Geständnisse von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- -15- Ich liege im Garten und versuche einfach alles um mich herum auszublenden. Gar nicht so einfach. Michael ist noch immer nicht zurückgekommen, warum auch. Er dürfte ziemlich wütend sein. Auf mich, auf Patrick, einfach auf die ganze Welt. Ich merke richtig, wie ich mich selbst immer weiter runter ziehe, aber ich kann es einfach nicht verhindern. Was ist nur in letzter Zeit los? Ich will doch nur mit Michael zusammen sein und sonst gar nichts! Einfach nur glücklich sein, zusammen Spaß haben, etwas erleben und ruhige Abende miteinander verbringen. Mehr will ich doch gar nicht. Ja, ich will Michael! Entschlossen setze ich mich auf und will ihm folgen, als ich ihn schon in der Terrassentür stehen sehe. Er ist doch nicht gegangen? Unentschlossen bleibt er stehen und schaut mich an. Ich selbst reiße mich zusammen und komme auf ihn zu. „Ich weiß ja gar nicht wo er wohnt!“, lacht er zerknirscht und zuckt hilflos mit den Schultern. „Hm“ Ich nicke einfach und schaue zu ihm auf. Was soll ich denn jetzt sagen? „Ich hab ja schon geahnt, dass er ein Auge auf dich geworfen hat. So wie der dich immer angeschaut hat...“ Ich bin einfach nur still. „Ich hätte dich nicht mit ihm allein lassen sollen! Ich hab’s doch genau gewusst! Dieser Drecksack!“ Bisher war Michael noch ziemlich leise, aber bei seinen letzten Worten ist er immer lauter geworden. „Was ist eigentlich genau passiert?“ Mit dieser Frage hab ich schon gerechnet. „Gehen wir in mein Zimmer?“, stelle ich eine Gegenfrage. Hier draußen will ich bestimmt keine Beziehungsprobleme besprechen. Gott, dass ich mal sowas erleben würde, hätte ich im Traum nicht gedacht. Michael dreht sich einfach um, greift aber nach meiner Hand. Entweder ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen. Vielleicht will er mir zeigen, dass er mich nicht verlieren will? Vielleicht will er mir aber auch gleich eine gehörige Standpauke verpassen... Ehrlich, ich hab schon schönere Zeiten erlebt! Oben angekommen, schließe ich leise die Tür hinter mir. Ich komm mir gerade vor, als würde man mich gleich köpfen wollen. Dabei würde Michael sowas nie im Leben machen! Mein schlechtes Gefühl bleibt aber trotzdem. Ich hab’s ja auch verdient. „Also gut“, fängt er an und stellt sich ans Fenster, „zwischen euch beiden ist etwas gelaufen...aber was genau?“ Dabei verschränkt er seine Arme vor der Brust und schaut mich ohne eine Gefühlsregung an. Den Blick kannte ich bisher auch noch nicht. Ich zupple mir an meinem Shirt herum und stehe noch immer an der Tür. Obwohl ich es nicht will, scheint mir hier der sicherste Ort zu sein. Meine Möglichkeit schnell zu verschwinden, falls ich es nicht mehr aushalten sollte. Aber so weit will ich es gar nicht kommen lassen. Als ich wieder zu Michael rüber schaue, sehe ich für einen kurzen Moment Ratlosigkeit in seinen Augen, dann verschwindet sie wieder und sein Blick wird hart. „Was ist jetzt? Willst du lieber mit dem zusammen sein?“ Ohje, jetzt hab ich noch gar nichts gesagt und trotzdem läuft es in die total falsche Richtung! „Will ich nicht!“ „Was ist dann passiert?“ Also gut. „Als du weg warst, hat Patrick noch ein bisschen rumgemeckert... über dich“, das aufgebrachte Schnaufen von Michael überhöre ich einfach, auch wenn es mich kurz zusammenzucken lässt, „ich hab dich dann verteidigt! Und irgendwie ist es dann passiert. Also passiert ist eigentlich nicht viel. Er... er hat dann nur... also...“ Ich komm ins Stocken und verliere dann vollkommen den Faden. Wie formuliere ich das jetzt am besten? „Oh Gott, du machst mich fertig! Jetzt sag es doch einfach. Ihr habt miteinander geschlafen!“, zischt er böse und kann nicht mehr ruhig stehen. Er vermeidet es, mich anzusehen und läuft im Zimmer auf und ab. „Nein, haben wir nicht!“, rufe ich etwas lauter. Jetzt zuckt Michael selbst zusammen und bleibt auf der Stelle stehen. Anschauen tut er mich immer noch nicht. „Er hat mich nur geküsst!“, bringe ich leise hervor und betrachte den Rücken meines Freundes. Ich sehe, wie er tief einatmet. Und verdammt noch mal, es macht mich tierisch nervös, dass er noch immer nichts sagt! „Hörst du? Da war gar nichts! Ich hab ihn weg geschubst und dann hab ich ihn rausgeschmissen. Ich will nix von ihm, überhaupt nix! Das musst du mir glauben!“ Immer noch ist er ruhig. „Michael?“ „Bin ich dir wichtig?“ Was soll das denn jetzt? „Natürlich!“ „Wichtiger als er?“ Mann, was versuch ich denn die ganze Zeit zu sagen?! „Ja, verdammt! Du bist mir wichtiger als alle anderen!“ Wieder bleibt er still. Ich muss schlucken. Überlegt er jetzt, ob er noch mit mir zusammen sein will? „Auch, wenn man uns nicht lässt?“ „Was?“ Ehrlich. Manchmal macht er so komplizierte Gedankensprünge, dass ich einfach nicht mehr mitkomme! „Was ist, wenn man uns das Leben schwer macht? Wenn deine Eltern plötzlich nicht mehr wollen, dass ich dein Freund bin? Dann ist doch Patrick bestimmt die bessere Wahl, oder?“ „Nein ist er nicht! Und weißt du auch warum? Weil ich den nicht als Freund haben will! Und mir ist es scheißegal, was andere dazu sagen! Also hör auf so einen Quatsch zu reden und sag mir, was los ist!“ Michael dreht sich um und schaut mich abwartend an. Was ist denn jetzt noch? Ich hab eigentlich gedacht, dass er jetzt gleich sagt, was er von dieser blöden Sache hält. Aber er schaut mich so fragend an. Hab ich etwa was vergessen? „Patrick hat also angefangen?“ Ich nicke nur und schaue ihn weiter an. „Du willst absolut nichts von ihm?“ Ich schüttele mit dem Kopf. Nein, von Patrick will ich nichts. „Das ganze war nur ein dummer Zufall?“ „Ja, ich will wirklich nichts von ihm!“ Dann schnauft er und schaut auf den Boden. Ich seh trotzdem, wie er die Kiefer aufeinander beißt. „Gibst du mir seine Adresse?“ Oh oh. „Warum?“ Er schnauft wieder, dann schaut er mich fies grinsend an. „Du glaubst doch nicht, dass ich den so einfach davon kommen lasse?“ Ich will es nicht, aber ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Ein verdammt erleichtertes Grinsen. *** „Och komm schon, das bringt doch nichts!“ „Ich fühl mich dann aber besser!“ „Warum?“ „Darum!“ Ach Mensch! Wie kann man nur so stur sein? Und ich Depp hab auch noch die Adresse rausgerückt. Ich hätt’s doch besser wissen müssen. „Und wenn er gar nicht zuhause ist?“ „Du hast doch seine Handynummer, oder?“ Ja, die habe ich. Trotzdem! „Und was willst du machen, wenn wir vor ihm stehn?“ „Ich!“ „Wie ich?“ „Na nur ich werde vor ihm stehn. Du bleibst schön draußen!“ Na ganz bestimmt! Damit sich die beiden in aller Ruhe die Köpfe einschlagen können oder wie?! Ich bin doch nicht bescheuert! „Ich komm mit!“, verkünde ich deshalb schnell. „Nein! Das will ich allein machen! Du bist mein Freund und ich hab ihn gewarnt!“ Ja, dass er ihm alle Knochen brechen wird. Super Aussicht. Nicht, dass ich jetzt so große Angst um Patrick hätte, aber ich finde das Ganze muss doch nicht sein- oder? Und außerdem, wenn man das alles mal ganz realistisch sieht, dann ist es doch wohl nicht von der Hand zu weisen, das Michael etwas kleiner ist als Patrick. Ich zweifle jetzt bestimmt nicht an Michaels Stärke, aber Patrick ist bestimmt auch nicht gerade ein Schwächling. „Ihr sollt euch aber nicht schlagen!“, meine ich dann ernst und bleibe stehen. „Sag mal, was denkst du denn von mir? Hab ich hier irgendwo ein Messer versteckt, oder so?“ „Hör auf damit!“ Das kann man ja nicht mit anhören! „Sorry.“ Michael kommt ein paar Schritte zu mir und überlegt kurz, was er sagen soll. „Ich hab bestimmt nicht vor mich mit dem zu kloppen. Ich bin ja nicht verrückt. Aber die Meinung werde ich ihm schon geigen! Darauf kannst du dich verlassen!“ Damit dreht er sich wieder um und geht die Straße weiter. Und dann endet das in einer Schlägerei! Fein, soll er doch machen. Ist mir doch egal! Den Rest des Weges gehen wird größtenteils schweigend nebeneinander her. Einerseits bin ich wirklich froh, dass Michael da allein rein will, ich will Patrick nämlich nicht unbedingt nochmal sehen, aber andererseits... Ist es nicht ein bisschen ungerecht? Ich meine, ich hab ihm ja nicht mal wirklich die Chance gegeben sich dazu zu äußern. Auf seine SMS hab ich auch nicht geantwortet. Die meisten hab ich nicht mal gelesen und gleich gelöscht. Oh Mann. „Hier drin?“ Ich schaue auf. Ja, da sind wir schon. Das Mehrfamilienhaus steht noch immer da, wo ich es in Erinnerung hab. Vielleicht ist Patrick ja umgezogen? Wollte er nicht in eine WG ziehen; wegen seines Studiums? Verdammt, das hat er ja noch gar nicht begonnen. „Denk dran. Er hat einen Hund!“, versuche ich es noch ein letztes Mal, aber Michael schaut mich nur an, als ob ich bescheuert wäre. „Ich mein ja nur...“ „Bleib lieber hier und warte auf mich!“, lacht er leise und sucht sich den richtigen Namen auf den Klingelschildern. Dann drückt er. Die Sekunden bis das Surren erklingt, ziehen sich endlos dahin. Mist, dann ist wohl doch jemand zu Hause. Ich komm noch mit rein, bis ins Treppenhaus, dann bleib ich aber stehen. Michael schaut mich aufmunternd an und drückt mir schnell einen Kuss auf die Lippen, dann geht er die Stufen hinauf. Oben höre ich schon, wie eine Tür aufgeht und Patricks Stimme: „Rocky, bleib hier!“ Dann Erstaunen. „Was machst du denn hier?“ „Mit dir reden!“ Stille. „Komm rein.“ Oh je. Wenn man in Panik ist, dann spielt die Fantasie einem oft einen Streich. Man sieht Sachen, die so nie passiert sind oder auch nur Ansatzweise real sind. Da können schon mal Elefanten durch ein Treppenhaus tanzen und dabei „It’s raining men“ singen, obwohl das so gar nichts mit der Situation zu tun hat. Was für ein abwegiger Gedanke. Ich muss mich zusammen reißen! Aber so einfach ist das eben nicht. Da sitzt man nun alleine auf einer kalten Treppe und wartet, bis der erste Schrei fällt. Ich will ja nicht gleich das Schlimmste denken, aber so was hat man halt im Hinterkopf, wenn der eigene Freund sich gerade den vermeintlichen Lover vorknöpft. Whuaa! Das ist ja schrecklich. Wie lang sind die beiden schon allein? Fünf Minuten oder ne halbe Stunde? Ich atmete tief durch. Im Fernsehen kam doch mal so eine komische Joga-Entspann-Dingsbums-Reportage. Vielleicht sollte ich das mal genauso machen? Okay. Eins – Einatmen. Zwei – Ausatmen. Das ganze wiederholen und seinen Geist einfach frei lassen... Der scheiß Geist will aber nicht! Genervt stehe ich auf und geh wieder vor die Tür, die ich aber weit offen lasse, damit ich die Schreie auch hören kann. Und dann höre ich ein Trampeln. Oder sowas ähnliches. Kurz darauf rennt mich ein schwarzes Etwas fast über den Haufen und wedelt wie bescheuert mit dem Schwanz. „Rocky!“ Mann, der freut sich aber mich zu sehen. Ich knie mich nieder und streichle dem Hund erstmal kräftig durch sein dichtes Fell, was der Genießer mal wieder liebend gern über sich ergehen lässt. „Da würde gern jemand mit dir reden!“ Verwundert schaue ich auf zu Michael, der nun vor mir steht und – oh Wunder – kein blaues Auge hat! Dann geht er einen Schritt zur Seite und ich sehe Patrick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)