Tage wie Heute von BehindTheMirrors ================================================================================ Kapitel 1: Du und Ich --------------------- Hallo. Danke schonmal an alle, die sich hierher verirrt haben. Das ist ein kleiner One-Shot, der größtenteils auf wahren begebenheiten beruht. Gott... das klingt irgendwie schlimm. Auf jeden fall erzähle ich das ganze aus meiner perspektive. Wer sich mein Gerede nicht anhören mag, kann ja gehen, wenn er will. ...und nun Vorhang auf... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Feuerzeug Knarrend schloss sich das angelaufene Eisentor hinter mir. Meine Füße hatten mich, wie so oft, auf den Friedhof getragen. Ich kam fast jeden Tag hierher. Besuchte meinen Großvater. Ich kümmerte mich so gut es eben ging um sein Grab. Ja, eigentlich war das nicht meine Aufgabe. Doch ich tat es gern. Auf dem Friedhof brauchte man mit niemandem reden. Man brauchte sich niemandem zu erklären. Eine flüchtige Bekannte hatte mal gesagt, dass sie Friedhöfe mochte, weil man dort weinen konnte, ohne von jemandem nach dem ‘warum’ gefragt zu werden. Auch, wenn ich nicht oft heulte, gefiel es mir hier. Der evangelische Friedhof der Stadt war eigentlich nur ein Wald mit ein paar Lichtungen auf denen Gräber standen. Im Herbst lagen überall goldene Blätter herum. Selbst auf den gepflasterten Wegen raschelte jeder Schritt. Schon von weitem sah ich, dass am Grab, das sich gegenüber von meinem Opa befand, einige Menschen standen. Eine junge Frau mit Kinderwagen und ein Mädchen. Ich kannte es. Ihre Schwester war einmal in meine Klasse gegangen. Sie war eine von diesen Rosa Zicken gewesen, die so viel besser waren, als alle anderen. Das Grab gehörte ihrer Mutter… doch ich hatte sie noch nie auf dem Friedhof gesehen. Vielleicht war es so leichter für sie. Wenn sie nicht jeden Tag daran erinnert wurde. Wie sonst hätte sie das starke, kalte Mädchen bleiben können, dass sie - wohl zumindest nach außen hin - war? “Na, alter Mann?” flüsterte ich zur Begrüßung, wie ich es immer tat. Ich bückte mich herunter und pflückte ein paar knisternde Blätter von der Heide, die meine Großmutter jeden Herbst aufs Grab pflanzte. Meine Mutter regte sich jedes Jahr höllisch darüber auf, dass sie nicht einmal etwas anderes nehmen kann… Ich fand es okay. Sie kannte es doch nicht anders. Im herbst pflanzt man Heide. So ist es. So war es. So gehört es. “Guck mal, ich hab dir was mitgebracht.” Ich hob vorsichtig die Rose aus dem rapsgelben Papier. Die Blumenfrau hatte sie sorgfältig eingepackt. Wie immer, wenn ich einzelne Blumen für den Friedhof kaufte. Diesmal hatte sie sogar einen kleinen Wasserspender am Stiel befestigt. Mit einem schwachen Lächeln legte ich die Blume auf ihren Platz. Der Grabstein war, soweit ich es erkennen konnte, noch sauber. Ich hatte ihn immerhin gestern erst geputzt. Es war schon irgendwie komisch. Ich hatte es zur gleichen Zeit getan, wie Herr Nielsen. Ein guter Freund der Familie. Er hatte eine Grabreihe weiter den Stein seiner Frau Gudrun poliert. Normalerweise tauschten wir immer en paar nette Worte aus, wenn wir uns begegneten, doch an diesem Tag sagte er kein Wort und ich redete nur mit Opa. Es war, als würden hier auf dem Friedhof die Regeln für draußen nicht gelten. In der normalen Welt hätte ich ihn niemals so ignoriert, doch hier zog ich es vor mit einem Toten zu sprechen, der mich vermutlich nicht einmal hörte. Doch meine Sorgen und Ängste teilte ich nur ihm und dem Papier mit. Ja, es war komisch, dass ich nie mit lebendigen Menschen über meine Sorgen sprach, doch ich hasste all das, was es mit sich zog. Ich hasste es, zu viel Aufmerksamkeit zu bekommen und von allen Seiten ausgequetscht und bedrängt zu werden. ‘Oh was hast du denn? Willst du drüber reden?’ Nein ich wollte nie darüber reden. Ich machte Probleme schon immer lieber mit mir selbst aus. Für mich alleine. Oder ich kam - wenn ich es gar nicht mehr aushielt - zu Opa. Ich kam in letzter Zeit oft zu Opa. Langsam richtete ich mich auf, verabschiedete mich und ging in Richtung Kompostbehälter davon. Schnell waren die Blätter entsorgt und ich schlenderte weiter über den Friedhof. Jedes mal fielen mir die ganzen verwahrlosten Stellen auf. Die Steine, auf denen man vor lauter Moos nicht mal mehr einen Namen erkannte. Die Beete in denen nichts außer Gras und Brennnesseln wuchs. Auch wenn ich nicht auf den Weg achtete, wusste ich ziemlich genau, wohin ich ging. Zu dem kleinen Unterstand. Fast niemand wusste davon, weil er auf einem Hügel lag und von Tannen und Sträuchern verdeckt wurde. Doch wenn man darin saß, konnte man fast den gesamten Friedhof überblicken, ohne selbst gesehen zu werden. Eigentlich war es nur ein rundes dach, dass von halb morschen Holzsäulen gehalten wurde. Sechs am Rand und eine große in der Mitte. Um diese Saule war noch eine runde Bank gebaut worden. Meine Bank. Ich liebte es hier oben. Wenn der Friedhof schon eine andere Welt war, dann war der Hügel ein Paralleluniversum. Ich warf meine mit Buttons und Aufnähern zugetackerte Tasche auf die Sitzgelegenheit und ließ mich selbst daneben fallen. Atmete erst einmal tief durch. Erst jetzt fiel mir auf, wie still es heute war. Dabei war doch Donnerstag. Markttag an dem eine menge Leute ‘noch mal eben’ nach den verstorbenen Liebsten sahen. Ich Griff in die Tasche meines schwarzen Parkas und holte eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. Ein billiges Ding, dass ich irgendwann einmal im Urlaub geschenkt bekommen hatte. Ja, ich weiß. Ich war zu jung zum Rauchen und hätten meine Eltern es je erfahren, hätten sie mich vermutlich für den Rest meines Lebens ins Kloster verbannt. Mit einem Klicken zündete ich das Feuerzeug und dann die Zigarette an. Ich schloss genießerisch die Augen, als der erste Zug mein Krebsrisiko um einiges verstärkte. ‘Rauchen macht süchtig! Fangen sie gar nicht erst damit an!’ hatte auf der ersten Zigarettenschachtel meines Lebens gestanden. Passend, nicht? Von meinem Paralleluniversum aus betrachtete ich das so gut wie nicht vorhandene Treiben auf der Zweiterde. Kein Mensch war weit und breit zu erkennen. Nur der Wind, der die Blätter der Laubbäume zum Rascheln brachte, leistete mir Gesellschaft. Irgendwie war mir komisch zu mute. Vielleicht war es das Alleinsein. Ich war viel allein. Gern allein. Allein wenn es mir schlecht ging, denn ich wollte nicht, dass jemand sah, dass ich nicht immer das schrille, fröhliche Mädchen war. Nein, eigentlich war ich die meiste Zeit deprimiert oder einfach nur mit meinen Gedanken überfordert. Die fröhlichen Momente erlebte ich nur in Gesellschaft und meist erzwungen. Ein Knacken hinter mir ließ mich herumfahren. Ich hatte nicht den geringsten bedarf an Mitwissern, was meinen Nikotinkonsum anging. So war ich doch einwenig überrascht, als mich ein ganz normaler Durchschnittstyp anstarrte. Er war sicher nicht viel älter als ich. Sechzehn oder siebzehn vielleicht. Recht groß und irgendwie… passte er nicht so recht hierher. Doch ich vermute, dass er das auch von mir dachte. Bedächtig schritt er um die Bank herum und setzte sich vielleicht einen Meter von mir entfernt hin. Auch er zog eine Zigarettenschachtel aus der Tasche. Hosentasche allerdings. Langsam fragte ich mich wirklich, was das war. Der Kerl saß hier neben mir. In meinem Paralleluniversum. Auf meiner Bank. Und tat das selbe wie ich! War das die Ironie des Schicksals, wie man so schön sagte? Als ich noch einmal zu ihm herüber blickte, sah ich ihn verzweifelt in seinen Taschen kramen und musste komischerweise schmunzeln. Ich drehte meinen Kopf wieder zurück und studierte ausgiebig ein besonders hässliches Grabbeet. Rosa und weiß. Definitiv nicht meine Farben. “Verdammt!” murmelte der Typ neben mir. Ich griff in meine Jackentasche, holte das Feuerzeug heraus und hielt meinen ausgestreckten Arm in seine Richtung. Meine Augen hatte ich kein einziges mal von diesem widerlichen Grabschmuck gelöst. Erst als ich spürte, wie mir nach einigem zögern das Feuerzeug aus der Hand genommen wurde, ließ ich eben diese wieder sinken. Ich hörte das Klicken und kurz danach einen zufriedenen Seufzer. Ich begann zu lächeln. Kannte ich den Kerl eigentlich? Nein… definitiv nicht. Dieses Gesicht hätte ich mir gemerkt und auch die Tatsache, dass er größer war, als ich. Das kam selten vor. Irgendwie fühlte ich mich ihm verbunden. Vielleicht, weil er genauso wie ich, lieber irgendwo auf einem Friedhof herumsaß, rauchte und in die Gegend starrte, anstatt sich ins Leben zu stürzen und voller freunde auf den nächsten Tag hinzuarbeiten. Ja. Möglicherweise waren wir uns wirklich ähnlich. Ein vorsichtiger Stups an meiner Schulter sorgte dafür, dass ich den Kopf in seine Richtung wendete. Er hielt mir das Feuerzeug hin. “Danke.” sagte er. Ich mochte seine Stimme irgendwie. “Kein Problem.” erwiderte ich und nahm das Feuerzeug wieder an mich. Drehte meinen Kopf in Richtung Fashion-Victim-Beet. Ich wollte irgendwas sagen. Nur… was? “Ist wer gestorben?” fragte ich vorsichtig. “Nein.” sagte er ruhig. “Bin nur so hier…. Bin oft hier. Und bei dir?” Ich lächelte. “Nein. Ich bin auch nur so hier... einfach nur weg von der Welt.” Und er verstand mich… Ende. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So. das wars mit meinem One-Shot. Kommentare würden mich freuen. Okay... es können auch hassbekundungen sein. auch in ordnung. Mirre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)