zehn Minuten hätte ich mich über diese Antwort wohl gefreut, aber jetzt? Ich mag’s nicht, wenn er so zusammen gesunken da sitzt! „Ich liebe dich!“, flüstert er mir zur Antwort und das rührt mich wirklich. Ich schlucke einmal, dann noch einmal. Dann erwidere ich seine Worte. „Aber wir tun es zusammen! Und zuerst bei deinen Eltern... bitte!“ Jetzt muss ich wieder lächeln. Dabei ist Michael sonst immer der Tapfere und Starke. Aber den Wunsch erfülle ich ihm gerne. Also nicke ich wieder und er umarmt mich überraschend, sodass wir beide wieder im Bett liegen. „Benny“, murmelt er einfach und atmet an meinem Hals. Ich weiß, dass er darauf keine Antwort erwartet, also lass ich mich einfach umarmen. „Wann kommen deine Eltern heim?“ Ja, gute Frage. Ich blicke über Michael hinweg und auf meinen kleinen Wecker. 16.27 Uhr. Um sieben wollten sie wieder da sein. Meine Oma hat sich einen neuen Kleiderschrank gekauft und mein Papa soll ihn aufbauen. Meine Mutter ist da gleich mitgefahren und tauscht wohl gerade den neuesten Tratsch aus. Ich bin froh, dass ich mich diesmal da raus reden konnte. Ich mag ja meine Oma, aber einen ganzen Nachmittag? Das kann schon ziemlich lang sein! „In zweieinhalb Stunden, ungefähr“, sage ich ihm. Darauf atmet er erst mal tief ein und aus. „Wir müssen das doch noch nicht heute machen!“, murmel ich ihm zu, weil ich genau weiß, was er jetzt denkt. „Doch, ich will aber!“ Langsam wandern seine Hände zu meinem Gesicht und er umfasst meine Wangen. Dann schaut er mir wieder in die Augen. „Ich will!“ Wow, jetzt hat er endlich seinen Mut gefunden und prompt verlässt mich meiner! Ich weiß ehrlich nicht mehr, ob ich jetzt noch will. Ich meine, hab ich jemals über die Folgen nachgedacht? Was alles passieren könnte? Meine Eltern könnten sich gegenseitig anschauen und es verstehen, sie könnten sich weinend in die Arme fallen, mich wütend anschauen, mich verfluchen, mich zum Teufel jagen oder aber sich doch verständnisvoll zeigen. Was weiß denn ich? „Benny? Was ist los?“ Diesmal klingt meine Stimme wohl etwas traurig, denn er schaut mich zweifelnd an. „Ich... was ist, wenn sie mich nicht mehr mögen? Wenn uns keiner mehr mag?“ „Nein! Das wird nicht passieren!“, sagt er bestimmend und grinst wieder so traumhaft. „Ich kenn doch deine Eltern! Die sind die tollsten, die es gibt! Und erst unsere Freunde! Dennis, Alex, Sabine und Olli. Die werden es mit Sicherheit verstehen und uns auch weiter so mögen, wie vorher. Und die anderen auch!“, muntert er mich auf. Ja, so ist er eben. Jetzt vergisst er mal wieder, dass er eigentlich die Bedenken hatte. „Und jetzt lass uns duschen gehen. So können wir uns deinen Eltern doch nicht präsentieren!“ Ja, da stimme ich ihm auch zu. Mal schauen wie das wird. Schon komisch... in etwa zwei Stunden wird sich unser Leben wohl vollkommen verändern. Ich hoffe ich tue das Richtige. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- -2- Mein Herz bollert wie wild. Ich glaub mir wird gleich schlecht! Also es ist schon was ganz anderes es zu denken oder es dann auch wirklich zu tun. Vor fünf Minuten sind meine Eltern wieder heim gekommen. Papa hat sich erst einmal auf die Couch geschmissen und Mama ist ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen. Fragend schaue ich zu meinem Freund, der auch ein bisschen ratlos aussieht. Okay, noch ein wenig Gnadenfrist, bis meine Mama auch wieder da ist! Zusammen mit Michael geh ich schnell in die Küche und hol mir ein Glas Wasser. Ich schaffe nur drei Schluck, dann geb ich es an Michael weiter, der den Rest austrinkt. Mann, ich glaub so nervös war ich noch nie, dabei sind es doch nur meine Eltern! Ich meine, mit denen hab ich schon mein ganzes Leben verbracht, die müssen ihren Sohn doch kennen! Also, vielleicht haben sie ja auch schon eine Vermutung? Quatsch! Woher denn? „Benny?“ Sanft stupst mich Michael an und deutet auf die Treppe. Na toll, da kommt sie ja schon. Ich atme betont langsam ein und aus, dann straffe ich mich und greife entschlossen nach Michaels Hand. Aber bevor wir ins Wohnzimmer gehen, wo sich meine Mutter gerade auch auf die Couch setzt, klaue ich mir noch einen stärkenden Kuss von meinem Freund. Ich hoffe das gibt ihm auch etwas Mut. Dann mal los! Ich merk gar nicht richtig, wie wir die Küche verlassen und rüber ins Wohnzimmer gehen, aber plötzlich stehen wir vor dem niedrigen Tisch und genau im Blickfeld meiner Mutter. Ich kann’s an ihren Augen ablesen. Ihr Blick geht genau zu unseren verschränkten Händen. Papa hat uns noch nicht wahrgenommen. „Guten Abend!“ Ich bin ehrlich etwas überrascht, als Michael zu sprechen anfängt. Der hat doch echt mehr Mut, als ich gedacht habe, denn im Gegensatz zu ihm bringe ich gar nichts raus. Ich kann nur auf meine Mutter schauen, die so fragend auf unsere verschränkten Hände sieht. „Hallo ihr beiden!“, antwortet sie dann schließlich, aber ihr Tonfall verrät nichts. Papa dreht sich jetzt auch um und grinst uns an. Der hat unsere verschränkten Hände wohl noch nicht gesehen. „Ach, Michael! Du bist ja auch da!“, begrüßt er meinen Freund und lässt sich dann wieder auf die Couch fallen. „Ich bin kaputt. Benny, deine Oma ist ein Sklaventreiber!“ Aha, gut zu wissen. „Wollt ihr euch nicht setzen?“, will meine Mama wissen und deutet auf den letzten freien Platz. Michael nickt und zieht mich einfach mit. Gute Idee, ich glaub viel länger könnte ich jetzt nicht mehr stehen! Als dann erst einmal Schweigen eintritt, schnallt auch mein Papa, dass da irgendetwas nicht stimmt. Er rappelt sich wieder auf und schaut in die Runde, dann folgt er dem Blick meiner Mutter und entdeckt unsere Hände. Wieder schaut er zu meiner Mutter, dann nochmal zu uns. Jetzt ist es wohl an der Zeit reinen Tisch zu machen. „Mama... Papa... ich, also ich und Michael...“ Ich kann das nicht! Gott, es will mir einfach nicht über die Lippen. Michael drückt meine Hand etwas fester, dann höre ich ihn sich räuspern. „Benny und ich. Also was er sagen will ist, dass wir uns mögen... sehr sogar!“ Mir fällt ein Stein vom Herzen. Michael ist wirklich ein Schatz! Ich hätte hier noch Stunden gesessen und keinen vernünftigen Satz raus bekommen. Dann aber räuspert sich mein Vater. „Wie bitte?“ „Benny und ich sind zusammen, so richtig!“, setzt Michael noch einen drauf. „Also... ihr meint das, was ich denke?“, will er unsicher wissen und schaut schon fast Hilfe suchend zu meiner Mutter, die zu meinem Erstaunen nickt. Dann seufzt er. Ich halte das erneute Schweigen schon fast nicht mehr aus und will sogar schon flüchten, aber Michael hält mich fest und schaut mich verständnisvoll an. Mann, diese Situation ist beschissen! Warum zum Teufel wollte ich es unbedingt sagen? „Ich brauch was zu trinken!“ Ich blinzele und schaue meinem Vater nach, wie er in die Küche verschwindet, sich ein Glas holt und sich etwas Hochprozentiges aus unserem Wohnzimmerschrank holt. Klasse, bin ich jetzt dran schuld, wenn mein Papa ein Alkoholiker wird? „Martin, komm setzt dich wieder. Für die Jungs ist das sicher auch nicht so einfach!“ Ja, meine Mama hat Recht. Es ist ganz und gar nicht einfach. Michael neben mir ist ganz ruhig. Soll ich jetzt etwa was sagen? „Benny? Du und Michael seid also... zusammen?“ Während mein Vater am Fenster stehen bleibt, mit dem Rücken zu uns, schaut mich meine Mutter offen an. Es scheint ganz so, als würde sie jetzt das Gespräch führen. „Ja!“, hauche ich fast. Mann, meine Stimme war auch schon mal besser. „Irgendwie hab ich es ja schon geahnt!“, stellt sie dann in den Raum und verwirrt damit uns alle. „Wie bitte?“, ruft mein Papa und dreht sich abrupt um. Dabei hätte er fasst sein Glas fallen lassen. „Warum? Seit wann? Wieso weiß ich nichts davon?“ Oh je, besonders begeistert klingt er ja nicht gerade. „Martin, setzt dich!“, meint meine Mama nur schlicht und Papa reagiert tatsächlich. Erst als er sitzt, fängt sie erneut an. „Also Benny ist doch schon fast siebzehn! Wie oft hast du ihn schon mit einem Mädchen gesehen und wie oft mit Michael? Ich meine, es ist ganz offensichtlich, dass die beiden sehr gute Freunde sind... Ich weiß auch nicht. Vielleicht haben Mütter da einen besonderen Sinn dafür?“, endet sie schulterzuckend und schaut uns grinsend an. „Ich hatte früher auch sehr gute Freunde, aber ich war mit denen nicht gleich... argh!“, brummt mein Vater und steht wieder auf. Dann kommt er auf mich zu und bleibt vor mir stehen. Ehrlich, ich hab sonst nie Angst vor meinen Eltern, aber jetzt bekomme ich doch etwas schiss. „Michael!“ Oh Gott! Jetzt will er ihm doch nichts tun? Michael kann doch gar nichts dafür. „Papa, nicht!“ Er reagiert gar nicht auf mich! Stattdessen steht er weiterhin vor mir und schaut meinen Freund mit einem undeutbaren Blick an. „Du bist also mit meinem Sohn zusammen?“ „Ja!“ „Papa, lass das! Er kann da nichts für!“ Und wieder reagiert er nicht. Bin ich ihm etwa völlig egal? „Du... magst ihn also?“ „Ja!“ „Lass ihn!“ Also wenn er nicht gleich aufhört, dann fang ich an zu schreien. Es ist ja sowieso unglaublich, dass das hier alles noch so ruhig und gesittet abläuft. Und warum sagt nicht mal meine Mutter etwas? „Dann passt du auch gefälligst auf ihn auf!“, knurrt er und dreht sich wieder um. „Ich geh jetzt schlafen!“ Hä? Was war das denn? „Okay Jungs!“, lacht meine Mutter. „Benny, dein Vater ist echt geschafft von heute. Oma hat ihn nicht eher in Ruhe gelassen, bis der Schrank an der richtigen Stelle stand. Also sei ihm nicht böse. Und du bitte auch nicht Michael. Er mag dich wirklich! Lasst ihn mal eine Nacht darüber schlafen!“ Dann wird ihr Gesichtsausdruck etwas ernster. „Ihr zwei seid also zusammen!“ Michael und ich nicken. „Gut, ich denke ihr wisst was ihr tut. Aber ihr müsst uns trotzdem etwas Zeit lassen. Es ist ja nicht gerade alltäglich, dass der eigene Sohn einen Freund hat!“ Dann seufzt sie und schaut Michael eindringlich an. „Aber in einem gebe ich meinem Mann Recht! Du musst auf meinen Benny gut aufpassen!“ „Mama!“ Das ist ja schrecklich! Ich bin doch kein Baby. „Ich meine das ernst! Ihr zwei werdet es nicht immer leicht haben!“ „Klar werde ich auf Benny aufpassen. Ich liebe ihn doch!“ Bei den letzten Worten läuft Michael rot an. Wow! Das haut mich doch echt um. Sagt der so einfach meiner Mutter, dass er mich liebt! Gott, ich will ihn küssen! Was ich auch mache... aber nur auf die Wange. Meine Mutter schüttelt nur den Kopf und steht langsam auf. Wahrscheinlich will sie nach meinem Papa schauen. „Ach, Michael!“, dreht sie sich aber nochmal um. „Wissen es deine Eltern schon?“ Michael schüttelt den Kopf. „Hm, und eure Freunde?“ Diesmal schütteln wir beide den Kopf. „Dann sind wir die ersten Personen, die es erfahren?“ „Ja“ Daraufhin muss sie wieder lächeln und wuschelt mir und auch Michael durch die Haare. Peinlich! Aber heute Abend kann ich ihr das noch einmal verzeihen. „Dann werde ich noch etwas zu Essen machen und deinem Vater dann hochbringen. Wollt ihr auch noch etwas?“ Ich schaue zu Michael und als er nickt, stimme ich meiner Mutter zu. Als sie dann in der Küche verschwunden ist, werfe ich mich erleichtert in die Arme meines Freundes. Michael schlingt auch sofort seine Arme um mich und atmet zitternd aus. „Ich liebe dich!“, flüstert er. „Ich liebe dich auch!“, gebe ich zurück. Mensch, das war aber auch nervenaufreibend! Aber ich weiß genau, dass spätestens morgen noch ein ausführlicheres Gespräch ansteht. Meine Eltern werden sich mit diesen paar Worten nicht zufrieden geben. Wahrscheinlich müssen sie den Schock erst einmal verarbeiten. Aber das sie so gelassen reagieren, hab ich echt nicht gedacht! Wir schnappen uns also noch etwas zu Essen und verschwinden dann wieder auf mein Zimmer. Zwar hab ich nicht gefragt, ob Michael heut Nacht hier bleiben darf, aber ich denke mal, dass meine Eltern sowieso davon ausgehen, dass wir jetzt nicht allein sein wollen. Und selbst wenn, ich will jetzt auf keinen Fall auf Michael verzichten! Nach dem Essen ziehen wir uns bis auf die Unterwäsche aus und kuscheln uns dann in mein Bett. Michael schaltet noch schnell den Fernseher an und wir lassen uns noch ein bisschen berieseln. Jetzt merke ich erst, wie angespannt ich war. Langsam rückt Michael näher und fängt an an meinem Hals zu knabbern. Dann wandert er weiter hoch, zu meinem Ohr und dreht schließlich meinen Kopf in seine Richtung, um mir einen richtigen Kuss zu geben. Ich lasse mich fallen. Es ist angenehm, wenn man eine starke Schulter zum Anlehnen hat! Aber viel mehr passiert in der Nacht nicht. Wir kuscheln und küssen nur. Genießen unsere Zweisamkeit und stellen mal wieder fest, was wir an uns haben. Ich bin echt stolz auf uns! Obwohl wir nur den ersten Schritt getan haben, fühlt es sich an, als hätten wir alle Probleme aus der Welt geschafft. Dabei steht uns noch so einiges bevor. Unsere Freunde und Michaels Eltern. Bin mal gespannt wie die reagieren. *** Und wie erwartet kommt am nächsten Tag das große Gespräch. Meine Eltern wollen echt alles wissen. Wann wir zusammen gekommen sind. Wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Ob wir uns in der Öffentlichkeit zu erkennen geben wollen. Eben so einen Kram. Ich nehme es ihnen nicht übel, sie machen sich eben nur Sorgen. Mein Papa hat zwar noch ein bisschen daran zu knabbern, doch Mama schafft es schon ihn abzulenken. Aber der wahre Hammer folgt erst am Montag. Michael und ich gehen zusammen zur Schule und genauso wie ich, ist auch er tierisch aufgeregt. Heute sind unsere Freunde dran. Nicht alle, nur die engsten. Und deshalb treffen wir uns alle bei Sabine. Michael und ich sind extra schon etwas früher zu ihr gegangen, um sie schon einmal einzuweihen, damit wir eine Verbündete gegen den Rest haben. Ich weiß ja nicht, wie Alex, Dennis und Olli reagieren, aber komischerweise mache ich mir bei Sabine die geringsten Gedanken. Sie ist eben ein Mädchen und normalerweise haben die ja mehr Verständnis. „Wir sind zusammen!“, rücke ich dann auch gleich mit der Neuigkeit heraus, als wir in ihrem Zimmer sitzen. Sabine verschluckt sich zuerst einmal an ihrer Cola und schaut uns überrascht an. Dann rutscht ihr doch tatsächlich das Glas aus der Hand und zersplittert krachend auf dem Boden. In dem Moment bin ich froh, dass Sabines Eltern noch auf Arbeit sind und sonst keiner im Haus ist. „Ich hab‘s gewusst!“, ruft sie dann und zeigt mit dem Finger auf uns. Nicht gerade die feine Art. Michael und ich schauen sie nur fragend an, dann uns gegenseitig. „Ich hab’s immer geahnt. Ihr zwei seid einfach wie füreinander geschaffen! Seid ich denken kann, seid ihr schon zusammen, also nicht soo, aber halt zusammen!“ Aha, anscheinend haben Frauen generell einen siebten Sinn für so was?! Michael sieht das genau so, denn er schüttelt ungläubig den Kopf. „War das denn so offensichtlich?“, will er wissen und nicht nur ihn interessiert das. „Na ja, nicht direkt...“, meint sie ausweichend, „aber ihr habt so eine vertraute Art, wie ihr gegenseitig miteinander umgeht, wie ihr euch manchmal anschaut!“, versucht sie zu erklären. „Haben die anderen auch so eine Ahnung?“, fragt Michael weiter. „Ich denke eher nicht. Mann muss euch schon gut kennen und beobachten!“, meint sie nachdenklich. „Dann hast du uns also beobachtet?“, will ich grinsend wissen. Daraufhin wird sie etwas rot und muss ebenfalls grinsen. „Na ja. Ihr könnt schon manchmal richtig süß sein!“, gibt sie zu und nuschelt was von einem Besen, um das Glas weg zu kehren. „Süß?“, murmelt Michael, als Sabine ihr Zimmer verlassen hat und schaut mich stirnrunzelnd an. „Süß?!“, wiederholt er noch einmal. „Ja, da musst du mich nicht so komisch anschauen. Ich bin auf jeden Fall nicht der Süße von uns beiden!“, sage ich ernst, woraufhin Michael mir lachend durch die Haare strubbelt. Warum hab ich das Gefühl, dass er mir nicht glaubt? „Komm her, Süßer!“ Was für eine Aufforderung! Da kann ich doch gar nicht anders. Sanft leckt er mir über die Lippen, dann küsst er mich richtig. Hm! „Upps!“ Sabine! Die sucht sich aber auch immer den richtigen Moment aus! „Ah, ich hab’s doch gesagt. Ihr zwei seid einfach süß!“, schwärmt sie und fordert uns doch ernsthaft dazu auf uns noch einmal zu küssen. Die hat ja Nerven! Michael hingegen findet die Idee wohl gar nicht so schlecht und legt zwei Finger unter mein Kinn, um mich wieder zu ihm zu drehen. Woher nimmt der nur plötzlich seinen Mut? Aber mir soll es egal sein. Wortlos lass ich es geschehen. Selbst als Sabine im Hintergrund laut seufzt, hört Michael nicht auf. Ich bin begeistert! Erst als unten die Klingel läutet, lässt er wieder von mir ab und schaut mich verträumt an. Seine Lippen sind leicht rot und glänzen feucht. Das jagt mir doch glatt ein Kribbeln durch den Körper. „Die anderen sind da!“ Erst diese Worte holen mich wieder ins Hier und Jetzt. Das heißt wohl, dass Olli, Alex und Dennis jetzt auch gleich die Wahrheit über uns erfahren. Oh Mann. Und schon wieder werde ich nervös! Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- -3- Da sitzen wir nun. Michael und ich auf der einen Seite, Olli, Dennis und Alex auf der anderen. Sabine hat sich wie ein Schiedsrichter zwischen unsere beiden Gruppen gesetzt und beobachtet alles sorgsam. „Hey! Was ist denn nun der Grund der Versammlung?“, will Alex wissen. Typisch. Er kann nie lange warten und brüllt immer gleich alles raus. Vielleicht ist es nicht gerade schlau auch ihn einzuweihen... „Benny und ich wollen euch was sagen!“ Michael ist noch erstaunlich gefasst, wie ich finde. Aber wahrscheinlich ist er im Innern genau so aufgeregt wie ich. Dabei müssten wir doch langsam Übung darin haben! Aber trotzdem wird es nicht leichter. Ich schaue zu meinen besten Freunden und in ihre fragenden Gesichter. Die werden bestimmt gleich aus allen Wolken fallen. Irgendwie freu ich mich ja schon auf ihre doofen Gesichter. Aber nur irgendwie. „Ich bin mit Michael zusammen!“ Während Dennis und Olli mit offenem Mund dasitzen. Schaut uns Alex weiterhin fragend an. „Wie zusammen?“ Na, der braucht wohl noch einen Augenblick! „Ihr seid schwul?!“, ruft dann aber Dennis, bevor ich oder auch Michael ein weiteres Wort sagen können. Wenigstens dürfte es jetzt auch Alex geschnallt haben. „Seid ihr bescheuert?“ Okay, das tut jetzt doch etwas weh. Eigentlich hätte ich so eine Frage eher von Alex erwartet, nicht aber von Dennis. Olli ist noch immer ruhig und Sabine sitzt auch noch still da. „Wieso bescheuert?“, knurrt Michael. Ihm scheint diese Frage auch nicht besonders gefallen zu haben. „Na, ich meine... schwul. Ihr beide! Das ist doch...“, will uns Dennis erklären und springt aufgebracht auf. Mann, der verhält sich ja, als ob ich hier gerade was weiß ich gesagt hätte! „Ja, wir sind schwul. Was dagegen?“ Ui, ich glaube so langsam wird Michael stinkig. Wahrscheinlich hatte er, genauso wenig wie ich, mit solch einer Reaktion seitens Dennis gerechnet. Zu meinem Erstaunen mischen sich die anderen noch nicht ein, sondern schauen nur schweigend zwischen meinem Freund und Dennis hin und her. „Was dagegen? Du hast doch einen Knall! Da kommt man hier her, ohne was böses zu denken und dann schmeißt ihr uns so was an den Kopf?!“ Ich weiß ja nicht, ob Dennis das so meint, wie er es sagt, aber irgendwie kommt das ziemlich abwertend rüber. Zumindest verstehe ich das so. „Ich knall dir gleich noch was ganz anderes an den Kopf, du Arsch! Was soll denn das?“ Also wenn das so weiter geht, dann glaub ich das Michael sogar noch. Wenn Blicke töten könnten! Die werden sich doch jetzt nicht gegenseitig an die Gurgel springen? „Willst du mir jetzt etwa drohen, du Schwuchtel?“ Oh oh! Das war zu viel. Ich kann Michael gerade noch am Arm festhalten. Der wollte doch gerade wirklich auf Dennis losgehen. Auf der anderen Seite stehen Olli und Sabine, die Dennis festhalten, der noch immer böse Worte zu uns rüber ruft. „Du bist ein verdammtes Arschloch! Schaff dich hier raus, bevor ich mich vergesse!“ Ja, mein Freund ist ziemlich angepisst. Ich dagegen würde am liebsten anfangen zu heulen. Wieso geht das hier nur plötzlich so schief? Bevor Michael seine Worte noch in die Tat umsetzt, zerre ich ihn etwas zu mir runter und flüstere ihm leise etwas zu. Muss ja nicht sein, dass das auch Dennis mitbekommt – der ist sowieso schon auf hundertachtzig. „Michael, bitte! Beruhig dich!“ „Ja, Michilein! Beruhig dich!“, spottet Dennis. Alles klar, er hat es doch gehört. Und warum zum Teufel sagt Sabine nicht mal was? Sonst ist sie doch auch die Gerechtigkeit in Person. „Okay Leute. Ich glaube wenn das so weiter geht, dann sagen wir noch was, was wir später bereuen werden!“ Oh, da ist sie ja wieder. Sabine hat ihre Gerechtigkeit wohl gerade wieder gefunden. Mann, werde ich jetzt etwa auch noch sarkastisch? „Halt’s Maul! Mit dir hat keiner gesprochen!“ Dennis hat ja ganz schön Mut. Entweder ihm ist unsere Beziehung wirklich zuwider, oder ihm brennt gerade ne Sicherung durch. Sabine wird ihm sicher gleich eine knallen, immerhin befinden wir uns hier in ihrem Zimmer und sowieso, sie ist ein Mädchen, das es nicht mag, wenn man sie anschnauzt. Aber sie bleibt still. Kein Wort, nicht mal ein Pieps! Das bringt uns erstaunlicherweise alle zum Schweigen. Wahrscheinlich hat keiner mit solch einer Reaktion von Sabine gerechnet. Manchmal könnt ich glauben, dass sie uns in manchen Sachen ein oder zwei Schritte voraus ist. Hat sie etwa genau gewusst, dass sie uns damit zum Schweigen bringt? Ihr Blick lässt auf jeden Fall keine derartigen Schlüsse zu. Im Gegenteil. Sie schaut fast teilnahmslos zu Dennis, dann zu Olli, zu Alex und schließlich zu mir und Michael, den ich noch immer am Arm festhalte. „Gut, jetzt noch mal von vorne!“ Oh Gott, die hat vielleicht Nerven. Gemütlich setzt sie sich wieder hin und deutet uns allen, uns auch hinzusetzen. Keiner von uns sagt ein Wort. Irgendwie ist uns die neue Sabine unheimlich. Einige Minuten herrscht fast Totenstille und ich glaube nun zu wissen, was sie damit erreichen wollte. Einen Moment der Ruhe. Jeder von uns hängt seinen eigenen Gedanken nach. Neben mir kann ich deutlich fühlen, wie sich Michaels Muskeln langsam wieder entspannen und ein zögerlicher Blick auf Dennis zeigt mir das gleiche. Die erhitzen Gemüter kühlen etwas ab. „Also. Michael, ich denke, dass Dennis es nicht so gemeint hat, wie es rüber gekommen ist. Euer kleines Geheimnis ist ja auch etwas überraschend!“ Sabine trifft den Nagel mal wieder auf den Kopf. Und bevor mein Michael wieder in die Luft geht, antworte ich lieber schnell. „Dennis? Es tut uns leid, wenn wir dich geschockt haben!“, versuche ich eine erste Annäherung. Dennis nickt nur und Michael knurrt. Das wiederum hört natürlich Dennis, der schon wieder grimmig zu uns rüber schaut. Dafür bekommt Michael von mir einen kräftigen Stoß in die Seite. „Au! Was soll denn das jetzt?“ Ich schaue Michael vielsagend an und er scheint es auch zu verstehen, denn er seufzt genervt. Immerhin. „Ich hab nichts gegen euch. Das hatte ich vorher nicht und das werde ich jetzt auch nicht haben! Aber das kam doch schon ziemlich plötzlich... Ich muss das erst mal verdauen!“ Dennis reibt sich über die Augen und seufzt ebenfalls. Das ganze scheint ihn auch zu schaffen. „Schon klar!“ Michaels Friedensangebot klingt noch ziemlich mager, aber es ist ein Anfang. Dennis braucht nur ein bisschen Zeit und dann wird hoffentlich wieder alles so wie vorher. Aber jetzt würd ich mich auch mal über eine Reaktion von Alex und Olli freuen. Die beiden sind ja in dem Trubel ziemlich untergegangen. Ich hoffe nur, dass sie sich an Dennis kein Vorbild nehmen. „Ich kann mich da nur Dennis anschließen. Das muss ich erst mal sacken lassen. Aber keine Angst! Mit mir könnt ihr immer rechnen!“ Puh, Olli ist ein richtig anständiger Kerl. Die Zeit wird ja zeigen, wie ehrlich er seine Worte gemeint hat! Nun bleibt noch Alex. Auf den richten sich nun auch alle Blicke. „Was denn?“ Ich muss grinsen. Irgendwie scheint er heute auf dem Schlauch zu stehen. „Ich find’s krass! Jetzt haben wir endlich auch ein echtes schwules Pärchen auf unserer Schule!“, lacht er. Klar, das passt wieder zu ihm. Aber Michael weist ihn gleich wieder in seine Schranken. „Komm ja nicht auf blöde Gedanken! Das bleibt schön unter uns! Zumindest vorerst.“, meint er bestimmend und erntet von Alex doch tatsächlich ein Murren. Ich hab’s doch gewusst! Der hätte am liebsten wieder die ganze Schule informiert! Alex ist eben eine Tratschtante. Dennis brummt kurz, woraufhin wir wieder zu ihm hinschauen. Dann kratzt er sich unschlüssig am Kopf. „Ich glaub ich muss jetzt erst mal in Ruhe darüber nachdenken...“ Ich nicke als einziger. Der Rest sieht einfach zu, wie Dennis aufsteht und den Raum mit einem leisen „Tschüss“ verlässt. Warum hab ich grad das komische Gefühl, dass wir hier eine Freundschaft zerstören? Warum sagt denn keiner was? Nicht mal Michael regt sich. So kalt kann ihn das doch auch nicht lassen! Aber ansprechen will ich das jetzt auch nicht. Die komische Stimmung reicht schon völlig aus, da muss ich es nicht noch schlechter machen. Und wie das so ist, kaum ist der erste weg, geht auch der Rest. Olli verabschiedet sich kurz darauf auch von uns, weil wir ja nichts weiter geplant haben. Aber er grinst uns wenigstens nochmal zuversichtlich an. Alex hingegen bleibt noch ein bisschen bei Sabine, was die nicht so toll findet. Aber rausschmeißen will sie ihn auch nicht. Ja ja, wenn da nichts läuft, dann weiß ich auch nicht! Michael und ich bleiben dann auch nicht mehr lange. *** Wie interessant doch so eine Zimmerdecke sein kann! Man glaubt ja gar nicht, wie viele verschiedene Farbtöne so ein schlichtes Weiß haben kann. Je nachdem wie das Licht einfällt, mal etwas dunkler, dann wieder etwas heller. Oh je, ich hab Langeweile! Es ist mal wieder Wochenende und ich sitze allein in meinem Zimmer – oder ich liege eher in meinem Bett und starre die Decke an. Michael ist nicht da, sondern Zuhause. Irgend so eine Familiensache – weiß der Geier! Und da seine Familie noch nichts von mir weiß, wäre es auch sehr unhöflich da aufzutauchen. Also sie wissen schon, dass es mich gibt! Nur eben nicht die Details. Noch nicht. Michael will seinen Eltern demnächst von uns erzählen, aber erst, wenn sich die Sache mit unseren Freuden gelegt hat. Zwar gab es keine Ausbrüche mehr, aber so vertraut und locker, wie wir vorher miteinander umgegangen sind, geht es jetzt nicht mehr. Alex und Sabine kümmert unsere Beziehung eher weniger, also sie sehen da keine Probleme. Bei Dennis und Olli ist es da etwas anders. Olli ist in unsere Gegenwart etwas zurückhaltender geworden und scheint sich zweimal zu überlegen, was er sagt und was nicht. Dennis zieht es wohl vor ganz zu schweigen. Er redet schon noch mit uns, aber eben nur, wenn noch eine vierte Person dabei ist. Von allein kommt er nicht auf uns zu und ehrlich gesagt, mach ich mir schon so meine Gedanken. Kann es wirklich sein, dass Michaels und meine Beziehung die Freundschaft zu Dennis zerstört? Ich will es nicht glauben, aber im Moment sieht es genau so aus. Dabei will ich das doch alles gar nicht! Vielleicht war mein Entschluss es zu sagen doch nicht so gut? Vielleicht hätten wir es doch noch etwas geheim halten sollen? Aber heißt es nicht, das wahre Freundschaft so etwas aushält? Mittlerweile glaub ich das nicht mehr so wirklich. Noch vor einer Woche sind wir zusammen ausgegangen. Wir sechs! Heute sieht es schon etwas anders aus. Wahrscheinlich unternehmen gerade Alex und Sabine etwas zusammen – die zwei scheinen sich wirklich gern zu haben! Olli macht vielleicht was mit Dennis, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht machen die vier auch etwas zusammen und schließen mich aus? Nein, das will ich gar nicht denken! Sabine hätte da schon widersprochen. Und Alex wahrscheinlich auch... oder? Oh Gott! Warum fange ich jetzt an an unserer Freundschaft zu zweifeln? Wir werden das schon wieder hinbekommen! Ich hab einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Was soll man an einem Samstagabend auch anderes machen? Mein Freund ist nicht da und meine Freunde wollen nichts mit mir unternehmen. Es ist wohl besser, wenn ich schlafen geh! Überrascht schrecke ich auf, als das Telefon zu klingeln anfängt. Na, da können meine Eltern ja auch dran gehen, wird schon nicht für mich sein. Aber als meine Mutter stirnrunzelnd in mein Zimmer kommt, werde ich eines besseren belehrt. „Für dich! Michael“ Jetzt bin ich dran mit stirnrunzeln. Warum ruft mein Michael jetzt noch an? Hat er etwa Sehnsucht? Ja, ich kann‘s ihm nicht verübeln. Grinsend nehme ich das Telefon entgegen und setze mich wieder auf mein Bett. „Hey Süßer!“, begrüße ich ihn mit guter Laune. Aber die hält nicht lange. Als ich seine ersten Worte höre, verschwindet mein Lächeln. >...Benny... es ist aus...< Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- -4- Es ist aus. Drei Worte mit einer gewaltigen Wirkung. Ich muss einmal hart schlucken, dann traue ich mich nachzufragen, was Michael damit meint. >Sie wollen, dass ich dich nicht mehr sehe!< Wieder muss ich schlucken. Was ist denn plötzlich los? Wer will was? Im Moment fehlt mir wirklich die Gabe mich zu konzentrieren. Irgendwie kann ich keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Und warum höre ich ein leises Schluchzen? Ist das etwa Michael? Oh Gott, ich hab Michael noch nie weinen gehört! >Scheiße, Benny! Sag doch was!< Ja, Benny. Sag endlich was! Nur was? Wieder schluchzt Michael leise. Ich merke genau, dass er sich versucht zusammenzureißen. Ich glaube so langsam wird mir bewusst, was hier passiert. >Benny, bitte!< „Ich... ich...“ Ja, ich. Mein Gott, was soll ich denn jetzt sagen? Mir wird doch gerade erst so richtig klar, was da los ist. Wenn ich jetzt nicht völlig auf dem Schlauch stehe, dann meint Michael mit „Sie“ seine Eltern. Hat er es ihnen etwa gesagt? Aber ich dachte das wollten wir zusammen machen. „Warum?“ Ja, das dürfte so ziemlich das ausdrücken, was ich gerne wissen will. Warum hat er es ihnen jetzt schon gesagt? Warum hat er mich nicht dabei haben wollen? Und warum wollen sie, dass Michael mich nicht mehr sieht? >Benny! Sie verstehen es nicht! Sie wollen es nicht! Meine Mutter hat sogar angefangen zu heulen... scheiße...< Wieder schluchzt er auf, diesmal heftiger. Ich höre, wie es kurz knistert, dann wie Michael sich die Nase putzt. Verdammt, ich will bei ihm sein! „Michael. Ich komm zu dir!“, bestimme ich und will schon auflegen, als er erschrocken in den Hörer brüllt. >Nein! Hast du mir eigentlich zugehört? Die wollen dich nicht sehen! Und ich darf dich nicht sehen! Ich darf nicht mal aus meinem Zimmer...< Das ist doch ein schlechter Scherz! Das können seine Eltern doch nicht machen. Michael ist sechzehn! Er kann ja wohl alleine bestimmen, wen er trifft und wen nicht! Dürfen die ihn überhaupt einsperren? Scheiße, wie bescheuert sind die eigentlich? Soll ich mir von denen etwa meine Beziehung kaputt machen lassen? „Ich komm trotzdem! Und wenn ich bei dir durch’s Fenster klettern muss!“, zische ich ungehalten. Das sein Zimmer im zweiten Stock liegt, verdränge ich gekonnt. Die können mir doch nicht verbieten meinen Michael zu sehen. Ich hör doch deutlich, dass es ihm nicht gut geht, soll ich ihn da etwa alleine lassen? >Benny, du...< Mitten im Satz bricht er ab und wenige Sekunden später weiß ich auch warum. Sein Vater muss ins Zimmer gekommen sein, denn eine männliche Stimme fangt an zu schreien. Ich muss fast anfangen zu heulen. Wie schlimm muss es da erst für Michael sein? Kurze Zeit später herrscht Ruhe. Nur noch das eklige Tuten des Telefons dröhnt mir in den Ohren. Was passiert jetzt mit Michael? Ich will es nicht, aber schreckliche Bilder schleichen sich in meinen Kopf. Bilder, wie er angebrüllt wird, wie er sogar geschlagen wird. Ich glaube meine Fantasie geht gerade mit mir durch! So was machen Eltern nicht. Ich hoffe es doch... Ich meine, die werden ihn doch nicht so lange verprügeln, bis er leugnet mit mir zusammen zu sein? Wie stellen die sich das denn vor? Scheiße. Ich kann hier nicht sitzen, wenn ich genau weiß, dass Michael mich gerade jetzt braucht! Mir vollkommen egal, ob die mich sehen wollen oder nicht! Genau aus dem Grund renn ich auch schon fast zu meinem Kleiderschrank und suche mir was zum Anziehen raus. Ohne Pause stürme ich die Treppe hinunter und an meinem Papa vorbei, der wohl gerade aus dem Bad kommt. Zwar schaut er mich seltsam an, aber sagt nichts. Erst meine Mama hält mich auf. „Wo willst du hin?“ „Zu Michael!“, antworte ich kurz und zieh mir schon die Schuhe an. Ich hab halt gerade keine Zeit zum Reden! Aber wie Mütter so sind, sehen die das alles ganz anders. „Mal langsam. Was ist denn plötzlich los?“ So, jetzt hab ich genau zwei Möglichkeiten. Entweder ich sag ihr die Wahrheit, oder ich lüge. Variante eins würde mich viel Zeit kosten und so wie ich meine Mutter kenne, wird sie mich dann erst recht nicht gehen lassen. Variante zwei ist zwar nicht sehr nett, aber im Moment sehe ich keine andere Lösung! Also lüge ich. „Michael und die anderen wollen ins Kino!“ Ja, was für eine Lüge. Aber auf die schnelle will mir einfach nichts besseres einfallen. „Und das ist euch eben erst eingefallen?“ „Ja, war halt spontan!“ Sie schaut zwar noch immer nicht so ganz überzeugt, aber sie nickt. Gut, wäre das geschafft. Schnell noch die Jacke an und dann meinen Schlüssel geschnappt und schon bin ich aus der Tür. Hinter mir höre ich noch, wie meine Mama mir etwas zuruft. Ich soll nicht zu spät heimkommen. Im Augenblick habe ich aber eher die Sorge, dass ich zu spät zu Michael komme. Warum auch immer. Ich hab so ein ungutes Gefühl. Also lauf ich etwas schneller. Bis zum Ende meiner Straße, dann die nächste links und dann die zweite rechts. Schon kann ich das weiße Haus sehen, in dem Michael und seine Eltern wohnen. Nur noch ein paar Meter. Komischerweise werde ich immer langsamer, umso näher ich meinem Ziel komme. Irgendwie schleichen sich nun doch erste Zweifel ein. Was, wenn sie mich wirklich einfach nicht zu Michael lassen? Kräftig schüttel ich meinen Kopf. Quatsch! So was beklopptes gibt es doch nur in Filmen! Vor der hellen Haustür bleib ich stehen und nach kurzem Zögern klingel ich dann doch. Hinter der Tür kann ich die kurze Melodie hören, die ertönt, dann ist wieder Stille. Nervös stapfe ich von einem Fuß auf den anderen. Ich weiß genau, dass sie zuhause sind! Also klingel ich nochmal und warte. Langsam werde ich noch wahnsinnig! Warum macht denn keiner auf? Ich will schon wieder auf die Klingel drücken, als ich Schritte höre. Dann wird die Tür geöffnet und ich stehe Michaels Mutter gegenüber. Oh Gott! Wieso sieht die denn so fertig aus? Na ja, ich kann es mir ja denken... „Hallo... kann ich bitte zu Michael?“ Mann! Wieso hab ich da jetzt ein Bitte eingebaut! Die soll mich gefälligst zu ihm lassen und fertig! Michaels Mutter schaut mich nur mit einem glasigen Blick an und hält sich die Hand vor den Mund. Die wird doch jetzt nicht anfangen zu heulen! Scheiße, was mach ich denn jetzt? Zu meinem Glück, oder eher Pech, muss ich gar keine Antwort mehr auf meine Frage finden, denn schon kommt der nächste um die Ecke. Michaels Vater. Und der zieht ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter. Ich glaub der weiß sehr genau, wer ich bin und in welcher Beziehung ich zu seinem Sohn stehe... „Was willst du denn hier!“ Was für eine Begrüßung. Unwillkürlich mach ich einen Schritt zurück und stolpere fast über die niedrige Treppe vor der Tür. So langsam glaub ich, es war doch keine so gute Idee hier her zu kommen. „Ich will zu Michael!“, versuche ich es nochmal. Vielleicht ist er ja gar nicht so sauer, wie Michael glaubt?! Vielleicht lässt er mich einfach durch und ich mach mir hier umsonst in die Hose? „Verschwinde! Sofort!“ Michaels Vater knurrt mich richtig an. Dann schickt er seine Frau wieder ins Haus. Wahrscheinlich um mich jetzt richtig zur Sau zu machen. Ich muss zugeben, meine Beine fangen etwas an zu zittern, meine Hände auch und sowieso! Ich hab so ein seltsames Kribbeln im Bauch, dass man nur hat, wenn man tierisch aufgeregt ist! Plötzlich scheint mir der Gedanke, dass Michaels Vater handgreiflich werden könnte, gar nicht mehr so abwegig! Aber trotzdem bleibe ich stehen. Ich will zu Michael! „Okay, noch mal langsam. Hau ab! Du wirst Michael nicht mehr zu nahe kommen. Das ist abartig!“ Ich weiß wirklich nicht, was ich darauf erwidern soll. Ich meine, ich stehe hier vor dem Vater meines Freundes, der bestimmt gute fünfundzwanzig Jahre älter ist als ich, wenn nicht noch älter! Was sagt man zu einer erwachsenen Person, die einem eigentlich in allem überlegen ist? „Lassen sie mich Michael sehen!“ Der Kloß in meinem Hals wird immer größer und ich kann nur noch mit Mühe die ersten Tränen zurückhalten. Plötzlich wird mir klar, was es bedeutet, wenn seine Eltern sich uns in den Weg stellen. „Das kannst du vergessen! Michael will dich gar nicht mehr sehen! Also lass ihn in Ruhe. Und jetzt verschwinde endlich, bevor ich mich vergesse!“ Klasse, jetzt muss ich doch heulen. Dabei hab ich es die ganze Zeit erfolgreich zurückgehalten. Wieso muss das hier nur so bescheuert laufen? Warum hat Michael so einen kranken Vater? Ich will doch nur zu ihm, sonst nichts! „Und jetzt noch flennen! Hau ab. Sei froh, dass ich deine Eltern nicht anrufe! Lass dich hier bloß nie wieder blicken!“ Dann schaut er mich noch mal verachtend an und knallt mir dann die Tür einfach vor der Nase zu. Ich glaub das nicht! Ich seh nur noch verschwommen auf die verschlossene Tür. Auf die Tür, durch die ich schon so oft gegangen bin und durch die ich jetzt wohl nie wieder gehen werde. Und dahinter sitzt Michael in seinem Zimmer und darf genauso wenig zu mir, wie ich zu ihm! Scheiße! Ob er jetzt gerade auch so schrecklich heulen muss, wie ich? Ob er mich gerade braucht? Verdammt, ich brauch ihn! Jetzt! Heulend lehn ich mich an die Haustür und versuche mein Schluchzen zu unterdrücken. Das kann es doch nicht gewesen sein? Das geht doch nicht? Dieses Arschloch. Ich ruf die Polizei, das Jugendamt, oder am besten gleich die Männer mit den weißen Westen! Der hat doch einen totalen Schaden. Der kann Michael doch nicht so einfach in seinem Zimmer gefangen halten! „Michael!“ Gott, wie ich ihn vermisse, dabei haben wir uns erst gestern zuletzt gesehen. Wenn ich das gewusst hätte, dann... dann... Weiß der Teufel! Ich hätt‘ ihn einfach nie mehr gehen lassen! Michael gehört zu mir. Niemand kann ihn mir so einfach wegnehmen. Warum lässt der Idiot sich das gefallen? „MICHAEL!“ Wenn sein Vater mich nicht zu ihm lassen will, dann soll mein Freund mich wenigstens hören! „MICHAEL!“ Warum antwortet er nicht? Warum geht er nicht ans Fenster? Irgendwas! Ich weiß genau, dass er mich hören muss! In seinem Zimmer hört man immer alles von der Straße. Jedes beschissene Auto! Also hört er auch mich. „MICHAEL!!“ Nichts. Gar nichts. Keine Reaktion. Will er nicht mehr? Gibt er uns so leicht auf? Das kann doch nicht sein. Was haben die ihm nur erzählt? Sein Vater hat ihm hundertprozentig gedroht! Ich hasse ihn. Wie kann ein Vater nur so sein? Ich kann es ja verstehen, wenn man geschockt ist und verwirrt, eben so wie meine Eltern. Aber so? Michaels Vater ist ja richtig angewidert! Findet er seinen eigenen Sohn pervers? Oder glaubt er, dass ich das Übel bin? Das ich Michael verführt habe? Mein Gott, wo leben wir denn? Im finsteren Mittelalter? Wenn ja, dann verbrennt mich, weil ich einen Jungen liebe! Ich glaube ich werde schon wieder sarkastisch. Ich sollte besser über eine Lösung für dieses Dilemma nachdenken. Ich helfe meinem Freund sicher nicht, wenn ich hier heulend vor seiner Haustür rumjammere und somit den Zorn seines Vaters nur noch mehr steigere. Ja, Benny, das wird schon wieder... ich muss nur fest dran glauben... Aber verdammt! Die scheiß Tränen wollen einfach nicht aufhören zu fließen! Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- -5- Zwei Stunden sind vergangen. Vor Michaels Haustür hab ich dann wirklich nicht mehr lange gestanden. Aufsehen hab ich wohl genug erregt. Die zwei Omis auf der anderen Straßenseite haben schon ziemlich interessiert aus ihren Fenstern gestarrt. So was haben die wohl auch noch nicht gesehen. Einen heulenden Jungen, der vor verschlossenen Türen steht. Die Welt ist scheiße! Heim wollte ich auch nicht – nicht so. Deshalb sitze ich jetzt hier. Im kleinen Stadtpark, auf einer Bank, unter einer schwächlichen Laterne. Jetzt fehlt nur noch der potentielle Mörder, der mich ins Gebüsch zerrt. Das ist mir aber im Moment reichlich schnuppe. Soll er doch kommen! Bin sowieso gerade in bester Stimmung. Michael darf mich nicht mehr sehen und ich ihn nicht mehr. Gott, was für ein Schwachsinn! Als ob er dadurch plötzlich Mädchen mögen würde. Was für eine bescheuerte Logik. Das Kranke daran ist, dass ich auch schon so anfange zu denken! Ich meine, was wenn sie Erfolg haben? Was wenn Michael wirklich so schnell aufgibt, mich verleugnet und ich wie der letzte Depp dastehe? Aber so was würde er doch nicht tun? Michael liebt mich doch! Trotzdem kann ich diese bescheuerten Gedanken einfach nicht abstellen. Wenn ich so einen Vater hätte, wie Michael, dann würde ich wahrscheinlich auch den einfacheren Weg wählen. Aber am schlimmsten ist es zu wissen, dass es meinem Freund schlecht geht und ich nicht bei ihm sein kann. Michael hat geweint! Das hat er noch nie getan. Egal ob er mal ne Sechs in der Schule bekommen hatte, oder er sich in der Grundschule mit den Viertklässlern angelegt hatte. Nie! Er hat dann immer nur verschmitzt gelächelt und sich nichts anmerken lassen. Doch jetzt. Ihm geht’s dreckig, aber so richtig. Wahrscheinlich weiß er im Moment genau so wenig weiter, wie ich! Ich bin ja froh, dass ich aufgehört hab zu heulen. Hat ja auch lang genug gedauert. Wirklich klasse. Meinen Samstagabend hab ich mir auch anders vorgestellt. Jetzt ist es fast neun und ich sitzt hier im Dunkeln rum. Bin ich eigentlich bescheuert? Da könnte ich genau so gut auch Zuhause in meinem Bett liegen und mich dort bemitleiden. Da wäre es zumindest warm! Aber nein, stattdessen frier ich mir hier den Arsch ab! Ich bin eben doch bekloppt. Aber diese verdammte Ungewissheit macht mich noch ganz verrückt! Wenn ich wenigstens zu Michael könnte. Oder zu sonst jemandem, der mich versteht. Leider gibt es da im Moment nicht wirklich viele. Zu meinen Eltern will ich damit wirklich nicht rennen, zumindest jetzt noch nicht. Welcher Jugendliche würde sich schon bei seinen Eltern über sein verkorkstes Liebesleben auskotzen? Am liebsten würde ich jetzt ja zu Sabine rennen und ihr was vorjammern, aber die ist mit Alex schon genug gestraft... wie auch immer. Die zwei wollen bestimmt lieber zu zweit sein und nicht zu dritt. Wenn sie heute überhaupt was zusammen machen... was weiß ich. Ich werde da jetzt bestimmt nicht unangemeldet auftauchen und bei irgendwas stören! Übrig bleiben dann ja wohl nur noch Olli und Dennis. Beides nicht gerade super. Nicht das ich ihnen nicht mehr vertrauen würde, aber unsere Freundschaft steht sowieso schon auf wackeligen Beinen. Da würde ich alles nur noch schlimmer machen, als es schon so ist. Da sitz ich doch lieber hier rum. „Na, alleine?!“ Erschrocken schaue ich auf und in das Gesicht eines älteren Jungen. Neben ihm steht ein großer Hund, den ich erst wahrnehme, als er mir über die Hand schnüffelt. Kein Wunder, der Köter ist ja auch schwarz wie die Nacht! So ähnlich wie sein Herrchen. Was mir jetzt doch ein wenig gruselig erscheint. Was bitte macht der so spät noch hier? „Keine Angst, der beißt nicht!“ Ja, aber du, oder was? Im Moment hab ich auch weniger Angst vor dem Köter. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich Heim gegangen wäre! Wer weiß, was der jetzt mit mir vorhat! „Jetzt guck nicht so! Ich wollte nur nett sein!“ „Wie guck ich denn bitteschön?!“ Oh Gott! Hab ich das jetzt etwa laut gesagt? Gar nicht schlau, Benny! Der killt dich doch! Darauf grinst er aber nur schief und seufzt ergeben. Dann tätschelt er seinem Köter über den Kopf, der daraufhin zu wimmern anfängt. Ich glaub ich bin im falschen Film. „Na, du schaust, als wollte ich dich unter die Erde bringen!“ Dabei grinst er noch mehr und ehrlich gesagt, beruhigt mich das überhaupt nicht. „Nein, im Ernst. Du schaust aus, als wär jemand gestorben – und jetzt sag bitte nicht, dass ich damit Recht habe!“ Diesmal muss ich seufzen, schüttel aber den Kopf. Was für ein Spinner, aber irgendwie hat er ja Recht. Gut sehe ich im Moment bestimmt nicht aus. Er scheint zu verstehen, denn er nickt nachdenklich. Dann schaut er auf seine Armbanduhr, wobei ich mich wirklich frage, wie er die in dem schwachen Licht lesen will. „Gut, ich hab Zeit!“ Moment! Was soll das jetzt heißen? Und warum zum Teufel setzt der sich jetzt neben mich? Und sein bescheuerter Köter pflanzt sich direkt vor meine Füße! Hallo?! „Also los! Ach ja, ich bin Patrick!“ Okay. Entweder der ist wirklich so selbstlos und bietet mir seine Aufmerksamkeit an, oder er ist mein besagter Mörder, der mich noch ein bisschen quälen will, bevor er mich zerstückelt! Skeptisch mustere ich ihn erstmal, was Patrick in aller Ruhe über sich ergehen lässt. Gut, bei näherer Betrachtung sieht er nicht mehr so geheimnisvoll aus. Halt wie ein ganz normaler junger Mann. Ich schätze ihn so um die zwanzig, aber nicht viel älter. Vielleicht ist er Student? Oder er hat schon einen Job? Oder er geht noch zur Schule? Mal schauen, ob er sich ausfragen lässt. „Was machst du eigentlich um diese Uhrzeit hier draußen?“, will ich wissen. Patrick grinst nur wieder. „Meine Mutter meinte, dass Rocky nochmal an die frische Luft müsste.“ Dann lacht er leise und nickt in die Richtung, in der sein Köter liegt und leise vor sich hin schnarcht. Ich muss leicht mit grinsen. Ich wollte auch immer einen eigenen Hund, aber meine Mami fand diese Idee gar nicht toll. Sie meinte dann nur immer, dass die ganze Arbeit schlussendlich nur wieder an ihr hängen bleiben würde. Wo ich ihr Recht geben muss. Ich weiß nicht, ob ich so wie Patrick noch spät abends mit meinem Hund raus gehen wollen würde. „Tja, der faule Sack!“ Patrick seufzt und streichelt seinem Hund über den Kopf, worauf der kräftig mit dem Schwanz wedelt und ihn mir immer wieder gegen mein Bein schlägt. Irgendwie ist er ja schon niedlich. Ein Hund bleibt einem ein Leben lang treu und es ist ihm auch egal, ob sein Herrchen eine Frau, oder ein Mann hat! Wo ich mal wieder beim Thema wär. Michael und seine scheiß Eltern. Nur nichts anmerken lassen, Benny! Ich werde doch keiner fremden Person meine Probleme anvertrauen. „Ich mag ihn! Er scheint ein ganz lieber zu sein!“ Gut gemacht. Und jetzt muss ich ihn nur noch ablenken. „Kommst du öfter mit deinem Hund hier her?“ „Ab und zu. Rocky braucht ja seinen Auslauf, sonst wird er bockig. Ist eben zu verwöhnt!“ Patrick schielt auf seinen Hund, der sich lustig verrenkt, um sich zu kratzen. Der Arme! So ganz ohne Hände ist es wohl nicht so leicht. Ich kann mich einfach nicht zurückhalten und muss ihm helfen. Rocky wimmert vergnügt, als ich ihn hinter den Ohren kraule. Das gefällt ihm wohl, was für ein Genießer. „Oh oh!“ Fragend schaue ich auf und zu Patrick. Was meint er denn mit „Oh oh“? „Jetzt wirst du ihn nicht mehr los!“ Patrick deutet auf seinen Hund, der schwanzwedelnd vor mir sitzt und wohl auf weitere Streicheleinheiten hofft. Und wie er langsam immer näher rückt! Der Köter ist echt verwöhnt. Aber niedlich. Da fällt es mir auch nicht schwer ihn noch ein wenig zu streicheln. „Nicht schlimm. Solang er so goldig ist!“ „Glaub mir, er weiß genau was er tun muss, um Menschen um den Finger zu wickeln. Da bist du nicht der Erste!“ Diesmal muss ich lachen. Irgendwie ist mir nicht nur Rocky sympathisch, sondern auch sein Herrchen. Wenigstens lenkt er mich von meinen trüben Gedanken ab. Aber ich wäre doch gerne bei Michael. Was er jetzt wohl macht? „Und jetzt erzähl mal, was du hier machst. Ein Junge in deinem Alter sollte doch schon längst Zuhause sein!“ „Hey!“ Seh ich etwa so jung aus? „Ich bin bald siebzehn!“ „Oh, doch schon so erwachsen?“ Und wieder grinst er. Will der mich etwa verarschen? „Wie alt bist du denn?“ So, egal was er jetzt sagt, ich lach ihn aus. Das hat er verdient. „Ich bin noch junge neunzehn!“, meint er und lehnt sich etwas mehr auf der Parkbank zurück. Ha, hab ich doch richtig geschätzt! Komischerweise lach ich ihn nicht aus, so wie ich es eigentlich vorgehabt hatte. Stattdessen nicke ich nur und schaue zur anderen Seite, wo ich gerade noch ein paar Hecken erkennen kann. Der Rest verschwindet in der Finsternis. „Du wolltest mir gerade erzählen, warum du hier im Dunkeln sitzt!“ Zweifelnd schiele ich neben mich. Klar wollte ich das! Und wo wir gerade dabei sind, sag ich dir auch noch mein Sternzeichen, meine Hobbys, wo ich wohne und welches Buch ich zuletzt gelesen habe! Da kann er sich mal schön auf den Kopf stellen! „Verstehe... dann eben anders!“ Was will er denn anders machen? Zwingen kann er mich ja wohl nicht. Oder holt er jetzt doch noch die versteckte Axt heraus? Ah, wie ich meinen Sarkasmus doch liebe! „Stress mit den Eltern?“ Der wird doch jetzt nicht zu raten anfangen? Da muss ich mich doch echt fragen, ob der sonst nichts zutun hat. Wahrscheinlich setzt er sich öfter mal neben eine fremde Person und labert sie voll. „Also nicht...“ Nachdenklich schaut er mich weiter an. Hey, ich hab doch gar nichts gesagt? Wie will er denn wissen, ob bei mir Zuhause alles im Reinen ist? „Dann kann es nur die Liebe sein!“ Treffer – versenkt. Und ich Volldepp dreh auch noch unauffällig mein Gesicht weg und beschäftige mich ganz spontan mit Rocky. Ja, Benny, gar nicht auffällig! „Okay! Was ist passiert? Bist du sitzen gelassen worden? Hat sie schon einen anderen?“ Patrick scheint ehrlich interessiert zu sein. Wenn ich ihn nicht gerade eben erst kennen gelernt hätte, dann wäre ich sogar geneigt ihm die Wahrheit zu sagen! Aber nach dem Desaster mit Michaels Eltern hab ich wirklich keine Lust wieder auf Ablehnung zu stoßen. Patrick seufzt nur erneut und schaut mich weiter an. „Weißt du, meine Freundin hat mich vor kurzem sitzen lassen! Vor zwei Monaten. Weil sie einen Neuen gefunden hat... schon blöd. Jedenfalls hab ich von Frauen erst mal genug!“, brummt er und schaut in den Nachthimmel. Ich mache es ihm gleich und verfolge ein blinkendes Objekt, wohl ein Flugzeug. Ja, was soll es auch anderes sein! „Hat deine auch einen Neuen gefunden?“ Der gibt wohl nicht so leicht auf. Na ja, es wird schon nicht wehtun, wenn ich mir ein bisschen Kummer von der Seele rede. „Nein... Das ist ein wenig komplizierter...“, fange ich an. Patrick schweigt. Wahrscheinlich wartet er darauf, dass ich weiter rede. „Ihre Eltern wollen nicht, dass wir zusammen sind...“ „Gibt es dafür auch einen Grund? Bist du ihnen etwa nicht gut genug?“ Gute Frage. Wie soll ich Patrick das jetzt erklären? „Könnte man so sagen. Die haben generell was gegen unsere Beziehung.“ Nicht gerade aufschlussreich. Mal schauen was er damit anfangen will. Patrick nickt. Dann setzt er sich wieder etwas auf und schaut mich an. „Hast du mal versucht mit ihnen zu reden? Vielleicht ist es ein ganz banales Problem?!“ Nee, eher nicht! Leider bin ich kein Mädchen, ansonsten hätte ich wohl die besten Chancen die neue Schwiegertochter zu werden. Gott, wenn ich das nur denke, könnte ich schon wieder kotzen. Ich hab ja gewusst, dass es nicht so einfach werden würde sich zu outen, aber so was? Ich muss mein Gesicht anscheinend ganz schön verzogen haben, denn er fängt an mir gutmütig auf die Schulter zu klopfen. „Ist wohl nicht gut gelaufen!“, stellt er fest und grinst wieder. Findet der das etwa lustig? „Kann dir doch egal sein!“, knurre ich und es tut mir nicht im geringsten leid! Sorry, aber bei dem Thema versteh ich keinen Spaß. Patrick entschuldigt sich auch gleich darauf. Er scheint zu merken, dass er einen empfindlichen Nerv getroffen hat. Daraufhin seufzt er und steht schlussendlich wieder auf. Will er jetzt endlich gehen? „Komm, ich begleite dich noch ein Stück. Du musst ja hier in der Nähe wohnen, nicht wahr?!“ Mann, der hat die Weisheit wohl mit Löffeln gefressen! Aber bitte. Ist sowieso blöd alleine durch die dunklen Straßen zu laufen und hier noch lange zu sitzen hab ich auch nicht vor! Da kommt mir sein Angebot gerade recht. Ich zögere deshalb auch nicht lange und steh ebenfalls auf. Rocky gefällt die allgemeine Aufbruchsstimmung wohl auch, denn er hüpft fröhlich hin und her. Wenigstens einer hat ein unbeschwertes Leben! „Du solltest nicht so leicht aufgeben! Wenn sie dich wirklich liebt, dann wird sich schon wieder alles einrenken. Ihre Eltern können ihr doch nicht vorschreiben, wen sie liebt!“ Normalerweise müsste Patrick damit ja Recht haben. Aber leider fehlen ihm da einige Informationen, um das ganze aus meinem Blickwinkel zu betrachten. Ich glaub, wenn er wüsste, dass es eigentlich um einen Jungen geht, dann würde er nicht mehr so optimistisch daher reden. Oder er würde gleich angeekelt davon rennen. Also sage ich lieber nichts dazu. „Kopf hoch. Du scheinst mir kein schlechter Kerl zu sein. Jedes Mädchen wäre froh dich als Freund zu haben! Und ihre Eltern werden sich schon wieder einkriegen!“ Oh ja, laber mich nur voll und mach es noch schlimmer, als es eh schon ist! Verdammt! Ich hasse Michaels Eltern, ich hasse diese scheiß Einstellung unserer Gesellschaft... ich hasse einfach alles! Wieso muss das gerade uns treffen? Es könnte doch so schön sein. So, wie ich es mir immer vorgestellt hab. Michael und ich zusammen in der Schule, in der Stadt und im Urlaub. Gott, wie oft wollte ich ihn schon anfassen! Und jetzt, wo mein Traum zum Greifen nah ist, da scheitert er nur an zwei Vollidioten, die sich Eltern schimpfen! Ahrg! Wenn ich jetzt so weiter mache, dann muss ich doch wieder anfangen zu flennen. Ich bin wirklich froh, dass wir nach der nächsten Abbiegung endlich in meiner Straße sind. Vor meiner Tür stehen Patrick und ich erst mal still da und wissen nicht was wir sagen sollen. Seltsam. So eine komische Stimmung hab ich das letzte Mal gespürt, als mich Michael das erste Mal nach Hause begleitet hatte. „Okay, dann wünsch ich dir eine gute Nacht!“, meint er leise und streichelt abwesend über Rockys Kopf. „Ich dir auch. Und danke!“ War ja schon nett, dass er extra einen Umweg gegangen ist. Patrick setzt zum Gehen an, als ich mich auch schnell von Rocky verabschiedet habe, aber auf halbem Weg dreht er sich nochmals zu mir um. „Eh, sagst du mir noch deinen Namen?“ Oh! Hab ich das etwa noch nicht getan? Dabei bin ich doch sonst nicht so unhöflich. „Benny! Ich heiß Benny!“, blubbert es schnell aus mir heraus. Peinlich, jetzt merk ich auch noch wie mir im Gesicht heiß wird. Ich hoffe man sieht nicht, wie meine Backen leuchten! „Benny...“, wiederholt er grinsend. Dann winkt er mir nochmal zu. „Man sieht sich!“ Ja, wenn ich ehrlich bin, dann würde mir das gefallen. Patrick ist doch ziemlich nett und er hat überhaupt nichts gemeinsam mit meinem gruseligen Axtmörder! Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Ich wünsche euch allen ein schönes neues Jahr!! ---- -6- Tote Hose. Schule war auch schon mal interessanter! Dabei fand ich Erdkunde eigentlich noch nie so wirklich langweilig. Aber heute könnte ich einschlafen. Das liegt aber nicht daran, dass sich der Unterricht plötzlich total verändert hat, sondern vielmehr daran, dass der Platz neben mir leer ist. Michael ist nämlich nicht da. Im Moment habe ich ja noch die Hoffnung, dass er nur zu spät kommt, immerhin ist es ja gerade mal die erste Stunde und das am Montag. Wenn nicht, dann kann meine treulose Tomate aber was erleben! Diese Ungewissheit kann einen ganz kirre machen. Seit dem beschissenen Telefonat am Samstag hat er sich nicht mehr gemeldet und ich hab auch einen Verdacht, warum das so ist. Sein Handy ist aus und wenn ich zuhause bei ihm anrufe, dann wird sofort wieder aufgelegt, sobald man merkt, dass ich es bin. Aber zum Teufel! Die können Michael doch nicht ewig von mir fern halten. Der Junge muss doch auch zur Schule! Sabine und Alex sind mir im Moment auch keine große Hilfe. Die turteln nur noch herum! Aber ich hab’s ja gewusst. Und weil ich es weiß, sage ich es ihnen jetzt auch nicht, meine Probleme würden ihnen jetzt nur ihr neues Glück zerstören. Dennis und Olli hingegen schweigen sich größtenteils immer noch aus. Mehr als ein paar flüchtige Blicke gibt es da nicht zwischen uns. Wenigstens haben sie Wort gehalten und niemand anderem von uns erzählt. Der Rest der Klasse verhält sich nämlich so wie immer – laut und kindisch. Wenn sie es wüssten, dann hätten sie mich bestimmt schon längst umlagert oder sie würden heimlich tuscheln. Wenn Michael doch nur hier wäre! Ich hab keine Lust mehr hier allein herumzusitzen, besonders nicht, wenn ich nicht weiß, wie es jetzt mit uns weiter gehen soll. Ich bin im Moment echt ratlos. Selbst meine Eltern haben schon meine gedrückte Stimmung bemerkt und wenn Michael dann in den nächsten Tagen nicht mehr bei mir auftaucht, dann werden die schon früh genug schnallen, dass da was im Busch ist. Ich hab ja schon überlegt, ob ich es ihnen anvertrauen soll, aber was sollte es bringen? Ein klärendes Gespräch unter Eltern? Ernsthaft, das würde nie im Leben klappen. Die würden sich nur gegenseitig die Schuld zuschieben und am Ende wären wir die Dummen, weil sich unsere Familien hassen würden und uns somit jede Chance auf eine glückliche Zukunft verwehrt wäre. „Benny!“, flüstert es neben mir. Überrascht schaue ich neben mich und wer sitz da? Michael! Wo kommt der denn so plötzlich her? Ich meine, vor zwei Sekunden hat der noch nicht da gesessen. Aber außer mir scheint niemand so überrascht zu sein. Hab ich gerade etwas nicht mitbekommen? Michael schaut mich aufmunternd an. Mitgenommen sieht er ja schon aus, hat wohl auch lange Nächte hinter sich. Aber im Augenblick bin ich wohl irgendwie überfordert, denn ich starre ihn nur an und bekomme keinen Ton heraus. Dafür scheint Michael noch sprechen zu können, denn er beugt sich etwas näher zu mir, sodass uns niemand sonst hören kann. „Ich hab dich schrecklich vermisst!“, haucht er mir fast ins Ohr. „Es tut mir leid!“ Oh Mann! Warum entschuldigt er sich denn jetzt bei mir? Er hat doch gar nichts getan! Auch das er sich nicht gemeldet hat, nehme ich ihm nicht übel, denn er konnte es schlicht und einfach nicht. Daran ist nur sein bescheuerter Vater schuld. Trotz allem schleicht sich ein erleichtertes Lächeln auf mein Gesicht, als mir klar wird, dass mein Freund endlich wieder bei mir ist. Zwar nur in der Schule, aber immerhin. Das einzig Schlimme ist, dass ich mich jetzt zurückhalten muss, wenn ich nicht will, dass alle mich blöd angaffen. Schon dumm, dass ich genau das doch erreichen wollte. Nicht das uns alle anstarren, nein. Ich wollte meinen Michael doch auch in der Öffentlichkeit umarmen können! Und was hat mir unser Geständnis gebracht? Nichts. Oder doch, es hat es noch schlimmer gemacht, als es war! Wieso war ich nur so unzufrieden? „Hey, Benny?!“ Oh, jetzt hätte ich Michael doch fast vergessen! „Ich hab dich auch schrecklich vermisst!“, murmele ich leise zurück und laufe leicht rot an. Oh Gott, hoffentlich kann uns wirklich niemand hören! Michael nickt, dann wird sein Gesichtsausdruck aber etwas ernster. Skeptisch schaut er nach vorne zur Tafel, wo unser Lehrer gerade dabei ist, ein Schaubild an das zerkratzte Ding zu schreiben. Der Rest der Klasse unterhält sich aber lieber gegenseitig, als den erklärenden Worten zu lauschen. „Wir müssen uns über einiges unterhalten, aber hier ist nicht gerade der beste Ort dafür.“ Klar, da gebe ich Michael Recht. Am besten warten wir auf die Pause und verdrücken uns dann. Es müsste sowieso nicht mehr allzu lange dauern, bis es klingelt. So unauffällig wie möglich lasse ich meine Hand neben mich wandern und streichle sanft über Michaels. Mann, hab ich das vermisst! Wenn diese blöde Stunde endlich vorbei ist, dann kann mich aber nichts und niemand mehr von Michael trennen! Die restlichen Minuten verbringen wir dann schweigend. Jeder von uns schreibt das Tafelbild ab und manchmal werfen wir uns Blicke zu. Ich glaub ich kann nicht verhindern, dass meine Augen verliebt glänzen. Aber das kann man ja auch nicht von mir verlangen! Es ist ein irres Gefühl Michael wieder bei mir zu wissen. An Morgen will ich noch gar nicht denken, die Realität wird mich noch früh genug einholen. Als die Stunde dann vorbei ist, verlassen wir zusammen mit den anderen die Klasse und steuern direkt auf den Schulhof zu. Dort bleiben wir aber nicht lange, sondern verlassen das Schulgelände, was ja eigentlich verboten ist. Erst an der nächsten Straßenecke bleiben wir stehen. Hier haben Michael und ich uns schon öfter hin verzogen, wenn wir mal unter uns sein wollten. Der große Parkplatz, mit dem alten Zaun bietet uns immer genügend Deckung, sodass wir vor neugierigen Blicken geschützt sind. Michael nutzt auch sofort seine Chance und umarmt mich heftig. Mein Herz schlägt gleich doppelt so schnell. Verdammt! Wie hab ich diesen Menschen vermisst. Seine Wärme, seinen Körper, seinen Duft. Michael ist wirklich ein Teil von mir geworden ohne den ich nicht mehr kann und will. Dann drückt er mich sanft etwas von sich weg und gibt mir einen langsamen Kuss. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht vor Glück aufzulachen. „Benny...“ Ja, ich weiß. Erst als wir unseren ersten Durst nacheinander gestillt haben, lassen wir voneinander ab. Umarmen tun wir uns aber immer noch. Aber jetzt will ich endlich mal wissen, was passiert ist! Michael löst daraufhin unsere Umarmung und zieht mich zum Zaun hin, an dem wir uns herab rutschen lassen, dann legt er wieder einen Arm um mich. „Ich hab dich wohl ziemlich erschreckt, hm?“ Ja, das hast du! „Ich weiß, wir wollten es zusammen sagen... Aber ich dachte ich hätte den passenden Zeitpunkt erwischt.“ Michael streichelt verlegen über meine Hände, dann seufzt er. „Ich hätte nicht gedacht, dass meine Eltern so reagieren würden. Mein Vater ist völlig ausgetickt!“ Das hab ich gemerkt. Aber Michael soll erst mal weiter erzählen, bevor ich mich dazu äußere. „Ich hab’s ihnen nach dem Abendessen gesagt. Meine Mutter hat erst nur überrascht geschaut... mein Vater hat gleich vor Wut die Obstschale vom Wohnzimmertisch gefegt. Der war echt angepisst...“ Michael gibt ein verachtendes Geräusch von sich, dann atmet er tief durch. „Als ich dann auch noch deinen Namen erwähnt habe, hat er mir eine geknallt...“ Bitte WAS! Entsetzt schaue ich meinen Freund an. Ich hab’s doch gewusst! Michaels Vater hat einen totalen Dachschaden. „Hey... Halb so wild! Du kennst mich doch.“ Oh ja! Und genau deshalb braucht er mir gar nicht so zu kommen! „Halb so wild!? Ich glaub dir geht’s zu gut. Der hat dich geschlagen! Das kann er nicht machen. Das darf er gar nicht!“ Ich glaub ich ruf doch noch die Polizei. „Benny! Das kann doch schon mal passieren.“ Will der das jetzt etwa herunter schaukeln? Sehe das nur ich so, oder färbt jetzt die Dummheit des Vaters auf den Sohn ab? „Das kann eben nicht mal passieren! Mein Papa hat mich noch nie geschlagen, also hat das deiner auch nicht zu machen – kein Vater darf das!“ Und wenn ich mich jetzt auf den Kopf stellen muss, von meiner Meinung lasse ich mich nicht abbringen. „Mein Vater ist aber nicht deiner!“, zischt Michael und schnauft. Was soll das denn jetzt heißen? „Guck nicht so, ist doch wahr!“ Was denn? „Herrgott, Benny. Nicht jeder hat so eine tolle Familie wie du!“ Michael nimmt seinen Arm weg und steht auf. Er geht ein paar Schritte von mir weg und schnauft kräftig. Dann fährt er sich mit den Händen durch seine Haare, dreht wieder um und kommt wieder zu mir. „Hat er das schon öfter gemacht?“, will ich wissen und ehrlich gesagt hab ich Angst vor der Antwort. Gibt es da etwa ein großes Geheimnis im Leben meines Freundes, das ich nicht kenne? Michael schaut mich nur ruhig an, dann schüttelt er den Kopf. „Nein, das hat er bis jetzt nur selten gemacht. Immer nur mal, wenn er wütend war.“ Michael setzt sich wieder zu mir. „Weißt du noch, als du und ich in den Sommerferien die Hauswand bei mir zuhause angemalt hatten?“ Oh ja, das weiß ich noch. Da waren wir grade mal elf gewesen. Wir haben einfach Straßenkreide genommen und dann alles mögliche auf die Wand geschmiert. Auf mein rotes Auto war ich besonders stolz, auch wenn ich zurückblickend sagen muss, dass man nur mit Mühe erkennen konnte, was es darstellen sollte. „Da war er zum Beispiel wütend...“ Ich muss schlucken. Heißt das, dass Michael damals geschlagen wurde, nur weil ich diese bescheuerte Idee hatte? Oh, Gott. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke... Was war mit dem Mal, als wir zu spät vom Schwimmbad zurückkamen? Oder als ich Michaels Fahrrad zu Schrott gefahren hatte? Musste da jedes Mal Michael herhalten? Wegen mir? „Benny! Hör auf. Das ist vorbei. Seit ich älter bin hat er es nie mehr gemacht!“ „Wirklich?“ Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme weinerlich klingt. Warum hab ich nie was gemerkt? „Hey! Wirklich. Tut mir leid!“ Und verdammt noch mal, warum entschuldigt er sich schon wieder? Das sollte doch wohl ich tun! „Benny, nicht!“ „Ach halt die Klappe!“, brumme ich und verstecke mein Gesicht an Michaels Brust. Meine Augen brennen so verräterisch und ich will nicht das Risiko eingehen, dass ich hier gleich heulend vor meinem Freund sitze. Der hat ja wohl viel mehr durchgemacht als ich. Michael sagt auch nichts mehr, sondern streichelt mir nur noch leicht über den Rücken. „Was machen wir jetzt?“ Ja, gute Frage. Ich weiß es doch auch nicht. Michaels Mutter scheint ja nicht das große Problem zu sein. Sein Vater ist hier der bekloppte Depp, der uns das Leben schwer machen will. Ich frage mich nur, warum er so vehement gegen uns ist? „Stell dir mal vor. Mein Vater hat mich heute sogar persönlich zur Schule gefahren – extra spät – damit ich nur keine Zeit mit dir verbringen kann!“ So wie Michael das sagt, klingt es fast wie ein Scherz, über den man lachen muss. Find ich aber gar nicht. Michael tut das ganze wahrscheinlich nur wieder mit seiner lockeren Art ab, aber in Wirklichkeit macht es ihm doch schwer zu schaffen. Ich kenne ihn doch. „Ich hätte auf dich hören sollen und nicht vorbei kommen sollen...“, nuschele ich in Michaels Pulli. Wenn ich ehrlich bin, dann ist es nur meine Schuld, dass es so weit gekommen ist. „Ach was... Er war eh schon sauer, da konntest du ihn gar nicht noch mehr reizen.“ Warum nur glaube ich ihm das nicht? Jetzt will er mich doch nur beruhigen. Wahrscheinlich gebe ich gerade ein ziemlich erbärmliches Bild ab. Deshalb reiß ich mich auch zusammen und zieh einmal kräftig die Nase hoch. Dann wische ich mir schnell noch über die Augen, um die leichte Feuchtigkeit verschwinden zu lassen. Michael grinst nur. Ja, der hat wieder gut lachen! Noch vor ein paar Tagen hat er geheult. Nein, daran will ich gar nicht mehr denken! „Benny, im Moment weiß ich echt nicht, was wir machen sollen...“ „Ja... ich auch nicht.“ Michael schaut mich traurig an. „Ich mach dir nur Ärger...“ Das glaubt er doch nicht wirklich? „Nein! Michael! Du bist der einzige Mensch, der mich glücklich machen kann!“, versichere ich ihm und laufe prompt knallrot an. Hab ich das etwa jetzt gesagt? „Benny.“ Jetzt hat er das verliebte Glitzern in den Augen. Ich weiß genau was jetzt kommt! „Ich liebe dich so sehr!“, flüstert er und schwupps, küsst er mich wieder. Ja, manchmal ist es schon toll, wenn der eigene Freund berechenbar ist! Trotzdem löst das nicht unser Problem. „Aber was machen wir jetzt?“, komm ich mal wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Ich weiß nicht... Ich... ich glaub es wäre das beste, wenn ich erstmal... also wenn ich erstmal nicht mehr mit dir zusammen bin. Also nur offiziell! Ich meine nur für meine Eltern. Also nicht in echt! Die sollen das nur denken! Verstehst du was ich meine?“ Fragend schaut er mich an. Gott, manchmal kann er aber wirklich süß sein. Zwar gefällt mir sein Vorschlag nicht wirklich, aber ich sehe ja irgendwo ein, dass es das beste ist, wenn wir erst mal Gras über die Sache wachsen lassen. Es ist wohl das Sinnvollste, wenn sein Vater keinen neuen Grund zum ausrasten findet. Ich will nämlich nicht erleben, dass Michael irgendwann einmal mit einem blauen Augen vor mir steht. Nach kurzer Bedenkzeit nicke ich also. „Aber wir sehen uns noch regelmäßig?!“ Das ist mir wichtig, darauf will ich nicht verzichten! „Natürlich!“ „Und alles andere auch... du weißt schon...“ Ich hoffe er versteht. Aber so wie er schaut weiß er genau was ich meine. Dann ist ja alles klar. Leise hören wir die Pausenklingel. Der Unterricht geht weiter. Eigentlich hab ich gar keine Lust jetzt aufzustehen und wieder in diesen bescheuerten Raum zu gehen. Lieber würde ich hier sitzen bleiben – zusammen mit Michael. Aber mein ach so toller Freund steht trotzdem auf und zerrt mich hinter sich her. Das einzige was mich antreibt sind seine leisen Worte. „Ich denke nach der Schule wäre es mal wieder an der Zeit für das „Andere“!“ Ich muss grinsen. Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- -7- Es lässt mir einfach keine Ruhe! Ich wollte es zwar, aber das es so endet, hätte ich nie gedacht. Wenn ich doch nur nicht so voreilig gewesen wäre! Michael wird schon seine Gründe gehabt haben, warum er unsere Beziehung noch geheim halten wollte. Ja, er hatte seine Gründe. Gute Gründe. Sehr gute sogar! Ich hab mich nie wirklich gefragt, warum er unser Geheimnis nicht teilen wollte. Warum er sich noch nicht zu mir bekennen wollte. Ich hab es einfach nur auf seinen fehlenden Mut geschoben. Tatsache ist, dass ich alles einfach zu leicht genommen habe. Ich hab mir alles viel einfacher vorgestellt. Klar, dass nicht alles ohne Probleme ablaufen würde, war mir bewusst. Trotzdem hab ich die möglichen Hindernisse nur bei mir und meinem nächsten Umfeld gesucht. Eben meinen Eltern, meinen Verwandten, meinen Freunden. Woran ich nicht wirklich gedacht habe, wird mir erst jetzt so richtig klar. Michaels Eltern, seine Verwandten, seine Freunde. Ich hab nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was passiert, wenn sie ihn ablehnen! Wenn sie es nicht gut finden. Warum hab ich nur an mich gedacht? Aber hinterher ist man ja bekanntlich immer schlauer. Falls ich mich in meinem nächsten Leben nochmal outen will, weiß ich dann ja Bescheid. Gott, wie bescheuert! Aber ändern kann ich es jetzt eh nicht mehr. Leider. „Was ist los?“ Aufgeschreckt schaue ich zu Michael hoch. Vor einer halben Stunde haben wir es uns auf der Couch in meinem Wohnzimmer gemütlich gemacht. Der Fernseher ist einfach größer, als das mickrige Ding in meinem Zimmer. „Nichts!“ Ich glaube es ist keine gute Idee mit dem Lügen jetzt auch noch bei Michael anzufangen, aber jetzt auszusprechen, dass ich unseren Entschluss bereue, bringe ich einfach nicht über mich. Michael tut wirklich alles, um es mir so einfach wie möglich zu machen. Immerhin ist es er, der seine Eltern anlügt und mit dem Risiko leben muss, dass sie es doch noch spitz kriegen. Wir sind sogar extra früher heim gegangen, weil Michael befürchtet, dass sein Vater ihn wieder von der Schule abholen will. Nacher will er den ganzen Weg wieder zurücklaufen und das alles nur, damit er mit mir zusammen sein kann! Ich komm mir erbärmlich vor. Gibt es denn nichts, was ich für ihn tun kann? „Benny? Worüber grübelst du nach?“ Nee, das werde ich dir bestimmt nicht erzählen! Abwartend schaut er mich an. Das macht er immer! Warum kann er nicht mal akzeptieren, dass ich auch mal was für mich behalten will? Muss ich ihm denn alles sagen, was ich denke? Tut er doch bestimmt auch nicht. Und warum werde ich jetzt plötzlich so zickig? Liegt wohl am Wetter, denn es wird langsam etwas düster. Wird wohl heute noch anfangen zu regnen... Boah, im Ausreden suchen war ich auch schon mal besser! Nur gut, dass Michael nichts von meinen abstrusen Gedanken mitbekommt. „Was ist eigentlich mit Dennis?“ Ah, jetzt denkt er, dass mir das auf den Magen schlägt. Tut es mir ja auch, aber nicht so sehr, wie die Sache mit Michaels Eltern. „Weiß nicht. Der hat seitdem nicht wirklich mit mir gesprochen... mit dir doch auch nicht. Haste ja heute gemerkt.“ Und wie wir das gemerkt haben! Michael und ich sind ja schon nach der zweiten Stunde verschwunden und haben das auch brav unseren Freunden mitgeteilt; die Lehrer glauben uns ist schlecht. Auch so ne Sache: Entweder die sind bescheuert und glauben einem jedem Scheiß, den man ihnen erzählt oder es interessiert sie einfach nicht. Zumindest hat es unseren Mathelehrer nicht gekümmert, dass wir gemeinsam heimgehen wollten, obwohl wir nicht mal im Ansatz krank ausgesehen haben. Egal, das ist ja jetzt auch nicht das Problem. Dennis war heute noch immer sehr zurückhaltend. Während Sabine und Alex noch immer wie eh und je mit uns quatschen, steht Dennis nur daneben und zieht an seiner Zigarette. Sogar Olli redet wieder lockerer mit uns! „Glaubst du, dass er ernsthaft was gegen uns hat?“ Gute Frage. Gegen uns als Personen kann er ja nichts haben, immerhin gab es vorher ja noch nie solche Schweigephasen. Nur gegen uns als Paar. Dabei könnte ihm das doch schnuppe sein. Ich will ja nicht ihn, ich hab ja meinen Freund schon! Ich zucke also nur mit den Schultern. Was soll ich auch groß dazu sagen? Zwingen kann ich Dennis ja nicht. Michael seufzt und reibt sich über die Augen. In letzter Zeit bin ich ihm wohl keine große Hilfe. „Vielleicht sollten wir auf ihn zugehen?“ Daran hab ich wirklich noch nicht gedacht. Aber warum sollten wir mal wieder den ersten Schritt machen? Dennis kann doch genau so gut auf uns zukommen. Immerhin sind es ja nicht wir, die sich quer stellen, das ist ganz allein Dennis! „Wenn er aber halt nicht will?!“, brumme ich nur. „Sag mal... liegt dir eigentlich noch irgendetwas an dieser Freundschaft?“, will Michael von mir wissen. Hat er das jetzt wirklich gefragt? Wieso hört sich das jetzt an, als wäre ich an allem Schuld? Was kann ich denn jetzt auch noch dafür, dass Dennis so bescheuert ist? Tut mir ja leid, aber im Moment haben wir doch wirklich schlimmere Probleme, als einen angeblich besten Freund! Dementsprechend schaue ich Michael auch an. Soll er’s mir doch von den Augen ablesen, dass kann er doch so toll! Oh Mann, ich glaube ich werde wieder zickig. Und das alles nur wegen dieses bescheuerten Wetters! „Benny, hast du mal dran gedacht, dass er nur auf eine Chance wartet?“ „Was für ne Chance denn?“ „Oh Mann...“ Warum verdreht er denn jetzt die Augen? War die Frage etwa so blöd, dass er sie mir nicht beantworten will? Sorry Mister Oberschlau, ich kann leider noch nicht hellsehen! Echt, das muss ich mir ja nicht geben. Demonstrativ rücke ich etwas von ihm ab. „Mensch Benny, jetzt spiel hier nicht den Beleidigten! Ich meine nur, dass du dir auch mal Gedanken drüber machen könntest, wie er sich fühlt!“ „Oh, glaubst du etwa ich mach mir keine Gedanken? Ich denke andauernd nach. Über dich, über mich und über unsere scheiß Zukunft, die im Moment so gar nicht rosig aussieht! Was willst du denn noch mehr?“ Ja, ich glaube echt, dass mich das so langsam auffrisst. Ich meine, was soll denn noch aus uns werden? Sollen wir uns wirklich jeden Tag vor Michaels Eltern verstecken? Das kanns doch nicht sein. Da war es vorher ja noch besser! Da wusste ich wenigstens noch nicht, dass ich einen wütenden und homophoben Schwiegervater im Nacken habe! Das kotzt mich alles so an! „Hey, das hab ich gar nicht gesagt!“, verteidigt er sich und zieht seine Stirn kraus. Aber so gemeint hat er es! Ich weiß ja selbst, dass ich mir zu wenig Gedanken gemacht hab! Aber das hätte er ja auch früher sagen können, bevor wir beschlossen haben uns zu outen. Es mir jetzt vorzuwerfen ist echt scheiße. Ich kann es nicht verhindern, dass mir ein eindeutiges „Tse“ herausrutscht. „Komm schon! Jetzt fang nicht so an. Ich weiß sehr wohl, dass du dir immer über uns Gedanken machst. Das kriegen wir schon wieder hin!“ Argh! „Eben nicht! Ich hab mir keine Gedanken gemacht. Nicht ein Mal! Sonst hätte ich geahnt, dass es solche Probleme geben würde! Hätte ich doch nur nie etwas gesagt!“ Michael schaut mich überrascht an, dann schüttelt er den Kopf. Hab ich das jetzt wirklich so gesagt? „Also...“ Michael weiß anscheinend nicht, was er darauf erwidern soll. Ich auch nicht. Was mach ich nur immer? Denk ich eigentlich vorher auch mal nach? Nein tu ich nicht! Zuerst mach ich unsere Beziehung schwerer als sie schon war, dann vergraule ich unsere Freunde und jetzt fall ich Michael auch noch in den Rücken! Wie tief kann ich eigentlich noch sinken? „Benny, das meinst du doch jetzt nicht so, oder?“ Ich weiß es doch selbst nicht! Mir ist alles zu viel. Ich hab einfach verdammt große Angst, dass ich Michael verliere und alles nur wegen meiner Dummheit. „Ich hab Angst...“, nuschel ich also leise. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht zur Abwechslung mal die Wahrheit zu sagen. Nochmal ein Wochenende in solcher Ungewissheit verkrafte ich bestimmt nicht. „Komm her!“, meint Michael nur genau so leise, rückt aber selbst zu mir hin und nimmt mich in den Arm. „Benny, du brauchst keine Angst zu haben. Das bekomm ich schon wieder hin.“ „Aber kann ich denn nichts machen? Es ist doch meine Schuld, dass es erst so weit gekommen ist!“ Ja, ich will nicht nur zugucken, wie mein Freund alles alleine regeln muss, ich will auch meinen Teil leisten. „Also wenn jemand Schuld hat, dann mein Alter! Du nicht!“ Dabei klingen seine Worte etwas hart. Ich glaub er ist im Moment wirklich nicht gut auf seinen Vater zu sprechen. Wäre ich ja auch nicht, hätte meiner so reagiert. Ich bin nur froh, das Michael so stark ist! „Und was kann ich machen?“ Michael seufzt, dann grinst er mich augenzwinkernd an. Oh oh. So hab ich das aber nicht gemeint! Hey? Was machen denn jetzt seine Finger an meinem Bauch? Der kann doch nicht... mhm... Was wollte ich eben sagen? „Du kannst mich ablenken!“, raunt er mir ins Ohr und pustet dann leicht hinein. Boah, jetzt hab ich Gänsehaut! Ablenken... ja, das kann er viel besser als ich! Herrgott, wie soll man denn da noch denken können, wenn einem einer an der Hose herumfummelt? Der will doch jetzt nicht etwa sein Versprechen von heute Vormittag einlösen? „Sollen wir in dein Zimmer?“ Jah... das wäre jetzt nicht schlecht. Ich will hier bestimmt nicht erwischt werden, falls meine Eltern auftauchen. Ich will ihre Geduld und ihr Verständnis ja nicht überstrapazieren! „Micha~el!“ „Was denn?“ Oh Mann! Wie kann der denn so cool bleiben? Und dann schaut er mich auch noch so unschuldig an! Dabei denkt er bestimmt an was versautes. Wer weiß, was er gleich mit mir anstellen will. Eigentlich ein verlockender Gedanke, immerhin hat Michael bis jetzt immer tolle Ideen gehabt. „Lass... uns hoch gehen!“, bringe ich atemlos heraus und muss erst einmal ein paar Sekunden Luft schnappen, als Michael sich von mir löst. Beim Aufstehen rutscht mir dann fast die Hose von den Hüften, der Teufel hat sie doch wirklich unbemerkt aufbekommen! Michael grinst natürlich, als er bemerkt, dass ich einige Schwierigkeiten hab mir die Jeans wieder zurechtzurücken. Ist ja auch nicht so einfach, wenn man mit den Gedanken gerade nicht im Hier und Jetzt ist! Na warte, du wirst gleich auch nicht mehr grinsen! Das schwöre ich dir. Zusammen schleichen wir dann eher die Treppe hinauf, als das wir gehen. Mensch, irgendwie kann ich nicht von ihm lassen. Fast wie ein hungriger, sabbernder Hund, der seinem Herrchen nachrennt, um noch ein Leckerli zu bekommen. Da frag ich mich doch glatt, wo Michael mein Leckerli wohl versteckt hat? Grrr! Oben angekommen zieht er mich dann sofort in mein Zimmer, knallt die Tür hinter mir zu und stupst mich auf mein Bett. Hui, der hat es wohl ziemlich eilig! Auf dem Rücken liegend schaue ich meinem Freund dann zu, wie er wieder zur Tür geht und den Schlüssel umdreht. Ja, sicher ist sicher. Dann grinst er mich wieder an, geht zum Fenster und zieht den Vorhang etwas zu, damit es schön schummrig wird, danach knipst er meine Nachttischlampe an. Ich glaube fast er will die richtige Atmosphäre schaffen! Als er dann auch noch eine CD einlegt und im Hintergrund leise, langsame Musik erklingt bekomme ich das Leuchten gar nicht mehr aus meinen Augen. So ein bisschen Romantik ist doch auch mal was! Aufgeregt liege ich also in meinem Bett und warte darauf, dass mein Freund zu mir kommt, als der mich nur hypnotisierend anschaut. Was denn? Hab ich da was im Gesicht? Oh Gott, das würde die Stimmung jetzt aber völlig zerstören. Dabei haben wir vorhin nur noch schnell ein Nutellabrot gegessen. Hab ich etwa die ganze Zeit schon Nutella an der Backe kleben? Hecktisch reibe ich mir über beide Backen und hoffe, dass ich nicht allzu rot anlaufe. Michael hätte ja ruhig was sagen können! „Was machst du denn da?“, lacht der aber nur. „Nutella wegmachen...“, murmel ich vollkommen verwirrt. Was auch sonst? Oder bin ich doch kein so Schmutzfink wie ich dachte? Michael schüttelt nämlich nur wieder den Kopf und kommt auf mich zu. „Du hast doch da überhaupt kein Nutella!“, meint er noch immer lachend und wuschelt mir durch die Haare. Hey! Das mach doch sonst nur ich! Aber gut, wenn ich nicht verschmiert bin, dann hab ich mir wenigsten den peinlichen Auftritt erspart... Michael krabbelt jetzt ganz über mich, gibt mir einen Kuss auf die linke, dann auf die rechte Wange und richtet sich dann wieder auf. Hm, angenehm, wie er da so auf meinem Schoß sitzt! Als ich ihn wieder etwas zu mir runter ziehen will, wehrt er meine Hände nur ab und deutet mir ruhig liegen zu bleiben. Herrje, der will doch jetzt keine Zeremonie daraus machen? Scheint aber fast so, denn er fängt langsam an sein Shirt hochzuziehen, während er sich gleichzeitig über den Bauch streichelt. Dann hoch zur Brust und schließlich zieht er sein Shirt ganz über den Kopf. Jetzt wird mir aber langsam richtig heiß! Wo hat er das nur gelernt? Wieder wehrt er meine Hände ab, als ich nach ihm greifen will. Stattdessen muss ich zuschauen, wie er wieder langsam mit seinen Händen hinunter wandert. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen. Ich hingegen kann mich grade nicht entscheiden, wo ich hin gucken soll. Augen oder Hände? Ehrlich, zwei Sachen auf einmal, dass ist doch zu viel verlangt! Als er dann aber an seinem Hosenbund ankommt, sind mir seine Blicke erst mal egal. Das da unten scheint interessanter zu werden! Und wie ich Recht habe. Dieses irre Geräusch, als er die Hose öffnet, langsam den Reißverschluss runter zieht und ich einen ersten Blick auf seine schwarze Unterwäsche erhaschen kann, macht mich ganz wahnsinnig! Michael weiß, was mir gefällt. Einen Moment später verschwindet seine Hand auch schon unter der engen Shorts und ich kann mir nur denken, was sie dort alles so treibt. Jetzt ist es aber vorbei! Ich richte mich etwas auf und werfe meinen Freund auf den Rücken! Mal schauen, ob er in den nächsten Minuten auch noch so cool bleibt! Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- -8- Hui, gerade eben hab ich Michael verabschiedet. Nach unserem kleinen Abstecher in mein Zimmer ist die Zeit doch etwas schneller verflogen, als wir gedacht haben. Dabei wollte Michael doch nochmal zur Schule. Wegen seinem Vater. Ich hoffe nur, er schafft es noch rechtzeitig, denn wenn meine Uhr nicht ganz falsch geht, dann müsste in etwa fünf Minuten die achte Stunde vorbei sein und somit Schulschluss für heute und von mir aus sind es knapp zehn Minuten zur Schule. Da muss er aber rennen. Na ja, ganz unschuldig bin ich auch nicht. Ich hab ihn ja noch ein bisschen abgelenkt – aber er wollte es ja auch so! Erst als er dann plötzlich aus dem Bett gesprungen ist und sich hektisch angezogen hat, hab ich geschnallt, wie lange wir gebraucht haben. Deshalb steh ich jetzt auch nur in meinen Jeans, die noch offen sind, hier im Ausgang. Nebenbei, die Zeit hat nicht mal gereicht, um mir meine Unterwäsche anzuziehen... Tja, aber wenigstens bin ich jetzt wieder etwas entspannter. So ein bisschen Ablenkung hat doch auch was für sich. Ich muss grinsen. Michael hat es doch glatt geschafft meine trüben Gedanken ein wenig zu zerstreuen. Vielleicht ist doch nicht alles so schlimm, wie ich gedacht habe! Als ich gerade wieder zurück auf mein Zimmer gehen will, klingelt es an der Haustür. Mein erster Gedanke ist, dass Michael etwas vergessen hat und es schnell noch holen will. Dementsprechend hastig laufe ich auch zur Tür und muss doch erst mal stocken, als ich ein anderes Gesicht sehe. „Patrick?“ Was macht der denn hier? Und auch noch ohne Hund? „Hey Benny!...“ Sein Blick gleitet langsam an mir runter und ich merke, wie ich rot werde. Vorhin hab ich nicht mal Zeit gehabt mir den Reißverschluss hochzuziehen, geschweige denn den Knopf zu schließen! Ach du scheiße, solch tiefe Einblicke wollte ich eigentlich niemandem gönnen – außer Michael natürlich. Peinlich berührt drehe ich mich um und ändere das schnell. Mist, mein Pulli liegt natürlich noch oben in meinem Zimmer! „Eh... kannst du hier mal kurz warten?“, piepse ich nur und werfe einen Blick über meine Schulter zurück auf Patrick, der grinsend in der Tür steht und nickt. Na dann. Schnell renne ich die Treppen wieder hoch in mein Zimmer und zerre mir die blöde Jeans von den Beinen. Erst mal was drunter ziehen! Dann die Hose wieder an und zum Schluss noch ein T-Shirt und ein paar Socken. Etwas langsamer und wieder voll begleitet gehe ich dann wieder runter, kann aber nicht verhindern, dass ich schon wieder rot werde. Was muss Patrick nur von mir denken? „Tut mir leid... ich hab grad nicht mit dir gerechnet...“, brumme ich nur undeutlich und biete ihm endlich einen Sitzplatz an. Oh Mann, von Gastfreundlichkeit hab ich wohl auch noch nie was gehört. Die Frage, ob er was zu Trinken will, kommt natürlich gleich danach. Ich bin ehrlich froh, dass er anscheinend durstig ist, denn das gibt mir noch etwas Zeit mich in der Küche zu sammeln. In der Küche verbringe ich, warum auch immer, extra lange Zeit mit dem Suchen nach einem geeigneten Glas. Was zum Geier macht Patrick denn auch hier? Ich meine, wir haben uns ja nett unterhalten, aber dass er mich gleich besuchen kommt? Und... oh Gott! Etwas nervös drehe ich die Wasserflasche auf, als mir klar wird, dass Patrick gesehen haben muss, wie ich Michael verabschiedet hab. Immerhin lagen zwischen Michaels Abschied und Patricks Auftauchen nicht mal zwei Minuten. Wenigstens hab ich Michael nicht vor der Tür geküsst oder so, dafür war einfach keine Zeit mehr gewesen. Aber mein Outfit... Welcher Jugendliche verabschiedet einen Freund mit offener Hose? Okay Benny, ganz ruhig! Ich war halt duschen und... und dann musste Michael schnell heim und ich hatte keine Zeit mehr mich anzuziehen! Ja! Aber warum dusche ich, wenn ich Besuch hab? Und warum sind meine Haare trocken, wenn ich doch nicht einmal Zeit hatte mich richtig anzuziehen? Kacke! Vielleicht fragt Patrick ja auch gar nicht? Und wenn doch? Ich glaub ich werd noch bescheuert! Was soll ich ihm denn sagen? Ja, äh, ich lauf halt öfter mit offener Hose bei mir zu Hause rum, damit auch mal da unten etwas Wind dran kommt?! Der denkt doch ich hab nen Knall! Auf jeden Fall muss mir schleunigst was einfallen, denn wenn Patrick nicht ganz blöd ist, dann braucht der nur eins und eins zusammenzählen und hat die Wahrheit schneller raus, als ich “Piep” sagen kann. Dabei wäre mir das vor ein paar Tagen noch gar nicht so schlimm vorgekommen! Mittlerweile glaube ich aber, dass schon genug Personen von mir und Michael wissen. Wirklich klasse. Fast widerwillig gehe ich mit dem Glas Wasser zurück ins Wohnzimmer, wo Patrick geduldig auf mich wartet. Lächelnd stelle ich ihm das Glas hin und warte, bis er einen ersten Schluck genommen hat. „Und, wie geht’s dir?“, fängt Patrick ein Gespräch an. „Gut und dir?“ Okay, alles noch ganz harmlos. Ich hoffe, dass nicht gleich die peinliche Frage kommt. „Bestens. Ich wollte nur mal schauen, wie es dir geht, nachdem ich dich am Wochenende so niedergeschlagen aufgegabelt hatte. Ich komm hoffentlich nicht ungelegen!“, Patrick grinst frech. Ob er wohl auf meine offene Hose anspielt? Egal, das wird jetzt einfach übergangen, solange er es nicht deutlich sagt. „Nee, schon okay. Ich freu mich dich zu sehen!“, versichere ich ihm und muss dabei nicht mal lügen. Eigentlich bin ich ja froh, dass er mich nicht so einfach vergessen hat. Das ist ja heutzutage auch nicht mehr selbstverständlich. „Dann bin ich ja beruhigt. Ich wusste nicht wie ich dich sonst nochmal wieder treffen konnte. Ich weiß ja nur wo du wohnst!“ Da hat er Recht. Er kennt ja nur meinen Namen und weil er mich nach Hause gebracht hat, weiß er auch wo ich wohne. Es wäre wohl leichter gewesen, wenn wir unsere Handynummern ausgetauscht hätten. Aber an dem Abend war ich mit den Nerven echt fertig. „Hat sich die Sache wieder geregelt?“, will er vorsichtig wissen. „Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Ich hab am Wochenende nur daran denken müssen.“ Das nenn ich mal freundlich. Patrick hat sich anscheinend wirklich ein paar Sorgen gemacht! Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Vor allem nicht, da ich ja bestimmt nicht so optimal in seinen Freundeskreis passe. Er ist immerhin schon neunzehn und ich werde erst in ein paar Wochen siebzehn. Obwohl... so ein großer Unterschied ist da ja auch nicht. Wäre schon schön, wenn wir Freunde werden könnten! „Na ja, wirklich verändert hat sich nichts. Sei... ehm... ihre Eltern können mich noch immer nicht leiden...“ Au Backe, da hab ich ja gerade noch mal die Kurve bekommen. Irgendwie ist es ja schon witzig, dass ich aus meinem Michael jetzt plötzlich ein Mädchen mache. Ich merk richtig, wie sich meine Mundwinkel etwas heben. Also wenn ich ihm das erzähle! „Hm...“ Patrick schaut mich nachdenklich an. Hoffentlich hat er nichts gemerkt. Oder er denkt ich hab womöglich Probleme mit der deutschen Grammatik! Oh Mann, was für ein Theater. „Und deine... Freundin hat schon versucht mit ihren Eltern zu reden?“ Moment. Warum hat er denn jetzt diese kleine Pause gemacht? Der weiß es doch nicht? Weiß er es? Oh Gott, er weiß es! Was mach ich denn jetzt? Mein leichtes Grinsen kann ich nur noch schwer aufrecht halten. Jetzt nur nichts anmerken lassen. Ich mach nur aus einer Mücke mal wieder einen Elefanten. Wahrscheinlich musste er nur ungünstig Luft holen... kann doch sein. „Doch doch, hat sie. Aber leider ohne großen Erfolg. Heute sind wir sogar extra früher aus der Schule gegangen, weil ihr Vater sie heute Morgen persönlich abgeliefert hat. Heute Mittag hat er sie wahrscheinlich auch wieder abgeholt!“, plaudere ich einfach drauf los. So lange ich Michaels Namen nicht nenne, kann er mir ja gar nicht auf die Schliche kommen! „Dann habt ihr euch also hier einen schönen Morgen gemacht?!“ „Japp, haben wir!“ Puh... Das hätte jetzt auch in die Hose gehen können. Ah, es ist gar nicht angenehm, wie mir die Hände kribbeln! Warum bin ich nur so nervös? „Und danach ist sie wieder zur Schule?“ „Ja!“, sage ich gedehnt, weil seine Frage auch so komisch rüber kam. Warum schaut er mich denn jetzt so an? Ich kann mich auch irren, aber ich glaub ich hör den Groschen bei ihm fallen. Langsam aber sicher. Ach du scheiße! Und jetzt lehnt er sich auch noch so zufrieden zurück und trink langsam sein Glas leer. Also hier läuft etwas richtig schief! „Wie ist deine Freundin denn so?“ Ehm, ja. „Warum? Willst du sie mir etwa ausspannen?!“, lache ich ziemlich übertrieben. Ich hab da ja ein ganz seltsames Gefühl... „Quatsch! Ich dachte ja nur. Ist doch nichts dabei, oder?“ Eigentlich nicht. Fein, dann beschreibe ich meinen Michael mal, oder eher Michaela. Oh Gott, ich muss schon wieder grinsen! „Also, sie ist ein ganz liebes Mädchen. Sie hat dunkelbraune Locken, nur ein paar. Sie ist sechzehn und hat schöne blaue Augen und wir kennen uns schon ewig!“ Ja, das trifft es so ungefähr. Das Michael etwas größer ist als ich und auch kräftiger gebaut, kann man hier ja mal unter den Tisch fallen lassen. Ein Mädchen mit Muskeln würde wohl nicht so gut ankommen. „Aha, klingt nett!“ Aha, klingt für mich nach einem „Aber“. „Und wer war der Kerl, der vorhin dein Haus verlassen hat?“ Oh ja. Das war direkt. Ich muss erst mal überlegen, was ich darauf sagen soll. Will er mir damit etwa deutlich machen, dass er mein Geheimnis kennt oder ist er einfach nur daran interessiert, wer dieser „Kerl“ war? Aber warum dann dieser abrupte Themenwechsel? „Das war Michael!“, sage ich erst einmal. Vielleicht gibt er sich damit ja schon zufrieden? „Ah, der hatte auch braune Locken, oder?“ Alles klar. Kommt es jetzt blöd, wenn ich mich weiter dumm stelle? Das kann ja gar kein Zufall mehr sein! Ich muss erst mal wieder lange überlegen, was ich darauf sagen soll. Nach etlichen Sekunden bring ich dann ein „Ich glaub schon!“ heraus. Patrick nickt, dann lehnt er sich wieder etwas nach vorne. „Benny, ich weiß ja nicht wie du deine Freunde verabschiedest... aber die offene Hose hat irgendwie ein eindeutiges Bild auf dich geworfen!“ Dann schaut er mich fragend an. Hofft er jetzt etwa, dass ich dafür eine passende Ausrede hab? Wie war das nochmal? Die Dusche oder doch lieber der frische Wind?! Oh je... „Hör mal, ich kann mich ja auch irren. Aber kann es sein, das dieser Michael deine... Freundin ist?“ Ich will heulen! Das kann doch nicht wahr sein. Warum immer ich? Wochenlang bekommt keiner heraus, dass ich einen Freund hab und jetzt scheinen alle den totalen Durchblick zu haben! Okay, eigentlich nur Patrick, aber das reicht ja auch schon. „Ich deute das mal als ein Ja !“ Schweigen ist anscheinend auch ne Antwort. Ich muss schlucken. Findet er das jetzt schlimm? Steht er jetzt gleich auf und geht wieder? „Hey, es wäre schön, wenn du dazu mal was sagen würdest. Kann ja auch sein, dass ich hier völligen Unsinn rede!“, meint er locker und schaut mich auffordernd an. „Wäre es schlimm, wenn du Recht hättest?“ Es kann ja nicht schlecht sein, wenn ich mal vorsichtig anteste, ob er mir gleich den Kopf abreist. Es fällt mir nämlich nicht gerade leicht, Patrick richtig einzuschätzen. Dazu kenn ich ihn einfach noch zu wenig. „Ganz im Ernst. Mir würde es nichts ausmachen!“ Na, das haben ja schon viele behauptet. „Es würde dir also nichts ausmachen, wenn ich mit einem anderen Jungen ins Bett gehe?!“, frage ich provokant. Wenn er jetzt was falsches sagt, dann kann er verschwinden! „Also, was du in deinem Bett mit wem auch immer anstellst, das kann mir ja eigentlich egal sein. Und selbst wenn es mit einem Jungen wäre. Ist ja nicht so, als wäre mir das völlig unbekannt!“ Jetzt muss ich doch mal scharf nachdenken. Hat er sich nur falsch ausgedrückt, oder soll das etwa heißen, dass er auch...? Eh. „Stellen wir mal klar. Du bist mit diesem Michael tatsächlich zusammen?“ Ich nicke fast automatisch. Seine Worte lenken mich noch etwas zu sehr ab. „Alles klar!“ Und schon lehnt er sich wieder entspannt zurück, so als hätten wir hier über ein Auto oder sonst was geredet. Will der mich jetzt verarschen? „Alles klar? Und wieso ist dir das nicht unbekannt?“ Ehrlich, das würde mich jetzt mal interessieren! Patrick lacht leise, dann dreht er sich etwas zu mir um. „Na ja. Ich war ja auch mal jung!“ Soll mir das jetzt alles erklären? Er ist doch erst neunzehn! Er zuckt etwas unbeholfen mit den Schultern, anscheinend ist es ihm doch etwas peinlich. „Also, auf einer Geburtstagsparty von einem Freund... da ist es mir halt mal passiert...“ Er schaut mich grinsend an und ich seh deutlich, dass sich auf seinen Wangen ein leichter Rotschimmer gebildet hat. Mein Gott! Patrick hatte mal was mit einem Jungen? Ich dachte er würde nur auf Frauen stehen. „Du... Echt?!“ Ich muss kräftig nach Luft schnappen. Irgendwie bin ich gerade ziemlich überrascht, gleichzeitig aber auch irgendwie froh. Heißt das jetzt, dass ich jemanden kenne, der fast so ist wie ich? „Bevor du hier noch umkippst...“, lacht er und kratzt sich verlegen am Kopf. „Ich war damals schon etwas angeheitert...“ Egal! Mir vollkommen egal! Patrick findet es nicht schlimm. Noch besser, er weiß wie es mit einem anderen Mann ist. Vor Freude und Erleichterung muss ich glatt anfangen zu lachen. Oh Mann, ich merk richtig, wie mir der Stein vom Herzen fällt. Wenn ich das alles Michael erzähle! Der wird vielleicht Augen machen! Aber zuerst muss ich mehr über Patrick und diese Geburtstagsfeier erfahren! „Erzähl!“ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Frohe Ostern!! ^^ ---- -9- „Das ist nicht dein Ernst?!“ „Doch. Und dann haben wir uns wieder geküsst. Ich hab gar keinen Unterschied bemerkt. Eigentlich so, wie bei einem Mädchen, vielleicht mit ein paar Bartstoppeln...“ Ich muss lachen. Das ist aber auch wirklich unglaublich, was Patrick da erlebt hat! Seit knapp zehn Minuten berichtet er mir schon, wie es sich damals bei ihm zugetragen hatte. So wie ich das bis jetzt verstanden habe, war alles reiner Zufall. Patrick kam schon mit schlechter Laune auf den Geburtstag seines besten Freundes, der unbedingt in seinen Achtzehnten hinein feiern wollte. Also so richtig typisch, mit allem drum und dran. Die Feier hat dann in einem Sportheim stattgefunden, mit reichlich Freunden und selbstverständlich auch reichlich Alkohol. Und weil Patrick nicht so wirklich Lust auf Party hatte, fand er die bunten Drinks sehr verlockend. Aber die Dinger haben es ja ganz schön in sich, dass hab ich auch mal merken müssen... aber das ist ne andere Geschichte. Auf jeden Fall wurde Patrick dann immer lockerer und je später es wurde, umso wilder wurden die Gäste. Und was kommt dann? Ja, Flaschendrehen. Egal wie altmodisch, oder abgeschmackt, Flaschendrehen gehört einfach dazu. Patrick hat sich aber nicht hinreißen lassen, er war nur Zuschauer, obwohl ich das ja stark bezweifle. Egal, irgendwann rutscht nämlich auch dieses harmlose Spiel ins Perverse ab. Irgendwer fängt dann immer an mit „Du musst den küssen“ oder „Hose runter!“. Ich selbst hab den Scheiß ja schon oft genug mitgemacht, kennen wir ja alle. Und spätestens wenn sich die ersten Kerle küssen müssen, fallen auch die letzten Hemmungen. Alle die noch nicht zu hacke sind, grölen laut und plötzlich ist es scheißegal, wie peinlich das ist, was man macht. So war es auch auf Patricks Party. Er hat da natürlich keine Ausnahme gebildet und irgendwie hat sich dann eins aus dem anderen ergeben. Am Ende brauchte dann keiner mehr ne Flasche zu drehen, weil jeder freiwillig irgendeinen Quatsch gemacht hat und Patrick da ganz rein zufällig auch mit rein gezogen wurde. Bis zur nächsten ruhigen Ecke - in Patricks Fall, der lustig angemalte VW-Bus seines Partners - war es dann auch nicht mehr weit. Ich muss schon sagen, so was hätte ich ihm gar nicht zugetraut! „Und was kam dann?“ Nein, ich bin gar nicht neugierig! „Das kannst du dir doch denken!“ Ui und schon wieder läuft er rot an. Tja, Pech gehabt, jetzt will ich Details. Ich schüttle also hastig meinen Kopf und schau ihn abwartend an. Aus der Sache kommt er jetzt nicht mehr raus! „Na ja... Kleider aus und... du kennst das doch!“ Ja, aber ich würd‘s gerne hören! „Seid ihr wirklich bis zum Äußersten gegangen?“ Patrick verdreht die Augen. „Was verstehst du denn darunter?“ Boah, jetzt grinst er so frech! Soll ich ihm das mit den Bienchen und Blümchen etwa nochmal erklären? „Das weißt du doch genau!“, behaupte ich und grinse zurück. So leicht lass ich mich nun auch nicht veräppeln. „Also... den ganzen Weg sind wir nicht gegangen... da fehlte uns wohl die nötige Übung, oder auch das Zubehör... ah, über was rede ich nur!“ Patrick reibt sich mit beiden Händen übers Gesicht und seufzt schließlich laut. Ich kann’s ja selbst nicht glauben worüber wir hier reden! Dabei kenne ich Patrick doch noch nicht so lange! „Aber ihr seid schon... ehem... gekommen...?!“ Jetzt ist es mir aber auch ein bisschen peinlich. Über so was rede ich normalerweise nie mit jemanden. Bisher war das nur Thema zwischen Michael und mir, aber da ist es ja auch etwas ganz Normales. Patrick schaut mich vielsagend an und grinst dann wieder. Also das deute ich mal als ein Ja. Wahnsinn! Der hatte doch echt ein One-Night-Stand mit einem anderen Jungen und dabei ist er nicht einmal schwul! Ist er doch nicht, oder? „Bist du jetzt schwul oder hetero?“ „Ich würde sagen... seit dem Erlebnis... ein bisschen von beidem.“ Dabei zuckt er wieder mit den Schultern und zeigt ein schiefes Lächeln. „Also ich meine, ich mag Frauen schon sehr! Aber ich glaub, dass ich einem Mann nicht unbedingt abgeneigt wäre... aber für ne ganze Beziehung? Ich weiß nicht...“ Er lehnt sich wieder weiter zurück und verschränkt die Hände hinter seinem Kopf. Ich dagegen schau ihn immer noch überrascht an. Patrick würde also noch einmal was mit einem Mann anfangen? Ist ja krass! Da haben wir wohl endlich einen Gleichgesinnten gefunden! „Aber jetzt wieder zu dir!“ Och nö! Jetzt, wo es gerade so lustig war. „Die Eltern deines Freundes... Michael, oder? Die können dich nicht leiden, weil sie nicht wollen, dass ihr Sohn mit einem anderen Jungen zusammen ist?“ Das hat er aber schnell raus bekommen, war ja auch nicht weiter schwer! Ich nicke etwas betrübt. Eigentlich hab ich ja keine Lust jetzt dieses Thema anzuschneiden, da verdüstert sich nur wieder meine Stimmung, die Michael vorhin so mühsam wieder aufgebaut hat. „Ja...“, murre ich dann nur leise. „Seit wann wissen sie es denn schon?“ „Seit Samstag. Da, wo wir uns zum ersten Mal getroffen hatten.“ Ja, so lange ist das noch nicht mal her. Aber diese paar Tage kommen mir wie die Ewigkeit vor. Schon verrückt, manchmal vergeht die Zeit wie im Flug und ein anderes Mal zieht sie sich dahin wie ein alter, dreckiger Kaugummi. Auf jeden Fall nervt es mich. Diese Sache mit Michaels Eltern geht mir gehörig gegen den Strich! Ist ja gut und schön, wenn sie eine gewisse Zeit brauchen, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Aber das blöde ist ja, dass sie das anscheinend gar nicht vorhaben! „Ist ja noch nicht all zu lange her...“, meint Patrick dann auch nur. „Kann es nicht sein, dass sie etwas... na ja, überrascht waren? Wahrscheinlich brauchen sie nur ein wenig, um sich dran zu gewöhnen?“ Das will ich ja auch denken. Aber so richtig klappt das nicht. Michael hat ja selbst gesagt, wie toll sein Vater das aufgenommen hatte. „Ich glaub, die haben eher was gegen die Tatsache, dass Michael und ich anders sind.“ „Hm.“ Patrick schaut nachdenklich auf seine Hände. „Haben sie dir das so gesagt?“ „Nicht direkt...“ Nein, so hat es Michaels Vater nicht zu mir gesagt. Dafür hat er mir aber deutlich gemacht, dass ich mich Michael nicht mehr nähern soll. Für den bin ich der Abartige und sein Sohn das unschuldige Lamm. Das sage ich auch Patrick. „Aber dazu gehören doch immer zwei! Glaubt der etwa, du hättest Michael dazu gezwungen?“ Was weiß denn ich? Der glaubt wahrscheinlich sogar, dass ich direkt aus der Hölle gekommen bin oder so einen Mist. Ist mir eigentlich auch egal, was er denkt. Der soll mich nur zu meinem Michael lassen und gut. „Wer weiß, was der denkt!“, meine ich also nur dazu und zucke mit den Schultern. „Aha. Und was ist jetzt? Michael war doch vorhin bei dir, oder?“ „Ja, schon, aber seine Eltern wissen das nicht. Ich glaub das ist auch besser so...“ Irgendwie muss ich grade daran denken, was Michael heute Vormittag zu mir gesagt hat. Sein Vater hatte ihm eine geknallt. Was wird passieren, wenn raus kommt, dass wir uns immer noch treffen? Für mich bedeutet es ja nicht unbedingt eine Gefahr, aber für meinen Freund! Ich will auf keinen Fall, dass sowas nochmal passiert. Schon schlimm genug, dass es überhaupt passiert ist! „Das löst aber noch immer nicht euer Problem...“ „Das weiß ich auch!“, knurre ich leicht. „Hast du etwa eine bessere Idee?“ Patrick atmet tief ein und schaut mich dann nachdenklich an. „Vielleicht solltet ihr wirklich erst einmal etwas Gras über die Sache wachsen lassen, zumindest solange, bis sich sein Vater wieder beruhigt hat. Danach könnt ihr ja noch einmal versuchen mit ihm zu reden.“ Ich zucke nur mit den Schultern. Ich glaube nicht, dass mit Michaels Vater gut reden ist. Wahrscheinlich würde ich nur alles wieder schlimmer machen und der, der dann darunter leiden muss, ist wieder Michael. Nein, das will ich auf keinen Fall riskieren! Patrick scheint auch zu merken, dass ich von seinem Vorschlag nicht so besonders begeistert bin, denn er seufzt nur. „Ich nehme mal an, dass es deine Eltern auch wissen?“ „Das ich mit Michael zusammen bin? Ja!“ „Wie haben die denn reagiert?“ „Eigentlich sehr gut. Mein Papa schaut mich zwar manchmal noch etwas nachdenklich an, aber ansonsten scheinen sie es gut wegzustecken.“ Michael hatte schon Recht: Ich hab wirklich Glück mit meiner Familie. Nicht alle hätten diese Nachricht so selbstverständlich aufgenommen, wie meine Eltern. Wenn ich so drüber nachdenke, dann wäre es mir fast lieber, wenn sie etwas mehr gewütet hätten und dafür Michaels Vater etwas gelassener reagiert hätte. Das würde uns jetzt wirklich einigen Kummer ersparen. Aber ich hab ja schon gemerkt, dass nicht alles immer so läuft, wie ich es gerne hätte. „Na wenigstens etwas!“, lächelt Patrick. „Und sonst? Freunde, Verwandte?“ Sofort muss ich an Dennis denken. Die anderen drei, die es noch wissen, haben es ja ziemlich gut aufgenommen. Olli ist vielleicht noch ein wenig zurückhaltend, aber das wird bestimmt noch besser. Ob ich mich nicht doch mal zusammenreißen und auf Dennis zugehen sollte? Kann ja sein, dass er wirklich nur darauf wartet und sich von selbst nur nicht traut? Ich schüttele leicht meinen Kopf und erzähle dann Patrick grob, was alles vorgefallen ist. Er hört auch geduldig zu und überlegt erst einige Momente, bis er mir seine Meinung dazu sagt. „Na ja. Es wäre wahrscheinlich das Beste, wenn ihr nochmal miteinander redet. Es ist doch egal, wer den ersten Schritt macht, wenigstens weißt du dann woran du bei ihm bist. Ich kann dazu leider auch nicht viel mehr sagen, ich kenne Dennis ja nicht.“ „Hmm...“ Ich glaube, er hat Recht. Michael hat mir doch auch so etwas ähnliches gesagt. „Ich sollte wohl wirklich nochmal mit ihm reden... ich und Michael...“, murmele ich und schaue Patrick etwas zerknirscht an. Warum hab ich nicht gleich auf meinen Freund gehört? „Das wird schon wieder. Er hat doch euer Geheimnis bis jetzt noch nicht ausgeplaudert. Ich glaub nicht, dass er eure Freundschaft nicht mehr will!“ Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Was ein paar aufmunternde Worte doch alles bewirken können! Es ist wirklich schön, mal mit jemand anderem über meine Sorgen zu reden und dass Patrick mich auch zu verstehen scheint, macht das Ganze gleich doppelt so angenehm. Und wie wir da so sitzen, merke ich gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht. Erst als sich die Haustür öffnet und meine Mutter reinkommt, realisiere ich, dass es schon fast fünf Uhr sein muss. „Oh, Hallo?!“ Meine Mama steht erst mal überrascht im Wohnzimmer und schaut zwischen mir und Patrick hin und her. Verständlich, immerhin kennt sie ihn ja noch gar nicht, was ich aber schnell ändern kann. Nachdem ich Patrick meiner Mutter vorgestellt hab und umgekehrt, verabschiedet sie sich auch gleich wieder, um sich erst einmal etwas frisch zu machen. Patrick grinst mich an. „Ich sollte wohl so langsam wieder gehen...“, meint er vage und schaut mich fragend an. Aber bevor ich antworten kann ruft meine Mutter von oben herunter, ob ich Patrick nicht noch zum Abendessen einladen will. Also zucke ich grinsend mit den Schultern und frage ihn das gleiche nochmal. Patrick ist auch einverstanden und bleibt noch bis auch mein Vater da ist und wir endlich zu Abend essen. *** Ich hab mir den Rat von Michael und Patrick zu Herzen genommen und warte nun in einem kleinen Café auf Dennis und meinen Freund. Nach dem Gespräch am Montag, mit Patrick, hab ich mir selbst einen Ruck gegeben und am nächsten Tag Dennis gefragt, ob er nicht mal mit uns einen Kaffee, Tee oder Kakao trinken gehen will. Das kleine gemütliche Café am Rande der Fußgängerzone unserer Stadt ist genau das richtige dafür, wie ich finde. Natürlich hatte ich Michael vorher eingeweiht und er hat mir versprochen, dass er auch käme, wenn er sich zuhause losreißen kann. Seit seinem Geständnis haben seine Eltern nämlich plötzlich ein besonderes Interesse an allem, was Michael so in seiner Freizeit macht. Aber es ist ja noch etwas Zeit, bis Dennis auftauchen wird. Warum ich schon so früh hier hergekommen bin, weiß ich selbst nicht so genau. Wahrscheinlich hab ich es zu Hause einfach nicht mehr ausgehalten. Ich hab mir echt den ganzen Tag schon den Kopf darüber zerbrochen, was ich ihm sagen soll, damit wir wieder normal miteinander reden können. Denn wenn ich es auch zuerst nicht wahrhaben wollte, macht es mir doch zu schaffen, wie sich unser Verhältnis entwickelt hat. Grübelnd starre ich in meine Tasse Kakao, aus der ich schon längst die Sahne gelöffelt hab. Ich steh auf das Zeug, auch wenn es noch so süß sein mag – man gönnt sich ja sonst nichts. Aber warum ich immer noch ein kleines Päckchen Zucker dazu bekomme, weiß ich auch nicht so wirklich. Die Schokolade allein reicht doch schon völlig, aber nein, immer liegt da noch ein Päckchen Zucker dabei! Hm, über was ich mir so Gedanken machen kann. Schon zehn vor vier. Um vier wollten wir uns hier treffen. Michael wollte eigentlich schon früher da sein, aber wahrscheinlich läuft nicht alles so glatt, wie er es gerne gehabt hätte. Mir reicht es ja, wenn er noch nachkommt, nicht das ich hier alleine mit Dennis sitzen muss, denn ich muss zugeben: Ich hab ein bisschen Bammel. So ein leichtes Kribbeln im Bauch. Und zu allem Überfluss weiß ich noch immer nicht, was ich zu ihm sagen soll! Wahrscheinlich werde ich mal wieder reden, ohne vorher nachzudenken. Normalerweise ist Michael da ganz anders als ich. Der denkt nämlich meistens vorher drüber nach, bevor er so los plappert. Nur bei dem Gespräch mit unseren Freunden ist er mal etwas lauter geworden. Wäre wohl auch keine so gute Idee die beiden allein aufeinander loszulassen?! Aber so wie es aussieht, muss ich die Suppe diesmal allein auslöffeln, denn Dennis kommt gerade durch die Tür und schaut sich suchend um. Ich winke ihm, als er in meine Richtung schaut. „Hallo“ „Hi“ Ich schaue ihm unauffällig zu, wie er seine Jacke über die Stuhllehne hängt und sich dann mir gegenüber hinsetzt. Ich finde die wenigen Sekunden Ruhe jetzt schon quälend, obwohl um uns herum so viel Lärm ist. Lachende Leute, die sich anscheinend viel zu erzählen haben, nur Dennis und ich nicht. Ich seufze. „Was ist?“, will er leicht grinsend wissen. Ich muss spontan auch grinsen. Sein Tonfall hatte gar nichts herablassendes, nichts wütendes oder sonst was negatives. Er wollte einfach nur wissen, warum ich seufze. „Na ja. Ich weiß nicht was ich sagen soll...“, versuche ich ein Gespräch in Gang zu bringen, wobei ich wohl nicht das beste Thema angeschnitten hab. Nicht, dass das jetzt ein Gespräch über Gott und die Welt wird und wir am Schluss noch genauso dumm wie vorher sind. „Kann ich verstehen... wo ist eigentlich Michael?“ „Der wollte eigentlich schon hier sein. Sein Vater wird ihn aber nicht so leicht lassen, nehme ich mal an.“ Dennis schaut mich fragend an, der weiß ja noch gar nicht, was alles vorgefallen ist. Eigentlich weiß das niemand außer Patrick, ich, Michaels Eltern und natürlich Michael selbst. Ich zögere dementsprechend auch einen Augenblick, ob ich mit der Wahrheit rausrücken soll. „Michaels Eltern wollen nicht, dass wir zusammen sind.“, erkläre ich also kurz und warte auf eine Reaktion. Ich kann deutlich sehen, wie Dennis die Zähne zusammen beißt, nur ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, kann ich nicht so richtig einschätzen. Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- -10- Ich nehme einen großzügigen Schluck aus meiner Tasse, die schon fast leer ist. Am besten bestelle ich mir mal eine neue... Dennis hat noch immer nichts gesagt. Ich will ihn auch nicht drängen, denn es sieht so aus, als würde er sich gerade gedanklich die richtigen Worte zurechtlegen. Diesmal ist das Schweigen nicht quälend, sondern eher anderer Art. Ich bin neugierig, was er darauf zu sagen hat. Wird er Michaels Eltern zustimmen oder ist er doch anderer Meinung? Wird er jetzt zu uns halten oder wird er jetzt unsere Freundschaft beenden? „Also, das hört sich jetzt bestimmt komisch an... vor allem da es von mir kommt... aber ich glaube Michaels Eltern übertreiben ein bisschen...“ Vorsichtig schaut er auf und lächelt mich leicht an. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Dennis hat sich für eine Seite entschieden und ich bin froh, dass wir ihm anscheinend doch wichtig sind. „Ich sollte mich wohl entschuldigen, aber warten wir damit noch, bis Michael da ist!“ Ich nicke und als eine junge Bedienung an uns vorbei geht, bestelle ich mir noch eine Tasse heiße Schokolade. Dennis nimmt eine Cola. Dann fangen wir langsam an, uns über ganz belanglose Dinge zu unterhalten und ich merke, wie wir beide lockerer werden. Erst als Michael dann auftaucht, zieht sich Dennis nochmal ein bisschen zurück und für ein paar Momente herrscht wieder Schweigen. „Ich muss mich bei euch entschuldigen!“, fängt Dennis dann an. Er schaut auf sein Glas und hält es mit beiden Händen fest. „Ihr wollt jetzt sicher auch noch eine Erklärung...“ „Wäre schon nett!“ Ich schaue zu Michael, der gerade meine Tasse wieder auf den Tisch stellt, ihm schmeckt Schokolade anscheinend auch. Trotzdem soll er sich mal schön selber was bestellen, das ist nämlich meine Tasse! „Also... kennt ihr noch Jakob?“ Michael runzelt die Stirn, ich muss ebenfalls stark nachdenken. Wer war das jetzt nochmal schnell? „Der Kleine aus unserer Parallelklasse? Der, der schon nach der achten Klasse weggezogen ist?“, wirft Michael dann in den Raum. Ja, an den kann ich mich noch erinnern, aber auch nur, weil er der einzige Junge mit einem Mädchenrucksack war. Ein lila 4You Rucksack, wenn ich mich richtige erinnere. „Ja, genau der...“, nickt Dennis und nimmt noch schnell einen Schluck Cola, bevor er weiter redet. „Wisst ihr noch, dass wir uns oft über ihn lustig gemacht haben?“ „Ja.“ Das haben wir nämlich wirklich gemacht. Selbst ich hab mal mit dem Finger auf ihn gezeigt oder ihn Mädchen genannt. Wenn ich so zurückdenke, dann muss es nicht gerade schön für Jakob gewesen sein. Aber was hat der jetzt mit Dennis und uns zutun? „Ihr habt ja noch harmlose Sache zu ihm gesagt... halt das, was alle gemacht haben... Aber ich und noch ein paar andere...“ Dennis hält inne und fährt sich mit den Fingern durch die Haare. „Na ja, wir haben ihn immer als Schwuchtel beschimpft, als schwule Sau und so’n Zeug...“, murmelt er leise vor sich hin. „Das ganze blieb dann nicht ohne Folgen...“ Michael neben mir zieht die Augenbrauen zusammen und lässt Dennis nicht aus den Augen; ich muss selbst erstmal verstehen, was Dennis uns damit sagen will. „Seine Eltern haben dann irgendwann mitbekommen, dass er gehänselt wurde und wir wurden alle zum Direktor bestellt. Wir haben Jakob damals echt fertig gemacht, aber das war uns irgendwie noch nicht richtig bewusst... Nur durch unsere dummen Worte haben wir ihn dazu gebracht, dass er sich nicht mehr zur Schule getraut hat. Schlussendlich fanden es dann alle besser, wenn er die Schule wechselte...“ Dennis schaut noch immer auf den Tisch, dann räuspert sich Michael. „Verstehe...“ Eh, ja. Ich ehrlich gesagt nicht. Was hat das denn jetzt mit uns zu tun? „Gut...“, meint Dennis leise und erleichtert. Ich hingegen stupse vorsichtig Michael an und schaue ihn fragend an. Mein Freund grinst nur und lehnt sich dann etwas zu mir rüber. „Fehlt dir mal wieder der Durchblick?“ Ey, das ist jetzt gemein! Trotzdem nicke ich. Michaels seufzt. Dann richtet er sich wieder an Dennis. „Also wenn ich dich richtig verstanden hab, dann wolltest du uns das, was Jakob passiert ist ersparen... auf eine seltsame Art und Weise...“ Dennis nickt. „Ich will nicht, dass euch das gleiche passiert. Jakob war nicht mal schwul und wir haben ihn so fertig gemacht! Was wenn jemand erfährt, dass ihr wirklich zusammen seid? Dann kennen die doch keine Gnade mehr!“ Langsam fügt sich für mich das Bild zusammen. Dennis hatte Bedenken, weil man uns beschimpfen könnte? Deshalb fand er die Idee, dass Michael und ich ein Paar sind so schrecklich? Weil er selbst weiß, wie Menschen sein können und wie fertig das ein Opfer machen kann? Er hat also eigentlich gar nichts gegen Schwule, sondern nur gegen die paar doofen Leute, die uns eventuell beleidigen könnten? „Nur deshalb hast du uns so angeschnauzt?“, will ich verdattert von ihm wissen. Soll das etwa der Grund sein, warum er sich so blöd benommen hat? „Ich weiß... ich bin nicht besser, als die anderen Idioten... aber in dem Moment hab ich nicht mehr wirklich nachgedacht...“, gibt er kleinlaut zu. „Und warum hast du uns das nicht schon eher gesagt?“, brumme ich. Das kann doch nicht sein. Die ganze Aufregung wegen so einem Quatsch! „Benny!“ Grimmig schaue ich zu Michael. Was hat er denn jetzt wieder an meiner Frage auszusetzen? Aber mein Freund deutet nur auf Dennis, der noch immer in sich versunken auf die Tischplatte starrt und ziemlich verzweifelt aussieht. Erst da fallen mir wieder Michaels Worte ein: “... Vielleicht wartet er ja auf eine Chance...” Ja, wenn ich so darüber nachdenke, ist es nicht leicht den ersten Schritt zu machen. Ich wollte ja selbst nicht. Dennis hatte wahrscheinlich nur Schiss, sich uns zu stellen. Ich nicke also nur leicht und gebe Dennis zu verstehen, dass er auf meine Frage nicht mehr zu antworten braucht. Er lächelt mich auch dankbar an und ich grinse zurück. Ich glaube, wenn wir uns alle etwas mehr zusammengerissen hätten, dann wäre der ganze Streit nicht nötig gewesen. „Dann vergessen wir das?“ Michael und ich nicken. „Alles vergeben und ver... HEY!“ Ich glaube ich spinne! „Das ist meiner!“ Michael hat sich doch tatsächlich wieder meine Tasse geschnappt, obwohl ich die extra weit von ihm weg gestellt hatte! Und jetzt grinst er auch noch so dreckig und schaut mir in die Augen, als er genüsslich die letzten Schlucke trinkt. „Ich glaub das ja nicht!“ Dennis lacht nur leise, aber das interessiert mich nicht die Bohne. Ich teile ja gerne meine Sachen, besonders mit Michael, aber doch nicht die letzten Reste meines Kakaos! Bei aller Liebe – so geht das ja nicht! „Ach komm schon. Zu viel Süßes ist nicht gesund... das macht dick!“, grinst Michael fies und stellt mir die leere Tasse wieder vor die Nase. „Wie bitte?!“ Ich glaube ich hab mich gerade verhört. Bis jetzt hat sich noch keiner wegen meiner Figur beschwert. Ich will ja nicht eitel sein, aber ich bin nicht dick. Ich bin guter Durchschnitt! „Ah, ich liebe doch mein kleines Pummelchen!“, neckt er mich weiter und zwickt mir auch noch in die Seite! Ohhh, warte, wenn wir zuhause sind! „Michael... wenn du dein Pummelchen wirklich liebst, dann solltest du jetzt schleunigst damit aufhören! Und überleg dir schon mal was, wie du das wieder gut machen willst!“, drohe ich ihm mit verschränkten Armen, muss aber das Grinsen unterdrücken, als ich ihn für einen kurzen Moment stocken sehe. Jaaa, jetzt hab ich dich, mein Lieber! „Ach komm schon... du bist gar kein Pummelchen, sondern ein... ehm...“ „Ja?“ Aus den Augenwinkeln kann ich Dennis sehen, der sich noch immer die Hand vor den Mund hält, aber seine Augen glitzern so verräterisch. Ich glaube der amüsiert sich hier auf unsere Kosten! „Ein... Engelchen...?“ „Was soll denn jetzt der fragende Unterton?“ „Oh Gott, ihr zwei seid echt klasse!“, platzt es aus Dennis heraus, der vor Lachen fast vom Stuhl fällt. „Tu dir nur keinen Zwang an...“, brummt Michael zu Dennis rüber und das gibt auch mir den Rest. Zum Schluss fällt selbst Michael mit ein. Zur Entschuldigung bestellt mir mein Freund dann doch tatsächlich noch eine Tasse Schokolade, die ich dann aber großzügig mit ihm teile - nur den letzten Schluck bekomme ich! „Du hast Michael ja ganz gut unter Kontrolle!“, offenbart mir Dennis dann plötzlich und nicht nur ich schaue überrascht, sondern auch mein Freund neben mir. „Hab ich das?“ „Hat er das?“ Dennis lacht schon wieder und nickt kräftig. Ja, wenn er meint, dann wird das wohl stimmen! „Na, mein Sklave?“, raune ich also neben mich. Der Ausdruck in Michaels Gesicht ist einfach unbeschreiblich! Eine Mischung aus Verwirrung und Zweifel. „Du hast sie nicht mehr alle!“, murmelt er und schnappt sich zur Strafe meinen Kakao, von dem er die Sahne klaut! „Nicht!“, schreie ich fast und erschrecke mich selbst ein bisschen. Kurz verstummen die Gespräche um uns herum und ich laufe knallrot an, als ich wieder realisiere, dass wir hier nicht allein sind, sondern in einem Café, wo uns jeder sehen und hören kann. Michael schaut mich nur fragend an, stellt aber die Tasse wieder hin, als er meinen Stimmungswandel merkt. Selbst Dennis schaut fragend zu mir rüber. Die ganze Zeit hat es mir gar nichts ausgemacht, mich so locker zu benehmen und kleine Späßchen mit Michael zu treiben. Ich hab meine Umwelt einfach ausgeschlossen und nicht mehr daran gedacht, dass noch andere Menschen um uns herum sind. Wir müssen schon ein eindeutiges Bild abgeliefert haben. Immerhin dürfte es nicht viele Jungs in unserem Alter geben, die sich so selbstverständlich einen Kakao teilen, wie wir es gerade getan haben. Was wenn jemand uns kennt? Wenn jemand Michaels Eltern kennt und ihnen davon erzählt? „Benny? Alles klar?“ Nein! Nichts ist klar. Unbewusst rücke ich etwas von Michael ab und schaue mich verstohlen in dem kleinen Café um. Irgendwie kommt es mir so vor, als würden uns alle beobachten. Obwohl ich keinem einzigen Blick begegne... Was ist denn nur plötzlich los? Werde ich verrückt? Leide ich neuerdings unter Verfolgungswahn? Wieso sollte ausgerechnet hier jemand sein, der uns kennt? „Hey?“ „Was?“, frage ich etwas abgelenkt. Michael und Dennis schauen mich immer noch so komisch an. „Was ist los?“ „Nichts...“, brumme ich und werfe einen Blick zu Dennis. „Verstehe... ich muss mal.“, verkündet Dennis dann lächelnd und verschwindet in Richtung der Toiletten. Ich seufze nur, vergraulen wollte ich ihn jetzt bestimmt nicht, aber irgendwie bin ich ihm dankbar, dass er uns einen Moment alleine gibt. „Also?“ Ich schaue mich nochmal um und seufze dann erneut. „Ist es schlau von uns, uns so in der Öffentlichkeit zu benehmen?“, stelle ich so in den Raum. Michael zieht erst einmal seine Stirn kraus. „Wie benehmen wir uns denn?“ „Na so halt... wie ein Pärchen! Wir sitzen hier so eng nebeneinander und teilen uns eine Tasse Schokolade. Was ist, wenn uns jemand erkennt?“, äußere ich meine Bedenken. Michael schaut mich einen Moment still an, dann nickt er. „Hör mir mal zu. Wir benehmen uns ganz normal! Wer soll uns denn schon so genau beobachten und dann auch noch die richtigen Schlüsse ziehen? Wir trinken halt aus der selben Tasse, na und? Andere trinken aus der gleichen Flasche, da denkt sich doch auch niemand was dabei.“ Ich will schon zum Protest ansetzen, aber Michael ist schneller. „Nein! Ich will es gar nicht hören! Du musst dir über solchen Kram gar keine unnötigen Gedanken machen. Ich hab dir doch gesagt, dass ich es nur vor meinen Eltern geheimhalten will – vorerst! Was wir hier draußen machen, hat gar nichts mit ihnen zu tun. Sie sind doch nicht hier! Benny, selbst wenn ich dich jetzt küssen würde, wäre dass völlig gleich!“ Michael schaut mich fest an. Dann beugt er sich doch tatsächlich vor und gibt mir einen Kuss auf die Lippen, nur einen kleinen, aber wenn das jetzt jemand gesehen hat! „Bist du bescheuert?“, knurre ich gereizt. Will er es jetzt darauf anlegen, dass uns jemand verpfeift? Verdammt! Ist er so scharf darauf sich wieder mit seinem Vater anzulegen? „Nein, aber ich will nicht, dass du dich so bescheuert verhältst!“, zischt er mir zu. „Oh, ich bin hier nicht der Bescheuerte!“ „Doch, das bist du und das weißt du auch!“, behauptet er. „Aha, gut zu wissen. Warum willst du dann überhaupt mit dem Bescheuerten zusammen sein?“, gebe ich gekränkt zurück und merke nicht einmal wie Michael mich langsam verzweifelt anschaut. „Benny, du übertreibst! Warum nimmst du das alles so ernst? Meine Eltern haben gar nichts mit unserer Beziehung zu tun und das soll auch so bleiben. Ich werde mich jetzt nicht von ihnen einschüchtern lassen und du solltest das auch nicht! Wenn sie es nicht verstehen wollen, dann ist es halt so! Aber unseren Entschluss werde ich nicht wieder Rückgängig machen!“ Das alles sagt er noch immer in einem normalen Tonfall, wahrscheinlich würde es hier niemandem auffallen, dass wir uns gerade streiten. „Aber du wolltest es doch vor ihnen geheimhalten! Und genau das setzt du hier gerade aufs Spiel, wenn du dich mir gegenüber so verhältst!“, versuche ich ihm zu erklären, aber er schüttelt nur den Kopf. „Nein, das tue ich nicht! Du verstehst mich nicht! Ich will nur meinen Eltern gegenüber nicht mehr erwähnen, dass wir zusammen sind – sollen sie doch glauben was sie wollen. Nur ihnen gegenüber spiele ich den braven Sohn, hier will ich aber so sein, wie ich bin! Ich will die Zeit genießen, die wir zusammen verbringen.“ Ich versteh ihn nicht! Wie kann er das so einfach voneinander trennen? Das Eine gehört doch zum Anderen! Wenn uns hier jemand sieht und sein Vater bekommt das mit, dann könnte er ja auch gleich zu ihm rennen und sagen, dass er immer noch schwul ist! „Ich glaube du verstehst mich nicht...“, murmele ich nur. „Herrgott, Benny! Willst du etwa, dass wir so weiter machen, wie vor unserem Outing? Willst du, dass wir uns wieder verstecken und uns nur in deinem Zimmer berühren können? Willst du das?“ Jetzt wird er doch etwas wütend. Ich versteh das nicht, wie kann er so was nur zu mir sagen? Natürlich will ich mich nicht mehr verstecken! Aber ich will auch nicht, dass er unnötigen Ärger bekommt. Soll ich jetzt etwa egoistisch sein und mich für mein Glück entscheiden? Ein Glück, das nur von kurzer Dauer wäre? „Benny... es ist doch egal, wenn uns jetzt jemand sieht. Was ist denn da schon dabei? Dann weiß es derjenige halt, na und? Was soll er denn machen?“ Michael rückt etwas näher zu mir hin und legt einen Arm um meinen Rücken. „Ich will mich nur so verhalten dürfen, wie alle Pärchen in ihrer Freizeit! In der Schule oder so, halten wir uns doch zurück, aber das will ich nicht auch noch hier. Ansonsten wäre unser Geständnis doch völlig umsonst gewesen, findest du nicht?“ „Ich...“ Er hat ja irgendwie Recht. Aber ich will nicht, dass ich nochmal so etwas erleben muss, wie an diesem einen Samstag! Ich will nicht wieder irgendwann vor verschlossenen Türen stehen müssen, nur weil man mir nicht erlaubt Michael zu sehen. Und genau das wird wieder passieren, wenn sein Vater das mit uns herausbekommt – ich kann das einfach nicht so locker sehen wie mein Freund. „Ich will aber nicht, dass wir nicht mehr zusammen sein können!“ Michael schaut mich überrascht an. „Ich will nicht, dass dein Vater dir die Hölle heiß macht, nur weil man uns erwischt! Ich will nicht wieder so blöd herum stehen und nichts machen können!“ Jetzt drehen sich wirklich ein paar Leute zu uns herum und schauen uns an. Ich konnte mein Stimme wohl nicht mehr so leise halten, dass wir nicht auffallen würden. Aber verdammt – er will mich einfach nicht verstehen! „Benny...“ „Nichts Benny! Du bist doch nicht derjenige, der sich dann die Vorwürfe macht! Ich will nicht, dass das nochmal passiert!“ „Du willst also lieber so tun, als wären wir nur gute Freunde?“, fragt er mich lauernd. „Ja, so wäre es mir lieber!“ Wenn Michael dann keinen Ärger bekommt, dann würde ich dieses Opfer bringen! „Fein, dann fangen wir gleich damit an. Als guter Freund werde ich dann mal “Tschüss” sagen und nach Hause gehen!“, zischt er, schaut mich noch einen Moment abwartend an und schüttelt dann seinen Kopf. Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, steht er auf, schnappt sich seine Jacke und haut einfach ab. Warum gerade er einen enttäuschten Blick in den Augen hatte, will mir einfach nicht in den Kopf. Aber ich merke genau, wie mir sein Verhalten weh tut... oder bin ich nur von mir selbst enttäuscht? Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- -11- Erst einige Minuten nach Michaels Verschwinden taucht Dennis wieder auf und schaut sich verwirrt um. „Wo ist denn Michael?“ „Ah... der musste nochmal fort... hat irgendwas vergessen...“, bringe ich gerade noch so heraus. Ich vermeide es mit Absicht Dennis in die Augen zu schauen, weil ich Angst habe, dass er mir so sofort ansieht, dass ich lüge. „Ah ja...“ Ich glaube er braucht mir gar nicht mehr in die Augen zu schauen. Aber den Nerv ihm jetzt zu erklären, was da eben geschehen ist, hab ich echt nicht. Michael hat mich gerade wirklich einfach sitzen gelassen! Einfach so! Ich kann noch gar nicht richtig fassen, was da eben passiert ist. In einem Moment waren wir noch glücklich und froh, dass Dennis uns doch noch mag und plötzlich streiten wir uns. Was soll denn das? Ohne noch weiter nachzudenken, springe ich auf und renne aus dem Café. Dennis kann mir nur noch verwirrt nachschauen. Das ich noch meinen Kakao bezahlen muss, ist mir im Augenblick scheiß egal. Dennis wird das schon regeln. *** Er geht nicht an sein Handy! Seit geschlagenen zwanzig Minuten versuche ich ihn schon anzurufen, aber er reagiert nicht. Nicht einmal auf meine SMS hat er geantwortet. Warum tut er das? „Du bist so ein Arschloch!“, fluche ich laut und werfe mein kleines Mobiltelefon auf den Boden, wo es schön in zwei Teile zerspringt. „Scheißdreck!“ Ich steh echt kurz vorm Heulen! „Benny?“ Erschrocken drehe ich mich zu meiner Zimmertür um, die aber Gott sei Dank noch geschlossen ist. Meine Mutter muss den Lärm gehört haben und steht mit Sicherheit unten an der Treppe und will nun eine Antwort. „Mir ist nur was runtergefallen!“, beruhige ich sie also und hebe mein kaputtes Handy wieder auf. „Sei etwas vorsichtiger!“, ermahnt sie mich und geht dann wieder in die Küche oder ins Wohnzimmer; was weiß ich. Ich hingegen, knie mich auf den Boden und starre auf das kleine schwarze Gerät, dessen Einzelteile ich in der Hand halte. So schlimm sieht es ja nicht mal aus. Nur der Deckel auf der Rückseite ist abgegangen und der Akku ist rausgeflogen. Aber als ich auf den Display schaue, könnte ich schon wieder schreien. Von der linken Ecke, bis zur rechten, verläuft ein hässlicher Sprung. Klasse! Trotzdem setze ich den Akku ein und schalte das kleine Ding wieder an. Kurz flimmert das Display, dann seh ich gar nichts mehr. Mein Handy ist im Arsch! Ich kann mich nur mit Mühe zurückhalten, das bescheuerte Ding nicht nochmal gegen die Wand zu donnern. Warum bin ich nur so blöd? Aber ich schätze, ich hab es nicht anders verdient. Bin ja selbst dran Schuld. Warum werfe ich auch mein Handy auf den Boden, ohne dran zu denken, dass es kaputt gehen könnte? Warum mach ich generell immer alles kaputt? Mist! So was nennt man wohl „einen schlechten Tag haben“. Ehrlich gesagt hab ich von denen schon genug gehabt, kann mir der da oben nicht mal eine Pause gönnen? Oder womöglich findet der das urkomisch, wenn ich mir hier einen Kopf mache. Heißt es nicht sogar, dass er nicht besonders auf Schwule steht? Herrgott – ach scheiße – jetzt denke ich schon über Kirche und so einem Kram nach, dabei bin ich nicht mal besonders gläubig! Wieder schaue ich auf mein Handy. Wie soll ich das meinen Eltern erklären? Dabei hab ich das dumme Teil erst letztes Jahr zum Geburtstag bekommen! Na ja, kann ich mir dieses Jahr ja gleich wieder ein neues wünschen... „Das ist alles so zum Kotzen!“ Aber echt! Wieso muss alles so bescheuert laufen? Was ist, wenn mich Michael jetzt anruft? Oder ne SMS schreibt? Die bekomm ich doch nie im Leben. Und dann heißt es wahrscheinlich wieder, dass ich mich nicht gemeldet hab! Dabei ist er es doch, der nicht an sein Handy geht und bei ihm zuhause traue ich mich nicht anzurufen. Was, wenn ich dann seinen Vater an der Strippe hab? Gott bewahre! Dann ist das Theater wieder groß. Nee, ich brauch jetzt frische Luft! Hier drinnen werde ich noch bekloppt! Soll er doch bleiben wo der Pfeffer wächst. Mir doch egal! Na ja, so ganz egal ist es mir ja nicht, aber trotzdem. Wenn er eingeschnappt sein kann, kann ich das ja auch! „Mama? Ich geh nochmal weg!“, rufe ich schon mitten auf der Treppe, noch bevor ich meine Mutter überhaupt sehen kann. „Wohin denn?“ „Ehm... Patrick!“ Ja genau, zu dem könnte ich doch gehen! „Der Junge von neulich?“ „Ja, genau der!“ Jetzt kommt meine Mutter doch aus der Küche und zu mir in den Hausflur. In der Hand hält sie noch immer ein Küchenhandtuch und schaut mich prüfend an. „Na ja, aber bleib nicht zu lange, du musst morgen wieder in die Schule!“ Als ob ich das nicht selbst wüsste. Denken Eltern eigentlich, dass ihre Kinder blöd sind? Also manchmal hab ich so das Gefühl... „Mach ich... ach und mein Handy ist kaputt...“ So, damit wäre das auch gleich geklärt. „Wie kaputt? Das hast du doch erst bekommen!“ „Es ist mir halt runtergefallen und jetzt geht’s nicht mehr... hier!“ Und damit drücke ich ihr mein kleines, noch gar nicht so altes, Handy in die Hand. „Meine Güte! Ist da ein Elefant drauf getrampelt?“, meint sie nur mit schiefer Augenbraue und guckt mich dann fragend an. „Nee, es ist mir runtergefallen, hab ich doch schon gesagt!“ Ich merk zwar, wie sie mich weiterhin skeptisch anschaut, aber dann winkt sie ab. Das ganze könne ich ja noch meinem Vater erklären, meint sie. Na toll. Aber was soll’s, er kann ja auch nichts anderes machen, als sich das kaputte Teil anzuschauen und mit dem Kopf zu schütteln. Mit einem letzten „Tschüss“ bin ich dann auch schon aus dem Haus. Wenn ich jetzt wirklich zu Patrick gehe, dann hab ich bestimmt mindestens ne viertel Stunde Fußmarsch vor mir. Ich könnte ja eigentlich auch den Bus nehmen, aber ich wollte ja an die frische Luft. Also lieber zu Fuß. Während des Laufens bekomme ich dann langsam wieder einen klaren Kopf. Ich lasse die Szene von heute Nachmittag nochmal vor mir Revue passieren und muss zugeben, dass da wohl einiges schief gelaufen ist. Ich hätte vielleicht nicht so stur auf meiner Meinung beharren und dafür etwas mehr zu Michael stehen sollen. Aber dennoch bin ich der Meinung, dass nicht jeder gleich wissen muss, dass wir zusammen sind. Vor ein paar Tagen mag das ja noch anders ausgesehen haben, aber jetzt spielen ganz andere Faktoren eine wichtigere Rolle. Warum sieht Michael das nicht ein? „Weil er genauso stur sein kann, wie ich!“ Ich muss grinsen. Ja, das trifft es wohl am besten. Wir können beiden ganz schön bockig sein, wenn wir wollen. Ich atme tief ein und schaue mich das erste mal bewusst um, wo meine Füße mich hingetragen haben. Zum Park. Praktisch das Zentrum unseres kleinen Städtchens. Von hier ist es auch nicht mehr weit bis zu Patrick. Hoffentlich ist er auch zu Hause und hoffentlich störe ich ihn nicht. Es wäre wohl schlauer gewesen, wenn ich ihn vorher angerufen hätte. Aber egal. Wenn er nicht da ist, dann hab ich halt Pech gehabt. Hauptsache, ich kann wieder einigermaßen klar denken. Als ich an den Mehrfamilienhäusern vorbei komme, die in der Straße stehen, in der auch Patrick wohnt, muss ich erst mal in meinem Gedächtnis nach der Hausnummer kramen. Wäre schon dumm, wenn ich jetzt alle Häuser abgehen und die Klingelschilder lesen müsste. Gott sei Dank ist die Acht eine Zahl, die sogar ich mir noch merken kann, brumme ich mir selbst halb belustigt zu. Vor dem richtigen Haus suche ich dann die passende Klingel und drücke schnell drauf, bevor ich es mir noch anders überlege. Ein bisschen nervös bin ich ja schon... weiß der Teufel warum. Lange muss ich auch nicht warten und ein Summer gibt mir zu verstehen, dass ich die Tür öffnen kann. Jetzt muss ich nur noch in den zweiten Stock, dann bin ich schon an meinem Ziel. Aber bevor ich auch nur die richtige Tür sehen kann, springt mir schon Rocky entgegen und wedelt wie bekloppt mit dem Schwanz. Na der freut sich aber. „Na du?!“, lache ich und streichle dem Hund erst mal seine schwarze Mähne aus den Augen. Ein goldiges Kerlchen! „Benny?“ Oben auf der Treppe steht Patrick, der wahrscheinlich mal schauen wollte, ob sein Hund seinen Gast noch am Leben gelassen hat. „Hey, was machst du denn hier?“ „Dich besuchen, wenn ich nicht störe!“, grinse ich und komme langsam die letzten Stufen hinauf; Rocky weicht mir dabei nicht von der Seite. „Nein, komm ruhig rein! Rocky, jetzt reicht‘s aber!“ „Ach lass ihn, er macht doch nicht’s!“ „Ja, ja. Wenn er dich aber auffrisst, dann bist du selbst Schuld!“ „Okay!“, lache ich. Aber ich bezweifle stark, dass so ein lieber Hund mich auffressen würde. So einen Eindruck macht er auf mich ganz und gar nicht. Als ich dann in die Wohnung komme, schaue ich mich erst einmal verstohlen um. So wie Patrick mir erzählt hatte, wohnt er hier zusammen mit seinen Eltern. Aber das soll sich in nächster Zeit auch ändern, weil er gerne in eine WG ziehen möchte, wenn er sein Studium beginnt. Gemütlich sieht es hier schon aus. Im Flur zieh ich mir erst einmal meine Jacke aus und folge Patrick dann weiter. Rocky begleitet uns natürlich auf Schritt und Tritt. „Mama? Ich hab Besuch!“, verkündet Patrick dann und ich schaue mich neugierig um, wo denn nun seine Mutter sein könnte. Als sie aus einem Zimmer kommt und mich fröhlich anlächelt, lächele ich automatisch zurück. „Hallo! Ich bin die Erika!“ Ich stelle mich auch vor, ganz so, wie es sich gehört und nach einem kurzen Plausch, entführt mich Patrick in sein Zimmer. „Setz dich!“ Und das mache ich auch. Patrick geht nochmal schnell raus, um uns was zu Trinken zu holen und ich betrachte mir währenddessen das große Zimmer. Es ist viel größer als mein eigenes oder das von Michael. Aber Patrick ist ja auch schon ein Erwachsener, da braucht man wohl mehr Freiraum. Wenn ich das so sehe, könnte ich mir auch ein größeres Zimmer vorstellen. Patrick hat hier drinnen eine kleine Eckcouch mit einem niedrigen Glastisch und einem Fernseher, gegenüber steht sein Schreibtisch mit PC und ein Regal. Wenn man etwas weiter schaut, dann macht das Zimmer einen Knick, bildet also ein schönes L, und dort in der anderen Ecke befinden sich sein Bett und sein Schrank. Er hat sein Zimmer also schön in Wohn- und Schlafraum aufgeteilt. Würde ich auch machen, wenn ich so viel Platz hätte. „Hier, bedien dich!“ Patrick stellt zwei Gläser und zwei Flaschen auf den Tisch, als er wieder kommt und setzt sich zu mir auf die Couch. „Danke!“ „Also, was gibt’s neues?“ Ja, wahrscheinlich war es klar, dass etwas passiert sein muss, wenn ich so unangemeldet hier hereinschneie. Aber mit Patrick macht es mir nichts aus zu reden. Also seufze ich nur, bevor ich anfange zu erzählen. Zuerst fange ich mit dem Gespräch mit Dennis an, was ja eigentlich ne Sache ist, über die ich mich freuen sollte. Tue ich ja auch, aber irgendwie schwebt der Streit mit Michael über allem und vermiest mir die Stimmung. Als ich dann die gute Nachricht erzählt habe, freut sich Patrick natürlich für mich. „Siehst du, war doch gar keine so große Sache! Aber sich vorher immer groß einen Kopf drum machen!“, spottet er gutmütig. Da muss ich ihm Recht geben. Irgendwie stimmt es ja schon, dass ich in letzter Zeit manchmal leicht über reagiere. Aber ich glaube, dass ich vorher auch noch nie so viele Höhen und Tiefen in so kurzer Zeit erlebt hab. „Aber das war noch nicht alles...“ „Oh oh, was kommt denn jetzt?“ Patrick schaut mich fragend an und ich zucke etwas hilflos mit den Schultern. „Ich hab mich mit Michael gestritten.“ „Aha, und warum?“ Puh, ich glaub das wird nicht so einfach zu erklären sein, aber ich versuch es trotzdem: Also schildere ich ihm kurz den Verlauf unseres Gespräches und versuche ihm dabei meinen Standpunkt klar zu machen. Das ich eben nicht will, dass sein Vater nochmal von uns erfährt und die Gefahr, dass er genau das wird, wenn Michael und ich uns so offen verhalten. Natürlich sage ich ihm auch, was Michael zu mir gesagt hat, aber ich glaube, dass das schon ein bisschen abgeändert rüber kommt. Immerhin kann ich Michael nicht so ganz verstehen. Patrick hört mir auch geduldig zu und schweigt erst mal, als ich fertig bin. „Was hältst du davon?“ Patrick hebt eine Augenbraue. „Also viel kann ich da ja jetzt auch nicht dazu sagen. Nur, dass ich jeden von euch verstehen kann. Michael will nicht auf dich verzichten und du willst nicht, dass so ein Drama wie an diesem einen Wochenende nochmal passiert.“ Dabei streichelt er Rocky, der gemütlich seinen Kopf auf Patricks Bein gelegt hat. „Vielleicht solltet ihr versuchen, einen gemeinsamen Mittelweg zu finden. Wie dein Freund meinte, solltet ihr euch nicht mehr verstecken müssen, ihr habt euch doch erst dazu entschlossen, allen die Wahrheit zu sagen. Also ich wäre an seiner Stelle auch ziemlich verletzt, wenn mein Freund mir in den Rücken fallen würde...“, überlegt er. „Aber ich bin ihm doch gar nicht in den Rücken gefallen!“ Das hat mich jetzt doch ein bisschen getroffen. Das hab ich doch ganz bestimmt nicht vor. Ich will doch nur, dass Michael glücklich ist! „Irgendwie aber doch. Benny, versteh mich nicht falsch, ich will jetzt nicht dir den schwarzen Peter zuschieben, aber solltet ihr nicht gerade jetzt zusammenhalten?“ Toll, jetzt bekomm ich noch mehr Schuldgefühle, als ich ohnehin schon hatte! „Ihr solltet euch wieder zusammen raufen. Ihr beide habt ein paar dumme Sachen gesagt, aber das ist doch ganz normal. Wenn ihr euch nicht streiten würdet, dann wäre das auch keine richtige Beziehung!... Aber wie gesagt, mir fehlt da der komplette Überblick. Ich will jetzt auch nichts falsches sagen.“ Daraufhin muss ich das ganze erst mal sacken lassen. Dass wir beide an unserem Streit Schuld sind, sehe ich ja ein. Ich würde mich ja auch sofort wieder mit Michael vertragen wollen, aber er will ja anscheinend nicht mit mir reden! „Ich wollte ihn ja schon anrufen, aber er ist ja nicht an sein Handy gegangen!“, brumme ich stur und verschränke meine Arme vor der Brust. Jetzt kommt in mir wieder der alte Trotz hoch. „Dann versuch es nochmal!“ „Geht nicht!“ „Und warum?“, will Patrick stirnrunzelnd wissen. „Weil mein Handy kaputt ist...“ Ich komm mir gerade selbst ziemlich blöd vor. Schieb ich jetzt wirklich alle Schuld auf mein kaputtes Mobiltelefon? Was ist, wenn Michael vorhin nicht an sein Handy gehen konnte und mich jetzt zurückrufen will? Zuhause wird er mich nicht erreichen und hier ja auch nicht! „Das ist ne verdammt dumme Ausrede!“ Bingo! Hab ich eben auch gedacht. Patrick fackelt auch nicht lange, sondern steht auf und holt sein Telefon, dass er mir dann in die Hand drückt. Ich soll doch wohl jetzt nicht Michael anrufen? „Mach schon!“ Ich grummle nur was vor mich hin und tippe dann langsam Michaels Nummer ein. Dann tutet es... >Ja?< „Michael?“ >Benny?< „Ehm, ja... hallo!“ >Mensch, ich hab die ganze Zeit versucht dich anzurufen, aber du bist einfach nicht an dein Handy gegangen. Deine Mutter meinte dann, dass du nicht da bist. Benny wo bist du überhaupt?< „Tut mir leid... Ich bin bei Patrick!“ Kurz herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung. >Wer ist Patrick?< Oh. Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- -12- Ein bisschen hilflos schaue ich zu Patrick rüber, der nur schulterzuckend zurückschaut. Was hab ich mir nur wieder eingebrockt? >...Benny?!< „Eh, ja?“ >Was soll das? Wer ist dieser Patrick?< Ach du scheiße. Warum hab ich nicht früher dran gedacht, dass Michael noch gar nichts von meinem neuen Freund weiß? Ich werde das Gefühl nicht los, dass das jetzt gleich ein großer Reinfall wird. >Benny! Wenn du nicht sofort was sagst, dann... dann...< Oh Gott! Ich will ja was sagen, aber was? Nein, nein, nein! So darf das nicht laufen! Dabei ist doch alles ganz harmlos! „Benny?“ Und jetzt mischt sich auch noch Patrick ein. Am liebsten würde ich ja auflegen, aber ich glaube, das würde alles noch schlimmer machen. Okay, im Moment bin ich echt überfordert. Erst unser Streit, den ich eigentlich schlichten wollte, und jetzt? Die nächste Katastrophe? >Benny? Komm schon, mach mir keine Angst!< „Ich... Patrick ist nur ein Freund. Ich hab ihn erst vor kurzem kennengelernt!“, beeile ich mich zu sagen. Patrick hinter mir zieht nur wieder die Augenbraue hoch. Anscheinend ist er über den Verlauf unseres Gespräches etwas irritiert. Ich zugegebener Maßen, auch. >Wie, vor kurzem?< Okay, ich glaube ich liege nicht falsch, wenn ich behaupte, dass das ein längeres Gespräch werden wird. „Michael... müssen wir das übers Telefon machen?“ >...< „Michael!“ >Nee... wir treffen uns. Jetzt!< „Okay, bei mir?“ >Ja< „Okay, dann bis gleich“ >Hmm< Nachdem er zustimmend gebrummt hat, legt er auf. Gut. Ich hoffe, dass jetzt nicht ein neues Problem auftaucht... „Was war das denn?“ Ich zucke nur mit den Schultern und gebe Patrick sein Telefon zurück. „Ich hab vergessen, dass ich Michael noch gar nichts von dir erzählt hab!“, nuschele ich undeutlich und seufze. *** Noch ungefähr fünfzig Meter, dann bin ich wieder zu Hause. Den kleinen Vorgarten mit dem spießigen Gartenzäunchen und den dahinter angepflanzten Blumen, kann ich schon von hier ausmachen. Schon seltsam: Meine Familie ist so schrecklich stinknormal, aber trotzdem schaff ich es doch irgendwie immer, mir Ärger zu machen. Ich sehe schon das Licht hinter den Fenstern brennen. Super, meine Eltern sind auch da. Nur noch zwanzig Meter und mit jedem weiteren Schritt, den ich hinter mich bringe, werde ich zunehmend nervöser. Was war das auch für ein bescheuerter Zufall? Ich hab tatsächlich vergessen, Michael von Patrick zu erzählen und prompt sieht es so aus, als hätte ich eine Affäre oder so was! Um das zu klären, hab ich mich dann auch gleich auf den Weg gemacht. Patrick war schon etwas verwirrt, aber er meinte nur, ich solle mich melden. Ich hab daraufhin nur genickt, was sollte ich auch anderes machen? Hätte ich Michael doch nur gleich von Patrick erzählt! Ich hab so ein bescheuertes Gefühl, dass mein Freund das jetzt falsch verstehen wird. Er hat ja am Telefon schon nicht besonders begeistert geklungen. Und ich dachte noch die beiden könnten gute Freunde werden. Zu meiner Überraschung sehe ich dann auch Michael vor unserer Tür stehen, als ich näher komme. Er hat sich anscheinend auch gleich auf den Weg gemacht. „Hallo!“ „Hey!“ Dann schauen wir uns erst mal nur kurz an... und sonst nichts. Ich hab ein scheiß Gefühl. „Wollen wir rein gehen?“, frage ich dann mutig, aber kann Michael trotzdem noch nicht ins Gesicht schauen. Irgendwie fühle ich mich schuldig. „Klar!“ Meine Eltern begrüßt er so wie immer; er lässt sich nichts anmerken. Ich versuche das Gleiche und hoffe, dass ich genauso gut schauspielern kann. Ziemlich schnell verschwinden wir dann rauf in mein Zimmer und dann geht das Schweigen weiter. Keiner von uns will anfangen. Stattdessen schau ich sinnlos in meinen vier Wänden herum. Mein Schreibtisch mit dem blöden Wackeldackel drauf, den ich mal vor Jahren von meiner kleinen Cousine geschenkt bekommen hab, die vielen losen Papiere, die kreuz und quer darauf verteilt liegen und ein paar davon sogar neben meinem Tisch - hm, ich bin ja nicht gerade der Ordentlichste. Mein Blick wandert weiter zum Regal: Dort stehen meine Schulbücher, die drei einzigen Ordner, die ich mit was-weiß-ich alles befüllt hab, mein Kinderfotoalbum und ein paar andere Bücher. Der restliche Platz ist mit unnötigem Kleinkram gefüllt. Dann kommt mein Kleiderschrank. Drei Türen, in der Mitte ein Spiegel und links und rechts kleben Poster von Johnny Depp. Eins von “Sleepy Hollow” ist auch dabei. Grrr, der Mann ist schon ne Wucht! Schließlich wandert mein Blick zu Michael und ich gebe mir einen Ruck. „Ich hab ihn an dem Wochenende kennen gelernt, als dein Vater so ausgeflippt ist. Ich hab mich einfach im Park auf eine Bank gesetzt und wollte ein bisschen nachdenken. Patrick hat mich dann angesprochen, weil ich so niedergeschlagen ausgesehen hab.“ Michael schaut mich seufzend an. „Benny, schon gut, ich hab überreagiert. Unser Streit...“ „Nein, schon gut. Ich glaube, wir haben beide ein wenig aneinander vorbei geredet.“ Michael nickt, dann setzt er sich auf mein Bett und klopft auffordernd neben sich. Ich folge ihm und genieße es, dass er meine Nähe sucht. „Ich... also ich... Weißt du, du hast mich echt verunsichert, mit dem, was du gesagt hast“, fängt er dann an. Diesmal höre ich einfach nur zu und versuche ihn zu verstehen. „Ich hab echt gedacht, dass jetzt alles anders wird, dass du und ich endlich so sein können, wie wir wollen. Ich muss zugeben, am Anfang war ich nicht wirklich davon begeistert, dass wir es allen erzählen sollen, aber die ständige Geheimniskrämerei hat mir auch ganz schön zu schaffen gemacht. Also hab ich gedacht: ‘Hey, warum nicht?’“ Michael macht eine kleine Pause, aber ich merke, dass er noch nicht fertig ist. „Du hast mir die ganze Zeit den Mut gegeben! Du warst so überzeugt davon, dass wir das schaffen. Und als du dann in dem Café gesagt hast, dass wir uns wie ganz normale Freunde verhalten sollten, da... das hat mich echt enttäuscht. Ich war mir selbst nicht mehr sicher, ob wir das Richtige tun...“ Dann schaut mich Michael das erste Mal an diesem Abend richtig an: „Verstehst du?“ Ja... Ja, ich glaube schon. Deshalb nicke ich auch nur, weil ich einen dicken Kloß im Hals hab. „Jetzt du!“, fordert er mich auf. „Ja, also: Ich hab dabei einfach nur an dich gedacht... und natürlich auch an mich. Ich will einfach verhindern, dass deine Eltern nochmal wütend werden. Ich will das einfach nicht. Dann mach ich mir immer Vorwürfe und... das ist alles so bescheuert!“ Michael nimmt mich in den Arm und nuschelt dann leise in mein Ohr: „Benny, das ist nicht deine Schuld! Du kannst es gar nicht verhindern, dass mein Vater wütend wird! Wenn ich nicht mit dir zusammen wäre, dann wäre ich wahrscheinlich mit einem anderen Jungen zusammen. Also komme ich gar nicht drum herum, mich mit meinem Vater auseinanderzusetzen!“ Ich brumme nur undeutlich. Das gefällt mir aber trotzdem nicht. „Was heißt hier eigentlich, dann wärst du mit einem anderen Jungen zusammen!“, will ich frech grinsend wissen. Lieber rede ich um den heißen Brei herum, bevor wir hier zu sentimental werden. Da bekomm ich nur wieder so ein komisches Gefühl. Michael scheint das auch so zu sehen, denn er grinst auch wieder frech: „So hab ich es gern. Wer hat denn hier einen Lover hinter meinem Rücken?“, behauptet er und schaut mich fragend an. Aber irgendwie merke ich schon, dass in seiner scherzhaften Frage auch ein ernster Hintergrund steckt. „Quatsch. Patrick ist wirklich nur ein guter neuer Freund. Er ist neunzehn und hat einen total süßen Hund. Der heißt Rocky. Am Anfang hab ich mich vor dem ja schon ein bisschen erschrocken, aber Rocky ist echt ein Lieber. Und mit Patrick versteh ich mich einfach gut. Ich kann mit ihm reden, weil er mich versteht. Weißt du, er hat auch schon mal was mit einem Mann gehabt!“ Ich merke gar nicht, wie ich einfach drauf los plappere. „Ach... und das soll mich jetzt beruhigen!“ „Was denn?“ „Na, dass er auch schwul ist!“ Michael schaut mich schon ein wenig skeptisch an. Aber ich muss nur grinsen. Ist da etwa jemand eifersüchtig?! „Was grinst du denn jetzt so?“ „Ach, nur so!“, lache ich und strubbel meinem eifersüchtige Freund durch die Haare. „Nee, jetzt im Ernst! Erstens: Patrick ist nicht schwul sondern bi...“ „Als ob das einen Unterschied machen würde!“, wirft Michael dazwischen und verdreht die Augen. „Natürlich macht es das! Patrick meinte, dass er sich eine längere Beziehung mit einem Mann nicht vorstellen kann! Und außerdem will ich von ihm ja auch gar nichts! Also brauchst du jetzt gar nicht so zu gucken!“ Ist ja schlimm, wie der mich anschaut! Fast so, als wäre ich schon fremdgegangen. Aber das hab ich gar nicht vor. Auf keinen Fall! „Ja, aber für eine Nacht wärst du ihm gut genug, oder wie?!“ „Jetzt fang nicht an zu spinnen!“, knurre ich. „Außerdem wollte ich euch ja noch miteinander bekannt machen. Du wirst ihn also noch früh genug kennen lernen.“ „Wie ich mich freue...“ Mann, ich könnte schon wieder stinkig werden! „Du wirst sehen! Patrick ist anständig und sieh’s doch mal positiv. Wir haben einen Freund, der uns versteht!“, versuche ich ihm die Sache schmackhaft zu machen. Trotzdem verzieht er noch immer das Gesicht. „Klasse, warum führen wir nicht gleich ne Dreiecksbeziehung?!“, zischt er. Jetzt reicht’s aber! Ich glaub ich steh im Wald! Ist der jetzt plötzlich bekloppt geworden, oder was?! „Du weißt aber schon, dass du gerade einen total Scheiß von dir gibst?!“ „Kann sein...“, meint er dann undeutlich. Dann steht er auf und wuschelt sich selbst mit beiden Händen durch die Haare. „Fein, ich geh an die Sache ganz unvoreingenommen ran! Ich werde diesen Patrick halt erst mal kennen lernen und dann seh ich weiter. Aber eins kann ich dir jetzt schon sagen: Sympathisch ist er mir nicht!“ Und damit setzt er sich wieder zu mir. Schön, dann sind wir uns ja wieder einig! *** Seit unserem kleinen Gespräch sind ein paar Tage vergangen und ich geb mir Mühe nicht mehr so verschlossen in der Öffentlichkeit zu sein. Michael hat mir im Gegenzug versprochen, dass er auch auf meine Befürchtungen und Ängste Rücksicht nimmt. Er sieht es ein, wenn ich mal nicht das verliebte Pärchen raus hängen lassen will und gibt sich dann mit einem einfachen Lächeln zufrieden, anstelle eines eindeutigen Kusses. Aber ich muss sagen, es wird. Je mehr Zeit verstreicht, umso sorgenfreier werde ich. Michael hatte Recht: Ich sollte mir von seinem Vater nicht vorschreiben lassen, was wir zu tun haben. Er kann es ja sowieso nicht ändern. So wie es scheint, muss es bei ihm zuhause auch wieder etwas ruhiger geworden sein, denn er hat nichts mehr in der Richtung verlauten lassen. Hm... vielleicht sollte ich ihn lieber nochmal fragen? Nicht, das er mit Absicht gute Miene zum bösen Spiel macht, um mir nicht die neu gewonnene Lebensfreude zu nehmen. Uah, dabei wollte ich doch nicht mehr so empfindlich im Bezug auf Michaels Eltern sein! Aber egal, heute steht erst mal wieder ein Treffen mit unseren Freunden an. Endlich unternehmen wir mal wieder etwas zusammen. Sabine, Alex, Olli und Dennis: Die Clique ist wieder vollzählig. Und genau deshalb steh ich gerade in meinem Zimmer vor meinem Kleiderschrank und versuche mir das richtige Outfit für heute Abend auszusuchen. „Benny, los jetzt! So schwer kann das doch nicht sein!“ Witzbold! DU bist ja auch schon fertig angezogen! „Sitz da nicht so blöd grinsend, sondern hilf mir lieber!“, knurre ich Michael an, aber der feine Herr sieht mir lieber zu, wie ich nur mit einer leichten Stoffhose vor meinem Schrank stehe. Ich muss ja zugeben, so ganz unschuldig bin ich auch nicht. Ein bisschen genieße ich es ja, wie ich es immer wieder schaffe Michaels Blicke auf mich zu ziehen. Aber das muss er ja nicht wissen... „Von mir aus kannst du auch so gehen. Dürfte nur ein bisschen kühl werden!“, lacht Michael und bewegt sich kein Stückchen, um mir zu helfen. „Ach, willst du etwa, dass jeder meinen Adoniskörper anstarren kann?“, plustere ich mich auf uns stolziere vor meinem Freund hin und her. Warum der dann plötzlich zu lachen anfängt und sich auf meinem Bett kugelt, kann ich ehrlich nicht verstehen! „Tse, da lacht der, der immer behauptet einen Waschbrettbauch zu haben, aber noch meilenweit davon entfernt ist!“, brummle ich eingeschnappt. So, das hat er jetzt davon! „Och, komm her mein Held!“ Ja, jetzt wieder einen auf liebevollen Freund machen. Ich zögere zwar noch ein paar Sekunden, aber dann kann ich den ausgestreckten Armen doch nicht länger widerstehen. „Und jetzt sag mir, nach was sich das anfühlt!“, flüstert er verführerisch und führt meine Hand zu seinem Bauch. „Na?“ „Moment, so schnell kann ich das nicht entscheiden!“, nuschele ich mit roten Wangen und streichle noch ein bisschen hin und her. „Na ja... es kommt einem Waschbrettbauch schon ziemlich nahe“, gebe ich dann doch zu. „Siehste!“, meint er triumphierend und schaut mich frech grinsend an. Sag bloß, der hat mich nur angelockt, damit ich ihm bestätige wie gut er gebaut ist?! So ein Depp! „Na warte!“, drohe ich und werfe mich auf ihn, um ihn mal kräftig durch zu kitzeln. Obwohl er etwas besser gebaut ist, heißt das ja noch lange nicht, dass ich schlecht aussehe! Und schwächer bin ich schon mal gar nicht! „Eh, was macht ihr denn da?“ Ich huste erst mal erschrocken, weil ich es doch tatsächlich geschafft habe, mich an meiner eigenen Spucke zu verschlucken. Meine Fresse, dass ist mir glaub ich auch noch nicht passiert! „Stören wir etwa?“ Dieser freche Unterton kann ja nur einer gehören! „Sabine!“, knurrt Michael und setzt sich mit mir langsam wieder auf. „Ja, das bin ich!“ „Was machst du... oh, hallo Alex... eh“ Was wollte ich nochmal schnell sagen? Ach ja! „Was macht ihr denn hier?“ „Schon vergessen? Wir wollten heute alle zusammen weggehen?! Aber ihr zwei scheint ja besseres zu tun zu haben. Alex und ich können uns ja auch noch ne viertel Stunde zu deinen Eltern hocken, wenn ihr wollt!“ Nein, die ist ja gar nicht frech! „Nee, ist nicht nötig, wir sind schon fertig!“, kontere ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dich bring ich auch noch zum Schweigen! „Michael hat sich mal wieder alle Mühe gegeben! Nicht wahr Schatz?“ Aber ich geb meinem Schatz gar keine Möglichkeit sich einzumischen. „Was ist mit euch? Ist Alex auch mit so viel Elan bei der Sache?“ „...“ Ich lach mich tot! Jetzt läuft sie doch tatsächlich knallrot an und ist sprachlos! Tja Madame, da hast du dir ja mal schön ein Eigentor geschossen! Erst als sich Alex einmischt, kommt wieder etwas Leben in meine Freundin. „Aber sicher doch. Wenn schon, dann richtig!“, verkündet er stolz und bekommt für diese Bemerkung eins hinter die Löffel. „Aua!“ „Halt die Klappe!“ Hach, was für ein Traumpaar! Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- -13- Zwei wilde Eber! Oder eher Kampfhähne. Oder ein Stier und sein rotes Tuch. Ehrlich, ich würde ja lachen, wenn es nicht so bitterernst wäre. Unauffällig nehme ich mir ein Stück von meiner Pizza und kaue still darauf herum. Nebenbei lausche ich der leisen Musik, die im Hintergrund läuft. Schön, etwas das die Seele beruhigt - kann ich im Moment echt gebrauchen. Hm, ist scharf diese Diavolo... schnell einen Schluck Apfelsaftschorle. Ja, schon besser. Ruhig stelle ich mein Glas zurück auf den Tisch und bereue es, gerade diesen bescheuerten Einfall gehabt zu haben. Ich habe echt gedacht, dass ein gemütlicher Abend ne gute Idee sein würde. Und weil heute meine Eltern nicht da sind, sondern auf eine Geschäftsfeier von meinem Papa mussten, dachte ich mir das wäre genau der richtige Zeitpunkt! Tja, falsch gedacht. Benny, Benny, wie konntest du nur so naiv sein! Den ganzen Abend schon knurren sie sich an, wie zwei wilde Tiger. Grrrr, ich bring dich um, reiß dich in Stücke und vergrabe dich anschließend, aber natürlich erst nachdem ich dich im Fluß ertränkt habe! Gruselig. „So, du bist also auch schwul!“ Oh Gott, geht das schon wieder los. Genervt kaue ich weiter auf meiner Pizza rum und versuche es einfach zu ignorieren. „Nein, nicht ganz. Ich bin bi!“ Ja, ja, dass wissen wir mittlerweile ja schon. Sonst noch was? Echt jetzt, ich hab keinen Bock mehr. „Aber du würdest schon was mit einem Mann anfangen?!“ Kommt schon Jungs. Können wir nicht einfach Freunde sein? „Ich denke schon, dass es das bedeutet, wenn ich von mir behaupte, bi zu sein!“ Nee, is klar! „Und? Hast du momentan einen Freund?“ Und? Hast du einen? „Nein, leider nicht. Aber was ja nicht ist, kann ja noch werden!“ Hätte ich dir gleich sagen können! „Ach, was willst du mir denn damit sagen?“ Oh bitte, wenn ihr euch unbedingt schlagen wollt, dann macht endlich! „Gar nichts. Nur das es möglich ist, dass ich bald auch einen haben werde!“ Bla, bla, bla. „Aha. Hast du etwa schon jemandem im Auge?“ Etwas lauter als beabsichtigt knalle ich meinen Teller auf den Wohnzimmertisch und stehe wütend auf. Von mir aus können die noch stundenlang weitermachen, aber dann ohne mich. Ich hab ja schon geahnt, das Michael nicht so begeistert von Patrick ist, aber das hier? Das gleicht ja einer schlechten Seifenoper! „Ehhh, Hilfe, der will mir meinen Freund ausspannen!“, zische ich angekotzt, als ich das Zimmer verlassen habe und stiefle die Treppen zu meinem Zimmer hoch. Mir doch egal, dass ich hier eigentlich der Gastgeber bin. Die können sich ja auch wunderbar ohne mich amüsieren! Oben angekommen knalle ich die Tür zu und es tut verdammt gut! Patrick ist ja auch nicht besser. Muss der eigentlich solche Spitzen von sich geben? Der merkt doch ganz genau, dass er damit meinen Freund noch mehr anstachelt! Aber das ist mir alles scheißegal! Die können sich da unten ruhig die Köpfe einschlagen! Kaum hab ich die Tür hinter mir geschlossen, hör ich auch schon, wie die Stimmen unten lauter werden. Da! Hab ich es nicht gesagt? Wilde Tiere sind das! Können die sich nicht normal verhalten? Und sie werden auch noch lauter. Das kann aber auch daran liegen, dass die beiden Streithähne die Treppe rauf kommen. Nee, Leute! Hastig drehe ich den Schlüssel in meinem Schloss und stelle mich dann abwartend vor meine Tür. Keinen Augenblick zu spät, denn schon versucht der erste in mein Zimmer zu kommen. Einmal, zweimal wird am Griff rum geruckelt, dann ist wieder Ruhe. „Benny?“ Aha, es war also Michael. „Hat er abgeschlossen?“ Und Patrick ist auch da. Schön, dann können sie ja lustig vor meiner Zimmertür weiter streiten. „Das ist deine Schuld! Wärst du nicht so beknackt, hätte er dazu gar keinen Grund!“ Oho, ich muss ja sagen, mein Freund hat nicht gerade eine sehr hohe Meinung von Patrick. Ich glaub aber kaum, dass der sich das gefallen lässt! „Jetzt komm mal wieder runter von deinem hohen Ross. Du bist doch hier der krankhaft Eifersüchtige!“ „Aber nicht ohne Grund. Wenn du dich halt an meinen Freund ran machst!“ „Das mache ich doch gar nicht. Aber vielleicht sollte ich das mal!“ „Wage es und ich brech’ dir alle Knochen!“ „Versuchs doch, wenn du dich traust!“ Stopp! Jetzt gehen sie aber echt zu weit! „Wenn ihr zwei Bekloppten euch schlagen wollt, dann verschwindet!“, schreie ich durch meine verschlossene Tür. Die haben doch alle einen Knall! Kurz herrscht Schweigen. „Benny, es tut mir leid, aber der regt mich auf!“, versucht sich Michael zu rechtfertigen. „Ich reg dich auf? Lass mich mal kurz lachen!“ Oh mein Gott! Fangen die schon wieder an?! „Verschwindet, alle beide. Sofort!“ „Benny? Komm schon, mach auf!“ „Nein, ganz bestimmt nicht! Ihr könnt mich mal!“ Ich will nichts mehr hören, von keinem der beiden. Die sollen sich erstmal wieder abregen! „Benny, was soll denn der Scheiß?“ Darauf bekommst du erst gar keine Antwort von mir! Ich find’s einfach total scheiße, dass mein eigener Freund sich nicht mit einem guten neuen Freund verstehen will. Und der Gipfel von allem ist, dass er mir indirekt deutlich macht, dass er mir nicht vertraut! Ich meine, er hat doch überhaupt keinen Grund so böse gegen Patrick zu arbeiten. Der hat ihm doch nichts getan! Aber ich glaube fast, die zwei haben sich gesucht und gefunden. Die wollen doch gar keine Freundschaft schließen, die streiten viel lieber! „Benny, jetzt mach auf!“, knurrt Michael. „Siehst du, was du mit deiner Eifersucht angerichtet hast? Wenn ich an Benny’s Stelle wäre, würde ich dich abschießen!“ „Halt dein Maul, bevor ich mich vergesse!“ Alter Schwede! Jetzt schlagen sie sich aber wirklich gleich! „Hey, werd ja nicht frech du halbe Portion!“ „Warum kannst du dich nicht einfach verpissen? Das ist doch alles nur deine Schuld!“ „Oh, fang nicht wieder so an. Du bist doch hier das unreife Baby, dass seinem Freund das Leben schwer macht, nicht ich!“ „Benny! Komm raus oder ich hau dem in die Fresse!“ Michael schlägt einmal fest gegen meine Tür. Ich merke genau, dass er angespannt ist. Ich glaub, der würde seine Drohung sogar wahr machen, wenn ich jetzt nicht dazwischen gehe! Ich atme einmal tief durch, dann drehe ich den Schlüssel im Schloss und öffne die Tür. „Okay ihr beiden... ich hör mir das nicht länger an. Michael geh bitte Heim!“, meine ich so entschlossen wie möglich. Am besten, mein Freund regt sich erst mal wieder ab, so kann ich sowieso nicht mit ihm reden. Da versuch ich lieber bei Patrick zu retten, was noch zu retten ist, obwohl das auch nicht mehr viel sein dürfte. Die werden wohl nie Freunde werden... „Was?!“ „Bitte Michael!“, fange ich an und zieh ihn zu mir. „Ich will nur noch kurz mit Patrick reden! Ich ruf dich später an! Bitte!“ „Ich lass dich nicht mit dem Perversen allein!“, zischt er wütend und schielt böse zu Patrick rüber, der das natürlich gehört hat. Erstaunlicher Weise, bleibt er ziemlich ruhig. „Er ist nicht pervers. Bitte Michael! Ich versprech dir ich ruf dich an. Jetzt komm mir auch ein bisschen entgegen!“, versuche ich es nochmal und schaue meinen Freund fest an. Zuerst will er was sagen, aber dann seufzt er. „Bitte, wie du willst... aber ich mach ihn fertig, wenn er dich auch nur schief anguckt!“ Michael zieht mich mit einem Ruck zu sich und gibt mir einen harschen Kuss auf die Lippen. „Ruf mich an, ich werde mein Handy nicht eher aus den Händen legen!“, wispert er leise, schaut mich noch einen Moment beschwörend an und dreht sich dann um. Ohne Patrick nochmal anzuschauen, geht er die Treppe wieder runter und wenig später höre ich, wie die Haustür zuknallt. Oh Mann! „Endlich!“, brummt Patrick und schaut mich dann entschuldigend an. Ich seufze nur. Hoffentlich war das eine gute Idee. Michael ist bestimmt sauer, aber irgendwie muss ich das ja klären. Wenn Michael so stur ist und auf Teufel komm raus nicht mit Patrick normal reden will, dann muss ich wenigstes versuchen mit Patrick zu reden. „Musste das sein?!“, will ich selbst etwas angepisst wissen und gehe wieder in mein Zimmer. Dort lass ich mich erst einmal auf mein Bett fallen und schließe meine Augen. Ich höre, wie Patrick ebenfalls in mein Zimmer kommt und dann wohl etwas unschlüssig im Raum stehen bleibt. „Also... ich weiß auch nicht. Normalerweise lass ich mich nicht so schnell reizen.“ „Ah ja...“, brumme ich wenig überzeugt und setze mich wieder richtig hin. Patrick steht wirklich mitten in meinem Zimmer und schaut mich an. Seine Hände hat er in seinen Hosentaschen versteckt und überhaupt, irgendwie macht er einen komischen Eindruck. „Echt! Benny, dein Freund hat es wirklich drauf mich zu nerven!“, verteidigt er sich und geht etwas in Richtung meines Fensters. Dabei folge ich ihm mit meinen Blicken. Hm, ist das erste Mal, dass ich mir Patrick so richtig anschaue. Er ist ja schon ein Hübscher! Blonde, verstrubbelte Haare, dazu braune Augen und einen ganz schwachen Drei-Tage-Bart. Den hatte er letztes Mal noch nicht. Aber irgendwie macht ihn das gerade so männlich. Ja, in dieser Hinsicht kann ich Michael verstehen, dass er Patrick als Konkurrenz empfindet. „Aber trotzdem hättest du ja nicht so... fies sein müssen!“ „Ich? Er hat doch angefangen! Ich lass mir doch nicht alles gefallen. Besonders nicht von so einem Kind!“, knurrt Patrick und dreht sich wieder zu mir. „Hey! Ich bin genauso alt wie Michael!“ „Ich meine nicht das Alter! Er benimmt sich wie ein kleines eingeschnapptes Kind! Was glaubt der denn, wer er ist? Dieser Spinner!“ Okay. Auch wenn er ein wenig Recht hat, mag ich es überhaupt nicht, wenn er so von meinem Freund spricht! Michael ist nicht so! „Du kennst ihn ja gar nicht! Also behaupte nicht so bescheuerte Sachen!“ Patrick schüttelt nur mit dem Kopf. „Ich hab ihn doch gerade live und in Farbe erlebt! Ich versteh gar nicht, wie du es mit dem aushalten kannst! Da ist doch echt jeder andere besser“ „Ey, das reicht! Gib nicht so einen Schwachsinn von dir! Michael macht sich nur Sorgen um mich!“, meine ich etwas lauter. Der macht hier doch echt meinen Freund schlecht! „Und das zurecht!“ Hä? Patrick schaut mich einen Augenblick lang unsicher an. Dann kommt er immer näher. Ich weiß auch nicht, aber automatisch weiche ich immer weiter zurück, bis ich mit den Beinen an mein Bett stoße. Mein Mund ist plötzlich so trocken und ich muss schlucken. Irgendwas stimmt hier nicht, aber mir will einfach nicht einfallen, was. Und jetzt fängt es auch noch überall so gemein an zu kribbeln! Patrick bleibt auch nicht stehen und schließlich steht er direkt vor mir. Ich hör ihn atmen, ich fühl seinen Atem! Nein, das ist definitiv viel zu nah! Scheiße, ich trau mich gar nicht mich zu bewegen! Jetzt beugt der sich auch noch vor! Oh mein Gott. Meine Sinne fangen an verrückt zu spielen! Zu diesem ekligen Kribbeln kommt jetzt auch noch so ein blödes Pochen und hören tue ich sowieso nichts mehr. Und dann fühl ich sie. Seine Lippen. Nur ganz zart und leicht, aber sie sind da. Und seine Hände, wie sie sich um mich legen, mich sanft festhalten. Das kommt mir alles so bekannt vor! Ganz ungelenk und unsicher lege ich meine Hände auch um ihn und muss feststellen, das etwas anders ist. Patrick ist größer, muskulöser. Er riecht anders, fasst mich anders an, küsst anders. Ich weiß immer noch nicht, was ich denken soll. Dann drückt er mich weiter zurück und ich falle auf mein Bett, aber nicht hart, Patrick hält mich. Ich merke, dass ich verdammt rot werde und wage es nicht meine Augen zu öffnen. Ich atme angestrengt und versuche, das alles zu verstehen. Patrick lässt mir aber überhaupt keine Zeit, sondern ist gleich über mir. Ich fühle wie die Matratze unter mir nachgibt. Dann wieder seine Hände. Langsam und nur ganz hauchzart streicheln sie über mein Gesicht, über meine Lippen, bevor er sie wieder küsst und diesmal auch seine Zunge benutzt. Dann wandert seine Hand über meine Brust, über meinen Bauch, auf meine Schenkel, in meinen Schoß. Ich muss stöhnen. „NEIN!“ Ich reiße meine Augen auf und atme hektisch. Sofort rücke ich soweit weg, wie ich nur kann. Scheiße, ich bin erregt! Was... was ist hier nur gerade passiert? Nein, das darf nicht wahr sein! Ich und Patrick? Aber? „Scheiße!“, kommt es mir tonlos über die Lippen. Ja, verdammt hier stimmt etwas ganz und gar nicht! Warum hab ich nicht gleich gehandelt? Wieso macht sich Patrick an mich ran? Der kann doch nicht einfach... oh nein... Michael! Ich bekomm einen verdammt glasigen Blick. Gleich fang ich hier an zu heulen! Was für ein kackverdammter Tag! Ich hab doch tatsächlich mit einem anderen rumgemacht! Was soll ich denn jetzt tun? Michael wird mich hassen! „Benny...“ Ach ja, der ist ja auch noch da! „Verpiss dich!“, bring ich grade noch so heraus, bevor ich kräftig schluchzen muss. „Aber... ich...“ „Nein, nein, nein, NEIN! Ich will nicht!“ schreie ich weinerlich und krabble hastig von meinen Bett. Ich will ihn nicht sehen! Tolpatschig wie ich bin, falle ich natürlich gleich von der Bettkante und hau mir meinen Ellenbogen auf den Boden. Scheiße, jetzt hab ich wenigstens eine gute Ausrede, warum ich flenne wie ein kleines Baby! Das ist ja mal wieder alles super gelaufen! Wie soll ich Michael erklären, dass ich... fremdgegangen bin? Oh verdammt hört sich das scheiße an! Und ausgerechnet Patrick! Das verzeiht er mir doch nie! „Benny, hör mir doch bitte zu!“ „Nein! Lass mich in Ruhe!“ Das kann doch alles nicht wahr sein! Okay... tief durchatmen. Das wird schon alles wieder. Ja... Hoffentlich. Kapitel 14: Kapitel 14 ---------------------- -14- In meinem Kopf herrscht totales Chaos und mein schlechtes Gewissen bringt mich fast um! Zwei Tage ist es jetzt schon her und ich kann mich noch an jede verdammte Kleinigkeit erinnern. Patrick hab ich seitdem auch nicht mehr gesehen, obwohl er immer mal wieder ne SMS schreibt, oder mich versucht anzurufen. Ach ja, ein neues Handy hab ich auch wieder - leider. Ich hab gar nicht gewusst, wie lästig so ein kleines Ding sein kann. Jedes mal wenn es Piep macht, schreck' ich zusammen und trau mich gar nicht, nach zu schauen. Michael scheint - Gott sei Dank - von all dem noch nichts mitbekommen zu haben. Aber wirklich besser fühl ich mich nicht dabei. Ich kann ihm ja kaum noch in die Augen schauen. Mein Kopf sagt mir zwar, dass das Ganze nicht ganz so schlimm sei, aber mein Gefühl ist da anderer Meinung. Egal wie oft ich mir einrede, dass es ja nur ein Kuss war... mit ein bisschen Anfassen, der schale Nachgeschmack bleibt. Seufzend schaue ich in den blauen Himmel und sehe den paar Wolken zu, die sich langsam vorwärts kämpfen. Unser kleiner Garten ist noch immer der beste Ort, an dem man ungestört die Sonne genießen kann. Wenn man dann noch gemütlich unter einem Sonnenschirm liegt und was kaltes zum Trinken hat, dann sieht die Welt doch gleich anders aus. Besonders toll finde ich meine kleine Ecke, wie ich sie oft nenne. Hier kann man nämlich ganz unbeobachtet sitzen, weil hohe Hecken es verhindern, dass ein neugieriger Nachbar etwas sieht. Wenn es warm war, haben Michael und ich uns oft hier hin verzogen, aber nur, wenn meine Eltern nicht da waren. Ich muss grinsen. Eine besonders schöne Erinnerung schwebt mir durch den Kopf: Wir zwei haben uns auf unsere größte Liege gezwängt und beide tragen wir nur ne kurze Hose. Michael hat dann irgendwann angefangen mir über den Bauch zu streicheln und kurze Zeit später hat er dort dann Küsse verteilt. Für den Rest sind wir dann aber lieber auf mein Zimmer verschwunden. Ich merk schon wieder, wie ich ihn vermisse. „Was soll ich nur machen?“, murmel ich leise und blättere langsam in meinem Buch weiter, ohne auch nur etwas zu lesen. Dabei wollte ich mir doch einen schönen Nachmittag machen und mich entspannen. Aber ich bekomm meine Gedanken nicht von diesem blöden Thema weg. Ich kenn mich doch genau. Das wird mir solange keine Ruhe lassen, bis ich den Kram aus der Welt geschafft habe! Aber ich hab einfach keine Lust, mich wieder zu streiten. Ich weiß genau, dass das passieren wird! Wenn Michael mit jemand anderem rumgemacht hätte, dann würde ich wahrscheinlich in die Luft gehen und danach heulend zusammenbrechen. „Ach hier bist du!“ Erschrocken drehe ich mich um und sehe Michael, der gerade durch die Terassentür zu mir rüber kommt. Wahrscheinlich hat ihn meine Mutter reingelassen. Auf den Lippen hat er ein Lächeln und mein schlechtes Gewissen meldet sich sofort wieder lautstark. „Japp, ich wollt ein bisschen die Sonne genießen!“ Michael nickt und kommt zu mir, dann beugt er sich runter und gibt mir einen Begrüßungskuss. „Deine Mutter meinte, wenn wir ein Eis wollen, sollen wir rein kommen!“, grinst er mich an und fügt dann schelmisch hinzu: „Ich hab gleich mal zugesagt!“ Auch ich muss grinsen. Typisch. Aber ich glaube ich mag auch ein Eis. „Na dann hab ich ja gar keine andere Wahl mehr!“ Ich will auch gerade aufstehen, aber Michael drückt mich wieder auf die Liege. „Bleib! Ich geh schnell und bring deines mit!“ Dann ist er auch schon wieder im Haus verschwunden. Ihm nachblickend setze ich mich dennoch auf und reibe mir über die Augen. Michael macht es mir aber auch wirklich leicht, mich schlecht zu fühlen. So eine kleine böse Stimme zischt mir zu, dass ich diesen Menschen gar nicht verdient hätte und irgendwie hat sie ja Recht. Warum musste das auch passieren? Als mein Freund wiederkommt, stellt er die Eisschälchen auf den Gartentisch und zieht eine Liege für sich heran. „Alex hat mich vorhin angerufen. Er hat gefragt, ob wir demnächst nochmal was zusammen machen wollen.“ „Klar, warum nicht!“, nicke ich und nehme mein Eis. Mhm, lecker. „Findest du es nicht auch lustig, wie er für sich und Sabine spricht?“ Ich muss Lachen. „Ja! Vor allem, weil er vorher so gar nicht der Typ dafür war! Sabine hat ihn voll unter ihre Fittiche genommen!“ Und das stimmt wirklich! In letzter Zeit gibt es Sabine nicht ohne Alex und Alex nicht ohne Sabine, für die beiden gibt es im Moment nur noch ein „Wir“ und kein „Ich“. „Wir sind doch hoffentlich nicht so!“ Michael schüttelt sich gespielt. „Ist ja gruselig, wie eklig so ein frisch verliebtes Pärchen sein kann!“ „Nein, wir waren nie so! Wir sind doch beide richtige Männer. Die machen so was nicht!“, bringe ich grinsend hervor. „Stimmt! Ich hab dich nie abgeholt, wenn wir mal weggegangen sind! Ich hab dir auch nie die Tür aufgehalten und am aller wenigsten hab ich dir so schmalzigen Süßkram zugeflüstert!“, meint er mit einem ernsten Gesicht. „Nee, haste echt nicht!“, lache ich. Michael hat schon einen Knall! Aber deshalb hab ich ihn ja so lieb. Natürlich hat der Depp mich schon öfter abgeholt, mir die Tür aufgehalten und mir die unmöglichsten Sachen ins Ohr gehaucht! „Du darfst auch nicht vergessen, dass du mir noch nie mein Eis gebracht hast!“, kichere ich und nehme einen großen Löffel aus meiner Schüssel. Daraufhin schaut er mich empört an. „Hey, soll das etwa eine Anspielung sein?“ „Nein, Quatsch! Du bist DER Macho schlechthin!“, versichere ich ihm und schüttle gutmütig mit meinem Kopf. „Das will ich aber auch hoffen! Immerhin bin ich hier derjenige, der später mal das Geld ins Haus bringt und du der, der dann das Essen auf den Tisch stellt!“ „Aber sicher! Und wahrscheinlich bekomme ich dann auch deine Kinder, die ich jeden Tag zur Schule bringen darf!“, grinse ich ihn schelmisch an. „Na klar! Du bist die Mami und ich der Papi!“ „Du spinnst doch!“, lache ich und stecke ihm seinen Löffel in den Mund. So kommt wenigstens kein Schwachsinn raus. „Hast du eigentlich nochmal was von Patrick gehört?“, wechselt er dann das Thema. Ganz schlecht! „Nee... wahrscheinlich hat er viel zu tun.“ Michael scheint das auch nicht wirklich leid zu tun, denn er zuckt nur gleichgültig mit den Schultern. „Jetzt hat er wohl den Schwanz eingezogen!“, grinst er ein bisschen triumphierend und leckt genießend sein Eis vom Löffel. Ich sag dazu mal lieber nichts, aber genau das scheint Michael stutzig zu machen. „Sorry, aber ich kann den einfach nicht abhaben!“, fügt er noch an. „Schon gut... hast ja Recht.“ Michael schaut mich mit gehobener Augenbraue an, den Löffel hat er dabei noch immer im Mund hängen. Scheiße, sieht der süß aus! „Ach... plötzlich stimmst du mir zu?“ Ja. Und wenn ich nicht so ein verdammter Angsthase wäre, dann würde ich dir auch sagen warum! Aber ich versteck mich ja lieber hinter meinem Eis. „Ja, er hat sich ja auch blöd verhalten...“, druckse ich herum und stecke mir schnell einen Löffel voll Eis in den Mund. „Ah ja...“ Zwar zieht er seine Augenbraue zweifelnd hoch, aber mehr scheint er sich dabei auch nicht zu denken. Dann seufzt er und leckt nachdenklich an seinem Löffel. Das da schon lange kein Eis mehr drauf ist, scheint er gar nicht zu merken. Hat er mich jetzt etwa durchschaut? „Benny?“ „Jah?“, hauche ich leise. Ich mag solche Situationen überhaupt nicht. Man weiß nie woran man ist. Entweder man beichtet noch schnell und verschafft sich so wenigstens einen kleinen Vorteil oder man geht das Risiko ein und wartet stillschweigend ab. Dann kann es natürlich sein, dass man der Dumme ist, weil man überführt wurde. Und ganz ehrlich, ich will nicht der Dumme sein! „Ich wollte das nicht!“, werfe ich schnell dazwischen, als Michael zum Reden ansetzt. Es ist wirklich besser, wenn er die Ganze Sache zuerst aus meinem Mund hört. So sollte es doch in einer Beziehung sein, oder? Man sagt sich gegenseitig die Wahrheit und dann verzeiht man sich wieder, weil die Liebe stärker ist! „Glaubst du ich?“, kommt es nachdenklich zurück. Dann stellt er endlich seinen Eisbecher auf den Tisch und nimmt mir meinen ebenfalls aus der Hand. Mist, daran hätte ich mich gerne noch etwas länger festgehalten. Meine Finger wollen nämlich einfach nicht ruhig bleiben. „Aber... er hat angefangen! Ich hab ihm dann ja auch gesagt, dass er das lassen soll!“ Ich bin echt nervös! „Häh? Hast du ihn nochmal getroffen? Das hat er mir gar nicht gesagt. Aber der redet ja sowieso nicht mehr mit mir... nur das nötigste.“ Michael knurrt und verdreht die Augen. „Ah... eh, du hast ihn auch nochmal gesehen?“, will ich vorsichtig wissen. Schon erstaunlich, wie gut mein Freund das aufnimmt. Ich hätte eher erwartet, dass er wütend wird oder von mir enttäuscht ist. „Ja, klar, was denkst du denn? Ist ziemlich schwer dem auszuweichen!“ Er atmet tief durch. „Hm, mit mir hat er seitdem nicht mehr geredet.“ Komisch. „Ja glaubst du der kommt zu dir und erzählt wie lieb er dich hat? Du spinnst ja wohl! Das war einmal, als ich noch normal für ihn war!“ Hat das Patrick so gesagt? Wenn ich ehrlich bin, komme ich gerade nicht mehr wirklich mit. Damit Michael aber nicht doch noch wütend wird, schüttle ich schnell meinen Kopf. Anscheinend glaubt er, dass ich keine Schuld an dem ganzen Schlamassel hab. Hm, ist ja auch nicht schlecht! Michael seufzt. „Er hat mir angedroht, dass er euch besuchen kommt, wenn ich nicht bald mit diesem kranken Verhalten aufhöre... und glaub mir, das wird er auch. Wenn wir Pech haben schon dieses Wochenende!“ „Was will er denn noch?“ Das wird ja immer besser! Patrick scheint hinter meinem Rücken sein Spielchen weiter zu spielen und ich hab keine Ahnung davon! Der soll sich mal blicken lassen! Michael schaut mich nur verwirrt an. „Was wird er denn schon wollen? Mit deinen Eltern reden, uns schlecht machen, weiß der Teufel! Mich nervt er ja auch jeden Tag!“ Wütend schnappt er sich seine Schüssel, verrührt sein Eis und lässt den Löffeln dann wieder liegen. Der Appetit ist ihm wohl vergangen. Ich hingegen schaue ihm dabei gebannt zu und verschränke meine Arme unwillig. „Aber er kann gar nichts dran ändern! Ich sag ihm, dass ich dich will und er sich den Weg sparen kann! Und wieso nervt der dich jeden Tag?“ „Du Witzbold... weil ich vielleicht noch immer Zuhause wohne?“ „Ja aber was hat Patrick denn da zu suchen?“, frage ich verwirrt. Michael schaut mich daraufhin nur schweigend an. Dann stellt er seine Schüssel wieder auf den Tisch. Einen Moment scheint er nach Worten zu suchen. Irgendwas muss ihn wohl aus dem Konzept gebracht haben. „Patrick...“ „Ja, Patrick...“ Ich schaue nur fragend zurück zu Michael, der seine Hände plötzlich zu Fäusten ballt. Ich glaub ich bekomme einen blöden Verdacht... „Wir reden doch von Patrick?“ „Du anscheinend schon!“, zischt er grimmig. „Du nicht?“ Mein Herz klopf wie wild. Sag bitte, dass du nur einen kleinen Witz machst! „Nein!“ Scheiße. Michael steht von seiner Liege auf und nimmt seine Schüssel mit Eis. Was hat er denn jetzt vor? „Dieses Arschloch!“, faucht er leise und geht Richtung Terassentür. Ich sitz nur sprachlos auf meinem Platz und schaue ihm nach. Er hat nicht von Patrick geredet? Dann war das alles auch nicht auf Patrick bezogen? Er weiß noch gar nichts davon? Fassungslos versteck ich mein Gesicht hinter meinen Händen und lass mich rückwärts auf die Liege fallen. Die Sonne blendet mich trotzdem. Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- -15- Ich liege im Garten und versuche einfach alles um mich herum auszublenden. Gar nicht so einfach. Michael ist noch immer nicht zurückgekommen, warum auch. Er dürfte ziemlich wütend sein. Auf mich, auf Patrick, einfach auf die ganze Welt. Ich merke richtig, wie ich mich selbst immer weiter runter ziehe, aber ich kann es einfach nicht verhindern. Was ist nur in letzter Zeit los? Ich will doch nur mit Michael zusammen sein und sonst gar nichts! Einfach nur glücklich sein, zusammen Spaß haben, etwas erleben und ruhige Abende miteinander verbringen. Mehr will ich doch gar nicht. Ja, ich will Michael! Entschlossen setze ich mich auf und will ihm folgen, als ich ihn schon in der Terrassentür stehen sehe. Er ist doch nicht gegangen? Unentschlossen bleibt er stehen und schaut mich an. Ich selbst reiße mich zusammen und komme auf ihn zu. „Ich weiß ja gar nicht wo er wohnt!“, lacht er zerknirscht und zuckt hilflos mit den Schultern. „Hm“ Ich nicke einfach und schaue zu ihm auf. Was soll ich denn jetzt sagen? „Ich hab ja schon geahnt, dass er ein Auge auf dich geworfen hat. So wie der dich immer angeschaut hat...“ Ich bin einfach nur still. „Ich hätte dich nicht mit ihm allein lassen sollen! Ich hab’s doch genau gewusst! Dieser Drecksack!“ Bisher war Michael noch ziemlich leise, aber bei seinen letzten Worten ist er immer lauter geworden. „Was ist eigentlich genau passiert?“ Mit dieser Frage hab ich schon gerechnet. „Gehen wir in mein Zimmer?“, stelle ich eine Gegenfrage. Hier draußen will ich bestimmt keine Beziehungsprobleme besprechen. Gott, dass ich mal sowas erleben würde, hätte ich im Traum nicht gedacht. Michael dreht sich einfach um, greift aber nach meiner Hand. Entweder ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen. Vielleicht will er mir zeigen, dass er mich nicht verlieren will? Vielleicht will er mir aber auch gleich eine gehörige Standpauke verpassen... Ehrlich, ich hab schon schönere Zeiten erlebt! Oben angekommen, schließe ich leise die Tür hinter mir. Ich komm mir gerade vor, als würde man mich gleich köpfen wollen. Dabei würde Michael sowas nie im Leben machen! Mein schlechtes Gefühl bleibt aber trotzdem. Ich hab’s ja auch verdient. „Also gut“, fängt er an und stellt sich ans Fenster, „zwischen euch beiden ist etwas gelaufen...aber was genau?“ Dabei verschränkt er seine Arme vor der Brust und schaut mich ohne eine Gefühlsregung an. Den Blick kannte ich bisher auch noch nicht. Ich zupple mir an meinem Shirt herum und stehe noch immer an der Tür. Obwohl ich es nicht will, scheint mir hier der sicherste Ort zu sein. Meine Möglichkeit schnell zu verschwinden, falls ich es nicht mehr aushalten sollte. Aber so weit will ich es gar nicht kommen lassen. Als ich wieder zu Michael rüber schaue, sehe ich für einen kurzen Moment Ratlosigkeit in seinen Augen, dann verschwindet sie wieder und sein Blick wird hart. „Was ist jetzt? Willst du lieber mit dem zusammen sein?“ Ohje, jetzt hab ich noch gar nichts gesagt und trotzdem läuft es in die total falsche Richtung! „Will ich nicht!“ „Was ist dann passiert?“ Also gut. „Als du weg warst, hat Patrick noch ein bisschen rumgemeckert... über dich“, das aufgebrachte Schnaufen von Michael überhöre ich einfach, auch wenn es mich kurz zusammenzucken lässt, „ich hab dich dann verteidigt! Und irgendwie ist es dann passiert. Also passiert ist eigentlich nicht viel. Er... er hat dann nur... also...“ Ich komm ins Stocken und verliere dann vollkommen den Faden. Wie formuliere ich das jetzt am besten? „Oh Gott, du machst mich fertig! Jetzt sag es doch einfach. Ihr habt miteinander geschlafen!“, zischt er böse und kann nicht mehr ruhig stehen. Er vermeidet es, mich anzusehen und läuft im Zimmer auf und ab. „Nein, haben wir nicht!“, rufe ich etwas lauter. Jetzt zuckt Michael selbst zusammen und bleibt auf der Stelle stehen. Anschauen tut er mich immer noch nicht. „Er hat mich nur geküsst!“, bringe ich leise hervor und betrachte den Rücken meines Freundes. Ich sehe, wie er tief einatmet. Und verdammt noch mal, es macht mich tierisch nervös, dass er noch immer nichts sagt! „Hörst du? Da war gar nichts! Ich hab ihn weg geschubst und dann hab ich ihn rausgeschmissen. Ich will nix von ihm, überhaupt nix! Das musst du mir glauben!“ Immer noch ist er ruhig. „Michael?“ „Bin ich dir wichtig?“ Was soll das denn jetzt? „Natürlich!“ „Wichtiger als er?“ Mann, was versuch ich denn die ganze Zeit zu sagen?! „Ja, verdammt! Du bist mir wichtiger als alle anderen!“ Wieder bleibt er still. Ich muss schlucken. Überlegt er jetzt, ob er noch mit mir zusammen sein will? „Auch, wenn man uns nicht lässt?“ „Was?“ Ehrlich. Manchmal macht er so komplizierte Gedankensprünge, dass ich einfach nicht mehr mitkomme! „Was ist, wenn man uns das Leben schwer macht? Wenn deine Eltern plötzlich nicht mehr wollen, dass ich dein Freund bin? Dann ist doch Patrick bestimmt die bessere Wahl, oder?“ „Nein ist er nicht! Und weißt du auch warum? Weil ich den nicht als Freund haben will! Und mir ist es scheißegal, was andere dazu sagen! Also hör auf so einen Quatsch zu reden und sag mir, was los ist!“ Michael dreht sich um und schaut mich abwartend an. Was ist denn jetzt noch? Ich hab eigentlich gedacht, dass er jetzt gleich sagt, was er von dieser blöden Sache hält. Aber er schaut mich so fragend an. Hab ich etwa was vergessen? „Patrick hat also angefangen?“ Ich nicke nur und schaue ihn weiter an. „Du willst absolut nichts von ihm?“ Ich schüttele mit dem Kopf. Nein, von Patrick will ich nichts. „Das ganze war nur ein dummer Zufall?“ „Ja, ich will wirklich nichts von ihm!“ Dann schnauft er und schaut auf den Boden. Ich seh trotzdem, wie er die Kiefer aufeinander beißt. „Gibst du mir seine Adresse?“ Oh oh. „Warum?“ Er schnauft wieder, dann schaut er mich fies grinsend an. „Du glaubst doch nicht, dass ich den so einfach davon kommen lasse?“ Ich will es nicht, aber ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Ein verdammt erleichtertes Grinsen. *** „Och komm schon, das bringt doch nichts!“ „Ich fühl mich dann aber besser!“ „Warum?“ „Darum!“ Ach Mensch! Wie kann man nur so stur sein? Und ich Depp hab auch noch die Adresse rausgerückt. Ich hätt’s doch besser wissen müssen. „Und wenn er gar nicht zuhause ist?“ „Du hast doch seine Handynummer, oder?“ Ja, die habe ich. Trotzdem! „Und was willst du machen, wenn wir vor ihm stehn?“ „Ich!“ „Wie ich?“ „Na nur ich werde vor ihm stehn. Du bleibst schön draußen!“ Na ganz bestimmt! Damit sich die beiden in aller Ruhe die Köpfe einschlagen können oder wie?! Ich bin doch nicht bescheuert! „Ich komm mit!“, verkünde ich deshalb schnell. „Nein! Das will ich allein machen! Du bist mein Freund und ich hab ihn gewarnt!“ Ja, dass er ihm alle Knochen brechen wird. Super Aussicht. Nicht, dass ich jetzt so große Angst um Patrick hätte, aber ich finde das Ganze muss doch nicht sein- oder? Und außerdem, wenn man das alles mal ganz realistisch sieht, dann ist es doch wohl nicht von der Hand zu weisen, das Michael etwas kleiner ist als Patrick. Ich zweifle jetzt bestimmt nicht an Michaels Stärke, aber Patrick ist bestimmt auch nicht gerade ein Schwächling. „Ihr sollt euch aber nicht schlagen!“, meine ich dann ernst und bleibe stehen. „Sag mal, was denkst du denn von mir? Hab ich hier irgendwo ein Messer versteckt, oder so?“ „Hör auf damit!“ Das kann man ja nicht mit anhören! „Sorry.“ Michael kommt ein paar Schritte zu mir und überlegt kurz, was er sagen soll. „Ich hab bestimmt nicht vor mich mit dem zu kloppen. Ich bin ja nicht verrückt. Aber die Meinung werde ich ihm schon geigen! Darauf kannst du dich verlassen!“ Damit dreht er sich wieder um und geht die Straße weiter. Und dann endet das in einer Schlägerei! Fein, soll er doch machen. Ist mir doch egal! Den Rest des Weges gehen wird größtenteils schweigend nebeneinander her. Einerseits bin ich wirklich froh, dass Michael da allein rein will, ich will Patrick nämlich nicht unbedingt nochmal sehen, aber andererseits... Ist es nicht ein bisschen ungerecht? Ich meine, ich hab ihm ja nicht mal wirklich die Chance gegeben sich dazu zu äußern. Auf seine SMS hab ich auch nicht geantwortet. Die meisten hab ich nicht mal gelesen und gleich gelöscht. Oh Mann. „Hier drin?“ Ich schaue auf. Ja, da sind wir schon. Das Mehrfamilienhaus steht noch immer da, wo ich es in Erinnerung hab. Vielleicht ist Patrick ja umgezogen? Wollte er nicht in eine WG ziehen; wegen seines Studiums? Verdammt, das hat er ja noch gar nicht begonnen. „Denk dran. Er hat einen Hund!“, versuche ich es noch ein letztes Mal, aber Michael schaut mich nur an, als ob ich bescheuert wäre. „Ich mein ja nur...“ „Bleib lieber hier und warte auf mich!“, lacht er leise und sucht sich den richtigen Namen auf den Klingelschildern. Dann drückt er. Die Sekunden bis das Surren erklingt, ziehen sich endlos dahin. Mist, dann ist wohl doch jemand zu Hause. Ich komm noch mit rein, bis ins Treppenhaus, dann bleib ich aber stehen. Michael schaut mich aufmunternd an und drückt mir schnell einen Kuss auf die Lippen, dann geht er die Stufen hinauf. Oben höre ich schon, wie eine Tür aufgeht und Patricks Stimme: „Rocky, bleib hier!“ Dann Erstaunen. „Was machst du denn hier?“ „Mit dir reden!“ Stille. „Komm rein.“ Oh je. Wenn man in Panik ist, dann spielt die Fantasie einem oft einen Streich. Man sieht Sachen, die so nie passiert sind oder auch nur Ansatzweise real sind. Da können schon mal Elefanten durch ein Treppenhaus tanzen und dabei „It’s raining men“ singen, obwohl das so gar nichts mit der Situation zu tun hat. Was für ein abwegiger Gedanke. Ich muss mich zusammen reißen! Aber so einfach ist das eben nicht. Da sitzt man nun alleine auf einer kalten Treppe und wartet, bis der erste Schrei fällt. Ich will ja nicht gleich das Schlimmste denken, aber so was hat man halt im Hinterkopf, wenn der eigene Freund sich gerade den vermeintlichen Lover vorknöpft. Whuaa! Das ist ja schrecklich. Wie lang sind die beiden schon allein? Fünf Minuten oder ne halbe Stunde? Ich atmete tief durch. Im Fernsehen kam doch mal so eine komische Joga-Entspann-Dingsbums-Reportage. Vielleicht sollte ich das mal genauso machen? Okay. Eins – Einatmen. Zwei – Ausatmen. Das ganze wiederholen und seinen Geist einfach frei lassen... Der scheiß Geist will aber nicht! Genervt stehe ich auf und geh wieder vor die Tür, die ich aber weit offen lasse, damit ich die Schreie auch hören kann. Und dann höre ich ein Trampeln. Oder sowas ähnliches. Kurz darauf rennt mich ein schwarzes Etwas fast über den Haufen und wedelt wie bescheuert mit dem Schwanz. „Rocky!“ Mann, der freut sich aber mich zu sehen. Ich knie mich nieder und streichle dem Hund erstmal kräftig durch sein dichtes Fell, was der Genießer mal wieder liebend gern über sich ergehen lässt. „Da würde gern jemand mit dir reden!“ Verwundert schaue ich auf zu Michael, der nun vor mir steht und – oh Wunder – kein blaues Auge hat! Dann geht er einen Schritt zur Seite und ich sehe Patrick. Kapitel 16: Kapitel 16 ---------------------- -16- Ganz langsam stell ich mich wieder hin und beachte Rocky gar nicht, der leise wimmernd vor mir steht und mich hoffnungsvoll anschaut. Erst als Michael auf mich zu kommt und mich auffordernd anrempelt, merke ich wieder, was so um mich herum passiert. „Ich will aber nicht!“, murmel ich ganz leise zu meinem Freund, aber nach Patricks Gesichtsausdruck zu urteilen, nicht leise genug. „Gib dir nen Ruck. Nur fünf Minuten.“ Und das gerade aus seinem Mund! Michael schnappt sich dann Rocky und geht bis an den Rand der Straße, wo jedes der Mehrfamilienhäuser eine kleine Wiese hat, die mit einem noch kleineren Holzzaun abgegrenzt wird. Der will uns doch nicht etwa alleine lassen? Ich will ebenfalls schon umdrehen und wieder gehen, aber Patrick hält mich auf. „Warte bitte!“ „Warum sollte ich!“, bringe ich trotzig hervor. „Ich will mich entschuldigen!“ „Fein, haste ja jetzt gemacht. Tschüss!“ Ich will schon wieder weiter gehen, als er mich nochmals aufhält. „Verdammt Benny! Mach es mir doch nicht so schwer!“ Er klingt schon ziemlich verzweifelt. Ich weiß ja, dass ich nicht ganz fair bin, aber ich weiß eben auch, wer mir wichtig ist und wen ich auf keinen Fall verlieren will! Dennoch bleib ich stehen. „Danke!“ „Ja ja, mach hinne!“ Ich kann schon ziemlich zickig sein. Aber im Moment bin ich einfach nur nervös. Ich will nicht, dass nochmal was Dummes passiert. Und ich will erst recht nicht, dass Michael das sieht und nochmal böse auf mich sein muss. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie mein Freund sich mit Rocky beschäftigt und uns dabei überhaupt nicht beachtet. „Es tut mir Leid, was ich da so einfach gemacht hab... Ich weiß das war dumm und ich kann verstehen, dass du böse bist...“ Er atmet tief durch und kommt etwas näher, lässt aber noch immer genug Abstand zwischen uns. Ich verkneif mir einfach meinen blöden Kommentar und schaue verkrampft zu Michael rüber. „Du liebst ihn sehr.“ Dabei schaut er ebenfalls zu meinem Freund und erwartet keine Antwort. „Es tut mir wirklich Leid, dass ich mich zwischen euch gestellt hab. Michael ist echt kein übler Kerl. Du kannst froh sein, dass er auf dich aufpasst!“ Aha, so plötzlich? Er muss meinen fragenden Blick bemerkt haben, denn er fängt leicht an zu grinsen. „Als er vorhin vor meiner Tür stand, hab ich gedacht, der knallt mir jetzt eine!“ Ich auch, aber das behalte ich für mich. „Na ja, ich hab ihn echt unterschätzt. Er ist erwachsener als ich dachte!“ Ja, würde ich ja auch sagen, wenn ich wüsste, was Patrick jetzt genau meint. „Ich hab ihn dann einfach mal rein gebeten und wir haben uns in mein Zimmer gesetzt. Dann hat er mich erstmal nur kritisch gemustert. Ich hab echt keinen Ton rausbekommen. Ich mein, was sollte ich denn sagen. Tut mir Leid, dass ich deinen Freund geküsst hab? Das wär‘ wohl nicht so toll gekommen.“ „Ganz bestimmt nicht!“, pflichte ich ihm bei und seufze. „Mhm.“ Patrick scheint erleichtert, dass ich wieder einigermaßen normal spreche. Ja, ich hab mich etwas abgeregt. Michaels Anwesenheit gibt mir anscheinend irgendwie Kraft. „Er hat mich dann gefragt, was ich mir dabei gedacht hab. Und ich hab nur mit den Schultern gezuckt.“ Patrick lacht leise. „Er ist ganz ruhig geblieben und hat mich dann gefragt, ob ich was von dir will.“ Er macht eine kurze Pause. „Ich meinte dann, dass ich es selbst nicht so richtig wüsste.“ Wieder unterbricht er sich und steckt sich seine Hände in die Hosentaschen. „Er hat mir dann klar gemacht, dass es egal sei, ob ich dich wollte oder nicht. In beiden Fällen würde ich dich nicht bekommen.“ Ich schaue Patrick überrascht an. Hatte Michael ihm doch Schläge angedroht? „Er hängt wirklich an dir! Das hab ich jetzt verstanden. Ich weiß nicht, aber die ganze Zeit hatte ich so ein verzerrtes Bild von ihm. Der kleine eifersüchtig Junge. Da war es mir egal, ob ich mich an seinen Freund ran mache oder nicht. Vielleicht wollte ich ihm einfach nur eine auswischen, ich weiß es nicht.“ Ich nicke. Dann sieht Patrick in mir doch nicht jemanden, den er liebt? Der Gedanke gefällt mir. „Ich hab ihm dann versichert, dass ich dir nie wieder zu nahe kommen werde. In nächster Zeit bin ich sowieso sehr mit meiner Zukunft beschäftigt. Studienbeginn, neue Wohnung, neue Umgebung...“ Er zuckt mit den Schultern und schaut mich fragend an. Das soll wohl heißen, dass wir in nächster Zeit nicht mehr so viel zusammen unternehmen werden. Ein bisschen Abstand. Patrick scheint es wirklich ernst zu meinen. „Ja.“ „Heißt das, du vergibst mir?“ „Hat Michael das getan?“ Patrick grinst und fängt dann an zu lachen. „Was ist daran so lustig?“, will ich etwas eingeschnappt wissen. Der soll sich jetzt bloß nicht zu viel erlauben. Er beruhigt sich aber schnell wieder und zeigt auf meinen Freund. „Genau das hat Michael auch gesagt oder so ähnlich zumindest. Er hat es auch davon abhängig gemacht, ob du mir verzeihst!“ „Wirklich?“ „Wirklich!“ Schon lustig. Ich selbst kann mir mein Grinsen auch nicht mehr verkneifen und schaue auf Michael, der Rocky schön den Bauch krault. Mann, in mir erwacht wieder so eine Sehnsucht ihn in den Arm zu nehmen! „Tja, dann vergessen wir die Sache!“, lache ich leise und zucke mit den Schultern. Patrick atmet erleichtert aus und geht ein paar Schritte in Richtung Michael und seines Hundes. „Hey Rocky! Lass dich nicht so verwöhnen!“, lacht er und ich muss zugeben, seine Stimme klingt schon wieder viel freier. Michael schaut nun ebenfalls zu uns rüber und steht auf. Im Vorbeigehen scheinen die beiden sich stumm zu verständigen und tauschen dann die Plätze. Patrick geht zu Rocky und Michael kommt zu mir – wo er auch hingehört! Ohne ein Wort nimmt er mich fest in die Arme und flüstert mir leise etwas ins Ohr, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. „Ich liebe dich!“ *** Nach dem kurzen Besuch bei Patrick haben wir beide uns noch ein bisschen in den nahe liegenden Park verzogen, um ein wenig frische Luft zu schnappen nach der ganzen Aufregung. Ich kann immer noch nicht so richtig fassen, was da gerade passiert ist. Vor allem Michaels Verhalten. Klar, ich hätte an seiner Stelle Patrick wahrscheinlich auch gehörig meine Meinung gesagt, aber ob ich mich mit ihm danach noch vertragen hätte? Ich weiß nicht. Manchmal kommt mir mein Freund wirklich erwachsener vor, als ich es bin... „Ach Mann!“ Michael scheint auch in Gedanken zu sein. „Was ist?“, frage ich ihn leise und schlendere weiter mit ihm den Weg entlang. Links und rechts sind Wiesen, die von kleinen Hecken umrandet sind. Wenn man genau hinschaut, dann kann man auch mal ein Eichhörnchen herum springen sehen, dass aber schnell wieder auf einem Baum verschwindet. „Setzen wir uns da vorne hin?“ Ich schaue zu der hässlich grünen Bank, die am Wegrand steht. Dann nicke ich. Eine Zeit lang sitzen wir nur still nebeneinander und beobachten die Umgebung und die Leute. Es geht schon gegen Abend, aber dennoch sind noch viele Menschen unterwegs. Ein kleines Mädchen kommt auf uns zugerannt, grinst und wirft seine Serviette in den Müll neben uns. Dann beißt es wieder in sein Wurstbrötchen und rennt zu seiner Mutter. Ich muss auch grinsen. „Benny?“ „Ja?“ „Weißt du noch, was ich dir erzählt hab?“ „Wann?“ Er lacht. „Bei unserem Gespräch, dass ein bisschen schief gelaufen war!“ Ah ja. Dieses dumme Gespräch, wo wir beide vollkommen aneinander vorbei geredet hatten. „Na ja... so genau weiß ich nicht mehr, was du mir sagen wolltest...“ Hoffentlich ist er mir jetzt nicht böse! So wie es aussieht muss es nämlich was wichtiges sein. Schon die ganze Zeit ist er so in Gedanken. „Schon gut.“ Er blickt zu mir rüber, dann greift er sich meine Hand und ist wieder still. Gerade als ich nachfragen will, fängt er an. „Ich hab dir doch gesagt, dass mein Vater nicht sonderlich begeistert ist...“ Ich schlucke. „Weißt du... ich hab ja gedacht, dass er sich wieder einkriegen würde, aber bis jetzt ist er immer noch auf hundertachtzig...“ Ich hab ein mulmiges Gefühl. „Immer wenn ich ihm begegne, verfolgt er mich mit diesem komischen Blick. Dann lässt er manchmal einen blöden Kommentar fallen. Ich hab’s die ganze Zeit ignoriert.“ Es tut mir weh so was zu hören. Ich will nicht, dass es meinem Freund so schlecht geht. Er hat doch gar nichts schlimmes gemacht! Warum hat er nur so einen blöden Vater! Warum kann der nicht ein bisschen so sein wie meiner? Und warum sagt mir Michael das alles erst jetzt? Natürlich weiß ich was es da mit seinem Vater auf sich hat, aber die letzte Zeit hat er die Sache nicht mehr erwähnt und ich dachte es würde besser werden. „Bis jetzt konnte ich damit leben, dass er meine Wahl nicht akzeptieren kann. Ich meine, soll er mich doch doof anschauen und blöde Sprüche klopfen!“ Michael lacht verkrampft und drückt meine Hand. „Aber jetzt geht er zu weit... Solange er nur mich in seinen Kleinkrieg hineinzieht ist es ja noch okay, aber jetzt reicht ihm das wohl nicht mehr!“ Etwas verwirrt schaue ich zu ihm herüber. „Was meinst du damit?“, frage ich leise und merke, dass meine Stimme belegt ist. Mann, das nimmt mich doch mehr mit, als ich gedacht hab. „Er hat gemerkt, dass es nichts bringt, wenn er mich schikaniert. Jetzt will er es eben bei dir versuchen!“ Mein Blick muss recht zweifelnd ausgesehen haben, denn Michael seufzt. „Er will zu euch kommen, um mit deinen Eltern zu reden. Er glaubt, dass er es so schafft, uns auseinander zu bringen...“ Er räuspert sich und schaut dann wieder auf den Weg. Ich hingegen versuch das erstmal zu ordnen. Sein Vater will also zu uns kommen. Aha. „Benny?! Ich hab Angst, dass er es schafft...“ „WAS? Wieso denn?“ Darüber hab ich mir jetzt am allerwenigsten Sorgen gemacht! Der soll ruhig kommen und sein Sprüchlein loslassen, dass juckt mich doch nicht. Mehr Sorgen mach ich mir um Michael. Wie soll das mit seinem Vater noch ausgehen? Mit dem soll er zusammen wohnen? Das würde ich ja nicht mal einen Tag aushalten! Verdammt, das kann doch so nicht weitergehen! „Was ist, wenn er deine Eltern überzeugt? Dann stehen wir doch ganz allein da! Das hat doch dann keinen Sinn mehr. Scheiße, ich mach dir nur Ärger!“ „Jetzt mal langsam! Wieso sollten meine Eltern auf ihn hören? Du kennst doch meinen Papa! Der lässt sich doch nicht so einfach aus der Bahn werfen. Und meine Mama mag dich doch so gern! Die würde das auch nicht zulassen. Wir kennen uns schon so lange, dass kann er gar nicht kaputt machen!“ Ich versuch möglichst zuversichtlich zu klingen und ihn von meiner Sicht zu überzeugen. Michael reibt sich aber erstmal übers Gesicht, dann schaut er mich an. „Ich will nicht, dass er uns vor deinen Eltern schlecht macht!“ Ich remple ihn leicht an und grinse. „Ach komm, meine Eltern kennen mich besser als du denkst. Immerhin haben die mir schon die Windeln gewechselt, also kannst du dir sicher sein, dass sie schon jede Sauerei von mir kennen!“ Mein kleiner Scherz scheint wohl angekommen zu sein, denn Michael grinst auch. „Blödmann!“ „Ich weiß!“ Dann werde ich aber wieder ernst. Jetzt kann ich auch ein bisschen verstehen, warum er die Sache mit Patrick so schnell wie möglich aus der Welt haben wollte. Das kleine Zwischenereignis erscheint mir plötzlich so unwichtig im Vergleich zu dem hier. „Michael, lass ihn ruhig kommen. Meine Eltern sind hundertprozentig auf unserer Seite, glaub mir!“ „Aber was sollen die denn denken?“ „Was wohl? Das dein Alter eine an der Klatsche hat!“ Er schweigt einen Moment, dann drückt er wieder meine Hand. „Kann ich heut Nacht bei dir bleiben?“ Ich werde ein wenig rot, nicke aber sofort, was Michael wieder lachen lässt. „Denkst du wieder an was Versautes!?“ Nee, ich doch nicht! Kapitel 17: Kapitel 17 ---------------------- -17- Natürlich ist Michael mit zu mir gekommen. Ich hätte ihn sowieso nicht mehr nach Hause gelassen, nachdem was er mir erzählt hatte. Aber nachdenklich bin ich trotzdem, auch wenn ich es mir nicht anmerken lasse. Michael glaubt, dass es sein Vater schaffen könnte uns auseinander zu bringen, indem er meine Eltern auf seine Seite zieht. Das wird er nicht schaffen, da bin ich mir sicher. Was mir Sorgen macht ist Michael selbst. Wie soll er das mit so einem Vater aushalten? „Benny? Michael? Kommt ihr essen?“ „Ja, gleich!“ Ich seufze und schaue zu meinem Freund, der neben mir liegt. Beide haben wir uns in mein Zimmer verkrochen, als wir heimgekommen sind. Einfach nur nebeneinander auf mein Bett gelegt. Michael hat ein bisschen Zeit zum Nachdenken gebraucht, die ich ihm auch gegeben hatte. „Hast du Hunger?“, frage ich ihn und setze mich auf. „Klar, lass uns runtergehen!“ Ich finde die ganze Situation einfach blöd. Wie verhält man sich denn, wenn der Vater seines Freundes ne Stinkwut auf einen hat? Und die hat er bestimmt. Immerhin will er ja nicht, dass wir zwei uns sehen, weil wir ja sonst was machen könnten. Boah, wenn ich dem erzählen würde, was wir schon alles angestellt haben. Ich glaube der würde platzen – aber ganz sicher nicht aus Freude! In der Küche sitzt schon mein Papa und schmiert sich sein erstes Brot. Meine Mama bringt noch schnell die letzten Kleinigkeiten, dann ist der Tisch fertig gedeckt. „Jungs, wenn ihr Toast möchtet, da drüben liegt welches!“ Meine Mutter zeigt auf den Toaster und das Weißbrot, dann schnappt sie sich auch was zu essen. Weil ich weiß, das Michael Toast gerne mag, mach ich gleich welches und setze mich erst dann auf den freien Stuhl neben ihn. „Na, wie läuft es so?“ Mein Papa schaut kurz zu uns rüber und beißt dann wieder in sein Brot. Ich glaube er stellt die Frage einfach nur so – ohne tieferen Grund. Aber vielleicht ist das ja gerade die Gelegenheit Michael zu beweisen, dass er ganz bestimmt nicht alleine da steht. „Hm, ganz okay... soweit...“, fange ich an und bekomme einen etwas ängstlichen Blick von Michael. Er ahnt wahrscheinlich welches Thema ich gleich anschneiden werde und so wie es scheint ist er nicht gerade begeistert. „Das hört sich ja nicht gerade super an?“ Mein Papa lässt sein Brot sinken und auch meine Mama schaut jetzt fragend zu uns rüber. „Ist irgendwas passiert?“, will sie wissen. Ich merke, wie Michael nervös wird und deshalb greife ich unter dem Tisch seine Hand und drücke sie leicht. Hoffentlich hilft ihm das ein wenig. Ich will ihn ja jetzt keinen unnötigen Qualen oder so aussetzen, aber es wäre vielleicht doch besser, wenn alle wüssten, was morgen eventuell passieren könnte. „Naja, Wir haben doch erst vor kurzem erzählt, dass wir zusammen sind...“ „Ja und?“ Verständnislos schaut mich meine Mutter wieder an, dann zu Michael, der ganz ruhig da sitzt. Ihre Stirn legt sich in Falten. „Also ihr habt ja auch ganz toll darauf reagiert! Aber so sind halt nicht alle...“ Nun schaltet sich auch wieder mein Vater ein. „Ärgert euch jemand? In der Schule?“ Ich schüttel mit dem Kopf und schaue zu Michael rüber, der am liebsten aufstehen würde. Ich glaub der bekommt jetzt nicht wirklich was raus. Ich hab ihn damit wohl etwas überrumpelt. „Was dann?“ Ich schaue noch immer zu meinem Freund rüber. „Michaels Vater findet das nicht so toll...“ „Oh je...“, brummt mein Papa gleich. „Michael? Was hat er denn zu dir gesagt?“, fragt meine Mama. „Eh... also... eigentlich ist es ihm nicht recht, dass ich mit Benny zusammen bin...“ Nicht recht. Das ist noch harmlos ausgedrückt. Selbst ich weiß ja nicht so genau, was da täglich abläuft, aber es ist bestimmt schlimmer, als er es jetzt hier darstellen will. „Peter ist ein alter Sturkopf!“, knurrt dann mein Papa und beißt wieder in sein Brot. Unsere Eltern kennen sich natürlich auch, immerhin hängen ihre Söhne schon seit Jahren zusammen rum, da bleibt so etwas nicht aus. Und mein Papa kennt Michaels Vater anscheinend schon gut genug, um zu wissen was hier los ist. „Der hat wahrscheinlich gleich wieder nur Rot gesehen und alles verteufelt!“, bringt er zwischen dem Kauen raus und schaut dann Michael an. „Oder?“ „Ja, so ähnlich.“ „War ja klar. Hätte ich eigentlich wissen müssen...“, brummt er nur. Ach? Das ist mir aber neu. Warum hat er dann nicht mal was gesagt? Dann hätte er mal früher einschreiten können und das alles würde jetzt nicht so... so... ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich hätte ich auch mal meinen Mund aufmachen müssen. „Streitet ihr euch deswegen? Dein Vater und du?“, fragt meine Mutter und deutet nebenbei auf das fertige Toast, dass ich schnell hole und jeweils mir und meinem Freund eins hinlege. Dann greife ich schnell wieder nach seiner Hand. „Ja... er meint immer, dass ich spinne und das lassen soll... und so...“ Ich muss ja sagen, dass Michael das hier ganz schön runterschaukelt. Aber ich kann ihn verstehen, dass er nicht alles breit treten will. „Und er hat vor demnächst mal hier vorbei zu kommen! Vielleicht sogar schon morgen.“, setzte ich noch schnell hinten dran. Mein Papa schaut überrascht zu uns rüber, dann seufzt er. „Echt. Peter macht es dir nicht leicht, hm?! Aber bitte, soll er kommen.“ Michael verzieht das Gesicht. Das passt ihm wahrscheinlich nicht so in den Kram. „Aber... dann wird er... also er wird dann versuchen alles schlecht zu machen und...“, murmelt Michael und drückt meine Hand ganz fest. Ich kann da nicht länger zugucken, deshalb rücke ich mit meinem Stuhl ganz nah zu ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Michael schaut mich ganz erschrocken an und dann zu meinen Eltern. Mann, hat der etwa vergessen, dass sie es schon wissen? Okay, wir haben uns bis jetzt immer zurückgehalten, aber ein kleiner Kuss ist doch noch harmlos. Die reißen uns jetzt nicht die Köpfe ab. Als er dann das Schmunzeln meiner Mutter sieht, wird er doch tatsächlich etwas rot. Hm, vielleicht sollte ich das ab jetzt öfter machen?! „Das wird schon! Mein Papa kann deinem Vater dann mal die Meinung geigen!“, nicke ich ihm dann kräftig zu. „Jawohl Benny! Dein Papa wird das schon richten!“, stimmt auch meine Mama zu und fängt an zu grinsen. „Ja, wunderbar. Bleibt mal wieder alles an mir hängen...“ Ich nicke kräftig und grinse auch. Natürlich meinen wir das nicht so, aber wenn’s dazu beiträgt die Stimmung etwas zu lockern, ist es egal. Im Ernstfall würde mein Papa das aber auch wirklich alleine durchziehen. Nur Michael blickt noch nicht richtig durch, dass wir hier gerade ein wenig Quatsch machen. „Nein, ich werde mit meinem Vater selbst nochmal reden. Das bekomm ich schon hin!“, meint er ernst, schaut dabei aber etwas unsicher in die Runde. „Ach Michael! Wenn er kommen will, dann soll er. Vielleicht hilft es ja, wenn er mit uns spricht?!“, sagt meine Mutter zu meinem Freund. „Aber wenn ihr nicht wollt... ich könnte es ja verstehen...“, murmelt Michael. „Klar wollen die! Schon allein weil ich sonst richtig ungemütlich werden würde!“, lache ich und stupse meinen Freund leicht an. „Außerdem geht das ja uns alle was an, also ziehen wir das auch alle zusammen durch!“ Michael schaut noch immer etwas zweifelnd zu mir, aber ihm geht es schon eindeutig besser, als vor ein paar Minuten. „Ihr zwei macht euch mal keinen Kopf! Wir regeln das schon!“, nickt meine Mutter nochmal bekräftigend. „Und jetzt essen!“ Damit ist das Thema erst einmal abgehakt und wir machen uns daran unseren Hunger zu stillen. *** Ich weiß echt nicht wie das morgen laufen soll – falls sein Vater wirklich kommen sollte. Aber ich nehme mal stark an, dass er kommt, wenn er merkt wo Michael heute wieder übernachtet. Das bringt den wahrscheinlich wieder auf die Palme und er wird dementsprechend geladen sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass Michael am liebsten auswandern würde. Das muss ihm schrecklich peinlich sein. Ich würde an seiner Stelle jedenfalls im Boden versinken. Genau aus diesem Grund will ich auch versuchen ihn zu unterstützen so gut ich kann. Leider weiß ich noch nicht wie ich das machen soll. Vielleicht stell ich mich auch mal seinem Vater? Aber wenn ich da an unser letztes Aufeinandertreffen denke, wird mir ganz flau im Magen. Vielleicht halte ich mich auch lieber im Hintergrund? Aber das erscheint mir wieder feige. Dann halt ein Mittelding, oder so. Ja, genau! Wenn er Michael wieder anfeindet, dann springe ich heroisch dazwischen! „Was grübelst du denn?“ Ich rümpfe mit der Nase und schaue zu Michael, der gerade in mein Zimmer kommt nachdem er es doch noch gewagt hat zuhause anzurufen, um Bescheid zu sagen, dass er heute woanders übernachtet. „Ich grüble nicht, ich schmiede Pläne!“ „Ach ja?“ „Ja!“ Er grinst mich schon wieder so unverschämt an, als ob er mir das nie im Leben zutrauen würde und setzt sich dann neben mich auf’s Bett. „Und?“, will ich dann etwas leiser von ihm wissen. Er zuckt mit den Schultern. „Meine Mutter war dran. Sie meinte, dass es keine so gute Idee wäre... Ist mir aber egal. Ich bleibe heute hier!“ Dann lässt er sich nach hinten kippen und schaut mich fragend von unten an. „Was hast du denn für Pläne geschmiedet?“ Grrr! Warum muss er denn jetzt noch die Arme hinter dem Kopf verschränken? Da rutscht sein Shirt so böse weit hoch und ich kann den Bauchnabel sehen. Ich muss mich wieder zusammenreißen, um ihm einigermaßen vernünftig antworten zu können. „Hab mir überlegt, wie ich mich morgen verhalten soll.“, brumme ich vor mich hin. Jetzt mach ich mit dem Thema bestimmt die Stimmung wieder kaputt, die sich gerade aufbauen wollte. Menno! „Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“ Er lässt sich nicht anmerken, was er von der Sache hält. „Weiß nicht. Das wird wahrscheinlich ne spontane Sache.“ „Hm.“ Ja, sehr aussagekräftig. Und ich Blödmann bekomm meine Augen noch immer nicht von diesem kleinen unbedeckten Stückchen Haut weg! Mann, wie kann ich in so einem Moment nur an das Eine denken? Ich bin versaut, versaut, versaut! „Was ist denn?“ „Nichts!“, beeile ich mich zu sagen und schließe schnell meine Augen, nur um sie im nächsten Augenblick wieder zu öffnen und noch mal schnell hin zublinzeln. Oh je. Michael merkt das natürlich und schaut nun ebenfalls auf seinen Bauch. „Hab ich da was?“, will er verständnislos wissen, was mich innerlich aufstöhnen lässt. Hab ich da was? Gott, ich werde hier noch bekloppt! „N-Nee?!“ Und warum zum Henker hab ich da jetzt so einen fragenden Ton in meiner Stimme? Es dauert nur einige Sekunden, in denen ich rot wie ne Tomate werde und es bei Michael endlich Klick macht, so wie der mich jetzt anschaut. Ach du meine Güte, so verräterisch kann ich doch jetzt auch nicht gewesen sein. Oder etwa doch? Dieser Teufel streckt sich nämlich nochmal ein Stückchen und wie zufällig lässt er eine Hand auf seinen Bauch wandern, die sein Shirt ein ganzes weiteres Stück nach oben zieht. Das macht der mit voller Absicht! „Hm... und da?“ Da? Was soll das denn jetzt? Da ist gar nichts! Und ich muss auch überhaupt nicht starren! Nein, nein! Und das meine Atmung schon wieder so zittrig wird hat rein gar nichts zu bedeuten! „Hat’s dir jetzt die Sprache verschlagen?“, will er grinsend wissen und wandert mit seiner Hand wieder etwas nach unten. Oh oh. Ich hab da so eine Ahnung wo die hin will. Ah, stopp! Das macht mein Herz nicht mit! Das klopft nämlich schon wieder so wild, dass ich fast vergesse ihm zu antworten. „Eh...“ Kacke, ich muss mich räuspern. „Ich...“ Was war nochmal gleich die Frage? Michael grinst wieder und macht doch tatsächlich den ersten Knopf seiner Jeans auf. Dann rückt er wieder an mich ran und richtet sich auf. Ah, schade, war’s das jetzt schon? Anscheinend nicht, denn er kommt meinem Gesicht gefährlich nah. Ich glaube schon, dass er mich küssen will, aber er legt nur seinen Mund an mein Ohr und haucht leise was hinein. „Macht dich das an?!“ Gänsehautalarm! Ich muss ein paar Mal schlucken, bevor ich mich traue was zu sagen. „Ein bisschen...“ Ein bisschen? Oh ja, ein bisschen viel! Der hat’s noch immer drauf mich einfach von einer Sekunde zur nächsten umzuhauen. Und warum sag ich ihm das noch? Das weiß der doch schon. Da muss ich mich hier nicht auch noch zum Deppen machen. Ich glaub ich leg mich einfach willig hin und lass ihn machen... Ahhh! WO ZUM TEUFEL KOMMT DENN DER GEDANKE JETZT HER? „Oh Gott!“, murmle ich und schließe die Augen. Michael lacht wieder, fragt aber nicht weiter nach, sondern dreht lieber mein Gesicht zu sich, damit er mir einen sanften Kuss geben kann. Dann drückt er mich immer weiter zurück, bis auch ich liege. Dabei schiebt er seine Hände unter mein T-Shirt und lässt sie ganz verführerisch wandern. Gott, da wird’s mir ganz kribbelig! Mit meinem letzten bisschen Verstand bringe ich noch hastig „Tür!“ heraus, lasse mich dann aber wieder von ihm küssen – das kann er nämlich verdammt gut! Michael löst sich dann wieder etwas von mir und schaut mich einfach nur an. „Mann, dann muss ich ja nochmal aufstehen...“, meint er grimmig, was mich zum Grinsen bringt. Er seufzt aber nur und rappelt sich schnell auf, um den Schlüssel der Tür rum zudrehen. Sicher ist sicher. Dann kommt er wieder zu mir zurück, lässt unterwegs sein Shirt fallen und klettert wieder über mich. Mann, ich glaub mein doofer Gedanke war gar nicht so doof. Ich denke, ich werde das hier jetzt einfach mal genießen! Grrrr! Kapitel 18: Kapitel 18 ---------------------- -18- Mürrisch grummel ich vor mich hin, als ich von einem penetranten Klingeln geweckt werde. Dabei hatte ich gerade so verdammt gut geschlafen! Richtig kuschelig eng an Michael gedrückt. Da kann ich echt nichts Störendes gebrauchen! Im ersten Moment glaube ich ja, dass es mein Wecker ist. Ist er aber nicht. Im nächsten Augenblick hab ich ne böse Ahnung. Hektisch dreh ich meinen Kopf zur Seite und schau zu Michael, der noch immer schläft. Dann werfe ich nochmal schnell einen Blick auf den Wecker. 09:37. Der wird doch nicht so früh schon hier antanzen? Vorsichtig krabbel ich über Michael drüber und versuche ihn nicht zu wecken. Er brummelt nur, dreht sich dann auf die andere Seite, schläft aber weiter. Leise tapse ich zu meiner Tür und öffne sie ein wenig, nur um im nächsten Moment zusammen zu zucken. Okay, er ist da. Von unten hör ich nämlich schon sowas wie einen Streit. Da bin ich jetzt echt noch nicht drauf eingestellt! Ich mein, hallo?! Ich hab mal gerade ein paar mickrige Stunden geschlafen! Dann seh ich meine Mutter die Treppe hochkommen. „Benny?“ „Bin wach.“ „Und Michael?“ Ich schüttel mit dem Kopf. „Weck ihn mal. Sein Vater ist unten.“, sie deutet mit der Hand hinter sich und seufzt. Ich nicke schnell. „Wir kommen gleich!“, sage ich dann und verschwinde wieder in mein Zimmer. Wunderbar. So hab ich mir diesen Samstagmorgen auch nicht vorgestellt. Eigentlich will ich ihn lieber schlafen lassen und erst wecken, wenn das hier alles vorbei ist. Wird aber wohl nicht so funktionieren. Am Ende kommt sein Vater noch hoch und sieht seinen Sohn in meinem Bett. Das würde die Sache nicht unbedingt besser machen. Der würd mich wahrscheinlich auf der Stelle kalt machen... Ich knie mich über Michael und puste ihm ins Ohr, woraufhin er kurz zuckt. Dann geb ich ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, dann noch einen und noch einen, bis er sich endlich rührt und mich zurück küsst. „Morg’n.“, murmelt er grinsend und streckt sich dann ein bisschen. In der nächsten Sekunde runzelt er aber schon die Stirn und wird ganz still. Ich verzieh das Gesicht. Super. Jetzt hört man sie schon bis in mein Zimmer. „Eh... ja.“, mache ich sinnlos und deute zur Tür. Michael schaut mich nur finster an, dann kämpft er sich aus meinem Bett und beeilt sich sich anzuziehen. Ich mache es ihm nach. Nacheinander gehen wir dann ins Bad und treffen uns dann wieder in meinem Zimmer. „Na dann!“ Ich hasse es wenn er so gleichgültig tut, aber ich traue mich jetzt auch nicht wirklich was zu sagen. Ich schnappe mir einfach nur seine Hand und geh mit ihm runter. Kurz vor’m Wohnzimmer schüttelt er aber meine Hand wieder ab. Ich bekomm ein ganz übles Gefühl. Dann öffnen wir die Tür. „...nichts zu tun! Dass kann doch nicht wahr sein!“ Okay, Michaels Vater ist ganz schön gereizt. Der merkt noch nicht einmal, dass wir den Raum betreten haben. Er steht einfach mit dem Rücken zu uns und keift meinen Vater an, der gelassen im Sessel sitzt und nur grimmig zu ihm aufschaut. „Reiß dich mal zusammen! Du redest Schwachsinn!“, knurrt mein Vater und schaut dann zu uns rüber. „Morgen ihr zwei!“ Das wirkt wie ein verdammter Paukenschlag. Michaels Vater dreht sich ruckartig zu uns um und ich merke, wie mein Freund plötzlich steif wird. Klasse. Das kann ja nur gut laufen! „Komm sofort her!“, zischt er Michael auch schon an, ohne ihn auch nur zu begrüßen. Also ich hätte da sicher Angst, wenn der so mit mir umspringen würde. Hab ich ja jetzt schon, obwohl er gar nicht mich meint. „Nein!“ Puh, das kommt erstaunlich fest von Michael, der nur böse zu seinem Vater schaut. Ich glaube jetzt kommt seine Wut hoch und Trotz und was weiß ich. „Michael!“ „Peter. Setzt dich mal hin!“ Mein Papa ist wohl auch die Geduld in Person. Aber so einfach ist das auch nicht. Der setzt sich nämlich eben nicht hin. Dafür mache ich das aber jetzt und zieh Michael am Ärmel mit mir mit. Dass ich dafür einen giftigen Blick zugeworfen bekomme verdränge ich mal schön. Immerhin hält er seine Klappe. Die ganze Situation kommt mir einfach nur lächerlich vor. Was glaubt der eigentlich zu erreichen, hä? Sieht er nicht, dass sein Sohn sich schon längst entschieden hat? Und warum will er das so vehement kaputt machen? Warum gönnt er es ihm nicht einfach? Oder ist für ihn der Gedanke wirklich so schrecklich, dass Michael mit einem anderen Jungen zusammen ist. Mir ist ja klar, dass das nicht alltäglich ist – aber sooo schrecklich selten ist es ja jetzt auch nicht! Es gibt bestimmt noch mehr Menschen, denen es so geht wie uns. Jetzt steht Michaels Vater noch als einziger im Raum herum, was ihm anscheinend auch nicht passt, weil er sich kurz darauf ungehalten in den Sessel fallen lässt. Den Blick immer noch uns zugewandt. Nein, der kann mich wirklich nicht leiden. „So, können wir jetzt in Ruhe reden?!“, brummt mein Papa. Darf ich mal lachen? „Da gibt es gar nichts zu bereden! Ich versteh gar nicht, wie ihr das zulassen könnt!“, braust er gleich wieder auf. „Ihr könnt doch nicht zuschauen wie... wie...“ Jetzt fehlen ihm ganz offensichtlich die Worte. „Sollen wir die beiden auseinander reißen oder was?!“, kontert mein Papa gleich darauf. Ich finde seine Antwort ja nicht so toll, weil ich genau weiß was jetzt zurückkommt. „Natürlich!“ Haha, ich hab’s ja gewusst. „Dann willst du also, dass Michael unglücklich ist?“ „Nein verdammt! Ich will genau das vermeiden!“ Witzig das aus dem Mund von demjenigen zu hören, der seinem Sohn doch das Leben in den letzten Wochen so schwer gemacht hat. „Und das erreichst du indem du ihn fertig machst?!“ Das sitzt. Für einem Moment ringt er um Worte, aber mein Papa lässt ihm gar keine Zeit zum Nachdenken. „Hast du auch nur einmal dran gedacht, was du Michael damit antust?!“ Michael neben mir schluckt schwer und senkt den Blick. Ich schiebe meine Hand zwischen uns, traue mich aber nicht nach seiner zu greifen. Trotzdem will ich sie in seiner Nähe lassen. Sein Vater scheint sich in dem Augenblick wieder zu fassen und steht wütend auf. „Was mache ich denn, hä? Ich versuche ihm nur klar zu machen, dass das nicht geht! Schau sie dir doch an!“, wird er wieder lauter und zeigt mit seiner Hand auf uns. Ich schaue nur ganz verdattert zurück, während Michael noch immer den Kopf hängen lässt. „Ja verdammt! Schau sie dir mal an. Siehst du das etwa nicht!?“ Jetzt steht auch mein Papa auf und deutet auf uns. Ich komm mir hier grad ziemlich unnötig vor. Die hätten das ja auch alleine ausmachen und uns später ihre Ergebnisse vortragen können. Ich find’s nämlich gar nicht prickelnd hier so auf dem bekloppten Präsentierteller zu sitzen und von allen angegafft zu werden. Und wenn ich so neben mich schaue, dann passt das Michael auch nicht. Mann, ich möchte jetzt echt nicht in seiner Haut stecken, auch wenn das fies klingt. „Ja, ich seh’s ja. Und das gefällt mir ganz und gar nicht! Guck ihn dir an! Wie er da sitzt!“, giftet Michaels Vater, obwohl er nicht mal richtig zu uns rüber geschaut hat. Ich meine, der sieht ja nur, dass es Michael schlecht geht aber warum das so ist sieht er nicht. „Und warum, glaubst du, ist das so?“, setzt mein Papa wieder etwas leiser hinterher. Oh klasse. Ich merk, wie Michael neben mir zu zittern anfängt. Das kann ich echt nicht gebrauchen, sonst brech ich hier gleich noch in Tränen aus. Ich mag’s nicht, wenn sich Erwachsene streiten. Das hört sich dann immer gleich so... schlimm und endgültig an. „Weil dein verdammter Sohn nicht die Finger von ihm lassen kann!“ Ich schnappe nach Luft und würde jetzt am liebsten was echt gemeines zu ihm sagen. Mein Papa verzieht auch schon böse das Gesicht, aber Michael ist schneller. „HÖR AUF!“ Alle Blicke wandern zu ihm rüber, selbst ich muss überrascht blinzeln. „Das stimmt gar nicht! Ich...“ Er holt einmal tief Luft, dann schaut er zu seinem Vater rüber. „Ich will mit Benny zusammen sein! Ich will bei ihm sein! Und es ist mir scheißegal, was du denkst! Ich hab schon kapiert, dass du mich nicht mehr... dass du...“ Er holt nochmal Luft, dann setzt er dem ganzen die Krone auf. „Ich komm auch ganz gut ohne dich klar!“ Dann steht er auf und geht aus dem Zimmer. Und hinterlässt eine beängstigende Stille. Ich zögere nur ein paar Augenblicke, dann steh ich auch auf. Diesmal schauen alle auf mich. Okay, jetzt oder nie. „Wenn’s ihnen nicht passt, dass ich mit Michael zusammen bin, dann lassen sie ihn doch einfach in Ruhe! So einen Scheiß hat er nämlich nicht verdient!“ Und damit das ganze einen runden Abschluss hat, knalle ich die Tür noch mit einem deutlichen „Arschloch!“ zu. Scheißegal ob sein Vater wieder zu toben anfängt. Vor der Tür atme ich einmal kräftig ein und aus und versuche meine Wut zu verdrängen. Was für ein Idiot! Und scheiße, hab ich jetzt ein schlechtes Gewissen! Ich hab hier bis eben tatenlos herumgesessen und mein blödes Maul nicht aufbekommen! Da muss erst mein Freund kommen und mich verteidigen – na super! Vielleicht hätte ich mir doch lieber nen Kampfplan zurechtlegen sollen! Argh, egal jetzt. Ist dafür eh zu spät! Jetzt erst mal zu Michael. Ich geh gleich rauf in mein Zimmer, da ich glaube, dass Michael hier am ehesten sein könnte. Und ich hab recht. „Das ist doch zum Kotzen!“, meckert er gleich los, schaut mich aber nur flüchtig an. „Kommt einfach her und redet so einen Mist! Was soll’n das?“ Ich zucke nur mit den Schultern. Eigentlich hätte ich jetzt nicht mit so einem... äh... Wutausbruch gerechnet. Eher das er hier schweigend sitzt und kurz vorm Heulen wäre. Oh Mann. Ich bin aber echt froh, dass er nicht so reagiert hat. Das hätte ich eh nicht ertragen. Bin ja unten schon so schrecklich nervös geworden. Verdammt, meine Hände zittern sogar ein wenig! „Ich hab ja gewusst, dass er bescheuert ist, aber DAS!“ Er rauft sich ein bisschen die Haare und ringt nach Worten. Ich selbst weiß gar nicht so genau, was ich jetzt sagen soll. Deshalb setz ich mich einfach mal auf mein Bett und bin ganz ruhig. „Mann, warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe? Er hält doch sowieso so wenig von mir!“ Auch wenn er das ziemlich wütend sagt, höre ich doch eine unterschwellige Verzweiflung raus. Toll, und ich hock hier einfach untätig und weiß nix mit mir anzufangen. Ich schaue ihn einfach nur an und schweige. Super, bin bestimmt ne große Hilfe. „Am liebsten würde ich ja ausziehen! Soll er doch alleine weiter rumstänkern. Ich brauch den nicht!“ Hm, das glaub ich ihm jetzt nicht so richtig. Ich würde auf jeden Fall nicht so einfach auf die Gesellschaft meiner Eltern verzichten können. Aber ich kann meine Situation ja schlecht mit seiner vergleichen. Trotzdem, so erwachsen fühl ich mich dann auch noch nicht und ob Michael so stark ist, wie er gerade tut, weiß ich auch nicht. Ich glaub’s eher nicht. Wer ist das schon? Ich meine, wir sind ja noch nicht selbständig oder so. Wir gehen beide noch zur Schule und es ist ganz normal, wenn man sich auf seine Eltern verlässt. Nur blöd, wenn da ein Elternteil quer schlägt. Trotzdem find ich seine Worte ein bisschen extrem und ich glaub zu wissen, dass er das jetzt nur in seiner Wut so sagt. „Arschloch!“, stößt er dann ein wenig lauter hervor und setzt sich zu mir auf’s Bett. „Was soll ich denn jetzt machen?“, murmelt er leise und schließt seine Augen. Langsam beruhigt er sich wieder. Seine Hände hat er aber beide verkrampft auf seinen Oberschenkeln liegen. Hat er mir jetzt diese Frage gestellt? Was soll ich denn jetzt dazu sagen? Ich hab doch auch keinen Plan. Ganz spontan fallen mir da nur folgende Worte ein: „Ich liebe dich!“ Michael schaut ein bisschen verwirrt auf und atmet dann tief durch. Er schafft es sogar sich ein ehrliches Lächeln abzuringen. „Ich weiß!“, meint er dann ernst und dreht sich ein bisschen zu mir um. „Ich bin echt froh, dass du noch nicht abgehauen bist!“, grinst er dann ein bisschen schief. Skeptisch hebe ich eine Augenbraue und fange dann ganz fies an zu grinsen. „Na ja, du hast da manchmal so überzeugende Argumente!“, zucke ich gleichgültig mit den Schultern, habe aber noch immer dieses Grinsen auf den Lippen. „Nee, oder?!“ Michael schaut mich ein bisschen fassungslos an. „Du willst also nur das Eine von mir?!“ Dabei muss er aber auch ein bisschen lächeln. Gott sei Dank. „Was dachtest du denn?“, mache ich empört. „Jetzt wo ich dich so gut erzogen hab, geb ich dich doch nicht mehr her. Außerdem weißt du ja was mir so gefällt... wäre schon ziemlich nervig, wenn ich das jemandem erst wieder beibringen müsste!“ Dann tippe ich mir aber auf die Brust. „Und ein kleines bisschen spielt das hier ja auch ne Rolle...“ Zu meiner eigenen Schande werde ich daraufhin etwas rot. „Hm.“, macht er einfach und kommt mir dann wieder etwas näher, um mir einen kurzen aber intensiven Kuss zu geben. Ich glaub ich hab ihn ein bisschen aufgemuntert. Wir sitzen hier dann einige Minuten einfach nur rum und ich hätte schon fast vergessen, dass unten sein Vater ist, wobei ich mir nicht mal mehr so sicher bin, ob er noch da ist. Aber als meine Mutter an meine Zimmertür klopf und dann rein kommt, bestätigt sie nur meine unausgesprochene Frage. „Michael? Wir haben nochmal mit deinem Vater gesprochen, so ganz in Ruhe.“ Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll, aber meine Laune sinkt in den nächsten Minuten rapide. Meine Mutter jedenfalls klingt ziemlich zuversichtlich. Zumindest soll Michaels Vater nicht mehr rum brüllen und anscheinend hat er auch ein wenig Vernunft angenommen. Wie auch immer, es läuft auf das selbe hinaus – nämlich, dass Michael heim soll, mit seinem Vater. Und Michaels Antwort macht das ganze auch nicht besser. „Okay.“ Okay? Mehr nicht? Na, ich bin ja begeistert. Will er jetzt einfach mitgehen und sich wieder zur Sau machen lassen? Find ich ja supergenial. Aber ich lass mir nichts anmerken – zumindest vorerst. Ich weiß ja, dass ich ihn hier nicht festbinden kann und dass er sowieso irgendwann wieder Heim muss. Ich mag den Gedanken aber trotzdem nicht. Meine Mutter lässt uns dann auch alleine und ich nutz gleich die Chance mich an Michael zu wenden, der auch schon aufgestanden ist. „Willst du echt gehen?“ „Was bleibt mir denn anderes übrig?“ „Na hier bleiben!“, brause ich fast auf. „Ich werd schon mit dem fertig!“ Na klar! „Komm schon, was soll denn schon passieren?!“ Einen Moment lang schau ich ihn einfach nur blöde an. Was passieren soll? Ich hab da ein paar tolle Vorschläge. Folter, Mord, Totschlag? Keine Ahnung, ich bin in dem Gebiet nicht so bewandert! „Spinnst du dir wieder irgend einen Quatsch zusammen?“, grinst er mich dann an. Klugscheißer! Bitte, soll er doch gehen! „Wenn was ist rufst du an und ich komme!“, murre ich unzufrieden. „Zu meiner Rettung?“, fragt er grinsend. Ich grinse nur etwas stinkig zurück, lasse mir zum Abschied aber nochmal einen Kuss geben. Dann gehe ich noch mit ihm runter und schaue zu, wie die beiden verschwinden. Sein Vater ist wirklich ruhiger geworden. Er hat sich einfach nur noch flüchtig von meinen Eltern verabschiedet, mich aber nur so komisch angeguckt. Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll... Aber eins ist sicher. Die nächsten Stunden dürften ne ziemlich Qual werden – und zwar für mich. *** „Das glaubst du ja selbst nicht!“ „Oh doch! Ich wette mit dir!“ „Kannst‘e vergessen!“ „Hast wohl Schiss, ne!?“ Angepisst schaue ich auf Sabine, die mir ein so triumphierendes Grinsen zu schmettert, dass ich ihr am liebsten eine reinhauen würde. So eine Schnappsidee! „Komm schon, die müssen das ja nicht erfahren!“, raunt sie dann verschwörerisch. Verstohlen schau ich zur Seite, wo der Rest unserer Clique steht, einschließlich Michael und Alex. Echt, manchmal hab ich Mitleid mit Alex, dass er so eine Freundin ertragen muss... „Aber doch nicht hier!“, murre ich noch immer und mache mit meiner Hand eine ausschweifende Geste. Wir sind hier nämlich gerade in einer blöden möchte-gern Disco. Weiß nicht so recht wie man das Ding sonst nennen soll. Immerhin gibt es hier ne Tanzfläche. Die Musik dröhnt aber nur aus großen Boxen und am Rand zieht sich ne lange Bar entlang – wo wir uns auch gerade aufhalten. Bunte Lichter flackern durch den riesigen Raum und einige Bekloppte hüpfen total bescheuert in der Mitte herum. Wenn man das alles aber ausblendet bleibt nur ne alte Bruchbude. War früher wahrscheinlich mal ne stinknormale Kneipe oder so. „Warum denn nicht?“, will Sabine wissen und stupst mich auffordernd in die Seite. Tse, warum wohl nicht?! „Weil ich keinen Bock auf ne gaffende Menge habe!“, zische ich ihr zu und nuckel weiter an meinem Bier. Die soll mich mit ihren blöden Ideen in Ruhe lassen. „Ah! Du hast doch Schiss, dass ich gewinne!“, behauptet sie. „Gar nicht wahr!“, schieße ich gleich zurück. Das ist ja mal gar nicht der Grund. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass ich diese blöde Wette gewinnen könnte, wenn ich sie denn annehmen würde – was ich natürlich nicht machen werde! Ich will einfach nicht den zerbrechlichen Frieden zerstören, der sich seit drei Wochen eingestellt hat. Nach dieser Aussprache zwischen Vater und Sohn. Das ist nämlich ganz anders gelaufen, als ich gedacht hätte. Als Michael mit seinem Vater an diesem Samstag abgerauscht war, saß ich den ganzen Mittag wie auf heißen Kohlen. In meiner Hand war immer mein Handy und ich hab jede Sekunde drauf gestarrt, obwohl es keinen Pieps von sich gegeben hatte. Ich war mehrmals davor ihn anzurufen, weil ich mir mal wieder die schlimmsten Dinge ausgemalt hatte. Dass mein Papa mich zwischenzeitig dann immer aufgezogen hatte und meinte, ich soll mal nicht den Psychopathen raushängen lassen, hat mir dann auch nicht wirklich geholfen. Erst als der erlösende Anruf kam, hab ich dann etwas von meiner Anspannung verloren. Lange Rede, kurzer Sinn: Michaels Vater war zwar immer noch nicht mit der Situation glücklich, aber er wollte sich bessern. Zumindest wollte er seinem Sohn nicht mehr vorschreiben, wen er zu sehen hatte und wen nicht. Willkommen war ich bei ihm noch immer nicht, aber Michael durfte zu mir kommen wann er wollte. Wahrscheinlich wollte sein Vater uns beide einfach nicht zusammen sehen und sich so vor Augen führen lassen, was da zwischen uns beiden abging. Michael selbst war und ist damit eigentlich ziemlich zufrieden, obwohl er sich seitdem nicht mehr so supertoll mit seinem Vater versteht. Und er findet es auch bescheuert, dass ich sowas wie Hausverbot hab. Aber dafür hält er sich einfach ein bisschen häufiger bei mir auf – und dass macht mich ziemlich zufrieden. Und irgendwie zögere ich in letzter Zeit auch genau deshalb, wenn’s darum geht sich in der Öffentlichkeit etwas eindeutiger zu zeigen. Was eigentlich totaler Schwachsinn ist, weil ja jetzt alles wieder etwas besser zu laufen scheint, aber dennoch. Ich bin zurückhaltender geworden. Ich hab nicht so den Drang mich ihm vor allen Leuten an den Hals zu werfen, dass mach ich lieber wenn wir ganz alleine sind! Natürlich gibt es immer mal wieder Momente, da bricht es aus mir heraus und ich schnapp ihn mir, um ihn einfach mal zu küssen, aber so ganz der Mutige bin ich nicht. Besonders nicht in der Schule. Mir kommt‘s immer so vor, als wüssten es alle – was wahrscheinlich auch so ist. Ein offenes Geheimnis eben. Unsere Blicke kann man wahrscheinlich nur in eine Richtung deuten. Trotz allem hat uns noch keiner so direkt darauf angesprochen. Zumindest aus anderen Klassen nicht. Die Leute aus unserer Klasse wissen nämlich auf jeden Fall Bescheid und grinsen immer so doof, wenn wir nur irgendwas zusammen machen. Egal ob in die Pause gehen, Tafel wischen oder einfach nur nebeneinander sitzen. Von Alex weiß ich, dass ihn schon ein paar Klassenkameraden auf uns angesprochen haben, es aber gar nicht schlimm fanden. Nur ein paar Deppen haben dumme Sprüche geklopft. Ist mir aber egal. Einige wenige – vorwiegend die Mädels – haben es auch gewagt uns direkt zu fragen. Scheiße, war mir das peinlich! Michael hat natürlich nur grinsend neben mir gestanden und sich köstlich über mich amüsiert, während ich versucht hab die blöden Fragen zu beantworten. Mann, bis auf den Sex läuft bei uns doch alles genauso, wie bei einem stinknormalen Heteropaar! Trotzdem haben die sich alle möglichen und unmöglichen Fragen aus den Fingern gesaugt und uns beteuert, wie toll sie das doch alles fänden und blabla. In so was bin ich einfach nicht gut. Ich mag’s nicht so, wenn ich im Mittelpunkt stehe, aber irgendwie hat Michael mittlerweile diese Rolle übernommen. Also das mit der Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so. Wenn der mir nämlich diesen bestimmten Blick zuwirft, kann ich einfach auch nicht mehr anders. Da blende ich immer alles um mich herum aus und lass mich von ihm in den Bann ziehen. Da vergess ich dann auch mal die geifernde Menge um uns herum. „Dann los!“, reißt mich Sabine plötzlich aus meinen Gedanken, schiebt mich vorwärts und geht mit mir zur Tanzfläche. „Ich will nicht!“ Sie scheint meinen schwachen Widerstand gar nicht groß zu beachten und schiebt mich einfach weiter. Super! Mädchen sind total bescheuert! „Jetzt komm schon!“ Dann bleiben wir stehen und sie dreht sich etwas in Richtung Bar um, wo die anderen noch stehen. Natürlich auch Michael und Alex. Ich hingegen fühl mich grad sehr unwohl. Die wird ja jetzt nicht von mir verlangen, dass ich noch zu tanzen anfange! Als sie dann auch noch in ihrer Tasche kramt und ihren Lipgloss rausholt, würde ich am liebsten wieder umdrehen. Flüchtig schmiert sie sich was von dem durchsichtigen Zeug auf die Lippen und drückt ihn dann mir in die Hand. Äh, ja, was soll ich denn jetzt damit? „Ja mach halt!“, drängt sie mich und reißt ihn mir wieder aus der Hand. Nur um mir dann eine Hand unters Kinn zu legen und schnell auch ein bisschen auf meinen Lippen zu verteilen. ICH WERD BEKLOPPT! „Hey!“, versuche ich zu protestieren und drehe meinen Kopf weg, da ist es aber schon zu spät. Grinsend packt sie das Teil wieder weg und ich kann sie nur mit einer knallroten Birne anschauen. Ich möchte sie auf der Stelle töten! „Hey! Ich tu dir nur nen Gefallen!“, meint sie lachend und deutet dann auf unsere beiden Freunde, die das aber zum Glück nicht mitbekommen haben. „Okay!“, meint sie dann ernst und schaut mich herausfordernd an. „Möge der Bessere gewinnen!“ Ich lächle etwas verkrampft. Das ist ja wohl ein Witz! Und jetzt fangt die tatsächlich an zu tanzen – und auch noch ganz aufreizend! Die ist ja total behämmert! Ich steh dagegen immer noch etwas hilflos neben ihr und hadere noch. Ich sollte mich hier lieber verdrücken und wieder an die Bar stellen. Ein kurzer Blick zu eben dieser sagt mir aber, dass ich mittlerweile doch beobachtet werde, was mich noch ne ganze Spur nervöser macht. Ach scheiß drauf! Ich werd mich doch nicht von Sabine so unterbuttern lassen! Zögerlich fange ich auch an zu tanzen und versuche meinen Blick krampfhaft nicht zu Michael schwenken zu lassen. Mann, bei mir fängt’s überall zu kribbeln an. Für Außenstehende sieht das hier wahrscheinlich so aus, als würden Sabine und ich zusammen tanzen, aber in Wirklichkeit tanzen wir für ganz verschiedene Personen. Und es ist genau dieser Gedanke, der mich so schrecklich nervös macht! Ich kann meine Augen dann doch nicht davon abhalten, ihn anzuschauen und zucke fast wieder zurück, als er mich so mustert. Meine Fresse, ich kipp hier gleich um! Starr schaue ich zu Sabine und versuche ein paar ihrer Bewegungen zu kopieren und könnt mich im nächsten Moment dafür hauen. Ich werd doch hier nicht wie ein Mädchen tanzen! Irgendwas muss mir total den Verstand benebelt haben, weil ich trotzdem weitermache und auch nochmal einen Blick zu Michael werfe, der mittlerweile seine Flasche auf die Theke gestellt hat und ein bisschen unruhig wirkt. Dann schaue ich neben ihn, zu Alex, der aber nur grinsend zu Sabine schaut. Der macht ja schon den Eindruck, als würde er gleich zu ihr wollen! Okay, dann halt anders. Ich dreh mich nun komplett zu meinem Freund um und kann auch auf die Distanz merken, dass er einmal kräftig schluckt. Alex neben ihm sagt irgendwas zu ihm, woraufhin Michael nur nickt, den Blick aber nicht von mir abwendet. Mensch du Blödmann! Jetzt mach schon! Sabine kichert schon leicht siegessicher und etwas sauer gucke ich sie dementsprechend auch an. Mann, muss ich hier erst ne beschissene Angel auswerfen? Wieder schaue ich zu meinem Freund, aber diesmal versuche ich diesen bestimmten Blick aufzusetzen. Kann ja so schwer nicht sein. Dabei fahre ich mir noch leicht mit der Hand über den Hosenbund und hebe mein Shirt ein bisschen an, was mich ein bisschen rot anlaufen lässt. Was mach ich hier eigentlich?! Es scheint aber zu wirken, weil sich Michael von der Theke abstoßt und ziemlich zielstrebig auf mich zukommt. Sabine neben mir seufzt nur ergeben. Als er bei mir ankommt, schlingt er fast sofort seine Arme um meine Hüften und gibt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen, woraufhin er fragend seinen Mund verzieht und sich darüber leckt, was mich wiederum nochmal rot anlaufen lässt. Trotzdem kann ich mein Grinsen nicht verbergen, als ich ein atemloses „Gewonnen!“ murmle. Ich glaub, genau diese Momente sind es, für die sich der ganze Stress gelohnt hat! -Ende- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)