Geständnisse von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Ich wünsche euch allen ein schönes neues Jahr!! ---- -6- Tote Hose. Schule war auch schon mal interessanter! Dabei fand ich Erdkunde eigentlich noch nie so wirklich langweilig. Aber heute könnte ich einschlafen. Das liegt aber nicht daran, dass sich der Unterricht plötzlich total verändert hat, sondern vielmehr daran, dass der Platz neben mir leer ist. Michael ist nämlich nicht da. Im Moment habe ich ja noch die Hoffnung, dass er nur zu spät kommt, immerhin ist es ja gerade mal die erste Stunde und das am Montag. Wenn nicht, dann kann meine treulose Tomate aber was erleben! Diese Ungewissheit kann einen ganz kirre machen. Seit dem beschissenen Telefonat am Samstag hat er sich nicht mehr gemeldet und ich hab auch einen Verdacht, warum das so ist. Sein Handy ist aus und wenn ich zuhause bei ihm anrufe, dann wird sofort wieder aufgelegt, sobald man merkt, dass ich es bin. Aber zum Teufel! Die können Michael doch nicht ewig von mir fern halten. Der Junge muss doch auch zur Schule! Sabine und Alex sind mir im Moment auch keine große Hilfe. Die turteln nur noch herum! Aber ich hab’s ja gewusst. Und weil ich es weiß, sage ich es ihnen jetzt auch nicht, meine Probleme würden ihnen jetzt nur ihr neues Glück zerstören. Dennis und Olli hingegen schweigen sich größtenteils immer noch aus. Mehr als ein paar flüchtige Blicke gibt es da nicht zwischen uns. Wenigstens haben sie Wort gehalten und niemand anderem von uns erzählt. Der Rest der Klasse verhält sich nämlich so wie immer – laut und kindisch. Wenn sie es wüssten, dann hätten sie mich bestimmt schon längst umlagert oder sie würden heimlich tuscheln. Wenn Michael doch nur hier wäre! Ich hab keine Lust mehr hier allein herumzusitzen, besonders nicht, wenn ich nicht weiß, wie es jetzt mit uns weiter gehen soll. Ich bin im Moment echt ratlos. Selbst meine Eltern haben schon meine gedrückte Stimmung bemerkt und wenn Michael dann in den nächsten Tagen nicht mehr bei mir auftaucht, dann werden die schon früh genug schnallen, dass da was im Busch ist. Ich hab ja schon überlegt, ob ich es ihnen anvertrauen soll, aber was sollte es bringen? Ein klärendes Gespräch unter Eltern? Ernsthaft, das würde nie im Leben klappen. Die würden sich nur gegenseitig die Schuld zuschieben und am Ende wären wir die Dummen, weil sich unsere Familien hassen würden und uns somit jede Chance auf eine glückliche Zukunft verwehrt wäre. „Benny!“, flüstert es neben mir. Überrascht schaue ich neben mich und wer sitz da? Michael! Wo kommt der denn so plötzlich her? Ich meine, vor zwei Sekunden hat der noch nicht da gesessen. Aber außer mir scheint niemand so überrascht zu sein. Hab ich gerade etwas nicht mitbekommen? Michael schaut mich aufmunternd an. Mitgenommen sieht er ja schon aus, hat wohl auch lange Nächte hinter sich. Aber im Augenblick bin ich wohl irgendwie überfordert, denn ich starre ihn nur an und bekomme keinen Ton heraus. Dafür scheint Michael noch sprechen zu können, denn er beugt sich etwas näher zu mir, sodass uns niemand sonst hören kann. „Ich hab dich schrecklich vermisst!“, haucht er mir fast ins Ohr. „Es tut mir leid!“ Oh Mann! Warum entschuldigt er sich denn jetzt bei mir? Er hat doch gar nichts getan! Auch das er sich nicht gemeldet hat, nehme ich ihm nicht übel, denn er konnte es schlicht und einfach nicht. Daran ist nur sein bescheuerter Vater schuld. Trotz allem schleicht sich ein erleichtertes Lächeln auf mein Gesicht, als mir klar wird, dass mein Freund endlich wieder bei mir ist. Zwar nur in der Schule, aber immerhin. Das einzig Schlimme ist, dass ich mich jetzt zurückhalten muss, wenn ich nicht will, dass alle mich blöd angaffen. Schon dumm, dass ich genau das doch erreichen wollte. Nicht das uns alle anstarren, nein. Ich wollte meinen Michael doch auch in der Öffentlichkeit umarmen können! Und was hat mir unser Geständnis gebracht? Nichts. Oder doch, es hat es noch schlimmer gemacht, als es war! Wieso war ich nur so unzufrieden? „Hey, Benny?!“ Oh, jetzt hätte ich Michael doch fast vergessen! „Ich hab dich auch schrecklich vermisst!“, murmele ich leise zurück und laufe leicht rot an. Oh Gott, hoffentlich kann uns wirklich niemand hören! Michael nickt, dann wird sein Gesichtsausdruck aber etwas ernster. Skeptisch schaut er nach vorne zur Tafel, wo unser Lehrer gerade dabei ist, ein Schaubild an das zerkratzte Ding zu schreiben. Der Rest der Klasse unterhält sich aber lieber gegenseitig, als den erklärenden Worten zu lauschen. „Wir müssen uns über einiges unterhalten, aber hier ist nicht gerade der beste Ort dafür.“ Klar, da gebe ich Michael Recht. Am besten warten wir auf die Pause und verdrücken uns dann. Es müsste sowieso nicht mehr allzu lange dauern, bis es klingelt. So unauffällig wie möglich lasse ich meine Hand neben mich wandern und streichle sanft über Michaels. Mann, hab ich das vermisst! Wenn diese blöde Stunde endlich vorbei ist, dann kann mich aber nichts und niemand mehr von Michael trennen! Die restlichen Minuten verbringen wir dann schweigend. Jeder von uns schreibt das Tafelbild ab und manchmal werfen wir uns Blicke zu. Ich glaub ich kann nicht verhindern, dass meine Augen verliebt glänzen. Aber das kann man ja auch nicht von mir verlangen! Es ist ein irres Gefühl Michael wieder bei mir zu wissen. An Morgen will ich noch gar nicht denken, die Realität wird mich noch früh genug einholen. Als die Stunde dann vorbei ist, verlassen wir zusammen mit den anderen die Klasse und steuern direkt auf den Schulhof zu. Dort bleiben wir aber nicht lange, sondern verlassen das Schulgelände, was ja eigentlich verboten ist. Erst an der nächsten Straßenecke bleiben wir stehen. Hier haben Michael und ich uns schon öfter hin verzogen, wenn wir mal unter uns sein wollten. Der große Parkplatz, mit dem alten Zaun bietet uns immer genügend Deckung, sodass wir vor neugierigen Blicken geschützt sind. Michael nutzt auch sofort seine Chance und umarmt mich heftig. Mein Herz schlägt gleich doppelt so schnell. Verdammt! Wie hab ich diesen Menschen vermisst. Seine Wärme, seinen Körper, seinen Duft. Michael ist wirklich ein Teil von mir geworden ohne den ich nicht mehr kann und will. Dann drückt er mich sanft etwas von sich weg und gibt mir einen langsamen Kuss. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht vor Glück aufzulachen. „Benny...“ Ja, ich weiß. Erst als wir unseren ersten Durst nacheinander gestillt haben, lassen wir voneinander ab. Umarmen tun wir uns aber immer noch. Aber jetzt will ich endlich mal wissen, was passiert ist! Michael löst daraufhin unsere Umarmung und zieht mich zum Zaun hin, an dem wir uns herab rutschen lassen, dann legt er wieder einen Arm um mich. „Ich hab dich wohl ziemlich erschreckt, hm?“ Ja, das hast du! „Ich weiß, wir wollten es zusammen sagen... Aber ich dachte ich hätte den passenden Zeitpunkt erwischt.“ Michael streichelt verlegen über meine Hände, dann seufzt er. „Ich hätte nicht gedacht, dass meine Eltern so reagieren würden. Mein Vater ist völlig ausgetickt!“ Das hab ich gemerkt. Aber Michael soll erst mal weiter erzählen, bevor ich mich dazu äußere. „Ich hab’s ihnen nach dem Abendessen gesagt. Meine Mutter hat erst nur überrascht geschaut... mein Vater hat gleich vor Wut die Obstschale vom Wohnzimmertisch gefegt. Der war echt angepisst...“ Michael gibt ein verachtendes Geräusch von sich, dann atmet er tief durch. „Als ich dann auch noch deinen Namen erwähnt habe, hat er mir eine geknallt...“ Bitte WAS! Entsetzt schaue ich meinen Freund an. Ich hab’s doch gewusst! Michaels Vater hat einen totalen Dachschaden. „Hey... Halb so wild! Du kennst mich doch.“ Oh ja! Und genau deshalb braucht er mir gar nicht so zu kommen! „Halb so wild!? Ich glaub dir geht’s zu gut. Der hat dich geschlagen! Das kann er nicht machen. Das darf er gar nicht!“ Ich glaub ich ruf doch noch die Polizei. „Benny! Das kann doch schon mal passieren.“ Will der das jetzt etwa herunter schaukeln? Sehe das nur ich so, oder färbt jetzt die Dummheit des Vaters auf den Sohn ab? „Das kann eben nicht mal passieren! Mein Papa hat mich noch nie geschlagen, also hat das deiner auch nicht zu machen – kein Vater darf das!“ Und wenn ich mich jetzt auf den Kopf stellen muss, von meiner Meinung lasse ich mich nicht abbringen. „Mein Vater ist aber nicht deiner!“, zischt Michael und schnauft. Was soll das denn jetzt heißen? „Guck nicht so, ist doch wahr!“ Was denn? „Herrgott, Benny. Nicht jeder hat so eine tolle Familie wie du!“ Michael nimmt seinen Arm weg und steht auf. Er geht ein paar Schritte von mir weg und schnauft kräftig. Dann fährt er sich mit den Händen durch seine Haare, dreht wieder um und kommt wieder zu mir. „Hat er das schon öfter gemacht?“, will ich wissen und ehrlich gesagt hab ich Angst vor der Antwort. Gibt es da etwa ein großes Geheimnis im Leben meines Freundes, das ich nicht kenne? Michael schaut mich nur ruhig an, dann schüttelt er den Kopf. „Nein, das hat er bis jetzt nur selten gemacht. Immer nur mal, wenn er wütend war.“ Michael setzt sich wieder zu mir. „Weißt du noch, als du und ich in den Sommerferien die Hauswand bei mir zuhause angemalt hatten?“ Oh ja, das weiß ich noch. Da waren wir grade mal elf gewesen. Wir haben einfach Straßenkreide genommen und dann alles mögliche auf die Wand geschmiert. Auf mein rotes Auto war ich besonders stolz, auch wenn ich zurückblickend sagen muss, dass man nur mit Mühe erkennen konnte, was es darstellen sollte. „Da war er zum Beispiel wütend...“ Ich muss schlucken. Heißt das, dass Michael damals geschlagen wurde, nur weil ich diese bescheuerte Idee hatte? Oh, Gott. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke... Was war mit dem Mal, als wir zu spät vom Schwimmbad zurückkamen? Oder als ich Michaels Fahrrad zu Schrott gefahren hatte? Musste da jedes Mal Michael herhalten? Wegen mir? „Benny! Hör auf. Das ist vorbei. Seit ich älter bin hat er es nie mehr gemacht!“ „Wirklich?“ Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme weinerlich klingt. Warum hab ich nie was gemerkt? „Hey! Wirklich. Tut mir leid!“ Und verdammt noch mal, warum entschuldigt er sich schon wieder? Das sollte doch wohl ich tun! „Benny, nicht!“ „Ach halt die Klappe!“, brumme ich und verstecke mein Gesicht an Michaels Brust. Meine Augen brennen so verräterisch und ich will nicht das Risiko eingehen, dass ich hier gleich heulend vor meinem Freund sitze. Der hat ja wohl viel mehr durchgemacht als ich. Michael sagt auch nichts mehr, sondern streichelt mir nur noch leicht über den Rücken. „Was machen wir jetzt?“ Ja, gute Frage. Ich weiß es doch auch nicht. Michaels Mutter scheint ja nicht das große Problem zu sein. Sein Vater ist hier der bekloppte Depp, der uns das Leben schwer machen will. Ich frage mich nur, warum er so vehement gegen uns ist? „Stell dir mal vor. Mein Vater hat mich heute sogar persönlich zur Schule gefahren – extra spät – damit ich nur keine Zeit mit dir verbringen kann!“ So wie Michael das sagt, klingt es fast wie ein Scherz, über den man lachen muss. Find ich aber gar nicht. Michael tut das ganze wahrscheinlich nur wieder mit seiner lockeren Art ab, aber in Wirklichkeit macht es ihm doch schwer zu schaffen. Ich kenne ihn doch. „Ich hätte auf dich hören sollen und nicht vorbei kommen sollen...“, nuschele ich in Michaels Pulli. Wenn ich ehrlich bin, dann ist es nur meine Schuld, dass es so weit gekommen ist. „Ach was... Er war eh schon sauer, da konntest du ihn gar nicht noch mehr reizen.“ Warum nur glaube ich ihm das nicht? Jetzt will er mich doch nur beruhigen. Wahrscheinlich gebe ich gerade ein ziemlich erbärmliches Bild ab. Deshalb reiß ich mich auch zusammen und zieh einmal kräftig die Nase hoch. Dann wische ich mir schnell noch über die Augen, um die leichte Feuchtigkeit verschwinden zu lassen. Michael grinst nur. Ja, der hat wieder gut lachen! Noch vor ein paar Tagen hat er geheult. Nein, daran will ich gar nicht mehr denken! „Benny, im Moment weiß ich echt nicht, was wir machen sollen...“ „Ja... ich auch nicht.“ Michael schaut mich traurig an. „Ich mach dir nur Ärger...“ Das glaubt er doch nicht wirklich? „Nein! Michael! Du bist der einzige Mensch, der mich glücklich machen kann!“, versichere ich ihm und laufe prompt knallrot an. Hab ich das etwa jetzt gesagt? „Benny.“ Jetzt hat er das verliebte Glitzern in den Augen. Ich weiß genau was jetzt kommt! „Ich liebe dich so sehr!“, flüstert er und schwupps, küsst er mich wieder. Ja, manchmal ist es schon toll, wenn der eigene Freund berechenbar ist! Trotzdem löst das nicht unser Problem. „Aber was machen wir jetzt?“, komm ich mal wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Ich weiß nicht... Ich... ich glaub es wäre das beste, wenn ich erstmal... also wenn ich erstmal nicht mehr mit dir zusammen bin. Also nur offiziell! Ich meine nur für meine Eltern. Also nicht in echt! Die sollen das nur denken! Verstehst du was ich meine?“ Fragend schaut er mich an. Gott, manchmal kann er aber wirklich süß sein. Zwar gefällt mir sein Vorschlag nicht wirklich, aber ich sehe ja irgendwo ein, dass es das beste ist, wenn wir erst mal Gras über die Sache wachsen lassen. Es ist wohl das Sinnvollste, wenn sein Vater keinen neuen Grund zum ausrasten findet. Ich will nämlich nicht erleben, dass Michael irgendwann einmal mit einem blauen Augen vor mir steht. Nach kurzer Bedenkzeit nicke ich also. „Aber wir sehen uns noch regelmäßig?!“ Das ist mir wichtig, darauf will ich nicht verzichten! „Natürlich!“ „Und alles andere auch... du weißt schon...“ Ich hoffe er versteht. Aber so wie er schaut weiß er genau was ich meine. Dann ist ja alles klar. Leise hören wir die Pausenklingel. Der Unterricht geht weiter. Eigentlich hab ich gar keine Lust jetzt aufzustehen und wieder in diesen bescheuerten Raum zu gehen. Lieber würde ich hier sitzen bleiben – zusammen mit Michael. Aber mein ach so toller Freund steht trotzdem auf und zerrt mich hinter sich her. Das einzige was mich antreibt sind seine leisen Worte. „Ich denke nach der Schule wäre es mal wieder an der Zeit für das „Andere“!“ Ich muss grinsen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)