Geständnisse von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 16: Kapitel 16 ---------------------- -16- Ganz langsam stell ich mich wieder hin und beachte Rocky gar nicht, der leise wimmernd vor mir steht und mich hoffnungsvoll anschaut. Erst als Michael auf mich zu kommt und mich auffordernd anrempelt, merke ich wieder, was so um mich herum passiert. „Ich will aber nicht!“, murmel ich ganz leise zu meinem Freund, aber nach Patricks Gesichtsausdruck zu urteilen, nicht leise genug. „Gib dir nen Ruck. Nur fünf Minuten.“ Und das gerade aus seinem Mund! Michael schnappt sich dann Rocky und geht bis an den Rand der Straße, wo jedes der Mehrfamilienhäuser eine kleine Wiese hat, die mit einem noch kleineren Holzzaun abgegrenzt wird. Der will uns doch nicht etwa alleine lassen? Ich will ebenfalls schon umdrehen und wieder gehen, aber Patrick hält mich auf. „Warte bitte!“ „Warum sollte ich!“, bringe ich trotzig hervor. „Ich will mich entschuldigen!“ „Fein, haste ja jetzt gemacht. Tschüss!“ Ich will schon wieder weiter gehen, als er mich nochmals aufhält. „Verdammt Benny! Mach es mir doch nicht so schwer!“ Er klingt schon ziemlich verzweifelt. Ich weiß ja, dass ich nicht ganz fair bin, aber ich weiß eben auch, wer mir wichtig ist und wen ich auf keinen Fall verlieren will! Dennoch bleib ich stehen. „Danke!“ „Ja ja, mach hinne!“ Ich kann schon ziemlich zickig sein. Aber im Moment bin ich einfach nur nervös. Ich will nicht, dass nochmal was Dummes passiert. Und ich will erst recht nicht, dass Michael das sieht und nochmal böse auf mich sein muss. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie mein Freund sich mit Rocky beschäftigt und uns dabei überhaupt nicht beachtet. „Es tut mir Leid, was ich da so einfach gemacht hab... Ich weiß das war dumm und ich kann verstehen, dass du böse bist...“ Er atmet tief durch und kommt etwas näher, lässt aber noch immer genug Abstand zwischen uns. Ich verkneif mir einfach meinen blöden Kommentar und schaue verkrampft zu Michael rüber. „Du liebst ihn sehr.“ Dabei schaut er ebenfalls zu meinem Freund und erwartet keine Antwort. „Es tut mir wirklich Leid, dass ich mich zwischen euch gestellt hab. Michael ist echt kein übler Kerl. Du kannst froh sein, dass er auf dich aufpasst!“ Aha, so plötzlich? Er muss meinen fragenden Blick bemerkt haben, denn er fängt leicht an zu grinsen. „Als er vorhin vor meiner Tür stand, hab ich gedacht, der knallt mir jetzt eine!“ Ich auch, aber das behalte ich für mich. „Na ja, ich hab ihn echt unterschätzt. Er ist erwachsener als ich dachte!“ Ja, würde ich ja auch sagen, wenn ich wüsste, was Patrick jetzt genau meint. „Ich hab ihn dann einfach mal rein gebeten und wir haben uns in mein Zimmer gesetzt. Dann hat er mich erstmal nur kritisch gemustert. Ich hab echt keinen Ton rausbekommen. Ich mein, was sollte ich denn sagen. Tut mir Leid, dass ich deinen Freund geküsst hab? Das wär‘ wohl nicht so toll gekommen.“ „Ganz bestimmt nicht!“, pflichte ich ihm bei und seufze. „Mhm.“ Patrick scheint erleichtert, dass ich wieder einigermaßen normal spreche. Ja, ich hab mich etwas abgeregt. Michaels Anwesenheit gibt mir anscheinend irgendwie Kraft. „Er hat mich dann gefragt, was ich mir dabei gedacht hab. Und ich hab nur mit den Schultern gezuckt.“ Patrick lacht leise. „Er ist ganz ruhig geblieben und hat mich dann gefragt, ob ich was von dir will.“ Er macht eine kurze Pause. „Ich meinte dann, dass ich es selbst nicht so richtig wüsste.“ Wieder unterbricht er sich und steckt sich seine Hände in die Hosentaschen. „Er hat mir dann klar gemacht, dass es egal sei, ob ich dich wollte oder nicht. In beiden Fällen würde ich dich nicht bekommen.“ Ich schaue Patrick überrascht an. Hatte Michael ihm doch Schläge angedroht? „Er hängt wirklich an dir! Das hab ich jetzt verstanden. Ich weiß nicht, aber die ganze Zeit hatte ich so ein verzerrtes Bild von ihm. Der kleine eifersüchtig Junge. Da war es mir egal, ob ich mich an seinen Freund ran mache oder nicht. Vielleicht wollte ich ihm einfach nur eine auswischen, ich weiß es nicht.“ Ich nicke. Dann sieht Patrick in mir doch nicht jemanden, den er liebt? Der Gedanke gefällt mir. „Ich hab ihm dann versichert, dass ich dir nie wieder zu nahe kommen werde. In nächster Zeit bin ich sowieso sehr mit meiner Zukunft beschäftigt. Studienbeginn, neue Wohnung, neue Umgebung...“ Er zuckt mit den Schultern und schaut mich fragend an. Das soll wohl heißen, dass wir in nächster Zeit nicht mehr so viel zusammen unternehmen werden. Ein bisschen Abstand. Patrick scheint es wirklich ernst zu meinen. „Ja.“ „Heißt das, du vergibst mir?“ „Hat Michael das getan?“ Patrick grinst und fängt dann an zu lachen. „Was ist daran so lustig?“, will ich etwas eingeschnappt wissen. Der soll sich jetzt bloß nicht zu viel erlauben. Er beruhigt sich aber schnell wieder und zeigt auf meinen Freund. „Genau das hat Michael auch gesagt oder so ähnlich zumindest. Er hat es auch davon abhängig gemacht, ob du mir verzeihst!“ „Wirklich?“ „Wirklich!“ Schon lustig. Ich selbst kann mir mein Grinsen auch nicht mehr verkneifen und schaue auf Michael, der Rocky schön den Bauch krault. Mann, in mir erwacht wieder so eine Sehnsucht ihn in den Arm zu nehmen! „Tja, dann vergessen wir die Sache!“, lache ich leise und zucke mit den Schultern. Patrick atmet erleichtert aus und geht ein paar Schritte in Richtung Michael und seines Hundes. „Hey Rocky! Lass dich nicht so verwöhnen!“, lacht er und ich muss zugeben, seine Stimme klingt schon wieder viel freier. Michael schaut nun ebenfalls zu uns rüber und steht auf. Im Vorbeigehen scheinen die beiden sich stumm zu verständigen und tauschen dann die Plätze. Patrick geht zu Rocky und Michael kommt zu mir – wo er auch hingehört! Ohne ein Wort nimmt er mich fest in die Arme und flüstert mir leise etwas ins Ohr, was mir eine Gänsehaut über den Rücken jagt. „Ich liebe dich!“ *** Nach dem kurzen Besuch bei Patrick haben wir beide uns noch ein bisschen in den nahe liegenden Park verzogen, um ein wenig frische Luft zu schnappen nach der ganzen Aufregung. Ich kann immer noch nicht so richtig fassen, was da gerade passiert ist. Vor allem Michaels Verhalten. Klar, ich hätte an seiner Stelle Patrick wahrscheinlich auch gehörig meine Meinung gesagt, aber ob ich mich mit ihm danach noch vertragen hätte? Ich weiß nicht. Manchmal kommt mir mein Freund wirklich erwachsener vor, als ich es bin... „Ach Mann!“ Michael scheint auch in Gedanken zu sein. „Was ist?“, frage ich ihn leise und schlendere weiter mit ihm den Weg entlang. Links und rechts sind Wiesen, die von kleinen Hecken umrandet sind. Wenn man genau hinschaut, dann kann man auch mal ein Eichhörnchen herum springen sehen, dass aber schnell wieder auf einem Baum verschwindet. „Setzen wir uns da vorne hin?“ Ich schaue zu der hässlich grünen Bank, die am Wegrand steht. Dann nicke ich. Eine Zeit lang sitzen wir nur still nebeneinander und beobachten die Umgebung und die Leute. Es geht schon gegen Abend, aber dennoch sind noch viele Menschen unterwegs. Ein kleines Mädchen kommt auf uns zugerannt, grinst und wirft seine Serviette in den Müll neben uns. Dann beißt es wieder in sein Wurstbrötchen und rennt zu seiner Mutter. Ich muss auch grinsen. „Benny?“ „Ja?“ „Weißt du noch, was ich dir erzählt hab?“ „Wann?“ Er lacht. „Bei unserem Gespräch, dass ein bisschen schief gelaufen war!“ Ah ja. Dieses dumme Gespräch, wo wir beide vollkommen aneinander vorbei geredet hatten. „Na ja... so genau weiß ich nicht mehr, was du mir sagen wolltest...“ Hoffentlich ist er mir jetzt nicht böse! So wie es aussieht muss es nämlich was wichtiges sein. Schon die ganze Zeit ist er so in Gedanken. „Schon gut.“ Er blickt zu mir rüber, dann greift er sich meine Hand und ist wieder still. Gerade als ich nachfragen will, fängt er an. „Ich hab dir doch gesagt, dass mein Vater nicht sonderlich begeistert ist...“ Ich schlucke. „Weißt du... ich hab ja gedacht, dass er sich wieder einkriegen würde, aber bis jetzt ist er immer noch auf hundertachtzig...“ Ich hab ein mulmiges Gefühl. „Immer wenn ich ihm begegne, verfolgt er mich mit diesem komischen Blick. Dann lässt er manchmal einen blöden Kommentar fallen. Ich hab’s die ganze Zeit ignoriert.“ Es tut mir weh so was zu hören. Ich will nicht, dass es meinem Freund so schlecht geht. Er hat doch gar nichts schlimmes gemacht! Warum hat er nur so einen blöden Vater! Warum kann der nicht ein bisschen so sein wie meiner? Und warum sagt mir Michael das alles erst jetzt? Natürlich weiß ich was es da mit seinem Vater auf sich hat, aber die letzte Zeit hat er die Sache nicht mehr erwähnt und ich dachte es würde besser werden. „Bis jetzt konnte ich damit leben, dass er meine Wahl nicht akzeptieren kann. Ich meine, soll er mich doch doof anschauen und blöde Sprüche klopfen!“ Michael lacht verkrampft und drückt meine Hand. „Aber jetzt geht er zu weit... Solange er nur mich in seinen Kleinkrieg hineinzieht ist es ja noch okay, aber jetzt reicht ihm das wohl nicht mehr!“ Etwas verwirrt schaue ich zu ihm herüber. „Was meinst du damit?“, frage ich leise und merke, dass meine Stimme belegt ist. Mann, das nimmt mich doch mehr mit, als ich gedacht hab. „Er hat gemerkt, dass es nichts bringt, wenn er mich schikaniert. Jetzt will er es eben bei dir versuchen!“ Mein Blick muss recht zweifelnd ausgesehen haben, denn Michael seufzt. „Er will zu euch kommen, um mit deinen Eltern zu reden. Er glaubt, dass er es so schafft, uns auseinander zu bringen...“ Er räuspert sich und schaut dann wieder auf den Weg. Ich hingegen versuch das erstmal zu ordnen. Sein Vater will also zu uns kommen. Aha. „Benny?! Ich hab Angst, dass er es schafft...“ „WAS? Wieso denn?“ Darüber hab ich mir jetzt am allerwenigsten Sorgen gemacht! Der soll ruhig kommen und sein Sprüchlein loslassen, dass juckt mich doch nicht. Mehr Sorgen mach ich mir um Michael. Wie soll das mit seinem Vater noch ausgehen? Mit dem soll er zusammen wohnen? Das würde ich ja nicht mal einen Tag aushalten! Verdammt, das kann doch so nicht weitergehen! „Was ist, wenn er deine Eltern überzeugt? Dann stehen wir doch ganz allein da! Das hat doch dann keinen Sinn mehr. Scheiße, ich mach dir nur Ärger!“ „Jetzt mal langsam! Wieso sollten meine Eltern auf ihn hören? Du kennst doch meinen Papa! Der lässt sich doch nicht so einfach aus der Bahn werfen. Und meine Mama mag dich doch so gern! Die würde das auch nicht zulassen. Wir kennen uns schon so lange, dass kann er gar nicht kaputt machen!“ Ich versuch möglichst zuversichtlich zu klingen und ihn von meiner Sicht zu überzeugen. Michael reibt sich aber erstmal übers Gesicht, dann schaut er mich an. „Ich will nicht, dass er uns vor deinen Eltern schlecht macht!“ Ich remple ihn leicht an und grinse. „Ach komm, meine Eltern kennen mich besser als du denkst. Immerhin haben die mir schon die Windeln gewechselt, also kannst du dir sicher sein, dass sie schon jede Sauerei von mir kennen!“ Mein kleiner Scherz scheint wohl angekommen zu sein, denn Michael grinst auch. „Blödmann!“ „Ich weiß!“ Dann werde ich aber wieder ernst. Jetzt kann ich auch ein bisschen verstehen, warum er die Sache mit Patrick so schnell wie möglich aus der Welt haben wollte. Das kleine Zwischenereignis erscheint mir plötzlich so unwichtig im Vergleich zu dem hier. „Michael, lass ihn ruhig kommen. Meine Eltern sind hundertprozentig auf unserer Seite, glaub mir!“ „Aber was sollen die denn denken?“ „Was wohl? Das dein Alter eine an der Klatsche hat!“ Er schweigt einen Moment, dann drückt er wieder meine Hand. „Kann ich heut Nacht bei dir bleiben?“ Ich werde ein wenig rot, nicke aber sofort, was Michael wieder lachen lässt. „Denkst du wieder an was Versautes!?“ Nee, ich doch nicht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)