Geständnisse von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- -11- Erst einige Minuten nach Michaels Verschwinden taucht Dennis wieder auf und schaut sich verwirrt um. „Wo ist denn Michael?“ „Ah... der musste nochmal fort... hat irgendwas vergessen...“, bringe ich gerade noch so heraus. Ich vermeide es mit Absicht Dennis in die Augen zu schauen, weil ich Angst habe, dass er mir so sofort ansieht, dass ich lüge. „Ah ja...“ Ich glaube er braucht mir gar nicht mehr in die Augen zu schauen. Aber den Nerv ihm jetzt zu erklären, was da eben geschehen ist, hab ich echt nicht. Michael hat mich gerade wirklich einfach sitzen gelassen! Einfach so! Ich kann noch gar nicht richtig fassen, was da eben passiert ist. In einem Moment waren wir noch glücklich und froh, dass Dennis uns doch noch mag und plötzlich streiten wir uns. Was soll denn das? Ohne noch weiter nachzudenken, springe ich auf und renne aus dem Café. Dennis kann mir nur noch verwirrt nachschauen. Das ich noch meinen Kakao bezahlen muss, ist mir im Augenblick scheiß egal. Dennis wird das schon regeln. *** Er geht nicht an sein Handy! Seit geschlagenen zwanzig Minuten versuche ich ihn schon anzurufen, aber er reagiert nicht. Nicht einmal auf meine SMS hat er geantwortet. Warum tut er das? „Du bist so ein Arschloch!“, fluche ich laut und werfe mein kleines Mobiltelefon auf den Boden, wo es schön in zwei Teile zerspringt. „Scheißdreck!“ Ich steh echt kurz vorm Heulen! „Benny?“ Erschrocken drehe ich mich zu meiner Zimmertür um, die aber Gott sei Dank noch geschlossen ist. Meine Mutter muss den Lärm gehört haben und steht mit Sicherheit unten an der Treppe und will nun eine Antwort. „Mir ist nur was runtergefallen!“, beruhige ich sie also und hebe mein kaputtes Handy wieder auf. „Sei etwas vorsichtiger!“, ermahnt sie mich und geht dann wieder in die Küche oder ins Wohnzimmer; was weiß ich. Ich hingegen, knie mich auf den Boden und starre auf das kleine schwarze Gerät, dessen Einzelteile ich in der Hand halte. So schlimm sieht es ja nicht mal aus. Nur der Deckel auf der Rückseite ist abgegangen und der Akku ist rausgeflogen. Aber als ich auf den Display schaue, könnte ich schon wieder schreien. Von der linken Ecke, bis zur rechten, verläuft ein hässlicher Sprung. Klasse! Trotzdem setze ich den Akku ein und schalte das kleine Ding wieder an. Kurz flimmert das Display, dann seh ich gar nichts mehr. Mein Handy ist im Arsch! Ich kann mich nur mit Mühe zurückhalten, das bescheuerte Ding nicht nochmal gegen die Wand zu donnern. Warum bin ich nur so blöd? Aber ich schätze, ich hab es nicht anders verdient. Bin ja selbst dran Schuld. Warum werfe ich auch mein Handy auf den Boden, ohne dran zu denken, dass es kaputt gehen könnte? Warum mach ich generell immer alles kaputt? Mist! So was nennt man wohl „einen schlechten Tag haben“. Ehrlich gesagt hab ich von denen schon genug gehabt, kann mir der da oben nicht mal eine Pause gönnen? Oder womöglich findet der das urkomisch, wenn ich mir hier einen Kopf mache. Heißt es nicht sogar, dass er nicht besonders auf Schwule steht? Herrgott – ach scheiße – jetzt denke ich schon über Kirche und so einem Kram nach, dabei bin ich nicht mal besonders gläubig! Wieder schaue ich auf mein Handy. Wie soll ich das meinen Eltern erklären? Dabei hab ich das dumme Teil erst letztes Jahr zum Geburtstag bekommen! Na ja, kann ich mir dieses Jahr ja gleich wieder ein neues wünschen... „Das ist alles so zum Kotzen!“ Aber echt! Wieso muss alles so bescheuert laufen? Was ist, wenn mich Michael jetzt anruft? Oder ne SMS schreibt? Die bekomm ich doch nie im Leben. Und dann heißt es wahrscheinlich wieder, dass ich mich nicht gemeldet hab! Dabei ist er es doch, der nicht an sein Handy geht und bei ihm zuhause traue ich mich nicht anzurufen. Was, wenn ich dann seinen Vater an der Strippe hab? Gott bewahre! Dann ist das Theater wieder groß. Nee, ich brauch jetzt frische Luft! Hier drinnen werde ich noch bekloppt! Soll er doch bleiben wo der Pfeffer wächst. Mir doch egal! Na ja, so ganz egal ist es mir ja nicht, aber trotzdem. Wenn er eingeschnappt sein kann, kann ich das ja auch! „Mama? Ich geh nochmal weg!“, rufe ich schon mitten auf der Treppe, noch bevor ich meine Mutter überhaupt sehen kann. „Wohin denn?“ „Ehm... Patrick!“ Ja genau, zu dem könnte ich doch gehen! „Der Junge von neulich?“ „Ja, genau der!“ Jetzt kommt meine Mutter doch aus der Küche und zu mir in den Hausflur. In der Hand hält sie noch immer ein Küchenhandtuch und schaut mich prüfend an. „Na ja, aber bleib nicht zu lange, du musst morgen wieder in die Schule!“ Als ob ich das nicht selbst wüsste. Denken Eltern eigentlich, dass ihre Kinder blöd sind? Also manchmal hab ich so das Gefühl... „Mach ich... ach und mein Handy ist kaputt...“ So, damit wäre das auch gleich geklärt. „Wie kaputt? Das hast du doch erst bekommen!“ „Es ist mir halt runtergefallen und jetzt geht’s nicht mehr... hier!“ Und damit drücke ich ihr mein kleines, noch gar nicht so altes, Handy in die Hand. „Meine Güte! Ist da ein Elefant drauf getrampelt?“, meint sie nur mit schiefer Augenbraue und guckt mich dann fragend an. „Nee, es ist mir runtergefallen, hab ich doch schon gesagt!“ Ich merk zwar, wie sie mich weiterhin skeptisch anschaut, aber dann winkt sie ab. Das ganze könne ich ja noch meinem Vater erklären, meint sie. Na toll. Aber was soll’s, er kann ja auch nichts anderes machen, als sich das kaputte Teil anzuschauen und mit dem Kopf zu schütteln. Mit einem letzten „Tschüss“ bin ich dann auch schon aus dem Haus. Wenn ich jetzt wirklich zu Patrick gehe, dann hab ich bestimmt mindestens ne viertel Stunde Fußmarsch vor mir. Ich könnte ja eigentlich auch den Bus nehmen, aber ich wollte ja an die frische Luft. Also lieber zu Fuß. Während des Laufens bekomme ich dann langsam wieder einen klaren Kopf. Ich lasse die Szene von heute Nachmittag nochmal vor mir Revue passieren und muss zugeben, dass da wohl einiges schief gelaufen ist. Ich hätte vielleicht nicht so stur auf meiner Meinung beharren und dafür etwas mehr zu Michael stehen sollen. Aber dennoch bin ich der Meinung, dass nicht jeder gleich wissen muss, dass wir zusammen sind. Vor ein paar Tagen mag das ja noch anders ausgesehen haben, aber jetzt spielen ganz andere Faktoren eine wichtigere Rolle. Warum sieht Michael das nicht ein? „Weil er genauso stur sein kann, wie ich!“ Ich muss grinsen. Ja, das trifft es wohl am besten. Wir können beiden ganz schön bockig sein, wenn wir wollen. Ich atme tief ein und schaue mich das erste mal bewusst um, wo meine Füße mich hingetragen haben. Zum Park. Praktisch das Zentrum unseres kleinen Städtchens. Von hier ist es auch nicht mehr weit bis zu Patrick. Hoffentlich ist er auch zu Hause und hoffentlich störe ich ihn nicht. Es wäre wohl schlauer gewesen, wenn ich ihn vorher angerufen hätte. Aber egal. Wenn er nicht da ist, dann hab ich halt Pech gehabt. Hauptsache, ich kann wieder einigermaßen klar denken. Als ich an den Mehrfamilienhäusern vorbei komme, die in der Straße stehen, in der auch Patrick wohnt, muss ich erst mal in meinem Gedächtnis nach der Hausnummer kramen. Wäre schon dumm, wenn ich jetzt alle Häuser abgehen und die Klingelschilder lesen müsste. Gott sei Dank ist die Acht eine Zahl, die sogar ich mir noch merken kann, brumme ich mir selbst halb belustigt zu. Vor dem richtigen Haus suche ich dann die passende Klingel und drücke schnell drauf, bevor ich es mir noch anders überlege. Ein bisschen nervös bin ich ja schon... weiß der Teufel warum. Lange muss ich auch nicht warten und ein Summer gibt mir zu verstehen, dass ich die Tür öffnen kann. Jetzt muss ich nur noch in den zweiten Stock, dann bin ich schon an meinem Ziel. Aber bevor ich auch nur die richtige Tür sehen kann, springt mir schon Rocky entgegen und wedelt wie bekloppt mit dem Schwanz. Na der freut sich aber. „Na du?!“, lache ich und streichle dem Hund erst mal seine schwarze Mähne aus den Augen. Ein goldiges Kerlchen! „Benny?“ Oben auf der Treppe steht Patrick, der wahrscheinlich mal schauen wollte, ob sein Hund seinen Gast noch am Leben gelassen hat. „Hey, was machst du denn hier?“ „Dich besuchen, wenn ich nicht störe!“, grinse ich und komme langsam die letzten Stufen hinauf; Rocky weicht mir dabei nicht von der Seite. „Nein, komm ruhig rein! Rocky, jetzt reicht‘s aber!“ „Ach lass ihn, er macht doch nicht’s!“ „Ja, ja. Wenn er dich aber auffrisst, dann bist du selbst Schuld!“ „Okay!“, lache ich. Aber ich bezweifle stark, dass so ein lieber Hund mich auffressen würde. So einen Eindruck macht er auf mich ganz und gar nicht. Als ich dann in die Wohnung komme, schaue ich mich erst einmal verstohlen um. So wie Patrick mir erzählt hatte, wohnt er hier zusammen mit seinen Eltern. Aber das soll sich in nächster Zeit auch ändern, weil er gerne in eine WG ziehen möchte, wenn er sein Studium beginnt. Gemütlich sieht es hier schon aus. Im Flur zieh ich mir erst einmal meine Jacke aus und folge Patrick dann weiter. Rocky begleitet uns natürlich auf Schritt und Tritt. „Mama? Ich hab Besuch!“, verkündet Patrick dann und ich schaue mich neugierig um, wo denn nun seine Mutter sein könnte. Als sie aus einem Zimmer kommt und mich fröhlich anlächelt, lächele ich automatisch zurück. „Hallo! Ich bin die Erika!“ Ich stelle mich auch vor, ganz so, wie es sich gehört und nach einem kurzen Plausch, entführt mich Patrick in sein Zimmer. „Setz dich!“ Und das mache ich auch. Patrick geht nochmal schnell raus, um uns was zu Trinken zu holen und ich betrachte mir währenddessen das große Zimmer. Es ist viel größer als mein eigenes oder das von Michael. Aber Patrick ist ja auch schon ein Erwachsener, da braucht man wohl mehr Freiraum. Wenn ich das so sehe, könnte ich mir auch ein größeres Zimmer vorstellen. Patrick hat hier drinnen eine kleine Eckcouch mit einem niedrigen Glastisch und einem Fernseher, gegenüber steht sein Schreibtisch mit PC und ein Regal. Wenn man etwas weiter schaut, dann macht das Zimmer einen Knick, bildet also ein schönes L, und dort in der anderen Ecke befinden sich sein Bett und sein Schrank. Er hat sein Zimmer also schön in Wohn- und Schlafraum aufgeteilt. Würde ich auch machen, wenn ich so viel Platz hätte. „Hier, bedien dich!“ Patrick stellt zwei Gläser und zwei Flaschen auf den Tisch, als er wieder kommt und setzt sich zu mir auf die Couch. „Danke!“ „Also, was gibt’s neues?“ Ja, wahrscheinlich war es klar, dass etwas passiert sein muss, wenn ich so unangemeldet hier hereinschneie. Aber mit Patrick macht es mir nichts aus zu reden. Also seufze ich nur, bevor ich anfange zu erzählen. Zuerst fange ich mit dem Gespräch mit Dennis an, was ja eigentlich ne Sache ist, über die ich mich freuen sollte. Tue ich ja auch, aber irgendwie schwebt der Streit mit Michael über allem und vermiest mir die Stimmung. Als ich dann die gute Nachricht erzählt habe, freut sich Patrick natürlich für mich. „Siehst du, war doch gar keine so große Sache! Aber sich vorher immer groß einen Kopf drum machen!“, spottet er gutmütig. Da muss ich ihm Recht geben. Irgendwie stimmt es ja schon, dass ich in letzter Zeit manchmal leicht über reagiere. Aber ich glaube, dass ich vorher auch noch nie so viele Höhen und Tiefen in so kurzer Zeit erlebt hab. „Aber das war noch nicht alles...“ „Oh oh, was kommt denn jetzt?“ Patrick schaut mich fragend an und ich zucke etwas hilflos mit den Schultern. „Ich hab mich mit Michael gestritten.“ „Aha, und warum?“ Puh, ich glaub das wird nicht so einfach zu erklären sein, aber ich versuch es trotzdem: Also schildere ich ihm kurz den Verlauf unseres Gespräches und versuche ihm dabei meinen Standpunkt klar zu machen. Das ich eben nicht will, dass sein Vater nochmal von uns erfährt und die Gefahr, dass er genau das wird, wenn Michael und ich uns so offen verhalten. Natürlich sage ich ihm auch, was Michael zu mir gesagt hat, aber ich glaube, dass das schon ein bisschen abgeändert rüber kommt. Immerhin kann ich Michael nicht so ganz verstehen. Patrick hört mir auch geduldig zu und schweigt erst mal, als ich fertig bin. „Was hältst du davon?“ Patrick hebt eine Augenbraue. „Also viel kann ich da ja jetzt auch nicht dazu sagen. Nur, dass ich jeden von euch verstehen kann. Michael will nicht auf dich verzichten und du willst nicht, dass so ein Drama wie an diesem einen Wochenende nochmal passiert.“ Dabei streichelt er Rocky, der gemütlich seinen Kopf auf Patricks Bein gelegt hat. „Vielleicht solltet ihr versuchen, einen gemeinsamen Mittelweg zu finden. Wie dein Freund meinte, solltet ihr euch nicht mehr verstecken müssen, ihr habt euch doch erst dazu entschlossen, allen die Wahrheit zu sagen. Also ich wäre an seiner Stelle auch ziemlich verletzt, wenn mein Freund mir in den Rücken fallen würde...“, überlegt er. „Aber ich bin ihm doch gar nicht in den Rücken gefallen!“ Das hat mich jetzt doch ein bisschen getroffen. Das hab ich doch ganz bestimmt nicht vor. Ich will doch nur, dass Michael glücklich ist! „Irgendwie aber doch. Benny, versteh mich nicht falsch, ich will jetzt nicht dir den schwarzen Peter zuschieben, aber solltet ihr nicht gerade jetzt zusammenhalten?“ Toll, jetzt bekomm ich noch mehr Schuldgefühle, als ich ohnehin schon hatte! „Ihr solltet euch wieder zusammen raufen. Ihr beide habt ein paar dumme Sachen gesagt, aber das ist doch ganz normal. Wenn ihr euch nicht streiten würdet, dann wäre das auch keine richtige Beziehung!... Aber wie gesagt, mir fehlt da der komplette Überblick. Ich will jetzt auch nichts falsches sagen.“ Daraufhin muss ich das ganze erst mal sacken lassen. Dass wir beide an unserem Streit Schuld sind, sehe ich ja ein. Ich würde mich ja auch sofort wieder mit Michael vertragen wollen, aber er will ja anscheinend nicht mit mir reden! „Ich wollte ihn ja schon anrufen, aber er ist ja nicht an sein Handy gegangen!“, brumme ich stur und verschränke meine Arme vor der Brust. Jetzt kommt in mir wieder der alte Trotz hoch. „Dann versuch es nochmal!“ „Geht nicht!“ „Und warum?“, will Patrick stirnrunzelnd wissen. „Weil mein Handy kaputt ist...“ Ich komm mir gerade selbst ziemlich blöd vor. Schieb ich jetzt wirklich alle Schuld auf mein kaputtes Mobiltelefon? Was ist, wenn Michael vorhin nicht an sein Handy gehen konnte und mich jetzt zurückrufen will? Zuhause wird er mich nicht erreichen und hier ja auch nicht! „Das ist ne verdammt dumme Ausrede!“ Bingo! Hab ich eben auch gedacht. Patrick fackelt auch nicht lange, sondern steht auf und holt sein Telefon, dass er mir dann in die Hand drückt. Ich soll doch wohl jetzt nicht Michael anrufen? „Mach schon!“ Ich grummle nur was vor mich hin und tippe dann langsam Michaels Nummer ein. Dann tutet es... >Ja?< „Michael?“ >Benny?< „Ehm, ja... hallo!“ >Mensch, ich hab die ganze Zeit versucht dich anzurufen, aber du bist einfach nicht an dein Handy gegangen. Deine Mutter meinte dann, dass du nicht da bist. Benny wo bist du überhaupt?< „Tut mir leid... Ich bin bei Patrick!“ Kurz herrscht Schweigen am anderen Ende der Leitung. >Wer ist Patrick?< Oh. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)