Mythna von Jeanne-Kamikaze- (Das Erwachen einer neuen Zeit) ================================================================================ Kapitel 1: Der Tag von Shinanji ------------------------------- 1. Kapitel: Der Tag der Shinanji Es war früher Morgen auf dem Planet Mythna. Er befand sich in einer Galaxie, viele Milliarden Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. In einer ovalen Laufbahn flog er um die Sonne, die von den Bewohnern des Planeten „Starfire“ genannt wurde. Auch dieser seltsame Planet befand sich in den unendlichen Weiten des Alls, doch die Bewohner der Erde hatten keine Ahnung von der Existenz dieses fantastischen Ortes. Dichte Wälder, weite Steppenebenen, Wüsten und azurblaue Ozeane zierten die Oberfläche dieses Planeten. Auch er hatte einen Mond, der Amard hieß. Man könnte sagen, dass er der Erde sehr ähnlich war und dennoch auch grundlegend verschieden... Melanie Unicorn drehte sich verschlafen um. Es war doch erst 5 Stunden seit Tageswechsel- viel zu früh zum Aufstehen. Das Licht von Starfire schien durch das Fenster und kitzelte die Nase des 15 Jährigen Mädchens. Ihr Schlafzimmer wurde von der Morgensonne in rosafarbenes Licht gehüllt. Es war ein großer Raum inmitten eines Baumhauses. Das Holz, was mit Lianen und einem Zauber zusammengebunden worden war, knarrte in der sanften Frühlingsbrise. Ihr Zimmer sah aus wie das eines jeden Teenagers. An den ebenfalls aus Holz gebauten Wänden hingen Poster von Einhörnern und anderen Fabelwesen. Das große Himmelbett in dem sie schlief, stand an der linken Kopfseite und daneben befand sich ein kleiner Nachtisch auf dem ein Wecker mit grün leuchtenden Ziffern war. Links neben dem Bett stand eine Kommode und darüber ein Spiegel mit goldenen, prachtvoll verzierten Rahmen. Dem Bett gegenüber war der Schreibtisch aufgestellt. Sein hellbraunes und poliertes Holz glänzte im Morgenlicht. Auf der Arbeitsplatte lagen viele Bücher, Skizzen und Schreibutensilien verstreut. Das junge Mädchen hatte bis spät in den Abend Mythologie gebüffelt und war dann zu müde zum Aufräumen gewesen- wie jeder Jugendliche nun mal. Aber auch Fotos standen auf der Fensterbank über dem Schreibtisch. Direkt an ihm angeschlossen stand ein großes Bücherregal, gefüllt mit Freizeit- aber auch Fachliteratur. Des Weiteren waren noch ein Schrank und eine Stereoanlage in dem Zimmer. Alle Möbel waren aus Holz gefertigt. Neben dem Schreibtisch war eine edel verzierte Tür, die zu dem großen Balkon führte. Die eingeritzten Linen zeigten ganz oben am Rahmen Kletterrosen, deren Stängel an den Seiten herunterreichten. All das war kunstvoll ausgestaltet. Das schlichte Baumhaus war in der mächtigen Krone eines riesigen Majatbaumes gebaut worden, der schon seit Anbeginn der Zeit über die Elfenebene wachte. Melanie nannte den Wächterbaum Madschad, was in der Mythensprache soviel wie der Weise oder Majestätische bedeutete. Sein mächtiger Stamm hatte einen Durchmesser von 100 Meter und seine gigantische Krone war mit einem satten Grün ausgefüllt. Er trug elfenbeinfarbene Blüten, die zusammen mit den Blättern im Wind tanzten. Sie schienen das Fest des eingetroffen Manscha zu feiern. Manscha war die Bedeutung des Frühlings auf diesem Planeten. Die anderen Jahreszeiten hießen: Aknarum (Sommer), Padra (Herbst) und Konkardo (Winter). Alles war still und der Baum lauschte den Berichten des Windes. Weit entfernt sang ein Vogel sein Begrüßungslied und bald stimmten alle Lebewesen der Steppe mit ein. Doch dann gellte ein Piepsen über die Ebene und ließ die Bewohner erschrecken. Schnell flüchteten sie in ihre Bauten oder Bäume zurück. Melanie grummelte verschlafen, als sie den Wecker hörte. Genervt drehte sie sich um und haute auf den Ausschalter. Sofort verstummte das nervige Geräusch. Trotzig drehte sie sich in ihrem weichen Bett um und zog sich die kuschelige Decke, die aus Federn eines Greifens hergestellt wurde, über den Kopf. Heute war ihr fünfzehnter Geburtstag und wenigstens da wollte sie ausschlafen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie noch etwas zu erledigen hatte, als die Sonnenstrahlen sie zu wecken versuchten. Langsam öffnete sie die Augen und blinzelte ins Licht von Starfire. Sie streckte sich und stand aus dem Bett auf. Ihre schwarzen Haare fielen ihr bis zur Brust und umrahmten ihr schmales Gesicht. Sie war ein schönes Mädchen, das in ein schlichtes weißes Nachthemd gekleidet war. Ihre Haut war makellos und von einem weiß, wie man es nur von Elfen kannte. Ihre Augen waren hellgrün und blickten intelligent aus den Höhlen. Ihre schwarzen, langen Wimpern schienen fast, die ebenfalls schwarzen, Augenbrauen zu berühren. Sie hatte eine feine Nase, mit der sie den Geruch des Manscha in sich hineinzog. Es roch nach lieblichem Nymphenkraut und würzig-herb nach Eramitbäumen. Ihre rosigen Wangen erschienen nun noch rosiger durch das Morgenlicht. Rasch zog sie sich ein grünes Gewand an, was ihren schlanken Körper perfekt betonte. Ein Lächeln lag auf ihren roten Lippen. Mit einer Bürste glättete sie ihre schwarzen Haare und setzte sich einen Haarreif aus Blättern von Madschad auf. Nur zwei Strähnen links und rechts fielen in ihr Gesicht. Sanft strich sie sie hinter die Ohren und betrachtete sich im Spiegel. //Alles in Ordnung//, dachte das junge Mädchen zufrieden und verließ das Zimmer, nur um danach direkt durch die Tür gegenüber in die Küche zu gehen. Sie wohnte hier allein, denn es war hier so üblich, dass die Mädchen im Alter von 14 und die Jungen von 16 Jahren das Elternhaus verließen und sich ein neues Heim suchten. In diesem Alter galten sie als erwachsen. Das Land war groß genug, damit jeder, der auf Mythna lebte, ein riesiges Land für sich haben konnte. Ihre Eltern lebten auf der anderen Seite des Transan Ozeans- eine sehr weite Strecke- doch Melanie sehnte sich nicht nach ihnen. Sie hatte viele Freunde hier. Eine halbe Stunde später stand sie am Eingang der Steppe und blickte auf das saftige Grün ihrer Heimat. Das Gras wiegte sich sanft im Wind und die Blumen dufteten süß. Einige Pankarhörnchen spielten auf der Steppe und Canzarvögel zwitscherten fröhlich. Weit hinten lag die Silhouette des Azanargebirges - eine mächtige Gebirgskette weit im Osten des Planeten. Seine Gipfel waren hinter den Wolken versteckt und sie schimmerten in den verschiedensten Blautönen. Aus diesen Bergen herab floss der große Fluss Sanara, der fröhlich rauschte. Ziemlich in der Mitte der Ebene mündete er in den Bandora- ein großer See, der den Tieren auf der Elfenebene zum Trinken bereitstand. Ein freudiges Heulen ließ Melanie aus ihren Gedanken schrecken. Sie drehte sich um. Auf dem Steg, der sich einmal um das gesamte Haus zog, stand ein Wolf. Seine braunen Augen waren unverwandt auf das Mädchen gerichtet. Sein weißes, braunes Fell mit gelegentlichen Grauschattierungen glänzte im Sonnenlicht. Seine Ohren waren gespitzt, bevor er die Lefzen hochzog und seine spitzen Reißzähne zeigte. Ein Knurren kam aus seiner Kehle, doch es klang keinesfalls bedrohlich. Seine weißen Pfoten trugen ihn auf das Mädchen zu und sein Schwanz war anmutig erhoben. „Wildheart!“, flüsterte Melanie überrascht. Es war ihr Wolf, den sie zu ihrer Geburt bekommen hatte. Damals war er noch ein kleiner Welpe. Das Mädchen kniete sich vor ihren Freund und schlang die Arme um seinen Hals. Sanft strich sie durch sein samtiges Fell und kraulte ihn hinter den Ohren. „Alles Gute zum Geburtstag.“, sagte der Wolf mit seiner rauen Stimme. „Vielen Dank!“, antworte das Geburtstagkind freudig. Für sie war es völlig normal, dass er sprach, obwohl das selbst in der Welt der Mythen eine Seltenheit war. Nicht viele Tiere konnten hier sprechen. So konnten auch nicht alle Wölfe sprechen, sondern nur die, die der Königsfamilie der Wölfe abstammten- wie eben Wildheart. Liebevoll leckte der Wolf über ihr Gesicht und vergrub seine Nase in ihrem Gewand. Das Mädchen lächelte und streichelte ihn. „Was hast du heute noch vor?“, knurrte der Wolf. „Nicht viel. Ich muss zur Schule und danach...mal sehen...vielleicht unternehme ich was mit Midna, Axel und Casar.“, erklärte sie ihm. Zusammen mit den drei anderen bildete sie eine Clique. Die Vier kannten sich schon seit Ewigkeiten, da spielte es keine Rolle, dass Midna ein weiblicher Kobold und Casar ein Elf war. Aber Axel war ein Mensch, wie sie auch. Ihr Körper kribbelte, als sie an ihn dachte. Sie führte eine enge Freundschaft mit ihm, die noch stärker war, als die zu den andern. Schon wieder riss ihr Haustier sie aus den Gedanken. „Ich verstehe! Hast du an deinem Ehrentag nichts Spezielles geplant?“ Seine Stimme war sanft und er schnupperte einmal durch ihr Gesicht. Das Mädchen schüttelte nur den Kopf. Sie war kein Fan vom großen Feiern. Es lag ihr eher einfach Spaß zu haben und einen gemütlichen Abend mit ihren Freunden zu verbringen. Mit einem Blick zur Sonne erkannte sie, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte und verabschiedete sich von ihrem Wolf. Anmutig wie eine Elfe sprang sie von dem Baum und landete elegant auf ihren Füßen. Sie brauchte keine Leiter zu ihrem Haus hinauf. Sie lief zur Mitte der Ebene und pfiff einmal laut. Ein Wiehern erfüllte die Luft im Tal. Melanie lächelte vergnügt. Heute war ihr Taxi aber schnell da. Ein Einhorn galoppierte auf sie zu. Das Fell war weiß und symbolisierte Anmut, Wildheit, Schönheit und Reinheit zugleich. Das weiße Horn, das elegant geschwungen, auf der Stirn des Tieres prangte, glitzerte in der Sonne. Die Ohren hatte es aufmerksam gespitzt. Schnaubend blieb es vor ihr stehen und schnoberte zufrieden. Vorsichtig streicht das Mädchen über das Fell, denn Einhörner waren sehr stolze Tiere und scheu dazu. „Ich grüße dich, Strahlentau!“ Sie verneigte sich vor dem stolzen Tier. Das Einhorn senkte sein Haupt und gewährte ihr somit auf seinem Rücken zu reiten. Schwungvoll landete Melanie auf dem Rücken von Strahlentau und schon galoppierte er davon. Die schwarzen Hufe schienen kaum den Boden zu berühren. Melanie fühlte sich herrlich frei und unbeschwingt. Ihr Körper passte sich perfekt dem raumgreifenden Galopp an. Das grüne Gewand tanzte auf den Luftströmen. Ihr rabenschwarzes Haar tänzelte um ihren Kopf und ihre Schultern. Ihre nackten Unterschenkel und Beine fühlten das sanfte Fell von Strahlentau. Strahlentau wieherte zufrieden. Sicher trug der Einhornhengst sie über Stock und Stein. Ein leises, dumpfes Geräusch begleitete jeden Galoppsprung. Die Landschaft flog nur so an ihnen vorbei. Der Galopp eines Einhorns ist unglaublich ruhig. Man fühlte sich wie ein einem Schaukelstuhl. Das Reittier kannte den Weg genau, sodass Melanie sich nur in der strahlend weißen Mähne festzuhalten brauchte. Die Mähne wippte im Wind und unter den Bewegungen des weißen Pferdes. Die Muskeln spannten sich unter dem Fell an. Die spitzen Ohren spielten hin und her. Melanie beugte sich über den schlanken, aber dennoch muskulösen Hals. Die Mähne peitschte in ihr Gesicht und Tränen flogen aus den Augenwinkeln durch den scharfen Wind. Der Sanara Fluss flog nur so an der Reiterin vorbei. 200 Sonnenstrahlen war es bis zur Schule. (1 Sonnenstrahl entsprach ungefähr 1,5 Kilometer). Mit Strahlentau war das kein Problem. Es gab hier kaum ein schnelleres Tier als ein Einhorn. Nur die Windtänzer waren noch schneller, aber die lebten nicht an Land. Zehn Minuten später erreichten die Beiden den Gipfel des Azanargebirges. Langsam kletterte Strahlentau auf einen Felsvorsprung herab. Vorsichtig parierte Melanie ihn durch. Vor ihren Augen eröffnete sich eine weitere Ebene, die ihrer Heimat sehr ähnelte. Gelbes Steppengras zierte den Boden des Talkessels. Hier wohnte ihr Freund Axel. Jeden Morgen trafen sie sich um gemeinsam zur Schule zu reiten. Wie jeden Morgen bahnte sich die Reiterin den Weg aus dem Gebirge hinab und ritt auf einen ebenfalls sehr mächtigen Baum zu. „Axel! Komm!“, rief sie von weitem. Es dauerte nicht lange und schon erschien ein Junge am Fenster. Sein feuerrotes Haar blitzte im Sonnenlicht. Wie immer war sein Haar zerzaust. Wie Drachenzacken standen sie in dicken Strähnen ab. Genauso wie bei Melanie hingen auch ihm 2 Strähnen im Gesicht. Seine grünen Augen blitzten vergnügt. Auch seine Haut war ebenfalls makellos, aber etwas brauner als die von Melanie. Seine braunen Augenbrauen trafen sich. Seine Heimat war das Drachental. „Guten Morgen! Komm mal kurz rauf!“, rief er und winkte ihr vergnügt zu. „Wir haben keine Zeit!“ Sie blickte ihn überrascht an. Was wollte er von ihr? Sonst hasste er es zu spät zu sein. Axel grinste, als er ihren Blick sah. Auch er lebte in einem Baumhaus. Sein Herz klopfte vor Aufregung. Da konnte die Schule auch mal etwas warten. Professor Miganus war sowieso immer zu spät. Er grinste erneut und winkte das verdutzte Mädchen zu sich hinauf. Melanie überlegte was sie nun tun sollte. Wieso wollte er es? Wieso? Es machte sie echt verrückt. Es passte nicht zu ihm. Normalerweise wartete er schon ungeduldig auf sie und meckerte normalerweise, wenn sie nur etwas zu spät war. Er war nicht ganz einfach zu handhaben, aber unglaublich treu und der beste Freund, den man sich wünschen konnte, wenn man wusste, wie man mit ihm umzugehen hat. Seufzend kletterte sie von Strahlentaus Rücken und betrachtete ihren Freund nachdenklich. Ihr Haar wehte um ihr Gesicht und nahm ihr kurz die Sicht. Ihr Magen kribbelte und sie hatte ein seltsames Gefühl bei der Sache. Strahlentau stupste ihr sanft in den Rücken. Er prustete ihr warme Luft ins Gesicht. „Geh zu ihm!“, schien er ihr sagen zu wollen. Sie blickte ihr treues Tier fragend an. Deutlich konnte der Hengst die Unsicherheit in ihren Augen lesen. Immer noch mit ihrer Verwirrung kämpfend ging sie auf ihn zu. Axel blickte sie freundlich an. Aus dem Stand sprang sie auf den Vorsprung des Hauses und landete geschmeidig wie eine Katze auf ihren Füßen. Der Junge trat beiseite um sie durchzulassen. Mit flauem Gefühl im Magen trat sie in den kreisrunden Raum, der ihm als Wohnzimmer diente. Es war ein freundlich eingerichteter Raum, der durch die vielen Fenster sehr hell war. Wie bestellt und nicht abgeholt stand das Mädchen in dem Zimmer und blickte betreten drein. Sie war immer ganz schüchtern in seiner Nähe, auch wenn sie ihn von klein auf kannte. Er trug ein schwarzes Gewand, was sich ebenfalls perfekt an seinen muskulösen Körper schmiegte. Es war ungewöhnlich für diese Welt so etwas zu tragen, doch ihm stand es ausgesprochen gut. Axel warf ihr einen kurzen zärtlichen Blick zu und beendete die bedrückende Stille, die sich wie ein schweres Tuch über den Raum gelegt hatte. Endlich beschloss er die Spannung zu beenden. Mit großen Schritten ging er auf sie zu und nahm sie erst einmal in den Arm. Melanie errötete blitzartig und lehnte dann ihren schmalen Kopf an seine Schulter. Ihr Herz raste und ihre Wangen brannten. In seinen starken Armen fühlte sie sich so sicher und geborgen. „Alles Gute zum Geburtstag.“, sagte er endlich mit feierlicher Stimme. „Vielen Dank, Axel! Hast mir echt einen Schock verpasst. Das gerade war so gar nicht deine Art!“, erklärte sie und ihre Stimme zitterte leicht. Er lächelte vergnügt und ließ sie dann los. Er betrachtete sie und seine Augen blitzten schelmisch. „Unten konnte ich dir dein Geschenk nicht geben. Nachher haut es noch ab.“ Nun legte Melanie den Kopf schief. Was meinte er nun damit? Warum musste er es bloß immer so geheimnisvoll machen? Er reichte ihr einen einfachen Karton, indem ein paar Löcher gebohrt waren. „Noch mal alles Gute!“ Damit drückte er ihr den Karton in den Arm. Vorsichtig öffnete sie den Karton und machte dann wieder den Deckel zu. Das konnte nicht sein! Dem Jungen entging ihre Reaktion nicht. Es war das, was sie sich schon seit Ewigkeiten gewünscht hatte. Na, ob Wildheart da nicht eifersüchtig werden würde? Nein, er hatte es ja schon mit ihm abgeklärt. Melanie konnte es nicht fassen. Ihr Herz machte einen Hüpfer. In dem Karton hockte ein kleines Wolfsbaby, das sie mit treuen Augen anblickte. „Axel...wie hast du...? Aber ich hab doch Wildheart...!“ Er lächelte und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Mach dir um deinen Wolfsfreund keine Sorgen. Ich hab ja mit ihm geredet, außerdem ist es ja seine Tochter.“, erklärte er mit sanfter Stimme. Melanie blickte ihn an und ihre Wangen glühten vor freudiger Erregung. Sie freute sich so sehr. Sie liebte kleine Wölfe. „ Aber nun müssen wir wirklich los!“ Riss er sie aus ihren Tagträumen. Sie blickte ihn blinzelnd an. Wenig später pfiff auch Axel nach seinem Reittier, doch es war kein Einhorn. Es ähnelte einem Pferd und sein gold-braunes Fell schimmerte im Sonnenlicht wie flüssiges Gold. Sein Körper war schlank, aber dennoch kräftig. Die braunen Augen blickten zwischen Melanie, Strahlentau und Axel hin und her. Wie bei einem Nashorn ragten zwei geschwungene goldene Hörner aus seiner Stirn. Zwischen ihnen befand sich ein roter Edelstein. Die Mähne fiel wellig über den Hals und glänzte schneeweiß im Sonnenlicht. Unruhig scharrte das Zweihorn auf dem Boden. Seine spitzen Ohren spielten nervös hin und her. Es wieherte und es klang so als wäre es nicht von dieser Welt. Es war so rein und klar, dass es jeden Zuhörer entzückte. Nun schwang sich auch Melanies Freund auf den Rücken von dem stolzen Tier. „Komm, Salimar!“ Im Gegensatz zu Strahlentau war Salimar aufgezäumt. Mit einem sanften Zügelzug richtete er sein Zweihorn nach Norden. Seine Haare wehten sanft im Wind. Melanie zog ihre Schultasche wieder auf ihren Rücken. Genau im selben Augenblick trieben sie ihre Tiere an. Im sanften Galopp preschten Salimar und Strahlentau davon. Der Boden zitterte unter den acht Hufen und die beiden Reiter trauten sich nicht mehr, den Anderen anzusehen- zumindest indirekt. Immer wieder schielten beiden zu dem Freund, nur um dann wieder mit Scharmesröte im Gesicht den Blick abzuwenden. Die Vögel sangen noch immer dem Manscha ihr Lied und ein Falke flog neben den beiden Tieren um die Wette. Diese hoben erhaben den Kopf und gaben nun noch mehr Gas. Die Mähnen flogen im Wind und sahen aus wie Wellen. Das kleine Wolfsbaby hatten sie in Wildhearts Obhut gelassen, der wenig später bei Axel aufgetaucht war. Ihre Schule lag auf einer Lichtung im Greifenwald. Das Sonnenlicht drang durch das dichte Blätterwerk des Waldes. Kleine Lichtkegel tanzten auf dem Moosboden und die Blätter rauschten im Wind und wiegten sich sanft hin und her. Einige Lichtellerlinge huschten über den Waldboden. Ihr kleiner, strahlender Köper diente Reisenden in der Nacht als Wegweiser und Lampen. Das grüne Gras und Moos war mit Tau behangen und erstickte die Geräusche, die die Hufe hätte machen müssten. Melanie versetzte der Anblick dieses wunderschönen Waldes immer wieder in helles Erstaunen. Das Grün der Blätter wirkte wie gemalt. Eine dichte Blumendecke lag zu ihrer Linken. Rechts von ihnen plätscherte ein kleiner Bach friedlich vor sich hin. Ein paar Frösche quakten, die Vögel sangen und die Pankarhörnchen sprangen von Ast zu Ast. Ein Fisch hüpfte aus dem Wasser und die Spritzer Wasser, die mit ihm flogen, glitzerten wie Diamanten. Melanie parierte ihr Einhorn durch und lauschte dem Wind. Ihre Augen schimmerten freudig und ein Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen. Auch Axel zog nun leicht an den Zügeln und sein Zweihorn gehorchte sofort. Die Hufe versanken etwas in dem weichen Boden. Salimar ließ seinen Blick wandern und blickte dann zu Strahlentau. Dieser guckte ruhig geradeaus und schien am Träumen zu sein. Das Zweihorn schüttelte nur den Kopf und drehte sich dann zu seinem Herrn um. Dieser beugte sich nach vorn und strich ihm zärtlich über die Stirn, während er vergnügt lächelte. Salimar prustete ihm zufrieden zu und blickte einem buntem Vogel hinterher, der nun in Richtung Himmel flatterte. Der Junge, der in dem schwarzen Umhang gekleidet war, warf Melanie einen leicht genervten Blick zu. Jedes mal staunte sie über die Landschaft, aber sie sah sie schon seit zehn Jahren und trotzdem staunte sie jedes Mal über den Wald. „Komm! Wir haben als Erstes doch Mythologie und schreiben eine Arbeit. Da habe ich keine Lust zu spät zu kommen.“ Diese Worte ließen Melanie aus ihren Gedanken schrecken. Sie drehte ihren Kopf zu Axel um. Ihr Blick war verträumt, aber sie sah ihn auch entschuldigend an. „Ich kann es einfach nicht lassen.“, erklärte sie und kratzte sich verlegen am Kopf. Ihr Gesicht wurde wieder knallrot und sie senkte beschämt den Blick. „Tut mir echt Leid!“ Axel blickte sie noch immer an. Er lächelte noch immer und seine Augen blitzten vergnügt. „Lass uns los!“ Das Mädchen nickte und trabte nun an. Endlich brachen beide aus dem dichten Wald heraus und betraten die Lichtung auf denen die Kinder der umliegenden Gegenden unterrichtet wurden. Alle waren bereits schon eingetroffen. Quasselnd saßen sie auf ihren Baumstümpfen und hatten bereits ihre Sachen rausgeholt. Die Besten in der Klasse brüteten noch über ihren Büchern, um noch kurz vor der Arbeit etwas zu lernen. Midna, die Beste von allen, gehörte ebenfalls zu ihnen. Tief über ihr Buch gebeugt, las sie gerade das Kapitel über Einhörner. Melanie schmunzelte, denn dieses Kapitel hatte sie nicht lernen müssen. Midna war sehr klein. Sie reichte Melanie gerade bis zur Brust und Melanie war auch nicht gerade sehr groß. Sie hatte einen großen weißen Fleck auf dem Bauch, der Rest war schwarz und mit grün leuchtenden Linien verziert. Doch das sah man nicht, weil sie eine schwarze Leinenhose anhatte und ein weißes Hemd in die Hose gesteckt hatte. Ihr linkes, rotes Auge mit gelber Iris war von einem grauen Stirnband verdeckt, welches mit mythischen Zeichen versehen war und schräg auf ihren roten Schopf saß. Auch ihre Haare waren rot, obwohl es mehr ins orange überging. Sie hatte ihre Haare zu einem hohen Zopf gebunden und ihre Augen blickten konzentriert auf den Text, sodass sie Melanie und Axel gar nicht bemerkte. Casar redete gerade auf Mindra ein, ein Mädchen welches er schon länger verehrte. Das wurde von Midna nur mit einem abwertenden Blick kommentiert, bevor sie sich wieder ihren Aufzeichnungen zuwandte. Casar bemerkte das gar nicht und strich sich verlegen die blonden Haare aus dem Gesicht. Sein Haar war lang und nach hinten gekämmt. Die Strähnen, die ihm normalerweise ins Gesicht fielen, hatte er sich zu einem Zopf gebunden. Seine Ohren waren spitz und seine Gesichtszüge fein. Seine schmalen Lippen hatten einen leicht rosanen Ton. Die Augen waren eisblau und eine leichte Röte zierte seine Wangen. Wie Axel und Melanie, so hatte auch er hohe Wangenknochen und schräg stehende Augenbrauen. Sein schlanker Körper war in ein weißes Gewand gekleidet, welches mit einer braunen Kordel um seine Taille gezurrt wurde. Er war der Größte von allen. Axel und Melanie blickten sich an und grinsten, als sie bemerkten, dass seine Bemühungen völlig umsonst waren. Mindra würdigte ihn keines Blickes und unterhielt sich weiter mit ihren Freundinnen. Langsam führten die Neuankömmlinge Strahlentau und Salimar zu der Koppel, die für die Tiere der Schülerinnen und Schülern da war. Zum größten Teil befanden sich normale Pferde hinter dem Gatter, aber auch Drachen und Greifen standen auf der Koppel. Strahlentau und Salimar waren die einzigen ihrer Art. Einhörner und Zweihörner zeigten sich nicht oft den Menschen. Zufrieden grasten die beiden Hengste und nun gingen auch Axel und Melanie zu ihren Plätzen in der mittleren Reihe. Direkt danach traf Professor Miganus auf der Lichtung ein. Er war ein alter Mann mit schütterem weißem Haar, welches ihm wellig bis auf die Schulter fiel. Er trug eine Brille auf der Harkenase und seine Haut war vom Wetter gegerbt und hatte tiefe Falten, trotzdem verstrahlte er eine Aura des Respekts. Seine eisblauen Augen blicken müde über die Klasse. Das ganze Geplapper verstummt sofort. Alle starrten ihn erwartungsvoll an. Er war ein strenger, aber guter Lehrer. Fünf Minuten später brüteten alle über den kniffligen Aufgaben der Arbeit. Melanie kaute nachdenklich auf ihrem Stift, Axel blickte angestrengt in den Himmel und Casar schielte ständig zu Midna hinüber, die keine Probleme mit der Arbeit zu haben schien. Eine Stunde später atmeten alle erleichtert auf. Endlich geschafft! Die letzte Arbeit in diesem Schuljahr hatten sie nun hinter sich. Kaum dass die Stunde zu Ende war, fingen alle an ihre Ergebnisse zu vergleichen und Melanie hatte gar kein schlechtes Gefühl. Nun nur noch fünf Stunden und sie hatten Schule aus. Nur eins störte diesen schönen Gedanken. Die letzten Stunde: Eine Kombination aus Geschichte und Astrologie bei Professor Astana. Sie könnte kotzen. Als hätte Axel ihre Gedanken erraten, lehnte er sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr ins Ohr: „Auf Astana habe ich ja so was von überhaupt keine Lust!“ Er streckte sich und lächelte sie an. „Axel, sei nicht immer so respektlos zu den Lehrern! Stell du dich mal nach vorne und unterrichte.“, sagte Midna, die genau vor ihm saß. Sie blickte ihn finster an und holte ihre Sachen für mythische Sprache raus. Axel verdrehte nur die Augen und raunte in Melanies Ohr: „Da wäre der Unterricht wenigstens interessanter.“ Sie fing an zu lachen und Midna schnaubte nur missbilligend. Nun drehte sich auch Casar zu ihnen um und begrüßte seine Freunde. „Na, keinen Erfolg bei Mindra gehabt?“, frage Axel scheinheilig und lehnte sich entspannt zurück. Er schielte zu Melanie hinüber und zwinkerte ihr verschmitzt zu. Sie lächelte vergnügt und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie lehnte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm einen bissigen Kommentar ins Ohr. Der rothaarige Junge grinste breit und ließ sich die Sonnenstrahlen ins Gesicht scheinen. Wie ein Schopf aus Flammen tänzelten vereinzelte Strähnen um seinen Kopf. Casar warf Axel nur einen genervten Blick zu. Das war so typisch für ihn! Er wandte sich von seinem Freund ab und begann nun seine Antworten mit denen Midnas zu vergleichen. Endlich war es die letzte Stunde. Professor Astana trat auf die Lichtung. Er war ein Mann mittleren Alters. Seine kurzen, braunen Haare standen wüst von seinem Kopf ab. Seine schmalen Lippen zuckten und er hatte Falten. Er wirkte sehr müde und trotzdem blitzten seine grünen Augen voller Aufregung. Irgendetwas schien heute besonders zu sein. Bloß was? „Heute beschäftigen wir uns- aus aktuellen Anlass- mit einer besonderen Sternenkonstellation. Diese Stellung nennt man Shinanji. Bei dieser besonderen Konstellation stehen alle elf Planeten unseres Sonnensystems mit ihren Monden in einer geraden Linie zu einander. Das passiert nur alle 5000 Jahre...“ Mit seiner kehligen Stimme begann er seinen Vortrag. Axel ließ ein Stöhnen hören. Er hasste dieses Fach! Sonne, Monde, Planeten, wen interessiert es? Sicher, Starfire und Amard hatten großen Einfluss auf ihr Leben hier, aber das wussten sie schon längst. Doch er tat so, als würde er interessiert zu hören. Gedanklich war er aber schon lange bei der Party bei Melanie nachher. Melanie wusste nicht, was mit ihr los war. Es schien so, als würde mit dem Vortrag eine Erinnerung in ihr erwachen. Fast so, als würde der heutige Tag ihr Leben verändern... Kapitel 2: Der Plan ------------------- 2. Kapitel: Der Plan Plötzlich driftete sie in ihre Welt ab. Ein komisches Gefühl machte sich in ihr breit. Am Ende der Stunde tippte Axel ihr auf die Schulter. Melanie schreckte zusammen. Verwirrt drehte sie ihren Kopf zu ihm um und blickte ihn aus glasigen Augen an. „Was ist bloß los mit dir? Seit Professor Astana mit Shinanji anfing, bist du völlig abgedriftet.“ Melanie schüttelte den Kopf um ließ den Jungen einfach stehen und eilte ihrem Lehrer nach. Axel blickte ihr traurig nach. Was war aus dem Mädchen geworden, das er so mochte? Seit einer Woche verhielt sie sich so komisch und heute war es extrem. Er hatte ein komisches Gefühl im Magen. Auch ihm blieb die Veränderung nicht verborgen. „Professor Astana! Bitte warten Sie!“, rief sie ihm hinterher. Überrascht über diese sehr höfliche Anrede blieb er stehen. Sensei bedeutete so viel wie Meister. „Was gibt es, Melanie? Hast du noch eine Frage?“ Sie erreichte ihren Lehrer und schnaufte kurz. Ein wenig Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Sie drehte sich um und traf den fragenden Blick von Axel. Er stand etwas abseits und blickte sie verwirrt an. Seine grünen Augen funkelten. Melanie wendete den Blick ab. Sie konnte ihm einfach nicht ansehen. „Ja, ich habe noch eine Frage. Hat Shinanji Auswirkungen auf die Menschen?“ Astana blickte sie überrascht an. Er fuhr durch seine Haare. Melanie blickte betreten zu Boden und ihr wurde übel. „Wie kommst du auf diese Idee?“ Sie druckst verlegen herum. „Ich habe ein seltsames Gefühl. So, als ob es etwas mit mir zu tun hat. Schließlich bin ich heute 15 geworden.“ Professor Astana klappte die Kinnlade herab und er blickte sie sprachlos an. Blankes Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen wieder und das bekräftigte Melanies Gefühl nur. „Dann ist dein Leben, was du jetzt führst, nun zu Ende. Du bist die Auserwählte, die unsere Welt retten muss.“ Sie blickt ihren Lehrer an und dann rannte sie davon. Vorbei an dem überraschten Axel. Er packte sie am Arm und hielt sie eisern fest. „Melanie, was ist los? Rede doch bitte mit mir!“ Seine Stimme war flehend. Melanie blickte ihn traurig an. Sie machte sich los und ging mit gesenktem Kopf zu ihrem Einhorn und ritt davon. Axel griff mit seiner Hand ins Leere und rief: „Melanie!“ Eine heftige Brise kam auf und ließ die Blätter laut rauschen. Endlich zu Hause angekommen, schmiss Melanie sich auf das Bett. Sie vergrub ihr schmales Gesicht im Kissen und fing an zu weinen. Was sollte das bedeuten? Sie war die Auserwählte? Wofür? Angst kam in ihr auf. Was, wenn sie versagen würde? Was würde dann mit ihrer Welt passieren? Was würde mit ihren Freunden passieren? Vor allem, was würde aus Axel werden? Sie hatte einfach davonrennen müssen. Sie schniefte und das Kissen war bereits schon nass. Sie hatte ihrem Professor nicht mehr weiterzuhören können. Warum ausgerechnet sie? Axel saß hoch oben in den Zweigen von seinen Heimatbaum. Ein Bein hatte er angewinkelt und legte seinen Kopf auf sein Bein. Sein Blick war unendlich traurig. „Was ist bloß aus der Melanie geworden, die ich so schätzen gelernt habe?“ Er strich sich durch die Haare und blickte zum wolkenlosen Himmel hinauf. Die Blätter raschelten und er versank in seinen Gedanken. Auch ihm waren die Veränderungen nicht entgangen, die sich in seinem Leben einschlichen. Nichts war mehr so, wie es einmal war. Das unbeschwerte Leben war nun vorbei und das ausgerechnet am Tag von Shinanji. Zufall?! Nein, das glaubte er nicht. Er streckte sich und blickte entschlossen zum Himmel. Er hatte sich entschieden und er wusste was er nun zu tun hatte. Melanie weinte immer weiter, bis sie keine Tränen mehr hatte. Ihre Augen waren feucht und das Kissen triefte vor Feuchtigkeit. Sie schluchzte und schniefte. Plötzlich fühlte sie, wie ihre Matratze runtergedrückt wurde. Sie drehte ihren Kopf und weitete erschrocken die Augen. „Axel...?“, fragte sie überrascht. Er saß auf ihrer Matratze und blickte sie traurig an. Sie errötete und setzte sich schnell auf. Verlegen wendete sie den Blick ab. „Was ist los mit dir? Was hat Astana denn zu dir gesagt, dass du eine solche Angst bekommen hast?“ Er zog sie in seine Arme. Ihre Augen wurden geschockt und dann schloss sie sie. Melanie zitterte am ganzen Körper. Der Schock saß noch in ihren Gliedern. Sie bibberte und schluchzte, doch dann wischte sie sich schnell die Tränen aus den Augen. „Gar nichts...“ Er blickte sie skeptisch an und seufzte. Seine grünen Augen schimmerten feucht. Bevor er nickte, schluckte er noch. „Na gut. Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann muss ich das akzeptieren. Aber ich möchte, dass du eins weißt: Ich werde dir helfen, egal bei was!“ Sie blickte auf und legte den Kopf schief. Axel lächelte sie an und stand auf. Melanie war verwirrt. Was war bloß mit Axel los? Sie blickte auf seinen Rücken und grübelte vor sich hin. Der Junge drehte sich mit dem Kopf zu ihr um. „Verwirrt dich mein wahres Ich?! Kann ich ehrlich gesagt auch verstehen.“ Nun war sie endgültig verwirrt. Wahres selbst?! Was meinte er damit? „Weißt du, ich verstehe es selber nicht ganz genau! Ich spüre es seit geraumer Zeit. Schleichend verändert sich unsere Welt und keiner bekommt es mit. Seit längerem spüre ich, dass ein großes Unheil sich zusammen braut. Immer wieder bekomme ich Visionen und ich glaube, dass unsere Schicksale miteinander verwoben sind. Verstehst du was ich meine?“ Sie blickte ihn verwirrt an. „Dann weißt du mehr als ich. Was geht hier vor? Ich verstehe das nicht!“ Sie packte ihn am Arm und drehte ihn langsam zu sich um. „Was weißt du? Bitte...erklär es mir!“ Erneut stiegen Tränen in ihre Augen. Ihre grünen Augen funkelten ihn flehend an. Wieder seufzte er und blickte sie entschuldigend an. „Ich habe selber keine Ahnung. Aber frag doch Madschad, schließlich existiert er schon sehr lange und wenn das, was Astana gesagt hat, stimmt, dann müsste er wissen, was vor 5000 Jahren passiert ist.“ Noch immer blickte sie ihn verwirrt an. //Immer noch so geheimnisvoll wie eh und je. Wie stellt er sich das vor? Mit einem Baum reden. Tz... Das geht doch gar nicht!//, dachte sie empört. Axel lächelte und wandte sich zum Gehen. Melanie spürte, wie alles auf dem Kopf stand. Alles, was sie als normal angesehen hatte, war es nun nicht mehr. Die Gedanken in ihrem Kopf fuhren Karussell. Was war verdammt noch mal hier los? Was sollte das alles bedeuten? Sie verstand das alles nicht. „Du hast Fähigkeiten von denen du noch nichts weißt. Genauso wie ich welche habe, von denen ich nichts wusste.“, erklärte er und verschwand. Ruhig blickte sie zu der Stelle, wo er bis gerade stand, doch in ihrem Inneren tobte es. Gedanken rasten kreuz und quer. Wieder versank sie in ihren Gedanken. Was wusste ihr Freund? Wie sollte sie mit Madschad reden? „Ich versteh das alles nicht mehr. Was ist bloß hier los?“, flüsterte sie und ließ sich wieder auf ihr Bett fallen. Wildheart trottete in ihr Zimmer, gefolgt von seiner kleinen Tochter, und legte sich vor ihre Füße. Zufrieden rollte er sich vor ihr ein und das kleine Baby, was ihrem Vater zum Verwechseln ähnlich sah, sprang auf ihren Schoß und rollte sich dort zusammen. Zärtlich strich Melanie durch das weiche Fell. „Destiny werde ich dich nennen...Schicksal...das Schicksal von mir und meinem Freund, was uns verbindet.“, flüsterte sie. Destiny bellte zufrieden und schmiegte sich an sie. „Wusstest du von meinem Schicksal, Wildheart?!“ Sie blickte ihn erwartungsvoll an. Der majestätische Wolf richtete sich auf und blickte sie aus treuen Augen an. „Ja....“, knurrte er zögernd. Er wusste nicht, ob das richtig war. „Warum hast du mir nicht davon erzählt? Bist du nur hier, weil ich die Auserwählte bin? Sag es mir!“, schrie sie ihn an. Ihr Inneres tobte vor Wut. Ihre Augen glühten vor Zorn. Wildheart zog den Schwanz ein und winselte kurz unterwürfig. Traurig und entmutigt ließ er den Kopf hängen. Er hatte es ja gewollt, doch er konnte nicht. Er durfte nicht! Verzweiflung stieg in ihm auf. Er wollte ihre Freundschaft nicht verlieren. Sie lebten nun genau 15 Jahre lang zusammen und hatten viel erlebt und alles geteilt. Er wollte nicht, dass es jetzt endete. Ein feuchter Schimmer lag auf seinen Pupillen. Er sah sie aus so verletzten und beschämten Augen an, dass sie schluckte und schnellsten den Blick abwandte. Eine starke Böe ließ das Haus wackeln und die Vögel, die sich in Madschad niedergelassen hatten, zwitscherten zornig. Ein sehr lautes Rascheln von Madschad könnte vermuten lassen, dass er die Situation nicht mochte. „Es tut mir Leid, dass ich dir nichts davon erzählt habe, aber es war mir strengstens verboten. Erst nachdem Astana dir von Shinanji erzählt hatte, durfte ich es dir erzählen. Ich wusste zwar, dass du es bist, durfte ihm es aber auch nicht sagen. Wir Wölfe sind Hüter des uralten Wissens und es war mir einfach verboten. Wenn du wüsstest wie Leid es mir tut und wie gerne ich es dir gesagt hätte. Ich wollte dich nicht verletzen. Bitte, nimm meine unterwürfigste Entschuldigung an. Du bist meine beste Freundin und ich will keinen Streit mit dir...wirklich nicht!“ Er blickte sie aus flehenden, braunen Augen an und trottete nun davon. Mit hängendem Kopf und eingezogenem Schwanz zog er sich zurück. Melanie überlegte und zögerte einen Moment. Wildheart war fast schon verschwunden, da richtete sie sich auf und sagte zögernd: „Warte, Wildheart! Ich habe überreagiert und das wollte ich nicht. Ich bin nur gereizt. Tut mir echt Leid. Ich will dich doch nicht verlieren!“ Sie blickte ihn treuherzig an und legte Destiny zur Seite. Wildheart bellte vor Freude und spurtete auf sie zu. Er legte die Vorderpfoten auf ihren Schoß. Sanft schleckte er ihr durch das Gesicht. Das junge Mädchen lachte, denn die raue Zunge kitzelte sie. Sie spürte, wie die nasse Zunge über ihre rosigen Wangen fuhr und eine feuchte Spur hinterließ. Das grau-braune Fell stand ab, als Melanie ihm zärtlich hindurch wuschelte. Pure Freude zeigte sich in den Augen des weisen Wolfes. Es verstrich einige Zeit, in der die beiden so verharrten- verbunden durch das jahrelange Zusammenleben. Nun aber spürte Melanie, dass die Zeit des Abschiedes zum Greifen nah war. Diese Erkenntnis versetzte sie in Angst. Sie hatte keine Ahnung was die Zukunft bringen würde, noch nicht einmal, was überhaupt ihre Aufgabe war. Eins war ihr aber bewusst. Stellen musste sie sich ihr und sie lösen, oder zumindest es versuchen. Wenn sie wirklich alles geben würde, dann könnte ihr keiner einen Vorwurf machen. Als sie Wildheart erneut anblickte, war ihr Blick entschlossen. Graziös richtete sie sich auf und packte ihre Sachen. Eine Stunde später stand sie wieder am Ufer des Sanaras, der leise plätscherte. Die Frösche quakten fröhlich, doch anstatt sie aufzumuntern, wurde es dem jungem Mädchen noch schwerer ums Herz. Tränen tropften ins Gras und blieben wie Tautropfen an den Grashalmen hängen. Würde sie jemals in ihre Heimat zurückkehren können? Könnte sie sich überhaupt noch hier blicken lassen, wenn alles vorbei war? Sie bekam Zweifel. Zweifel daran, dass sie der Aufgabe nicht gewachsen war. Und was wäre, wenn nicht? Würde sie ganz auf sich allein gestellt sein? Sie betrachtete nachdenklich die schimmernde Abendsonne, die ein strahlendes Rosa auf den Himmel zauberte. Ein frischer Abendwind wehte ihr entgegen und ließ sie frösteln. Madschad hatte ihr wirklich etwas erklärt. Es war nicht besonders viel gewesen, doch sie wusste nun so ungefähr was Sache war. Das Gleichgewicht zwischen den Elementen war außer Kontrolle geraten. Im Westen des Planeten stiegen die Meere, im Osten entstanden Wüsten. Orkane tobten über den hohen Norden und große Waldbrände verschlangen alles Leben im südlichen Teil des Planeten. Ihre Aufgabe war es, die vier Steine der Elemente zu finden und zum Mittelpunkt des Planten zu bringen- in die verschollene Stadt Canzastor. Sie hatte schon oft über diese sagenumwobene Stadt gelesen und Geschichten von ihr gehört, doch hatte sie sie nie beachtet und als Legende abgetan. Doch was Shinanji damit zu tun hatte, ging ihr nicht auf und Madschad hatte auch keine Antwort darauf. Das war eine der vielen Dinge, die sie noch herausfinden musste. Sie galoppierte über die weite Elfenebene und war vollkommen in Gedanken versunken. Die Sterne funkelten hell am Himmel und wiesen ihr den Weg. Den Weg in ein neues Leben, von dem sie kaum eine Ahnung hatte. Ihr erster Weg führte zu ihrem einzigen Gefährten. Ob es gelingen würde, hing nur von ihnen beiden ab. Ein Greif flog über ihren Kopf hinweg und schrie laut. Es war der Schrei eines Adlers, aber so tief, wie der eines Löwen. Er klang mächtig und erhaben. Strahlentau antwortete ihm etwas, was das Mädchen nicht verstand. Immer weiter folgte der treue Hengst dem Fluss gegen seine Fließrichtung. Geschwind kam das Anzanargebirge immer näher. Die Nordseite lag im hellen Licht von Amard und den Abermilliarden von Sternen, dessen Versuch sie zu zählen, jeden in den Wahnsinn getrieben hätte. Weit entfernt schrieen Uhus auf der Jagd und gelegentlich flammte ein gelbes Augenpaar in der Dunkelheit auf. Die Augenpaare verfolgten jede schnelle Bewegung von Einhorn und Reiter. Die Bäume, die im Schatten der Nacht verborgen lagen, sahen aus wie Phantome. Melanie lief es eiskalt den Rücken hinab. Richtig unheimlich war es. Aus lauter Angst trieb sie Strahlentau noch weiter an, um dieser beängstigenden Stille so schnell wie möglich zu entkommen. Ihre Finger waren bereits ganz klamm von der klirrenden Kälte. Jeder Windhauch fühlte sich für das junge Mädchen so an, als würde sie durch eine Glaswand reiten. Lange würde sie sich nicht mehr im Sattel halten können. Bevor sie los geritten war, hatte sie Strahlentau einen Sattel angelegt, wohl wissend, dass eine lange Reise vor ihnen lag. Der rothaarige Junge rannte unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Seine Gedanken rasten in seinem Kopf nur so hin und her. Wie ein Karussell drehten sie sich immer schneller, nur um immer wieder beim Anfang zu landen. Es machte ihn echt verrückt. Er kam einfach nicht weiter, so sehr er es auch versuchte. Er hatte versucht zu schlafen, doch er hatte sich nur hin und her gewälzt. Als er dann endlich in einen unruhigen Schlaf gefallen war, hörte er schon wieder einen Schrei, wie so oft in letzter Zeit, und fuhr schweißgebadet aus dem Dämmerzustand. Um den ekeligen Gestank loszuwerden und um wieder einen klaren Kopf zu kriegen, hatte er sich unter die Dusche gestellt. Lange hatte er da gestanden und sich das kühle Nass auf den Kopf regnen lassen. Nachdenklich hatte er aus dem Fenster geschaut und die Sterne beobachtet. Wirklich viel hatte die Aktion nicht gebracht. Eher im Gegenteil, er hatte nun noch mehr Fragen. Wütend ließ er sich rücklings ins Bett fallen. Die Wucht war so groß, dass der Lattenrost fast den Boden berührte. Die Wut brodelte in seinem Inneren und ergoss eine riesige Hitzewelle in seinem Körper. Er knurrte, wie ein in die Enge getriebener Wolf. Ihm plagten dieselben Gefühle und Zweifel wie seine Freundin. Sie nagten an ihm, wie eine Maus an einem Stück Korn. Er biss sich auf die Lippe und zitterte am ganzen Leib. Warum er? Warum verdammt noch mal er? Ein heller Pfiff durchschnitt die Stille der Nacht und verwundert richtete Axel sich auf. Er strich die Haare zurück und legte die Stirn in Falten. Wer könnte das sein? Waren das schon ihre Feinde? Aber die würden doch nicht pfeifen, oder? Vielleicht eine Falle? Er stellte sich rechts neben das Fenster an die Wand und spähte durch die Dunkelheit. Vor Anstrengung kniff er die Augen zusammen um etwas in der Dunkelheit auszumachen. Sein Herz schlug in seinem Hals, so schnell wie ein Hase auf der Flucht. Er keuchte vor Angst und zitterte. „Axel, nun komm raus! Ich weiß, dass du da bist!“ Erleichtert atmete er aus. Die ganze Anspannung fiel von seinem Körper und er merkte erst jetzt, wie sehr er zitterte. Mit wackeligen Beinen öffnete er die Tür. Sie knarrte und der Rotschopf zuckte zusammen. Er blinzelte, als er direkt in Amard blickte, der voll und hell über die Gipfel von der Gebirgskette linste. Axel blickte schnell nach unten, um nicht für den Rest der Nacht Sternchen zu sehen. Überrascht ging er einen Schritt zurück, als Melanie plötzlich vor ihm stand. „Wie...was...wo...wer...hä?“ Stammelte er verwirrt. Er verstand nun gerade gar nichts mehr. Er blickte sie an, als wäre sie ein Gespenst und dadurch musste sie schmunzeln. „Hallo!“ Sagte sie grinsend. Axel blinzelte. „Darf ich reinkommen? Es ist kalt hier draußen!“ Fragte sie mit freundlichem Ton, als er einige Zeit lang nichts sagte. Er zuckte zusammen und lächelte sie verlegen an. „Ja, sicher, komm rein!“ Wie peinlich! Mit ihr hatte er nun gar nicht gerechnet. Schamesröte stieg in sein Gesicht. Er tritt beiseite und sie ging mit wehendem Haar an ihm vorbei. Er betrat den Raum nach ihr. Etwas später saßen beide im Wohnzimmer. Vor Melanie auf dem aus Ebenholz gefertigten Tisch stand ein Becher mit dampfenden Schinobinektar. Dieser sanfte Nektar wurde aus einem weißen Wiesenkraut gewonnen, das nur hier in der Drachenebene wuchs. Damit verdiente sich Axel etwas seinen Lebensunterhalt. Das 15-jährige Mädchen umfasste den Becher und spürte, wie die Wärme in ihre Finger zurückkehrte, Vorsichtig nippte sie an dem warmen Nektar, der wie warmer, flüssiger Honig schmeckte. Langsam glitt der Saft ihre Speiseröhre hinab und verbreitete eine wohlige Wärme in ihr. Sie seufzte zufrieden und ließ sich weiter in die bequeme Couch sinken. Erst jetzt bemerkte Melanie, wie müde sie eigentlich war. „Ehrlich gesagt habe ich noch gar nicht mit dir gerechnet!“ Gestand er und blickte sie an. Das junge Mädchen rekelte sich und streckte die Arme in die Luft, um sich zu dehnen. Sie zog ihre Sandalen aus und setzte sich in den Schneidersitz. Lässig verschränkte sie die Arme hinterm Kopf und genoss die Wärme. „Ich ehrlich gesagt auch nicht!“ Lachte sie und es klang wie das helle, klare Lachen einer Elfe. Axel blickte sie kurz verzückt an, doch schaute dann schnell wieder weg. „Ich hab Strahlentau zu Salimar geschickt. Ist das ok?“ Noch immer betrachtete er den Tisch, denn er fühlte, wie noch immer das Blut in seinen Wangen zirkuliert. „Ja...klar. Ich seh da kein Problem.“ Danach herrschte Stille, während jeder an seinem Getränk nippte. Man hörte nur das Ticken der Wanduhr, die in einer Ecke stand. Melanie musste sich immer wieder eingestehen, dass Axel in Innenarchitektur besser war, als sie selbst. Es war ein runder Raum mit einer freundlichen Atmosphäre. Links stand eine runde Sitzecke aus schwarzen Ranabaleder. Ranabi war eine sehr seltene Art. Sie sahen aus wie Kühe, hatten aber ein langes, blaues Fell und ihre Hörner berührten sich, sodass sie einen Kreis bildeten. Das Leder war extrem teuer, aber sehr bequem. Es sah auch noch sehr elegant aus und ihr Freund achtete sehr genau darauf, dass sie nicht schmutzig wurde. Das ging ihr manchmal schon auf die Nerven, aber jeder hatte ja seine Macken. Halb eingeschlossen von der Couch stand der Ebenholztisch. Neben der Uhr stand ein bequemer Ohrsessel aus altem, braunem Leder, welches eingesessen war mit einem kleinen Hocker bei Bedarf. Es war das einzige Möbelstück, was nicht ganz zur restlichen Einrichtung passte. Axel jedoch hing sehr an diesem Sessel, da er ein Familienerbstück war. Angeschlossen an den Sessel stand ein langes Bücherregal, welches weder hoch war, noch besonders voll, aber die Bücher waren sortiert und Fotos, CDs und noch so einiges, was die fehlenden Bücher ersetzte. Besonderes Gespür bewies der rothaarige Junge in der Dekoration. Über ihr hing eine kunstvoll geschnitzte Maske, die im Stil der Ureinwohner dieses Planeten gefertigt war. An der Decke schlängelten sich Kletterpflanzen entlang, sodass man gar nichts mehr von der Holzdecke sah. Sie blühten gerade nicht, aber wenn sie Blüten, dann roch es hier nach Meer. Man roch diesen salzigen Geruch, der einen denken ließ, man sei am Meer. Melanie mochte diese Blumen besonders. „Was suchst du eigentlich hier?“ Sie zuckte zusammen und betrachtete ihn fragend. Sie legte die Stirn in Falten. Ein sanfter Windhauch pfiff durch die einzelnen Holzlatten und ließ ihre Haare tanzen. Axels bewegten sich kaum. Wieder entstand eine peinliche Stille. Beide betrachteten sich eingehend. „Wie meinst du das?“ Sie verstand ihn nicht. Wie meinte er das? Was sie hier suche? Wer sollte das noch verstehen? Aber das kannte sie ja schon zu gut, denn das schien ihm echt Spaß zu machen. Eindringlich blickte sie ihn an. Der junge Mann blickt sie lange an, als wollte er sie durchdringen und ihre Gedanken zu lesen. Das Mädchen fühlte sich unwohl und rutschte auf dem Ledersofa hin und her. Sie machte sich so schmal wie nur irgendwie möglich. Sie versuchte eine Ablenkung von diesem Blick zu finden. Sie fand sie in dem Rascheln der Kletterrosen oben an der Decke. Wieder entstand eine peinliche Stille, die nur durch das Pfeifen des Windes unterbrochen wurde. Axel seufzte kaum vernehmlich. „Was hast du nun vor? Was weißt du nun von unserer Mission?“ Melanie blinzelte verträumt und legte den Kopf schief. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sterne funkelten hell und sahen aus wie gelbe Turmaline. Amard war hinter Arano, dem höchstem Berg vom Anzanargebirge, verschwunden. Der kleine See Kisar glänzte wie flüssiges Silber. Wie zwei gelbe Edelsteine durchforsteten die Augen eines Greifens die Dunkelheit, sodass sie wie zwei weitere Monde leuchteten. Melanie wandte den Blick ab und sah nun Axel an. In kurzer Form berichtete sie, was Madschad ihr erzählt hatte. „Und wie planst du nun?“ In ihren Gedanken wog sie alles ab und überlegte hin und her. Sie betrachtete die Kletterrosen, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Das Pendel schwang klickend von einer Seite zur anderen. Axel schaute ihr zu, unterbrach sie aber nicht. Sie war die Anführerin der Wächter und sie musste die Entscheidungen treffen. „Wir haben morgen in der Ersten Astrologie/Geschichte, oder?“ Sie blickte ihn nachdenklich an. Der Junge warf einen Blick auf den Plan über seinem Schreibtisch und nickte. Das Mädchen ließ den Blick abwesend umher schweifen. Ihre Gesichtszüge waren die reine Nachdenklichkeit. „Ich denke, es wäre das Beste, wenn wir erst einmal schlafen gehen. Es war heute ein anstrengender Tag und ich bin hundemüde. Dann gehen wir morgen schnurstracks zu Astana und fragen ihn erstmal, was er weiß und ob er uns beurlaubigen kann, denn wir haben ja eine lange Reise vor uns. Danach lesen wir Bücher und fragen auch noch Midna, denn wir brauchen Infos. Aber die beiden dürfen davon nichts erfahren. Einverstanden?“ Sie betrachtete den Jungen fragend und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre grünen Augen sind nun nicht mehr voller Begeisterung, sondern stumpf und müde. Sie gähnte herzhaft und hielt sich die Hand vorm Mund. Mit einem großen Schluck leerte sie ihr Getränk. Geschafft lehnte sie sich zurück und schloss ihre Augen. „Einverstanden!“ Antworte er und beide schlugen ein. Das war ihr Plan! Beide grinsten sich an und gingen schlafen. Kapitel 3: Die Seelenwanderung ------------------------------ 3. Kapitel: Die Seelenwanderung Starfire erwachte gerade aus ihrem Schlaf, als Melanie und Axel überpünktlich die Lichtung erreichten. Das saftige Grün von dem Blättermeer verdeckte den blauen Himmel, der nur von ein paar verwischten Schleierwolken verziert wurde. Ein sanftes Rauschen ging durch dieses grüne Meer und die Beiden lauschten dem Gesang des Windes und der Blätter. Ihre Reittiere schnaubten aufgeregt und spielten mit den Ohren. Der Rubin auf Salimars Stirn reflektierte das Morgenlicht, sodass überall rote Punkte auf dem grünen Grasteppich waren. Strahlentaus weißes Horn leuchtete hell und war somit eine weitere Lichtquelle. Man hörte kein einziges Geräusch von den beiden Reittieren. Sie hatten die graziösen Köpfe erhaben erhoben und lauschten fasziniert. Der süße Duft von dem Nymphenkraut erfüllte die Luft, ebenso wie der Gesang von Ranirvögeln, die den Nachtigallen auf der Erde ähnelten. Der kleine Bach rauschte ruhig und unterstrich die ruhige Atmosphäre des Greifenwaldes. Melanie und Axel ließen die Blicke schweifen. Sie suchten den Greif von Astana, doch er war nirgendwo zu sehen. //Seltsam!//, dachten beide erstaunt. Normalerweise war Astana schon längst da, bevor der Unterricht begann. Sie spitzten ihre Ohren, um den Löwenvogel ja nicht zu überhören. Salimar und Strahlentau schnaubten nervös und spielten mit den Ohren in alle Richtungen. Die Anspannung ihrer Reiter war ihnen nicht entgangen, dennoch trugen sie sie im ruhigen Schritt über das mit Moos bestickte Gras. „Und was machen wir, wenn wir nicht die Chance haben mit ihm zu reden?“, zweifelte Axel. Melanie seufzte kurz. Sie strich ihrem Einhorn übers Fell und genoss die klare Luft. Diese Frage hatte sie sich selber auch oft in der letzten Nacht gestellt. Sie drehte sich kurz, denn sie meinte etwas gehört zu haben, doch es war falscher Alarm. Es war bloß ein Pankarhörnchen gewesen, doch daran merkte sie erst, wie nervös sie war. Sie versuchte sich zu beruhigen, doch so richtig gelang es ihr nicht. Ihr Herz raste vor Aufregung. Als sie sich zu Axel umwandte, bemerkte sie, dass es ihm nicht anders ging. Bei jedem Geräusch zuckte er zusammen und wirbelte herum- bereit sich jedem Feind zu stellen. In seinen Augen funkelte die Angst- Angst vor einem Überraschungsangriff. Melanie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Dann müssen wir uns was Neues einfallen lassen. Wir beide sind doch schlau, wir schaffen das schon.“ Sie versuchte etwas Aufmunterung in ihre Stimme zu legen, doch leider gelang es nicht so ganz. Sie legte die Stirn in Falten und suchte den Himmel und die Umgebung nach Gryphon ab. Wo war der stolze Greif bloß? War Astana etwas geschehen? Das Mädchen bekam nun allmählich ein ungutes Gefühl, was langsam in ihr hoch kroch. Sie fröstelte, obwohl es ein milder Tag war. Mit einem sanften Schenkeldruck trieb sie Strahlentau zum Galopp an. Sie hatte ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache. Ein verdammt ungutes Gefühl. Salimar sprengte hinter den beiden her, auch wenn Axel ihn nicht angetrieben hatte. Das Zweihorn vertraute dem Mädchen blind und es würde einen Grund haben, warum sie es auf einmal so eilig hatte. Der Atem des stolzen Reittieres flog, als es seinem Freund hinterher jagte. Sie schnaubten aufgeregt und ihr Galopp wurde immer flacher. Melanies Gedanken fuhren Karussell. Sie hatte eine Gänsehaut bekommen, von der Angst, dass etwas passiert war. Tief beugte sie sich über den muskulösen Hals von Strahlentau. Der Hengst gab alles was in ihm steckte. Die Äste, die ihnen den Weg blockierten, übersprang er mit Leichtigkeit. Auch Salimar hatte keine Probleme und Axel saß einfach nur drauf. Endlich kam die Lichtung in Sicht. Die Stühle standen an ihren Platz, die Tafel war geputzt, aber Astana war nicht zu sehen. Mit einem scharfen Zügelzug parierte das Mädchen ihr treues Einhorn durch. Der Hengst versank sofort mit den Hufen im Boden, rutschte aber dennoch einige Meter über den Boden und blieb waagerecht zur Tafel stehen. Melanie zuckte zusammen. Sie war sich nicht sicher, doch sie meinte ein Rascheln und Zischen wie von einer Schlange gehört zu haben. Verwirrt blickte sie sich um. Hatte sie nicht sogar einen Schwanz von einer Schlange gesehen oder litt sie nur unter Verfolgungswahn? Nachdenklich betrachtete die Lichtung. „Hast du das auch gehört, Axel?“, fragt sie leise und spitzte die Ohren. Vielleicht würde sie ja noch etwas hören. Ihr ungutes Gefühl wurde nun noch stärker. Auch ihr treues Reittier schien nervös zu sein. Die Ohren spielten hin und her und es schnaubte ängstlich, während Salimar nervös mit den Hufen scharrte. Ihre Nüstern blähten sich und sie warfen ängstlich die Köpfe auf. Axel blickte sie an und seine Augen waren weit geöffnet. Langsam nickte er. Er schluckte. Normalerweise war er ja nicht ängstlich, überhaupt nicht, doch das hier war ihm einfach nur unheimlich. Er konnte nicht genau sagen wieso, aber irgendwie wirkte die Lichtung nun ganz anders. Durch die frühe Morgenstunde kam das Sonnenlicht noch nicht durch das dichte Blätterwerk. Ein dunkler Schatten lag über die Klassenlichtung. Die Vögel waren verstummt. Vielleicht vor Schreck? Er konnte es nicht genau sagen. Ein Schauer durchlief den rothaarigen Jungen. Er schluckte und stieg aus dem Sattel. Langsam strich er seinem Zweihorn über den Hals. Das Fabeltier senkte seinen Kopf, sodass die zwei, geschwungenen, goldenen Hörnern fast den Boden berührten. Sanft zog er die Zügel über den Kopf und holte noch einmal tief Luft. Er musste nun seinen ganzen Mut zusammen nehmen. Auch Melanie stieg aus dem Sattel. Genau in dem Moment, wo sie auf dem Boden landete, stob eine dunkle Vogelwolke mit lautem Geschrei aus den Baumkronen, was dazu führte, dass das schöne Mädchen zusammen. Axel führte sein Zweihorn vorbei an der Tafel, hinter das Gebüsch, aus dem die beiden die Ursachen des Geräusches vermuteten. „Sei vorsichtig!“, flüsterte Melanie und strich nervös durchs Haar, doch Axel hörte sie nicht mehr. Nervös verlagerte Melanie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihr Reittier schüttelte den Kopf und schlug nervös mit dem Schweif hin und her. Melanie hatte Angst und steckte ihr Einhorn damit an. Sie fröstelte, als ein kalter Wind über ihre Arme strich. Endlich meldete Axel sich: „Melanie, sieh dir das an!“ Sie atmete erleichtert auf und ein tonnenschwerer Stein fiel ihr vom Herzen. Der Schock kam erst, als sie sah, was ihr Freund entdeckt hatte. „Nein!“, flüstert sie ungläubig. „Das kann nicht sein.“ Sie schüttelte den Kopf. Bitte nicht! Sie stand auf einen kleinen Fleck umgeben von dichten Bäumen. Dieser Ort war völlig abgeschirmt von der anderen Lichtung. Das Gras sah hier nicht mehr grün aus, sondern schwarz, da es hier so dunkel war. Strahlentau legte die Ohren an und wieherte ängstlich. Die Augen waren weit geöffnet und man konnte das weiße sehen. Salimar war ruhiger, doch man sah, dass er sich ebenfalls erschreckt hatte. Sein Fell war teilweise dunkel geworden von dem Schweiß. Nur ein Lichtschein drang durch die Lichtung und genau auf dieser Stelle stand eine steinerne Statue- eine Statue von Professor Astana. Er blickte in einen kleinen Teich, der silbrig schimmerte. Sein Gesicht war verzerrt vom Schreck und seine kalten Augen spiegelten blanken Horror wieder. Axel stand davor und betrachtete sie mit ernstem Blick. Der Junge musterte ihn von allen Seiten und zog die Stirn kraus. Vorsichtig klopfte er gegen die Statue. Sie war nicht hohl. Melanie jappste nach Luft. Sie ließ Strahlentau stehen und stellte sich neben ihren Freund. Ein kalter Hauch ließ die Blätter unheimlich Rascheln. Das Mädchen zitterte und rubbelte an ihren Armen lang. Ihre Haare wehten schnell im kalten Hauch und sie bekam eine Gänsehaut. „Wer kann so etwas nur tun?“ Fragte sie ungläubig und ihre Stimme zitterte. Der junge Mann blickte noch immer ernst auf ihren ehemaligen Lehrer. Er hatte den Schreck schon etwas überwunden und hatte sich schon einige Gedanken gemacht. Seine Augenbrauen waren nur noch ein Strich. „Jemand, der verhindern will, dass wir erfahren, was wir zu tun haben. Eigentlich kann es nur Wesen gewesen sein. Es passt dann einfach alles zusammen.“ Sie blickte ihm in seine grünen Augen, die besorgt leuchteten. Sie war gerade nicht in der Lage nachzudenken. Die schwarzen Unglücksvögel landeten auf den Bäumen und beobachteten sie aus starren Augenpaaren. Die gelben Augen glühten wie Schwefel und ihre Anwesenheit verbesserte die Situation nicht gerade. Fast schien es so, als hätten sie den Auftrag die beiden in Auge zu behalten. Melanie lief es eiskalt den Rücken hinab. „Und welches ist es deiner Meinung nach?“ Sie ließ den Blick schweifen, denn sie hatte das Gefühl, dass sie nicht alleine hier waren. „Es war...“, setzte Axel an, doch sie hörten plötzlich ein schleifendes Geräusch. Beide drehen sich langsam um und blicken ein Gebüsch an. Das Geräusch kam immer näher und die Herzen der beiden begannen zu rasen, genau wie ihre Gedanken. Was sollten sie tun, wenn es der Angreifer war? Sie wussten doch gar nicht, was ihre Fähigkeiten waren, geschweige denn mit ihnen umzugehen. Ein Zittern ging durch das Geäst und eine dunkle Stimme drang aus ihm: „...ein Basilisk.“, beendete die Stimme den Satz. Axel zuckte zusammen und stellte sich schützend vor Melanie. Ihr durfte nichts geschehen! Doch nun war er sich nicht mehr sicher. War das nun wirklich ein Feind? Wenn ja, warum sagte er ihnen, wer der Übeltäter war? Verwirrung stieg in ihm auf. Melanie drückte sich ängstlich gegen den Rücken von Axel. Panisch blickte sie auf das Gebüsch aus den nun ein Fuß erschien. Ein Zucken ging durch die beiden. Es war die Klaue eines Adlers. Braunes Gefieder streckte sich aus dem Strauch. „Gryphon!“, riefen die beiden überrascht. Der Greif hinkte, denn eine große Fleischwunde klaffte an seinem rechten Oberschenkel. Das Blut zog eine rot glitzernde Spur auf dem schwarzen Gras. Sein Löwenschwanz peitschte unruhig hin und her. Langsam humpelt er auf sie zu. Er hatte einen breiten Kopf und einen hell leuchtenden, gelben Schnabel, der alles zerpicken könnte. Seine Augen glühten wie Feuer. Die Vorderbeine waren kräftige Adlerkrallen und der Hinterleib war der eines Löwes. Seine mächtigen Schwingen hatte er an den Körper gelegt und sein haselnussbraunes Gefieder war mit Blut befleckt. „Was ist denn mit dir passiert? Wer hat dir das angetan?“, fragt Melanie schockiert und Axel brachte kein Wort mehr heraus. Beide zitterten noch von dem Schock. Noch weiter humpelt Gryphon auf die beiden zu. Er zog das rechte Bein nach. Plötzlich knickte er vorne ein und rutschte über den Boden. „Gryphon!“, rief Axel und die beiden stürmten auf den Greif zu. Er bebte vor Schmerz und seine roten Augen wurden immer glasiger. „Es war der Basilisk.“, flüsterte der Greif heiser und hustete. Melanie strich über sein Gefieder und er zitterte. „Hört mir zu! Ihr müsst zu Narunia, die Sternenfee. Sie wohnt im hohen Starangebirge weit im Norden in einer Höhle. Geht zum Stamm der Wölfe und fragt dort nach dem Weg. Sie werden euch aufnehmen und auf alles vorbereiten.“, erklärt er ihnen. „Zu Wildhearts Stamm?“ Der Greif nickte. Ein letztes Zucken durchlief seinen Körper und dann zeigte das Gift des Basilisken seine Wirkung. Der treue Gefährte von Professor Astana starb an Nervenlähmung und sein Herz setzte aus. „Basilisken sind schreckliche Tiere. Als ob es nicht reicht, dass ein Blick in die gelben Schlangenaugen zum sofortigen Tod führt und wenn man ins Wasser blickt zur Versteinerung, doch dann haben sie auch noch ein Gift in den Zähnen. Armer Gryphon...“, flüsterte Melanie, die noch immer an der Seite des toten Tieres kauerte. Axel hockte sich neben sie und strich ihr über den Rücken. Seine Smaragdaugen schimmerten feucht und Melanie liefen bereits die Tränen an den Wagen hinab. Die salzige Spur, die sie dabei hinterließen schimmerte silbrig im schwachen Sonnenlicht. Ihr Gemüt war erschüttert. Gestern war doch noch alles normal gewesen und nun steckten sie schon mittendrin. Mitten in einer Welt, von der sie nichts wussten, aber ein großes Teil im Puzzle waren. Sie steckten in einer Kette von Ereignissen, aus denen sie nicht mehr herauskommen würden, so sehr sie es wollten. Alles war so schrecklich. „Wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Meinst du, wir sollten zu unserem Direx gehen?“, flüsterte der Junge in ihr Ohr. Das Mädchen zuckte mit den Achseln. Sie wusste es nicht. Immer wieder spukten Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei- Wahnvorstellungen, die nicht im Geringsten der Realität entsprachen. Ihre Seele flog über ein Gebirge, durch das sich in einem tiefen Tal ein gigantischer Fluss schlängelte. Die Gischt spritzte an den Ränder auf und ließ weiße Tropfen zurück auf den Fluss segeln. Die Sonne stand tief am Horizont und ließ alles in einem schwachen, schwummrigen Licht. Der Fluss tobte und fauchte, als sie weit über ihn hinweg flog. Die Vögel bemerkten sie nicht und schnatterten munter weiter. Ihre langen Haare wehten immer hin und her und nahmen ihr öfters die Sicht. Sie wusste nicht wo sie war und auch nicht wohin sie flog, doch sie wusste, dass sie dorthin musste. Ihre Augen tränten durch den scharfen Wind und verschleierten ihren Blick. Ihr Körper fror, doch ihr Geist bemerkte es gar nicht. Ihr Gewand flatterte um die Beine. Sie fühlte sich frei, so als wäre ihr Geist auf einer neuen Ebene auf der sie ganz neue Dinge erfahren und spüren konnte. Sie spürte ihre Umgebung- das brodelnde Wasser unter ihr, die Vögel um sich herum. Melanie fühlte sich vollkommen eins mit ihrer Umgebung. Es schien, als würde jemand nach ihrem Geist rufen und sie konnte nicht anders, als ihr zu folgen. Immer wieder fühlte es sich für das junge Mädchen so an, als würde die sanfte Stimme ihren Namen rufen. Die Landschaft unter ihr verändert sich kaum. Ab und zu sah man ein paar knorrige Bäume, die wie Skelette ihre Hände nach ihr streckten, sie aber nicht erreichen konnten. Deshalb knarrten sie wütend im Wind. Doch das normale Bild waren zerklüftete Felsen, die der Fluss zerfressen hatte. Die dämmernde Sonne warf tanzende Lichtreflexe auf die Wellen des Flusses, der mit ihnen spielte. Lange Zeit flog sie dahin ohne zu bemerken, wie viel Zeit vergangen war. Ein gleißendes Licht schien plötzlich in ihre Augen. Sofort kniff sie die Augen zusammen und schirmte ihre Augen mit einer Hand ab. Dieses so reine Licht ging von einer großen Frau hinten am Horizont aus. Sie hatte helle Haut und langes, schwarzes Haar, was locker zusammengebunden war. Ein weißes Gewand schmiegte sich um den schlanken Körper der Frau, die auf den ersten Blick sofort eine mächtige Aura spüren ließ. Je näher Melanie dieser Frau kam, desto stärker wurde dieses seltsame Gefühl in ihr. Der Impuls zu ihr zu fliegen war in ihr, dass sie sich gar nicht dagegen wehren könnte, selbst wenn sie es wollen würde. Endlich beendete ihre Seele die Reise. Sie war ungefähr fünfmal kleiner als die Frau. Erst jetzt bemerkte Melanie, dass vier silbrige Flügel aus ihrem Rücken kamen. Die dunkelgrünen Augen der Frau lagen auf den Besuchern und hinter ihr eröffnete sich ein riesiges Bergpanorama. Alles um sie herum war still, so als bedachte die Natur dieser mächtigen Persönlichkeit. Beide Frauen betrachteten sich interessiert. Dann grinste die Frau hinterhältig. Plötzlich verwandelte sie sich. Ihre Haare wurden kürzer und Rastalocken züngelten sich wie Schlangenköpfe um das schmale Haupt. Die feine Nase wurde nun zu Löchern, wie bei einer Schlange. Ihr Gewand veränderte sich zu einem giftgrünen Mantel aus Schlangenschuppen. Ihre roten Augen glühten und eine gelbe Aura flackerte um sie herum. Melanie stockte der Atem und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. So weit, wie das Gefühl des Gerufenwerdens es ihr erlaubte wich Melanie zurück. Angstschweiß trat aus ihrer Stirn und ihr Körper begann zu zittern. Plötzlich schien es eiskalt zu sein und ein Schweißtropfen, der sich seinen Weg an ihrem nun fahlen Gesicht hinabsuchte, gefror zu Eis und fiel wie ein Hagelkorn in die unendliche Tiefe unter ihr. Schwarze Wolken zogen am Himmel herauf und grelle Blitze durchzuckten ihn. Der Donner krachte mit aller Kraft und es hörte sich so an, als würde jemand auf eine riesige Pauke schlagen. Bei jedem dieser Trommelschläge zuckte Melanie mit bangem Blick zusammen. Kapitel 4: Axels besondere Gabe ------------------------------- 4. Kapitel: Axels besondere Gabe Die Vögel flogen laut auf und verdunkelten kurz die Sonne, als sie in alle Himmelsrichtungen aufflogen. Axel zuckte heftig und wirbelte herum. Sein Haar wurde von dem starken Wind völlig zerzaust. Er sah gerade noch, wie seine Freundin zusammenklappte. Seine Smaragdaugen schimmerten entsetzt, als er sieht, wie ihr schlanker Körper zu Boden fiel. Er keucht entsetzt auf. Was war geschehen? Melanie fing heftig an zu zucken und schrie wie am Spieß. Er stürzte auf sie zu und fing sie auf. Sein Herz raste so schnell wie selten zuvor. Angst breitete sich in ihm aus und es fühlte sich so an, als hätte man ihn in einen Kübel Eiswasser geworfen. Sein Körper begann zu zittern und es fiel ihm schwer noch einen klaren Gedanken zu fassen. Er schüttelte den Kopf um das Gedankenchaos in seinem Kopf zu ordnen- kein Erfolg. Er musste sich was einfallen lassen und zwar schnell. In Gedanken ging er alles durch, was er wusste, damit er vielleicht eine Lösung für das Problem fand, obwohl er noch nicht mal das Problem kannte. Allmählich verwandelte sich seine Angst in Panik. Seine Freundin wand sich in seinen Armen und schrie sich die Seele aus dem Leib. Fieberhaft suchte er nach einer Lösung. Er öffnete in seiner Verzweiflung seinen Geist und befreite ihn von allen überflüssigen Gedanken. Plötzlich war alles um ihn herum still. Er war nun die Ruhe selbst. Langsam öffnete er die Augen, die nun im feuerrot geworden waren. Sein Blick war nun schärfer als sonst und dennoch unscharf zugleich. Alles was unwichtig war, erschien nun grau und fiel ihm überhaupt nicht auf. Was jedoch wichtig war, nun halt Melanie, sah er schärfer als jemals zuvor. Er konnte jedes einzelne Härchen und jede kleine Pore ganz genau erkennen. Plötzlich fiel ihm etwas auf. Kleine Kobolde, mit schrumpeliger Haut und hervorquellenden Wasseraugen, standen auf ihr. Ihre kleinen Hände erinnerten an die Patschhände von Neugeborenen, aber mit der Haut eines 80-Jährigen. Das lange, schütternde Haar von ihnen war hoch gesteckt. Es waren die seltsamsten Geschöpfe, die Axel je gesehen hatte. Er zog die Stirn kraus und betrachtete die kleinen Kerle, die nicht größer als eine geballte Faust waren. Sie zogen und zerrten an dem Mädchen. Die Größten von ihnen hockten auf ihrer Brust und vergruben ihre Köpfe dort, wo ihr Herz war. Es schien so, als versuchten sie etwas herauszuziehen, doch so richtig schien es ihnen nicht zu gelingen und darüber ärgerten sie sich gewaltig. „Wer seid ihr denn?“, fragte er sie verdutzt. Die kleinen Wesen stockten in ihrer Arbeit und blickten sich verwirrt an. Sie wandten ihren Dörrkopf zu ihm um und zuckten zusammen. Ihre so schon großen Augen wurden nun noch größer. Nervöses Gemurmel breitete sich bei ihnen aus. Hektisch rannten sie hin und her und stießen sich dabei gegenseitig um, bis sie nur noch ein einziges Knäuel von strampelnden, dicken Beinchen und boxenden Ärmchen war. Axel hätte gelacht, wenn die Situation nicht so ernst wäre. Bald hatte sich die Unruhe gelegt und die Kobolde standen in 2 Reihen vor ihm. Sie entblößten ihre spitzen Eckzähne, ähnlich wie bei Vampiren. Axel legte den Kopf schief und bemerkte wie sie ihn verwirrt ansahen, aber auch zornig anfunkelten. Sie sahen Midna so überhaupt nicht ähnlich. „Du kann uns also sehen, Mensch?!“, sprach der Größte von ihnen, mit seiner hohen, hallenden Stimme. Es schien, als seie er ihr Anführer. Er trug zwar keine auffällige Kleidung, aber er hob sich dennoch von den anderen durch seine überhebliche Art ab. Axel betrachtete ihn nachdenklich, doch seine Augen zeigten etwas Angewidertheit. Wer waren diese Wesen? Was taten sie da mit Melanie? Fragen über Fragen erschütteten seinen Geist. Melanie lag nun völlig ruhig vor ihm, so als wäre sie bewusstlos. Ihr Haar wehte ruhig im Wind und ihre Lider waren entspannt geschlossen. Von dem, was ihre Seele gerade erlebte, ahnte er ja nicht im Geringsten. Dass sie nun so ruhig da lag beruhigte ihn. Dass sie gerade in großer Gefahr schwebte, konnte er ja nicht wissen. „Ja, natürlich kann ich euch sehen! Warum sollte ich nicht?!“ Er war nun wirklich verwirrt. Wieder fingen sie an zu tuscheln. Nervös blickten die kleinen Geschöpfe hin und her, nur ihr Anführer blieb standhaft. Der rothaarige Junge war nun vollends verwirrt. Warum sollte er sie nicht sehen können? Klar, wenn man nur einen flüchtigen Blick auf sie warf, dann konnten man sie übersehen, aber so? Zum ersten Mal sieht er dem Anführer direkt in die Augen. Dieser zuckt zusammen. Es war ein alles durchdringender Blick. So scharf wie der von einem Falke und allwissend wie der eines Steingeistes, den weisesten Wesen auf diesem Planeten. Die roten Augen glühten wie Lava. Eine unheimliche Aura ging von diesem Blick aus- fast wie der eines Monsters. „Das... das... das ist das Byagan.“, stotterte der Anführer und wich ein bisschen zurück. Überraschtheit spiegelte sich in den wässrigen Augen wieder. Es war schon Ewigkeiten her, dass Jemand die besondere Sehkraft besaß. 5000 lange Jahre waren ins Land gestrichen. Seit das Byagan das letzte Mal erschienen war. Die Legende wurde aber noch heute im Volk der Sharan erzählt. Gaaran...so hieß der letzte mit dieser besonderen Gabe. Noch immer wurde von den Heldentaten Gaarans berichtet. Er hatte mit seinen Freunden den Widerstand zerschlagen und den Tyrannen gestürzt. Ihnen war es zu verdanken, dass die Steingeister regierten und dass überall Frieden herrschte. Doch wenn das Byagan wieder aufgetaucht war, bedeutete dass erneut das Unheil versucht den Planeten in die Dunkelheit zu stürzen. Wieder murmelten die Sharanen, doch nun klang es verängstigt. Axel legte die Stirn kraus. Der durchdringende Blick haftete noch immer auf dem Oberhaupt. Plötzlich fiel ihm die gesamte Situation wieder ein. „Was habt ihr mit Melanie vor?“, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Wut spiegelt sich in seinen Augen wieder. Der größte Sharan blickte zwischen Axel und dem Körper auf dem er stand hin und her. Er legte den Kopf schief. „Ist das deine Freundin? Achso, ich verstehe...du hast also gar keine Ahnung, denn sonst würdest du nicht so knurren.“, lächelte das Oberhaupt. Nun weiten sich Axels Augen umso mehr. Ob wohl mal einer die Güte hätte es ihm zu erklären? Ungeduldig tippte er auf seinem Arm herum und betrachtete den Anführer der Sharanen mit ungeduldigem Blick. Dieser ließ nicht lange auf eine Antwort warten. Mit einem Herrn des Byagan ist nicht zu spaßen. Axel schnaubte verachtend und warf dem Sharanen einen wütenden Blick zu. „Wir gehören zu den Sharanen. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wir versuchen ihr zu helfen. Es haben sich die Larven von Naranamotten in ihr eingenistet. Sie lassen sie Alpträume erdulden und ernähren sich von den schlechten Gefühlen. Naranamotten sind für uns eine Delikatesse. Wenn wir sie nicht essen würden, würden sie ihre Seele auffressen.“, erklärte der Sharan. Axel warf einem Blick auf seine Freundin. Shino, so hieß der Anführer, verfolgte den Blick von Axel. Er zog seine buschigen Augenbrauen hoch und sprach dann weiter: „Doch wir bekommen sie da einfach nicht raus. Die Seele deiner Freundin ist zu stark. Dadurch können sich die Naranamotten Larven besonders gut festhalten. Wir waren gerade nur überrascht, weil Menschen uns normalerweise nicht sehen können. Du hast wirklich eine außergewöhnliche Gabe. Ist dir das überhaupt bewusst?“ Fragte Shino mit schon fast vorwurfsvoller Stimme. Seine kleinen Knopfaugen fixierten den Jungen mit starrem Blick. Vorwurf blitzte in den dunklen Augen. Axel blinzelte verwirrt. Schon wieder sprach der kleine Wicht in Rätseln! Wie sehr ihm das auf die Nerven ging. Absolut unmöglich! Der Junge spürte, wie sich Ungeduld in ihm breit machte. Es fing an in ihm zu brodeln. So allmählich ging ihm der Winzling auf die Nerven. Er war ja noch nie für seine übermäßige Geduld bekannt gewesen, aber er hatte versucht es zu ertragen, doch was zu viel war, war zu viel. „Könntest du mir bitte mal erklären! Ich versteh nur Windtänzer...“, forderte der Junge Shino auf und es bereitete ihm große Mühe seine Ungeduld und Ärger nicht zu sehr heraus hängen zu lassen. Er kniff die Augenbrauen zusammen und zieht skeptisch die Augenbraue hoch. Er könnte gerade echt ausrasten. Axel holte tief Luft. Er wusste ja, dass er ein sehr aufbrausendes Temperament hatte, aber das war gerade nicht besonders günstig. Also löschte er das lodernde Feuer der Ungeduld in seinem Innern und war nun wieder die Ruhe selbst. Mit interessiertem Blick sah er Shino an. „Du besitzt das Byagan. Es ist eine besondere Gabe, die dich die Wahrheit sehen lässt. Es zeigt dir, wie die Sachen wirklich sind.“, erklärte der Sharan und unterstrich diese Aussage mit einer ausladenden Geste. Wieder einmal war der Junge verwundert. Zum Ersten Mal lächelte Shino. Die wässrigen Augen zeigen zum ersten Mal so etwas wie einen Ausdruck. Sie schimmerten verschmitzt. Axel hockt sich in den Schneidersitz und blickt Shino gebannt an. Das Byagan? Noch nie gehört. Was sollte das sein? „Es lässt mich sehen, wie die Sachen wirklich sind?“ Flüsterte der Junge mit kaum vernehmbarer Stimme. Er war fasziniert von dem, was er da hörte. Klang ja wirklich spannend! Er wollte mehr wissen. „Ja, es lässt dich die Wahrheit sehen. Es fällt dir leichter dich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren und alles Unwichtige ausblenden. Doch du scheinst es noch nicht perfekt zu beherrschen, denn sonst hättest du unsere wahren Absichten sofort erkannt. Dir wird ebenfalls ein unglaubliches Wissen eröffnet, doch das hat einen hohen Preis: 1. Es kostet sehr vie Kraft, 2: Es ist schwer zu kontrollieren und es erfordert sehr viel Übung es im richtigen Augenblick einzusetzen. Und 3: na ja...das musst du selber herausfinden.“ Lächelte Shino. Er zwinkerte ihn zu. Axel schnaubte. Na vielen Dank! War ja mal sehr informativ. „Du solltest lieber das Byagan deaktivieren, sonst könntest du sterben. Du hast es für einen Anfänger viel zu lange im Einsatz. Überlass das mit deiner Freundin uns. Wir holen die Naranamotten Larven schon aus ihr raus. Du musst dich nun ausruhen.“ Sagte der Anführer mit sanfter Stimme und blickte ihn fast an, wie ein gutmütiger Großvater. Axel horchte in sich hinein. Ja, er hatte Recht. Er fühlte wie die Erschöpfung sie wie eine dunkle Decke versuchte über ihn zu stülpen. Seine Glieder fühlten sich an wie mit Zentnern Blei gefühlt. Seine Augen brannten, als hätte man ihn Salz in die Augen geschüttet. Er keuchte und bekam kaum noch Luft. Sein Herz hämmerte in seinem Brustkorb und drohte dort zu zerplatzen. Axel verkrampfte die Hand über dem Herzen. Es tat weh! Es tat so fürchterlich weh. Es schien als würde sein gesamter Körper brennen. „Ach, falls du Hilfe brauchst. Wir stehen dir zur Verfügung. Wir können mehr, als nur Mottenlarven essen.“ „Und wie? Wie kann ich euch rufen?“ Keuchte der Junge. „Du musst nur an uns denken und eine gedanklichen Ruf aussenden. Wie das geht, wirst du schon herausfinden. Und nun ruh dich aus.“ Der Junge nickte und mit einem konzentrierten Gedanken deaktivierte er seine Gabe. Mit einem Keuchen ließ er sich ins nasse Gras fallen. Nun waren seine Augen wieder Smaragd grün. Erschöpft schloss er die Augen und jappste nach Luft. Er fühlte wie er in eine tiefe Schwärze sich um ihn legte und ihm zum Schlafen einlud. Doch er konnte es nich, denn er musste warten, bis Melanie aufwachte. Axel spürte, wie kalte Tautropfen an seiner Haut hinab laufen und ihn zittern ließen. Doch er zitterte nicht nur, wegen der Kälte, sonder auch vor Anstrengung. Er hatte das Gefühl, als würde ein besonders starker Magnet ihn an den Boden fesseln. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr bewegen. Immer mehr verschwammen die Außenwelt vor seinen Sinnen. Sein Blick wurde trübe, seine Nase roch nicht mehr den würzigen Geruch des Nymphenkrauts. Auch der Geruch des taufrischen Grases kribbelte nicht mehr in seiner Nase. Das fröhliche Gezwitscher der Vögel, die sich wieder auf den Bäumen niedergelassen hatten, das Rauschen der Blätter, all das hörte er nicht mehr. Es schien als, als wäre er taub. Kurz darauf konnte er nicht mehr dagegen ankämpfen und schlief gegen seinen Willen ein. Es war ein traumloser Schlaf. Der Junge bekam gar nichts mehr mit. Der Atem ging ruhig und Die Lider waren entspannt und nun umschloss ihn die vollkommene Dunkelheit. Alles um ihn herum war dunkel. Dumpfes Gemurmel drang an sein Ohr. Die Glieder von Axel schmerzten, doch er fühlte nicht mehr die beinerne Schwere. Er blinzelte einige Male und seine normale Sehrkraft kehrte endlich zurück, auch wenn seine Augen noch immer brannten. „Hey, Axel wacht auf!“ Axel zuckte leicht zusammen. Das war Midnas Stimme! Was hatte das zu bedeuten? Er blickte sich um. Er lag noch immer auf der Lichtung. Die Mittagssonne drang durch das Blätterdach. Ein sanfter Wind rauschte durch das Blätterwerk, welches fröhlich raschelte. Die Vögel sangen wieder ihre Lieder und die beiden Reittiere grasten friedlich, nicht unweit von der Menschentraube, die sich um ihm und Melanie gebildet hatte. Melanie! Blitzschnell richtete Axel sich auf und zuckte zusammen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihn wie ein Blitz oder als hätte ihm Jemand einen Hammer vor den Kopf geschlagen. Er fasste sich an den Kopf und taumelte leicht. Er drehte den Kopf zu seiner Freundin um. Diese hockte neben ihn und lächelte: „Na, auch mal aufgewacht, du Schlafmütze.“ Kapitel 5: Gedanken um die Zukunft ---------------------------------- 5. Kapitel: Gedanken um die Zukunft Ein kalter Abendwind pfiff durch die tiefen Schluchten. Das kahle Gebirge streckte sich wie eine knochige Hand zum Vollmond hinauf. Die wenigen Bäumen, die das kleine Plateau zierten, wirkten wie bleiche Gespenster. Der gelbe, volle Amard machte es nur bedingt besser. Alles tauchte er in sein milchiges Licht und ließ es gespenstisch flackern, da sich immer wieder pechschwarze Wolken vor ihn schoben. Vereinzelt starrten schwefelgelbe Augen durch die Dunkelheit und schienen weitere Monde zu sein. Die Bäume ächzten im starken Wind und verbogen sich so sehr, dass sie fast den Boden berührten. Der Wind wehte weiter durch die zerklüfteten Felsen und ganz weit entfernt heulte ein Wolf sein einsames Lied. Auf dem kleinen Plateau knisterte ein müdes Feuer leise vor sich hin. Vereinzelte Funken tanzten um die Feuerspitze und die Feuerstelle. Das trockene Holz, was es hier zu genüge gab, knarrte und der flackernde Schatten des Feuers lief von einem Stein, die die Feuerstelle einrahmte, zum Anderem. Die beiden Freunde hockten ganz dicht an dem wärmenden Feuer um etwas die eisige Kälte, die nach ihnen griff, zu verscheuchen. Beide waren in dicke Mäntel gehüllt und zitterten dennoch. Dort wo der kalte Wind ihre Häute berührte, fühlte es sich so an, als würden sich eiskalte Nägel in ihre Häute bohren. Ihr Atem fror in der eiskalten Luft ein. Melanie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und zog sich die Kapuze bis tief ins Gesicht. Sie bibberte vor Kälte und pustete ihren Atem gegen die Hände und hielt diese dann vor das Feuer. Verdammt war das kalt! Da half das Feuer auch nicht viel, denn selbst das wollte nicht so richtig brennen bei der Kälte. Auch Axel zitterte vor Kälte. Seine Zähne klapperten laut und kleine Eiskristalle bildeten sich an seinen Wimpern. Hinter den beiden lagen ihre Reittiere und spendeten ihnen auch noch etwas von ihrer Körperwärme, doch auch das half nicht viel. Der rothaarige Junge drehte sich zu seiner Freundin um und seufzte leise. Eine dicke Nebelwolke kam aus seinem Mund und wurde vom Wind in die Nacht getragen. Er zog sich seinen Mantel aus und bibberte heftig, als ein erneuter kalter Windzug seine Haut streifte. Vorsichtig legte er Melanie den Mantel um die Schultern. Melanie wandte ihren Blick zu ihrem Freund um und blickte ihn fassungslos an. Was tat er da? Er würde erfrieren! „Axel...was...?“ Flüsterte sie leise und auch ihr Atem gefror zu Eis. Unwillkürlich zog das Mädchen den extra Mantel um ihren Körper. Ein wenig wärmer wurde ihr ja schon. Für Axel wurde es nun unerträglich kalt, doch es hatte sein müssen. Seiner Freundin durfte nichts passieren, sonst war alles vergebens. Eine Woche lang waren die beiden schon unterwegs. Die Beiden hatten dank Strahlentau und Salimar ein großes Stück hinter sich gebracht und hatten nun die Hälfte der Strecke zu Narunia und dem Stamm der Wölfe geschafft. Es war ein anstrengender Ritt gewesen. Sie hatten wirklich alles gesehen: Riesige Berge, saftig grüne Wiesen, weite, trockene Steppen, blau schimmernde Flüsse, ruhige Ozeane und eisig kalte Schneelandschaften. Sie waren bereits weit oben im Norden und das bekamen sie deutlich zu spüren. Hier lag zwar kein Schnee, doch es wurde mit jedem Tag kälter. Nun waren die Nachttemperaturen weit unter dem Nullpunkt. Es war eine stechende Kälte, die kaum zum aushalten war. Vor allem für die Beiden nicht, die die milden Temperaturen gewöhnt waren. Ihre Kräfte waren fast gänzlich aufgebraucht und deshalb hatte sie sich entschlossen erst einmal hier zu rasten, bis sie wieder bei Kräften waren. Das Problem: Hier gab es nirgendwo Schutz vor der eisigen Kälte. Keine Höhle, noch nicht einmal ein Felsspalt- gar nichts, es gab wirklich gar nichts. Es war zum aus der Haut fahren. Axel war so in Gedanken an die vergangene Reise versunken, dass er gar nicht bemerkte, dass Melanie ihn lange mit nachdenklichem Blick ansah. Ein wohlüberlegter Blick betrachtete den Jungen, der vergeblich versuchte sich zu wärmen. Einige Zeit lang überlegte sie, doch dann nickte Melanie. Sie nahm den Mantel von Axel und rückte ganz dicht neben ihn. Sie legte seinen dicken Mantel um ihn und sich selber. Sie schmiegte sich fest an ihren Freund und blickte zu ihm auf. Er hatte es gar nicht bemerkt. „Axel...?“, fragte sie vorsichtig. Der Junge zuckte zusammen und blickte fragend zu ihr hinunter. Melanie lächelte und der Junge legte seinen Arm um sie. Er blinzelte sie an. Seine Augen schimmerten verwundert. „Hmm...?“ Er blickte sie an. Was sie wohl sagen wollte? Wieder zitterte das Mädchen, als eine Schneeböe aufkam. Axel zog sie fester an sich heran. Sie mussten schnell einen Unterschlupf finden, sonst würden sie hier noch erfrieren. Er blickte seiner Freundin in die Augen, dass Einzige was von ihrem hübschem Gesicht noch zu sehen war. Selbst die Augen von Melanie zitterten vor Kälte. Wieder heulte der Wind durch die Schlucht und der Junge zog Melanie noch fester an sich heran, um sie vor dem Wind zu schützen. „Glaubst du, dass wir der Aufgabe gewachsen sind?“, flüstert sie leise und schaute traurig zur Seite. Sie hatte Angst, große Angst, die sie von innen heraus zerfraß. Wieder kamen die Fragen in ihr auf, die sie schon seit gut einer Woche quälten. Was würde geschehen, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden würde? Was würde aus ihrer Heimat und ihren Freunden werden? Welche Gefahren würden sie überstehen müssen? Welche Abenteuer meistern? Wer waren ihre Feinde? Es waren Fragen, die sie quälten und auf die sie so schnell keine Antwort finden würde. Sie seufzte traurig und starrte mit abwesendem Blick in die Flammen. Es knisterte leise und die Flammen wurden immer kleiner. Axel betrachtete sie und konnte sehen und spüren, wie sie darüber nachdachte. Er fühlte ein starkes Band der Verbundenheit mit ihr. Er wusste genau was in ihr vorging. Die Unsicherheit und Angst machten auch ihm zu schaffen. Oft konnte er nachts nicht schlafen und lag dann einfach wach. Er betrachtete dann die Sterne und Amard. Oft kam Salimar zu ihm und legte sich neben ihn, sodass Axel seinen Kopf in das dunkelbraune Fell von seinem Freund betten konnte. Axel schüttelte den Kopf. Darum ging es nun nicht. Er wog seine Antwort genau ab. Lange überlegte er seine Antwort und dadurch entstand eine Stille, die die unheimliche Atmosphäre nur verstärkte. Es wurde immer dunkler um die beiden herum, dadurch, dass das Feuer seine Kraft verlor. Es war einfach zu kalt. Der schaurige Ruf eines Wolfes drang durch die Stille der Nacht und ließ Axel schaudern. Er warf einen prüfenden Blick zu allen Seiten, doch er konnte nichts Ungewöhnliches ausmachen. Nur die verdorrten Bäume und Felsen- nichts als Felsen. Er atmete erleichtert aus und ein wenig der Anspannung fiel von ihm herab. „Das kann ich dir nicht sagen, Melanie. Ich weiß ja auch nicht, was auf uns zukommt, aber ich denke, dass wir viel mehr können, als wir momentan glauben.“ Er dachte an die Begegnung mit dem Sharanen. Das Byagan... was für eine Macht verbarg sich in ihm? Er betrachtet seine Hand. Wie viel Macht steckte in dieser Hand? Wie viele Menschen würde er damit töten müssen? Er schauderte bei dem Gedanken. Es ekelte ihn an. Wie lange würde es wohl dauern, bis diese Hand mit fremdem Blut befleckt war? Wie lange würde dieser Gedanke ihn anekeln? Wie lange würde er sich noch daran erinnern, auch wenn das Blut längst von seiner Hand verschwunden sein würde? War es eine Rechtfertigung fürs morden, wenn man es zum Wohle des Planeten tat? Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht und er schämte sich dafür. Er schämte sich, dass er das Unvermeidliche gar nicht in Betracht gezogen hatte. Wut stieg in ihm hoch, als ihm klar wurde, dass er eine so wichtige Frage einfach verdrängt hatte. Er hatte Angst vor ihr gehabt. So große Angst, dass sein Bewusstsein sie sich nicht gestellt hatte. War er dann besser, als all die anderen Mörder, die er schon immer verabscheut hatte? Er zitterte bei dem Gedanken, dass er bald auch zum Mörder werden würde. Würde er dann jemals seinen Freunden wieder unter die Augen treten können? Axel bemerkte, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und dort gefroren. Seine Gedanken wanderten zu Midna und Casar. Kummer legte sich über sein Gemüt. Wie viel Spaß sie doch immer gehabt hatten und was würde sie sagen, wenn ihr Freund zu einem kaltblütigen Mörder werden würde? „Was ist bloß los mit dir, Axel? Du bist nicht mehr du seit unserem Aufbruch.“ Axel sah mit traurigem Blick zu ihr hinunter und dann zu den Sternen hinauf. Seine Haare wehten sanft im Wind und seine gelben Augen funkelten wie Smaragde. Er seufzte und sah sie aus Augen an, wie sie sie noch nie gesehen hatten. Die gefrorenen Tränen schimmerten im Mondlicht wie kleine Perlen. Er schlang die Arme um seine angewinkelten Beine und legte seinen Kopf auf sie. Melanie machte sich Sorgen. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Er war sonst immer fröhlich und gut gelaunt. Axel war dafür bekannt immer einen flotten Spruch auf Lager zu haben, doch seit sie unterwegs waren, hatte er sich völlig verändert. Er war in sich gekehrt. Was war bloß los mit ihm? „Wer war ich denn überhaupt oder eher wer bin ich? Ich meine...“, murmelte er leise. Wäre es nicht so kalt, dann würden Tränen aus seinen Augen tropfen, doch die zwei bereits gefrorenen Tränen verhinderten das. Er zitterte vor Verzweiflung. Er hatte Zweifel an sich selbst und an der Zukunft. Melanie blickte zu ihm auf und auch ihre Augen schimmerten ebenfalls traurig. „Hmmm...die Frage, die so ziemlich jeden quält. Wer ist man eigentlich wirklich? Soll ich dir mal meine Meinung dazu sagen?“, fragte sie ihn und drückte sich gegen ihn. Das war nun eine schwierige Situation. Axel konnte ziemlich verletzbar sein und manchmal verstand er Sachen auch falsch. Man musste alles genau abwägen. Ihr Freund zeigte keine Reaktion auf ihre Antwort. „Axel...Ich denke, dass du derjenige bist, der du warst, bevor wie los geritten sind. Man ist man selbst, wenn man handelt ohne groß über die Folgen nachzudenken. Es ist sicherlich besser, wenn man auch manchmal nachdenkt, ob man nicht vielleicht jemanden damit verletzt. Doch man sollte sich nicht verstellen, denn dann ist man definitiv Jemand anders. Und Axel...“, flüsterte sie mit sanfter Stimme. Axel wandte den Kopf zu ihr um und sah sie fragend an. Melanie lächelte und entfernte die gefrorenen Tränen von seinen Augen. „Ich mag dich so, wie du bist. Also mach dir darum keinen Kopf.“ Sie lächelte ihn aufmunternd an und hauchte ihm einen Kuss auf dem Mund. „Du bist mein Freund und ich mag dich echt gerne.“ Der Junge errötete leicht. Hatte sie gerade echt...? Oder hatte er sich das nur eingebildet? Es kribbelte in seinen ganzen Körper, als er ihre sanften Lippen auf den seinen spürte. Seine Wangen begannen zu glühen und er schloss die Augen. Er fühlte sich frei und völlig sorglos. Es war ein herrliches Gefühl, doch so herrlich dieses Gefühl auch war, so schnell war es auch vorbei. Axel blickte seine Freundin an. „Du hast Recht! Danke...“, murmelte er und starrte wieder ins Feuer, doch er lächelte wieder. „Kein Problem. Aber wir sollten nun schlafen. Morgen wird ein anstrengender Ritt.“ Doch Axel konnte selbst in tiefster Nacht nicht schlafen. Er lag bereits mehrere Stunden wach und starrte mit angewinkelten Beinen zum Mond hinauf. Ein fahler Lichtschein lag auf seiner Haut. Weit entfernt im Osten verfärbte sich der Himmel allmählich rosa. Der Tag brach heran! Axel drehte seinen Kopf über die Schulter zum Sonnenaufgang. Er kniff die Augen zusammen, als ihn das feurige Licht von Starfire in die Augen schien. Wieder ein neuer Tag in seinem neuen Leben. Würde heute alles glatt laufen? Wenn heute alles gut gehen würde, würden sie die Ausläufer des eisigen Gebirges hinter sich lassen. Danach würden sie sich nach Nordosten wenden und es würde sich eine große Steppe vor ihnen erstrecken. Dort waren sie ein leichtes Ziel! Er seufzte, wie so oft, und drehte sich zu seiner Gefährtin um. Ihr Körper war fast vollständig in einem Schlafsack verschwunden. Nur noch etwas von dem schmalen Gesicht und ihre schwarzes Haar- mit einem leicht rötlichen Schimmer von der Morgensonne- lugten noch aus dem blauen Sack heraus. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Strahlentau hatte sich um den Kopf herum gelegt und beobachtete Axel aus seinen wachen Augen. Axel zuckte zusammen und wandte den Blick ab. Misstraute Strahlentau ihm etwas? Der Blick machte Axel wirklich Angst, doch er ließ sich nicht einschüchtern. Strahlentau wusste doch, dass er Melanie niemals etwas antun würde! Oder glaubte er etwa, dass er für ihre Ohnmacht verantwortlich war? Doch das konnte er sich nicht vorstellen. Einhörner waren zwar sehr scheue Tiere, doch zweifellos mit ihren Verwandten- den Zweihörnern- mit die intelligentesten Tieren und überhaupt nicht für ihre voreiligen Schlüsse oder gar Misstrauen bekannt...Seltsam. Axel lächelte milde. Wenigstens sie konnte schlafen. In seinem Inneren tobte ein Gefühlschaos von Angst und Zweifel, doch er nahm es gar nicht mehr war. Er hatte es bereits seit einer Woche und war schon stark daran gewöhnt. Das flaue Gefühl im Magen und die Übelkeit bemerkte er gar nicht mehr. Man könnte sagen, dass Axel abgestumpft war. Sein Magen rumorte, doch es interessierte Axels Seele nicht. Er konnte sich quasi aussuchen, was für Gefühle er fühlen wollte. Axel fischte sich einfach ein Gefühl aus dem Chaos. Im Moment hatte er sich für Ruhe entschieden. Nach der ganzen Aufregung und Anspannung, brauchte er das nun. Somit verdrängte er die anderen Gefühle in sein Unterbewusstsein. Salimar, der auf einem kleinen Felsen Wachen gehalten hatte, sprang den steinigen Pfad herab und schnoberte seinem Herrn übers Gesicht. Axel lächelte erneut und fühlte sich etwas besser. Seine Freunde waren ja da! Er kraulte sein Zweihorn vorne am Kopf- kurz unter dem wie eine Blutperle funkelnden Rubin. „Du wirst immer bei mir sein. Nicht wahr, Salimar?!“ Flüsterte er und blickte in die treuen Augen von dem Hengst. Dieser nickte und leckte mit seiner rauen Zunge über das Gesicht von Axel und knabberte zärtlich an seinen Haaren. „Sollen wir die Schlafmütze wecken und weiter reiten oder noch weiter rasten? Was meinst du?!“ Fragte der Feuerhaarjunge Salimar legte sich hin und Axel verstand. Er kuschelte sich in das weiche, warme Fell. Er schlief den nächsten Tag durch und erholte sich richtig von den Anstrengungen der Reise und der Augenschmerzen, die er noch immer wegen des Byagans hatte. Dass eine große Aufregung vor ihm lag, ahnte er natürlich nicht... Kapitel 6: Die Feuertaufe der Wächter ------------------------------------- 6. Kapitel: Die Feuertaufe der Wächter Es war früher Morgen, als die beiden Freunde ihre Reittiere zügelten. Sie standen nun auf einer zerklüfteten Klippe, die tief herabfiel. Eine weite Ebene erstreckte sich zu ihren Füßen und im Norden zog eine riesige Gebirgskette am Horizont entlang. Im Gegensatz zum Anzanargebirge leuchtete dieses in der Farbe der Sterne. Es war das Starangebrige, das Sternengebirge. Laut der Legende führte ein versteckter Pfad zu Narunia, der Göttin des Schicksals und Herrin der Sterne, doch wie man zu ihr gelangte, dass wussten nur ihre Untergeben, die Wölfe. Wolken sammelten sich um den höchsten Gipfel, des Gebirges. Alle n schienen wie magnetisch von diesem Gipfel angezogen zu werden. Sie um wirbelten den ihn wie ein Tornado aus weißen und schwarzen Wolken. Das Ein- und das Zweihorn schnaubten und warfen die Köpfe auf. Nervös scharrten sie auf dem steinigen Untergrund und ihre feinen Ohren drehten sich in alle Richtungen. Der Anblick von diesem Wolkenberg ließ sie vermuten, dass dort unheimliche Mächte am Werk waren, doch so ganz sicher waren sie sich nicht. Dass hier jedoch eine übernatürliche Macht existierte, konnten sie nur allzu gut spüren. Ein unheimlicher Wind pfiff durch die Schlucht unter den Hufen von Salimar und Strahlentau hinweg und klang wie ein unheilvolles Grollen. Melanie und Axel verspürten das genaue Gegenteil von Furcht. Sie waren überwältigt von diesem Anblick. Es war so eine ungestüme, wilde Schönheit, die von diesem Tal ausging, dass sie sich förmlich zu diesem Gipfel hingezogen fühlte. Ihre Haare wehten sanft im Wind und ihr Herz war erfüllt von Ruhe und Frieden. Völlig gebannt von dem schimmernden Gebirge in der rötlichen Morgensonne, konnten sich die beiden nur schwer davon abwenden. Sie suchten nach einer Möglichkeit, wie sie von dieser Klippe hinunter kamen. Suchend warfen sie ihre Blicke in alle Richtungen. Melanie entdeckte bald eine Möglichkeit und tippte ihrem Freund auf die Schulter. Der blickte sich um. Keiner von ihnen sprach ein Wort. Diese eine Nacht war nun 5 Tage her und seitdem haben sie nur das Notwendigste miteinander geredet- es war erdrückend. Beide fühlten sich dem Anderen näher als je zuvor, aber gleichzeitig herrschte die größte Distanz zwischen ihnen, die sie jemals gespürt hatten. Es war ihnen unangenehm und keiner wusste, was sie davon halten sollten und deshalb sprachen sie nicht mehr miteinander. Sie dachten auch gar nicht mehr daran oder versuchten es zumindest. Melanie deutete auf einen schmalen Pfad, der steil hinabführte. Axel legte den Kopf schief und betrachtete den Weg eine Zeit lang argwöhnisch, doch da er keinen besseren Weg fand, hatten sie keine andere Wahl. Er seufzte und trieb Salimar an, doch der blieb stocksteif stehen. Axel war verwundert. Was war los mit Salimar? Sonst war er doch immer so folgsam. Seltsam! Auch Strahlentau wollte sich nicht von der Stelle rühren. Sie wichen immer weiter zurück und weigerten sich auch nur einen Schritt vorwärts zu gehen. Ihre Mähnen wehten sanft im Wind, doch es waren weit und breit keine Tiere zu sehen, die über die Ebene huschten. Nach einigen weiteren Überredungsversuchen von ihren Reitern gaben Strahlentau und Salimar nach. Vorsichtig suchten sie sich ihren Weg die Klippen hinab. Steine rasselten mit den Hufen der Tiere hinab. Es war mehr ein Rutschen, als ein hinabsteigen. Am Ende ging es den Hengsten auf die Nerven. Sie spannten die Muskeln an und duckten sich leicht, dann schnellten sie hervor und schwebten für kurze Zeit in der Luft. Die Reiter stellten sich in die Steigbügel und duckten sich tief über die tanzenden Mähnen. Die Haare der Beiden zerzausten im Wind. Auch ihre Gewänder tanzten auf den Luftströmen. Mit einem dumpfen Donnern setzten die Hufe auf dem Boden auf. Ohne auch nur kurz zu stocken gingen Strahlentau und Salimar in einen schnellen, flüssigen Galopp über. Die Umwelt verschwamm vor ihren Augen, als ihre Gefährten immer flacher und schneller wurden. Melanie hatte das Gefühl, als ob sie so schnell wie möglich diese Steppe durchqueren wollten. Aber wieso? Es war zwar ungewöhnlich, dass hier keine Tiere waren, aber musste man gleich so reagieren?! Oder wussten die Reittiere etwas, was die beiden noch nicht mal ansatzweise ahnten? Sie schüttelte den Kopf und dachte nicht mehr darüber nach. Es lohnte sich nicht, sich jetzt darüber den Kopf zerbrechen. Wenn sie es doch nur getan hätte, dann wären die nächsten Ereignisse vielleicht nicht geschehen... Die Hufe donnerten über den trockenen Boden und die beiden Fabelwesen schnaubten nervös. Immer wieder spielten die Ohren nach links und nach rechts- nach vorne oder nach hinten. Axel passte sich perfekt dem Rhythmus von Salimar an. Sein Hengst hatte die Angewohnheit stark mit de Vorhand zu arbeiten, was bedeutete, dass er einen sehr werfenden Galopp hatte. Er sprang viel mehr als Strahlentau, der seine Sprünge sehr flach ausführte, sodass es seiner Freundin einfacher fiel ihn auszusitzen. Sie waren gerade auf der Hälfte der Strecke zum Sternengebirge, als er plötzlich spürte wie ihn etwas aus dem Sattel stieß. Eine gewaltige Kraft sprang gegen ihn und er krachte zu Boden. Sein Blickfeld explodierte, als er mit den Kopf auf den Boden knallte. Ein stechender Schmerz, wie von 100 Nägeln, ging durch sein Gehirn. Es fühlte sich so an, als würde sein Gehirn gegen die Stirn geschleudert. Die Wucht war so groß, dass sein Kopf wieder vom Boden hervorschnellte und wieder zurückknallte. Axel schrie jäh auf und etwas Schweres lag auf seiner Brust und verhinderte, dass er atmen konnte. Salimar stoppte sofort und drehte sich blitzschnell zu ihm um. Axel war wie betäubt und lag regungslos auf dem Boden. Er hatte die Augen schmerzhaft verkrampft und versuchte verzweifelt zu atmen. Neben ihm stieg Strahlentau in die Luft und wieherte zornig. Die Ohren legte er flach. Das alles kam für Melanie viel zu überraschend, sodass sie keine Chance hatte sich anzupassen. Immer weiter verlagerte sich ihr Körper nach hinten und die Zügel glitten ihr aus der Hand. Das Mädchen bekam panische Angst. Ihr Herz begann zu rasen und auch sie fiel zu Boden. Ihr blieb die Luft weg, als sie auf dem Boden landete. Die Steine rammten sich in ihre Haut. Sie schnappt nach Luft und rollte sich instinktiv zusammen und verlor das Bewusstsein. Axel öffnete die Augen und sah vor sich gebleckte Zähne. Ein leicht modriger Geruch schlug ihm entgegen und er verzog das Gesicht, doch dann realisierte er erst richtig in was für einer gefährlichen Situation er sich befand. Seine Augen weiteten sich vor Angst. Ein schwarzer Wolf stand mit seinen Vorderpfoten auf seinen Brustkorb. Das schwarze Fell schimmerte samtig im Sonnenlicht. Er hatte die Zähne gebleckt und seine Krallen gruben sich in seine Haut. Axel wimmerte leise und war immer noch wie betäubt. Das starke Gebiss war kurz vor seinem Gesicht. Panik stieg in dem Jungen auf. Was konnte er tun? Er begann zu zittern und die blanke Angst spiegelte sich in seinen Smaragdaugen wieder. Auch Melanie kam allmählich zur Besinnung. Ihr Schädel fühlte sich an wie geplatzt. Alles drehte sich und ihr war richtig schlecht. Doch dann hörte sie das Wimmern von ihrem Freund. Langsam drehte sie den Kopf und ihr stockte der Atem. Der Wolf reichte ihr bis zur Brust und war kurz davor den Schädel von Axel zu zermalmen. Melanie schrie auf. Strahlentau wirbelte herum. Er senkte den Kopf und galoppierte auf den Wolf zu. Der schmale Kopf tauchte unter dem Bauch des Wolfes und das Einhorn warf ihn in hohen Bogen in die Luft. Auch Salimar setzte über Melanie hinweg und schleuderte einen braunen Wolf, der nun Melanie attackierte, mehrere Meter durch die Luft. Der schwarze Wolf landete jaulend auf dem Boden. Die beiden Reittiere wieherten zornig. Wieder sprang der erste Wolf mit schnellen Sprüngen auf Axel zu. Strahlentau bäumte sich vor dem Junge zu seiner vollen Größe auf. Die Ohren waren dicht an den Kopf gepresst. Auch er bleckte die Zähne und wirbelte mit den Hufen in der Luft. Das weiße Horn strahlte hell. Der Hengst donnerte auf dem Boden und der Angreifer sprang ein bisschen zurück. Er knurrte zornig und versuchte immer wieder sich in Strahlentau zu verbeißen. Es sah fast so aus wie ein Tanz. Der Eine sprang auf den Anderen zu um ihn anzugreifen, doch wenn der Angegriffene zum Gegenangriff blies, begann das Spiel von vorne. Auch Salimar kämpfte hart mit dem Anderen der beiden Wölfe. Die Ebene war erfüllt vom zornigen Wiehern und von wütendem Kläffen. Melanie nutzte die Chance und krabbelte zu Axel. Das harte, trockene Gras, was ihre Haut zerschnitt, bemerkte sie gar nicht. So schnell es ging huschte sie zu ihm und legte sich einige Male dabei lang. Wieder setzte ein Kontrahentenpaar über sie hinweg. Der braune Wolf versuchte nun Melanie im Sprung zu zerbeißen, doch Salimar warf seinen Kopf gegen seinen Brustkorb und zerschmetterte eine Rippe des Wolfes. Der Wolf schrie schmerzerfüllt auf und krachte auf dem Boden. Zitternd versuchte er sich aufzurichten, doch er brach wieder zusammen. Axel lag kreidebleich auf dem Boden und war unfähig sich zu bewegen. Er atmete schnell und flach. Noch immer spiegelten seine Augen Panik wieder und er schien nicht wirklich realisiert zu haben, dass der Wolf längst verschwunden war. Melanie kniete sich neben ihn und richtete ihn vorsichtig auf. Sein Gewand war über dem Herzen zerfetzt und seine muskulöse Brust ragte darunter hervor. Blut tropfte aus den Kratzwunden des Wolfes. Auch viele weitere Stellen waren von den Steinen zerkratzt worden. Sein Blick wirkte irgendwie sehr fern. Fast so, als befände er sich in einer anderen Welt. „Axel, alles in Ordnung bei dir?!“, flüsterte Melanie besorgt. Diese Situation war nun wirklich heikel und sie mussten verdammt aufpassen, sonst könnte es wirklich sehr unangenehm werden. Sie biss sich auf die Lippen. Verdammter Mist! Sie hatte doch keine Ahnung, wie sie im Kampf bestehen sollte. Sie überlegte fieberhaft nach einer Lösung dieses Problems, doch sie fand wirklich keine. Momentan blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren Hengsten zu vertrauen. Wieder erzitterte die Steppe unter den Hufen der Reittiere. Axel reagierte nicht und zitterte weiterhin am ganzen Leib. Plötzlich durchbrach ein schmerzerfülltes Wiehern die Stille der Ebene. Der große Wolf hatte es geschafft sich in die Flanken von Strahlentau zu verbeißen. Er hatte eine Sehne von Strahlentau zerbissen und ihn dadurch schwer verletzt. Der Hengst brach auf dem Boden zusammen und versuchte sich aufzurappeln, doch es gelang ihm nicht. Es fiel dem Einhorn sehr schwer, dass Bein überhaupt zu bewegen. Der Wolf ließ ein triumphierendes Gejaule hören. Salimar sprengte herum und eilte seinem Freund zur Hilfe. Sein goldbraunes Fell war nass geschwitzt und Dampf drang aus seinen Nüstern. Sein Gegner lag bereits kampfunfähig auf dem Boden. Der Hengst zeigte echtes Kampftalent. Er berührte mit seinem Kopf fast den Boden, um seine zwei geschwungenen Hörner in den Wolf zu rammen, was sicherlich tödlich wäre. Auch der schwarze Wolf wollte gerade in Strahlentaus Kehle beißen, als plötzlich ein erhabenes Heulen über die riesige Steppe hallte. Alle Wesen der Ebene- ganz gleich ob Tier oder Mensch- hielten inne und wandten die Köpfe nach Norden- in Richtung Sternengebirge. Der noch stehende Wolf ließ von Strahlentau ab und wandte sein Haupt. Seine Reißzähne waren vom glänzenden Rot und das Blut von Strahlentau hinterließ dunkle Flecken in seinem Fell. Salimar hielt mitten im Galopp inne und warf sich zornig herum. Er war richtig in Rage, doch als er den Verursacher erkannte, blieb er mit bebenden Flanken stehen. Auch der braune Wolf richtete sich auf und verneigte sich. Das geschah dadurch, dass er die rechte Vorderpfote einknickte und die Linke lang machte. Er antwortete mit einem verletzten, verwirrten Jaulen. Sein Gefährte tat es ihm nach. Melanie wandte den Kopf und kniff die Augen zusammen. Sie konnte einfach nicht erkennen, wer da heulte. Auch Axel kam langsam wieder zu sich. Er drehte sich in die Richtung in die alle schauten und stockte. Auf einem Felsen, der nicht unweit von ihnen aus dem Boden ragte, stand ein weiterer mächtiger Wolf. Das braun-schwarze Fell schimmerte glänzend in der nun hoch stehenden Starfire. Das Fell wehte sanft im Wind. Ein kleiner Wolf stand an seiner Seite. Er sah aus, wie sein kleines Ebenbild. Es war ein Anblick von solcher Erhabenheit, dass es dem Mädchen ein Schauer den Rücken hinunter jagte. Auch Axel hielt den Atem an. „Wildheart!“, flüsterte der Junge überrascht. Melanie blickte ihn überrascht an und ihr klappte die Kinnlade herunter. Mit einem großen Sprung sprang der Wolf dem Vorsprung hinab- dicht gefolgt von Destiny. Knurrend und die Zähne gebleckt kam er auf sie zu. Dem Mädchen stiegen Tränen in die Augen, denn nun erkannte auch sie ihren Wolf. „Wildheart...nein...“, stieß sie entsetzt hervor und blickte ihren Wolf unverwandt an. Kapitel 7: Die Diener Der Göttin -------------------------------- 7. Kapitel: Die Diener der Göttin Immer und immer näher kam der Wolf auf die beiden zu. Die weichen Vorderpfoten vergruben sich in den trockenen Boden. Melanie zitterte vor Angst. Destiny sprang um ihren Vater herum. Es war nun kein erhabener Anblick mehr, sondern ein gefährlicher. Immer weiter schlich er auf das Mädchen zu. Es wurde schlagartig still auf der Ebene und den beiden Menschen lief ein Schauer über den Rücken. Wie auf der Pirsch schlich Wildheart auf die beiden zu. Seine Lefzen waren hochgezogen und seine Zähne blitzten gefährlich. Ein wütendes Knurren entfuhr seiner Kehle. Seine Tochter tat es ihm nach, doch bei ihr wirkte es eher niedlich. Melanie starrte ihren Wolf an, doch Verzweiflung blitzte in ihren blauen Augen auf. Sie konnte es nicht glauben. Salimar trabte zu Axel und bleckte ebenfalls die Zähne. Sein Fell sträubte sich und die Ohren waren flach nach hinten gepresst. Mit seinen braunen Augen fixierte er den Wolf und er wieherte ihm warnend entgegen. Auch das Einhorn versuchte sich aufzurichten, um Melanie zu beschützen, doch die Verletzung wog zu schwer. Die beiden Wölfe schlossen zu Wildheart auf, wobei der Braune stark hinkte. Salimar hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Wildheart warf den beiden einen flüchtigen Blick zu, blickte dann aber wieder zu Melanie und Axel. Melanie versank in Verzweiflung. Ihre Augen zitterten. Erinnerungen kamen in ihr auf. Die ganzen glücklichen Erinnerungen zeigten sich nun. Wie sie früher bei ihren Eltern fangen mit ihm gespielt hatte. Wenn es ihr nicht gut ging, war er der Erste gewesen, der sie getröstet hatte. Dann hatte er immer seine weiche Schnauze in ihren Schoß gedrückt und mit ihr geschmust. Dann kam die Erinnerung, als sie mit Wildheart auf den Weg gemacht hatte, um eine neue Heimat zu finden. Wie sie zusammen das Holz für ihr Baumhaus gesucht hatten und dabei den kleinen Strahlentau gefunden hatten, der unter einem entwurzelten Baum geraten war. Seit da an war Strahlentau ihr treu ergeben und half ihr überall. Dann stiegen die jüngsten Erinnerungen in ihr auf, die von ihrem Geburtstag und der Abreise. Sie begann zu wimmern. „Nein, Wildheart! Was ist bloß los mit dir?!“ Stammelte sie ängstlich. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Axel blickte Wildheart überrascht an. Immer näher pirschte er sich an sie heran. Sein Körper war geduckt und zum Angriff bereit. Der Junge mit dem Byagan zog Melanie an sich ran. Sie kauerte sich an seine Seite und zitterte am ganzen Leib wie Espenlaub. Nur noch wenige Schritte war der Wolf von den beiden entfernt. Salimar wieherte erneut warnend und sprang auf den Wolf zu um ihn einzuschüchtern. Ohne Erfolg. Wildheart bleckte die Zähne und ließ ein unheimliches Knurren hören. Salimar sprang wieder zurück. Das Mädchen vergrub seinen Kopf in Axels Seite. Tränen kullerten aus ihren Augen und blieben wie Tautropfen am trockenen Gras hängen. Melanie schluchzte und schniefte. Axel warf einen kurzen Blick zu ihr hinunter und starrte dann wieder Wildheart an. Er zuckte zusammen, als er direkt in die Haselnussaugen von dem Wolf schaute. Destiny hatte sich auf den Boden gesetzt und Wildheart stand direkt vor Axel. Salimar wieherte zornig und wollte ihn beißen, doch den Wolf interessierte es nicht. Er knurrte so wütend, dass das Zweihorn zitterte und verängstigt zurückwich. Der Wolf starrte Axel mit schon leicht verrücktem Blick an und Speichel lief aus seinen Mundwinkeln. So allmählich bekam Axel den Verdacht, dass Wildheart sich die Iranokrankheit eingefangen hatte, doch irgendetwas störte ihm an diesen Blick. Skepsis machte sich in ihn breit. Die Iranokrankheit war eine Seuche die vor allem Raubkatzen und Wölfe befiel. Die Symptome für diese Krankheit waren, dass die Tiere plötzlich aggressiv wurden und ihre Augen bekamen einen leicht verrückten, glasigen Blick. Axel starrte Wildheart an und der Wolf starrte zurück. Als Wildheart sah, wie Melanie zitterte, senkte er kurz traurig den Blick, nur um dann wieder eiskalt aufzublicken, doch dieser kurze Moment reichte aus, um Axel nachdenklich zu stimmen. Axel legte den Kopf schief und betrachtete den Wolf skeptisch. Irgendetwas stimmte da nicht. Er entschloss sich zu versuchen sein Byagan zu aktivieren. Wenn er den Sharanen trauen konnte, könnte er Wildhearts Absichten lesen. Er konzentrierte sich voll und ganz auf den Wolf und schaute in seinen Augen. Wieder wurde alles um ihn herum still. Er atmete ruhig und öffnete die Augen. Er schaute dem Wolf in die Augen und es schien, als wären sie die Tür zu seiner Seele. Axel lächelte kurz zufrieden. Gefunden! Er musste gestehen, er war schon stolz auf sich. Er starrte die Augen konzentriert an und dadurch öffnete sich diese Tür für ihn und gewährte ihm Einlass in Wildhearts Seele. Es war ein pechschwarzer Raum. Eine kalte Atmosphäre herrschte in ihm und der Junge fühlte, dass der Wolf sich nicht wohl in seinem Fell fühlte. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht, denn ganz weit entfernt war ein kleiner Lichtschimmer. Ein eiserner Käfig stand in der Mitte des Raums, in der ein genaues Abbild von Wildheart eingesperrt war. Immer wieder sprang er verzweifelt gegen die Gitterstäbe und bekam einen Elektroschock verpasst. Jaulend landete wieder auf dem Boden. Sofort rappelte sich auf, nur um es erneut zu versuchen. Axel wollte etwas sagen, doch er konnte nicht. Anscheinend war es ihm nicht gestattet, denn er sollte sich nicht einmischen. Er konzentrierte sich und schärfte seinen Blick. Plötzlich stand etwas auf dem Käfig und der Junge stutzte. Ach, so war das! Verdammt, der arme Kerl. Der Käfig, der seine wahren Gefühle einschloss, war indirekt von Jemand anderen errichtet worden. Der eiserne Käfig verkörperte zum Teil die Vernunft, aber auch die Angst. Axel begann zu zittern. Nun verstand er das alles endlich. Aber waren sie echt schon so weit in der Geschichte drinnen? Er hatte genug gesehen, um zu wissen, was hier los war. Unauffällig schielte er nach hinten und scannte die Umgebung hinter ihnen. Zu erst sah er nur das trockene Gras, was sich im scharfen Wind wiegte, doch dann wurde es plötzlich grau und der Feuerhaarjunge, wusste, dass es etwas Anderes zu sehen gab. Sein Blick verlagerte sich noch weiter nach hinten, obwohl er sich noch immer in der Seele von Wildheart befand. Er sah ein vertrocknetes Gesträuch. Zunächst sah er nichts Auffälliges, doch dann stockte er und grinste breit. Mit einem Gedanken deaktivierte er sein Byagan und sah gerade noch, wie Wildheart plötzlich an ihm vorbei sprang. Er hechtete auf das Gebüsch zu und sprang durch die Dornen. Ein Rascheln ging durch das Gesträuch und es begann zu zittern. Mit einem spitzen Schrei, wie von einem Adler, schraubte sich ein Wesen aus dem Gebüsch. Es war eine Harpyie. Sie hatte den Körper einer alten Frau. Überall zeichneten sich die Adern ab. Die Haut wirkte wie brüchiges Pergament. Sie hatte langes, blaues Haar und stechende Schwefelaugen. Sie stank widerlich wie Schwefel und so stechend wie Ammoniak. An ihren Armen waren keine Finger, sondern Krallen und Flügel, die in allen Farben leuchteten. Anstatt einer Nase und einem Mund hatte sie einen spitzen Schnabel. Mit einem giftigen Blick sah sie die beiden Freunde an. Er wollte sich gerade auf die beiden stürzen, als die Luft zu explodieren schien. Axel drehte sich überrascht von dem Geschehen ab. Neben ihm stand seine Freundin mit geschlossen Augen. Ihre Haare standen leicht ab, als würde jemand mit dem Föhn von unten hoch blasen. Die Luft vibrierte um sie herum und es schien, als würde sich eine Barriere aus Luft bilden. Dann öffnete sie die Augen und Axel erschrak. Es war ein eiskalter Blick voller Wut und Zorn. Das Mädchen knurrte zornig. „ALLMÄHLICH WIRD MIR DAS ALLES ZU VIEL! WAS GEHT HIER EIGENTLICH AB?!“, schrie sie heraus und wieder sendete die Luft eine starke Druckwelle aus, die die Harpyie ins Trudeln brachte. Sie schrie noch einmal. „Diesmal habt ihr noch gewonnen, Shuranas! Aber ich komme wieder!“, rief sie wütend und schwang sich in den Himmel hinauf. Immer weiter trugen ihre Flügel sie in den Himmel hinauf. Wildheart sprang aus dem Gebüsch und knurrte ihr noch warnend hinterher. Dann sank Melanie zu Boden und holte tief Luft. Der Wolf blieb betreten stehen und starrte zu Boden. Er zitterte und schaute wütend zu Seite. Axel meinte eine Träne gesehen zu haben. Er seufzte und fasste sich ein Herz. „Komm her, Wildheart! Ich weiß was los ist.“ Der Wolf hob den Kopf und sah den Jungen zweifelnd in die Augen. Dieser aktivierte noch einmal kurz das Byagan und dann verschwanden die roten Augen auch direkt wieder. Der Wolf blickte ihn überrascht an und nickte dann. Melanie blickte Axel empört an. „Wieso verteidigst du ihn noch, Axel?! Er hat uns verraten. Und so einem habe ich vertraut.“, keifte sie. Das Mädchen war verletzt. Ihre Seele war stärker verletzte als ihr Körper. Wildheart blickte sie traurig an. Melanie wollte auf ihn losstürmen, doch Axel hielt sie fest. Sie kämpfte gegen den Griff, doch Axel war stärker. „Lass mich los! Steckst du etwa mit ihnen unter einer Decke?“, brüllte sie und haute ihren Ellbogen in Axels Magen. Sie war außer sich vor Wut. Ihre Augen sprühten gerade so, doch Axel ging das allmählich echt auf die Nerven. „Wenn du keine Ahnung hast, dann halt auch die Klappe!“, brüllte er außer sich vor Wut und keuchte. Doch sofort bereute er es wieder. Die Stimmung war einfach zu gereizt und viel zu kompliziert. Das knabberte auch an seinen Drahtseilnerven. Das Mädchen sah ihn geschockt an. „Du weißt nicht, was die Hintergründe waren, also lass es dir erst erklären und urteile dann.“, fuhr er mit versöhnlichem Ton fort. Das Mädchen holte tief Luft und nickte. Axel lächelte und legte seine Arme von hinten um ihren Hals. Er nickte dem Wolf zu und Destiny kuschelte sich an Melanies Schoß. Sie quiekte freudig. Unbewusst lächelte Melanie sanft und streicht durch das weiche Fell von dem kleinen Wolf. Der Wolf trottete verunsichert auf sie zu. Der Junge kraulte ihn erst einmal. Er hatte viel durchgemacht in letzter Zeit. Vorsichtig leckte er durch Axels Gesicht. Der Junge seufzte und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. Er blickte Wildheart an und der nickte ihm zu. „Weißt du, Melanie. Wildheart hatte keine andere Wahl als so zu reagieren. Die Harpyie hatte ihn gezwungen uns zu bedrohen, ansonsten hätte sie uns getötet. Verstehst du? Sie wollte verhindern, dass wir das Wissen erlangen und Wildheart war dafür perfekt.“, erklärte Axel und strich durch ihr Haar. Der Wolf legte sich auf den Boden und legte den Kopf traurig auf die Pfoten. Melanie sah ihren Wolf an und ihr Blick wurde sanft. „Ist das wahr, Wildheart?!“, fragte sie erstaunt. Der Wolf blickte sie an und dann wieder traurig weg. Er hatte furchtbare Qualen erlitten. Der Gedanke seiner Freundin so etwas antun zu müssen hatte ihn fast wahnsinnig gemacht. Es hatte sein Herz zerfressen und er hatte ständig überlegt, wie er es abwenden konnte, doch ihm war nichts eingefallen. Er konnte von Glück reden, dass seine Tochter auf diese wundervolle Idee gekommen war. Er leckte Destiny zärtlich übers Fell und diese leckte über seine Nase. „Du beherrscht das Byagan wirklich ausgezeichnet, Axel. Ich hätte nicht gedacht, dass du schon so weit bist in meine Seele einzutauchen. Doch hier ist es nicht sicher zu reden, also kommt mit zu unserem Stamm! Und was euch beide angeht...“ Er drehte sich zu den beiden Wölfen um und blickte sie tadelnd an. „Was habt ihr euch dabei gedacht sie anzugreifen?! Ihr wusstet doch, dass die beiden Auserwählten kommen würden!“. sagte er und fixierte die beiden streng. Die beiden Wächter kniffen die Schwänze ein und blickten ihn unterwürfig an. „Es tut uns wirklich leid, euer Hoheit. Doch erlaubt mir, etwas zu sagen!“ Sagte der schwarze Wolf mit flehender Stimme. Melanie blickte ihren Wolf an. Seit wann war er so streng? Was war mit ihrem Wolf los?! „Sprich!“, knurrte Wildheart und blickte ihn lange an. Der Wolf schien zu zögern. „Es ist so...wir haben nicht so früh mit ihnen gerechnet und auch nicht gedacht, dass die Shuranas so jung sind. Da haben wir nicht geschaltet, denn eigentlich darf kein Mensch das Reich von Narunia betreten. Natürlich ist das keine Rechtfertigung für unseren schweren Fehler und wir bitten euch beide untertänigste um Verzeihung. Bitte vergebt uns!“ Der Braune wandte sich zu Melanie und Axel und verneigte sich. Melanie und Axel blickten sich an und verneigten sich dann ebenfalls. „Und uns tut es Leid, dass wir dir eine Rippe gebrochen haben. Aber Strahlentau...“ Flüsterte sie traurig. Der Prinz der Wölfe stupste sie an und blickte dann zu Salimar. Der hatte sich endlich wieder beruhigt. Sein Fell war wieder trocken und er hatte sein rechtes Hinterbein angewinkelte und ruhte sich etwas aus. Der Hengst starrte nun zurück und verneigte nun auch sein Haupt. Wildheart wendete sich zu seinen Wächtern um. Die beiden nickten wiederum. „Mach dir darum keine Sorgen.“ Erklärte nun Destiny zum ersten Mal. Sie hatte eine wunderbar sanfte Stimme und guckte Melanie aus sanften Augen an. Sie schleckte sie kurz ab und stimmte dann mit ihren Artgenossen in ein Lied ein. Sie heulten eine wunderbare Melodie, die die ganze Steppe mit Leben erfüllte. Die ganzen Tiere krochen aus ihren Nestern und Löchern und stimmten mit ein. Bald glich die weite Steppe wie eine Party von Tieren. Die Vögel sagen und die Pankarhörnchen tanzten über die Steppe. Weit entfernt erklangen weitere Geheule und bald war die ganze Steppe erfüllt. Nachdem alle wieder verstummt waren und zurück verschwunden waren, kamen 2 weitere Wölfe angerannt. Sie trugen Heilpflanzen in ihren Mäulern. Sie verneigten sich und legten die grüne Pflanze auf die Wunde von Strahlentau und dem Braunen Wolf. Da strahlte die Pflanze und die Wunde begann zu leuchten. Mit Erstaunen konnten die Beiden beobachten, wie die Sehne sich wieder perfekt zusammenzog und das Fell wieder zusammenfügte. Es sah nun aus, als wäre nichts gewesen. Strahlentau begutachtete das Ergebnis verwundert. Er stand zitternd auf und sprang vor Freunde wieder in die Luft. Alles war so, wie es vorher war. Doch dann leuchtete das Starangebrige und die schwarzen Wolken stoben auseinander. Ein Sonnenstrahl drang durch das Loch und die Wölfe wandten sich um. Sie verneigten sich tief und stimmten einen Gesang an. „Was geht hier vor und was suchen die Menschen hier?!“ Fragte eine Stimme und eine große, weiße Frau kam aus dem Himmel. „Narunia, Göttin des Schicksals.“ Flüsterte Wildheart ehrfürchtig. Melanie sah die Frau und stockte. Das konnte nicht sein. „Die Frau aus meinem Traum.“ Kapitel 8: Neue Erkenntnisse ---------------------------- 8. Kapitel: Neue Erkenntnisse Es war tiefste schwarze Nacht, als Melanie aufwachte. Sie lag in einer beleuchteten Höhle tief in den Gängen von Wildhearts Wolfstamm. Die Höhle war so gut es ging gemütlich eingerichtet. Das gelbe Gestein leuchtete und warf ein fahles Licht in den Raum, welcher bloß eine niedrige Decke hatte. Die Wölfe hatten alles getan, damit die Behausung annehmbar war, doch Melanie fühlte sich hier unwohl. Leise stieg sie aus dem Bett und schlich sich heraus. Sie musste nun nachdenken. Ihr weißes Gewand spielte um ihre Beine. Das lange Haar fiel wellig an ihr herab und umrahmte ihr Gesicht, was milchig im Licht glänzte. Die Ereignisse des letzten Tages hatten sie emotional aufgewühlt. Erst der Angriff von Shurum, der schwarzer Wolf und von Tarian, der Braune, danach die Sache mit Wildheart und dann war Narunia aufgetaucht. Ihr Blick schweifte verklärt ab. Sie war eine so wunderschöne Göttin. Die Wächterin stand nun vor dem großen Stein, der als Tür diente. Der gelblich, leuchtende Stein war in Rillen am Boden und an der Decke eingelassen. Das Starnumgestein war das leichteste Gestein auf Mythna und ließ sich somit lautlos und leicht wegrollen. Sie drückte ihre Hand in eine Form in der Mitte des Steines und er schwang geräuschlos zur Seite. Leise schlich sie an Axels Zimmer vorbei und ertastete sich ihren Weg durch die spärlich beleuchteten Gänge. Licht gab es in den Gängen der Wölfe, die sich bis tief ins Starangebrige zogen, kaum- schließlich konnten Wölfe hervorragend im Dämmerlicht sehen. Vorsichtig tastete sich das Mädchen sich seinen Weg und stolperte, als sie immer schneller wurde. Sie mochte das Gefühl nicht, sich in einem Berg, wo alles eng war, aufzuhalten. Sie brauchte weite Steppen; sie brauchte Platz. Nicht sich verschlingende Gänge, in denen eine schwere Schwüle herrschte. Sie vermisste ihre Elfenebene. Ihr Unbehagen schlug immer mehr in leichte Panik um. Immer schneller rannte sie. Melanie wollte einfach nur raus. Raus! Raus aus den staubigen Gängen und dem intensiven Gelb, was sie wahnsinnig machte. Sie achtete nicht mehr auf den Weg und immer schneller rannte sie. Die Shurana wusste nicht mehr, wie lange sie durch die dunklen Gängen gerannt war, als sie plötzlich in etwas rein rannte und ins Trudeln geriet. Sie rieb sich den Kopf und spähte in den dunklen Gang. Ein flammender Kranz leuchtete in der Dunkelheit. Zunächst erschrak Melanie, doch dann atmete sie erleichtert auf. „Konntest du auch nicht schlafen, Melanie?!“, fragte eine Stimme aus der Dunkelheit. Melanie drückte sich an die Wand und packte den Feuerschopf an der Hand. Sie eilte weiter durch die Gänge und zog den irritierten Axel hinter sich her. Eine sternenklare Nacht zog heute über den Planeten und ein heller Amard leuchtete hell am Himmel. Das gelbe Gras leuchtete klar und die beiden Freunde hatten endlich einen ruhigen Platz gefunden, wo die beiden über die vergangenen Abenteuer reden und nachdenken konnten. „Sag mal, Axel! Was hältst du von dem allem hier?“, fragte Melanie mit ihrer nachdenklichen Stimme. Ihr langes Haar wehte über ihre Schulter im frischen Nordwind. Axel schlang seine Arme um die Knie und ließ lange den Blick über die trockene Steppe wandern. Melanie lächelte. Endlich war sie raus aus diesen Gängen. „Ich weiß es nicht genau. Ich glaube nur, dass wir in eine Welt geraten sind, von der wir keine Ahnung haben, aber dennoch sind wir ein so wichtiges Puzzleteil, dass wir nicht hinauskommen. Auch wenn wir gar nicht wissen, wo unser Platz im Puzzle des Planeten ist.“, murmelte der Junge mit ernster Stimme. Seine Harre zerzausten im Wind und ein Windtänzer tanzte auf den Lüftströmen über ihnen. Es war eine kleine Gestalt, wie aus milchigem Glas und dann war sie schon wieder verschwunden. Verträumt sahen die beiden ihn hinterher und genossen die klare Luft. Ein Windtänzer zu sehen war sehr schwierig, da sie unglaublich schnell waren. „Das denke ich auch. Ich glaube, es gibt so vieles, wo von selbst die intelligentesten Köpfe keine Ahnung haben. Aber das beunruhigt mich nicht so sehr, wie das, was uns in einer Woche erwartet.“, flüsterte sie nach einiger Zeit und legte ihr schwarzes Haar auf ihre andere Schulter. Axel blickte zu ihr hinab und lächelte sanft. Das lange, schneeweiße Gewand flatterte im sanften Nordwind. „Ja, das habe ich auch. Wir begegnen immerhin einer Göttin und dann noch ausgerechnet der des Schicksals. Mhm... was wenn wir was falschen machen?!“ Axel war besorgt. Was, wenn sie die Göttin des Schicksal erzürnen würden? Was würde dann geschehen? Die Angst nagte an ihm, wie ein verhungerter Hase an einem Sonnenblumenkern. Er blickte kurz verzweifelt zum Himmel, doch als er sah, wie Melanie ihn, mit Angst in den Augen, ansah, lächelte er sie an. Er legt beide Hände auf ihre Schultern und blickt sie mit einem sanften Schimmer in seinen Smaragdaugen an. „Aber das wird schon werden und ich versuche meine Zunge im Griff zu haben.“, versicherte er und versuchte aufmunternd zu klingen. Melanie seufzte und es klang etwas genervt. Axel hatte ja so keine Ahnung. Ihr ging es doch gar nicht darum. Sie dachte über etwas völliges anderes nach. //Was war das letztens?! Es schien, als wäre es nur ein Traum gewesen und doch war es so real. Ich habe Narunia schon gesehen...war das vielleicht eine Vision? Oder alles nur Hirngespinst?! Aber ich habe das dumpfe Gefühl, dass sich etwas Unheimliches über den Gipfeln dieses Gebirges zusammenbraut und das jagt mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sollte ich Axel davon erzählen?! Nein, lieber nicht...//, dachte sie und wandte den Blick über ihre Schulter. Noch immer umwirbelten die dunklen Wolken die Gipfel, doch waren sie in der Dunkelheit kaum noch auszumachen. Weit oben auf dem Berg patrouillierten Shurum und Tarian. Immer wieder heulten sie ihren Bericht und den Menschen lief es eiskalt dem Rücken hinab, als sie ihren Kameraden neue Anweisungen erteilten. Es war so eine Situation, in denen kein Mensch wirklich seien wollte, auch wenn die Wölfe wirklich sehr freundlich waren. „Was ist bloß vorhin mit mir geschehen?! Ich hatte meine Emotionen nicht mehr im Griff...das hat meinen Verstand vernebelt und ich habe vorschnell geurteilt. So etwas sollte einem Wächter nicht passieren!“, hauchte das Mädchen vorwurfsvoll. Zorn auf sich stieg in ihr auf. War sie so leicht so beeinflussen? War sie so leicht zu manipulieren? Oder anders: Ließ sie sich so leicht von ihren Gefühlen verleiten, dass sie die Tatsachen vergaß? Was war das für ein Gefühl der Macht gewesen? Dieses Gefühl, was sie durchströmte und ihr das Gefühl gab die Stärkste auf Mythna zu sein? Als sie die Harpyie verscheucht hatte, da hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie sie am liebsten in der Luft zerrissen hätte. Und genau dieser Aspekt machte ihr Angst. Was würde geschehen, wenn dieses Gefühl sie übernehmen würde? Wäre sie dann außer Rand und Band? Könnte sie dann überhaupt jemand stoppen? Immer weiter kroch die Angst in ihr hoch. Sie begann mit einem ekeligen Gefühl im Magen und arbeitete sich bis in ihr Gehirn vor. Ihr wurde heiß und kalt und die Welt begann sich vor ihren Augen zu drehen. Sie starrte wie besessen auf ihre Hand, die stark zitterte. Axel verfolgte ihren Blick und bemerkte, dass es ihr gerade nicht besonders gut ging. Auch sie war anscheinend von ihrer neuen Macht verängstigt. Ihm war es ja auch nicht anders ergangen. Er legte seinen linken Arm um ihre Schulter und blickte sie verständnisvoll an. „Es ist ein beängstigendes Gefühl, nicht wahr?! Das Gefühl dieser Macht ist wirklich sehr verlockend.“, flüsterte er ihr zu und das Mädchen blickte auf. Kummer und Angst spiegelten sich in ihnen wieder. Der Junge strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht und blickte sie zärtlich an. Wieder bibberte Melanie und nickte. „Ich habe Angst, dass ich irgendwann die Kontrolle über mich selbst verliere. Man hat ja vorhin schon einen Vorgeschmack bekommen, was dann passieren könnte!“ Tränen sammelten sich in ihren Augen, so sehr graulte sie sich vor diesem Gedanken. Im sanften Licht des Mondes schimmerten sie wie verflüssigtes Silber. Axel blickte einen Moment lang über die Steppe und betrachtete das Steppengras, welches sich sanft im Wind wog. Eine Eule flog über ihnen hinweg und ihre Flügel rauschten dabei, doch sonst gab sie keinen Mucks von sich. „Sicherlich, unsere Macht ist groß, doch ich glaube, das ist auch nötig, damit wir uns unseren Gegnern in den Weg stellen können. Denn, wenn wir lernen, mit ihnen umzugehen, dann sind wir nicht mehr aufzuhalten.“, stellte Axel seine Meinung dar. Er ließ seinen Blick schweifen und suchte nach ihren Reittieren, doch er fand sie nicht. Melanie beruhigten diese Argumente nicht wirklich- im Gegenteil. Sie packte ihren Freund an den Schultern und schüttelte ihn. „Aber wer sind unsere Feinde? Und was ist, wenn wir es nie lernen? Werden wir dann nicht eher zu Gefahren, als zu Rettern?“, schrie sie ihn panisch an. Sie schien schon völlig besessen von der Panik, die ihre Macht in ihr auslöste, dass es Axel wohl nicht so einfach gelingen würde, sie zu beruhigen. Er seufzte und zog sie in seine Arme. Sie war schon immer so sentimental gewesen und das nervte ihn oft, doch es hatte auch sein Gutes, denn sie konnte sich gut in andere Leute hineinversetzen. Normalerweise hätte sie sicherlich bemerkt, dass das Verhalten von Wildheart nicht echt war, doch sie war so außer sich vor Angst und Verzweiflung gewesen, dass es ihren Geist vernebelt hatte. Beruhigend strich er über ihren Rücken und versuchte ihr das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. „Ich glaube kaum, dass das passiert. Wir werden sicher gezeigt bekommen, wie wir mit unseren Kräften umzugehen haben. Schließlich sind die Wölfe die Hüter des uralten Wissens. Sicherlich wird es nicht einfach werden, aber wenn wir zusammenhalten und uns vertrauen, dann schaffen wir das schon. Und ich vertraue dir voll und ganz. Was ist mit dir?“, fragte er sie ernst. Sie blickte überrascht zu ihm auf. Ihre blauen Augen funkelten hell, wie klares Meerwasser. Sie senkte den Blick und wurde leicht rot. „Natürlich vertraue ich dir auch.“, flüsterte sie mit leiser Stimme. Axel lächelte zufrieden. Anscheinend hatte sie sich wieder etwas beruhigt. Er ließ sie los und deutete gen Osten. Melanie drehte sich um und bekam einen verträumten Glanz in den Augen. Langsam erwachte der nächste Tag aus seinem Schlaf. Die Sonne kroch langsam am Gebirge hinauf und malte den Himmel in den wunderschönsten Farben. Der Himmel wurde in helles rosa getaucht und die Wolken bekamen ein kräftiges Lila. Das Starangebirge leuchtete wie ein Gebirge, dass vom schimmernden Gold ummantelt worden war. Eine angenehme Frische lag über dem Tal und ein sanfter Südost Wind trug einen süßen Duft zu ihnen hinüber. Langsam kamen auch die Tiere aus ihrem Versteck. Die Jungtiere tollten über den Boden und spielten Fangen, während die Erwachsenen sich auf die Suche nach dem Frühstück machten. Die Vögel trällerten ihre Lieder und begrüßten einen neuen Tag in ihrem Leben. Sie weckten die anderen Tiere und hießen Starfire herzlich willkommen. Der Wind trieb die Wolken vor sich her und schien auch mit ihnen zu spielen. Immer mehr erwachte die Steppe zum Leben. Der Wind raschelte durch die vereinzelten Bäume, die im Rhythmus der Vögel mit wippten und mit ihren Blättern klatschten. Die trostlose Steppe schien nun gar nicht mehr trostlos, sonder voller Leben, so als gäbe es keinen schöneren Ort zu Leben. „Siehst du?! Die Tiere haben das Beste aus ihrem Leben gemacht und erfreuen sich jeden neuen Tages. Ich denke, dass wir nicht über den Tieren stehen, denn wir können uns in unserem Verhalten noch viel von ihnen abschneiden.“, erklärte Axel und zeigte auf die Feier. Er klang sehr weise dabei. Er blickte mit fröhlichem Blick über die Steppe in die nun langsam Ruhe einkehrte. Alle Lebewesen gingen wieder ihren Pflichten nach und zeigten einen riesen großen Elan dabei. Auch Melanie lächelte. „Ja du hast Recht. Intelligenz zeigt sich nicht durch Technik, sonder eher durch Anpassung und Lebensfreude.“ Doch dann blickte sie plötzlich Axel spitzbübisch an und ihre Augen funkelten schelmisch. „Oh, Axel der Weise....AXEL, der Weise. Axel, der WEISE...tut mir leid! Egal wie ich es sage, es klingt merkwürdig.“, grinste sie. Axel blickte sie neckisch an und reckte das Kinn vor. Er warf sich in die Brust, um einen würdevollen Anblick zu liefern. „Willst du damit andeuten, dass das nicht normal ist?“ fragte er mit einer Stimme mit tiefem Bass. Melanie prustete bei der Stimme los. „Nein, ich will damit sagen, dass es gegen die Naturgesetzte verstößt.“ Die grünen Augen von Axel blitzten und er beugte sich so weit vor, dass seine Nase fast die von Melanie berührte, dann grinste er hinterhältig und begann sie durchzukitzeln. Melanie prustete vor Lachen und schnappte nach Luft. Ihr schlanker Körper krümmte sich vor Lachen und Tränen stiegen in ihre Augen. Sie versuchte sich zu befreien, doch der Junge ließ nicht nach. Sie lachte immer mehr. „Sag das noch mal!“, forderte er sie mit gespielter fordernder Stimme. Noch immer prustete Melanie und die gedrückte Stimmung verschwand. Endlich schaffte sie es, sich zu befreien und rannte lachend die Felsen herab. Ihr langes Haar wippte bei jeder Bewegung mit. „Nein, das werde ich nicht. Du hast mich schon verstanden!“ Sie drehte ihren Kopf zu ihm um und streckte die Zunge heraus. Axel sprang auf und jagte ihr hinterher. „Na warte!“, rief er lachend und rannte so schnell er konnte. Beide tollten nun auch über die Ebene und bald spielten auch die Pankarhörnchen, mit den zwei schwarzen Streifen auf dem hellbraunen Fell ihres Rückens, mit ihnen Fangen. Der Wind trug das Lachen und das dumpfe Geräusch ihrer schnellen Schritte über die ganze Ebene. Immer wenn Axel sie fast eingeholt hatte, schlug das Mädchen eine scharfe Kurve und rannte in eine andere Richtung. Ungefähr eine halbe Stunde später ließen sich beide völlig außer Atem ins Gras fallen und schnappten nach Luft. „Hier seid ihr also. Hab ich mir doch gedacht, dass ihr nicht schlafen könnt.“, sagte Wildheart, der plötzlich hinter ihnen stand. Die beiden drehten sich blitzschnell um und blickten ihn überrascht an. Sie waren völlig verschwitzt und keuchten vor Anstrengung. „Wascht euch und kommt frühstücken!“ Er trottete voraus und Axel folgte ihm sofort. Melanie richtete sich auf und blickte der Sonne entgegen. Sie begriff nun, dass es ihr Schicksal war die Welt zu retten und sie konnten sich dem nicht entziehen. Doch sie mussten diese Aufgabe nach bestem Gewissen versuchen zu bewältigen und sie sollten sich nicht zu viele Gedanken deswegen machen. Es würden viele Abenteuer vor ihnen liegen, doch sie hatte Freunde an ihrer Seite, die sie beschützen würden und außerdem war es doch eine riesige Ehre. „Melanie, kommst du nun oder willst du da Wurzeln schlagen?“, fragte Axel neckisch. Melanie wandte sich um und sah, wie die beiden auf sie warteten. Ihre Freunde lächelten sie an und ihre Haare wehten im Wind. Melanie lächelte ebenfalls. Ja, sie hatte Freunde- gute Freunde! „Hey, wartet auf mich!“, rief sie und rannte auf sie zu. Freunde, die immer für sie da waren. Kapitel 9: Der Sternenweg ------------------------- 9. Kapitel: Der Sternenweg Nervös knetete Melanie ihre Hände und eine Gänsehaut war auf ihren Armen. Manchmal konnte sie das Zittern, das ihr Körper erfasste, nicht mehr unterdrücken. Gleich war es soweit. Eine anstrengende Woche lang hinter ihnen, wo sie viel geübt hatten. Die Wölfe hatten sie in allem bezüglich ihrer Fähigkeiten unterwiesen und sie hatten sich als strenge Lehrmeister gezeigt. Auch Wildheart hatte sich nicht lumpen lassen und hatte die beiden ganz schön durch die Mangel gedreht. Melanie hatte die Fähigkeit, die man Kiaran nannte. Sie konnte eine Aura aus schnell fließender Luft um sich herum aufbauen und die Luft Druckwellen aussenden lassen. Axel hatte nun gelernt, dass Byagan jeder Zeit einzusetzen und wie er nicht so viel Energie dabei verbrauchte. Schließlich war es nun soweit. Sie würden nun zu Narunia geführt werden. Doch wie, das wussten sie nicht. Mehr wusste die beiden allerdings noch nicht. Immer wenn sie einen ihrer Lehrmeister befragten, schwiegen sie und ließen die beiden Shurana im Unklaren. Seit der Nacht vor einer Woche, hatte Melanie nie mehr gezweifelt. Sie hatte auch überhaupt nicht die Zeit dafür gehabt, denn jeden Abend war sie tot müde ins Bett gefallen. In der letzten Nacht jedoch hatte sie keinen Schlaf gefunden, denn die Nervosität hatte sie beständig aus ihrem Dämmerzustand gerissen. Das Mädchen ließ ihren Blick durch die große Halle schweifen, in der sie sich nun befanden. Sie war ungefähr Zehn Meter groß und direkt in das Gestein gehauen. Die schwere Decke wurde bloß von einigen vereinzelten Säulen abgestützt, welche spiralförmig ineinander verdreht waren. Nervös blickte Melanie durch die große Halle, das von dem Starnumgestein erleuchtet wurde, denn es hatte die Eigenschaft, Licht zu speichern. Es warf ein fahles Licht in den großen Raum, ähnlich dem von Amard. Beschäftigt huschten Wölfe durch die Halle. Melanie trug ein feines Gewand, mit einer wunderschönen Spitze verziert. Es war von schlichten weiß und durch einen Bund wurde ihre Brust gestützt und leicht gerafft. Feine gold Stickereien gingen an der Naht herab. Axel hingegen trug sein normales Gewand. Er hatte sich geweigert einen Anzug anzuziehen, auch wenn er darin sicherlich gut aussah. Der Shurana war der Meinung gewesen, dass er sich vor der Göttin nicht verstellen sollen und deshalb keine Kleidung anziehen würde, in denen er sich unwohl fühlte. Nun trug er eben sein schwarzes Gewand mit der Kapuze, auch wenn er ihn sauber gemacht hatte. Die silbernen Knöpfe blitzten hell. Plötzlich lösten sich Wildheart und Destiny aus dem Gewühl von Fellen, die den Boden, wie ein sich bewegender Teppich den Felsboden bedeckte, und traten auf sie beide zu. Melanie schluckte. Nun war es also soweit. Sie hörte, wie auch Axel schluckte und legte ihre Hand auf seinen Rücken. Er packte ihren Arm und nahm ihre Hand. Melanie blickte auf und errötete. Man konnte genau sehen, wie aufgeregt er war. Es war eine Situation wie vor einer Abschlussprüfung. „Shuranas, Narunia ist nun bereit euch zu empfangen.“, erklärte der Wolfsprinz im höflichen Ton. Er setzte sich vor die beiden und hechelte. Destiny war stehen geblieben und betrachtete die beiden ernst aus ihren braunen Knopfaugen. Melanie und Axel blickten sich fragend an und nickten sich zu. Beide erhoben sich und folgten den beiden Wölfen, die zielstrebig davon trotteten. Melanie kam das alles so unwirklich vor. Noch vor einigen Wochen war alles normal gewesen, sie hatte ihr Leben gelebt und hatte sich teilweise beschwert, wie langweilig es doch sei- nun das hatte sie nun davon. Alles was um sie herum geschah, erschien ihr wie ein Traum so irreal war es. Dass ausgerechnet sie eine auserwählte Kriegerin war, war etwas, dass ihr Gehirn kaum greifen konnte. Immer tiefer führten die beiden Wölfe sie durch die Halle- weiter hinein in das Gebirge. Melanie schluckte. Wieder kroch das Gefühl der Enge in ihr hoch. Die Wände schienen sich auf sie zu bewegen und ihr blieb immer mehr der Atem weg. Die Tatsache, dass sie auch noch total nervös war, machte die Sache nicht gerade sonderlich besser. Sie flehte in Gedanken, dass es möglichst schnell vorbei war und sie wieder die unendlichen Weiten von Steppen sehen konnten. Doch dann hielten ihre Gedanken inne. Was dachte sie eigentlich da? Das war doch völlig irrelevant. Sie hatte nun andere Sorgen und eine erwartete sie unmittelbar. Egal wohin die Vier auch hinliefen, machten die anderen Wölfe ihnen Platz und verneigten sich, während sie ihnen zu heulten. Dem Mädchen lief ein eisigkalter Schauer den Rücken hinunter. Das Heule hallte von der hohen Decke wieder. Wirklich überall waren die Wölfe. Ob neben ihnen oder über ihnen- egal wo man hinblickte, sah man Wölfe. Axel blickte zu ihr hinunter. Auch ihm drehte sich der Magen um und ihm war übel vor Nervosität. Sein Körper zitterte ebenfalls, doch durch sein weites Gewand fiel es nicht so auf. Er blickte sie aufmunternd an und drückte ihre Hand. Sein rotes Haar leuchtete wie der helle Schein des Feuers. Er wirkte sehr selbstsicher und er versprühte eine Aura der Stärke. Keiner bemerkte, wie viel Angst er hatte. Die Vier erreichten nun eine kleine Nebenhalle an deren Felswand sich ein Pfad entlang schlängelte, bis er im hohen Gewölbe auf einer Plattform endete. Hier blieben Wildheart und Destiny für einen kurzen Moment stehen. So hatten die beiden Wächter Zeit nach oben zu schauen. Hell leuchtete das gelbe Gestein, doch je tiefer sie in den Berg eingedrungen waren, desto dunkler und matter war das Starnumgestein geworden und auch der Strom der Wölfe riss immer mehr ab. Immer weiter kletterten die beiden Shuranas den Weg hinauf und blieben vor einer mächtigen Eichentür stehen. Vier Sterne zierten die Ecken der Tür aus dem hellen Holz und zwischen diesen Sternen führte ein Weg. „Dieses Bild auf der Tür ist eine Art Karte für den Weg, den ihr beschreiten müsst.“, erklärte Wildheart und seine tiefe Stimmer hallte durch die hohe Halle wieder, so als würden 4 oder 5 Wildhearts diesen Satz wiederholen. Der Wolf blickte sich kurz zu allen Seiten um. Weit und breit war kein einziger Wolf mehr. „Kommt ihr nicht mit?“, fragt Melanie verunsichert und blickte ihre beiden Wölfe ängstlich an. Wildheart sah sie aus traurigen Augen an und Destiny senkte ihr Haupt. Ein leises Fiepen entfuhr ihr und es klang wehklagend. „Uns ist es nicht gestattet diesen Pfad zu folgen. Nur ihr werdet von Narunia erwartet, also dürft auch nur ihr diesen Pfad beschreiten.“ Melanie und Axel tauschten einen ängstlichen Blick. Sie waren fest davon ausgegangen, dass die beiden Wölfe sie zu ihr bringen sollten, doch dann lächelte Axel und legte seinen starken Arm um sie. Zuversichtlich blickte er die Tür an und Tatendrang spiegelte sich in seinen Augen wieder. Melanie sah zu ihm auf und sein Blick gab ihr Mut. Es lag irgendetwas in ihm, was ihr die Kraft gab, den ungewissen Pfad zu beschreiten. Oh ihr Götter, jetzt wurde sie aber sentimental. Noch ein letztes Mal nickten sich beide sich zu und öffnen die Tür mit einem knarrenden Geräusch. Beiden klappte vor Staunen die Kinnlade runter. Hinter der Tür war ein unendlich langer Raum in denen die Sterne glitzerten. Alles war in ein dunkles blau gehüllt. Ein durchsichtiger Pfad aus Sternen schlängelte sich ohne Stütze über einen unendlichen Abgrund. Egal wohin man blickte nirgends schien dieser Raum ein Ende zu haben. Die beiden Wächter hatten den Eindruck sich im Weltall zu befinden. Um eine kleine Insel mitten im Raum schwebte ihr Planet. Mythna kreiste ruhig mit seinen Geschwister Planeten herum, wie sie es in der Realität bei Starfire taten. In jedem Teil des unendlichen Raumes blitzte ein heller Stern- also vier an der Zahl, doch jeder leuchtete anders. Der links neben Melanie leuchtete blau, der rechts neben Axel rot. Über dem Blauen lag ein Brauner und über dem roten ein Weißer. Melanie legte den Kopf schief. Schien so, als würden sie die Elemente darstellen. Sie ließ ihren Blick wandern und betrachtete die Schönheit, doch sie traute sich nicht, über den Sternenweg zu laufen. Was, wenn er durchlässig wäre und sie in die unendlichen Raum fallen würden? Lange darüber nachdenken konnte sie jedoch nicht, denn Axel holte einmal tief Luft und schritt dann mit großen Schritten voran. Das Mädchen hatte zu große Angst hier alleine zurückzubleiben, also rannte sie ihm hinterher. Mit einem lauten Knall schlug die Tür hinter ihnen zu. Melanie wirbelte herum. Mist, jetzt gab es keinen Ausweg mehr! Jetzt gab es bloß noch den Weg nach vorne. Sie seufzte und eilte dann Axel weiter hinterher. Ihre Schritte gaben keinen einzigen Laut von sich. Melanie schaute auch lieber nicht herab. Sie wollte zwar große Flächen, aber keine unendlichen und diese verdammte Insel schien auch nicht näher zu kommen. „Oh man, das geht mir gerade auf den Keks.“, murrte Axel und blieb stehen. Auch Melanie holte ihn nun endlich ein. Sie hatten so viel Weg hinter sich gebracht und doch kam die Insel nicht näher. Der Junge murrte und ging dann weiter. „Warte bitte, Axel!“, flehte Melanie und hastete ihm hinterher. Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Melanie rannte auf ihn zu und stolperte plötzlich über ihre eigenen Füße. Sie flog für einen kurzen Moment durch die Luft und landete in Axels Armen. Er blickte sie überrascht an, doch dann lächelte er. Sein schwarzes Gewand flackerte im tanzenden Lichtschein des Alls. Er zog sie wieder auf die Beine und legte ihr seine beiden Hände auf die Schulter. „Ganz ruhig! Du brauchst keine Angst zu haben.“, sagte er mit beruhigender Stimme. Er hatte sich sehr verändert, fand Melanie. Er war nun nicht mehr frech, sondern ernst und beherrscht. Die zwei Wochen, die sie nun unterwegs waren, hatten ihn reifer gemacht, doch sie störte es, denn sie kam sich so kindisch neben ihn vor, aber sie vermisste es auch, wenn er einfach mal einen frechen Spruch riss, denn es hatte sie immer aufgemuntert. War er überhaupt noch der Axel, den sie kannte? Sie war sich nicht mehr sicher. Er war nun so weise und gar nicht mehr er selbst. Sie blickte ihn lange an. Normalerweise hätte er etwas gesagt, wie: „Na, zu blöd zum laufen? Oder: „Wer laufen kann, ist klar im Vorteil.“ „Axel...bist das noch wirklich du?“, fragte sie ihn und sah in seine verwirrt funkelnden Augen. Sie senkte traurig den Kopf. Axel legte die Stirn in Falten und betrachtete seine Freundin eingehend. „Wie meinst du das? Das Thema hatten wir doch letzten erst.“ Melanie seufzte. Das jugendlich Gehabe zwischen ihnen war verschwunden. Keine frechen Sprüche, kein Necken...gar nichts mehr. Sie hatten nun keinen Spaß mehr zusammen und sie hatte das Gefühl, dass ihre Freundschaft an ihrer Mission zerbrach. Genau dieser Grund machte traurig. Sie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten und in ihnen brannten. Das junge Mädchen hatte keine Ahnung, wie sie ausgerechnet jetzt wieder auf dieses Thema kam. Doch die Zweifel und die Angst nagten wieder an ihr und alle fröhlichen Gefühle verschwanden aus ihrer Seele. Immer weiter zog sie das schwarze Loch der negativen Gefühle in sich hinein. „Melanie...“, setzte Axel an und seufzte. Er ging soweit in die Hocke, bis er mit ihr auf einer Höhe war und blickte ihr sanft in die Augen. Doch Melanie regte es auf, denn es war ein Verhalten, als wolle er einem Kleinkind etwas erklären. Sie wollte schon etwas Bissiges erwidern, verkniff es sich dann aber doch lieber. Sie wandte den Blick traurig ab. „Ich bin noch immer der, der ich vorher war, doch es ist nun gerade nicht angebracht rumzublödeln. Und unsere Freundschaft wird schon nicht so schnell kaputt gehen, wenn das deine Sorge ist.“ Ruhig, wie ein kleiner Bach, hallte seine Stimme durch den Raum. Melanie blickte ihn überrascht an und schmunzelte dann. Das Byagan! Er hatte in ihre Seele geschaut. Axel hatte nun kaum noch Mühen, dass Byagan zu aktivieren und viel Kraft kostete es ihn auch nicht. Er hatte sich als echtes Talent bewiesen- im Gegensatz zu Melanie. Sie hatte große Schwierigkeiten mit ihrem Kiaran. Sie musste ihre gesamte Energie um sie herum sammeln und dann durch bestimmte Ausstöße von Energien und Gefühlen der Luft Befehle erteilen. Komischerweise hatte Wildheart sich damals gewundert, dass sie diese Fähigkeit beherrschte. Warum wusste sie nicht. „Nicht nur das...“, flüsterte sie. Sie hatte eher Angst, dass sie sich nicht beweisen könnte, denn sie war die Anführerin der Wächter und hatte eine große Aufgabe. Doch sie hatte solche Schwierigkeiten, dass es ihr schwer viel, zu glauben, dass sie der Aufgabe gewachsen war. „Jeder braucht Zeit, Melanie. Der Eine mehr, der Andere weniger, das ist einfach so. Nur, weil du das Kiaran nicht so schnell gemeistert hast, heißt das noch lange nicht, dass du deiner Aufgabe nicht würdig bist. Ich glaube an dich, doch du musst auch an dich glauben.“ Er lächelte sie aufmunternd an. Er wischte ihr die Tränen, die sich schimmernd in ihren Augen gesammelt hatten, weg und schaute sie lange an. Melanie blickte zu ihm auf. „Warum...warum wächst du an der Aufgabe und ich, ich verzweifele an ihr? Wärest du nicht vielleicht besser dran ohne mich? Du bist sicherlich ein guter Wächter.“ Murmelte sie und blickte hastig weg. Die Augebrauen von Axel senkten sich tief über seine Augen und tiefe Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Seine Augen funkelten etwas verärgert. „Jetzt ist es aber genug! So etwas will ich von dir nicht mehr hören! Du warst doch sonst immer so optimistisch!“ Seine Stimme war schroff und Melanie zuckte zusammen. Er seufzte und fuhr dann sanfter fort: „Was ist bloß los mit dir?“ Ein starker Wind wehte plötzlich durch den Raum und die Insel raste auf die beiden zu. Axel und Melanie beobachteten das gespannt. Ein prunkvoller Tempel aus Marmor stand in der Mitte. Er hatte hohe, runde Kuppeln, die mit alten Zinnen bestückt waren. Eine Frau mit weißem Gewand stand vor ihm. Ihr langes, schwarzes Haar wehte ihm Wind. „Das ist der Grund, warum dieser Weg auch Seelentestweg genannt wird.“ Kapitel 10: Das Schicksal- was ist das überhaupt ------------------------------------------------ 10. Kapitel: Das Schicksal- Was ist das überhaupt? Ein starker Wind wehte aus der Richtung der Insel und die beiden Shuranas hatte wahrlich große Probleme nicht zurückgeweht zu werden, doch die Frau in dem weißem Gewand blieb seelenruhig stehen. Kurz bevor die Insel mit den beiden Menschen kollidierte, blieb sie stockend stehen. Ein Pfad aus Gras führt zum Eingang des Tempel- ein großer Torbogen. Ein brauner Lehmboden führte einmal, in einem Abstand von fünf Metern, um den gesamten Tempel, der strahlend Weiß im schwachen Sternenlicht schimmerte. An den Seiten der kreisrunden Insel floss silbrig schimmerndes Wasser in die unendliche Schwärze. „Willkommen in meinem Reich, Shuranas.“ Die schöne Stimme von Narunia schien den ganzen Raum zu erfüllen- so als wäre sie allgegenwärtig. Ihre Haut strahlte so rein, wie Schnee. Die vorderen zwei Strähnen des langen, schwarzen Haares, lagen gelockt über ihren Schultern, während die anderen vorderen Haare geflochten waren und in der Mitte des Hinterkopfs zusammen gebunden wurden. Die Strähnen, die nicht geflochten waren, fiel wie die anderen Haare seidig bis zu ihrem Po hinab. Das Gesicht war unglaublich fein und von großer Schönheit. Interessiert lagen ihre schwach gelbfarbigen Augen auf ihnen. Fast schien es, als hätte sie Sterne oder Monde in den Augen. Gütig blickte sie die beiden an. Vor allem auf Axel lagen ihre Augen, was Melanie gar nicht gefiel, doch sie selbst bemerkte es noch nicht mal. Narunia war barfuss und stand auf dem silbrigen Wasser. Melanie fühlte sofort die Macht, die diese Frau besaß. Es ging eine gewaltige Aura, die von ihr aus ging, sodass sich die feinen Härchen auf Melanies Armen aufstellten. Von einer unsichtbaren Kraft angezogen, erschien es Melanie unmöglich den Blick von der Göttin abzuwenden. Axel blickte die Göttin ebenfalls fasziniert an. Nicht schlecht! Die Göttin war wirklich wunderschön. Geduldig stand sie da und schien zu warten, doch Melanie und Axel rührten sich nicht. Kleine Kreise bildeten sich auf der schimmernden Wasseroberfläche, als Narunia graziös über das Wasser ging und dann auf den Pfad trat. „Nur nicht so schüchtern! Kommt nur herein!“ Sie schnippte einmal mit dem Finger und das schwere Eichentor sprang sofort auf, wobei es laut knarrte. Sie bedeutete den beiden ihr zu folgen. Beide zögerten, doch dann verneigte sich Axel. „Vielen Dank, dass Ihr euch Zeit für uns nehmt!“ Melanie zog erstaunt beide Augenbrauen hoch. Axel verneigte sich? Was war denn jetzt kaputt? Dann blickte er die Göttin auch noch so komisch an. Ein stechendes Gefühl sammelte sich in ihrem Magen. Es fühlte sich so an, als würden ihre Eingeweide sich verkrampfen. Es war Eifersucht. Die Göttin war schön- zweifellos- aber sie hätte Axel nicht für einen so einen Kerl gehalten, der jeder schönen Frau hinterher sah. Sie hätte nicht gedacht, dass er so oberflächlich war. Wut brodelte in ihr auf und zerfraß sie von innen heraus. Typisch Kerle! Nichts als Ärger! Doch das größte Gefühl in ihr war aber die Trauer. Mit der Göttin konnte sie doch nicht mithalten. Traurig senkte sie den Blick. „Also kommt! Tretet ein!“ Narunia ging vor raus und Axel folgte ihr, doch als er merkte, dass Melanie ihm nicht folgte, blieb er stehen. Narunia stand am Torbogen und lächelte. Das mussten die beiden erst noch klären. Da konnte das Schicksal von Mythna ruhig noch etwas warten. Wirklich sehr interessante Shuranas. Anscheinend würde das ja richtig spannend werden, denn die perfekten Shuranas wie Gaaran und Morana- die letzten Wächter- waren sie nicht, aber sie mochte die beiden. Dann drehte sie ihren Kopf um, wo ihr nachtschwarzes Haar nur so flog und verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen in der Dunkelheit der Eingangshalle. Axel blickte seine Freundin an. Was war los? Was hatte er nun schon wieder falsch gemacht? Manchmal verstand er Melanie echt nicht. Er schüttelt stumm den Kopf. „Melanie, was ist los? Wieso kommst du nicht?“ Melanie sah ihn nicht an. Sie biss sich auf die Lippen. Axel hob ihren Kopf an und ihn traf ein vorwurfsvoller Blick. Traurig sah er sie an. „Was habe ich denn getan?“ Melanies Meeraugen blickten ihn vorwurfsvoll an, doch so verzog sie keine Miene, dann ging ihm allerdings ein Licht auf und er begann zu lachen. Melanie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Nein...nein...nein. Ach, Melanie...das ist doch nicht so, wie du jetzt denkst.“, sagte er sanft. Skeptisch zog Melanie eine Augenbraue hoch. Es war dieser typische „Na klar...“ Blick. Axel lächelte und schüttelte nur amüsiert den Kopf, was ihre Stimmung nicht wirklich hob. Ärger stieg in ihre auf. Dieser Vollidiot! Hatte er überhaupt eine Ahnung was sie fühlte? Oder interessierte es ihn nicht, weil er eigentlich ein Macho war? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen, dennoch...es nervte sie einfach, denn sie mochte ihn doch so gerne. „Kleine...“ Er legte ihr beide Hände auf die Schulter und blickte ihr sanft in die Augen. Das war irgendwie süß. Sie war eifersüchtig. „...glaubst du etwa, dass ich mich in Narunia verknallt habe?“, flüsterte er leise. Melanie blickte ihn kurz überrascht an und drehte sich dann weg. Lächelnd schüttelte der Feuerhaarjunge seinen Kopf erneut. Er stellte sich hinter Melanie und legte ihr seine Arme um den Hals. Das Mädchen erstarrte und zitterte vor Überraschung. „Hältst du mich für so oberflächlich? Narunia ist schön, sicherlich...aber nicht mein Typ.“ Melanie wand sich aus seinen Armen. Sie stand nun einen Meter vor ihm und sah ihn geschockt an. Ihre Augen zitterten. „Aber...du...“ Sie gestikulierte wild, doch Axel ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Langsam ging er auf sie zu, doch sie wich immer ein Stück zurück. Ihre Augen funkelten ihn ängstlich an. „Tu mir nicht weh!“, flehten die Meeraugen ihn an. Tränen stiegen in ihr auf. Axel! Axel! Nein, er sollte ihr nicht wehtun. Immer näher und näher kam er ihr und blieb dann vor ihr stehen. Ihr schlanker Körper zitterte. Die Tränen rollten aus ihren Augen. Axel kommt ihrem Gesicht ganz nah und lächelte sie freundlich an. Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und lächelte mit seinem zauberhaftesten Lächeln an. Dann zog er sie richtig in seine Arme. Er fasste mit seiner rechten Hand in ihre Haare und drückte sie fest an sich. Melanie wurde schlagartig rot. Ihre Wangen glühten wie die Morgensonne. Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Sie zitterte. Sie bekam ein komisches Gefühl im Magen. Sie versteifte sich komplett in seinen Armen. Tränen rollten aus ihren Augen. Er war doch ihr Freund und sie wollte einfach nicht, dass er es für eine Göttin wegwarf. Sie hatten doch schon so viel erlebt. Sie liebte ihn doch über alles und wenn er nun...sie schluckte. Daran mochte sie noch nicht einmal denken. „Ich wollte doch nur höflich sein. Du brauchst echt nicht eifersüchtig sein, Kleine.“ Wehte seine Stimme an seinen Ohren vorbei. Ihr Körper zitterte und Tränen liefen aus ihren Augen. Wie ein kleiner Bach liefen sie in die unendliche Leere. „Ich will dich einfach nicht verlieren, Axel. Ich will dich nicht verlieren...“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. Axel hob ihren Kopf und blickte ihr sanft in die Augen. Sanft strich er mit seinem schwarzen Handschuh über ihr Gesicht. Mit der anderen Hand ging er in seine Manteltasche und holte ein weißes Taschentuch hervor. Sanft wischt er die milchig schimmernden Tränen vom Gesicht. „Ich habe es dir vorhin doch schon gesagt. Ich werde immer für dich da sein und daran wird auch Narunia nichts ändern. Wir beide gehören einfach zusammen. Alles wieder in Ordnung?“ Er blickte ihr sanft in die Augen. Melanies Herz schlug schnell im ihrer Brustkorb. Sie spürte wie das warme Blut in ihre Wangen schoss und ihr wurde heiß. Er blickte sie mit einem wunderschönen Blick an. Seine smaragdgrünen Augen schimmerten wunderschön. Ganz langsam kam Axel zu ihr hinunter und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf den Mund. „Du bist die Einzige für mich.“ Melanie machte große Augen und ihr Kopf wurde nun knallrot. Dann gab Axel ihr noch einmal einen langen Kuss. Narunia ließ sich auf einen Stuhl fallen und strich sich müde die Haare aus dem Gesicht. Sie war so unglaublich müde. Die ganze Wochen lang war sie kaum zur Ruhe gekommen, da sie ständig mit den Folgen der Sternenkonstellation Shinanji zu tun hatte. Sie fuhr durch ihr Haar und seufzte genervt. Schlimm war das alles gewesen. Ständig musste sie dafür sorgen, dass das Wetter nicht komplett aus dem Ruder lief, doch gegen diese übernatürliche Konstellation kam sie als mythanische Göttin nicht an. Sie selber sah sich auch nicht wirklich als Göttin des Schicksals. Das war ein Titel den ihr die Mythianer ihr gaben, da sie die Sterne kontrollierte und somit das Leben der Menschen damals. Einst lebten die Mythianer vom Seehandel und Fischfang und da waren die Sterne äußerst wichtig gewesen. War schön gewesen mit anzusehen, wie alle damals friedlich miteinander lebten und außer vor den Weiten der Ozeane vor nichts Angst zu haben brauchten. Doch seit Oranum zum Herrscher von Mythna wurde und sich mit Kräften einließ, die er nicht kontrollieren konnte, war alles anders geworden. Er hatte ein Fluch über das Land gelegt, der alle 5000 Jahre seine Opfer forderte für die Fruchtbarkeit des Landes- nämlich tobende Unwetterkatastrophen, die sogar zum Untergang des Planeten führen konnten, wenn nicht Shuranas die verstreuten Elementkugeln zum Zentrum des Planeten brachten um die Urgewalten zu beruhigen, doch Irgendetwas war dieses Mal anders. Sie hatte ein dumpfes Gefühl im Magen. Etwas in ihr sagte ihr, dass es nicht so ablaufen würde wie sonst immer. Doch, was würde anders sein? Stundenlang hatte sie in letzter Zeit intensiv nach einer Antwort gesucht. Sie hatte versucht herauszufinden, ob es einen Grund für dieses Gefühl gab. Müde legte sie ihr Haupt auf ihre ausgestreckten Arme. Der lange Glastisch war übersäht von Unterlagen, alten Schriften, auf schon etwas brüchigem Pergament geschrieben, und Zeichnungen, doch bisher hatte sie nichts gefunden. Es war zum aus der Haut fahren. So allmählich bekam Narunia das Gefühl, je mehr sie nach der Antwort suchte, desto weiter entfernte sie sich von ihr. Ihr schwarzes Haar lag wie eine Decke über ihren Kopf, als sie müde die Augen schloss. Hoffentlich waren die beiden Wächter dafür gewappnet, denn es würde nicht so ein einfaches Abenteuer werden. Aber wer war der Gegenspieler im diesem Schachspiel, das über das Schicksal der Welt entschied? Müde schweifte ihr Blick durch die Halle mit der hohen Decke. Matt weiß glänzende Säule standen in dem dunklen Raum mit der Sternenkuppel. Fast schien es, als würden sie ohne Sinn im Raum stehen. Schicksal...was war das überhaupt? Es ist bloß ein Wort und doch hielten die Menschen so sehr daran fest. Manchmal benutzten sie es sogar als Entschuldigung für ihre Taten. Narunia schnaubte zornig und prustete sich so eine Strähne aus dem Gesicht. Eine törichte Einstellung! Sie hatte nichts gegen die Menschen, doch sie nervte es, dass sie ständig einen Sündenbock suchten und dass nur wenige die Verantwortung für ihre Taten übernahmen. Sehnsüchtig schweifte ihr Blick zu den künstlichen Sternen in der gewölbten Decke ab. Wie wunderschön sie doch heute Nacht leuchten würden und die Stürme würden sie auch etwas unter Kontrolle halten, doch damit war es nicht getan. Die Shuranas mussten zu Canzor, dem Elementdrachen und zwar schnell! Allmählich lief die Zeit davon und sie würde nicht mehr lange die Urgewalten des Universums in Schach halten können. Das würde sie nicht schaffen- ihre Kräfte waren dafür viel zu beschränkt. Mit abwesendem Blick betrachtete sie ihre Hand. Zweifel lag in ihren Mondaugen und Sehnsucht schimmerte in ihnen. Sie war eine Göttin, aber doch so menschlich. Sie glich so gar nicht einer Göttin, außer dass sie manchmal vier silbrige Flügel hatte und über Wasser gehen konnte. Sie schnaubte erneut verachtend. Ui, das war wirklich unglaublich spannend. Damit konnte sie die Feinde wirklich gut bekämpfen. Sie waren sicher nicht so doof auf sie loszugehen und im Wasser unterzugehen. Sie seufzte. Nein, garantiert nicht. Sie hat so gar nichts Göttliches an sich. Ihre Schwächen waren nur allzu Menschlich: Trauer, Wut, Zweifel und Angst...all das waren Sachen, die eine Göttin nicht kennen durfte, ihr aber nur allzu vertraut waren. Das Schicksal...wer daran glaubte hatte sein Schicksal wirklich schon besiegelt. Wenn man daran glaubte, dass alles vorher bestimmt war, dann hat man sein Leben bereits weggeworfen. Wer ans Schicksal glaubte, der hatte seine Seele bereits in Ketten gelegt, denn derjenige traf keine eigenen Entscheidungen mehr. Sie hoffte, dass es den Shuranas besser erging. Wieder seufzte sie müde. Eine Göttin zu sein war wirklich anstrengend. Ständig musste man Entscheidungen treffen und wenn sie schlecht waren, dann war das ganz schlecht. Sie stützte ihren Kopf mit ihrer Hand ab und verärgert schmiss sie die Schriftrollen von dem Tisch. Sie kam sich so nutzlos vor. Mit verzweifelter Miene bettete sie ihren Kopf auf dem Tisch. Wieder einmal war sie nur allzu menschlich. Nun war sie wieder angreifbar und verletzbar. Sie ballte eine Faust und ihre Fingernägel schnitten in ihre Haut. Der Schmerz ließ Narunia wenigstens für eine kurze Zeit die Zweifel, die ihre Seele plagten, vergessen. Sie kannte den Schmerz auch gut, wenn man an seinen eigenen Fähigkeiten zweifelte, denn auch sie zweifelte an sich. Etwas, was eigentlich nicht seinen dürfte. Nach Außen hin musste sie immer die ruhige, weise Göttin spielen, aber auch sie war nicht perfekt. Auch ihr fiel es schwer diese Maskerade aufrecht zu erhalten. Auch ihr liefen Tränen aus den Augen. Sie schimmerten wie Perlen und benässten das Glas. „Stören wir Sie, Narunia?“, fragte eine sanfte Stimme. Die Göttin hob ruckartig den Kopf und wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. Melanie und Axel standen im Türrahmen und betrachteten die Göttin überrascht. „Ach...ihr seid es, Shuranas...setzt euch! Tut mir leid, dass es so unordentlich ist...“ Ihr Stimme klang müde und sie deutete mit einer schwachen Geste auf zwei Stühle. Die beiden Wächter warfen sich einen besorgten Blick zu. Narunia wirkte so zerbrechlich, doch dann setzten sich die beiden Freunde auf den Stuhl. Narunia blickte sie aus glasigen Augen an. Beide konnten genau erkennen, dass sie am Ende ihrer Kräfte war. Anscheinend hatte sie viel zu tun gehabt. Aber wie schwer kann ihre Aufgabe sein, wenn sie selbst eine Göttin auspowerte? „Nicht so schwer, glaubt mir.“, flüsterte Narunia mit müder Stimme. Sie richtete sich auf und strich sich erneut ihr rabenschwarzes Haar aus dem Gesicht. Melanie und Axel verwunderte es nicht, dass sie ihre Gedanken kannte. Hatten sie sich doch keine Mühe gegeben sie zu verbergen. „Geht es Ihnen gut?“, fragte Melanie besorgt. Die junge Göttin winkte nur ab. „Macht euch darum keine Sorgen.“ Sie lächelte müde. Melanie warf Axel einen fragenden Blick zu. Der blickte sie traurig an und sie senkte den Blick. Die beiden hatten Mitleid mit der Göttin. „Ihr wolltet uns sprechen, Herrin Narunia?“, fragte er vorsichtig und blickte die Göttin verlegen an. Diese seufzte und schüttelte einmal den Kopf, um die bleierne Müdigkeit loszuwerden. Es halt jedoch nichts. Narunia verteilte geistig einen Pluspunkt an den Jungen. Er hatte sie nicht Göttin genannt. Aber wieso? Dem müsste sie gleich mal auf dem Grund gehen. „Ja, Shuranas...es ist meine Aufgabe, euch euer nächstes Ziel zu sagen, doch nennt mich Göttin des Schicksals, bitte!“ Ihre Augen blitzten kurz mit ein wenig Heimtücken auf. Es war ein kleiner Test für den Jungen. Wie würde er antworten? Würde er ohne Widerworte gehorchen? Das wäre nicht gut, denn dann ist er zu leicht manipulierbar. Melanie warf Axel einen Blick zu. „Bitte tu es!“, flehte sie in Gedanken. Axel betrachtete Narunia nachdenklich. Diese lächelte matt. Zumindest überlegte er, als war er nicht komplett durchgefallen. Axel war das kurze Aufblitzen von ihren Augen nicht entgangen und genau das machte ihn stutzig. Der Satz war so komisch formuliert, dass es sich nur um eine Falle handeln konnte. Doch er wollte nicht unhöflich sein, also suchte er nach einer guten Formulierung. Als er sein Byagan trainiert hatte, hatte er auch gelernt auf jede Kleinigkeit zu achten, denn es war äußerst wichtig. Er räusperte sich, um die Aufmerksamkeit von Narunia auf sich zu ziehen, denn sie driftete wieder in die Weiten ihres Wissens ab. „Wenn das wirklich euer Wunsch ist, dann werde ich dem nicht im Weg stehen...“ Seine Stimme war ehrfürchtig. Narunia hob den Kopf und blickte ihn traurig an. Er war es also! Doch genau das war es, worauf Axel gewartet hatte. Er hatte sich ebenfalls eine kleine List einfallen lassen. Er wollte eine kleine Pause machen um herauszufinden, was sie von ihm hören wollte und anscheinend war es genau das, was er auch wirklich meinte. Er holte einmal geräuschvoll Luft, um der Göttin zu Verstehen zu geben, dass er noch nicht fertig war. „Doch es wäre keine ehrliche Anrede.“, fuhr er fort. Melanie schnappte nach Luft. Nein! Er durfte das nicht tun! Darüber hatten sie doch lang und breit gesprochen. Axel drehte sich zu ihr um und lächelte. Seine Augen blitzten und Melanie nickte. Er wusste, was er da tat. Narunia blickte erneut auf und legte ihre hohe Stirn in Falten. Sie blinzelte verwirrt. „Keine ehrliche Anrede, was meint Ihr damit, Axel? Sprecht!“ Ein forschender Blick ihrerseits lag auf ihm, doch der Junge zog nur spielerisch eine Augenbraue hoch. Es verlieh ihm den Anblick, als würde er das, worauf er hinauswollte für offensichtlich halten, aber sie zu blöd war es zu erkennen. Es war ein Spiel von ihm und sie war bereit mitzuspielen. Sie nahm eine coole, abweisende Haltung an, aber zum Kontrast machte sie einen unwissenden Blick. Lässig legte sie ihren Arm über die Lehne. Der Junge lächelte einmal kurz. Er hatte also Recht gehabt und das ohne Byagan. Er blickte Narunia an und legte eine theatralische Pause ein. Er spielte mit ihr und das wusste Narunia auch. Doch genau das gefiel ihr. Ihr gefiel es, dass er sie eher wie einen Adligen, als eine Göttin behandelte, so brauchte sie nicht so krampfhaft versuchen, die Maskerade aufrecht zu erhalten. Wirklich ein toller Bursche und das Vertraun, was Melanie in den Jungen hegte, war erstaunlich. Narunia konnte ihr deutlich ansehen, wie ihr das Spielchen von Axel gar nicht gefiel, doch sie hielt sich heraus, obwohl sie unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und verlegen den Blickkontakt mied. Eine eiskalte, abwartende Stille senkte sich wie ein bleiernes Tuch über den Raum. Keiner der beiden, war gewillt nachzugeben. Axel saß da, wie auf der Pirsch. Er wartete auf einen günstigen Augenblick, doch so einfach würde die Göttin ihm den nicht geben. Es war ein Spiel, wobei sie den anderen austesteten und dies wurde nun auch Melanie schlagartig bewusst. Auch sie lächelte. In so was war Axel einfach unschlagbar, er wusste immer genau, wann der perfekte Zeitpunkt für welche Aussage war. Zumindest, wenn er darüber nachdachte, was eher selten der Fall war. Endlich war Axel bereit für das große Finale seinen Planes. Er war bereit den letzten Zug in diesem Schachspiel zu machen und seine Strategie zu enthüllen. Er legte im übertragenen Sinne die Karten offen und seufzte theatralisch. „Weil ich nicht ans Schicksal glaube!“, sagte er mit kaltem Blick. Kapitel 11: Ein interessanter Junge ----------------------------------- 11. Kapitel: Ein interessanter Junge Narunia zuckte zusammen und Schweiß rann von ihrer Stirn. Sie war nun völlig fassungslos. Das, das konnte er doch nicht ernst meinen, denn jeder glaubt an das Schicksal. Jeder Mensch...oder stand vor ihr die Regel, die die Ausnahme bestätigt? Ihre gelben Augen weiteten sich vor Schreck. Obwohl sie es mit aller Kraft zu verhindern versuchte, begann ihr Körper zu zittern. Sie hatte völlig die Kontrolle über ihren Körper und ihre Mimik verloren. Ihr Herz begann zu rasen und sie konnte es nicht glauben. Insgeheim regte sie sich darüber auf, dass sie sich wegen so einer Kleinigkeit aus der Ruhe bringen ließ. Axel bedachte die Göttin mit einem coolen Blick, wobei sein Arm lässig über der Lehne hängen ließ. Fast schon ein wenig abweisend wirkte er. Seine grünen Augen schimmerten und dennoch hatten sie einen kalten, klaren Blick. Er war so stechend scharf, dass Narunia das Gefühl hatte, dass er sie durchdrang. Dass er das Byagan besaß wusste sie ja, aber dass er einen so scharfen Blick hatte, ohne es aktiviert zu haben, dass hätte sie nie geahnt. Hinter diesen Augen schien sich ein scharfer, analytischer Verstand zu verbergen. Ein Schauer lief der Göttin über den Rücken und sie wandte schnell den Blick ab. Ohne ein wirkliches Ziel schweifte ihr Blick durch die Halle, wo sie jeden Winkel auswendig kannte, doch sie heuchelte Interesse für diesen Raum um der drückenden Stille zu entgehen. Wie eine schwere Decke lag sie auf der großen Halle und schien sie zu erdrücken. Die Luft war erfüllt von großer Erwartung und Spannung. Narunia musste sich erst einmal von dem Schock erholen und sich etwas beruhigen. Sie versuchte wieder sich die erhabene Maske aufzusetzen, die sie für einen kurzen Moment verloren hatte. So wirklich gelingen wollte es ihr aber nicht. Ihre Miene wurde zwar wieder herrisch, doch ihre Augen schimmerten noch immer so überrascht wie vorher. Es sah schon etwas lustig aus, wie sie verzweifelt versuchte, ein abweisendes Erscheinungsbild herzustellen, was aber nur an dem Ausdruck ihrer Augen scheiterte. Ein wenig tat sie Axel ja leid, aber nur en wenig, denn irgendwie hatte er ein seltsames Gefühl, so als würde...ach er wusste es ja selber nicht, aber er konnte gerade nicht der Verständnisvolle sein. Melanie blickte zwischen den beiden hin und her und zuckte nur genervt mir den Achseln. Das könnte jetzt echt noch heiter werden. Wenn Axel diesen Blick drauf hatte, dann war mit ihm nicht zu spaßen. Ganz und gar nicht...Sie seufzte und strich sich durch die Haare. Das sich Axel so was erlaubte gegenüber einer Göttin...unglaublich. Stumm schüttelte das junge Mädchen ihren Kopf. Wie sehr ging ihr das auf die Nerven. Ihr Freund wusste echt nicht, wann es besser den Mund zu halten. Oft war er ziemlich direkt, was sehr lustig sein konnte, doch oft war es einfach nur taktlos. Sie hatte damit leben gelernt, denn sie wusste, dass er es nicht böse meinte. Er gab gerne den Coolen, doch im Grunde hatte er ein Herz aus Gold. Noch immer war Narunia ziemlich geschockt und ihre Mimik war noch immer eine seltsame Mischung aus Überraschung und abweisender Kühle. Als sie zu sprechen begann, zitterte ihre Stimme und nur ganz weit entfernt konnte man erahnen, dass sie versuchte, wieder Kraft in ihre Stimme zu legen- mit eher mäßigem Erfolg. „A...aber...ihr Menschen...glaubt doch immer an das Schicksal...wieso...?“ Doch, gelang ihr wirklich gut. So redeten Götter doch immer, musste man schon sagen. Klang doch total erhaben. Axel schnaubte. Ja klar, die anderen vielleicht, er aber sicher nicht. Er verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Er ließ sich von Niemand vorschreiben, was er zu tun hatte, da war er eigen. Er machte ein grimmiges Gesicht. Axels Stolz war verletzt und das hat zu Folge, dass Wut in ihn aufbrodelt. Er hatte ein hitziges, züngelndes Temperament, welches völlig unberechenbar war- ähnlich dem Verhalten einer Schlange, die auf Beute lauerte. Meist war er ein etwas „überkühlter“, netter Kerl, der sehr an Moral hing, aber öfters auch gerne den Rebell raus hängen ließ. Insgesamt war er schwer einzuschätzen und neigte manchmal zu Gefühlschwankungen. Was vielleicht etwas mit dem Geheimnis zu tun hatte, was ihn wie eine dunkle Wolke umwaberte, die ihn ständig begleitete. Es hatte etwas mit seiner Vergangenheit zu tun, doch sobald man ihn danach fragte, wich der dem Thema aus. Es war der dunkle Schatten seiner Seele, den er zu verdrängen versuchte, ihm aber nicht gelang. Keiner seiner Freunde wußte, was vorgefallen war und immer wenn sie es ansprachen. Verschloss er sich und war nicht mehr ansprechbar. Seine Augen bekamen dann immer einen matten, glasigen Glanz, wie der von leblosen Puppen. Er wirkte dann seltsam zerbrechlich und Midna, Melanie und Casar lief jedes Mal ein eisiger Schauer dem Rücken hinab, also ließen sie das Thema ruhen. Seit dem hatte er sich total verändert. Er kam von weit her, als er in das Gebiet der Shironaran zog. Dieses Gebiet umfasste alles von Transan bis hin zum Iranogebirge, welches noch viel weiter im Norden liegt, als das Starangebirge. Doch er kam anscheinend von der anderen Seite des Planeten. Als er zu ihnen kam, war er ängstlich und verschwiegen. Immer zu saß er mit abwesendem Blick da und schien sich in seiner eigenen Welt zu befinden, den Blick in unbekannte Weiten schauend. Ob sich damals schon zeigte, dass er eine besondere Sehkraft besaß? Er wusste es nicht. Er war schon immer einsam gewesen und hatte nie Freunde gehabt. Er war nicht wie die anderen und würde es wahrscheinlich nie sein, doch es war ihm egal, solange er sich selbst treu blieb. Doch dann hatten sich Melanie, Casar und Midna einen Ruck gegeben und ihn angesprochen. Seit da an blühte er richtig auf. Ein Stoß in die Rippen ließ ihn jäh aus seinen Gedanken schrecken. Melanie hatte ihn in die Seite gestoßen und blickte ihn vorwurfsvoll an. Der Junge legte seinen schmalen Kopf schief und blickte Melanie verwirrt und verständnislos an. Was hatte er jetzt schon wieder angerichtet? Seine Augen bekamen nun einen leicht genervten Ausdruck. „Was denn...?“, formte er stumm mit den Lippen. Melanie stöhnte genervt auf und schüttelte nur den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein! Taktlos wie eh und je...typisch...Sie schürzte die Lippen und blickte ihn fast schon missbilligend an. Axel sollte mal seinen Grips anstrengen. Die Reaktion von ihm kam prompt. Er warf ihr einen giftigen Blick zu. Was war denn mit der los? Er betrachte sie, wobei ein finsterer Schatten über seinem Gesicht lag. „Was?“, fragte er wieder stumm, doch seine Miene zeigte deutlich, dass er vollkommen genervt war. Melanie schüttelte erneut den Kopf und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn, was ein dumpfes Geräusch verursachte. Die Botschaft war eindeutig und ließ es in dem Jungen brodeln, wie der Vesuv, der kurz davor war auszubrechen und Pompeii unter sich zu begraben. Die Wut fraß sich durch ihn hindurch und trübte sein Urteilsvermögen wie eine schmutzige Glasscheibe. Sein Blick spie nur so vor Zorn, doch Melanie ließ das völlig kalt. Musste er so eine Show abziehen? Das war ja völlig überflüssig und unnötig. Sie wusste ja nicht, dass sein Gemüt von den schmerzhaften Erinnerungen verletzt war und dass er nun Hohn gar nicht habe kann. Melanie strich seelenruhig die Haare hinter die Ohren und behielt ihren vorwurfsvollen Blick bei, was Axel sichtlich fuchsteufelwild machte. Eine Grabesstille lag im Raum und die Blicke der beiden versprühten Funken. Um das alles nicht noch unnötig in die Länge zu ziehen entschloss Melanie sich, ihm einen Hinweis zu geben. Sie deutete mit dem Kinn auf Narunia. Es war ein so unscheinbares Zeichen, dass es Axel fast entgangen wäre, wenn er sich nicht voll auf sie konzentriert hätte, doch nun war er vollends verwirrt und drehte seinen Kopf zu Narunia um. Diese saß wie ein Häufchen Elend zusammengesunken auf ihrem Stuhl und hatte den Blick abgewandt. Ihre Haltung war geduckt und schützend. Sie hatte ihre Schultern hochgezogen und den zierlichen Kopf auf die Brust gelegt. Ab und an durchlief ein Zittern ihren Körper. Sie wirkte nun gar nicht mehr wie ein mächtiges Wesen, sondern eher wie ein kleines Kind, welches sich am liebsten unter einer Bettdecke verkrochen hätte. Verwirrt wandte sich Axel wieder zu Melanie um, wobei sein Haar wie glimmende Glut im schwummrigen Fackeln und Nachthimmellicht leuchtete. Verständnislos sah er ihr in die Augen und sie konnte die Frage genau lesen, die in ihnen stand: „War ich das?“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen und ließ Axel aufatmen. Sie war also nicht böse. Welch ein Glück. Doch er würde gern wissen, was er angestellt hatte. „Das hättest du dir sparen können, Axel!“, raunte sie ihm zu und weit entfernt klang noch Ärgernis mit. Axel zog beide Augenbrauen in die tief über die Augen. Was denn? Er wusste echt nicht, was er so schlimmes getan hatte. „Musstest du Narunia so stechend ansehen? Du hast sie ja schon fast durchbohrt mit deinem unheimlich festen Falkenblick.“, murrte das junge Mädchen und hielt den Blick fest auf Axel gerichtet, welcher sie völlig überrascht anstarrte. Hatte er? „Habe ich das?“, fragte er sie und senkte betreten den Blick. Nun sah Melanie ihn überrascht an. Hatte er es nicht bemerkt? „Ich habe nicht wieder in die Ferne gestarrt...?“, murmelte er leise und sein Blick wanderte durch den Raum. Melanie zuckt zusammen. Sie wusste nun, woran er vorhin gedacht hatte. Mitleid löste nun die Missachtung in ihren Augen ab. Sie legte ihm ihre zierliche Hand auf die Schulter und Axel blickte auf. Trauer und Schmerz brannten in seinen Augen und es sah so aus, als würde er gleich zusammenbrechen. „Du hast wieder daran gedacht...oder?“ Er wandte den schmerzerfüllten Blick ruckartig ab. Melanie ließ ihn in Ruhe, nur die Hand ruhte weiterhin auf seiner Schulter. Als Zeichen, dass sie bei ihm war. Man hätte in den Raum eine Feder fallen hören können. Das einzige was die Grabesstille stört war das Knistern der Holzfackeln, die an den Säulen hingen und ein schwummriges Licht, wie tanzende Irrlichter, auf dem gesamten Raum warf. Nur eine Ecke lag in Dunklen. Es war unglaublich ruhig. Axel hatte den Kopf gesenkt und schien zu überlegen, während Narunia noch immer völlig von der Rolle war. Melanie blickte hilflos zwischen den beiden hin und her. So eine verdammt blöde Situation. Innerlich fluchte sie, doch dann sah sie ein, dass das gerade keinen Sinn hatte. Nun war Überlegen angebracht, sonst könnte es unangenehm werden. Nervös rutschte Melanie auf ihren Stuhl hin und her. Ihr Stuhl klackerte auf dem Marmorboden, als er immer von einem Beinpaar auf das andere wechselte. Sofort hielt sie inne und blickte Axel und Narunia an. Keiner schien es wahrgenommen zu haben. Axel stierte vor sich hin und Narunia blickte zur Decke hinauf. Melanie kam die Stille richtig erdrückend vor und ein eiskalter Schauer lief ihren Rücken hinab. Ihre Eingeweide verkrampften sich und sie wartete eigentlich darauf, dass gleich ein Monster sie ansprang. Vorsichtshalber schielte sie zu der Ecke, die im Schatten verborgen lag. Was sich wohl da befand? Eigentlich wollte sie es gar nicht wissen. Ihr Herz schlug höher und sie schluckte. Melanie kam es fast so vor, als wäre der Schatten ein Monster, welches sich nach ihr ausstreckte. Blitzschnell drehte sie ihren Kopf weg und zog instinktiv schützend die Schultern hoch. Unheimlich...! Mehr fiel ihr dazu nicht ein. „Ich bin aber nicht die Anderen. Was die glauben ist mir egal.“ Die Worte kamen so unerwartet, dass Melanie abrupt zusammenzuckte und sich umwandte. Axel hatte nun den Kopf gehoben und seine Augen blitzten stechend klar. Seine Worte waren kalt und hallten mehrmals von der hohen Decke wieder. Er wirkte so fremd, dass es Melanie Angst machte. Narunia hob den Kopf und blickte ihn überrascht an. Wieder Stille... „Außerdem gefällt mir der Gedanke nicht.“, murrte er unter zusammengebissen Zähnen. Das war nun nicht mehr normal, fand der weibliche Shurana. Was war bloß on letzter Zeit los mit ihm? Sie blickte ihn lange schweigend an und Narunia die sich wieder unter Kontrolle hatten, tat es ihr nach. „Was für ein Gedanke gefällt dir nicht?“, fragte Narunia und machte ihre Verwirrtheit damit Platz. Melanie zog die süßlich duftende Luft in sich hinein. Es roch nach Weihrauch, Kümmel und einige andere Gewürze. Axel schnaubte und haute mit der Hand auf den Tisch, dass das Geschirr klirrend in die Luft sprang. Melanie blickte ihn beängstigt an. Was war los? Was war bloß los mit ihm? Er machte ihr richtig Sorgen. Der nette Jungendliche, den sie aus der Schulzeit kannte, ging immer mehr verloren. Seine Seele verwandelte sich unter der Angst immer mehr in einen aufbrausenden Kerl oder ein eiskalter Mensch. Es schien, als würde er seine alte Lebenseinstellung über Bord werfen und das trieb einen Dolch der Trauer durch ihr Herz, was seinen Namen trägt. Gerne würde sie ihn in den Arm nehmen, doch momentan war es nicht möglich. Sie fühlte, wie er sich immer weiter von ihr entfernte. Vor ihrem inneren Auge, sah sie einen dunklen Raum, nur die Stelle wo Axel stand, leuchtete ein schwacher Lichtschein. Ein dunkler Schatten floss in die Dunkelheit im Raum. Er stand seitlich zu ihr, den Kopf seitlich geneigt und nachdenklich blickte er zu Boden. Immer weiter verschwand er aus ihrem Geist und ihrem Herzen. Immer kleiner wurde seine schöne Gestalt in ihrem Kopf und sie rannte mit ausgestreckter Hand dem alten Axel hinterher. Doch ihre Mühen waren vergebens- ihr Freund rann ihr wie Sand aus der Hand. Seine ursprüngliche Art löste sich immer auf und zerfloss wie Wasser. Traurig blickte sie Axel an, der noch immer Narunia betrachtete. Er wirkte so kühl, dass sich eine Gänsehaut auf ihren Armen bildete. Sie schluckte, um die Tränen zurück zu halten, die ihre Verzweiflung in ihr hochtrieb. Wie um die Distanz zu verdeutlichen, rückte Axel seinen Stuhl von ihr weg und ein schabendes Geräusch ließ die Luft vibrieren. Traurig stützte Melanie den Kopf auf ihre Hand und das lange Haar fiel in ihr Gesicht. Sie schluckte und schloss die Augen. Am liebsten würde sie fortrennen- weit weg, wo sie ihn nie wieder sehen müsste, denn er war dabei ihr das kleine Herz zu brechen. Mit jeder Faser ihres Herzens liebte sie Axel, aber nicht diesen, sondern den alten. Langsam stiegen Bilder aus den vergangen Tagen ihr hoch und brannten sich vor ihre Augen. Wie er mit ihr sprach und sie in Lachen ausbrach; wie er, als sie krank war, an ihren Bett gewacht hatte; dass Wettrennen zwischen ihr und ihm und wie er sie vorhin in den Arm genommen und geküsst hatte. Sie führte ihre Finger an die Lippen und spürte wieder seine zarten Lippen auf ihren. Es war nur drei Stunden in etwa her und doch kam es ihr vor, als wäre es eine Ewigkeit. Die schleichende Veränderung, die ihr Freund durchlief, anfangs hatte sie sie gar nicht wahrgenommen oder ignoriert, denn sie wollte es nicht wahr haben. Sie wollte nicht, dass das besondere Band zerschnitten wurde. Doch zerschnitten von wem? Von der Aufgabe? Von der damit verbundenen Angst? Sie wollte Axel nicht verlieren, doch genau das passierte nun immer mehr. Melanie möchte am liebsten wieder den neckischen Ausdruck in seinen Augen sehen, doch das war leider Fehlanzeige. „Das fragt Ihr noch, Herrin Narunia?“, fuhr Axel fort und obwohl seine Formulierung respektvoll endete, war es seine Stimme gar nicht. Vorwurf war in ihr zu hören und der Junge war sichtlich genervt. Missmutig starrte Narunia an, doch diesmal blieb sie gelassen. Melanie kannte diese Stimme kaum von ihm. Es fiel ihr schwer, sie zu deuten, doch eins fiel ihr sofort auf: Es fiel ihm richtig schwer die Beherrschung nicht zu verlieren. Narunia runzelte die Stirn auf Grund von Axel. Sie stützte ihren Kopf auf ihre Hände und blickte Axel wie eine gütige Großmutter an. Ihre gelben Augen schimmerten verständnisvoll und verwirrt zu gleich. Ihr Atem ging nun ruhig und ihre Körperhaltung war nun straff und Ehrfurcht erregend. „Mir gefällt der Gedanke nicht, dass unser Leben vorbestimmt ist und wir trotzdem glauben, dass wir frei in unseren Entscheidungen sind. Ich will nicht glauben, dass unser Leben in Ketten gelegt ist und dass unser Leben einem gewissen Pfad folgt. Mir gefällt der Gedanke nicht, keine Macht über meinen Weg zu haben.“ Nun zuckte Melanie erst Recht zusammen und warf ihm einen verängstigten Blick zu. Macht? Redete er gerade von Macht? Das war gar nicht der Axel den sie kannte. Angst glimmte in ihren Augen auf. Axel und Narunia entging diese Gefühlsregung nicht. Axel ignorierte es dezent. Während Narunia sie mit enttäuschten Blick ansah. Auch ihr gefiel es nicht, wie der Junge sich gab, obwohl sein Standpunkt wenigstens von Willensstärke zeugte. Ein Rascheln und Kratzen aus der stockfinsteren Ecke ließ Melanie aufhören. Sie wandte der Ecke den Kopf zu und zog beide Augenbrauen hoch. Was war das gewesen? Es klang wie Krallen auf Marmorboden. Auch Narunia und Axel lauschten dem Geräusch, was nun jäh abbrach. „Was war das?“ Zwischen jedem Wort machte Melanie eine Pause um zu lauschen. Schon wieder raschelte etwas in der Ecke. Nun klang es nach dem Rauschen eines flatternden Umhangs. Melanie erhob sich und wollte um die Ecke spähen, doch Axel hielt sie am Arm fest. Verwundert blickte sie ihn an, denn Axels Blick war besorgt und flehend. „Sei bitte vorsichtig!“, flüsterte er mit schwacher Stimme. Angst zeigte sich in seinen Augen. Verdutzt betrachtete sie Axel. Jetzt war er wieder so sorgevoll. Hatte er etwa zwei Persönlichkeiten? Fast erschien es ihr so. Vorsichtig löste sie sich von ihm und schlich weiter. Die Spannung und Angst wuchs mit jedem Schritt, den sie tat. Ihr Körper zitterte und sie versuchte möglichst leise zu gehen. Die Herzen der Drei begannen immer schneller zu schlagen. Nun bog Melanie auf die Ecke zu. Sie ließ den Tisch hinter sich und hielt an einer Fackel kurz inne. Die Fackel warf einen flackernden Schimmer auf ihren Körper. Axel bibberte und aktivierte sein Byagan, doch es zeigte nichts an. Enttäuscht deaktivierte er es und betrachtete gebannt, wie Melanie nun in die Dunkelheit der Ecke eintauchte. Axel hielt den Atem an. Doch eine Minute verging und Melanie tauchte nicht mehr aus der Dunkelheit auf. Melanie blinzelte, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Alles lag im Halbschatten. Eigentlich war es bloß eine ganz normale Ecke, die von einer Säule von den Blicken der Drei abgeschirmt wurde, doch irgendetwas war hier nicht in Ordnung. Sie spürte eine unheimliche Anwesenheit, so etwas in der Art, wie sie bei dem Anblick der schwarzen Wolken in der Nacht damals gehabt hatte. Sie spürte eine Präsens, die sich an der ihren rieb, wie zwei magnetische Felder, dass es ihr die Nackenhaare aufstellte. Melanie kniff die Augen zusammen und starrte den langen Flur an und die Dunkelheit schaute zurück. Melanie zuckte zurück und zögerte. Dann spürte sie plötzlich eine Luftwelle und eine Explosion durchbrach die Stille im Raum. Melanie wurde von den Füßen gerissen und gegen eine Mauer geschleudert. Die Fackel im Halter wackelte bedrohlich und wäre fast herunter gefallen. Ihr Kopf schmerzte und sie bekam keine Luft mehr. Axel hörte den Knall und sprang sofort auf. Der Stuhl fiel zu Boden und auch Narunia richtete sich halb auf, da flog auch schon Melanie durch die Luft und er schrie auf. Ein Mann trat aus der Dunkelheit. „Du bist wirklich ein interessanter Junge, Shurana. Wie ist dein Name?“ Die dunkle Stimme donnerte durch den Raum und die Fackeln erloschen, so als würde sein eisiger Hauch sie ausblasen. Axel schrak zusammen und wich automatisch zurück. Er hörte Narunia Keuchen. Der Mann war ja riesig. Er war kräftig gebaut. Axel konnte keine Stelle erkennen, wo er keine Muskeln zu haben schien. Sein Gesicht war kantig, wie von jemand gezeichnet. Seine kleinen, rot glühenden Augen waren für Axel der Blick des Teufels. Die Nase war breit und der Junge wusste, dass er damit ausdauernd war. Die schmalen, blutleeren Lippen waren zu einem bösen Lächeln verzogen, dass es ihn schauderte. Um die kräftigen Schultern flatterte ein schwarzer Umhang mit purpurner Unterseite. //Der Herr der Dunkelheit.//, schoss es durch seinen Kopf und instinktiv wich er noch weiter zurück. Er hatte die Angst in seinem Innern nicht mehr unter Kontrolle. Sie ließ ihn zittern und ertränkte ihn in eiskalter Panik. Die Temperatur kühlte im Raum rasend schnell ab und Eiskristalle bildeten sich an den Wänden. Es knisterte als sich das Eis über die Wände zog. Verzweifelt versuchte eine letzte übrig gebliebene Fackeln gegen die Kälte anzukommen, doch dann gefror die Flamme. Axels Atem kondensierte in der bitter kalten Luft zum Nebel, der träge zu Boden schwebte. Ob das an dem Kerl lag, der ihn so durchdringend ansah? Axel wusste es nicht und war auch nicht im Stande darüber nachzudenken. Er wusste nur eins- nämlich, dass er hier weg wollte. Der unheimliche Mann war höchstwahrscheinlich an die 30 und trug einen pechschwarzen Brustpanzer, der in eine schwarze Hose überging. Es hallte, als er mit den schweren Schuhen über den Boden auf Axel zuging. Axel hingegen trat die Flucht nach hinten an, doch dann stolperte er über den Stuhl und fiel rücklings über den Stuhl. Direkt neben Melanie. Enttäuscht schüttelte der Mann den Kopf und dann ließ er ein bellendes Lachen hören, dass die Eiskristalle nur so klirrten. Axel blieb der Atem weg. Die eisige Kälte und die Aura der Macht, die von dem Höllenfürsten ausging, umfingen ihn wie eine schwere Wolke und ließen ihn laut Keuchen. Angstschweiß gefror auf seiner Stirn zu glasig flackernden Tränen. „Nun rede endlich, oder ich werde ungemütlich!“, fuhr der Gegner Axel an und der Junge wimmerte vor Angst, doch die Sorge um seine Freunde ließ ihn antworten. „A...Axel.“, stotterte er verängstigt und er riss die Augen auf. Gewandt stieg der unheimliche Kerl über den Stuhl und ein Knurren kam aus der Ecke, wo auch er eben hergekommen war. „Dragos!“ Narunia spurtete um den Tisch herum und stellte sich vor die Shuranas. Feindselig starrte sie den Mann. Verwundert blinzelnd, wie ein Kleinkind, legte er den Kopf schief. „Bitte nicht böse sein, Mama!“, flüsterte er mit zuckersüßer, aber ironischer Stimme. Narunia zuckte zusammen und knurrte wie ein Wolf. Axels überraschter Blick durchlöcherte die Schulter der Göttin. Mama? Mama? Was meinte er mit Mama? An seiner Seite regte sich Melanie und stöhnte. „Was willst du hier?“, fauchte Narunia und beugte den Kopf vor. „Brauche ich einen Grund um meine Mutter zu besuchen?“, fragte Dragos im beleidigten Ton. Er verschränkte die Arme und grinste höhnisch. Ihm machte die Situation sichtlich Spaß. Sein Blick glitt durch den Raum und ruhte dann wieder auf seiner angeblichen Mutter. „Wie ich sehe, lebst du noch immer in so einen Versteck. Wovor versteckst du dich diesmal?“ Narunia ließ sich nicht aus der Fassung bringen, doch ihr Körper bebte vor Wut. Ihr Teint wurde noch fahler, als er ohnehin schon war. Diese Aussage hatte sie schwer getroffen. „Dann warst du also für die Wolken verantwortlich!“ Dragos blickte sie verwundert an und lachte dann und es klang wie ein Wahnsinniger. Viel stimmig hallte es von den Wänden wieder und bald schon hatte man das Gefühl, dass überall ein Dragos stand. Der Höllenfürst legte seine Hand auf den Knauf seines Schwertes, welches in einer blutrote Scheide mit goldener Verzierung nur auf seinen Einsatz wartete. Das schwarze Haar kräuselte sich um seinen Kopf und er strich es zurück. Die Blutaugen funkelten amüsiert. „Du bist aber langsam geworden. Ich brauchte nun mal Dunkelheit für die Beschwörung.“ Narunia zuckte zusammen und wich nun auch zurück. Angstschweiß rann nun von ihrer Stirn und sie hoffte, sich verhört zu haben. „Be...Beschwörung? Was für eine Beschwörung?“ Dragos lächelte nur viel sagend und schnippte mit den Fingern. Ein Grollen kam aus der Ecke und dann erzitterte der Raum unter schweren Schritten. Bumm...Das Geräusch wurde lauter und verschluckte jedes Geräusch. Bumm...Die Fackeln flogen aus ihren Haltern. Bumm...verängstigt wandten sowohl Axel als auch Narunia der Ecke erneut den kopf zu. Bumm...ein Brüllen, was nicht von dieser Welt zu stammen schien vibrierte durch die Luft. Bumm...nun war es schon ganz nah und ohrenbetäubend. Axel wurde schwindelig. Bumm...ein riesiger Hund mit drei Köpfen, mit fletschenden Reißzähnen und pechschwarzen Fell duckte sich unter einem kleinen Bogen hindurch. Sabber lief aus seinem Maul und fiel zu Boden. Ein schrecklich schabendes Geräusch seiner Krallen begleitete jeden Schritt. Er war mindestens fünf Meter groß und hatte schwefelgelbe Augen. „Darf ich euch mein Haustierchen vorstellen? Zerberus, der Höllenhund.“ Kapitel 12: Axel- In der Hand des Bösen --------------------------------------- 12. Kapitel: Axel In der Hand des Bösen Axel fuhr zusammen und krabbelte auf allen Vieren rückwärts, als der Höllenhund mit großen Schritten auf ihn zukam. Die Köpfe waren gesenkt und der Körper zum Sprung angespannt. Die sehnigen Muskeln spannten sich unter dem samtig glänzenden Fell. Zerberus brüllte und klirrend fielen die Teetassen zu Boden. Der Schwanz, der dem vom Teufel ähnlich sah, schlug zornig hin und her. Der große Hund bleckte die messerscharfen Zähne. Fleischreste hingen zwischen ihnen, obwohl sie sich anscheinend ziemlich lange sich dort befanden, denn sie waren schon leicht verwest. Der Atem von Zerberus wurde zu einer Wolke aus modrigem Geruch nach sich zersetzenden Fleisch, Blut und schlechten Atem und schwebte Axels Kopf. Dem Jungen wurde speiübel und schwindelig von diesem betäubenden Geruch. Der Raum begann sich vor seinen Augen zu drehen. Sein Magen verdrehte sich und die Galle kam ihm hoch. Ein amüsiertes Lächeln lag auf den schmalen Lippen von Dragos. In seinen Augen funkelt das Böse. Ganz vorsichtig wandte Axel den Kopf zu Melanie um. Sie lag noch immer an der Marmorsäule und die Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Blut tropfte leise aus ein paar Wunden in ihren Armen. Ihre Atmung war flach und hektisch. Der Kranz in ihren Haaren war verrutscht- das prachtvolle Gewand zerrissen. Ein flackernder Lichtschein tanzte auf ihrem Körper. „Ich bin ein verwöhntes Kind, Mama, das weißt du doch.“ Das Ziel der Formulierung von Dragos wurde erfüllt. Wut brannte in den gelben Augen der Göttin auf. Der Sinn war sie unvorsichtig zu machen, damit er seinen Plan verwirklichen kann. „Ich will immer Alles und gebe keine Ruhe, bis ich es habe.“ Ein neckisches Grinsen mit versteckter Boshaftigkeit verzog sein Gesicht und es wirkte unecht. Axel schluckte und sein Herz raste nun noch schneller. Ohne Ruhe drehten sich seine Gedanken und Panik erstickte seine Sinne. Sie mussten einen Ausweg finden und zwar schnell. Er blinzelte schnell, so als würde er hoffen, dass es nur ein Traum wäre, doch leider war das alles nur allzu real. Spürte er doch sogar die böse Aura von Dragos, die ihm den Atem nahm. „Und was willst du diesmal, du unartiges Kind?“, fragte Narunia eiskalt. Sie strich sich durch das Haar und setzte sich einen tadelnden Blick auf. Sie stemmte die Hände in die Hüfte und sah nun wirklich aus wie eine Mutter, die gerade mit einem trotzigen Kind sprach. Dragos setzte eine traurige Miene auf, dennoch blieben die Züge hart und die Augen waren kalt. Mit einer rosigen, spitzen Zunge fuhr er sich über die blassen Lippen. Wieder wanderte der Kopf durch den langen Raum. Zerberus stand hinter seinem Herrn und ließ die beiden Shuranas nicht mehr aus den Augen. „Ihr müsst fliehen!“, hallte Narunias sanfte, ernste Stimme in seinen Gedanken und fügte sich in den Gedankenstrom von ihm nahtlos ein. Wäre die Stimme nicht eine andere, hätte es sich glatt um seine Gedanken handeln können. Axel bemerkte, wie Narunia ihn nebenbei eingehend anblickte. Der Junge raufte sich die Haare und warf seiner Freundin einen raschen Blick zu. So richtig mit ihren Gedanken wieder dabei war sie nicht, doch hatte sie sich schon etwas aufgerichtet. Axel legte seine starke Hand an Melanies Arm und Zerberus knurrte warnend. „Wie denn?“, antwortete der Rotschopf hoffnungslos. Er senkte den Kopf und hatte sich bereits in sein Schicksal ergeben. Narunia verdrehte die Augen und sah dann wieder ihren Sohn an. Dieser hatte den Kopf auf die Brust gelegt und schien zu dösen. „Ähem!“, räusperte sich Narunia verärgert und Dragos schreckte aus seinem Nickerchen und blickte sie verschlafen an. Er war eine Provokation, doch Narunia war intelligent genug, um nicht darauf einzugehen. Desinteressiert wandte sie den Blick ab. Zerberus kläffte, doch Dragos hob die Hand, um ihn zurückzuhalten. Sein Blick schäumte vor Wut. Narunia lächelte kalt und schleuderte einen smaragdgrünen Blitz gegen Dragos. Dieser drehte sich in letzter Sekunde weg, der Blitz traf Zerberus genau in der Brust und ließ ihn winselnd zu Boden sinken. Narunia hob die Hand und sprach einen Befehl mit fremder Zunge. Eine weiße Kugel aus Energie sammelte sich vor ihrer Handfläche und schoss schneller als der Schall auf den Höllenfürsten zu. Dieser gähnte gelangweilt, sprach etwas und die Kugel zerschmetterte eine Büste aus hellem Stein. Narunia lächelte noch immer und sprach wieder. Die Kugel, die sich in den Stein gegraben hatte, zitterte und flog nun von hinten auf den Gegner zu. Mit so etwas hatte dieser nicht gerechnet und wurde von einer starken Explosion von den Füßen gerissen. Sein Kopf knallte gegen die Tischplatte und benommen blieb er liegen. Axel erkannte das Zeichen, zog Melanie auf die Beine und rannte, sie hinter sich herziehenden, zum Ausgang. Narunia schritt gemächlich auch ihre Sohn zu. Axel rannte hinter ihren Rücken her und spurtete so schnell er konnte zum Flur zu. Seine Schritte und die von Melanie verhallten in der Ferne. Dragos rappelte sich stöhnend auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Verdammt! Verwundert stellte er fest, dass Axel verschwunden war. Dann sah er seine Mutter gut gelaunt Grinsen. Sie pfiff ein fröhliches Liedchen und feixte. Da ging dem bösartigen Sohn ein Licht auf, was vorgefallen war. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut und seine roten Augen glühten wie heiße Lava auf. „Du...!“, knurrte er und auch Zerberus rappelte sich auf den Wink seines Herrn hin auf. Er brüllte wütend, als ein messerscharfer Schmerz durch seinen Körper fuhr. Langsam glitt das rot schimmernde Blut aus seiner Wunde. Er hob den Kopf und schnappte verärgert in die Luft. Sein Schwanz peitschte zornig hin und her. „Du warst dass, du elendiges Miststück.“, fluchte Dragos. Narunia blieb ganz ruhig und gelassen. Sie wusste, dass ihr Sohn stärker war, deshalb hatte sie keine Probleme damit alles zu riskieren. „Ich bin dein Gegner! Ich fordere dich zum Duell!“ Axels Atem flog und er schleifte Melanie hinter sich her, die noch immer neben sich stand. Die beiden rannten über den langen Sternenweg und auch diesmal schien die Tür nicht näher zu kommen. Innerlich fluchte er, denn er hatte jetzt schon große Seitenstreiche. Sein Instinkt wollte die Augen schließen, doch Axel tat es nicht. Es würde ihnen nur schaden. Die rennenden, hastigen Schritte von Axel verklangen in dem unendlichen Raum. Die Sterne funkelten ihnen freundlich zu und die vier Elementsterne glimmen ruhig vor sich hin. Axel interessierte das nicht. Er sah nur nach vorne und dachte nur noch an seine Bewegungen. Es knallte und ein Schrei hallte durch den Raum. Zum ersten Mal seit 10 Minuten blieb er stehen und schnappte nach Luft. Schweiß rann von seiner Stirn. Genervt wischte er ihn weg. Seine Beine waren bleischwer. Er drehte den Kopf über die Schulter und auch Melanie erwachte aus ihrer Trance. Sie blinzelte mehrmals, damit sie endlich wieder richtig gucken konnte. Am wesentlichen Teil des Tempels donnerte eine Explosion und ein Teil des vergoldeten Kuppeldachs flog in die Luft. Steine donnerten zu Boden. Axel weitete seine Augen und er hoffte nur, dass es Narunias Angriff war. Melanie warf ihm einen ängstlichen Blick zu. „Was geht da vor, Axel?“, fragte sie verängstigt und weicht etwas zurück. Ihre Augen schimmerten und sie keuchte. Axel fasste sich an die Beine und blickte von unten zu ihr hinauf. Das Haar klebte in seinem Gesicht und seine Augen blickten zärtlich, aber auch ängstlich in ihre Augen. „Narunia kämpft gegen Dragos, damit wir verschwinden können.“ Er richtete sich auf und zupfte seinen Mantel zu Recht. Sein schwarzer Mantel flimmerte im Sternenlicht und sein Haar glühte. Ein weiterer Knall ließ ihn zusammen zucken und langsam richtete er sich auf und blickte zurück. Ein schwarzer Schatten sprang aus dem Explosionsloch. Geschmeidig wie eine Katze landete Zerberus auf seinen Pfoten. Dragos thronte auf dem kräftigen Rücken des Höllenhundes. Auf dem Rand des Loches hing der schlaffe Körper der Göttin. Axel schrie erneut auf und wich er zurück. Melanie schrie sich die Seele aus dem Leib. Dragos lächelte hinterhältig und seine Augen funkelten sie amüsiert an. „Ach ja, das war ja ein nettes Spielchen, doch nun zu euch.“ Ein kurzer Blick für seine Mutter, doch dann traf die Shuranas sein eiskalter Blick. „Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ihr mir entkommen könnt? Böse Kinder!“, tadelte er sie und sein Blick verfinsterte sich. Verrückt! Der Kerl war einfach verrückt! Axel bekam nun richtige Panik. Der hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sein Herz raste, denn nichts war in seinen Gedanken gefährlicher, als ein verrückter Gegner. Wie um seine Vermutung zu bestätigen, lachte der Hüne irre auf und verdrehte die Augen dabei. „NEIN! DU MISTKERL, DU HAST NARUNIA GETÖTET!“, schrie Melanie. Sie bebte vor Zorn. Sowohl Axel als auch Dragos und Zerberus blickten sie verwundert an. Axel schnaubte. Das letzte was sie jetzt gebrauchen konnten war Heldenmut! Sie mussten eine Lösung für ihr Problem finden, denn nun hatten sie Niemanden mehr, der ihnen half. Er biss sich verärgert auf die Lippen. Dragos schnippte mit den Fingern und strich sich das Haar hinter die Ohren. Er gähnte. Die Kleine beeindruckte ihm nicht im Geringsten. Sie war einfach nur sterbenslangweilig. Typisches Verhalten: Große Klappe, nix dahinter! Ätzend... Theatralisch verdrehte er die Augen und stöhnte. Er beugte sich zu den beiden vor; eine Geste, als wolle er sie ins Vertrauen ziehen. Er hielt seine Hand neben seinen Mund und flüsterte ernst und leise: „Mal ganz ehrlich...meine Mutter war es nicht wert, eine Göttin zu sein. Ständig verkroch sie sich in ihrer Höhle und erlaubte Niemand den Zutritt. Die Welt wird sie nicht vermissen, glaubt mir.“ Axel warf einen Blick zu Melanie die vor Wut schäumte. Dieses, dieses Arschloch. Was fiel ihm ein so über seine Mutter zu reden? Ohne sie würde es ihn gar nicht geben. Ihre Zähne knirschten und ihr Kiefer schmerzte davon. Ihr wurde richtig schlecht, als sie den Kerl sah, wie er selbstsicher und völlig gefühlskalt auf seinem Höllenhund saß. Sie krempelte die Ärmel hoch und wollte auf ihm losstürmen, um ihm mal gehörig die Meinung zu geigen, doch Axel schlang seine Arme um sie und hielt sie zurück. „Lass mich los!“, fauchte sie ihn zornig an. Axel schüttelte genervt den Kopf und hielt sie eisern fest. Es brachte ihr gar nichts, dass sie sich wand wie ein Aal. Er würde sie nicht blindlings in den Tod rennen lassen, so viel stand fest. „Nein! Du wirst sterben, wenn du das tust!“, erklärte er bestimmt und blickte sie ernst an. Seine Stirn lag in Falten und dann warf er einen zornigen Blick auf Dragos zu, der sich genüsslich rekelte und das Schauspiel der beiden Freunde mit Interesse verfolgte. Zerberus hingegen scharrte mit der Vorderpfote und wollte endlich angreifen, doch er musste Dragos gehorchen, da konnte er machen, was er wollte. Er knurrte verärgert und machte seinem Ärgernis Luft. „Willst du Narunia nicht rächen?“ Sie bebte vor Zorn und wehrte sich gegen Axels Klammergriff. Axel biss sich wieder auf die Lippen. Natürlich schmerzte es ihn, dass sie gestorben war, doch es war ihre Entscheidung gewesen. Narunia hatte sich geopfert um ihnen die Flucht zu ermöglichen und nicht, damit sie sich blindlings ins Verderben stürzten. Das würde nur das Andenken ihrer Seele beschmutzen. Er wandte traurig den Kopf ab. Am Ende hatte sie wie eine wahre Göttin verhalten und im Stillen zeugte er ihr seinen Respekt. Er hielt den Kopf andächtig gesenkt und murmelt ein Respektbekenntnis auf Mythanisch. Melanie hörte diese Worte und hörte auf sich in seinen Armen zu drehen. Ihr Körper zitterte, denn sie verstand, was er sagte. Dennoch versuchte sie auf Dragos zu zu rennen, doch Axel drehte sie einmal um 180° und schubste sie in Richtung Ausgang. Melanie protestierte lautstark und strampelte mit den Beinen. „Renn! Du hilfst niemanden damit, wenn du einen Heldentod stirbst. Außerdem könnte ich es nicht ertragen.“, flüsterte er ihr leise ins Ohr. Melanie zuckte zusammen und ein Schauer lief an ihrem Rücken hinab. Sie hob zu einer Erwiderung an, doch die messerscharfe Stimme von Dragos schnitt dazwischen: „Wer flüstert der lügt.“ Er gluckste und wischte sich mit dem Arm über den Mund. Doch sofort verfinsterte seine Miene sich. „Es gibt für euch kein Entkommen. Schließe dich mir an, Axel und ich lasse deine Freundin am Leben, ansonsten...“ Er lächelte heimtückisch und tätschelte Zerberus wie ein Junge seinen süßen Welpen und kraulte ihn hingebungsvoll hinterm Ohr. Ein zufriedenes Bellen hallte wieder. Zerberus Köpfe fletschten die Zähne und leckten verlangend über ihre Zähne. „...wird sie ein schöner Snack für meinen süßen Freund hier. Denk bloß an Camizu.“ Ein böses Lachen entfuhr der Kehle von Dragos und Axel schreckte zusammen. Er riss die Augen weit auf und blankes Entsetzen spiegelte sich in ihnen wieder. Angst flutete in ihm auf. Er spürte, wie die Kälte, die von Dragos ausging, nach ihm griff und ihm erneut den Atem nahm. Er keuchte und seine Augen sind nun so groß wie Tennisbälle. Bloß das nicht! Er zitterte und ließ die verdutzte Melanie los. Er zitterte und Tränen brannten in seinen Augen. Nein! Er hatte es doch verdrängen wollen. Die Bilder legten sich wieder wie eine undurchdringliche Wand vor seine Augen. Tosende Flammen, die nach neuem Brennstoff suchten; in wilder Panik flüchtende Menschen, die schrieen; ein riesiger, schemenhafter Schatten am fernen Horizont, der in einer gigantischen Flammenwand flackerte. Man hörte das Knacken von zerberstenden Knochen und das Platschen von auseinander spritzenden Blut und Eingeweiden. Er zischte und knarrte, als die heiße Luft nach oben stieg. Axel spürte wieder die unglaubliche Hitze auf seiner Haut, die ihm umfing und sein Blut zum brodeln brachte. Er hörte wieder das schaurige Heulen des Monstrums, was das ganze Dorf hinunterschlang. Kinder weinten und der Geruch von zerborstenen Holz und verkohlter Luft stieg mit der Luft in die Höhe. Ein starker Wind pfiff durch die Gassen, als die Luft von außen, auf Grund des Unterdrucks, eingezogen wurde. Häuser zerbarsten und das Pflaster wurde von den Straßen gerissen. Sein Körper zitterte unter der erneuten Last dieser Erinnerungen. Er sank zu Boden und wimmerte vor Angst. Melanie blieb verdattert stehen und blickte zwischen Dragos, welcher erfreut grinste und dem völlig verängstigen Axel hin und her. „Wa...warst du dass damals? Hast du mir alles genommen? Hast du mich dazu gebracht mich zu verschließen und mir zu schwören, mich nie wieder zu öffnen, damit ich nicht noch einmal von solchen Gefühlen zerrissen werde? War es deine Schuld, dass ich mein Versprechen an mich selbst brechen musste? Habe ich dir das alles zu verdanken?“ Zu Erst war seine Stimme nichts weiter, als ein von Tränen und Verzweiflung erstickter, geflüsterter Hauch, doch mit jeder Frage wurde seine Stimme gefasster und zorniger, bis er am Ende fast schrie. Er richtete sich langsam auf und blickte dem Höllenfürsten direkt in die Augen. Alle Angst fiel wie eine Schneeschicht, die beim Aufstehen von einem herabfällt, wenn man aufsteht, von ihm ab und sein Blick war nun so kalt, wie der von Dragos. Dragos legte neckisch den Kopf schief und klopfte mit seiner starken Hand im Takt einer unhörbaren Musik auf den stählernen Oberschenkel. Er pfiff scheinheilig und wandte den Kopf von Axel ab, wie ein Kind. „Junge, ist du dir überhaupt bewusst, was du mir da vorwirfst?“ Er blinkte ihn nun empört an und hob beleidigt den Kopf zur nicht vorhandenen Decke. „Das ist ja allerhand, aber ja...“ Er grinste. „...ich bekenne ich in allen Punkten der Anklage für schuldig. Ich habe dir dein Leben zur Hölle gemacht und ich war es auch, der dafür sorgte, dass du die Schreie deiner Freunde auch heute noch in der Stille der Nacht hörst und keine Ruhe findest.“ Er bleckte seine Zähne und Axel vermutete, dass es ein Grinsen sein sollte, doch es sah eher nach einem Vampir aus, der nach Blut gierte. Axel ballte die Hand zur Faust und seine Fingernägel schnitten in sein Fleisch. Er war es also gewesen. Er war es gewesen, der ihn immer schweißgebadet aus dem Schlaf aufwachten ließ. Er bebte vor Wut, doch die Erinnerungen waren zu stark. Er konnte nichts tun. Da fiel ihm sogar ein, was das überhaupt bedeutete. Was für eine Macht er hatte. Er spürte auch, wie Melanie neben ihn sich auch nicht mehr bewegen konnte. Zerberus knurrte erneut verlangend. „Wie lautet deine Entscheidung?“ Wie ein drohendes Schwert hing die grollende Stimme über Axels Kopf. Er wusste nicht, was er tun sollte. Es wäre einfacher ja zu sagen, doch dann würde er seine Prinzipen verwerfen und sich, Melanie und Narunia verraten und das war noch ausgeschlossener. Er suchte den Blick seiner Freundin und fand ihn auch. Sie zitterte vor Angst, doch ihre Haltung war entschlossen. Axel konnte sich vorstellen, wie es in ihr aussah. Einerseits war der Wunsch zu leben groß, doch er las in ihren Augen, dass sie nicht wollte, dass er die Seiten wechselte. Axel blickte ihr traurig in die Augen und sein Blick bat um Verzeihung. Dann blickte er entschlossen Dragos an und sagte mit gefasster Stimme: „Nein!“ Dragos Gesicht, welches ihn vorher gleichgültig angesehen hatte, verzog sich zu einer zornigen Fratze. Er nickte seinen tierischen Gefährten zu. Dieser freute sich sichtlich. Noch bevor Axel sich versah, züngelte ein Flammenstrahl nur Zentimeter an seinem Ohr vorbei. Das Feuer war schneller als der Schall und Axel hatte keine Zeit mehr um auszuweichen. Er blieb stocksteif- sogar etwas zu gerade. Seine Augen waren weit geöffnet und es knisterte laut in seinem Ohr, als die Flammen seine Haare verbrannten. Nun flammten wieder die Erinnerungen auf und durch die Flammen waren sie stärker denn je. Die Farben der Erinnerungen wirkten nun noch echter, Axel roch die starken Gerüche noch mehr. Die Schreie waren noch lauter und klarer zu verstehen. Die Erinnerungen flammten nur kurz auf und verloschen mit dem Feuer. Axel hatte nicht gehört, dass Melanie geschrieen hatte, doch er sah es an ihrem geöffneten Mund. Er konnte sich nicht rühren. Sein Körper schien auf dem Boden festgefroren zu sein und er konnte sich nicht bewegen, so sehr er es auch versuchte. Er war erstarrt- sogar sein Geist schien gelähmt zu sein. Der Druck und die Gewissensbisse, die die Ereignisse in dem kleinen Dorf Camizu in ihm hervorrufen, sind zu stark für sein Gemüt. Axel wurde die Tragweite erst jetzt bewusst. Er hatte es mit einem Gegner zu tun, der seine eigenen Gefühle kontrollieren konnte. Gegen so einen Gegner hatte er keine Chance. Ohne weiter auf den verrückten Kerl zu achten, nahm er Melanies Hand und rannte mit ihr davon. Er hörte auf nichts mehr- weder das wütende Gebrüll von Zerberus, den spitzen Schrei von Melanie, noch die donnernde Stimme von Dragos. Er rannte- rannte einfach davon- davon vor seiner Vergangenheit. Er dachte nichts mehr und rannte in heilloser Panik davon. Fünf für ihn endlos erscheinenden Minuten später kam die Tür, die zum Wolfsstamm führte näher, doch es würde noch Ewigkeiten dauern, bis er sie erreichen würde, denn er hatte kaum noch Kraft. Selbst das Adrenalin, was in seinem Körper zirkulierte, half ihm auch nicht mehr weiter. Ein weiterer Aspekt, der die Situation richtig schwierig machte, war, dass nicht nur er sich bewegte. Mit jedem Schritt den er tat, bewegte sich auch Zerberus. Das bedeutete, sobald seine Füße den Boden berührten, wurde er von den Erzitterungen des riesigen Höllenhundes direkt wieder in die Luft geschleudert. Er konnte einfach keinen Boden gut machen, doch die Anstrengung blieb dieselbe. Einmal hatte er sogar das Gleichgewicht verloren und hätte fast einen Purzelbaum geschlagen. Nur mit gerade nach vorne gestreckten Beinen hatte er es verhindern können. Nun rannte er weiter und holte wirklich alles raus, was sein Körper zu bieten hatte. Doch so allmählich ließ sein durchtrainierter Körper ihn im Stich. So viel hatte er ihn noch nie abverlangt. „KIRARAN!“, schrie Melanie und öffnete mit einer Druckwelle die Tür. Die Tür explodierte und zerbrach in tausend Stücke. Sie lächelte und Axel nickte ihr anerkennend zu. Sie rannten durch die Tür und hasteten so schnell sie konnten den langen Flur entlang. Hell klangen ihre Schritte auf dem Gestein. Das Geheule der Wölfe hörte man hier nur ganz leise. Es klang ruhig- wie an einem normalen Tag. Von der Gefahr, die sich von oben herantrampelt ahnten sie noch nichts. Axel schwang sich auf das Geländer und rutschte, sein Gewicht immer richtig verlagernd, hinunter, um seine Kräfte zu schonen und schneller zu entkommen. Hinter sich hörte er das dumpfe Geräusch von Melanie, die ebenfalls am Geländer hinunter glitt. Ein donnerndes Knurren ließ den Berg erzittern, als Zerberus mit Verdruss und Missgunst feststellte, dass er nicht durch den kleinen Türrahmen passte. Geschmeidig wie eine Katze sprang er vom Geländer herunter und Melanie landete hinter ihm. Er hörte ihren schnellen Atem in seinem Ohr. Zwei Wölfe lösten sich aus dem Fellkugel. Es waren Shurum und Traian, die mit besorgten Mienen auf sie zu trotten. „Melanie, Axel, was ist hier los? Ihr seht aus, als wäret ich einem Gespenst begegnet!“ Axel drehte sich zu Melanie um. Sahen sie das? Ihr Haar war an einer Seite versenkt und roch streng nach Qualm. Sie war aschfahl und ihre Lippen waren blass. Ihre Augen zitterten noch immer und ihr Körper auch. Axel sah an sich hinab. Sein Gewand war zerrissen und verbrannt. Er fühlte sich einfach nur müde. Eine bleierne Schwere lag auf ihm. „Das haben wir auch, Shurum...hol bitte Wildheart und Destiny. Wir haben was zu berichten, aber zunächst müssen wir hier raus.“ Damit ließ er die beiden Wölfe stehen, die im verdutzt nachsahen. Melanie seufzte einmal kurz und folgte ihm. Wenig später schlossen Wildheart und Destiny zu ihnen auf und Axel berichtete knapp, was vorgefallen war. Sofort verschwanden die beiden wieder, um sich etwas einfallen zu lassen. Die panische Flucht der beiden blieb von den Wölfen natürlich nicht unbemerkt. Als die beiden die große Halle durchquerten, sich durch die schwach flimmernden Gänge schlängelten, ging ein verwirrtes Geheule durch die breite Masse. Panik breitete sich unter den Wölfen aus und sie rannten noch hektischer hin und her. Axel interessierte es nicht. Er war nur mit sich selbst beschäftigt. Er wollte nur weg, alles andere war ihm egal. Das Gras wog stark im Wind und vereinzelt wurde es von dem Sturm aus dem Boden gerissen. Der starke Wind fauchte wie eine Katze, der man auf dem Schwanz getreten war. Axel trat aus dem Ausgang des Gebirges und sein Gewand flatterte stark im Wind. Er ließ den Blick über die Ebene schweifen. Wie eine Welle breitete sich der Wind über das trockene Gras aus. Es knarrte und donnernd rollten ein paar kleinere Steine vom Berg hinab. Axel warf einen Blick zu den dunklen Wolken hinauf, die nun noch dichter und unheilvoller um den Berg schwebten. Blitze zuckten aus ihnen und erhellten die Ebene in einem gleißenden Licht. Der Donner folgte direkt und ließ die Erde zittern wie bei einem Erdbeben. //Das Wetter passt zumindest perfekt!//, dachte Axel genervt und machte sich auf dem Weg um den Vorsprung zur Ebene hinunter zu klettern. Wohin sie flüchten sollten? Er wusste es nicht, doch ehrlich gesagt, glaubte er nicht so Recht daran, dass ihnen die Flucht überhaupt gelingen würde. Aber er wollte es wenigstens versucht haben. Noch einmal fuhr er sich nervös mit der Zunge über die Oberlippe und rutschte dann den steilen Abhang hinab. Melanie blieb ihm dicht auf den Fersen. Eine Flucht würde sich als äußerst schwierig erweisen, da alles ja schön von Gebirgen eingekesselt war. Er rannte weiter und hörte die Schritte von Melanie hinter sich, doch so sehr ihm der Gedanke abstieß, auch das war ihm in diesen Moment egal. Er wollte bloß weg von dem Mann, der ihm wieder die Schmerzen seiner Vergangenheit ertragen ließ. Wieder einmal rannte er davon, davon von der Schuld, die er sich gab. „Warum hast du das getan, Axel?“, hallte eine traurige Stimme in seinem Kopf wieder und er zuckte zusammen. Es war die Stimme eines kleinen Jungens, der längst nicht mehr existierte. Der Gedanke ließ sein Herz zersplittern. Wieder flackerten die Bilder vor seinen Augen auf, doch er erlöschte sie schnell. Salimar und Strahlentau kamen über eine Gebirgsausläufer herangesprengt. Die Hufe donnerten auf dem Boden, doch sie kamen nicht annähernd gegen das Himmelsgrollen an. Das Fell wirkte nicht ganz so glanzvoll wie sonst, denn es war stockfinster. Die beiden Reittiere blieben nicht stehen und die Shuranas schwangen sich auf den Rücken und passten sich direkt dem Rhythmus der fegenden Hufe an. Es platschte und es klang wie nach einem Vulkanausbruch. „Verräter!“ Diesmal zuckten zornige Männerstimmen durch Axels Kopf. Der Junge bebte. Er verkrampfte sich auf Salimar. Nein! Ein Blitz zuckte durch seinen Kopf. Ein schmerzendes Gefühl durchflutete seinen Körper. Wieso ließ sie ihn nicht einfach in Ruhe? Seine beschissene Vergangenheit...er mochte nicht mehr. Wieso konnte er sie nicht einfach ruhen lassen? Er würde später noch genug Zeit haben darüber nachzudenken. Später...falls sie überleben würden. Er biss sich schmerzhaft auf die Lippen um sich in die Realität zurück zu holen. Das war nun verdammt fehl am Platze. Er sollte nun nicht im Selbstmitleid versinken. Er schaute zum Himmel hinauf. Er war rot gemalt, wie mit einem viel zu nassen Pinsel, vom Regen. Es war ein blasses und dennoch leuchtendes Rot, wie von einem Feuer. Feuer...wie sehr er dieses Element doch hasste. Es ließ ständig die Erinnerungen in ihm hochleben, wie in einem Horrorbilderbuch. Er hatte genug gelitten, er wollte nun endlich glücklich sein, doch es war ihm nicht vergönnt. Anscheinend war ihn noch nicht einmal die Liebe vergönnt, denn Melanie schien sauer auf ihn zu sein. Verdammt! Er fluchte und beugte sich tiefer in Salimars Mähne. Ein Grollen ließ die Ebene erzittern und Axel wandte den Kopf um, sah weg und trieb Salimar noch mehr an. Dragos und Zerberus kamen aus dem Berg gesprungen. Anscheinend gab es oben eine Öffnung, wie bei einem Vulkan. Zerberus brüllte ein kampfbereites Brüllen und spurtete mit riesen Sprüngen über die Ebene. Wieder sprudelte die Angst in Axel hoch und nun gab Salimar alles, was er konnte. Strahlentau preschte Rechts an ihm vorbei. Melanie lag tief über die helle Mähne gebeugt und das Gewand flatterte. Ihre Haare waren vollkommen zerzaust. Ein Feuerstrahl zuckte über die weite Steppe und entfachte das trockene Gras. Knisternd breiteten die zunächst kleinen Funken immer weiter hoch und eine Flammenwand schoss aus der Erde. Axel blickte mit verängstigten Augen dem Feuer entgegen. Er konnte nicht mehr ausweichen. Sein Leben zog an ihm vorbei und sein Herz schlug in seinem Hals. Er schrie auf. Es war aus und er schloss die Augen. Sein Geist wartete bloß noch auf den kurzen Schmerz und dann auf das ewige Nichts. Doch soweit kam es nicht. Ein weiterer, heißer Feuerwall zischte hinter ihm vorbei und lenkte den ersten ab. Die Luft flimmerte und flüchtete in den Himmel hinauf. Axel öffnete die Augen und hörte den wütenden Aufschrei von Dragos. Ihre Reittiere hatten sich nicht verunsichern lassen und rannten weiter. Axel vernahm hinter ihn das Rauschen wie von großen, ledernen Schwingen. Ein Schwall rasend schneller Luft ließ seine Haare wehen. Axel wollte gar nicht sehen, was hinter ihm war. Sicher ebenfalls nichts Gutes. Außerdem spürte er eine Veränderung in seinem Reittier. Die Ohren spielten nach hinten und die Bewegungen wurden etwas unbeholfener. Es schien so, als wolle er mit aller Kraft versuchen jemanden zu beeindrucken. Salimar bog nach links ab und Strahlentau nach Rechts. Axel war verwundert. Wieso taten sie das? Ein rubinroter Drache flog zwischen den beiden hindurch. Er flog ganz dicht über dem Boden und kraftvoll hielten ihn seine großen Schwingen in der Luft. Sein Schwanz ruderte durch die Luft, damit er das Gleichgewicht hielt. Axel riss die Augen aus. Wow, war das ein Anblick! Unglaublich! „Wow!“, entfuhr es auch Melanie. „CANZOR!“, grollte die Stimme von Dragos durch das Tal und sie schien vom Himmel zu kommen. Mit einem kräftigen Flügelschlag entfachte der Drache einen kleinen Wirbelsturm unter seinen Flügeln und flog einen halben Looping, drehte sich einmal halb um die eigene Achse. Danach legte er die Flügel an die glänzenden Schuppen und stürzte, eine heiße Flamme speiend, auf den Höllenhund zu. Zerberus stieß die Vorderpforten vom Boden herab und schnappte nach Canzor. Canzor flog eine Schraube und versetzte dem Hund einen Prankenhieb. Axel sah nicht hin. Er wollte die Chance nutzen, doch dann spürte er wieder die eisige Kälte an ihm hoch kriechen, dabei brannte das Feuer überall und warf tanzende Schatten auf die Umgebung. Es fühlte sich an wie der eisige Atem des Todes, der nach ihm griff. Was allen während der Aufregung völlig entgangen war, dass Dragos nicht mehr auf Zerberus saß. Leise hatte eine dunkle Wolke sich von den anderen gelöst und glitt nun lautlos auf Axel und Melanie zu. Je näher die Wolke kam, desto mehr verschwand die Wärme. Man bekam das Gefühl, dass man nie mehr glücklich werden würde. Es war so ein eisiger Klammergriff, den man sich unmöglich entziehen konnte. Ganz behutsam kam die Wolke herab, waberte hinter Axel und nahm Gestalt an. Axel hörte ein Rascheln hinter sich und ein rasselnder Atem drang an sein Ohr. Panik erstickte ihn. Etwas verschloss seinen Mund, sodass er noch nicht einmal schreien konnte. Mit einem starken Ruck wurde er vom Rücken gezerrt. Er krachte auf dem Boden. Er versuchte sich aufzurappeln, doch Jemand drückte ihn brutal zu Boden. „Ich habe doch gesagt, dass ich das bekomme, was ich will.“, flüsterte eine gefährliche Stimme in sein Ohr. Axel zitterte stark und hätte gewimmert, wenn man ihm nicht den Mund zu halten würde. In seinen Augen spiegelte sich blanke Panik wieder. Melanie schrie, doch Axel hörte nur das Rauschen seines rasenden Blutes. Eine kräftige Hand packte in seine Haare und zerrte ihn in eine zu aufrechte Haltung. Axel entlud den Schmerz in einen riesigen Schrei. Er wurde fest an einen Körper gepresst. Dragos hatte sich hinter ihm materialisiert und presste seine Handfläche gegen seinen Mund. Der Junge bekam keine Luft mehr und der Atem ging extrem flach und hektisch. Die noch nicht vollkommen hergestellten Konturen waberten und leckten um seinen Körper. Eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Momentan überwog aber die erstickende Kälte. Axel wimmerte. Er hörte Canzor brüllen und Melanie wieder einmal Schreien, doch er beachtete nichts. Er hatte einfach zu große Angst. Angst vor dem, was nun unausweichlich war. Strahlentau sprengte herum und Melanie versuchte ihn mit ausgestreckter Hand festzuhalten. „Ich werde dich schon noch gehorsam machen!“ Tränen rollten aus den grünen Augen von dem Jungen. Welche Pein würde ihn erwarten? War sein Leben nicht schon schlimm genug gewesen? Er sah seine Freundin ihm etwas zu rufen, doch er verstand sie nicht. Nun war es zu spät. Axel wurde von der Kälte übermannt und fiel in Ohnmacht. Dragos zerrte ihn mit sich in die Dunkelheit. Das letzte was er wahr nahm war der schrille Schrei von Melanie, die seinen Namen kreischte. Danach wurde alles schwarz und er versank im Nichts. Eine schwarze Pfütze bildete sich unter seinen Füßen und Dragos versanken in ihnen. Sie verschwanden von der Kampffläche. Der Junge war nun in der Hand des Bösen. Kapitel 13: Shinsara- heilige Waffe ----------------------------------- 13. Kapitel: Melanie und Canzor Shinsara- heilige Waffe Es war bitter kalt im Iranogebirge, was sich im höchsten Norden befand. Dieser Ort war Canzors Heimat. Eine eher raue Gegend mit zerklüfteten Felsen und steil abfallenden Felswänden. Überall ragten spitze Felsen, wie Nägel aus einem Nagelbrett, aus den Ebenen heraus. Im Laufe der Zeit hatte Wind und Wetter viele Höhlen in die Felsen gefressen wie hungrige Heuschrecke auf einem Getreidefeld. Heute pfiff ein harter Wind durch die Schluchten und das Heulen von ihm klang metallisch. Vereinzelt befanden sich auf den Gipfeln vertrocknete oder verbrannte Bäume. Schwarze Wolken sammelten sich am Himmel und bildeten eine undurchdringliche Decke. Der scharfe Wind trieb sie immer mehr zusammen wie ein Hirte seine Schafe. Eigentlich war es nun Mittag, doch es sah aus wie finsterste Nacht. Das Tal lag in ein schwarzes Gewand gekleidet dar. Es war still, nur das Brausen des kalten Windes nahm den Gehörgang in Anspruch. Melanie krallte sich in die Halsschuppen von Canzor um nicht durch ihr leichtes Gewicht davon geblasen zu werden. Sie strengte sich so sehr an, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Der Drache flog über spitze Felsen und schraubte sich durch enge Schluchten. Sein Schwanz mit den spitzen Dornen peitscht hin und her. Canzor schaukelte unter den starken Aufwinden. Manchmal drehte er sich um 90°, damit er durch die engen Schluchten passte. Er raste vorbei- vorbei an hohe Berge, spitze Felsen, schneebedeckte Ebenen, welche im Schatten lagen, und vorbei an Höhlen. Melanie hatte kein Blick dafür. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt. Drei Tage war es nun her. Drei schier endlose Tage fehlte das Wichtigste in ihrem Leben. Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, was mit ihm gerade passierte. Hatte er vor Schmerzen bereits aufgegeben? Ihre Tränen waren längst versiegt und ihre Augen brannten von dem Salz. Ihre Beine waren zerkratzt von Fireballs Schuppen und dem langen Ritt. Eigentlich müsste sie Canzor dankbar sein, doch sie war es nicht. Wieso eigentlich nicht? Melanie wagte einen kurzen Blick in den Himmel. Wieso war sie ihm nicht dankbar? Er hatte sie davor gerettet von Zerberus gefressen zu werden. Nachdem sie gesehen hatte, wie ihr Freund für immer verschwand, war sie auf ihn zu gerannt, wie es sich, ihres Erachtens nach, gehörte. Jedoch...war er verschwunden kurz bevor sie ihn greifen konnte und Dragos mit ihm. Sofort war sie in Tränen ausgebrochen und hatte auf den Boden gehauen. Ihr Herz war zerrissen worden und war es nun immer noch. Dass Zerberus mit gierig nach ihr reckenden Köpfen auf sie zukam, hatte sie nicht bemerkt. Zu groß war die Trauer gewesen, als das sie überhaupt was wahrnahm. Canzor hatte sie damals geschnappt und sie fortgebracht. Zunächst hatte sie sich gewehrt, doch dann hatte sie aufgegeben. Melanie zitterte, als sie wieder das zornige Brüllen von dem Höllenhund in den Ohren hörte. Ihr Herz tat weh von dem Verlust, den die Entführung ihres Freundes mit sich brachte. Gerade flog Canzor durch eine enge Schlucht. Er legte die ledernen Flügel an den kräftigen Körper, verlagerte sein Gewicht nach unten und flog rasend schnell in eine tiefe Schlucht, welche von hohen Felsen umrahmt wurden. Immer schneller kam der Boden näher und Melanie presste ihren Körper an Canzors Hals und krallte sich fest. „Wann sind wir endlich da?“, meckerte Melanie und duckte sich unter einen Felsvorsprung. Ihre Finger waren schon ganz klamm und sie war müde. Die Kälte griff immer mehr nach ihr und betäubte ihre Sinne. Sie blinzelte, doch Melanie konzentrierte sich darauf, nicht die Augen zu schließen, denn sonst würde sie vielleicht nie mehr aufwachen. Eine scharfe Linkskurve brachte das Mädchen heftig ins Trudeln. Nur noch so gerade eben konnte sie verhindern, dass die Trägheit ihres Körpers sie vom Rücken riss. Canzor knurrte zornig und schlug mit dem Schwanz gegen einen Felsen. Einige Steine lösten sich und donnerten in die Schlucht. Der Wind heulte erneut und zerzaust das pechschwarze Haar von Melanie. „Typisch Menschen. Immer so ungeduldig. Das ist so nervig.“, knurrte Canzor genervt und brachte sie mit einem kräftigen Flügelschlag auf eine höhere Ebene. Der Rubindrache flog nun dicht über ein großes Plateau mit einigen Rissen auf dem braunen Felsboden. Melanie konnte keine Einzelheiten erkennen, denn der Drache war so schnell, dass alles vor ihren Augen verschwamm. Tränen vom scharfen Wind brannten in ihren Augen. Vor ihnen eröffnete sich nun ein Felsbogen und Melanie berührte so gerade eben nicht den Bogen. „Ich bin nicht ungeduldig, ich kann mich nur nicht mehr lange halten.“, schrie Melanie gegen den tosenden Wind. Die Wolken wurden immer dichter und der Wind frischte immer mehr auf. Canzor öffnete wieder seine Flügel und verharrte erst einmal gerade in der Luft. Er glitt über Schluchten, die im Nichts zu enden schienen, denn die Wolkendecke verschluckte jegliches Tageslicht. Melanie konnte die Felsen nun erst erkennen, wenn wie unmittelbar vor ihnen auftauchten. Sie hoffte, dass Canzor besser sehen konnte als sie. Doch die Sorgen waren völlig unbegründet. Canzor flog so sicher über die Plateaus, unter den steilen Hängen und den Vorsprüngen, als ob er sie auswendig kannte oder als ob er eins mit den Felsen wäre...vielleicht war er es sogar? Immerhin war er der legendäre Elementdrache, über den zwar wenig bekannt war, der aber bisher jeden Shuranas geholfen hatte. „Canzor, der Elementdrache. So alt wie die Zeit. Eigensinnig.“ Mehr hatte in den Büchern von ihr nicht gestanden. Der rubinrote Drache war umgeben von Geheimnissen. Sie holte tief Luft und drückte sich wieder auf das kalte, glatte Schuppenkleid. Canzor drehte den Kopf zu ihr um, drosselte aber seine Geschwindigkeit nicht. Er flog so sicher weiter, als wäre es hellster Tag. Die feuerroten Augen lagen durchdringend auf ihr, so als wolle er in ihrem Kopf eindringen. Der Blick war messerscharf, wie es bei einem Raubtier nun mal üblich war. Er ließ Melanie erschaudern, denn mit ihm hatte sie noch nicht viel geredet und sie wusste nicht, wie man mit ihm umgehen sollte. „Du brauchst also eine Pause?“ Er hielt in der Luft inne und schlug mit den starken Schwingen. Er gab ein nachdenkliches Geräusch von sich und legte den Kopf schief. Sein Gewicht verlagerte sich von rechts nach links, ein bisschen wie eine Hängematte. „Das passt mir eigentlich gerade gar nicht. Ich möchte eigentlich erst die Höhle erreichen, bevor der Sturm uns einholt.“, brummte der Drache missmutig. Er wog den Kopf hin und her. Er schlug wieder mit den Flügeln und steuerte nun die Wolkendecke an. Der Wind wehte das lange Haar von Melanie zurück. Die Kälte benebelte sie völlig. Ihre Lider wurden immer schwerer und ihre Hände hatten kaum noch die Kraft sie auf dem Rücken zu halten. Ihre Kraftreserven waren von dem langen Drachenflug völlig aufgebraucht. Nicht immer war es so stürmisch gewesen wie jetzt, aber er war trotzdem anstrengend. „Canzor! Ich kann mich nicht mehr halten!“, schrie sie panisch und rutschte immer weiter nach hinten. Ihre Hände waren schon blutig. „Halte noch einen kurzen Moment durch!“ Canzor musste sie wach halten, doch es war zu spät. Melanie verlor ihre Kraft und fiel in den Abgrund. Canzor wirbelte herum und setzte zum Sturzflug an. Die ledernen Schwingen waren ganz dicht an den stromlinienförmigen Körper. Ein Mensch hätte Melanie nicht mehr gesehen, doch Canzors konnte sich auf seine Augen verlassen, die ihm nun ein klares, scharfes Bild vermittelten. Das Mädchen fiel natürlich auf den Dornenfels, einem der spitzesten Felsen dieses Gebirges, zu. Wie ungeschickt. Er zerschnitt mit seinem Körper die Luftbarriere und die schweren Wolken. Würde er sie erreichen bevor sie auf dem Felsen landete? Kurz bevor ihr Ende besiegelt war, umschlang Canzor sie mit seinen Vorderpranken und setzte seinen Weg fort. Melanie stöhnte und öffnete blinzelnd die Augen. Ihre Glieder waren steif und es fühlte sich so an, als hätte sie Watte in den Ohren. Alles war so ruhig. Das Brausen in ihren Ohren war fort. Es war so unwirklich friedlich. Sie hörte nur das Knacken vom nassen Holz, welches brannte. Sie war verwirrt. Was war geschehen? Sie wusste gar nichts mehr. Sobald Melanie versuchte sich zu erinnern, dann wurde alles schwarz. Ein pochender Kopfschmerz durchfuhr ihren Körper, als sie sich versuchte aufzurichten. „Alles in Ordnung, Shurana? Überanstreng dich nicht!“ Die ruhige Bassstimme hallte von den Felswänden wieder. Nun öffnete Melanie endgültig die Augen. Sie lag auf harten Felsboden in einer kleinen Höhle, die sich in einem langen Gang verlor. Lange Stalaktiten wuchsen herab und leise tropften Wassertropfen von ihnen herab. Die Wand war zerklüftet. Erst jetzt bemerkte Melanie, wie sehr es draußen stürmte. Tief schwarze Wolken schwebten vor dem Höhleneingang. Der Regen prasselte so schnell herab, dass es aussah wie Bindfäden. Gleißende Blitze erhellten alle paar Sekunden den Himmel und ein mächtiges Donnergrollen, welches die Höhle erbeben ließ und Steine in die Luft schleuderte, folgte dicht darauf. Es war direkt über ihnen und Melanie hatte Angst, dass der Blitz in den Berg fahren würde, indem sie sich befanden. Ein Feuer warf einen schwachen Schimmer in die Höhle und kämpfte mit den Sturmböen um an zu bleiben, doch es schaffte es nicht Canzor zu erleuchten, obwohl er direkt auf der anderen Seite des Feuers lag. Nur schemenhaft konnte sie die mächtige Gestalt von Canzor erkennen. Das Einzige, was eindeutig zu sehen war, waren die feurigen Augen, die sie unentwegt beobachteten. „Ich fühle mich leer und ausgelaugt, aber ok.“ Das war Melanies knappe Antwort, doch Canzor gab sich damit zufrieden. Zumindest vorerst. Ein helles Licht vom Blitz erhellte für einen kurzen Augenblick den Raum. Lange Schatten verschlangen sich zu einem einzigen Schattenknäul. Doch nur eins fiel Melanie sofort ins Auge: Canzors Schuppen schimmerten nun Erdfarben. Sein Schuppenkleid war nicht mehr Rot wie das Feuer, sondern eher lehmfarben. Er ging nun nahtlos in die Felsen über. Melanies Körper zog die Wärme des Feuers in sich ein, doch warm wurde ihr nicht. Das taube Gefühl verharrte in ihrem Körper wie ein ungebetener Gast, der partout nicht gehen wollte. Sie zitterte und ihr war schlecht. Langsam richtete sie sich auf und fasste sich an den Kopf. Die herben Gerüche von Regen und Holz vermengten sich und kribbelten in ihrer Nase. Sie musste niesen und rieb sich die Augen. Ihr Gehirn war noch ganz träge und ihre Gedanken waren nichts weiter als eine zähflüssige Masse. Melanie dachte nicht wirklich. Ihre Seele war fast vollständig verloren gegangen. Axel war fort und damit auch ihr Herz. Es schlug nun nicht mehr schnell und belebend, sonder langsam und träge. Das berauschende Gefühl der Liebe war einem beklemmenden Gefühl der Angst gewichen. Das Blut pulsierte nicht mehr fröhlich und gerät auch nun nicht mehr in Wallungen, denn er war nicht mehr in ihrer Nähe. Wo er wohl war? Vielleicht sogar in ihrer Nähe? Wo war Axel bloß? „Kann ich verstehen, nachdem, was du durchgemacht hast...aber du frierst ja! Komm her, du musst dich aufwärmen!“ Der Drache öffnete mit rauschendem Geräusch seine Flügel und richtete sich etwas auf. Melanie zögerte, denn sie traute ihm nicht. Sie traute ihm einfach noch nicht. Der Rest Seele, der ihr noch geblieben war, hatte ihm noch nicht ganz verziehen, dass er sie von der Stelle weggezerrt hatte, wo Axel verschwunden war, denn vielleicht hätte sie noch was erreichen können. Sie betrachtete ihre rechte Hand. Fast hätte sie ihn erreicht, fast hätte sie ihn retten können. Ach Quatsch, da machte sie sich was vor? Was hätte sie schon gegen Dragos ausrichten können? Sie blickte traurig zur Decke. Wer weiß, was gerade mit ihm passierte! Ihr Magen verkrampfte sich allein bei der Vorstellung. Dragos war sicherlich kein höflicher Gastgeber. Wie konnten sie hier so seelenruhig sitzen? Ihr graust es bei der Vorstellung. Wieso er? Warum ausgerechnet er? Ihr Herz zerriss. Warum hatte Canzor ihm nicht geholfen? „Melanie...“ Die Stimme war ruhig und ihr wohl gesonnen. „Was hätte ich anderes tun sollen? Zusehen, wie Zerberus dich als Mittagssnack verspeist?“, spottete der Drache, leckte eine Schnittwunde von einer von Zerberus Krallen und reckte seinen Kopf. Melanie schlang ihre Arme um ihre Beine. Der Wind hatte seine Richtung geändert und blies nun in die Höhle. Das taube Gefühl wurde nun wieder größer. Ohne dass sie darüber nachdachte, richtete Melanie sich auf und trottete ungeschickt auf Canzor zu. Sie schwankte hin und her und wirkte so unbeholfen wie ein Säugling bei seinen ersten Schritten. Die Schuppen von dem Elementdrachen wurden wieder feuerrot und er blickte ihr gütig entgegen. Müde ließ sie sich an seiner Seite fallen und schmiegte sich an. Sofort spürte sie wohlige Wärme von seinen Körper ausgehen. Er lud sie ein, sich auszuruhen und zu erholen. Fast schon hätte man sagen können, dass sie mit den Drachen verschmolz. Wie eine Decke schlang der Drache einen Flügel um sie und legte seinen kräftigen Schwanz auf seine Nase. Ein waches Auge blickte Melanie an und sie spürte, wie sein Verstand vor Aktivität glühte. Die wohlige Wärme leistete gute Arbeit. Das Mädchen fühlte sich zwar noch etwas schwach und zittrig, aber das taube Gefühl verschwand und sie fühlte sich gleich viel besser. Die Schuppen unter ihr waren glatt und strahlten Wärme ab, wie eine Heizung. Mit einem Mal fühlte sie die Müdigkeit, doch darum scherte sie sich jetzt nicht. Nicht, bevor sie ihre Frage losgeworden war. Der Drache hob seinen Kopf und spähte raus. „Ähm...Canzor?“ „Hm?“ Der Drache neigte sein erhabenes Haupt zu ihr hinab und betrachtete sie fragend. Melanie knetete nervös ihre Hände. Wie sollte sie bloß fragen? Sie musste es wissen, aber wie ging sie am Besten vor? „Ähm...was ist damals passiert...auf Camizu?“ Der Drache zuckte zusammen und blickte sie überrascht an. Ein loderndes Feuer tanzte in seinen Augen, als würden die Erinnerungen vor seinen Augen tanzen. Er blickte nun der Decke entgegen und schlug mit dem Schwanz über den Boden. „Woher weißt du davon?“ „Nun ja...Dragos hat es als Druckmittel gegen Axel eingesetzt. Axel fragte ihn, ob er ihn damals angetan hatte...und Dragos hatte bejaht, doch ich habe noch nie davon gehört.“ Der Drache stieß nachdenklich eine Rauchwolke aus und ließ etwas hören, was einem Seufzen glich. „Camizu ist ein kleines Dorf auf der anderen Seite des Planeten. Es lag tief versteckt in einer Schlucht und ist kaum auf einer Karte zu finden. Es ist ein geheimes Dorf, in denen Kämpfer oder fast schon eine Armee aufgebaut werden, falls so einer wie Dragos versuchen sollte, die Macht an sich zu reißen. Man kann Camizu so ungefähr mit den sagenumwobenen Dörfern der Ninjas vergleichen. Doch das alles ist nun hinfort geschwemmt worden vom Strom der Zeit und der Gewalt.“ Canzor hatte einen monotonen Ton angeschlagen und sprach bedacht. Er wirkte wie ein alter Mann, der sich an den Krieg erinnerte. Melanie weitete die Augen. Aus so etwas stammte Axel? Wow. „Was ist geschehen?“, fragte Melanie mit dem Eifer eines Kindes, was unbedingt eine Gute Nachtgeschichte hören wollte, doch war das hier keine Einschlafgeschichte, sondern das genau Gegenteil. „Nun ja... so ganz genau weiß es keiner. Es war damals ein Sommertag vor sechs Jahren gewesen. Alles ging seinen gewohnten Gang. Bis plötzlich Zerberus und Dragos im Dorf auftauchten und alles nieder brannten. Die Einwohner wehrten sich nach besten Kräften, doch hatten sie keine Chance.“, erklärte Canzor und die Erinnerung schien ihm zu schmerzen. „Aber was hat das mit Axel zu tun?“ „Das Dorf behütete eine der vier heilige Waffe, die uns einst von unseren drei Ursprungsgöttinen hinterlassen wurde. Es ist das Schwert Shinsara, was uns von Neyera, der Göttin des Mutes und Mutter von Narunia, hinterlassen wurde. Dragos wollte es schon immer haben, denn es birgt eine unglaubliche Kraft in sich, doch er konnte es nur besitzen, wenn es ihm einer aus dem Dorf brachte. Also beredete er einen kleinen Jungen solange, bis dieser sich in den Schrein schlich und das Schwert stahl. Seit da an kann keiner ihm die Stirn bieten, denn er hat gelernt seine Magie mit der Macht des Schwertes zu kombinieren. Nun ist das Feuerschwert ein Schwert der Finsternis. Sogar seine Scheide hat sich schon rot vom Blut der Opfer verfärbt. Eine echte Misshandlung.“ Ein schmerzlicher Laut kam aus dem Drachen und seine Krallen zogen Ritzen in den Felsboden. Er verspannte sich unter Melanies Körper. Das Mädchen zog den Kopf zu ihr hinab und strich friedlich über ihn. „Heißt das, dass Axel damals...“ Canzor senkte den Kopf und bettete ihn auf dem Boden. Er würde es ihr am liebsten nicht sagen, aber seinen Kopf konnte er nicht mehr aus der Schlinge ziehen. Seine Augen wanderten nach oben und wieder blitzte es hell. Ein Donnern ließ Melanie zusammenzucken. Es kam zu plötzlich. Canzor schlang seinen Schwanz fester um sie. Melanie drückte sich fester an seine Schuppen, um sich vor der Antwort zu verstecken. „Ja...“ Trauer war in der weisen Stimme des Drachen. Eine nachdenkliche Rauchwolke kam aus seiner Nase. „...er hat damals Dragos Shinsara gebracht.“ Melanie weitete erschrocken die Augen begann zu zittern. Wieder kamen Tränen in ihre Augen. Erinnerungen schlichen sich an und übernahmen die Kontrolle. Der erste Tag, wo Axel zu ihnen kam. Eigentlich wollte sie in Gedanken versinken, doch Canzor hielt sie ab, was vielleicht auch ganz gut war. „Ändert das etwas an deinen Gefühlen für ihn?“, fragte er vorsichtig, denn Canzor hatte nicht gewollt, dass sie ihn nun nicht mehr mag. Melanie lächelte traurig und blickte zu dem Unwetter nach draußen. Was für ein passendes Wetter! Sie seufzte und betrachtete den Drachen lange. Blickte die vor Wärme, die sie ganz schläfrig machte, glühenden Schuppen, den kräftig gebauten Körper, die großen Flügel, die Feueraugen und die spitzen Zacken auf seinem Rücken. Ein Drache, wie er im Bilderbuch stand. Der Anblick zeigte solche Erhabenheit, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Er ist ja trotzdem noch der Junge, den ich kennen gelernt habe.“ Doch dann kam ihr etwas in den Sinn. Etwas, was es für ihren Freund nach sich zog. „Jetzt müssen wir ihn erstrecht da raus holen! Es ist sicher so schon schlimm ein Gefangener von Dragos zu sein, aber nun kommt noch extreme seelische Pein dazu, weil Dragos ihn ausgetrickst hat. WIR MÜSSEN IHN RETTEN, CANZOR!“ Der Drache sah ihr nicht in die Augen und blickte traurig zur Seite. Er schlang nun auch seine lederne Schwinge fest um sie und nun umfloss Melanie überall wohlige Wärme. Ihre Augen wurden schwer, doch sie kämpfte verbissen dagegen an. „Das können wir nicht...nicht solange er Shinsara hat. Gegen Shinsara können nur die drei anderen heiligen Waffen gemeinsam ausrichten.“ Erklärte er und seine Stimme klang weit entfernt. „Es gibt keine Möglichkeit in Dragos Burg einzudringen...dabei verloren bereits die sieben heiligen Himmelsdrachen ihr Leben. Ich bin der Letzte der von ihnen übrig geblieben ist- der Schwächste von allen. Ich kann nichts für deinen Freund tun, so gerne ich es auch täte.“ Melanie legte den Kopf schief. Es gab einst noch sieben weitere Drachen? Wow, das war ja unglaublich. Ihre Augen bekamen einen bewundernden Ausdruck. „Da gibt es nichts zu bewundern. Wir waren sieben, er einer und dennoch haben wir verloren. Shinsara ist einfach zu mächtig. Nur Shanosa, Kisarum und Tarensa können diese Waffe besiegen. Doch in Dragos Händen ist sie besonders mächtig, denn die Seele, die darin lebt, wurde zu einer bösen Seele. Hass steigert zwar kurzfristig die Kraft, doch er zerfrisst die Seele immer mehr, bis sie nicht mehr existiert und dann ist Dragos unbesiegbar.“ Die Erinnerungen schimmerten wie ein schmerzhaftes Feuer in seinen Augen. Melanie blickte ihn lange an und sie konnte seinen Schmerz fühlen. Sie schämte sich dafür, damit angefangen zu haben. Sie hatte ja nicht gewusst, was sie damit heraufbeschwor. Sie strich über den Körper des Drachens, der vor den Qualen der Vergangenheit bebte. „Canzor...“, flüsterte sie traurig und der Drache schrie so schmerzerfüllt, dass die Höhle bebte. Das Mädchen öffnete ihr Herz für den Drachen und dann raste eine Bilderflut auf sie ein. Bilder von allen möglichen Ereignissen. Doch was für welche waren es? Alles drehte sich vor ihren Augen und sie spürte Gefühle, die sie noch nicht kannte. In ihren Adern pulsierten Gefühle, die nicht ihre waren. In ihrem Kopf rasten Gedanken, die sie nicht kannte. Etwas verschmolz mit ihr, wurde eins. Eins, zu einem Wesen. Es war ein unglaubliches Gefühl- ein so mächtiges, wie sie es noch nie gespürt hatte. Kraft und Weisheit flossen durch ihren Körper. Alles ging rasend schnell. Eben sah sie noch eine schwarze Burg mit hohen Zinnen in den Himmel ragen, dann verschwamm das Bild und wurde zu einem Platz in dem die Leichen von sieben Drachen lagen. Ein schmerzerfüllter Schrei ließ ihren Geist erbeben. Die Qualen fuhren wie hohe Wellen eines Sturms durch ihren Körper und verschluckten sie. Sie versank immer tiefer. Tiefer in den Schatten. Sie schrie- schrie um Hilfe. Eisige Kälte umfing sie, erstickte ihre Sinne und zerrte an ihrer Seele. Melanie wehrte sich so gut sie konnte. Es musste doch möglich sein diesen abgrundtiefen Schmerz zu entkommen. Sie wollte nicht von der Bildfläche verschwinden. Nicht jetzt. Die Schatten legten sich wie Ketten um ihre Glieder und zerrten sie in die Tiefe hinab. Melanie wand und drehte sich, doch das Nichts ließ nicht von ihr ab. Verzweifelt suchte sie nach einem Halt. Ihr Kopf zuckte hin und her und suchte nach etwas zum Greifen. Es musste ja noch nicht mal etwas wirkliches sein, sondern eher etwas, woran ihr Geist sich festhalten konnte. Leise flüsterten die Schatten ihr verführerische Wörter in die Ohren und Melanie merkte, wie ihr geistiger Widerstand immer schwächer wurde. Panik flatterte nun immer mehr in ihr. Sie musste nun vertrauen, sonst würde ihre Seele zerschmettert. Doch wem? Axel war ja nicht mehr bei ihr. Er war fort und somit der Einzige, dem sie vertraute. Sie sank in ihre Erinnerungen. Suchte nach etwas, was sie retten konnten. Sie wollte sich nicht von Dunkelheit verschlucken lassen. Ihre Verzweiflung wurde immer größer. „CANZOR! HILF MIR!“, schrie sie in ihrer Verzweiflung. Sie vertraute ihm. Nun vertraute sie ihm. Mittlerweile war sie in einen Strudel gesogen worden und bald war sie gänzlich fort. Tränen brannten in ihren Augen und lange würde sie nicht mehr durchhalten. Der Schmerz in ihrem Innern wurde immer größer und der Wunsch zu schlafen war übermächtig. Noch wehrte sich ihre Seele mit allen Mitteln, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Widerstand nicht mehr aufrechterhalten konnte. Die Bilderflut, die um sie herumwirbelte, war viel zu erdrückend. Ihr Herz schlug immer langsamer und bald würde es aufhören. Wieder ertönte ein Schrei, doch diesmal war es ermutigender Schrei. Als wolle Jemand in die Schlacht ziehen. Melanie öffnete wieder ihre Augen und blickte nach oben. „LASS DICH NICHT VERSCHLINGEN, MELANIE!“, rief ihr eine tiefe Stimme zu. „ICH KANN NICHT MEHR LANGE STANDHALTEN, CANZOR!“ Ihre Stimme war nur noch ein erstickter Laut. Ihr blieb immer mehr die Luft weg. Hilfe suchend streckte sie ihre Hand nach dem Drachen aus. Immer weniger gelang es ihren Geist von dem des Drachens zu trennen. Seine Erinnerungen wurden zu der ihrigen und sein Schmerz war nun auch ihr Schmerz. Beide verschmolzen zu einer Person, doch sie wollte es nicht. Melanie wollte sie selbst bleiben. „RED KEINEN STUSS! DU SCHAFFST DAS! ICH KANN DIR HELFEN, DOCH DAZU MUSST DU MIR ENDLICH VERTRAUEN!“ Melanie zuckte. Tränen brannten in ihren Augen, doch Hoffnung kam nun in ihr. Die Hoffnung doch nicht zu verschmelzen. „ABER ICH VERTRAUE DIR DOCH!“ Schlagartig wurde es still. Das Gesäusel in ihren Ohren erstickte, die Schatten wichen entsetzt zurück und die Bilder verschwanden. Ihre Augen brannten. Ihr Atem flog und das Herz hämmerte in ihrer Brust. „Alles ok? Komm, mach die Augen auf!“ Es kostete ihr viel Kraft um sie zu öffnen. Sie war wieder in der Höhle. Sie keuchte. „Puh...das war also Shinsaras Macht? Gewaltig...diese sieben mächtigen Drachen mit einen Streich hingerichtet. Tut mir leid, dass du es erleben musstest.“ Sie hatte in seinen Erinnerungen gelesen und es gesehen. Er hatte ihr ungewollt gezeigt, was geschehen war. Shaleng, Akarum, Zrias, Maloras, Jansaro, Orikalco und Resandris- alle diese Drachen waren äußerst mächtig gewesen und hatten sich gegen Dragos verschworen und doch wurden sie mit nur einem Schlag eliminiert. Mit nur einem Schlag. Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihr aus. Was könnte sie dann schon für ihren Freund tun? Absolut Nichts... Sie war müde. Der Sturm draußen erreichte seinen Höhepunkt. Alles wirbelte und rüttelte. Das Feuer erlosch und nun glimmten Canzors Schuppen wie Glut. Flackernde Schemen warfen sie an die Wand und Canzor starrte nach draußen. „Ist schon gut...es ist lange her, dass ich das erlebt habe...du hast mich gerettet...danke Melanie. Ohne dich, da wäre meine...“ Er stockte und schien sich nicht zu trauen. Melanie drückte seinen Kopf gegen sich und presste sich ganz fest an den schmalen Kopf. „Wäre meine Seele zerschmettert worden. Doch du wolltest mir zu hören und hast dein Herz für mich geöffnet...es tut mir leid, dass es so enden musste, aber es hat mir geholfen. Geholfen wieder zu mir selbst zu finden.“ Er verzog seine Lefzen und es erschien Melanie wie ein Lächeln. Sie lächelte auch und sie vergaß, dass ihr Körper wie Espenlaub zitterte. „Gaaran war der Letzte, oder? Der Letzte dem du vertraut hast...stimmt’s, Canzor?“ Er wollte den Kopf wegdrehen, doch Melanie hielt ihn fest. Stattdessen schlug er die Augen zu Boden. „Ja...er hat damals dasselbe für mich getan. Das werde ich ihm niemals vergessen. Vielleicht bin ich deshalb so griesgrämig geworden...denn ich musste wieder mit ansehen, wie die Menschheit erneut denselben Fehler machte und somit Gaarans Opfer in den Wind schlugen. Deshalb begann ich die Menschheit zu verachten und sie als Parasiten anzusehen.“ Seine Stimme war ungewohnt leise. Melanie schluckte. Die Trauer in seinen Augen war unerträglich. „Aber du warst vorhin so nett...“ „Das war nur aus Eigenzweck. Ich wollte mich mit deiner Hilfe rächen. Rächen für die Familie, die Dragos und Shinsara mir genommen haben. Was mit dir oder Axel geschehen würde, war mir gleich. Ich schäme mich dafür!“ Unterbrach er sie. Melanie blickte traurig zur Seite. Tränen schimmerten wieder in ihren Augen. „Es tut mir unendlich Leid. Mein Schmerz hat mich blind gemacht.“ „Ich verzeihe dir. Aber was hat es eigentlich mit Shinsara auf sich? Ich habe noch nie von diesem Schwert gehört.“ Canzor seufzte und war nun wieder etwas gefasster. Er schüttelte seinen Kopf um wieder klar zu werden. Das Eindringen, wenn man es so nennen konnte, hatte seine geordneten Gedanken durcheinander gebracht. Gewonnenes hatte er verloren und Verlorenes wieder gewonnen, ob das so gut war wusste er nicht. Jedenfalls waren die Erinnerungen wieder da, die er so lange zu verdrängen versucht hatte. Hass, Schmerz, Selbstzweifel und Todesangst- er hatte gedacht er hätte sie vergessen. Da hatte er aber gewaltig daneben gelegen, doch trotz alle dem, war er dem Mädchen dankbar. Er konnte sie nicht lächeln sehen, ohne auch Gaaran in ihr lächeln zu sehen. Sie war ihm so ähnlich. Ihr Lächeln war so sanft und schenkte ihm Mut. Nun war es an der Zeit etwas für sie zu tun. „Shinsara...es ist das Schwert von Neyara. Einst stiegen drei Göttinnen, die wir nun Ursprungsgöttinnen nennen, aus dem Weltall hierher herab. Sie beschlossen hier eine Welt zu errichten. Zuerst formte Neyara den Planeten mit ihrem feurigen Schein. Die Landschaft, Gebirge und Ozeane entstanden. Als nächstes schenkte die Göttin der Kraft, Arachna, Mythna die Lebewesen und Hyrielia, Göttin der Weisheit, gab uns das Wissen. Sie schufen die acht Himmelsdrachen um über den Planeten zu wachen und übergaben uns die vier heiligen Waffen Shinsara, Shanosa, Kisarum und Tarensa und prophezeiten uns, dass einst drei Menschen auserkoren werden würden, die mit diesen Waffen den Planeten vor den Unheil schützen würden. Damit transferierten sie ihre Seelen in die vier Waffen und der Träger bekommt seit da an die Macht der Göttinnen. Nur das vierte Schwert, Tarensa...es soll angeblich eine besondere Kraft haben, doch keiner weiß welche. Es trägt keine Seele in sich und bisher konnte es keiner führen. Damit waren wir die Herrscher des Planeten und gaben uns Mühe es Allen recht zu machen. Nach einiger Zeit kamen mehr Götter auf diesen Planeten und nahmen bestimmte Bereiche ein, doch das führte auch dazu, dass einige Menschen sich ebenfalls zu Göttern machen wollten. Sie nutzten die Gutgläubigkeit der Götter aus, um mit ihnen ein Kind zu zeugen, welches dann zwar die Macht der Götter hatte, aber den bösen Keim des Menschen in sich trägt.“ „Du meinst?“ „Dragos ist auch so einer. Neyara war bereits schwanger, als sie hier her kam und gebar Narunia. Doch Narunia verliebte sich unsterblich in einen Menschen und bekam Dragos. Er sollte uns Drachen helfen, deshalb der Name. Er war besonders begabt und das verdarb ihn. Die Halbgötter sind zwar nicht so stark wie ihre Eltern, aber die Götter waren gütig. Sie ruhten sich aus und gingen ihren Aufgaben nach, während ihre Kinder wie wild übten um sie zu übertrumpfen und ihre Stellung einzunehmen. Dragos List mit Shinsara war nur eine von vielen. Mittlerweile hat er eine Festung des Bösen errichtet und es gibt nur noch zwei Parteien in diesem Land: Entweder die gegen Dragos kämpfen oder die für ihn kämpfen. Der uralte Kampf zwischen Licht und Schatten spitzt sich nun zu. Dragos hält den Geist seiner Großmutter in Händen. Es hat lange gedauert, doch nun hat er sie unterworfen. Die Seele ist vom Bösen verschlungen und dient Dragos nun. Shinsara ist die Mächtigste der vier Waffen, es sei denn Tarensa hat eine besondere Kraft, die die von Shinsara übertrifft.“ Canzor endete seine Ausführungen. Der Kopf des Mädchens brummte. Das waren viele Informationen. Das musste sie erst einmal verdauen. „Aber was hat das alles mit Shinanji zu tun?“, flüsterte sie. „Eigentlich nichts. Dragos wird sich nur den Fluch, den Oranum übers Land legte, um die Naturkatastrophen für seine Machtübernahme, nutzen. Doch eigentlich ist eure Aufgabe unmöglich, denn die Hüter, die damals von den drei Göttinnen auserkoren wurden, wurden durch den Fluch auf zwei reduziert. Die vier Elementkugeln, die ihr finden müsst, sind in die die vier Waffen eingebettet, die jeweils ein Element darstellen. Diese müsst ihr dann zu dem Ort bringen, wo die Göttinnen zum ersten Mal unseren Planeten betraten. Doch es gibt zwei Probleme...“, erklärte Canzor und er stieß abgelenkt eine Flamme in die Luft. Melanie kratzte sich am Kopf. Puh...das klang aber nach Arbeit. „Und welche?“ „Shanosa ist in der Zeit eingefroren und der Tempel unserer 3 Göttinnen liegt auf 10 000 Meter im Transan Ozean.“ Kapitel 14: Die Hölle auf Erden ------------------------------- 14. Kapitel: Axel Die Hölle auf Erden Das Erste was er wieder wahrnahm, war ein stechender Schmerz auf dem Rücken. Es brannte so sehr, als hätte man ein Feuer auf ihm entfacht. Sein Körper zitterte und sein Kopf war leer. Er fühlte nur die Schmerzen, die ihm eisern im Griff hielten. Das taube Gefühl der Angst wurde er einfach nicht los. Axel konnte sich nicht mehr erinnern, was in den letzten Tagen mit ihm geschehen war. Sobald er versuchte es herauszufinden, da wurde alles Schwarz und Übelkeit übermannte ihn. Seine Augen waren geschlossen und er glühte vor Fieber. Das Atmen fiel ihm schwer und jeder Zug schmerzte in seiner Brust. Axel versuchte sich aufzurichten, doch etwas Kaltes an seinen Handgelenken verhinderte das. Er stutze und versuchte es erneut mit einem festen Ruck zu befreien. Seine Hände waren fest gekettet. Seltsam...bisher war er doch nur eingesperrt worden und nicht fest gekettet. Irgendetwas war heute anders. Endlich gewöhnten sich seine Augen an das Dämmerlicht, was die eine Fackel außerhalb seiner Zelle in sein Gefängnis warf. Er saß in einem Kerker tief unten in der Burg von Dragos. Lange Gänge führten durch das Innern der Insel, welche mitten in einem Ozean lag. Glaubte Axel zumindest, denn er hatte einmal kurz ein Rauschen wie vom Meer gehört. Fünf Tage saß er nun in dieser Hölle fest. Einmal täglich kam ein vermummter Mann in die Zelle um ihn zu tyrannisieren. In seinem Gedächtnis hörte er wieder die Peitschenschläge, die seine Haut wegrissen. Die Schlieren auf seinen Rücken zurrten sich nun zu fleischigen Narben zusammen oder waren vereitert. Eine Platzwunde pochte auf seiner Stirn und sein Atem geht schwer unter der stickigen, heißen Luft hier unten. Sie war durchtränkt von dem ekeligen Geruch von verwesendem Fleisch. Ein Schrei hallte durch den Kerker wider und Axel wandte seinen Kopf langsam der Gittertür zu. Da wurde Einer gefoltert...das war hier ständig...schon normal. Bald war er auch wieder dran. Axel war nach der letzen Prozedur in Ohnmacht gefallen. Wie würde es heute sein? Jeden Tag kam Dragos in seine Zelle um ihn zu fragen, ob er sich ihn nun anschließen wolle. Axel hatte bisher jedes Mal verneint. Doch wie lange noch? Wütend trat er gegen einem bleichen Schädel, der umgeben von Knochen war. Es knackte als der Schädel sich etwas bewegte und gegen die Knochen schlug. Wieder keimte das bekannte Gefühl in ihm auf- Hass und Wut. Seit seiner Gefangennahme waren diese Gefühle besonders intensiv und sie kamen immer wieder. Er hasste das Gefühl zum Nichtstun verdammt zu sein. Noch nicht einmal richtig zu treten konnte er. Ein Vorteil hatte die Situation ja schon, obwohl Axel es nicht unbedingt als solcher ansah. Dass er die ganze Zeit in dieser Zelle war, hatte zur Folge, dass er viel nachdachte. Seine Gedanken drehten sich die ganze Zeit um seine Vergangenheit. Er hatte Camizu verraten und es zerstört. Seine Freunde und Familie umgebracht. Die Verachtung, die sich deshalb in ihm breit machte, hatte ihn in ein schwarzes Loch gezogen. Der Vorwurf hatte ihn Suizidgedanken in den Kopf getrieben. Er hatte kein Recht auf ein Leben, aber er wollte leben, auch wenn das Leben Qualen bedeutete. Eigentlich hatte er es ja nicht anders verdient. Wieso war er damals bloß auf Dragos hereingefallen? Er biss sich auf die Lippen und verschloss verkrampft die Augen. Warum musste Dragos ausgerechnet jetzt wieder begegnen? Nicht, dass er es je vergessen hätte, was er getan hatte, doch er könnte sagen, dass er gelernt hatte, es zu ignorieren. Die Tränen, die er abends geweint hatte, waren längst versiegt und die Ereignisse waren nur noch dann gekommen, wenn er allein in der Dunkelheit der Nacht lag. Die Schreie und Beschuldigungen waren längst verklungen, doch nun waren sie wieder so klar da wie selten zuvor. Der Körper des Jungen zitterte so stark, wie die Ketten es ihm erlaubten. Das Metall klirrte und durch den modrigen Gestank drehte sich alles vor seinem inneren Auge. Was stand wohl heute auf dem Programm? Streckbank, Auspeitschung oder vielleicht doch eher die eiserne Jungfrau? Innerlich lachte er sarkastisch über diesen Gedanken. Demnächst würde er wohl auch noch Wetten abschließen welche Torturen er wohl aushalten müsste. Jetzt bekam er ja sogar schon Galgenhumor, das konnte ja heiter werden. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis sein Wille gebrochen war oder er wahnsinnig werden würde? Verbittert starrte er zu Boden und wieder brannten Tränen in seinen Augen. Innerlich war er zerrissen: Am liebsten würde er sein Leben einfach aufgeben, doch etwas hielt ihm am Leben. Eine einzige Sache: Melanie! Wieder biss er sich auf die Lippen und starrte auf eine Fleischwunde auf seinem Bein, welches unter dem zerfetzten Mantel hervorragt. Es tat ihm so leid, dass er ihr nie erzählt hatte, was es mit seiner Vergangenheit auf sich hatte...warum er ihr nie erzählt hatte, wieso er so weit gereist war. Wieso hatte er seinen Freunden nie vertraut und ihnen von seiner Vergangenheit erzählt? Hatte er gehofft, dass er es irgendwann vergessen würde? Wie dumm er doch gewesen war. Nun saß er deswegen in Schwierigkeiten und ob er es überleben würde war ungewiss. Anscheinend hatte er wirklich geglaubt, dass er vor der Schuld davonrennen könnte. Die Erinnerungen waren nun noch deutlicher und er konnte sie nicht mehr zurückdrängen. Wie in einem Kino lief das Vergangene vor seinen Augen ab: ~Ein schwülheißer Sommertag, wo die Hitze auf der Haut brannte- so fing der Tag damals an. Die Hitze staute sich in dem Canyon auf und dadurch entstand ein Wind, der von unten aus der Schlucht hoch pfiff. Axel war damals 10 Jahre alt und sollte an der Abschlussprüfung der speziellen Kampfschule von Camizu teilnehmen. Sein Herz klopfte damals so heftig, dass es aus seiner Brust zu springen schien und er war so aufgeregt. Sein kleiner Bruder lief freudestrahlend neben ihm her und hielt die Hand von Axel festgedrückt. Die türkisblauen Augen waren groß vor Freude, denn die Ausbildung von Karir begann heute. Axel hingegen freute sich gar nicht- er war einfach nur nervös. Sein Clan war der Mächtigste im ganzen Dorf und jeder hatte bisher mit Auszeichnung bestanden. Heute war es an Axel diese Tradition fortzuführen. Für den 10-Jährigen Axel stand heute alles auf dem Spiel und es fühlte sich für ihn so an, als würde ein tonnenschweres Gewicht auf seinen Schultern lasten. Beide liefen durch die geordneten Gassen von ihrem Dorf. Die Häuser waren einfache, aber große Holzhäuser mit schwarzen Reetdächern. Die Türen waren meistens mit schwarzem Harz verkleidet und auf mythanisch standen die Namen des Clans auf ihnen geschrieben. Meist waren die Namen kaligraphisch mit verschnörkelten Buchstaben geschrieben. Vor ihnen ragte eine riesige Arena in ovaler Form in den Himmel. Es ist im matten Erdtönen gestrichen und hatte dass Aussehen des Amphitheater in Athen. Geschwungene Säulen stützten den schweren Stein, der die Tribüne bildete. „Heute wird ein ganz toller Tag, nicht wahr, großer Bruder?!“ Karirs Stimme überschlug sich fast vor Freude. Die kleine Hand zitterte vor Aufregung in der von Axel. Axel warf seinem kleinen Bruder einen lächelnden Blick zu und wandte sofort den Kopf wieder ab und biss sich auf die Zähne. Er mochte seinen kleinen Bruder ja, aber jetzt wäre er lieber allein gewesen. Er musste unbedingt ausgezeichnet sein, sonst wäre die Ehre seiner Familie dahin. „Ja, heute wird ein ganz toller Tag, Karir.“, presste der Junge zwischen seinen Zähnen hervor. Axel wich einer Katze aus, die rasend schnell über den Weg rannte und über die er fast gestolpert wäre. Sein Herz flatterte vor Nervosität. ~ Der jetzige Axel in der Gegenwart lehnte seinen Kopf an die raue Wand und blickte zur Decke hoch, für die das schwache Licht der Fackeln nicht mehr ausreichten. Eine Ratte huschte vor seine Füße, richtete sich auf die Hinterpfoten und mampfte einen Brotkrümel. Axel hörte seinen Magen knurren und fühlte wie der sich verkrampfte. Man, hatte er einen Hunger. 4 Tage hatte er nun nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen und niedergeschlagen ließ er den Kopf hängen. Wie hilflos er sich nun fühlte. Er wollte doch nie mehr abhängig sein, doch nun hing sein Leben am seidenen Faden und dann war er auch noch von Dragos abhängig- ausgerechnet von ihm! Der Körper von Axel bebte erneut vor Zorn. Eigentlich hatte er sich geschworen nicht mehr zu hassen, doch diesen Menschen hasste er wie die Pest. Nun konnte er sein Versprechen nicht mehr halten. Er hatte Melanie versprochen sie für immer zu beschützen und nun konnte er es nicht mehr halten. Tränen brannten wieder in seinen Augen. Er fühlte sich schwach und Melanie, die ihm immer Kraft und Trost gegeben hatte, fehlte ihm nun, wodurch er sich unglaublich leer fühlte. Genau wie damals, nach dem dass Dorf abgebrannt war. ~Die Prüfung war vorbei gewesen und Axel hatte bestanden, wenn auch nicht so gut, wie er eigentlich sollte. Er hatte Kämpfe immer verabscheut. Eigentlich mochte er Konflikte lieber mit Worten lösen, doch das war hier fehl am Platze. Traurig und deprimiert schlurfte er durch die Gassen und kickte einen kleinen Kieselstein vor sich her. Die Hände hatte er in die Tasche gesteckt und er ließ den Kopf hängen. Der Tag war nun fast vorbei und das Sonnenlicht reichte nicht mehr, um die Schlucht zu erhellen. Axel öffnete die Hand und eine weiße Lichtkugel bildete sich vor seiner Handfläche. Ein flackerndes Licht erhellte die Straße und verdunkelte die bekümmerte Miene von Axel. Er wollte eigentlich gar nicht nach Hause und die Rüge von seinem Vater wollte er auch nicht hören. Sein Gegner war nun mal stark gewesen...er hatte halt Pech gehabt und hatte gegen den Jahrgangsbesten antreten müssen. Er blieb stehen und blickte zu dem klaren Nachthimmel hoch und sein rotes Haar wehte ruhig im Wind. Die Sterne leuchteten schwach. „Hey, Axel. Hast echt gut gekämpft, aber ich weiß einen Weg, wie du deine Auszeichnung doch noch schaffst.“ ~ Axel bebte, als er sich wieder an diese Stimme erinnerte. Ein Schrei hatte die Erinnerung wieder verwischt. Ein quietschendes Geräusch zerschnitt die Stille der Nacht. Eine neue Zelle wurde geöffnet und der Junge senkte den Kopf. Die Tränen rollten aus seinen Augen und tropften auf einen Knochen. Leise tropfte Wasser von der Decke auf den Boden und immer im gleichen Rhythmus- ein Zustand, welcher Axel zusätzlich fast wahnsinnig machte. Immer dieses Plopp, Plopp...das war zuviel. Der Junge kniff die Augen zusammen und wandte den Kopf ruckartig weg. Das Fieber beachtete er nicht mehr, obwohl ihm schwindelig war und sein Körper war so glühend heiß, wie ein Feuer. Feuer...das Element, was ihn noch heute in Panik versetzte. Seitdem Tag damals hatte er eine richtige Phobie vor dem Feuer. Es ließ immer wieder die Erinnerungen wach werden. Wahrscheinlich würde er nie mehr Frieden empfinden. Wahrscheinlich würde er nie mehr glücklich sein...nur Melanie hielt ihm noch am Leben, doch nun war die Frage, ob sie überhaupt noch etwas von ihm wissen wollte, nachdem was geschehen war. Würde er sie überhaupt noch wieder sehen? Die Erinnerungen an die Ereignisse, nachdem er diese Stimme gehört hatte, waren nur sehr verwischt und verschwommen. Er wusste nun nicht mehr, warum er damals auf ihn gehört und dem verhüllten Mann vertraut hatte. Wahrscheinlich war es die Verzweiflung gewesen...doch er war sich nicht sicher. War bloß eine Vermutung. Irgendetwas in der Stimme hatte ihn veranlasst, dass er das Vorgeschlagene umsetzte. ~Heimlich, still und leise hatte er sich in den großen Tempel der drei Ursprungsgöttinen geschlichen. Leise wie eine Katze und verschmolzen mit der Dunkelheit, glitt durch die lange Gänge, versteckte sich hinter den weißen Marmorsäulen und hielt Ausschau nach Feinden. Es waren keine Wächter weit und breit zu sehen. Eigentlich sollte es ihn nachdenklich stimmen, doch es interessierte ihn nicht. Er war schon fast wie besessen. Immer wieder drehte er seinen Kopf um oder spähte durch die Schiebetüren, die von dem Gang abzweigten. Es war mucksmäuschenstill und man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Eigentlich war alles seltsam an diesem Abend, doch den jungen Axel interessierte es nicht. Wie in Trance ging er durch den unendlich erscheinenden Gang, der sich in der Dunkelheit verlor. Die vorsichtigen Schritte von dem Jungen verursachten kein einziges Geräusch. Die Luft war so dick und abgestanden in dem heiligen Raum, wo Shinsara aufbewahrt wurde, dass man hätte reinbeißen können. Ein prachtvoller Altar befand sich in der Mitte des großen Raumes. Er war mit Gold und Edelsteinen verzogen und die Ursprungsgöttin zierten die Flügel. Ihr feingliedriger Körper im schneeweißen Gewand stand auf einer grünen Wiese und sie blickten gedankenverloren zum Himmel hinauf. In der Mitte des Altars, auf einem Ständer, ruhte die heilige Waffe in ihrer goldenen Scheide. Das schwache Licht der Fackeln war komplett auf dieses Schwert gerichtet, so dass es auf eine besondere Art und Weise leuchtete. Axel blieb andächtig stehen, hörte aber nicht auf zu lauschen. Es ging so eine imposante Aura von der Waffe aus, dass der 10-Jährige eine Gänsehaut bekam. Fast hätte er vergessen, wieso er hier war und als es ihm wieder einfiel, hatte er ein schlechtes Gewissen, diese Waffe zu stehlen. Sie war doch der größte Schatz des Dorfes, doch dann zuckte er mit den Achseln. Immerhin würde er damit nur beweisen, dass er sowohl gut kämpfen als auch infiltrieren konnte und danach würde er sie zurückgeben und alles wäre wieder in Ordnung. Dass er gerade damit Hochverrat beging, war ihm gar nicht bewusst. Er war damals einfach zu naiv gewesen, schließlich war er gerade mal 10 und total verzweifelt. Vorsichtig stahl er sich zu Shinsara und hielt dabei nach Fallen Ausschau. ~ Im Nachhinein würde Axel nun sagen, dass es viel zu einfach gewesen war, aber damals war es ihm egal gewesen. Was dem rothaarigen Jungen aber am merkwürdigsten vorkam war, dass er es so einfach gemacht hatte. Normalerweise hielt er sich streng an Regeln und hasste es sie zu brechen, das war schon immer so gewesen und würde auch immer so sein. Wieso also hatte er es getan? Nun erschien es Axel so, als wäre er damals in Trance gewesen- fast schon hypnotisiert und die Hoffnung, doch noch die Ehre der Familie zu bewahren war zu groß gewesen, doch dann geschah dass, was er selbst damals nicht für möglich gehalten hatte. ~Axel hatte das Schwert dem Mann gegeben und lief nun glücklich nach Hause. Er war stolz auf sich und nun, nun würde er doch die Familienehre wahren. Sein Vater würde sicher stolz auf ihn sein. Er schmunzelte erfreut und lief so schnell er konnte in Richtung Süden. Das weiße Licht seiner Energiekugel flackerte im frischen Nachtwind, doch es reichte Axel um genau zu sehen, wo er hinrannte. Seine Füße tappten leise durch die Stille der Nacht. Seine schwarze Robe flatterte im Wind und eben jener fuhr spielerisch durch das feuerrote Haar. Der Junge war so glücklich, dass sein Herz im freudigen Takt schlug. Plötzlich kam ein glühend heißer Wind von hinten und ließ Axel stocken. Der Junge blieb abrupt stehen und betrachtete verwirrt den gelben, gleißenden Schein, der sich nun durch die Dunkelheit der Nacht fraß. Es wurde plötzlich heiß und es knisterte und knarrte überall. Ein Zischen und ein dumpfer Rums ließen Axel herumfahren. Seine Augen wurden groß und er wich entsetzt zurück. Eine riesige Flammenwand erstreckte sich zum Himmel und erhellte den Nachthimmel in feurigen Schein. Das Kolosseum stand im Flammen. Das, wo gerade die Zeremonie von Karirs Einführung stattfand. Axel keuchte heftig. Nein...Nein. NEIN! Angst durchflutete den Jungen. Sein Körper begann zu zittern. Tränen sammelten sich in seinen Augen und schimmerten gelb im Schein des Feuers. „Karir!“, schrie er und Tränen flogen aus seinen Augen. Ohne weiter darüber nachzudenken rannte er dem Feuer entgegen. Er ignorierte die Hitze und das Feuer, was immer näher und größer wurde. Er wich dem brennenden, herunterfallenden Gebälk aus und rannte so schnell er konnte die Straße entlang. Er hörte Schreie aus dem Kolosseum kommen. Sein Herz hämmerte in seinem Kopf und er feuerte sich an immer schneller zu laufen. Das schwarze Gewand mit den gelben, tanzenden Schatten spielte um seine Beine und sein treues Schwert Horan klapperte in seiner Scheide. Es spürte die Gefahr, die vor ihnen lag, doch Axel war zu verzweifelt sie wahrzunehmen. Die Sorge um seinen kleinen Bruder war viel zu groß, als dass er hätte nachdenken können. Tränen spritzten aus seinen Augen und verschleierten seine Sicht. Was war geschehen? Wieso brannte alles? Wo waren die Wachen? Axel schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Die Hitze wurde immer größer und war nun fast unerträglich. Alles verschwamm vor seinen Augen und der Junge musste sich schwer konzentrieren um überhaupt noch in der Lage zu sein zu laufen. Überall hing der beißende Gestank von Schwefel und verbrannten Holz in der Luft und ermüdete seine Sinne. Axel schüttelte benommen den Kopf und versuchte sich seinen Weg durch den dichten Rauch zu bahnen. Doch auf halber Strecke musste er anhalten. Drei Balken waren von den Dächern gefallen und versperrten nun Axel durch eine lodernde Feuerwand dem Weg. Zu diesem Zeitpunkt sah er es das erste Mal: Das Ungeheuer, welches sein Leben für immer verändern würde. Die Wand erstreckte sich nun bereits über sechs Meter in die Höhe und der Heißluft nahm an Stärke beängstigend zu. Die heiße Luft floss nun immer schneller und Axel musste seine Augen schützen. Zwischen dem Spalt seiner Arme konnte er einen verschwommenen Schatten sehen. Ein riesiges Monster mit drei Köpfen richtete sich auf und brüllte so laut, dass der Erdboden erzitterte. Er war so tief und bedrohlich, dass es Axel so vorkam, als wäre er nicht von dieser Welt. Das Monster stellte die Vorderpfote auf die Rundung der Tribüne und der Stein gab dem Gewicht nach. Axels Körper und Augen zitterten vor Angst. Was...was war das für ein Monstrum? Wo...wo kam es her? Und was wollte es? Keiner der Bewohner hatte irgendwem Unheil angetan. Axel holte tief Luft und wandte sich nach Rechts um- in eine schmale Gasse, die noch nicht ganz von Feuer eingeschlossen war. Ein Falke stieß aus den blutroten Himmel zu Axel herab und bremste seinen Sturzflug neben seinem Kopf. Die Flügel schlugen gegen den Boden und entfachten einen kleinen Wirbelsturm. „Sheyer, heiliger Falke...was geht hier vor? Wo kommt dieses Monster her?“, rief Axel dem Falken so und sprang galant zur Seite, als ein Balken herabstürzte. Der Falke schraubte sich unter dem knisternden Balken hindurch und seine gelben Augen durchdrangen die Nacht. „Es ist deine Schuld, Axel. Wie bist du bloß auf die Idee gekommen Shinsara zu stehlen?“ Die scharfe Stimme des Falken ließ den Jungen zucken. Bestürzt wandte er den Kopf ab. Er verkrallte seine Hand in dem schwarzen Stoff seines Umhanges. Er...er war schuld? Sein hals wurde ganz trocken und das Atmen fiel ihm immer schwerer. „Wo ist Karir?“ „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist er bereits verbrannt, wie alle anderen. Das Feuer ist zu heiß, das haltet ihr nicht aus- auch du nicht, Axel.“ ~ Wenn der Junge jetzt so darüber nachdachte, kam ihm die Formulierung doch äußerst seltsam vor. „auch du nicht, Axel...“ Das hatte Sheyer damals gesagt. Ob er schon damals ahnte, was seine Aufgabe seien werden würde? Was für Kräfte verbargen sich noch in ihm? Das Feuer war heiß gewesen- zu heiß für alle Menschen- und dennoch hatte es ihm damals nichts ausgemacht. Fast so, als hätte ihn eine Art Barriere umgeben. Der Gefangene haute mit dem Hinterkopf gegen die Wand vor Zorn. Warum war er damals so blöd gewesen? Wieso hatte er diese Kräfte und die anderen nicht? Wieso lebte er noch und seine Freunde und Familie nicht mehr? Wieso lebte er, mit einer Seele, die voller Neid und Dunkelheit war, noch? ~Er rannte weiter und blickte sich verzweifelt um. „Karir...Karir wo steckst du bloß?! Halte aus, ich bin bald bei dir!“, schrie Axel so laut er konnte, doch die Antwort war nur sein eigenes Echo, ansonsten blieb die Nacht stumm. Immer weiter lief er die Straße entlang und Sheyer wich nicht von seiner Seite. Axel bekam Seitenstiche und das Atmen fiel ihm immer schwerer. Der Gestank und die Hitze waren kaum noch zum aushalten, doch der rothaarige Junge kämpfte sich weiter. Mit jeden Schritt, den der Junge sich auf das Kolosseum zu bewegte, desto langsamer wurde er. Er hielt sich den linken Arm vor die Augen und kämpfte sich gegen den starken Wind, die Hitze und den Qualm. Der heilige Falke wich nicht von seiner Seite. Axel war völlig verzweifelt. Es war seine Schuld, das alles war seine Schuld! Das könnte er sich nie wieder vergeben. Tränen brannten in seinen Augen und verdunsteten noch bevor sie sich auf den Weg aus seinen Augen machen konnten. Die Hitze tanzte und brannte über Axels Armen und verglühte sein Gesicht, doch dem Jungen war das völlig egal. Er musste seinen Bruder finden. Sein Bruder war der Einzige, der ihn wirklich liebte und dem Axel etwas bedeutet hatte. Nicht als Mitglied des Clans, sondern als eigenständiges Individuum. Von seinen Vater hatte der Junge immer nur Intoleranz und Leistungsdruck erfahren und war Axel mal einmal nicht so gut, wie es sein Vater wollte, dann gab es oft harte Strafen. Axel ließ den Kopf hängen. Was konnte er denn dafür, dass er nicht so gerne kämpfte? Er war nun einmal der Überzeugung, dass es auch andere Wege geben muss, um Uneinigkeiten zu klären. Oftmals fühlte er sich hier missverstanden und einsam...da war sein Bruder der einzige, musste er ihn retten. „Axel, pass auf! Zur Seite!“, kreischte Sheyer plötzlich. Axel fuhr aus seinen Gedanken und sah einen riesigen Feuerball auf sich zu kommen. Der Junge verharrte ganz starr vor Schreck und blickte mit entsetztem Ausdruck in den Augen der Flammenkugel entgegen. Die Luft flimmerte vor Hitze und das Holz verbog sich in die unmöglichsten Formen. Axel Geist versuchte sich zu bewegen, doch sein Körper war wie gebannt. Egal wie sehr er sich anstrengte, er konnte sich einfach nicht bewegen. Die flackernde Kugel flog rasend schnell auf ihn zu und Axel konnte das Knistern in ihrem Innern hören. Da spürte er plötzlich, wie er von den Füßen gerissen wurde und in eines der umstehenden Häuser krachte. Es knarrte und das Gewölbe stürzte über ihm ein. Kurz bevor ihn das Holz begrub, konnte er sehen, wie Sheyer in seiner Menschengestalt von der Feuerkugel erfasst wurde und laut schrie. Axel wollte sein Bein strecken und zu ihm rennen, doch sein Bein steckte unter einem Balken fest, fast so, als wollte er verhindern, dass Axel dem Falken half. Er ruckte an seinem Bein und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Der Balken hatte eine tiefe Schlürfwunde in seinem Schienbein hinterlassen. Axel verzog das Gesicht und zischte. Er sah zu Sheyer, doch auf dem Boden lag nur noch ein Haufen Asche. Der heilige Falke, der Schutzpatron dieses Dorfes, war verbrannt- verbrannt, um ihn zu retten. Axel schrie verzweifelt auf und Tränen rollten aus seinen Augen. Nein, das durfte nicht wahr sein. Wieso...wieso passierte das alles nur, weil er so blöd gewesen war? Was würde noch alles passieren? Kurze Zeit blieb er so hocken und beobachtete das Feuer, wie es sich immer mehr durch die Feuer fraß. Er konnte eh nicht aufstehen, weil sein Bein noch immer eingeklemmt war und er es nicht schaffte sich zu befreien. Fast schon abwesend blickte er dem Schein des Feuers zu, wie es immer näher kam. Vielleicht wäre es ja gerecht, wenn er dem Flammentod erleben würde, wie seine Freunde auch. Er presste ein verkohlte Stück Holz in seiner Hand. Er saß einfach nur da in den Trümmern, abgeschirmt von einem verbrannten Dach, und beobachtete das Feuer. Irgendwann riss er sich von seiner Starre los und schaffte es irgendwie sich zu befreien. Sobald er mit dem linken Fuß auftrat durchzuckte ihn ein stechender Schmerz. Er biss die Zähne zusammen und humpelte durch die Straße. Eine rote Spur hinterließ er, als er sich durch die Straßen schleppte. Der Junge taumelte und alles vor seinen Augen verschwamm. Er konnte nicht mehr gerade laufen und der Schmerz betäubte ihn zusätzlich. Immer wieder krachte er gegen eine Häuserwand. Nach einiger Zeit wusste er nicht mehr, wie lange er vor sich hin getaumelt war. Es war, als wäre er in einem dunklen Gang gefangen, der ihm keine Fernsicht gewährte. Axel wusste nicht wo er war und beinahe hatte er vergessen, wer er war, wenn nicht eine leise Stimme an sein Ohr gedrungen wäre: „Axel...? Bist du das Axel?“ Axel blieb stehen und zuckte. Das war Karirs Stimme. Hatte er endlich seinen kleinen, heiß geliebten Bruder gefunden? ~ Schmerzhaft verzog der jungendliche Axel das Gesicht. Es war wirklich Karir gewesen, doch dass, was sein kleiner Bruder ihm damals gesagt hatte, würde er nie mehr vergessen. Die Worte hallten immer wieder in seinen Ohren und ließen ihn nicht los. Es waren eben diese Worte, die sein Herz hatten zerreißen lassen und die ihn noch bis heute quälten. „Wieso hast du uns verraten? Ich habe dich immer bewundert!“ Das hatte er damals gesagt und Axel kamen noch heute die Tränen, dabei war es nun sechs Jahre her. Er war geschockt gewesen und konnte sich nicht mehr rühren. Axel blickte zur Decke hinauf und das Wasser tropfte auf sein Gesicht. Ja...damals, nach dem Feuer...da hatte es auch geregnet. ~Entsetzt starrte Axel Karir an und die Tränen brannten in seinen Augen. Er ging auf seinen Bruder zu, doch dieser wich zurück. Sein Gesicht war verschmutzt und das festliche Gewand zerrissen. Überall hatte er Verbrennungen auf der Haut. Die vorher klaren, azurblauen Augen des 6-Jährigen wirkten nun stumm und teilnahmslos, nur Vorwurf und Hass leuchtete in ihnen. „Karir, bitte glaub mir, ich habe das nicht gewollt.“, versuchte Axel zu beteuern. „Schweig still, Verräter! Deinetwegen sind wir nun nichts weiter als umherirrende Seele, die ihren Weg nicht ins Jenseits finden. Ich habe dir vertraut und du hast mich umgebracht.“ Karirs Stimme war so schneidend scharf, wie Axel es noch nie erlebt hatte. Der Junge blickte umher. Überall aus den Gassen kamen weitere Familienmitglieder und Dorfbewohner. Axel wich immer weiter zurück, bis er an einer Häuserwand stand. Er blickte zwischen seinen ehemaligen Kollegen hin und her, als wäre er eine Antilope, die von einer Schar Hyänen in die Enge getrieben worden war. Seine Augen flehten um Vergebung, doch die Mienen blieben eiskalt und unbewegt. Immer wieder wiederholten sie die Worte: „Du hast uns umgebracht! Du Verräter.“ Axel schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht mehr hören. Er bedeckte seine Ohren mit den Händen und sank zu Boden. Er zitterte und der Mageninhalt kam ihm hoch. Axel weinte so viel, wie er noch nie in seinem Leben geweint hatte. Er sah die Seelen nicht an- sah nur zu Boden und flehte, dass sie endlich aufhörten. Danach brach er zusammen. ~ Axel wandte den Kopf um und versuchte in den Gang zu spähen. Er reckte den Kopf und versuchte etwas zu sehen. Schritte hallten durch den Gang. „Dieses Mal ist so weit.“ Axel zuckte zusammen. Es war Dragos Stimme. Kapitel 15: Die Geburt des Bösen -------------------------------- 15. Kapitel: Dragos (vor 10.000 Jahre) Die Geburt des Bösen Dragos war es leid. Immer wieder dieselbe Leier. Wie sehr er das doch alles hasste. Jeden Tag dasselbe Spiel und das nun seit schon 15 Jahren. Er trabte wütend durch die große Halle von ihrem Tempel. Die Halle endete in einem Kuppeldach mit künstlerischen Bemalungen. Elegant geschwungene Marmorsäulen, die von Blattgold wie feine Adern durchzogen wurden, stützten die Kuppel ab. Ein langer Tisch mit feiner Maserung stand in der Mitte der Esshalle. In den Nischen der Halle versteckt, standen wertvolle Vasen und Skulpturen. Dragos raufte sich durch sein schulterlanges, rabenschwarzes Haar. Kitsch pur und nichts von Belang. Er konnte damit nichts anfangen. Dragos war nun 15 Jahre alt- für nach Menschenstandard und für einen Halbgott nicht besonders alt- dennoch war er bereits mit einem wachen, klaren Verstand, der alles erfasste, gesegnet. Der Jugendliche hatte ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Das schwarze Haar fiel glatt bis zur Schulter hinab. Auch er hatte die schwach gelben Augen seiner Mutter. Er trug einen braunen Stoffwams, der seinen sportlichen Körper verbarg. Braune Lederstiefel rundeten das Aussehen ab. Dragos war intelligent und äußerst begabt, doch genau das gefiel ihm manchmal nicht. Da er „nur“ ein Halbgott war, hatte er nicht die Ignoranz, wie er es nannte, der Götter geerbt, sondern den kritischen Verstand der Menschen. Seine Mutter konnte ihm erzählen was sie wollte. Es war nicht alles gut. Schon seit einiger Zeit veränderte sich das politische Klima gewaltig. Die Luft war von Spannung erfüllt und wenn die Götter weiterhin alles abtaten, weil sie Angst davor hatten endlich mal Taten folgen zu lassen und aus ihrem Alltagstrott auszubrechen, dann würde ein Krieg ausbrechen. Seit Oranum den Fluch über das Land gelegt hatte, war es am Brodeln. Ein Widerstand sammelte sich in den Städten und Wut kochte immer weiter hoch. Die Bevölkerung war sauer auf die Götter, dass sie ihnen so einen Herrscher gesandt hatten, dabei konnten diese gar nichts dafür. Doch die Götter ignorierten das alles und versuchten nur zu beschwichtigen, anstatt zu versuchen die Situation zu verbessern. Lange würde es nicht mehr dauern und dann war es zu spät. Mit einem kräftigen Stoß öffnete der junge Halbgott die schwere Eichentür, die zu einem langen Gang führte. Dragos blieb stehen und ließ seinen wachen Blick wandern. Piräus, das kleine Drachenjunges von Dragos, welches vorher auf einem Fenstersims gedöst hatte, flatterte auf die Schulter von seinem Herrn und brummte zufrieden. Er stupste Dragos mit seiner Nase an. Er war gerade Mal eine Elle lang und hatte azurblaue Schuppen, wo von aber manche auch braun waren. Gelb-braune Augen blickten den Jugendlichen an. Der Schwanz hing über den Rücken des Jungen. Die ledernen Schwingen waren an dem Körper gepresst. Gut dass der Halbgott einem Wams trug, denn sonst würden die Krallen Wunden in seine Schulter schlagen. Gedankenverloren strich der Junge dem Drachen über die Schuppen. Sie waren kühl und glatt. „Dragos, was ist los? Du wirkst so missmutig.“ Der Junge schnaubte wütend und spähte in die Gänge. Und wie er das war. Auf beiden Seiten endete der Gang im schwummrigen Dämmerlicht. Der schwere, rote Teppich schien leicht zu glühen. Der Gang war hoch und gewölbt. Er erinnerte ein wenig an das Mittelschiff einer großen Kirche. Der Junge schnalzte und beobachtete die Staubflusen, die ruhig über seinem Kopf in der dicken Luft trieben. Wie konnte er gut gelaunt sein, wo ihm das Verhalten seiner Verwandten und Kameraden doch so krank machte? Es war einfach nicht zu aushalten. Es musste endlich etwas geschehen. Jemand musste das Steuer in die Hand nehmen und endlich etwas unternehmen und nich auf ein Wunder warten. „Hey, jetzt drifte nicht wieder in deine Überlegungen ab, sondern erklär mir war los ist!“, meckerte Piräus und zwickte ihm kurz ins Ohr. Dragos zuckte und blickte den kleinen Drachen verwundert an. Piräus war ein Zwergdrache, der nicht viel größer werden würde, als er jetzt war. Zwergdrachen waren eine andere Art von Drachen und Piräus war Dragos einziger und somit auch bester Freund. Er kannte den Sohn der Schicksalsgöttin in und auswendig. Wusste, was er dachte und teilte fast immer seine Meinung. Manchmal kam es aber auch zu heftigen Diskussionen zwischen den beiden und dann war Dragos in seinem Element. Dragos kam nie aus dem Tempel seiner Mutter hinaus. Jeden Tag lief es gleich ab: Lernen, Kämpfen, Magie Training und das jeden Tag. Es ging ihm auf die Nerven. Er wollte endlich aktiv werden und... „Dragos!“, mahnte die Stimme von Piräus. Dragos schüttelte den Kopf. Er ließ sich leicht ablenken und war dann abwesend. „Ja, du hast Recht, Piräus. Ich bin total genervt.“ Der Halbgott setzte sich so ruckartig in Bewegung, dass der kleine Drache fast von seiner Schulter gepurzelt wäre. Piräus gab ein missmutiges, wütendes Gebrummel von sich. Mühsam kletterte er wieder auf die Schulter von Dragos zurück, dabei schlug er mit den Flügeln in die Luft. Der hatte ja wirklich miserable Laune. Das war gar nicht gut, kam aber in letzter Zeit leider häufiger vor. Früher war er ein aufgeschlossener, fröhlicher Junge gewesen, aber seit gut einem halben Jahr wurde seine Laune zusehends schlechter und seine Miene ernster und steinern. Seine Mutter bekam von alle dem nichts mit, denn die war den ganzen Tag damit beschäftigt ihrer Aufgabe nachzugehen und Dragos war ein guter Schauspieler. Er wusste wie er seine schlechte Laune am Abendtisch vor seiner Mutter zu verbergen hatte. Nicht, dass diese die kleinen Seitenhiebe oder Andeutungen ihres Sohnes zu verstehen wusste. Eigentlich, dass musste sich Piräus schmerzhaft eingestehen, wusste Narunia nichts über ihren Sohn. Sie wusste, dass er super intelligent war, das war es dann aber auch schon. Doch wusste sie nicht, dass er sich nach ihrer Liebe und Nähe sehnte. Er war im Prinzip ohne Eltern aufgewachsen und er wollte doch nur wie ein Sohn behandelt werden und nicht wie irgendein Mitbewohner, den man ingnorierte, der vielleicht sogar lästig war. Sie war zu beschäftigt, sagte sie. Das wurmt Dragos schon ungemein. Nur vor Piräus konnte er offen sprechen, aber auch das wurde immer seltener. Der Junge lebte nur noch in seinen Gedanken und Wissen und wurde selbst vor Piräus immer verschlossener. „Man, bist du heute aber übel gelaunt! Ist es wieder wegen deiner Mutter?“ Kameradschaftlich legte Piräus seinen Schwanz um Dragos Hals, doch dieser biss sich nur auf die Lippen und gab kein Wort von sich. Der Zwergdrache verdrehte die Augen. Na prima! So konnte man dem Jungen ja wirklich gut helfen. Er konnte doch keine Gedanken lesen. Manchmal ging ihm sein Herr echt tierisch auf die Nerven. Er öffnete die Flügel und schloss sie wieder. Eine Angewohnheit, die er immer machte, wenn er genervt war. Er reckte den Kopf und betrachtete die mit Holzbalken ausgekleidete Decke. Der Junge passierte ein staubiges Wandgemälde, dem er keine Beachtung schenkte. Es zeigte einen Herrscher, der im prächtigen Nerz gekleidet war und herablassend aus kleinen, braunen Augen auf den Halbgott herabsah. Als Dragos an dem Gemälde vorbei schritt, folgten die Augen ihm. Der Halbgott war nicht blöd und bemerkte das sofort. Der Jugendliche blieb stehen und warf dem Gemälde einen verachtenden Blick zu. Dragos stemmte die rechte Hand in die Hüfte und seine Miene verdunkelte sich noch mehr. Er zog die Augenbrauen herunter und legte die Stirn in Falten, während er auf die goldene Rüstung des Herrschers starrte. „Verschwinde, Oranum! Das hier ist ein Privatgespräch.“, knurrte der Junge. Der Geist des ehemaligen Herrschers lebte nun schon seit einem Jahr in dem Tempel und tauchte immer genau dann auf, wenn es am wenigsten passte. Wieso er gerade erst jetzt kam, nachdem er bereits seit 5000 Jahren, was für Dragos eine kurze Zeit war, denn Halbgötter konnte fast unendlich alt werden und alterten kaum, verstorben war, verstand der Junge nicht- interessierte ihn aber auch nicht. Das Auftauchen des ehemaligen Herrschers konnte einem auf die Nerven gehen und außerdem wurde Dragos das Gefühl nicht los, dass Oranum ihn verfolgte. Eine milchig schimmernde Plasmakugel, die ständig ihre Form veränderte, kam aus dem Bild heraus. Das Licht verlor sich auf der Oberfläche und lies die Kugel teilweise blau schimmern. Piräus betrachtete die Kugel mit Misstrauen und Abscheu. Der Zwergdrache legte das schmale Haupt mit den zwei Hörnern und der braunen Mähne schief. Eine Staubfluse landete auf seiner Nase und verärgert blies er sie wieder in die Luft. Dragos hob eine Augenbraue und blickte die Seelenkugel des verstorbenen Königs desinteressiert an. Was er wohl diesmal von ihm wollte? Der Junge gähnte herzhaft um deutlich zu machen, dass er an einer Konversation nicht interessiert war. Wie oft der König ihn doch schon beschwafelt hatte, doch mit dem wenig politischen Wissen, was Dragos seines Erachtens hatte, war das alles Müll, den man am Besten direkt in die Tonne kloppte. Wie eine Nebelkugel schwebte das, was von Oranum übrig geblieben war, vor dem Gesicht des Halbgottes und erhellte dieses, so dass seine gelben Augen wie Blitze aufleuchteten. Piräus knurrte warnend und die Oberfläche der Kugel kräuselte sich verärgert. „Hör zu, Dragos...ich...“, begann die hallende Stimme, die so klang, als würde er durch einen Nebel sprechen, den erneuten Versuch Dragos auf seine Seite zu ziehen. Der stöhnte jedoch genervt auf und blickte flehend zum Himmel, der nun zur Nacht wurde, hinauf. Bitte nicht schon wieder. Gab dieser Kerl denn niemals auf? Das gab es doch nicht. Noch nie hatte Dragos einen so nervigen Kerl erlebt. Piräus schnappte zornig nach der Kugel und schlug mit dem Schwanz über Dragos Kopf hinweg, als wolle er die Kugel wie einen Baseball wegschleudern. Blitze schienen aus den Augen von Piräus zu springen. Die Kugel ließ sich fallen und entkam so sowohl den scharfen Zähnen als auch dem Schwanz. Dragos legte seine linke Hand auf den Drache um ihn beruhigen. Er wollte doch bloß seine Ruhe und in der Bibliothek ein bisschen lesen. War das denn zu viel verlangt? Aber nein, es musste natürlich erstmal Stress geben, denn wenn sich Zwei so verhielten wie Öl und Feuer, dann diese beiden. Die konnten sich auf den Tod nicht ausstehen und das ging Dragos tierisch auf dem Keks. Das könnte ja noch heiter werden. „Ganz ehrlich, Oranum, ich habe keine Lust mich mit dir unterhalten. Ich habe miese Laune und nachher sage ich etwas sagen, was ich später bereue. Wenn du also die Güte hättest und verschwinden würdest.“, winkte Dragos ab und Piräus nickte heftig zustimmend. Dragos verdrehte theatralisch die Augen und drehte der Kugel den Rücken zu. Diese schwirrte direkt um den Körper des Jungen herum und war wieder vor ihm. Unwirsch haute er die Kugel mit einer Handbewegung weg. Er ignorierte sie und setzte seinen Weg fort, dass die Kugel ihn noch immer umschwirrte und vor seinen Augen hüpfte, versuchte er dezent zu ignorieren und Piräus gab sich betont hochnäsig. Die Bibliothek war ein runder Raum, der in zwei Etagen aufgeteilt war, wo die Regale bis zur Decke reichten. Die abgestandene Luft roch nach Leder. Durch große Fenster drang das fahle Mondlicht in den Raum und die Strahlen trafen sich genau in der Mitte des Raumes, wo ein großer Tisch stand. Dragos blickte sich lange um und suchte nach dem Regal, wo das gesuchte Werk stehen könnte. Wo war es bloß versteckt? Es gab unzählige dicke in Leder gebundene Wälzer und ihre Buchrücken starrten den Jungen mit leeren Blicken an. Schließlich fuhr er sich durch das glatte Haar und kraulte danach seinen Drachen kurz, der genüsslich den Kopf zur Seite drehte, damit der Junge ihn auch wirklich gut kraulen konnte. Dragos Blick war angenervt und seine helle Haut schien im Mondlicht zu strahlen. Er blinzelte und entdeckte die richtige Ecke. Oranums Plasmakugel war ihm nun gerade sogar Recht, weil sie ihn als Erleuchtung diente und er deshalb keine Fackeln anzünden musste, die ihn hätte verraten können. Dragos war ohne das Wissen seiner Mutter in der Bibliothek, denn er hatte beschlossen, Bücher aus dem verbotenen Regal zu lesen, das hinter einer geheimen Tür versteckt war. Dieses Regal enthielt Werke über den Ursprungs Mythnas, welches von den drei Ursprungsgöttinnen selbst hinterlassen wurden, und vieles mehr von dem seine Mutter meinte es wäre nichts für ihn. Aber Dragos Neugierde war stärker und lechzte danach auch endlich diese Werke lesen zu dürfen. Er neigte sein Haupt und betrachtete die kahle Backsteinwand, die eher unauffällig war. Nichts wies daraufhin, dass dahinter eine geheime Tür mit dem Wissen des Universums aufbewahrt wurde und bald würde auch er es wissen. Sein Herz pochte vor Aufregung wie wild. Nervös befeuchtete er seine Lippen. Sein Körper zitterte vor freudiger Erregung. Die Kugel, die Oranums Seele darstellte, warf ein fahles Licht wie das eines Irrlichtes auf die Mauer. Die Plasmakugel hüpfte vor dem Gesicht des Halbgottes auf und ab und tauchte ihn in lange Schatten. Piräus gab ein verunsichertes Geräusch von sich und schlug mit dem Schwanz hin und her. Die Luft sauste an Dragos Ohren vorbei, als der kleine Drache mit den Flügeln schlug und der Stoß wehte sein rabenschwarzes Haar in sein Gesicht. Der Halbgott holte tief Luft und trat auf die Wand zu. Deutlich konnte er nun die Rillen in dem Stein erkennen. Schnell warf er noch einmal einen Blick über die Schulter und horchte gebannt, wobei er dachte, dass sein Herz noch bis draußen zu hören war. Nichts. Die Luft war rein, auch wenn sie etwas stank. Wenn keiner der Götter bereit war etwas zu unternehmen, dann würde er etwas tun. So streckte er seine Hand aus und wollte gerade den Mechanismus betätigen, als Piräus ihn innehalten ließ. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Dragos. Diese Kammer ist immerhin nicht umsonst verboten.“, quiekte er und warf einen nervösen Blick zu allen Seiten. Die rechte Hand von Dragos verharrte in der Luft und zitterte leicht. Der Junge schürzte die Lippen und warf dem kleinen Drachen einen bösen Blick zu. „Du kleiner Feigling! Willst du, dass Mythna untergeht?“ Piräus ließ den Kopf hängen und schlug beschämt die Augen nieder. Oranum sauste wie ein durch geknalltes Glühwürmchen um seinen Kopf, bis der Jugendliche ihn mit einer Hand einfing. Der ehemalige Herrscher würde ihn noch verraten. Noch einmal lauschte er, doch es war nichts zu hören. Erleichtert atmete er auf und die Anspannung fiel von seinem Körper herab. „Genau, Dragos! Wir beide zusammen...“ Der König verstummte, als dieser ihn mit verabscheuendem Blick ansah. Das hübsche Gesicht war nun von der Wut entstellt. „Halt du bloß deine Klappe! Du hast uns das alles eingebrockt.“ Die Kugel schien beschämt drein zu sehen. Sie neigte sich schräg und Dragos wurde die Neugierde nun zu groß, also beschloss er nun endlich die Tür zu öffnen. Wie ein lästiges Insekt scheuchte er Oranum weg und fuhr nun mit der Hand in den bröckelnden Rillen entlang, wobei in fließendem Mythanisch sprach: „Wissen des Hier und Jetzt- des Diesseits und Jenseits, was die Erleuchtung bringt. Wissen von Gut und Böse; Licht und Schatten; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ich erbitte um eure Erkenntnis des Universums. Gewährt mir Einlass, damit ich Antworten auf meine Fragen finde.“ Piräus zitterte, als er die magische Aura spürte, die von dem Geheimgang ausging. Überall dort, wo der intelligente Junge mit seinen Fingern entlang strich, fingen die Rillen weißlich an zu glühen und ein starker Wind blies das schwarze Haar von Dragos zurück. Dragos schloss seine Augen und holte tief Luft. Die Wand zehrte von seiner Lebensenergie. Wer hätte gedacht, dass diese geheime Kammer so gut gesichert war. „Dragos, treib es nicht zu weit!“, fiepte Piräus ängstlich. Endlich hatte er es geschafft, also entgegnete Dragos auch Nichts. Er strich über die letzte Rille und dann leuchtete die Rune „Wissen“ in der Wand. Es knarrte und dann bewegte sich die Wand auseinander. In den nächsten Stunden brütete Dragos im schwummrigen Licht von Oranum, der ständig auf ihn einredete, über einige der alten Dokumente. Die alten Pergamentseiten knisterten leise, als Dragos sie in Windeseile umblätterte. Seine Mondaugen flogen geradezu über das Papier. Piräus hielt in der Zwischenzeit Wache. Irgendwann entdeckte er die Schriften über die heiligen Waffen und den Ort, wo sie aufbewahrt wurden. Alles war ganz genau beschrieben und Dragos Augen wurden immer größer. Das war es! Total genial. Mal sehen, was dieses Buch noch zu bieten hatte, doch so weit sollte es nicht kommen, denn plötzlich schlug Piräus Alarm, aber Dragos hatte es auch schon gehört. Schritte kamen direkt auf die Bibliothek zu. Er schlug das Buch zu. Mist! Wieso ausgerechnet jetzt? Dragos fluchte, verstaute das Buch und verschwand aus der dunklen Kammer. Ein Sturm zog auf und es goss wie aus Kübeln. Dunkle Wolken verhangen den Himmel und der Wind rüttelte an den Fensterläden. Helle Blitze warfen den großen Raum in ein dunkles Schattengewand und gaben ihm etwas Geisterhaftes. Dragos erwachte mit dem ersten Donnerschlag aus seinem unruhigen Schlaf. Er war schweißgebadet und sein Pony hing verklebt in seinem Gesicht. Der Palast bebte unter dem gewaltigen Donnergrollen. Dragos keuchte und fühlte sich wie gerädert. Seine Mutter hatte ihn erwischt und eine Woche Zimmerarrest hatte es ihn eingebracht. Ätzend. Das würde die langweiligste Woche seines Lebens werden. Außerdem hatte sie ihm eine Standpauke gehalten und leider war Dragos zu intelligent um einfach abzuschalten. Er musste ja gleich mit seiner verehrten...er verzog das Gesicht...Mutter streiten und diskutieren. Das war nicht schlau gewesen, das wusste er nun, aber es war nun mal seine Art. Er seufzte. Genervt strich er sich das Haar aus dem Gesicht und verschränkte die Arme hinterm Kopf. Einige Zeit beobachtete er wie die Schatten auf der Decke tanzten. Irgendetwas war hier merkwürdig, doch er wollte einfach nicht draufkommen, was es war. Irgendwie hing hier in der Luft. Eine Art von Aura, die ihn beklemmte. Geistesabwesend biss er sich auf die Lippen und starrte konzentriert die Decke an. Nach ungefähr einer halben Stunde hielt Dragos es nicht mehr aus und stand aus dem Bett auf, dass er dabei Piräus, der zuvor seelenruhig am Fußende geschlafen hatte, aus dem Bett schmiss, bemerkte er gar nicht. Der Zwergdrache grummelte etwas verschlafen und trottete in seinen Korb neben Dragos Ebenholznachtisch, wo er sich zusammenrollte und weiter schlief. Wieder erhellte ein Blitz das Zimmer, welches nur mit einem großen Bett, einem Nachttisch, Piräus Korb, mehreren Bücherregalen, einem Schreibtisch und einer Sitzecke möbliert war. Dragos blieb für einen kurzen Moment vor seiner Bettkante stehen, damit seine Augen sich an die alles zu verschluckende Dunkelheit gewöhnten. Wieder grollte es und nun schien das Gewitter direkt über dem Palast zu sein. Sein muskulöser Körper strahlte unter dem hellen Licht des Blitzes. Da es den ganzen Tag über heiß gewesen war, trug er nur eine Unterhose. Langsam ging Dragos auf die Balkontür zu, die fast komplett aus Glas bestand. Da es dunkel in seinem Zimmer war, konnte er genau erkennen, was da draußen vor sich ging. Die Bäume schienen sicht tief vor dem Sturm zu verbeugen, wie vor einem König. Ihre, durch das fehlende Licht schwarz schimmernden Kronen, berührten fast den Boden. Welche Ironie! Der Regen trommelte laut auf das Steindach des Palastes und die Tropfen waren gar nicht mehr von einander zu unterscheiden. Alles war pechschwarz und man könnte meinen, dass die Welt unterginge. Dragos lehnte seinen Kopf gegen das kalte Glas und schloss seine Augen. Seit er das Kapitel über die heiligen Waffen gelesen hatte, begann ein Plan in seinem Kopf zu wachsen wie ein Samen, der zu keimen begann. Ein so verrückter Plan, dass er schon fast gelingen könnte. Immer weitere Formen nahm er an und immer mehr Einzelheiten fügten sich wie ein Puzzle in seinem Kopf zu einer einzigartigen Idee zusammen. Dragos Herz flatterte und sein Geist arbeitete, doch nach außen hin wirkte das Bild so ruhig. Es wirkte, mal abgesehen von dem Sturm, so friedlich wie er an der Scheibe gelehnt stand und die Augen geschlossen hatte. Alles war sich Dragos wünschte war jetzt etwas Ruhe zu finden und sich erst morgen weiter damit zu befassen, doch das gönnte sein Verstand ihm nicht. Narunias Sohn hob seinen Arm über seinen Kopf und donnerte so fest mit seiner Faust gegen das Glas, das es zu zittern begann. Wie sehr wünschte Dragos sich mit irgendwem über seinen Plan zu reden, doch wer würde ihm schon zuhören? Seine Mutter? Der Junge blähte seine Nasenflügel und schnaubte verächtlich. Der warme Atem kondensierte auf der Scheibe und klebte als Nebel an ihr. Als ob ausgerechnet seine Mutter diesen Plan gutheißen würde. Dieser Gedanke klang so absurd in seinem Kopf, dass er fast zu lachen angefangen hätte. Oranum vielleicht? Hinter den Lidern versteckt, rollte Dragos mit den gelben Augen. Der würde gleich mit ihm zusammenarbeiten wollen um irgendwann in einer Nacht- und Nebelaktion sich seiner Existenz zu entledigen um wieder Herrscher werden zu können. Wahrscheinlich würde er sogar Dragos Körper als Behälter für seine Seele verwenden. Ihm schauderte vor Ekel allein bei der Vorstellung. Oranum konnte ihn nicht täuschen. Er mimte zwar immer auf reumütige und nette Seele, doch er wusste es besser. Es tat dem ehemaligen König überhaupt nicht leid, was er Mythna angetan hatte. Er war ein machthungriger Kerl, der über Leichen gehen würde um sein Ziel zu erreichen und dabei würde Dragos niemals mitmachen. Der Halbgott drehte sich um und lehnte sich nun mit dem Rücken gegen das Glas. Er warf einen sanften Blick auf Piräus. Sein bester Freund würde ihm auch niemals helfen, denn der Plan war riskant und der Kleine machte sich viel zu große Sorgen um ihn. Dragos wusste nämlich nicht, ob er den Plan überleben würde. Nun warf er einen sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster nach draußen. Wie gerne würde er hinaus und die Welt erkunden, doch sowohl sein Körper als auch sein Geist waren in den kargen Mauern dieses Palastes eingesperrt. Er hatte alles was er wollte und trotzdem war er nicht frei. Dragos beobachtete einen Vogel, der gegen den starken Wind kämpfte. Auch er wäre gern so frei wie dieser Vogel. Der junge Halbgott seufzte und zwang sich den Kopf abzuwenden. Der Anblick bereitete ihn viel zu große seelische Schmerzen. Einige Zeit blieb er an der Balkontür stehen und betrachtete wie die Blitze lange Schatten auf die Wände zeichnete. Irgendwann gab er dann dem Verlangen in seinen Innern nach. Leise öffnete er die Balkontür und schlüpfte hinaus. Sofort prasselte der Regen auf seine Haut. Dragos schritt an das Geländer, legte seine Arme darauf und bettete seinen Kopf darauf. Dunkle Wolken trieben am Himmel entlang und verschluckten den Mond. Ein starker Wind zeugte eine Gänsehaut auf Dragos muskulösen Körper, doch er bemerkte es nicht. Ebenso wenig bemerkte er, wie er durchweicht wurde und dass sein Haar nun klitschnass war. Es mag seltsam klingen, doch mitten in diesem Sturm und umgeben von den Bergen, fand Dragos Geist zumindest etwas Ruhe und er fühlte sich hier zumindest ein wenig frei. Er fand den Gedanken tröstlich, dass er nicht das einzige unruhige Wesen in dieser kalten Nacht war. Als er fühlte, wie der Regen durch sein Haar wehte, da hatte er den Wunsch, seine Arme auszubreiten und davon zu fliegen. Er seufzte schwer und pustete sich den Pony aus der Stirn. Die Naturkatastrophen wurden echt immer schlimmer. Weit entfernt hörte er einen der vielen Wölfe heulen, doch der Sturm verschluckte das Geschrei und entführte es in die Weiten des Landes. Der Regen lief an seinem Rücken hinab, doch dem schenkte der Sohn des Schicksals keine Beachtung. Er genoss den kalten Wind der Nacht und dass heute mal nicht alles perfekt war. Ein kleines Lächeln stielte sich über das Gesicht des nun wie ein sich freuender Junge wirkenden Dragos. Wenn sein Plan funktionieren würde, dann wäre dies bald vorbei. Vielleicht nicht morgen oder übermorgen, aber irgendwann. Er drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken über das kalte Steingeländer und schaute zum Himmel hinauf. Wie Tränen liefen die Regentropfen an ihm hinab. Vielleicht würde es noch einige Jahre oder Jahrtausende dauern, denn sein Plan bestand aus mehreren riskanten Teilen, die sich durchaus ziehen konnten, denn er durfte nicht den geringsten Fehler machen, doch bisher war das in seinen Konstruktionen überhaupt nicht möglich. Aber ihm war es egal, wie lange der Plan dauern würde, er würde noch lange auf dieser Welt verweilen und hatte Zeit. So schnell würde Mythna nicht untergehen und es war besser, als wenn es so bleiben würde, wie jetzt. Völlig durchgefroren und durchnässt, aber schon wesentlich ruhiger im Geiste, ging er zurück in sein Zimmer und kuschelte sich dann unter seine warme Decke. Sein Körper zitterte, doch er war glücklich. Es gab ein Ziel in seinem Leben und das war so beruhigend. Es dauerte nun nicht mehr lange, dann schlief der Junge ruhig vor sich hin, denn es war ein schöner Traum einer besseren Welt, die er kreieren würde. Dass diese Gedanken naiv waren und das Unheil herauf beschwor, dass das Schicksal Mythnas maßgeblich veränderte, ahnte er nicht- konnte er ja auch gar nicht. Woher denn? Wer hätte denn ahnen können, dass eine Person, diese Freude und zweifelslose Genialität so schamlos nutzen würde, um das genaue Gegenteil zu erzeugen? Dragos sicherlich nicht... Kapitel 16: Das Geheimnis wird gelüftet --------------------------------------- 16. Kapitel: Canzor Das Geheimnis wird gelüftet Canzor warf den Kopf auf und reckte seinen Kopf zum klaren Nachthimmel auf, wo die Sterne freundlich vom Himmel herabstrahlten. Gelangweilt stieß er eine Flammenzunge gen Himmel und schlug mit den Flügeln. Keine Ahnung, was sie hier wollten, aber es war Melanies Wunsch gewesen. Es erschloss sich seinem wachen Verstand nicht, warum sie auf das Schlachtfeld von vor einer Woche zurückgekehrt waren, doch er hatte sich gefügt. Seine Schuppen glänzten wie ein schwaches Feuer im Mondschein. Viele Wölfe trotteten über die Wiese und versuchten einen möglichst großen Bogen um Canzor zu schlagen. Wieder glühte der Verstand von ihm und seine scharfen Augen spielten hin und her und versuchten Feinde ausfindig zu machen, aber es gab einfach nichts zu entdecken, doch gerade das machte Canzor unruhig. Er fühlte sich hier wie auf einem Präsentierteller- eine Zielscheibe für einen Überraschungsangriff. In den zerklüfteten Felsen könnten sich gut Feinde verstecken. Jeder Muskel in seinem Körper war bis zum Äußersten gespannt. Falls ihn jemand angreifen würde, dann war er bereit. Sein Schwanz peitschte über den Boden und fegte ein paar Steine weg. Da spürte er etwas an seine Schuppen und zuckte zusammen. Seine Anspannung löste sich in einen gewaltigen Satz und er fuhr pfeilschnell herum. Canzor fühlte eine weitere Wesenheit, die sich in sein Bewusstsein drängte. „Bleib ganz ruhig, Canzor. Du bist viel zu angespannt!“ Der Drache knurrte und fletschte die Zähne. Er verzog seine Schnauze zu einem verärgerten Gesicht. Melanie strich über seine kühlen um ihn zu beruhigen. „Du bist viel zu angespannt.“, äffte Canzor Melanie nach. Das gab es doch nicht! Er knurrte und ein junger Wolf, der gerade neben den Drachen vorbeilief, sprang erschrocken zur Seite. „Du bist viel zu entspannt!“, sagte er mit Nachdruck. „Hier könnten jederzeit Feinde auftauchen und du, du bleibst so ruhig.“, keifte der Drache und stampfte zornig mit der Vorderpfote auf. Melanie lächelte geheimnisvoll, was sein ungutes Gefühl noch größer werden ließ, und ging gelassen auf das Starangebirge zu. Der Elementdrache rollte mit den Augen, folgte ihr dann jedoch wie ein zu groß geratener Schoßhund. Der Drache beobachtete das Mädchen, dessen Haar nun zusammengebunden war und um ihre Schultern tanzte. Das Mädchen war schon seltsam in seinen Augen. Einerseits war sie total introvertiert und schüchtern, aber andererseits mutig und naiv. „Ach was, Dragos ist viel zu sehr mit Axel beschäftigt.“, flüsterte Melanie traurig und senkte den Blick zu Boden. Canzor blickte das Mädchen traurig an. Melanie war oft in Gedanken bei ihrem Freund. Er hatte großen Respekt davor, wie gut Melanie das alles verkraftete- zumindest nach Außen hin. Er hatte das damals nicht so gut verbergen können, als die sieben Himmelsdrachen starben. Doch Canzor glaubte, dass sie, obwohl sie lächelte, innerlich oft weinte und zerbrach. Als sie beide damals kurz davor waren zu einem Wesen zu werden, hatte nicht nur Melanie einen Einblick in Canzors Gefühle bekommen, sondern er auch ihre. „Außerdem wirst du mich dann beschützen.“, erklärte Melanie und drehte grinsend ihren Kopf zu dem Drachen um. Canzor senkte den Kopf ruckartig und genervt zu Boden. Flehend hob er die Augen zum Himmel. „Genau das hatte ich befürchtet!“, kommentierte er und seufzte. Er stieß eine kleine Rauchwolke aus, welche sich dann zum Himmel hinaufkringelte. Melanie lächelte vergnügt und ging dann zügig weiter. Canzor schloss zu ihr auf. „Was suchst du eigentlich hier, Melanie? Das ruft doch nur schmerzhafte Erinnerungen in dein Bewusstsein.“, flüsterte der Elementdrache leise in ihr Ohr. Diese zuckte zusammen und ein Schauder ging einmal komplett durch ihren Körper. Ihre Haltung sackte in sich zusammen und sie wirkte nun so kraftlos. Melanie blieb stehen und senkte den Kopf und wenn Canzor sich nicht irrte, dann fiel eine schimmernde Träne ins Gras. Behutsam legte der Drache Melanie seinen Kopf auf die Schulter und prustete ihr zärtlich ins Gesicht, dass Melanies Haare wehten. Das junge Mädchen drehte seinen Kopf zu ihm um und ihre grünen Augen schimmerten vor Tränen. Canzor hob seinen Kopf und rieb ihn an ihrem Gesicht wie eine verschmuste Katze. „Canzor...“, flüsterte Melanie verwundert und ihre Augen blickten ihn überrascht an. Ihr Atem ging langsam und sie war blass. Melanie seufzte und lächelte sanft. „Du hast mir doch erzählt, dass Narunia die Tochter Neyeras ist und da habe ich mir gedacht, dass vielleicht in der Bibliothek noch Schriften über den genauen Aufenthaltsort der drei verbleibenden heiligen Waffen sind. Oder weißt du genau wo sie sind?“ Canzor senkte den Kopf und berührte fast den Boden. Das Gras kitzelte in seiner Schnauze und er musste niesen. Nein. Er schüttelte den Kopf. Das wusste er nicht. Eigentlich wusste er für einen Hüter der Welt relativ wenig. Er mag zwar mehr wissen als viele andere, doch auch sein Wissen war ziemlich begrenzt. „Keine blöde Idee...hoffentlich hat Dragos die Bibliothek nicht zerstört.“ Melanie machte ein nachdenkliches Gesicht. Irgendetwas schien durch ihr Gehirn zu rattern. „Irgendwas kommt mir hier Mythanisch vor.“, murmelte sie. Canzor legte den Kopf schief und blickte Melanie fragend an. Diese strich schnell über seine Nase. „Was meinst du?“ „Ach nichts...“, winkte das Mädchen schnell ab und eilte davon. Canzor prustete und zog die Schuppen über seine Augen hoch. Na sicher...aber er dachte, es wäre besser, wenn er nun nichts sagen würde. Sie spurte geradezu über die trockene Ebene und wäre fast in einer von Zerberus Fußspuren gestolpert. Dragos blickte genervt drein und trottete ihr hinterher. Immer musste man die Kleine im Auge behalten. Melanie steckte ihre Hände in die Tasche, denn sie trug nun eine Hose und ein Hemd, da ihre Klamotten von der Flucht völlig zerrissen waren. Ihre Haare hatte sie sich zu einem hohen Zopf gebunden, der nun knapp über die Schulter reichte. Nur ihre vorderen Strähnen waren nicht zusammengebunden und lagen weiterhin über ihre Schulter. Das schwarze Haar leuchtete im Vollmond bläulich. Canzor legte den Kopf schief und betrachtete Melanie. Ihr ganzes Auftreten zeigte nun viel mehr Entschlossenheit. Anscheinend hatte sie sich damit abgefunden und ihre Aufgabe akzeptiert. „Canzor!“, durchschnitt Melanies mahnende Stimme seine Gedanken. Der Elementdrache legte seine ledernen Schwingen wieder an seinen Körper und blinzelte verwirrt. „Trödel hier nicht so rum oder bist du festgewachsen?“ Canzor blickte genervt zur Seite und schnaubte verärgert. Er gab sich einen Ruck und trottete los. //Oder bist du festgewachsen? Na, das kann ja heiter werden!//, dachte er im mürrischen Ton und schnaubte wütend. Wenig später legte Canzor die Flügel an und landete in der Speisehalle von Narunias Tempel. Er war durch das Loch geglitten, was Dragos ins Dach gesprengt hatte. Das Geräusch von seinem Gewicht hallte merkwürdig wieder. Melanie glitt von seinem Rücken und blickte sich um. Auch Canzor spähte durch die ehemals prunkvolle Halle. Die in den Nischen stehenden Statuen waren umgeschmissen worden und auf dem Boden verstreut und der verglommene Rest einer Fackel lag auf dem Boden. Es war ein Bild der Zerstörung. Die Gesichter der Büsten waren von Zerberus Krallen zerkratzt und Kerben auf dem Tisch zeigten Canzor, dass Zerberus auf ihm gesprungen war. Dass der Tisch noch intakt war, verwundert Canzor schon, denn seinem Erachten nach, hatte der Höllenhund dringend eine Diät nötig, der Leichteste war der Wächter der Unterwelt ja nicht gerade. Melanie schien das Vergangene wieder zu durchleben, denn sie starrte mit abwesendem Blick quer durch den Raum. Da spürte Canzor plötzlich etwas und drehte den Kopf über seinen Rumpf. Irgendetwas lag hier in der Luft. Er konnte es nicht wirklich beschreiben, doch es schien, als würden Schwingungen durch die Luft transportiert werden. Es ist ein verdammt seltsames Gefühl. Fast so, als wolle ihm irgendwer etwas mitteilen. Doch wer konnte es nur sein? Nervös blickte der Drache hin und her und versuchte etwas ausfindig zu machen, doch hier war weit und breit niemand. Noch nicht mal ein Insekt. So schnell wie ihn das Gefühl überfiel, so war es dann auch wieder verschwunden. War es vielleicht nur eine Einbildung gewesen? Aber er war sich doch so sicher. Seltsam... „Und was hast du jetzt genau vor? Ich kann dich nicht begleiten. Die Tür ist mir zu schmal.“, murrte Canzor in bester Manier. Melanie drehte sich um und ihr flog um ihre Schulter. Sie blinzelte verwirrt. Danach wanderte ihr Blick durch die Halle und blieb auf der riesen großen Tür hängen. „Wer sagt, dass du mitkommst? Du kannst doch trotzdem die Informationen erhalten.“, Sagte sie seelenruhig. Canzor machte eine unwirsche Bemerkung. Was erlaubte sie sich? Sollte er sich ernsthaft so behandeln lassen? Er war immerhin der Elementdrache. „Karirasa Aratza!“ Sprach Melanie in Mythanisch. Diese Sprache ist unglaublich mächtig. Sie wirkte wie ein Zauber und Canzor musste sofort ruhig bleiben, denn genau das bedeutet Karirasa Aratza: Bleib ruhig! Canzor ist verwundert, dass Melanie diese Sprache so gut beherrschte, denn sie war äußerst komplex, aber seine Muttersprache. „So war das doch gar nicht gemeint. Aber warum sollten wir unsere Verbindung nicht ausnutzen?“ Melanie ging ruhig durch die große Halle und berührte eine der Büsten. Sie strich so zärtlich über sie, als wäre sie echt oder als ob wertvolle Erinnerungen an ihr hängen würden. Canzor konnte sich denken, woran sie dachte. Noch immer sprach sie in Mythanisch und Canzor musste gestehen, dass sie diese Sprache einwandfrei beherrschte, zumindest soweit er sich davon gerade ein Bild machen konnte. Fast schon ein wenig verträumt blickt er sie an, doch dann fiel ihm ein, dass er ja noch gar nicht geantwortet hatte. „Bist du dir sicher, dass du das tun willst? Wir wissen nicht was passiert, wenn du das machst. Vielleicht können wir uns dieses Mal nicht trennen!“ Melanie senkte den Blick, schien sich aber dieses Risikos bewusst zu sein. Canzor hatte unbewusst auf Mythanisch geantwortet, doch schien Melanie keine Probleme zu haben, ihn zu verstehen. Eine unangenehme Stille legte sich über die Halle wie ein schweres Tuch, welches sie alle zu ersticken suchte. Melanie rührte sich nicht und Canzor wagte es nicht irgendetwas zu sagen. Er wartete ab- in aufgeregter Spannung. In seinen Inneren breitete sich eine Vorahnung aus, dass sie hier etwas ganz großem auf der Spur waren...etwas, was sie jetzt noch nicht erwarteten und etwas, was sie in eine völlig neue Richtung weisen würde. Zu gespannt war er, was es denn seien könnte. Auch wenn er schon viele Tausend Jahre alt war und viele Völker hat kommen und gehen sehen, so war er doch noch immer wissbegierig. Verwundert stellte er nun fest, dass etwas vor seiner Nase auf und ab hüpfte. „Shino! Was machst du denn hier?“, fragte Canzor überrascht und senkte den Kopf zu dem Kobold hinab. Die Haut war noch eingefallener und wirkte wie Pergament. Die Haut war blass wie Kreide und die matten Wasseraugen blickten ihn glanzlos aus den Höhlen an. Sein Kopf wirkte, als hätte Jemand Pergament um einen Schädel gespannt und dieses wellte sich nur an manchen Stellen. Am Kinn konnte man zum Beispiel ganz genau die Knochen sehen, auf der Stirn bildeten sich jedoch tiefe Falten, wie Tälern in Gebirgen. Verwundert drehte Melanie sich um und tritt an Canzor heran. Dieser starrte wie gebannt auf den Fleck, wo der kleine Kerl stand und vergaß, dass Melanie ihn ja gar nicht sehen konnte. Der Anblick von Shino ist schauderhaft und besorgniserregend. Ein heftiger Hustenanfall erschütterte den zierlichen Körper des Wesens und einige ergraute Haare lösten sich aus den Haarknoten oben am Kopf. Canzor schluckte und knickte in den Vorderpfoten ein um Shino besser betrachten zu können. „Na...“ Wieder hustete Shino und seine Stimme klang trocken und schwach. „Na...Nachricht überbringen.“ Der Anführer der Sharanen taumelte. Er war völlig erschöpft. Canzor vermutete, dass er eine weite Reise hinter sich hatte. „Shino! Shino, was ist los? “, rief Canzor laut. Sein Herz flatterte. Er kannte Shino schon total lange und verstand sich prima mit ihm. Man konnte schon fast sagen, dass die beiden so etwas wie beste Freunde waren. Shino war ein besonnener, ruhiger Zeitgenosse mit hohem Intellekt. Oft hatten die beiden die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht oder zusammendiskutiert. Ihn so entkräftet zu sehen brach Canzor fast das Herz. „Wer ist Shino, Canzor?“, fragte Melanie ihn. Canzor bekam es gar nicht mit, denn er konzentriert sich nur auf Shino. „Dann warst du das Wesen, was ich vorhin gespürt habe. Was sollst du uns überbringen, Shino? Und was ist passiert?“ Müde blickten die wässrigen Augen ihn an. Der Sharan holte tief Luft und für einen kurzen Moment hatte Canzor das Gefühl als würden sich die Konturen von Shino auflösen. Canzor blinzelte beunruhigt und beobachtete den Sharanen noch genauer als zu vor. „Quaranta, Sanos es schara karianum passa.“, murmelte Canzor mit fester Stimme. Sein Schuppenkleid fing an von Innen heraus zu glühen. Das schimmernde Rubinfeuer breitete sich immer weiter auf seinem ganzen Körper aus bis er wie ein Feuerball strahlte. Eine große Druckwelle breitete sich wie ein Ring um ihn aus und riss Melanie von den Füßen. Sie wirbelte durch die Luft und schlug unsanft auf den harten Boden auf. „Uh...“, stöhnte sie, als ihr Kopf auf den Boden knallte. Canzor fühlte wie der uralte Zauber an seinen Lebenskräften zerrte. Der Energiefluss ballte sich im Zentrum seines kräftigen Körpers und breitete sich dann wie Wellen in dem Raum aus. Dieser schien unter den Energiewellen zu erzittern. Melanie rappelte sich wieder auf und hielt sich den Kopf. Canzor warf ihr einen kurzen, genervten Blick zu und wandte sich dann wieder Shino. „Puh...danke Canzor!“, keuchte Shino. „Denkste du ich lasse dich sterben? So fies bin noch nicht einmal ich und das muss was heißen. Mal ehrlich, Shino.“, lachte der Drache, doch es war ein schmerzerfülltes Lachen, denn es ließ all die Erinnerungen hochkommen, die er schon immer zu verdrängen suchte. Er war damals Jung und blind gewesen. Er wollte neue Lebensarten ausprobieren, einen neuen Wind unter seinen Flügeln spüren. Wie hätte er ahnen können, dass...nein! Genug! Canzor schüttelte heftig den Kopf und unterdrückte den Schwall der Erinnerungen. Er spürte den verwirrten Blick von Melanie in seinen Rücken und senkte den Kopf. Was sie jetzt wohl von ihm dachte? Es war nur eine kurze Zeit gewesen, doch sie war ihn richtig ans Herz gewachsen. Sie war Gaaran so ähnlich...in ihrem Verhalten...die Art wie sie lächelte...verdammt! Nicht schon wieder! Er musste bei der Sache bleiben. Nicht ablenken lassen! Zum Glück sprach nun endlich Shino und lenkte ihn ab. „Ich...wurde von Axel geschickt...um euch Nachrichten zu überbringen.“ Canzor zuckte zusammen. Was? Da...das...kann doch nicht... „Von Axel?“ Rief Canzor laut aus. Sofort wurde auch Melanie hellhörig und trat schnell an ihn heran. Canzor hätte schwören, dass er ihr Herz bis hier hin klopfen hören könnte. Er konnte sich vorstellen wie aufgeregt sie nun war. „Was ist hier los, Canzor? Was ist mit Axel? Canzor, bitte! Erzähl mir was los ist?“ Die Stimme war von Tränen erstickt. Ihre Hände krallten sich in die Schuppen von Canzor und der Elementdrache dachte sich, dass wenn sie noch ein bisschen fester drücken würde, dass ihre Hände dann zu bluten anfangen würden. „Keine Zeit für Erklärungen!“, unterbrach er Melanie, bevor sie ihn weiter ausfragen könnte. Wie ein Wirbelsturm fegte er in ihre Seele und zog sie aus ihren Körper. Wie ein Objekt wurde ihre Seele etwas unsanft in seinen Körper. Wie nervig, dass die Menschen die Sharanen nicht sehen konnten! Nun musste er wieder nachhelfen. Wie ein Nebelschweif breiteten sich die Gedanken von Melanie in ihn aus und diesmal verlief die Verschmelzung als beim letzen Mal. Sie war zwar nun in seinen Körper und damit waren sie eine Person, doch noch immer waren die beiden auch wiederum getrennt. Canzor spürte, wie Melanie in ihm nun ihre Augen öffnete und nun durch seine Augen blickte. Zuerst waren es eher vorsichtige Blicke wie von einem Neugeborenen, welches sich zum ersten Mal in der Welt umblickte. Verwunderung schwappte in seinem Körper wie Wasser an den Rand eines Pools, als sie Shino entdeckte. Mit skeptischem Blick glitten ihre Augen über den Körper von dem Anführer der Sharanen. Canzor verdrehte die Augen und spürte wie ihr Körper, der nun nur eine Hülle war, an seinem Körper zusammensackte und das gab ihn irgendwie ein seltsames beengendes Gefühl. Noch immer hatte er sich an die Tatsache und das Gefühl gewöhnt, dass nun Jemand in ihm drin war. Dass nun Jemand seine Gedanken und Gefühle teilte, war ein Gefühl, was ihn noch immer Unbehagen bereitete. „Ganz schlechte Neuigkeiten, Canzor!“ Canzor schluckte und legte sich nun endgültig auf den Boden. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus und in diesem Gefühl waren die beiden Wesen in seinem Körper miteinander vereint. Eine eiskalte Hand schien nach ihren beiden Eingeweiden zu greifen und sie nicht mehr hergeben zu wollen. Canzor zitterte und seine böse Vorahnung schien nun bestätigt zu werden. „Wa...was für Neuigkeiten?“ Der Sharane holte tief Luft und band sich die Haare erneut zurück. Langsam kehrte durch die Ruhepause der matte Erdton seiner Haut in sein Gesicht zurück und auch die Augen begannen wieder zu glänzen. Aber dieser Glanz war einer den sowohl Canzor als auch Melanie Böses ahnen ließ, da er verängstigt und besorgt wirkte. „Er ist dabei eine riesige Armee aufzubauen...“ „Wer ist er? Dragos?“ Melanie bediente sich Canzors Mund, was ihn leicht zusammenfahren ließ, als er ihre besorgte, klare Stimme aus seinen Mund kommen hörte. Unbewusst blickte er verwirrt zur Seite und verengte argwöhnisch die Augen. Das Gefühl vorhin war nicht nur von Shino gekommen, soviel war nun sicher. Er fühlte ein Ziepen in seinem Körper und er hatte das Gefühl ein stechendes Augenpaar in seinem Rücken zu haben. Das Ziepen war Melanies Schuld, denn die wussten nicht was Canzor so beunruhigte und wollte nun wieder Shino ansehen. Sie wusste noch nicht einmal, dass Canzor beunruhigt habe, denn das verbarg er vor ihr gekonnt. „Was? Dragos? Nein! Wisst ihr es etwa noch nicht?“, sagte Shino verdutzt. „Ich gebe dir mal einen Tipp, Canzor.“ Nun gab Canzor dem Drängen von Melanie nach, sah Shino wieder um und blickte ihn verwundert an. „Er hat sich mit den Frostriesen verbündet!“ Der Elementdrache stutzte als eine böse Vorahnung immer mehr Bestätigung fand. „Axel wusste sofort was das bedeutete, als ich ihm Bericht erstattet habe.“ „Ich ahne es auch bereits. Es hat bisher nur einer geschafft die Frostriesen zu überzeugen, denn sie lassen sich von Niemanden etwas befehlen...außer von...weißt du es, Melanie?“ Canzor hatte das Gefühl, dass er sie mit einbeziehen sollte. „Nein, woher? Ich hasse Geschichte! Das war Axels Lieblingsfach.“ Der Seelenschweif von Melanie brodelte zornig und ihr Zorn richtete sich auf Canzor indem sie für ein klammes Gefühl sorgte. Canzor fauchte wie eine wütende Katze und sein Geist knurrte den ihren an. Dann gab er aber auf. Canzor kannte sie noch nicht lange, aber er ahnte schon, dass sie unglaublich in Axel verliebt war. Ein Stich ging durch sein Herz als er daran dachte. Falls es ihnen gelingen würde Axel zu retten und er würde alles geben, damit es klappt, dann wäre er wieder außen vor stehen und wieder allein sein. Aber das musste er in Kauf nehmen und seine Gefühle hinten anstellen. Wenn er es nicht besser wüsste, dann würde er sagen, dass er... „Es heißt, dass er wieder da ist.“, antwortete Shino im ernsten Ton und verschränkt die Arme vor der Brust. Er machte noch immer sein ernstes Gesicht. „Ja und das erklärt so einiges!“, stimmte Canzor ihn zu. Melanie versetzte Canzor einen Stoß. Sie schickte ihm den Gedanken zu, dass er endlich mal Klartext reden soll. „Wer?“, fragte sie verärgert durch Canzors Mund. „Oranum! Wahrscheinlich hat er die Kontrolle über den Körper von Dragos übernommen.“, vermutete Canzor weiter. Beide schienen vollkommen in ihren Überlegungen verloren, dass sie Melanie völlig vergaßen. „Was hast du noch herausgefunden, Shino?“ „Es ist schlecht. Ganz schlecht. Oranum ist dabei Fenris zu befreien!“, gestikulierte Shino wild. Er war völlig außer sich. Nun verstand auch Melanie was das bedeutete, denn ihr Lieblingsfach war Mythologie. „Du meinst das riesige Geschöpf in Gestalt eines Wolfes und der Sohn von Loki und der Riesin Angerbode? Dessen Geschwister die Midgardschlange Jormundgand und Hel, die Herrscherin der Unterwelt, waren? Den, der, wenn er seinen Rachen aufsperrt, mit dem Oberkiefer den Himmel und mit dem Unterkiefer den Abgrund der Unterwelt berührt. Weil es ihm bestimmt war, an dem Untergang der Götter, dem Ragnarok teilzuhaben, konnten die Asen das Untier nicht vernichten. Da sie aber um seine Gefährlichkeit wussten, fesselten sie ihn mit Hilfe eines magischen Bandes, welches dünn wie Seide aber so stark wie die Schöpfung selbst war. Damit er sich binden ließ, verlangte Fenris ein Pfand von einem der Asen. Da legte der Gott Tyr ihm eine seiner Hände in den mächtigen Rachen, während die andern Götter den Wolf banden. Sobald Fenris bemerkte, dass sich das Band zusammenzog, wenn er sich bewegte, biss er zu. Seit dieser Zeit ist der Gott Tyr einhändig. Um ihn wenigstens vorübergehend unschädlich zu machen, verkeilten die Götter nun ein Schwert in dem Rachen des Wolfes, welches ihn hindern sollte, sein Maul zu schließen und die Welt zu verschlingen?“, fragte sie entsetzt und Canzor schüttelte den Kopf. „Oh man, dass ist noch immer total ungewohnt jemand anders mit seinen Maul sprechen zu hören.“, murrte Canzor. „Aber du hast Recht, Melanie. Genau dieser Fenris.“ Das Herz von Canzor schlug immer schnell. Das alles bedeutete alles nichts Gutes. „Außerdem hat er sich mit der Finsterschlange Ranara verbündet, dann die Harpyien auf seiner Seite, versucht grad die Inkubus und Sukkubus zu überzeugen und nach den Gerüchten die ich gehört habe, hat er auch Drachenzähne.“ „Das ist gar nicht gut!“, sagten die beiden vereinten Wesen gleichzeitig. Kapitel 17: Die Prophezeihung ----------------------------- 17. Kapitel: Karana Die Prophezeiung Das blonde Haar peitschte um das Gesicht und wehrte sich gegen den scharfen Wind. Der Geruch von Gewitter lag in der Luft- so unmissverständlich und klar, als würde das Wetter in ihr Ohr flüstern. Der Wind war so plötzlich aufgekommen und quälte die Kronen der Bäume. Spannung und Elektrizität knisterte durch die Luft und prickelte auf ihrer Haut. Dunkle Wolken versammelten sich oben am Himmel zu ihrem Rat wie das Wetter werden sollte. Mystischer Mönchgesang betete unsichtbare Götter an. Die Götterebene hatte ihren Namen wirklich verdient, denn hier war der Ort, wo sich die Dimension der Götterwelt mit der der normalen Welt zusammenstieß. Es gab nur noch eine weitere Variante diese Dimension zu erreichen und das war der Sternenweg oder Seelentesterweg, da er die tiefsten Sorgen zum Vorschein brachte und so die Seele testete. Unter einem mächtigen Baum ließ sich der Körper des jungen Mädchen fallen, während sich ihre Seele sich vom Körper löste und aus dem Rücken des Körpers kam, dann sah sie sich prüfend zu allen Seiten um. Die dunklen Mächte waren hier deutlich zu spüren. Soweit hatten sich die Erben der Finsternis ausgebreitet. Karanas Seele schaute zum Himmel hoch. Es war, als würde hier eine Grenze verlaufen. Zu ihrer linken war strahlender Himmel mit flockigen Schäfchenwolken, die wie weiche Kissen aus einer blauen Decke aussehen. Die Flora stand hier im satten Grün. Es war ein wunderschöner Anblick von vollkommener Harmonie. Die Blumen blühten, das Gras war saftig grün und wog sich im Wind, ein paar Tiere spielten auf der Wiese. Nun wandte der Kopf der Seele sich nach rechts. Der Himmel war pechschwarz und ein Übelkeit erregender Geruch von Schwefel kam von dieser Seite. Die Vegetation war vollkommen zerstört. Das Gras war schwarz und verbrannt. Die Bäume waren ebenfalls kohlfarben Schwarz und ihre Kronen kahl. Kein Tier war hier weit und breit zu sehen und alles lag in einem unheimlichen Schatten verborgen. Karanas Seele sah sich noch einmal um und zog sich dann wieder in ihren Körper zurück. Sie öffnete die Augen, blieb aber trotzdem hinter dem Baum hocken. „Eins muss man dem Bösen ja lassen...“, dachte die Elfe. „Es ist fleißig.“ Karana war eine junge Elfe des Stammes, welcher am Transan Ozean lebte. Ihr Alter belief sich gerade mal auf 200 Jahre, was für normale Menschen einem Alter von 18 entspricht. Sie war die Letzte ihres Stammes, denn Oranum hatte ihren Stamm bereits ausgelöscht. Sie hatte langes, strohblondes Haar, wo von die vorderen Strähnen zurückgebunden hatte, doch die Haare darunter fielen bis auf ihre Brust. Die Hinteren waren ein bisschen länger, sodass die längste Strähne den Po berührte. Diese Haare waren nur locker zusammengebunden. Über ihre Schulter hing ein hellbrauner Lederköcher in dem Pfeile mit weißen Federn steckten mit welchen sie wie alle Elfen meisterhaft umzugehen wusste. An ihrer Hüfte hing ein Schwert in einer saphirblauen Scheide. Karana dachte darüber nach hier heute ihr Lager aufzuschlagen, bevor sie in die Festung eindringen würde. Außerdem musste sie noch eine Strategie entwickeln und die Gegend auszukundschaften. Wie viele Wachen gab es? Wie war die Festung überhaupt aufgebaut? Welche Wesen hielten sich dort auf? Welche Waffen würde sie brauchen? Wie kam sie unbemerkt hinein und wie blieb sie unbemerkt? Das waren äußerst wichtige Fragen, die gut durchdacht werden mussten. Ihr Plan durfte keinen Fehler haben ansonsten würde er für ihren Tod verantwortlich sein- daran bestand kein Zweifel. Oranum würde sie garantiert nicht zu einer Tasse Tee einladen. 20 Minuten überlegte Karana hin und her wie sie nun weiter vorgehen würde. Pläne entstanden in ihrem Kopf, die sie dann verwarf, während ihre kristallklaren, azurblauen Augen immer und immer wieder über den von hohen Bergen eingeschlossenen Talkessel schweiften. Besser könnten Pläne eigentlich kaum sein, doch selbst diese waren ihr zu unsicher. Immer fiel ihr ein Detail ein, welches in den komplexen Plänen nicht bedacht worden war. Ihr ganzes Vorhaben war einfach viel zu riskant und Elfen hassten eigentlich das Risiko, doch auf Grund der Prophezeiung gab es für sie kein zurück. Unbewusst fuhr ihre Hand zu der braunen Ledertasche welche um ihr Bein gebunden war. Dort drin befand sich das alte Pergament was der Priester ihres Dorfes kurz vor seinem Tod gegeben hatte. Ein Vogel landete auf dem Baum und trällerte sein Liedchen. Ein Hase hoppelte über das satte Gras und reckte seinen Körper zum Himmel. So langsam schliefen ihr die Beine ein, aber darauf achtete sie nicht. Was sollte sie tun? Immer fehlte ihr irgendein Detail, doch um dieses herauszubekommen musste sie in die Dunkelheit eintauchen und dann gab es kein Entkommen mehr. Einmal ins Reich der Dunkelheit gegangen, hatte man keine Möglichkeit mehr daraus zu entkommen. Das hieß, dass sie auf alles vorbereitet sein musste, egal, was sie darin erwartete. Karana seufzte und rutschte am Stamm des Baumes hinab. Es war schon ein seltsames Gefühl, wenn man eigentlich überhaupt nicht mehr existieren durfte. Man war schnell kraftlos, wenn man nur noch aus den Hoffnungen der Stammbewohner lebte. Immer wieder fragte Karana sich, warum gerade sie, warum gerade sie ausgewählt wurde um Rache zu üben, dieses schreckliche Wort, was ihr Stamm verabscheute. Was Todesgefahr doch alles bewirken konnte...Karana verbannte diese Gedanken aus ihren Bewusstsein. Die Willen, Hoffnungen, Wünsche und Träume der Meerelfen verbanden sich in ihrer Seele und waren manchmal sehr schwer zu kontrollieren. Vor allem der Geist von ihrem geliebten Shinshi machte es ihr schwer, denn dieser war ungeduldig und voller Tatendrang. Er wollte nicht abwarten. Eben Shinshi zu kontrollieren war eine riesen Arbeit. Es war bereits Mitternacht, als Karana sich endlich im Stande sah diesen Schritt zu wagen. Während des restlichen Tages hatte sie alle Vorkehrungen getroffen. Die Vorräte waren aufgefüllt mit leckeren Früchten, die hier überall zu finden waren. Nach einigen Überlegungen war sie der Meinung gewesen, dass sie vielleicht noch mehr Pfeile gebrauchen könnte. Eine alte Eiche mit starken Wurzeln schien besonders geeignet zu sein, also sprach sie einen alten Zauber, der einen Pfeil aus dem Stamm wachsen ließ. Danach hatte sie noch ihren Wasserschlauch aufgefüllt. Die Nacht, indem sich alles entscheiden würde, war eine klare Vollmondnacht. Wieder hockte die Elfe hinter dem Baum um noch ein letztes Mal den Plan durchzugehen und dieser lautete: Augen zu und durch. Wenn sie wirklich alles davon abhängig machen würde, ob ihr Plan alles bedacht hatte, dann würde sie hier nie weg kommen. Eine kalte, goldene Kette hing um ihren Hals. Ihre zarten Finger hoben das Medaillon zu ihren Augen. Normalerweise hatte dieses Schmuckstück ihr Kraft gegeben, doch nun riss es eine tiefe Wunde in ihr Herz. Ihr Verlobter hatte es ihr geschenkt, als er ihr seine Liebe gestanden hatte. Die vorstehende Situation ließ ihre Eingeweide verkrampfen und ihr Herz schlug so unglaublich schnell, dass es doch gleich zerspringen müsste. Ihre Gedanken rasten und die Geister in ihr waren in heller Aufruhr, doch Karana holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Jetzt bloß konzentriert bleiben, dann würde alles gut werden. Was dachte sie da eigentlich? Ihr Vorhaben kam einem Selbstmord gleich...dennoch unterdrückte sie die Angst, die langsam in ihr hoch kroch. Ein letztes Mal überprüft sie ihre Ausrüstung, dann löste sie sich aus dem Schatten des Baumes und warf ein letztes Mal einen Blick auf die Welt, die sie kannte. Alles lag völlig ruhig da und kein Tier trollte mehr über die Wiese mit den blühenden Blumen. Der Mond tauchte alles in ein milchiges, warmes Licht, doch ab der Grenze zur Hölle kam der Mond nicht weiter. Alles war stockduster und die Bäume glühten schwach rot, so als würden sie Innen brennen. Zorn sprudelte in den Verstand von der Elfe und sie fuhr sich durch das Haar. Wie konnte Oranum es nur wagen, das der Natur anzutun? Allein dafür würde er büßen. Ihr Volk hatte sich stets bemüht die Natur und ihre Schönheit zu bewahren und dann kam so ein dahergelaufener Mensch und missachtete jeglichen Grund der Ethik. Feuerrotes Blut kam aus ihren vollen Lippen, als sie vor Zorn zubiss. Die Prophezeiung...sie besagte, dass einst die Schatten versuchen würden die Welt zu fressen und die Dunkelheit seine schwarzen Schwingen um die Welt legen würde um alles ins ewige Nichts zu tauchen. Zu eben dieser Zeit, wo alles im Mahlstrom der Ungewissheit zu versinken drohte, da würden zwei Sterne aufleuchten und ebenfalls ihre perlweißen Flügel ausbreiten. Ein Junge und ein Mädchen würden es sein- verbunden durch den Wunsch der Unzertrennlichkeit in ihnen, doch eben dies würde nicht geschehen. Einer der hellen Sterne wurde in die ewige Finsternis gezogen und zum Stern der Apokalypse, dem Stern vom Untergang der Welt. Eine Elfe, die das Licht der Hoffnung in sich trug, würde versuchen in die Dunkelheit einzutauchen, den Schmerzen zu widerstehen und den Stern des Unterganges erneut zum Stern der Hoffnung zu machen. Karana gab sich einen Ruck und übertrat nun die Schwelle zum Reich der Finsternis- hinein in eine andere Dimension. Sofort spürte sie den Fluch, der über dieser Dimension lag. Sobald sie das dunkle Reich betrat, wurde alles um sie herum still. Ihre Haare wurden nach oben geweht und der Wind versuchte die Geister aus ihr herauszuziehen. Vor Anstrengung kniff die Wasserelfe die Augen zusammen und versuchte mit aller Kraft die Seelen ihrer verstorbenen Freunde in sich zu halten. Glück und Hoffnung verschwanden in dieser Dimension. Was hatte sie auch zu suchen in einer Welt, wo das Böse die Oberhand hatte? Mit der Kraft ihrer konzentrierten Gedanken gelang es Karana so einigermaßen wieder die Kontrolle über ihren Körper zu erhalten. Dieser Fluch hier war sehr mächtig. Er saugte alles Glück aus und demjenigen blieben nur Trauer, Angst und Verzweiflung. Alles, was man zu verdrängen versuchte, kam nun wieder hoch, egal was es war. Ob nun Schulden...Dinge, die man sich nie verziehen hatte...Alpträume...all dass, was man am liebsten aus seinen Gedanken und Herzen verbannen wollte, dies alles kehrte nun wieder um denjenigen zu quälen. Den Wesen der Finsternis gefiel das alles wahrscheinlich sogar, waren sich doch nichts anderes gewöhnt, so war es für die Bewohner des Lichts unerträglich. Der Schutz um Oranums Festung war dadurch perfekt gegen Eindringlinge des Lichtes. Als ob es nicht reichen würde, dass er sich auf einer einsamen Insel mitten im einen See, in einem Vulkankrater versteckte. Der war ja ein ganz Vorsichtiger. Vorsichtig tat sie einen Schritt und ihr ganzer Körper schien zu pulsieren. Ein Dröhnen hämmerte im schmalen Kopf von Karana und ihr Körper schien vor Schmerz zu schreien. Karana krümmte sich vor Schmerz und fasste sich an den Kopf. Wieder versuchten die Geister aus ihrem Körper zu weichen und sie benötigte all ihre Willenskraft um den Tumult in ihrer Seele zu bändigen. Verdammt! Sie fluchte innerlich. So würde sie ja nie vorankommen. Ihre seelischen Schmerzen waren viel zu groß, da würde sie ja Jahre brauchen. Was nun? Bei all dem Schmerzen versuchte sie klar im Kopf zu bleiben und dachte nach. Sie sank in die Knie und konnte der Versuchung aufzugeben kaum noch standhalten. Alles begann sich wie ein Mahlstrom vor ihren Augen zu drehen und es wurde immer schneller. Die Farben verschwammen zu einem einzigen Schleier aus Rot, Schwarz, Grau und Beige. Die rasende Geschwindigkeit sorgte für Übelkeit. Die Geister in ihr schrieen vor Schmerz, doch Karana versuchte es zu verdrängen und sich zu konzentrieren. Sie betrachtete das Armband an ihrer Hand, an dem ein Kreis hing, der von einem Dreieck eingeschlossen wurde. Eingesperrt wie ihre inneren Kräfte, sie musste es nur schaffen sie zu aktivieren. Das Problem war nur, dass sie es noch nie getan hatte. Sie konnte zwar theoretisch Zaubern, doch in der Praxis war Karana eine blutige Anfängerin und das Gelingen ihrer Mission hing nun von ihrem ersten Versuch ab, denn einen zweiten würde es nicht geben. Sie sammelte die Geistern in einem Punkt und konzentrierte ihre Kraft. Wer hätte gedacht, dass sie die tiefsten Geheimnisse der Wasserelfen benützen müsste? Normalerweise wurden sie nie verwendet, da ihr Stamm immer friedfertig gewesen war, doch diese schöne Zeit der Harmonie war nun vorbei. Nun mussten andere Seiten aufgezogen werden. Wenn Oranum glaubte, dass er einfach mit Massenmord davon kommt, dann hatte er sich aber geschnitten. Sie begann in einer Sprache zu sprechen, die kein anderes Wesen auf Mythna verstehen würde. Es klang wie eine Sprache von einem anderen Planeten mit lauter Aneinanderreihung von Konsonanten. Dass sich Karanas Zunge nicht verknotete, war dabei ein halbes Weltwunder. Dazu machte sie in bestimmtes Zeichnen mit den Fingern, bei dem sie Zeige- und Mittelfinger der linken Hand ausstreckte und dasselbe mit der rechte, wobei diese weiter oben waren. Ihre Haare hörten auf nach oben zu wehen, als zwei Luftströme aufeinander trafen. Das Symbol an ihrem Handgelenk begann zu leuchten und nun schwebte ihr blondes Haar wie Wellen in der Luft. Die junge Elfe errichtete einen Bannkreis um sich herum, welcher sie wie eine Käseglocke umgab um den Fluch abzulenken. Als dieses Gefühl endlich abließ, fiel sie vor Erschöpfung auf dem Boden und fühlte das trockene Gras unter sich. Ihre Kehle brannte und ihr Atem ging flach. So langsam kam auch der Tumult der anderen Seelen in ihrem Körper zur Ruhe. Es war ein befreiendes Gefühl. „Puh...endlich...das war echt ein unangenehmes Gefühl...“, stöhnte Karana völlig außer Atem. Für eine kurze Zeit hatte sie wieder das Gefühl gehabt, welches sie schon ihr ganzes Leben lang begleitete. Es war das Gefühl der Unvollkommenheit...so als würde etwas in ihr fehlen...ein schreckliches Gefühl. Aber nun riss sie Karana zusammen und blickte in den Kessel hinunter. Sie stand ganz oben auf dem Vulkan und unter ihr lag das Tal in dessen Mitte sich unheilvoll die finstere Burg von Oranum abhob. Unheilvolle Skelettvögel flogen über den pechschwarzen Himmel. Sie hießen so, da man durch das Gefieder das Skelett sehen konnte und die roten Augen glühten wie von einem Dämon. Das Geschrei, das ihren spitzen Hakenschnabel kam, konnte einen lähmen und klang wie ein Omen der Apokalypse. Auch Harpyien flogen über den Himmel. Golbins, mit ihrem klobigen Körper und den Keulen, bewachten den Boden. Einer von dem Trupp wandte den Kopf zu ihr um und grunzte verwirrt. Blitzschnell und geschmeidig wie eine Katze versteckte Karana sich hinter einem Baum und hielt den Atem an. Ihr Herz hämmerte in ihren Hals und sie schluckte. Schnell stieg ihre Seele aus dem Körper und blickte um die Ecke. Wenigstens einen Vorteil hatte es, dass sie eigentlich tot sein müsste...ihre Seele konnte ihren Körper verlassen und war somit für die primitiven Goblins nicht zu sehen. Innerlich verfluchte sie sich, weil sie vergessen hatte einen Tarnzauber zu bewirken. Einen Zauberspruch später begann sie vorsichtig den Abstieg, den Bogen fest umklammert und einen Pfeil bereit, falls hier mächtige Wesenheiten waren, denn ihr Tarnzauber war sehr provisorisch. Obwohl Elfen besonders schnell zu Fuß waren, brauchte sie einen ganzen Tag um den steilen Abhang hinunter zu klettern, wobei sie sich noch nicht einmal eine Pause gönnte, denn ihre Angst war zu groß vielleicht doch entdeckt zu werden. Ständig musste sie den Fakiren in ihren scharlachroten Umhängen ausweichen, die sie entdeckten könnten. Ihr Herz wollte gar nicht mehr aufhören zu hämmern. Auch die gefallenen Erzengel mit ihren schwarzen Schwingen stellten eine große Gefahr dar. Warum musste Oranum auch so mächtige Verbündete haben? Nun hatte sie endlich den steilen Abhang verlassen und vor ihr eröffnete sich eine weite, finstere Ebene, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Karana holte tief Luft und erneuerte die Zauber, da sich schon allmählich der Tarnzauber verlor und um den schwierigern Teil ihrer Reise in Angriff zu nehmen. Von hier gab es keine Möglichkeit sich zu verstecken. Ein Skelettvogel schrie über ihr und für einen kurzen Moment glaubte Karana, dass der Vogel sie entdeckt hätte. Noch war es ein halber, strapaziöser Tag, der vor ihr lag, bevor sie überhaupt die Burg erreichen würde, wenn sie sie überhaupt erreichen würde. Wer wusste das schon? Noch einmal wurde sie konzentriert und dann schlich sie über die Ebene. Wich Gegner aus, oder schoss auch schon einmal einen Pfeil ab um einen potenziell gefährlichen Gegner abzulenken. Ihre Füße gaben kein einziges Geräusch von sich. Das lange Haar wippte in dem Wind, der nach Schwefel stank. Karana konnte vom Glück reden, dass sie eine Elfe war, denn so war sie sehr ausdauernd. Karana sprang über seinen Stein und warf einen Blick zu beiden Seiten. Momentan war Niemand wichtiges zu sehen. Hoffentlich blieb es so, doch das glaubte sie nicht, denn eigentlich müssten sich die mächtigen Wesen doch in der Nähe der Burg aufhalten. Als hätte jemand ihren Gedanken gehört, tauchte genau vor ihr ein Fakir auf. Karana hielt sofort inne und hielt den Atem an. Sie betete, dass er sie nicht bemerken würde. Noch hatte Fansan, der mächtigste aller Fakire, welchen Karana jetzt erkannt, die Augen geschlossen. Karanas Herz trommelte so schnell, dass sie das Gefühl hatte, dass Fansan es hören würde. Sie wagte es nicht zu atmen und ihr Körper zitterte. Diese Schwarzmagier waren verdammt gefährlich und hatten besonders gute Fachkenntnisse im Bereich der dunklen Künste. Ihre blauen Augen weiteten sich vor Panik, die sich nun eisern um sie legte. Wenn er sie unter dem Tarnzauber entdeckte, dann konnte sie sich von ihrem Leben verabschieden. Nur in Büchern hatte sie Abbildungen von Fakiren gesehen, da sie immer in Verborgenen arbeiteten, doch ihr Ruf als Schwarzmagier war gefürchtet. Langsam trat Karana zurück. Vielleicht könnte sie ja noch abhauen, bevor er seine Augen öffnete. Vorsichtig ging sie zurück, die Augen starr auf den hoch gewachsenen Mann mit der roten Robe mit den goldenen Rändern gerichtet. Doch ihr Fluchtversuch wurde je abgebrochen, als sie auf einen Ast trat. Es knackte und Karana fuhr zusammen. Verdammt! Das war’s! Sie zischte und blieb wie angewurzelt stehen um abzuwarten. Fansan öffnete die Augen und blickte sie an. Er sah sie wirklich an, fast so, als würde er wissen, dass sie war. Insgeheim hoffte Karana noch, dass es nur ein Zufall war. Die roten Augen von Fansan glühten und schienen durch den Tarnzauber zu dringen. Karana jappste auf und hielt sich die Hand vorm Mund. Bloß kein Geräusch machen! Fansan wusste, dass sie da war, das konnte sie sehen. Seine Augen ruhten auf der Elfe und ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Dieser durchdringende Blick lähmte Karana und ihr Körper zitterte wie Espenlaub. Angst lähmte die Elfe noch zusätzlich und sie war von den Augen wie hypnotisiert. Sie konnte sich ihnen einfach nicht entziehen. Bilder flackerten vor ihren Augen auf. Ihre Beine waren wie mit Wackelpudding gefüllt. Nach kurzer Zeit, schaffte Karana es ihren Körper wieder in den Griff zu kriegen. Mit einem Wink ihrer Hand deaktivierte sie die Zauber. Wozu sollte sie Kraft verschwenden, wenn die doch eh aufgeflogen war? Da sie nun wusste, wie der Fluch hier wirkte, konnte sie sich darauf einstellen und somit auch den Schutzzauber auflösen. Mit ruhiger Hand legte sie einen Pfeil an die Sehne und zielte auf Fansan. Dieser machte eine etwas zu umständliche Verbeugung, wobei die Kapuze den Boden berührte. Ein Vogel schrie einen Warnschrei aus, als er die Elfe entdeckte, doch Fasan brachte ihn zum Schweigen. Karana konnte sich denken warum. Er wollte alleine mit ihr kämpfen. „Es ist mir eine Ehre, Wasserelfe Karana, hohe Priesterin.“, sagte Fasan mit gespielt erfreuter Stimme. „Mir nicht.“, gab die Elfe kühl zurück. Ihr Körper war nun angespannt und sie wartete nur darauf, dass Fasan angriff. Der Fakir verharrte aber in seiner Verbeugung. Verwunderung keimte in Karana auf, doch sie ignorierte diese. Ohne zu Zögern schoss sie den Pfeil ab, der durch die Luft sirrte. Noch während der Pfeil durch die Luft flog, bemerkte Karana, dass das völlig überflüssig war. Schnell richtete Fansan sich auf und fing den Pfeil auf. Er drückte so fest, dass der Pfeil zerbarst. Fansan lachte und ließ die Splitter des Pfeils zu Boden fallen. Unwirrkürlich trat Karana zurück und holte schnell einen weiteren Pfeil hervor. Der hämische, amüsierte Ausdruck lag noch immer auf dem Gesicht des Fakirs. Gelangweilt zupfte er an seiner Kapuze rum und klopfte sich die Holzsplitter vom Mantel. „Du weißt genau, dass das nichts bringt!“, antwortete Fansan gelassen und betrachtete Karana desinteressiert. „Das weiß man nie, bevor man es nicht ausprobiert hat.“, gab Karana gespielt gelassen zurück, doch in Wirklichkeit war sie sehr nervös und ihr Herz flatterte wie die Schwingen der Todesvögel über ihrem Kopf. Es gab ein merkwürdiges Geräusch, als die Sehne bis zum Anschlag angezogen wurde. „Du bist sehr mutig oder einfach nur töricht.“ „Ich bevorzuge mutig!“, konterte sie und kniff die Augen halb zusammen, um besser zielen zu können. Eine stinkende Brise wehte über die Ebene, als wollte sie das Startsignal für ihren wirklichen Kampf geben. Schnell sprach Karana eine Formel. Nun ließ sie die Sehne los und der Pfeil zischte erneut durch die Luft, doch Fansan bemühte sich nicht einmal auszuweichen. Die Elfe wusste auch wieso. Pfeil und Bogen...das waren Distanzwaffen, die man aus dem Hinterhalt abschoss, jedoch waren sie nicht für den Nahkampf geeignet. Auf kurzer Entfernung ist es ein Leichtes auszuweichen, doch genau das hatte Karana mit eingeplant, denn Fansan dachte, dass sie einen Fehler beging und eben das war ihr Vorteil. Ein triumphierendes Lächeln legte sich auf das hübsche Gesicht der Elfe. „Baika!“, befahl sie laut und diesmal hielt sie sich nur die ausgestreckten Zeig- und Mittelfinger der rechten Hand vor die Augen. Kurz bevor der Pfeil Fansan traf, fing der Pfeil an lila zu leuchten. Dieses lila Licht nahm die Form an wie die Luft, die um den Pfeil strömte. „Gasir!“, rief Fansan überrascht und schaffte es in letzter Sekunde den Pfeil abzulenken. Dort, wo der veränderte Pfeil in den Boden schlug, qualmte es und das Gras ging in eine kurze Stichflamme auf, die nach dem Himmel leckte. Fasan warf einen überraschten Blick über die Schulter und der Widerschein der Flammen tanzte auf seinem purpurroten Mantel. Als die Flamme erlosch, blühten die Blumen und das Gras war wieder saftig grün. Für einen kurzen Augenblick war alles wieder normal, bis der Fluch wieder alles zu Nichte machte. Fasan pfiff anerkennend. „Ein exorzistischer Pfeil! Respekt! Damit habe ich nun nicht gerechnet.“, stellte er anerkennend fest. „Das war auch meine Absicht.“, antwortete Karana kühl und ließ den Bogen sinken. Als Antwort lachte Fasan und es war ein wirres Lachen, welches in ein heiseres Husten überging. „Gewiss...gewiss!“ Entgegnete er hastig, als würde er mit einer Hoheit reden und er hätte einen Frevel begangen. Karana hob eine geschwungene Augenbraue. „Ihr Fakire seid seltsam.“, stellte Karana trocken fest. Fansan antwortete nicht, sondern stürmte auf sie zu- mehr schwebend als rennend- und zog ein Schwert aus dem Nichts. Karana zog blitzschnell ihr Schwert und parierte den Hieb. Die Wucht des Aufpralls war so stark, dass Karana nach hinten rutschte. Mit aller Kraft lehnte sie sich gegen die Kraft des Fakirs. Er klirrte, als die Klingen auf einander prallten und Funken stoben vom Metall weg. „Das ist nicht wahr. Fakt ist, dass ihr uns nicht versteht!“ Die Stimme von Fasan war nun nicht mehr gespielt freundlich, sondern voller Hass und Verachtung. Sie schäumte gerade zu. Sein Zorn war so groß, dass die Kraft immer stärker wurde, mit der er versuchte die Blockade zu zerbrechen. Immer weiter wurde Karana zurückgedrängt, doch eins hatte sie sich geschworen: Sie würde nicht nachgeben. Mit einem schnellen Ausfallschritt gelang es ihr aus dieser misslichen Lage zu entkommen. Fasan folge ihrer Bewegung mit dem Kopf und versuchte darauf zu reagieren, doch Karana sprang und drehte einen Salto, sodass sie hinter Fasan landete. Sie holte mit dem Schwert aus, doch es gelang ihr nicht den Feind zu erwischen. Das Schwert von Fasan, mit dem roten Griff, schwebte in der Luft und blockierte sie erneut. Karana zischte wütend wie eine Schlange. Ihre Hand schloss sich noch enger um den Knauf des Schwertes, welcher kühl war. „Wahrscheinlich eben, weil ihr euch so komisch benehmt.“, keuchte Karana. Durch die Reise hatte sie kaum noch Kraft und jeder Atemzug brannte in ihrer Kehle. Schnell musste sie sich etwas einfallen lassen, ansonsten stand es schlecht. „Du hältst dich wohl für allwissend wie?“ „Nein, sonst hätte ich nicht ‚wahrscheinlich’ gesagt, oder?“ Was war das Problem von Fasan? Er war wirklich ein merkwürdiger Zeitgenosse! „Du hältst dich wohl für ganz toll, oder?“ „Nein, eigentlich nicht.“, antwortete Karana ruhig und zuckte belanglos mit den Schultern. „DU BIST SO WAS VON DREIST!“, schrie der Fakir. „So was und ich dachte Fakire verlieren nie die Beherrschung...dann komm doch!“ Dies ließ sich Fasan nicht zweimal sagen. Die nächsten Angriffe waren nun noch schneller als vorher und Karana hatte alle Mühe sie abzuwehren. Ihr Atem flog und sie hatten Seitenstiche. Ihre Paraden wurde schwächer und Fasan brach immer mehr durch ihre Verteidigung. Sie duckte sich und wich immer wieder aus, doch leider war ihr Gegner ein verdammt schneller, der es ihr nicht leicht machte...ganz und gar nicht. Ihr blieb wohl keine Wahl! Sie sprang nach hinten und richtete das Schwert zum Himmel, sodass der Ort der Klinge nun vor ihren Augen war. Eine mystische, heilige Atmosphäre kam auf und alles herum verstummte, als wolle es lauschen. Karana schnitt sich an der Klinge und fuhr über die Hohlkehle des Schwertes entlang. Dieser Spur folgenden entstanden nun schwarze Runen, die um das Schwert wirbelten. Immer schneller drehten sich die fremdartigen Runen um die Hohlkehle und wieder wurde das Haar von Karana noch oben geweht. Nun erhob sie es wieder zum Himmel. Die Klinge blitzte hell auf und Wasser begann aus der Klinge zu quellen. Das klare Wasser umschlängelte die Klinge wie eine Schlange und als es oben den Ort erreichte, bildete sich der Kopf eines Drachens mit rot glühenden Augen. Voller Entsetzten starrte der Fakir auf das Schauspiel. Er schleuderte scharfe Luftklingen mit seinem Schwert von sich, doch prallten diese am Wasser ab, welches wütend gurgelte. Der Drache brüllte, doch anstatt auf seinen Gegner loszugehen, erstreckte sich der Zorn des Wasserschwertes über Karana, welche von der Flutwelle, die völlig unerwartet kam, von den Füßen gerissen wurde. Hart schlug sie auf dem Boden auf und jappste nach Luft. Ihre Lunge schien zu explodieren und ihr Blickfeld explodierte ebenfalls, als sie auf dem harten Boden aufschlug. Karana zitterte am ganzen Leib und richtete sich halbwegs wieder auf. Ihre Hand zitterte unter dem Gewicht des Schwertes, welches eine Schleifspur im Boden hinterlassen hatte. Das Wasser war verschwunden. Fasan lachte schallend auf. Das Lachen wurde fort getragen...drang in jeden Winkel der Ebene und wurde von den Bergen erwidert. „Als ob du das legendäre Schwert Kisarum führen könntest! Wie töricht!“ Frohlockte er und klatschte vor Spaß in die Hände. Karana knurrte und schaffte es aufzustehen. Ihr Herz raste wie nach einem 3 Kilometersprint und ihre Wirbelsäule schmerzte. Sie war noch ganz benommen und alles drehte sich um sie herum. „Kadevera aranaras esserum.“ Sprach Fasan mit monotoner Stimme. Karana vernahm ein Sirren in der Luft und blickte panisch umher. Wo kam dieses Geräusch her? Sie kannte diesen Zauberspruch nicht, aber sie musste schnell herausfinden, was er bewirkte, wenn sie überleben wollte. Panik wollte ihre Sinne trüben, doch sie ließ es nicht zu. Sie verabscheute dieses Gefühl. Doch ehe sie sich genug konzentrieren konnte, schrie sie instinktiv auf und spürte nur noch, wie das Fleisch von ihren Knochen gerissen wurde. Kapitel 18: Falle der Sehnsucht ------------------------------- 18. Kapitel: Melanie und Canzor Falle der Sehnsucht Melanie schrie auf und fuhr aus dem Schlaf. Ihr Atem ging stoßweiße und sie war schweißverklebt. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft schnell und ihre Luftröhre war wie zugebunden. Sie jappste und blickte sich mit tränenden Augen um. Wieder einmal lagen sie in einer Höhle wie bis vor kurzem. Canzor hatte sich um sie gelegt und hob nun seinen Kopf. Verschlafen blinzelte er sie an und gähnte. Es war tiefste Nacht und ein voller Mond schien in die Höhle hinein. Melanie schluckte und wischte sich den Pony aus dem Gedicht. Ihr war unangenehm heiß und sie fühlte sich wie erschlagen. Langsam setzte sie sich auf und zitterte am gesamten Körper, als hätte sie hohes Fieber. Der schlanke Körper schüttelte sich. Melanie spürte wie ihre Wangen glühten, jedoch nicht vor Scharm. „Melanie...“, murmelte Canzor verschlafen und gähnte erneut. Er hob den Kopf bis sie auf Augenhöhe waren. „Was ist los?“ Canzor wirkte ein wenig verstimmt und brummte. Melanie krallte sich an den Schuppen von ihm fest, weil sie sich noch immer fiebrig fühlte und fürchtete zusammenzubrechen. Nun bemerkte sie den besorgten Blick des Drachens in ihrem Rücken und es beruhigte sie etwas zu wissen, dass Jemand bei ihr war. Sie versuchte zu antworten, doch ihre Stimme war weg. Das einzige, was sie zu Stande brachte, war ein heiseres Krächzen. Canzor legte seinen Schwanz um sie herum, was einer Umarmung gleich kam. Noch immer zitterte Melanie am ganzen Leib. „Ich...“ Ihre Stimme war nun endlich wieder da. „Ich hatte...“ Doch nun versagte ihre Stimme wieder. Melanie stockte und blickte traurig zu Boden. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Das war kein normaler Traum gewesen. In einem Traum, da war man normalerweise man selbst, doch dieser war anders. In den Bildern war sie eine völlig andere Person gewesen, eine Elfe, die sie gar nicht kannte...und dennoch waren die Bilder und Gefühle ihr genauso scharf vorgekommen, als wäre sie es, die das erlebte. Die Gefühle und Gedanken der Elfen waren auch ihre gewesen. Diese Tatsache zu beschreiben empfand sie als äußerst schwierig und ihre rechte Seite brannte, fast so, als hätte man ihr das Fleisch da wirklich weggerissen. Lauter Fragen schwirrten in ihrem Kopf und vom Strom ihrer Gedanken wurde ihr übel. Wer war Karana? Was hatte sie mit ihr zu tun? Wieso träumte sie von ihr? War es vielleicht auch eine ihrer Fähigkeiten? Was passierte jetzt mit Karana? Fragen über Fragen, die sie nicht zu beantworten vermochte. Welche Tatsachen sie durch diesen Traum gewonnen hatte, wurde ihr erst jetzt bewusst und wie nach einem Schlag in ihr Gesicht war ihr Geist wieder hellwach. „Götterebene!“, rief sie hysterisch, sodass Canzor sie nun noch besorgter musterte. Beunruhigt stupste der nun braun schimmernde Drache sie an, doch Melanies Gedanken drehten sich zu schnell, als dass sie Canzor noch wahrnahm. Ihr Herz hämmerte vor Aufregung. Die Lösung! Solange hatten sie nach der Lösung gesucht und nun...fiel sie ihnen einfach in den Schoß. Das war unglaublich! Sie musste schlucken und ihr wurde wieder schwindelig. „Ach, so ist das!“, sagte Canzor ruhig und riss sie unsanft aus dem Strudel ihrer Vorfreude. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er in ihren Geist getaucht war, doch es war ein angenehmes Gefühl der Ruhe, was von ihm ausging. Sein Geist überdeckte ihre Vorfreude wie eine Decke und erstickte sie wie ein kleines Feuer. Zorn auf ihn brodelte nun in Melanie auf und etwas unsanfter als nötig stieß sie ihn aus ihrem Körper- fast so, als wäre er ein ekeliges Geschöpf, was man bloß loswerden will. Canzor schüttelte benommen den Kopf, als er wieder in seinem Körper war. Melanie keuchte und schnaubte. Wie konnte er so ruhig bleiben, wo sie doch nun wussten, wo Axel gefangen gehalten wurde? Wie konnte er nicht vor Freude in die Luft springen, da sie nun wussten, wo sich das Versteck von Oranum befand? Ihr Atem ging schwer und ihre Augen funkelten zornig. Leider bewirkte es bei Canzor nicht dass, was sie sich erhofft hatte. Es bewirkte nämlich gar nichts, außer dass er sie tadelnd ansah. „Benutz doch einmal dein Gehirn, Melanie. Selbst jetzt wo wir wissen, wo er ist, so können wir ihn nicht befreien. Was du da vorhin gemacht hast war eine Seelenwanderung. Du tauchst in einen Geist einer anderen Person ein. Es ist so was wie Visionen, doch das kann schon Ewigkeiten zurückliegen.“, erklärte Canzor nüchtern und blickte aus der Höhle, wo das Mondlicht seine erdfarbenen Schuppen glimmen ließ. Melanie wurde es schlagartig bewusst und sie senkte den Kopf. Wie blöd, daran hatte sie gar nicht gedacht. Noch immer wussten sie nicht, wo sich die anderen heiligen Waffen der Ursprungsgöttinen befanden und somit konnte sie auch nicht helfen. Zunächst galt es die Waffen des Himmels und der Erde zu finden, mit ihnen zu trainieren und dann ihre Aufgabe zu erfüllen. Eher waren sie weiterhin zum Nichts tun verdammt. Melanie beschloss deshalb das Thema zu wechseln und stellte eine Frage, die sie schon lange beschäftigte. „Canzor? Wieso heißt du eigentlich Elementdrache und warum ändert sich deine Schuppenfarbe ständig?“ Canzor blinzelte verwundert und seine treuen Augen lagen nun auf ihr. Ein amüsiertes Schmunzeln schien seine Lefzen zu zieren. Melanie blinzelte und stand auf. Wasser tropfte von den Stalagmiten auf ihren Kopf. „Ihr habt es also immer noch nicht rausgefunden, oder?“, grinste der Drache breit und ließ ein amüsiertes Gurgeln hören. Das Mädchen mit den schwarzen Haaren verdrehte die Augen. Canzor, Canzor, Canzor...doch ein bisschen frech. Sie musste Grinsen und strich sich durch ihr Haar. „Was denn?“, fragte sie bewusst desinteressiert um den Drachen ein bisschen zu ärgern. Canzor interessierte das aber herzlich wenig. Er erhob sich und streckte sich genüsslich. Der Mond wanderte weiter und ließ seine Schuppen noch immer hell glimmen. „Dass die 7 Himmelsdrachen mir einen Teil ihrer Kräfte gegeben haben und ich somit die Elemente beherrsche?“ Canzor klang genervt, aber obwohl Melanie erst ungefähr 2 Wochen zusammen mit ihm unterwegs war, wusste sie, dass er es nicht ernst meinte. Deshalb kraulte sie ihn liebevoll und blickt ihn zärtlich an. Die nächsten Monate verbrachten die Beiden auf der Suche nach Hinweisen für den genauen Verbleibsorte der zwei Waffen: Kisarum und Tarensa, die Waffen der Luft und der Erde. Canzor erwies sich als erfahrener Führer, der genau wusste, wo man forschen konnte, doch es war wie verhext. Die Beiden wurden regelrecht von Pech verfolgt. Weder die Dunkelalben, die die Schwerter damals nach einen Krieg repariert hatten, waren aufzufinden, noch die Lichtelfen, die die Schwert zusätzlich gesegnet hatten. Immer mehr verlor Melanie die Hoffnung, dass sie ihren Freund jemals lebend wieder sehen würde. Die Trauer griff immer mehr nach ihr und immer mehr wuchs die Wut. Die Wut darauf, dass sie es nicht schaffen würden, Wut darüber, dass sie nichts wusste. Ungewollt ließ sie die Wut an Canzor aus, der sie aber verstand und es deswegen hinnahm auch wenn er sich manchmal ganz schön darüber aufregen konnte. Melanie magerte immer mehr ab, wollte nicht mehr essen, fühlte sich hundeelend und schwach. Egal wohin sie gingen, Dragos war schneller, hatte jede Spur verwischt, machte ihr Unterfangen fast unmöglich. Das war etwas, was an ihren Nerven zerrte und sie nun fast wie ein Gespenst aussehen ließ. Früher hatte sie immer noch gehofft, dass sie Axel einst wieder sehen würde, doch allmählich musste sie sich eingestehen, dass sie sehr naiv an die Sache rangegangen war. Sie wusste fast nichts über den Planeten und hatte auf Canzors Wissen gebaut. Das wollte sie nun nicht mehr, jetzt lag es an ihr stärker zu werden. Jede freie Minute übte sie mit Schwert und Pfeil und Bogen, damit sie beim Kampf nicht ganz wehrlos war. Ihr Körper wurde drahtiger und sehniger, die weichen Rundungen wurden zu festen Muskeln. Ihre zarten Gesichtzüge wurden steinern hart und die sanft schimmernden Augen kalt. Von dem liebenswerten Mädchen wurde sie immer mehr zu Amazone, während sie über den Planeten hinweg flogen. Die Landschaft änderte sich ständig, mal waren sie an der Küste, dann in einem Tempel im tiefsten Wald, und dann auf den höchsten Bergen. So wechselhaft auch die Landschaft sich veränderte, so auch Melanies Stimmungen. Sie wurde immer launischer und gereizter, wenn man mit ihr sprach. Die Reise fraß sie sichtlich von Innen heraus auf und sie fühlte sich schlapper und ausgemergelter. An einem Abend, wo sie wieder in der Nähe eines zerstörten Elbendorf rasteten, sprach Canzor sie darauf an. Das Feuer knisterte laut und war wärmer als normal, da es von Canzors Drachenflamme genährt wurde. Die Dunkelheit versteckte sich in dem dichten Wald, als hätte sie Angst vor dem Feuer, und schien sie zu beobachten. Melanie trainierte mal wieder mit dem Schwert und der Schweiß flog nur so von ihrer Stirn. Ein halbes Jahr war nun vergangen, seit die beiden wieder aufgebrochen waren und wenn sie ehrlich war, dann glaubte sie nicht mehr, dass Axel noch lebte. „Gereizt?“, fragte sie und wandte sich zu dem Drachen um, der gerade sein Abendessen anvisiert hatte: Ein junger Hirschbock hatte sich aus dem Wald gewagt und sah sich um. Canzor zuckte mit dem Schwanz wie eine aufgeregte Katze auf der Pirsch. Melanie hielt kurz mit dem Schwerttraining inne und holte sich das Tuch, was sie zuvor über einen Baum gehängt hatte um sich den Schweiß abzuwischen. „Natürlich bin ich gereizt. Wir sind seit einem halben Jahr unterwegs und haben immer noch nichts Interessantes rausgefunden. Allmählich glaube ich, dass wir es nie schaffen werden.“, knurrte sie. Canzor schnellte inzwischen hervor und brach dem Hirsch, der keine Chance zu entkommen hatte, das Genick und begann damit ihn zu verspeisen, während er den toten Körper wie ein Gepard in den Vorderpranken hielt. Angewidert verzog Melanie das Gesicht, als sie das sah. Blut tropfte aus den Lefzenwinkel des Drachens, der genüsslich an den Knochen kaute. „Du bist so widerlich!“, schimpfte das Mädchen und wandte sich ab. Canzor blickte sie unschuldig an und kaute weiter. „Ich muss immerhin auch was essen.“, erklärte der Drache ruhig und putzte sich mit der rauen Zunge über die blutigen Vorderpranken. Melanie drehte ihm noch immer den Rücken zu und begann erneut zu trainieren. „Aber nicht auf diese Art und Weise. Das ist einfach ekelig.“ Ihre Stimme war hart und kalt. Nichts erinnerte mehr an die samtige, elfenähnliche Stimme, die sie noch bis vor wenigen Monaten hatte. „Wie denn sonst? Ich kann schlecht mit Messer und Gabeln essen!“ Canzor blieb gelassen. Er hatte gelernt sich, dass was sie sagte, nicht zu Herzen zu nehmen, denn er konnte verstehen, weshalb sie so angespannt war. Seit die Beiden unterwegs waren, waren sie schon einige Male angegriffen worden, denn Dragos schien nichts dem Zufall zu überlassen. Er wollte sie loswerden und das so schnell wie möglich. Bisher hatte Canzor mit seiner Magie zwar jeden Anschlag vereiteln können, auch wenn es allmählich an seinen Kräften zu zehren begann. Er wusste nicht mehr, wie lange er den Angriffe standhalten konnte und das bemerkte Melanie, was sie nur noch nervöser und angespannter machte. Es wurde immer öfter, dass sie anfing im Schlaf zu zittern wie eine Sterbenskranke und Canzor wusste, dass sie dann wieder eine Seelenwanderung machte. Die ständige Angst vor neuen Angriffen konnte einem sicherlich Angst machen, da war es nicht weiter verwunderlich, dass Melanie bei jedem unbekannten Geräusch herum wirbelte und die Waffe zückte. „Werd Vegetarier!“, wies sie ihn scharf zu Recht und Canzor rollte mir den Augen. Das ging ihm ziemlich auf die Nerven. Immerhin waren Drachen Fleischfresser und keine Kaninchenfutterer. Obwohl Kaninchen wirklich lecker waren, wenn auch ein bisschen zu klein für eine Mahlzeit. Den Geschmack schon schmeckend, fuhr er mit seiner Zunge über seine Zähne. „Canzor!“, kreischte das Mädchen völlig entnervt. „Immer mit der Ruhe, darf man nicht mal mehr nachdenken.“ „BISHER HAT DEIN DENKEN ABER NICHT VIEL GEBRACHT!“ „Immer locker bleiben. Ist ja nicht zum Aushalten. Und nun weich meiner Frage nicht aus!“ Canzor konnte sich nur schwer beherrschen und kniff deshalb die Augen kurz zusammen. Die ständigen Wutausbrüche waren wirklich kaum noch zu ertragen. Manchmal spielte er schon mit dem Gedanken sich einfach aus dem Staub zu machen, doch irgendetwas in ihm hielt ihn davon ab. „Welcher Frage?“, keifte sie erneut. Ihr Gesicht war vom Zorn entstellt und ihr Atem ging rasselnd. Erschrocken über diese Tonart erhoben sich zich Vögel und verschatteten kurz den Halbmond, der alles ins silbrige Licht tauchte. „Ob du in letzter Zeit erneut eine Seelenwanderung gemacht hast.“, wiederholte Canzor seelenruhig, aber in seinem Inneren muss er sich stark zurückhalten um nicht auszurasten. „Nein, ich habe es nicht mehr geschafft in Karanas Geist einzutauchen. Wer weiß, wann das geschehen ist?“ Melanie wurde wieder ruhiger und holte tief Luft. Wie ich bereits erklärt, war sie sehr launisch. „Ich denke dein Traum mit Narunia und Ranara war auch aus der Sicht von Karana. Irgendetwas verbindet eure beiden Schicksale...“, überlegte Canzor mehr zu sich, als zu seiner Gefährtin. „Aber was?“ Melanie ließ sich nun neben ihn fallen und starrte zusammengekauert in das Feuer. Dieses ließ ihr Gesicht grotesk aussehen. Ihre Haut war aschfahl, die Augen eingefallen und ein bisschen konnte man schon die Wangenknochen schon heraustreten sehen. Ihr Gesicht war wie eine Maske, völlig starr und ohne Emotionen, dass Einzige, was noch wach war, waren ihre Augen. „Das weiß ich nicht.“, gestand Canzor verlegen und auch er legte sich ins Gras. Er reichte ihr Früchte, die er gesammelt hatte und lustlos aß sie sie. Eine zeitlang war nur das Knistern des Feuers zu hören und gelegentlich das Rascheln einiger nachtaktiven Tieren, die jetzt auf Nahrungssuche waren. Ab und an streiften auch ein paar von der Dunkelheit geweiteten Augen die Lichtung, verschwanden dann aber wieder umgehend im Gesträuch. „Weißt du überhaupt was? Deine ganzen Ideen verliefen bisher nur ins Leere.“, schrie sie plötzlich und sprang auf. Melanie warf die Früchte zu Boden und ihre Augen glühten nun vor Zorn. „Was kann ich denn dafür? Wenigstens habe ich Ideen!“, fuhr Canzor sie an. Es war genug. Er konnte sich nun nicht mehr kontrollieren. Was zuviel war, war zu viel. Melanie fing wieder mit dem Schwerttraining an. Canzor sprang auf und sein ganzer Körper bebte vor Zorn. Pechschwarze Rauchwolken kamen aus seiner Nase und er verengte seine Augen. „Wer soll uns denn führen? Du oder ich?“, gab Melanie wütend zurück und schlug fest auf einen Stock ein, der schon von Kerben übersäht war. „Glaubst du, dass du ohne mich klarkommst? Du bist doch schwach. Ohne mich wärst du schon längst tot!“, fuhr der Drache sie an und schlug zornig mit seinem Schwanz herum. Seine Krallen gruben sich in den lehmigen Boden, während er die Zähne bleckte. Nun wirkte das gütige Wesen seit langem wieder wie ein echter Drache. „Ohne dich wäre ich viel besser dran! Ich BRAUCHE dich NICHT.“, schrie Melanie ihn an. Kochendheiße, ohnmächtige Wut breitete sich in Melanies Körper aus und ließ sie zittern. Es war, als würde sie in ein tiefes, schwarzes Loch fallen, welches sie vollkommen ausrasten ließ. Nun konnte sich Canzor nicht mehr am Riemen reißen, denn dieser Satz hatte ihm wehgetan und hatte ihn aus dem Konzept geworfen. Er schnellte hervor wie eine Raubkatze, umschlang Melanie fest und schlug ihr das Schwert aus der Hand. Sie stand nun völlig wehrlos, zitternd da- dem Drachen hilflos ausgeliefert. Sie hatte keine Chance sich zu wehren. „Du bist noch lange nicht gut genug. Wir brauchen uns beide gegenseitig.“, erklärte Canzor nun sanft und ließ sie los. Diese Tat sollte sie nur auf den Boden der Tatsache zurückholen. Melanie sackte zusammen und fing heftig an zu weinen. Ihr Körper bebte unter dem Weinkrampf und sie vergrub den Kopf in den Händen. „Ich werde ihn nie wieder sehen, ich bin einfach nicht stark genug. Er ist verloren.“, heulte sie. Canzor betrachtete sie traurig und umschlang sie fest, doch diesmal verständnisvoll. Sein Zorn war verraucht, genauso wie seine Rauchwolken. Vorsichtig zog er ihren Geist in seinen, der die Gestalt von Axel annahm. Langsam ging das Phantom auf die weinende Seele von Melanie zu und schloss sie in die Arme. Als Melanie aufblickte, erkannte sie im ersten Moment gar nicht, dass es nicht Axel war. Das Haar schimmerte feurig, die Haut leuchtete rein und die grünen Augen sahen sie freundlich an. Verzweifelt klammerte sich das Mädchen an ihrem Freund fest und das schwarze Haar fiel über ihre Schulter. Tränen strömten aus ihren Augen und sie wimmerte. „Ist doch gut, ist alles gut, Melanie. Ich bin ja da!“, flüsterte er. Es war sogar seine sanfte Stimme, die in durch ihre Gehörgänge flog. Melanie wusste, dass es nur eine Illusion war, dennoch hielt sie eisern daran fest und versuchte sich vorzustellen, dass er bei ihr war. Dass er sie wieder tröstete und ihr wieder Kraft gab. Sie wollte es nicht verlieren, sie wollte die Erinnerung bewahren und so weinte sie einfach weiter. „Beruhige dich. Es geht mir gut.“ Canzor Geist strich zärtlich durch das Seelenhaar und lächelte. Melanie stieß sich aus Canzors Geist und blickte schwitzend in den klaren Nachthimmel hinauf. Ihr Blick war verträumt und sie schwelgte in schönen Erinnerungen mit ihren Freund. „Tut mir Leid, ich musste es tun.“ „Schon ok.“, winkte Melanie ab und ging von ihm ab. „Wo willst du hin?“, fragte Canzor sie besorgt und seine Blicke bohrten sich in ihren Rücken. Melanie warf ihn einen Blick über die Schulter und lächelte, wobei Tränen in ihren Augen schimmerten. „Melanie...“, flüsterte Canzor traurig. „Ich brauch jetzt etwas Zeit für mich.“ „Soll ich nicht mitkommen?“ „Nein, ich muss mal über alles nachdenken.“, flüsterte sie in bestimmten Ton. Canzor sah ein, dass es gerade keinen Sinn hatte, ließ aber den Kopf hängen. „Wie du meinst, aber ruf mich, falls was passiert.“, mahnte er. „Ist ja gut, Papa. Ich nehme mein Schwert mit.“ Damit ging sie mit wehenden Haaren davon, doch in Canzor blieb ein ungutes Gefühl. Ihr Ruheplatz erwies sich als ein Plateau von dem sich silbrig schimmernd ein Wasserfall in einen Talkessel ergoss. Sie saß unter einen Eremitenbaum. Ihr Haar wehte ruhig im Wind und sie betrachtete den Wasserfall, der leise in einen See plätscherte. Die Silhouette eines Gebirges hob sich in den Himmel ab und war in Dunkelheit getaucht. Das Gras war in samtiges Schwarz gekleidet und wog sich im Wind. Bei diesen unendlichen Weiten verlor sich Melanie ganz in ihren Gedanken. Der See war umstellt von großen Bäumen, die eine romantische Atmosphäre herstellten. Melanie seufzte und blickte zu den hellen Sternen hinauf. Die Sterne schienen das Antlitz von Axel herzustellen und wieder umarmte die dunkle Traurigkeit sie. Silbrig schimmernd liefen Tränen aus ihren Augen und sie musste sich eingestehen, dass sich jede Faser ihres Körpers sich nach ihren Freund. Sie wollte wieder den warmen Atem auf ihrer Haut spüren und fühlen, wie er sie berührte und sie tröstete, doch seit er nicht mehr da war, fühlte sie sich völlig leer. Sie spürte nicht mehr seine weiche Haut wie sie die ihrige berührte und auch nicht mehr seine zarten Lippen sie berührten. „Hey, Melanie!“ Melanie konnte hören, wie Jemand sich neben ihr ins Gras fallen ließ. Sie wandte sich nicht um, sondern stand auf. „Wo warst du?“ „Was ist das denn für eine Begrüßung? Ich war im Kerker, da hat man nicht unbedingt Zeit eine Postkarte zu schreiben.“, erklärte die Stimme im gewohnt frechen Ton. „Du bist also entkommen?“ Sie verharrte den Rücken zu der Person gekehrt. „Ne, weißte, Dragos hat mich beurlaubt. Ich muss nur in 10 Tagen wieder da sein.“ Melanie konnte förmlich hören, wie er grinste, aber genau das machte sie irgendwie zornig. Etwas in ihrem Inneren schlug Alarm und zwar auf höchster Stufe. „Haha, sehr lustig. Du Blödmann!“, sagte sie eiskalt und ihre ganze Haltung war abweisend. Wie konnte er hier nun antanzen und so tun, als wäre nie etwas gewesen? Sie hörte, wie er aufstand und auf sie zuging. Sie streckte den Arm aus und gebot ihn inne zu halten was er befolgte. „Weißt du, wie weh es tat? Weißt du, wie es mich zerfraß? Weißt du das, Axel?“ Sprach sie mit vorwurfsvoller, schneidender Stimme. Axel trat auf sie zu und legte seine Arme um ihre Hüfte. Melanie versteifte sich und musste gegen die Tränen kämpfen. „Ja, ich kann mir vorstellen wie du dich gefühlt hast und es tut mir leid.“, flüsterte er mit samtiger Stimme in ihr Ohr, die sie schmelzen ließ. Melanie begann zu zittern und immer verlangender brannten die Tränen in ihren Augen. Sie biss sich auf die Lippen um nicht zu schluchzen. Ihr Freund legte seinen Kopf auf ihre Schulter und umarmte sie fest. Immer heftiger begann sie zu zittern und konnte sich kaum zurückhalten. Tränen ließen ihre Augen wackeln. „Aber nun bin ich ja wieder bei dir.“, flüsterte er sanft in ihr Ohr und irgendetwas war anders in seiner Stimme. Was genau es war vermochte sie nicht zu sagen. Axel strich sanft durch ihr Haar und küsste ihren Kopf. Sehnsuchtstränen liefen aus Melanies Augen und sie konnte sich nicht beherrschen. „Lass mich nicht mehr allein! Nie mehr!“, flehte sie ihn an und fing an zu weinen. Axel blickte sie verständnisvoll an und das Mädchen ignorierte die Alarmglocken ihres Unterbewusstseins. Wollte sie doch einfach nur wieder mit ihrem Freund zusammen sein und sich ganz ihm hingeben. Langsam drehte sie sich zu ihm um und ihre Augen sahen ihn Hilfe suchend an. Axel lächelte charmant und küsste sie auf die Lippen. Er streckte ihr die Hand entgegen, doch Melanie zögerte. „Nein, versprochen. Komm, komm mit mir!“ Melanie fasste seine Hand und ließ sich von ihm in den dunklen Wald ziehen. Nicht unweit von dem Geschehen fuhr Canzor hoch und schaute in die Richtung, in die Melanie gegangen war. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er hatte eine Vision, dass etwas nicht mit Melanie stimmte. Nach kurzem Überlegen entfaltete er seine Flügel und erhob sich in die Lüfte Kapitel 19: Die Gefangene ------------------------- 19. Kapitel: Axel Die Gefangene Axel kniete nieder und neigte sein Haupt. Vorsichtig warf er einen Blick durch den Raum, war aber darauf bedacht, dass sein Herr es nicht bemerkte, denn es könnte böse enden. Sein Herr könnte denken, dass er nicht aufmerksam war und das hätte harte Strafen zu folge. Er befand sich in einem großen Thronsaal, der nur vom flackernden Licht von halb verbrannten Kerzen erleuchtet wurde. Er kniff die Augen zusammen um mehr erkennen zu erkennen, denn seine Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Der Raum hatte eine hohe, gewölbte Decke, die von schwarzen Einhörnern und den Qualen der Mythianern gezeichnet war. Durch die Höhe dieses Saales, war es noch dunkler. Es war eine erschreckende Dunkelheit, die sich lähmend über Axel legte und sein Herzschlag verlangsamte. Vor ihm war ein großer Thron, der aber nicht besonders verziert war. Das Holz war schlicht, aber edel und poliert. Ebenfalls ein bisschen Gold schmückte die Armlehnen und die Rückenlehne ragte in die Dunkelheit hinein. Die roten Augen seines Gegenübers hingen auf ihm, das war Axel bewusst und dies bereitete ihm ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend. Nur mit Mühe vermag er seinen Körper zu beherrschen und seine ruhige Ausstrahlung beizubehalten. Die Aura in diesem Raum war kalt und presste die Luft in seiner Lunge zusammen, sodass er kaum noch atmen konnte. Er unterdrückte ein Japsen und zwang sich zur Ruhe. Hinter ihm hörte er einen alten Kronleuchter quietschen, der, wie Axel vor kurzem noch gesehen hatte, mit Schädel drapiert war. Axel trug nun eine Rüstung aus schwarzem Metall, was ihm das Aussehen eines schwarzen Ritters verlieh. Sein Schwert aus Kindertagen Horan klapperte in Scheide an seiner Hüfte. Der Helm der ihn als einer der schwarzen Gerade auswies, hatte Axel abgenommen und trug ihn unterm Arm. Unter einem kurzen Zittern stellte Axel fest, dass er auf kalten, schwarzen Marmor kniete. Er hatte keine Ahnung, was jetzt kommen würde, aber auf jeden Fall würde es etwas sein, womit er noch vor wenigen Monaten nie gerechnet hätte. Unsicher starrte er zu Boden und kniff die Augen zusammen. Für einen kurzen Moment streiften schemenhafte Erinnerungen aus seinem Unterbewusst seinen Verstand, doch konnte er die schattenhaften Gestalten nicht deuten. Er konnte sich nur noch daran erinnern, was bis zu seinem 10 Lebensjahr erlebt hatte und dann war da eine Lücke, die erst dann wieder aufhörte, als er hier aufgewacht war. Das lag nun ein halbes Jahr zurück. Als Axel aufwachte, lag er einem gemütlichen Himmelbett mit schwarzen Vorhängen. Damals war er schwer verletzt gewesen und sein Leben hing an einem seidigen Faden. Er wusste nicht, was mit ihm geschehen war, doch wusste er, dass er hier in der Götterebene Hilfe gefunden hatte. Dragos, sein jetziger Herr und Meister, hatte ihn aufgelesen und ihn zusammen mit Fansan, dem Fakir, geheilt und über den Berg geholfen. Somit stand er nun in Dragos Schuld auch wenn es ihm nicht ganz geheuer war. Es passte ihm nicht sehr, denn es war alles viel zu dunkel für seinen Geschmack. Dennoch hatte er Wort gehalten und hatte das letzte halbe Jahr hart trainiert und war so zum Anführer der schwarzen Garde aufgeschwungen. Axel hatte aber ein komisches Gefühl dabei, denn irgendetwas in seinem Inneren sperrte sich gegen die Situation, aber er war dem Herrn der Finsternis dankbar, dass er ihn gerettet hatte, dennoch befand er sich in einem seelischen Zwiespalt. Warum wusste er selber nicht. Zusehends wurde es in seinem Innern immer ungeduldiger. Er wollte, dass es nun endlich weiterging- seine Knie taten schon vom Knien auf dem harten Stein weh. In den Tiefen dieser Festung konnte man schnell das Gefühl von Raum und Zeit verlieren und genau dem unterlag Axel. Er hatte keine Ahnung, ob es Tag war oder Nacht, denn hier unten war es immer gleichermaßen dunkel. Er wollte endlich wieder aufstehen und sich an die lange Tafel hinter ihm setzen. Er wurde schon ganz versteift und seine Schultern schmerzten. Verwundert drehte Axel seinen Kopf ein klein wenig nach rechts. Kam es ihn so vor oder wurde es noch kälter hier unten? Es brauchte nun seine ganze Willenskraft um nicht zu zittern. Wann war das hier endlich zu Ende? So allmählich verlor er die Geduld, doch seine ruhige Fassade nach außen hin blieb weiterhin ruhig und gelassen. Sie zeigte Treue und Loyalität. „Erhebe dich, Axel Ginsum!“, forderte die tief grollende Stimme Axel auf. Erleichtert atmete Axel auf und gehorchte. Er stand auf, hielt aber weiterhin den Kopf gesenkt. Seine linke Hand ruhte auf der Schwertscheide von Horan und Axel sah seinem Gegenüber nicht in die Augen. Seine Schultern waren ganz verspannt, also hockte er schon einige Zeit hier unten. „Mein Herr...“, sprach Axel unterwürfig. „Du hast es weit gebracht, mein Junge, und als ein erfahrener Kämpfer erwiesen. Es ist nur gerecht, dass du nun Anführer meiner schwarzen Gerade wirst.“ Die roten Augen von Dragos blitzten amüsiert auf. Axel verneigte sich mit seinem Haupt, hielt aber den Kopf weiterhin gesenkt. „Vielen Dank, mein Herr.“ Es war deutlich zu spüren, dass sich Axel seiner Sache nicht ganz sicher war. Die schwarzen Ritter, die sich bisher dezent im Hintergrund gehalten hatten, warfen sich fragende Blicke zu. Keiner wusste, wieso dieser Pimpf als ihr Anführer auserkoren wurde und es würde einige Zeit dauern, bis sie ihn akzeptieren. „Versprichst du mir Loyalität und Treue und dass du jeden Befehl von mir ohne Widerrede ausführst?“, fragte Dragos mit sanfter, aber bestimmend kalter Stimme. Axel verbeugte sich abermals, doch seine Augen waren noch nicht ganz überzeugt. Er wusste nicht, wieso sich sein Unterbewusstsein sträubte, aber das würde sich schon mit der Zeit legen. Die Gründe von Dragos waren aus der Sicht seines Verstandes ehrenhaft und von den Bewohnern missverstanden. Er wollte doch nur den Planeten retten. „Das gelobe ich, Herr. Ihr könnt auf mich zählen, ehrenwerter Dragos.“, gelobte Axel und neigte erneut sein Haupt. Verwundertes Gemurmel ging durch die Reihe der schwarzen, die damit nun einen neuen Anführer hatten. Das gefiel ihnen sichtlich nicht, vor allem, weil er so viel jünger als sie selbst war. Wie konnten sie denn vor so einem Wicht Respekt haben? Vor allem Attila, der ein hünenhaftes Aussehen hatte, mit seinen klobigen Gesichtszügen und den schwarzen Schweinsaugen, gefiel das sichtlich überhaupt nicht. „Hast du irgendwelche Einwände, Attila?“, fragte Axel gefährlich ruhig und wandte seinen kalten Blick zu dem ehemaligen Anführer der schwarzen Gerade, gerade so, als hätte er die negative Stimmung bemerkt. Zornig sahen die schwarzen Augen ihn an und der Blick war stechend, doch waren die Augen von den buschigen schwarzen Brauen fast vollkommen bedeckt. Verärgert starrte der klobige Kerl den Jungen an und versuchte ihn einzuschüchtern, doch dem Jungen mit den rotem Haar war das völlig egal. Er begegnete diesem Blick mit kühler Gelassenheit und ließ sich nicht provozieren. Das war einer der Gründe, warum er es unter Dragos Anleitung soweit gebracht hatte. Attila knurrte und löste sich aus dem Schatten. Mit schweren Schritten stapfte er auf Axel zu und betrachtete ihn von oben. Axel blickte hoch und hob eine Augenbraue. Dass er gerade eigentlich in einer unterlegenen Position war, war ihm offensichtlich gar nicht bewusst oder er überspiele es gekonnt. „Ja, nämlich dass du kleines Früchtchen unser Anführer bist!“, knurrte der Hunne. Axel schnippte gegen sein Kinn, sodass Attila den Kopf wegziehen musste. „Geh aus meinem Feld raus. Du verpestet meine Luft, ist ja widerlich.“, konterte Axel und blickte den Hunnen herablassend an. Er spiegelte kühle Gelassenheit wieder. „Du miese, kleine Ratte...“ „Ui, bessere Beschimpfungen hast du nicht drauf, Attila? Du weißt genau, wer von uns beiden stärker ist. Warum also sich unnötig in Gefahr begeben?“ Axel blickte seinen neuen Untergebenen keck an und grinst hämisch. Attila brodelte vor Wut, besann sich dann aber des besseren und verneigte sich etwas zu tief. „Verzeiht mein Frevel, Meister Axel. Ich weiß auch nicht, was mit mir durchgegangen ist.“, entschuldigte sich Attila, doch seine Augen schworen Rachen. Axel interessierte das nicht. Dragos lachte über die Auseinandersetzung. Stolz auf Axel glimmte in seinen roten Augen und er warf sich in die Brust. Man konnte lesen, was er dachte: „Der geborene Kommandant.“ „Bist du bereit für deine erste Aufgabe, Kommandant Axel?“ Mit seiner barschen Stimme sorgte Dragos sofort wieder für Ruhe. Axel wandte sich wieder zu seinem Meister um und blickte ihn erwartungsvoll an. Seine Augen glimmten voller Tatendrang. Attila verdrehte die Augen und kehrte zu seinem Kameraden zurück, die mit finsteren Blicken zu Axel hinüberstarren. „Ich bin immer bereit.“, erklärte er und verbeugte sich. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Du wirst mir eine Gefangene holen, mehr nicht. Danach könnt ihr richtig auf Streife gehen.“ „Klingt interessant, mein Herr.“ Damit wandte sich Axel ab und verschwand in Richtung Kerkern. Er spürte die Blicken von Attila in seinen Rücken. Den würde er noch im Auge behalten. Axel war hier in der dunklen Festung ein Einzelgänger, der Niemanden vertrauen konnte. Aber er würde kämpfen und sich den nötigen Respekt verschaffen. Dieser Attila konnte ihn mal. Schreie drangen durch den Gang des Kerkers und Axel konnte sich nicht helfen, irgendwie kratzte dieser Ort an seinen Erinnerungen, fast so, als wäre er hier schon einmal gewesen, doch er war sich ganz sicher, dass er hier noch nie war. Ihm wurde ganz klamm und er zitterte. Er setzte den Helm auf, damit man sein verängstigtes Gesicht nicht sah. Er wollte ein selbstbewusstes Auftreten erzeugen. Die Fackeln warfen ein schwaches Licht an die Backsteinmauern an denen Blut klebt. Ein Schauder lief an seinem Rücken hinab und seine Rüstung klapperte. Unbewusst krallte sich seine Hand fester in Horans Scheide. Die Schreie wurden immer lauter mit jedem Schritt, den er in den Kerker herabstieg. Sein Herz trommelte immer schneller und merkwürdiger Weise begann seine Narbe auf dem Rücken zu pochen. Der Junge griff an seinen Rücken und schloss kurz die Augen vor Schmerz. Wie Blitze zuckten schattenhafte Bilder vor seinen Augen und ihm wurde übel. Was waren das für Bilder und wieso verfolgten sie ihn ständig? Er hatte keine Ahnung, was für Erinnerungen es waren. Stark keuchend lehnt der Jugendliche wie nach einen Anfall an einer Wand und zittert stark. Diese Bilder waren nicht zum ersten Mal aufgetaucht. Aber nun ignorierte Axel das und setzte seinen Weg fort. Seine Schritte hallten von der niedrigen Decke wieder und verkündeten ihn schon in Voraus. So war es nicht weiter verwunderlich, dass der Wächter ihm bereits den Weg versperrte. Seine Axt gleißte im Fackellicht auf und die Augen lagen im Schatten des Helmes. Er schlug mit dem Stock, auf dem das Beil hing, auf den Boden und fragte mit durchdringender Stimme: „Wer da?“ Axel lächelte und trat ins Licht. „Gierfried! Du bist also heute mit Wache dran?“ Axel freute sich. Gierfried mochte er von allen hier am meisten. Er war ein netter Kerl, der auf Grund seines massigen Aussehens oft missverstanden wird. „Axel! Sieh mal einer an!“ Er blickte an den Jungen auf und ab. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht und seine versteckten Augen blitzten verschmitzt auf. „Wie es aussieht hast du es also endlich geschafft.“, lobte der Wächter zu den Katakomben und klopfte dem Jungen brüderlich auf die Schulter, der deswegen fast zusammenbrach. Axel lächelte trotzdem und zwinkerte. „Ja, sicher doch. Denkste ernsthaft ich lasse mich weiterhin von Attila rumkommandieren? Nie im Leben!“, lachte der Feuerhaarjunge und strich sich hochnäsig durchs Haar. Es war eine Anspielung auf Attila, der sich für den schönsten hielt, in Wirklichkeit einfach abstoßend aussah. „Mir war von Anfang an klar, dass du nicht lange ein Knappe bleibst. Dein Kampfstil ist einfach viel zu gut dafür!“ Gierfried erkannte den Schatten, der für einen kurzen Moment über Axels Augen flog und warf einen Blick in den Gang, wo gerade der Henker, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, in die nächste Zelle marschierte. „Oh man, Hank ist aber heute ganz schön beschäftigt.“ „Er kommt mir schon wie ein Roboter vor!“, sagte Axel und beobachtete den Henker, der sie bemerkte und ihm einen wütenden, hasserfüllten Blick zuwarf. Axel zuckte kaum merklich zusammen und zog die Brauen herunter. Dieses Verhalten ihm gegenüber kam ihm merkwürdig vor. „Was hat er bloß? Warum starrt er mich immer so an? Das kann einem ja richtig das Grauen lehren.“, flüsterte Axel Gierfried zu und behielt den Henker weiterhin im Auge. Die Fackeln knisterten in seinen Ohren und seine Augen wollten sich von ihm nicht lösen. „Keine Ahnung. Ich glaube er mag Niemanden so wirklich.“, nuschelte Gierfried und blickte zu Boden. Axel hob eine Braue. Der Wächter schien mehr zu wissen, als er momentan zugab. Das war ihm deutlich anzusehen, aber Axel beschloss es gut sein zu lassen und wandte den Blick ab. „Ich soll Karana zu Meister Dragos bringen. Kannst du mir sagen, wo sie ist?“, sprach Axel ruhig, aber er hatte sich noch immer nicht so ganz daran gewöhnt. Er war nicht durch und durch böse wie die anderen und er war auch nicht völlig gefühlskalt. Die Leute hier unten taten ihm leid. Sie waren dünn, ausgemergelt und ohne jegliche Hoffnung. Die Jämmerlichkeit in Person, die von den Verbündeten von Dragos als das Letzte auf Erden. Axel verabscheute diese Haltung, aber er überspielte das um hier nicht in Ungnade zu fallen. „Die Wasserelfe? Was will Dragos denn von der? Na ja, egal...im Gang ganz hinten rechts!“ Axel schauderte. Von dieser Zelle hatte er schon gehört. Denjenigen, der darin gefangen hielt, war ein qualvolles Ende vorherbestimmt. Wieder zuckten die Bilder vor Axels auf und ab und er taumelte. Er rutschte zu Boden und riss den Weinkelch, der auf dem Tisch des Wächters stand, zu Boden. Stöhnend brach Axel zusammen und schlug mit dem Kopf gegen die Wand. „Axel!“, rief Gierfried erschrocken, doch Axel reagierte nicht mehr auf sein Reden. Einige Zeit später wachte er auf. Seine Augen schienen zu brennen und ein Rauschen klang in seinen Ohren. Axel blinzelte noch einige Male und setzte sich dann auf. So langsam verklang das Rauschen in seinen Ohren und auch seine Sicht wurde wieder scharf. Benommen schüttelte er den Kopf und der verwesende Gestank des Kerkers drang wieder in seine Nase, die deshalb brannte. Er rümpfte die Nase und richtete sich wieder auf. „Alles bei dir in Ordnung, Axel?“ Fragte Gierfried, der ihn stütze. „Ja...ja, alles in Ordnung.“, erwiderte Axel hastig und winkte ab. Sofort stand er wieder auf und drehte kurz mit dem Arm. Ok, war noch alles in Ordnung. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht und zupfte seine Kleidung zu Recht. Für einen kurzen Moment noch waren seine Augen glasig, doch dann wurden sie wieder wach und intelligent. „Bist du sicher?“ „Ja, doch!“, entgegnete Axel etwas ruppig und befreite sich aus der Stütze von Gierfried. „Kein Grund gleich pampig zu werden!“, knurrte der Wachmann und machte sich wieder an seine eigene Arbeit. Die Feder kratzte über das Pergament und der Wächter würdigte Axel keines Blickes mehr. Dieser seufzte, holte noch einmal tief Luft und setzte seinen Weg durch den Kerkerganz fort. Überall waren Gitter, die die Zellen versperrten und von Fackeln ins schwache Licht getaucht wurde. Überall hörte Axel Gewimmer und Gestöhne. Es schauderte ihm und er beschleunigte seine Schritte. Unruhig flogen seine Augen hin und her. Ketten klirrten und Knochen knackten, was ihn noch mehr zittern ließ. Man hörte das Knarren der Streckbank und er spürte, wie ihm übel wurde. Verstohlen hielt er die Hand vorm Mund und würgte kurz. Er taumelte von dem Schwefelgeruch hier unten. Er wollte es schnellstmöglich hinter sich bringen um raus aus dieser schrecklichen Luft verschwinden. Er trat in die hinterste Zelle und die Zelle quietschte, als er sie öffnete. Hank, der große Henker, ließ von einer blondhaarigen Elfe ab. Sie war völlig am Ende und kauerte sich in die Ecke. Ihre Kleidung war zerrissen und sie blutete überall. Sie schien das linke Bein gebrochen zu haben und wimmerte wie ein verletztes Tier. „Was willst du hier?“, zischte Hank wie eine angriffslustige Kobra. Wieder zuckten die Bilder vor Axels Augen. Er war hier schon mal, das wurde ihm schlagartig bewusst. Aber wann und wieso? Seine Hand klammerte sich in das Eisen der Zelle und er musste sich zusammenreißen, damit ihn nicht schon wieder seine Kräfte verließen. Als seine Augen tränten, stellte er fest, das etwas Weißfarbiges um ihren Körper flackerte, wie eine Geisteraura. „Was ist mit deinen Augen?“ Axel blinzelte verwirrt und die Farben kehrten zurück. Kurz schüttelte er den Kopf und blickte verwirrt drein, doch dann wurde sein Blick wieder überheblich, was man hier brauchte um respektiert zu werden. „Was soll damit sein? Du hast Halluzinationen!“, gab er eisig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Hank trat noch einmal nach der Elfe und baute sich dann drohenden vor Axel. Der Junge schnaubte missachten und starrte ihn wütend in die Augen. Die beiden trugen eine Art Wettbewerb aus und Axel war der Gewinner. Hank trat zurück und musterte den Jungen von oben. „Die waren rot!“, erklärte der Henker und fuhr liebevoll über sein Beil. „Rot? Du hast echt Halluzinationen!“, höhnte Axel und feixte. Wenn sich der neue Herr der schwarzen Gerade nicht täuschte, dann wurde der Henker leicht rot. Das gefiel ihm. Er konnte ihn nicht leiden, der ohne sein Gehirn zu benutzen rohe Gewalt anwendete. Das widerte ihn an. Er musste ihn loswerden und zwar schnell. Aber irgendwie kam ihn das bekannt vor. Was war bloß los? „Also, was willst du? Wieso störst du meine Arbeit, du Streber?“ „Oh, versuchen wir verletzend zu werden? Daran musst du aber noch üben.“ Axel ging nun endgültig in die Zelle und kickte einen Knochen aus dem Weg. Überall war Rattenkot und es stank entsetzlich. Axels Magen stülpte sich um. Er stießt gegen Hanks Brust und sah in mit all seiner Macht in den Augen an. Hank schluckte hörbar und wich zurück. „Ich soll Karana zu Dragos bringen und zwar sofort!“, betonte Axel schneidend und fletschte kurz die Zähnen. Warnend knackte er mit den Händen und der Henker wurde blass. Es war bekannt, dass Axel der beste Kämpfer hier war und nicht mit ihm anlegen sollte. Hank hing auch an seinen Leben. „Also mach den Abgang!“, knurrte Axel und strich über Horan. Sofort, und tief verbeugt, ging der Henker aus der Zelle. Er hatte den Machtkampf verloren. Axel war der Einflussreichere und hatte die meiste Macht von ihm beiden. Er verwendete nicht gerne Gewalt. Meistens reichten ihn Worte um zu siegen. Er löste sich von seiner Siegesfreude und trat auf die Elfe zu, die völlig geistesabwesend wirkte. Axel richtete noch einmal seine Frisur und hockte sich vor ihn. Die Augen der Elfe waren von glasigem Blau, was echt schön aussah. Für einen kurzen Moment verlor sich Axel an ihrer schönen Gestalt, doch etwas in ihm verpasste ihn eine Ohrfeige. Er zuckte und sprach sie an. Die Elfe zuckte, schloss und öffnete dann wieder die Augen. „Was willst du, Attila?“, schrie sie entsetzt und wich zurück. Sie kauerte sich an die Wand und zitterte. Axel fiel ein, dass er jetzt aussah, wie der Hunne, da er die Rüstung des Anführers der Garde trug. Vorsichtig nahm er den Helm ab und schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht Attila!“ Die Augen der Elfe strahlten freudig und sie warf sich Axel um den Hals. „Shinsara Axel, du bist gekommen! Du bist gekommen und dein Versprechen zu halten!“, weinte sie. Axel blickte verdutzt drein. „Häh?“ Kapitel 20: Der Raizon ---------------------- 20. Kapitel: Melanie und Canzor Der Raizon Ein Sturm zog auf. Dunkle Wolken verschluckten jegliches Tageslicht. Alles lag in einem dunklen Schatten verborgen, als duckte es sich zum Angriff. Ein kräftiger Flügelschlag von dem Elementdrachen durchtrennte die wild tobenden Luftströme. Der schlanke, aber kräftige Körper wurde vom Wind hin und her geworfen und überschlug sich des Öfteren, wenn ihn eine Böe packte und ihn auf dem Rücken warf. Canzors Kräfte waren fast komplett aufgebraucht, doch er musste durchhalten. Die Sorgen um seine Freundin waren viel zu groß, er durfte nicht aufgeben. Unter den weißen Schuppen erstreckte sich ein flaches Tal, von Felsen und Bergen umschlossen. Ein dichter Wald, der von oben wie ein Teppich wirkte, floss unter dem Drachen daher und östlich davon lag ein dunkelblauer See, der leichte Wellen schlug. Dieser See war für die unvorhersehbaren Windstöße verantwortlich. Die schwefelgelben Augen von Canzor glitten über den Wald und versuchten die Shurana zu finden. Melanie fiel fast zu Boden, so schnell zog Axel sie hinter sich her. Der Boden unter ihren Füßen war weich und schlammig, sodass er kaum Halt gab. Das Laub und Geäst knackten laut, wenn sie auf sie trat, doch Axel machte kein einziges Geräusch. Schon sehr eigenartig. Leise war er ja schon immer gewesen, aber das war schlicht ungewöhnlich. Sie hob skeptisch die Augenbrauen und verlangsamte ihr Tempo. Der rothaarige Junge blieb verwundert stehen und drehte sich um. Für einen kurzen Moment schienen die Umrisse wie bei einem Schemen zu flackern. Melanie stutzte und kniff die Augen zusammen. Hatte sich das nur eingebildet? „Was hast du?“, fragte der Junge, den sie so sehr liebte, mit samtiger Stimme. Es war dunkel und nur ein leichter, feuriger Schein fiel durch das Laub und tauche den Wald in eine romantische Stimmung. „Was ist los mit dir?“, beantwortete sie seine Frage mit einer Gegenfrage. Verwundert blickte Axel sie an und legte den Kopf schief. Sein Mantel bauschte sich um seine Beine und ein Vogel flog vor ihm davon. Aber es wehte doch gar kein Wind. Das ungute Gefühl, was in Melanie pochte, seit sie mit ihm davon gegangen war, wurde immer stärker. Ihre Intuition sagte ihr, dass hier etwas nicht stimmte und zwar gar nicht. Dennoch freute sich ihr Herz so sehr, dass sie dieses Gefühl ignorierte, obwohl ihr Verstand misstrauisch blieb. Ein bisschen näher trat der Shinsara an sie heran, doch Melanie rührte sich nicht. „Antworte mir!“, sagte sie nun etwas barscher. „Was meinst du überhaupt? Ich verstehe dich nicht!“ Die Verwirrung war Axel deutlich anzusehen. Seine smaragdgrünen Augen waren groß, die geschwungenen Augenbrauen gehoben, aber da war etwas, was in diesem Gesicht fehlte. Melanie betrachtete ihn genau und dann entdeckte sie es. Wenn Axel wirklich die ganze Zeit im Kerker von Dragos geschmort hatte, wieso war dann seine Haut wie immer makellos? Wo waren die Wunden? Wo der Dreck? Wieso trug er noch seine alten Klamotten? Wieso waren sie sauber und ohne jegliche Risse oder Ähnliches. Das ergab doch keinen Sinn. Was für ein Spiel wurde hier gespielt? Das musste sie nun geschickt herausfinden. Auch wenn ihr Verstand nun diese Erkenntnis gewonnen hatte, so wollte sie sie nicht wahrhaben. Es war, als zwinge ein Zauber oder Fluch die junge Frau zu glauben, dass das Wesen vor ihr, ihr geliebter Axel war. „Ach nichts...“ Gab ihr Verstand nach und sie sah zu Boden. Immer weiter liefen die Zwei durch den Wald und so allmählich gewöhnten sich die hellgrünen Augen endlich an die Lichtverhältnisse. Der Boden unter ihr war von einer leichten Laubschicht der hereinkommenden Padra verzogen. Es war wie ein bunter Teppich. Dennoch war es viel zu still in diesem abgelegen Wald, abgeschirmt von allem um ihr herum. Keine Tiere waren zu sehen und selbst kein Lüftchen wehte. Nun blieb Axel stehen und reckte den Kopf zum Himmel. Das schwache Licht, welches es durch die dichte Laubpracht schaffte, ließ Axels Haar ganz besonders flimmern. Seine Augen waren geschlossen und eine Hand ruhte an seiner Hüfte. Das sah nun doch nach Axel aus. Melanies Blick wurde ganz verträumt. Wie schön ihr Freund doch war. Diese schlanke, aber muskulöse Figur, das schöne, schmale Gesicht, welches schon fast einem Elfen glich. Sie seufzte. Nun drehte Axel den Kopf und sah sie nun aus weißen Augen an. Dann ging alles so schnell, dass Melanie nicht mal mehr Zeit zum Atmen blieb. Die straffen Muskeln in dem Körper des Jungen strafften sich, er wirbelte herum, stürzte sich auf sie und warf sie zu Boden. Mit harter Wucht knallte Melanie auf eine Wurzel. Für einen kurzen Moment wurde alles schwarz und die Luft blieb aus. Ihr Herz schien gegen den Brustkorb zu fliegen. Dann lag Axel auf ihr und sah sie mit einen seltsamen Blick an, den das schwarzhaarige Mädchen noch nie an ihm gesehen hatte. Ihr Herz raste plötzlich schneller, sie wurde rot und ihr Atem wurde flach. Was ging nur vor in ihrem Körper? Die großen Hände des Rothaarigen machten sich an der Kleidung des Mädchen zu schaffen und begannen sie zu öffnen, während er ihren Hals begierig leckte. Melanie wusste nicht, wie ihr geschah, aber sie musste stöhnen und war ganz in Axels Gewalt. Der Sturm wurde immer schlimmer. Mittlerweile hatte Canzor erkannt, dass dieser Sturm nicht natürlichen Ursprungs war, dafür kamen die Luftstöße zu gezielt. Jedes Mal trafen sie ihn genauso, dass es ihn aus der Bahn warf. Also hatte der weiße Drache beschlossen, dass er besser auf einer Klippen landen sollte. Nun strebte er die nächste Erhöhnung an, spannte seine Schwingen und landete auf ihr. Ein Raizon war aufgetaucht. Die rubinroten, dämonisch blitzenden Augen durchsuchten Canzor. Dieser schluckte heftig und verlor für einen kurzen Moment die Fassung. Eine scharfe Klinge aus Wind zersprengte ein paar von Canzors Schuppen und der Drache kniff die Augen zusammen. Ein brennender Schmerz durchflutete den Körper des Elementardrachen. „Eindringling!“, zischte der Bote des Donners drohend. Der mächtige Körper der gelben Schlange schien den gesamten Himmel zu bedecken. Überall, egal, wo man hinsah, man sah den sich schlängelnden Körper. Die Donnerschlange öffnete ihr Maul und spie eine gigantische Druckwelle aus. Der Felsen unter den scharfen Klauen von Canzor zersprang und der Drache wurde unkontrollierbar nach hinten geschleudert. Rasend schnell wirbelte er vertikal und horizontal um die eigene Achse und knallte mit dem Rücken gegen einen Felsen. Es donnerte laut, als er gegen die Felsen schlug und Gesteinsbrocken fielen hinab. Wie starr vom Aufprall hing der weiße Drache in der Luft und stieß ein schmerzerfülltes Brüllen aus. Er fiel gen Boden und konnte sich gerade noch fangen, bevor er auf einen spitzen Felsen aufgespießt endete. Mit kräftigen Schlägen trugen die Schwingen den schweren Körper wieder nach oben. Canzors Körper ging hoch und runter und er sah den Raizon starr in die Augen. Dass sein linker Flügel schmerzte, überspielte er. Er durfte keine Schwäche zeigen, sonst würde der Raizon ihn zerfleischen. Dieser Kampf musste zu seinen Gunsten enden, sonst würde mit Melanie etwas Furchtbares passieren und sie trug immerhin die Hoffnung von ganz Mythna auf ihren Schultern. Nein! Verlieren war unmöglich. Er musste einfach gewinnen! Er muss! Doch er war sich seiner Sache nicht so sicher. Würde er in seinem Zustand überhaupt eine Chance haben? Nein! So durfte er erst gar nicht denken! Das würde nur alles verderben. Noch einmal kurz schüttelte Canzor seinen Kopf, damit die Benommenheit endlich aus seinem Gedanken verschwand und er wieder klar denken konnte. Dann hatte er sich gefangen und sah zum von schwarzen Gewitterwolken überladenen Himmel. Es schien, als würde sich jede einzelne Wolke, die sich hier weit und breit befand, nun hinter Raizon sammeln und von diesem zu einer Gewitterwolke verwandelt werden. Eine große Front befand sich bereits zur Verteidigung hinter der Donnerschlange. Schlagartig wurde die Luft kälter und der Wind forscher. Nun bekam einer der letzten Drachen auf Mythna arge Probleme sich in der Luft halbwegs ordentlich zu halten. „Das ist mein Gebiet! Dies ist das heilige Reich des Donners. Wer wagt es dort einzudringen?“, schrie der Raizon wutentbrannt. Seine Stimme jagte durch die Schluchten und zertrümmerte die Felsen. Der Elementardrache kniff die Augen zusammen und versuchte das Schmerzen in seinem Hörsinn zu ignorieren, doch es betäubte seinen Gleichgewichtssinn und so konnte er einer weiteren Sturmböe nicht mehr ausweichen. Erneut schlug der weiße Schuppenkörper gegen eine Felswand. Das Geröll löste sich von dem Gebirge und stürzte in die unendlich erscheinende Schlucht und verschwand im ewigen Nichts. Diesmal konnte der Elementdrache sich schneller aufrappeln. Mit einer eleganten Bewegung, soweit sein ausgebrannter Körper es zuließ, landete er aus einem Felsvorsprung und hob den Kopf stolz in die Luft und ließ ein majestätisches, wild klingendes Grollen hören. Der Schall verbreitete sich überall, floh durch die Spalten zwischen den Gebirgsketten und erfüllte das gesamte Tal, sodass die Geschöpfe überall innehielten und in verschiedene Richtungen blickten, da es aus jeder Ecke zukommen schien. Mit stolzer Erhabenheit blickte der Drache seinen Gegner abschätzig an. Ein wildes Feuer brannte in seinen Augen und schüchterte den Boten des Donners damit ein. Der Raizon erstarrte und war verängstigt. Er fragte sich offensichtlich, wer dieses Wesen war. Der endloslange Schlangenleib hielt inne. Das war Canzors Chance und wahrscheinlich auch seine Letzte. Der Raizon war mächtig, zweifellos eines der mächtigsten Drachenwesen, doch normalerweise war Canzor wesentlich mächtiger und ihm überlegen, aber der Drache hatte fast seine gesamte Kraft bei ihren Forschungsreisen verbraucht. Nun befand er sich in einer wahrhaftig schlechten Position in diesem Kampf. Also musste er seine Chance nutzen und alles auf eine Karte setzen. Er nutzte die plötzliche Windstille um schnell auf die Donnerschlange zuzufliegen. Der Drache war kleiner und somit schneller und wendiger. Gekonnt wich er den Hindernissen des Gebirges aus. Nun war der Leib der Schlange direkt vor ihm und Canzor landete auf ihm. Verwundert wandte sich der Raizon ihm zu, doch Canzor ließ ihm keine Zeit darüber nachzudenken, was er vorhatte. So würde dieser nur kontern! Ausgeschlossen. Ruckartig stieß der weiße Drache seine Klauen in den weichen Bauch der Schlange und verbiss sich in dem Körper. Kurze Zeit reagierte der Herrscher des heiligen Donnerreiches nicht, doch dann schrie er schmerzerfüllt auf und versuchte den lästigen Drachen loszuwerden. Canzor hingegen ließ nicht locker. Er war wild entschlossen diesen Kampf zu gewinnen, egal um welchen Preis. Der Schwachpunkt war, wie bei fast allen Arten der Familie der Drachen, der weiche Bauch. Noch tiefer schlug er seine Krallen in den weichen Bauch, aus dem nun das warme Blut floss und seine Klauen befleckten. Der lange Schwanz des Boten des Donners schlug immer wieder verzweifelt auf Canzors Schädel nieder. Dieser ließ jedoch nicht los, sonder hielt sich eisern auf den sich windenden Körper fest. Sein Kopf schmerzte und er hatte das Gefühl, dass er gleich zerbrechen würde und er konnte kaum denken, dennoch hielt er sich tapfer fest. Der Raizon legte nun aber noch mehr Kraft in seine Schläge, sodass Canzor qualvoll aufschrie. Dies nutzte die Donnerschlange um sich einmal um 180° zu drehen. Die Schwerkraft wurde zu stark für den Luftdrachen und so musste er notgedrungen loslassen. Nun standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber. Misstrauisch beäugten sie einander und wartete darauf, dass einer den ersten Zug machte. Die Luft war von hitziger Spannung erfüllt und Blitze durchschnitten sie. Sekunden, die wie Minuten für beide erschienen, vergingen, wo die beiden sich nur beobachteten und umkreisen. Beide keuchten schwer vor Anstrengung. Der Raizon blutete aus zwei tiefen Wunden am Bauch und Canzors verloren gegangen Schuppen boten ein gutes Ziel. Die Flügel des Luftdrachen wurden immer schwerer. Er fühlte sich unendlich müde...und doch wurde er immer nervöser. Ihm lief die Zeit davon, dennoch wurde ihm kein Fehler passieren, sonst bedeutete das seinen Tod. Was hier gerade lief war ein Willenskampf. Wer würde als Erstes die Nerven verlieren und der Sprössling der sieben Himmelsdrachen war nicht gewillt ihn zu verlieren. Denn eben dies war sein Fehler gewesen und hatte das Leben seiner Lehrmeister gekostet. Er war einfach zu temperamentvoll gewesen und war es bis heute noch. Würde er den gleichen Fehler begehen wie damals, dann würde es seiner Freundin Melanie das Leben kosten, wie seiner Familie damals, und das würde er nicht zulassen! Auf keinen Fall! Und er gewann auch den Kampf. Der Raizon wurde ungeduldig und startete einen weiteren Angriff mit der Luft. Blitzschnell änderte Canzor seine Schuppenfarbe von schneeweiß nach strahlendrot. Feurig spielte die Farbe auf den Schuppenkleid. Ein Feuerball stieß er aus seinem Mund und wehrte so den Luftangriff ab. Kurz schnappte Canzor nach Luft. Seine Energie war fast komplett verbraucht. Was konnte er nur tun? Wie konnte er doch noch gewinnen? Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Wenn ihm nicht schnell was einfiel, dann konnte er sich von seinem Leben verabschieden und dann hätte er den Schwur, den er Gaaran gegeben hatte, gebrochen. Das brachte er nicht über sich. Dafür hing er zu sehr an dem Jungen. Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihm allerdings nicht. Der Raizon starrte einen erneuten Angriff. Dieser bestand dieses Mal aus einer Salve von heftigen Blitzen. Canzor schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Bewegungen der Luft. So schaffte er es jedem einzelnen Blitz zu entkommen und sich dabei noch der gelben Schlange zu nähern. Geschickt die Strömungen der Luft ausnutzend, flog Canzor über die erste Windung des Leibes hinweg und tauchte durch einen Zwischenraum des Körpers. Doch die mächtige Schlange hatte dazugelernt. Stacheln wuchsen nun aus dem Schwachpunkt und somit hatte der Elementdrache keine Chance sich dort zu verkrallen. Schon sauste mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit ein perfekt gezielter Luftstoß auf den Rubindrachen zu. Diesem blieb überhaupt keine Zeit zum Reagieren und so wurde er von den Stacheln aufgeschlitzt. Canzor schrie vor Schmerz auf. Jede Faser in seinem Körper schien zu brennen und seine Flügel waren wie aus Blei. Blut strömte aus den vielen Fleischwunden und raubte ihm die Kraft. Hilflos fiel der Drache... Immer und Immer tiefer versank er in der Schluckt. Seine Sinne waren wie benebelt, sein gesamter Körper taub. Er hatte einfach nicht mehr die Kraft zu fliegen, da würde es auch nicht, wenn er sich in den Gesandten des Nordwindes verwandeln würde. Es war aus. Seine Verletzungen waren zu stark. Die Sehne in seinem linken Vorderbein war durchtrennt worden, sodass er es nicht mehr richtig benutzen konnte. Scharlachrote Blutstropfen flossen aus dem vielen Schnittwunden in dem gepanzerten Körper und fielen wie roter Schnee in die Schlucht. Über sich hörte Canzor das donnernde Lachen des Raizon. Er wusste genau, dass er über den Elementdrachen gesiegt hatte und damit hatte er Recht. Offensichtlich erfüllte es den Sieger mit Stolz. Aber das war Canzor egal... Er hatte sich aufgegeben und damit abgefunden zu sterben. Es war aus...das Nichts begann ihn zu verschlingen und sein Geist verschwand. Alles vorbei...er hatte versagt...wie immer. Es konnten nur einige Sekunden vergangen sein, doch Canzor kam es vor wie eine unendliche Ewigkeit, als er plötzlich ein seltsames Geräusch hörte. Mit letzter Willenskraft hob der dem Tode geweihte Drache seinen Kopf. Das Geräusch kam ihm bekannt vor. Es war ein dumpfes, donnerndes...schwerfällig dachte er nach. Es war wie...wie...der Drache kram einfach nicht darauf. Da sprang eine Gestalt über ihm von einer Seite der Schlucht, zur anderen. Mit einem „Klack, Klack“ landete sie auf dem Felsvorsprung und sprang mit rasender Geschwindigkeit hoch zum Nächsten. Starfire brannte auf Canzors Netzhaut, sodass er nicht viel erkennen konnte. Verwirrung machte sich breit. Wer konnte das sein? Nicht viele kannten den Ort weit versteckt über dem dichten Wolkenteppich. Der von zehn riesigen Berggipfeln eingeschlossen wurde. Selbst Canzor hatte vergessen, dass das der geweihte Ort des Raishi, des Donners, war. Hier war die Zuflucht aller Wesen des Donners, die ihre Heimat verloren hatte und nun nach Asyl suchten. Der Raizon war der strenge Hüter dieses heiligen Ortes. Eigentlich war die Schlange nicht böse, aber sie duldete nur Wesen der Kategorie Donner und dazu gehörten weder Melanie noch Canzor. Die beiden Reisenden waren nur an diesem Ort gelandet, weil sie hier etwas über das Luftschwert Tarensa zu erfahren hofften. Wer also konnte von diesem Ort wissen? Nur mächtige Wesen kannte die vier heiligen Zufluchten: Sharu, Wasser; Sei, Erde; Horano, Feuer; Kazai, Luft; und Raisoshi, Donner. Beim nächsten Sprung der Gestalt erkannte Canzor, dass es vier Beine hatte, der Körper eines Pferdes und der Umriss des Oberkörpers des einen kräftigen Mannes war. Etwas Zuversicht machte sich in Canzor breit und er schaffte es seinen Fall zu stoppen. Zentauren waren Diener des Lichtes und waren somit auf seiner Seite.Vielleicht hatten sie gemeinsam ja eine Chance den Raizon zu besiegen. Zusammen! Doch die Hochstimmung schwand, als Canzor feststellte, dass der Zentaur nicht weiter hochkam. Von einer Seite der zerklüfteten Schlucht bis zur nächsten waren es gut 100m. Das schafften selbst die kräftigen Beine des Pferdemenschen. Der neue Verbündete des Elementdrachen verharrte und neigte nachdenklich den Kopf. Doch was war mit dem Raizon? Hatte er seinen neuen Freund bemerkt? Die Angst zitterte in Canzor ausgebrannt Körper. Es war seine einzige Chance, wenn der Raizon den Zentaur entdeckte, dann hieß es endgültig Gute Nacht. Mit einem hastigen Blick nach oben erkannte der Drache, dass der Bote des Donners zu siegessicher war, um sich um das Geschehen in der Schlucht zukümmern. Sehr gut. Da gab ihnen eine Chance. Wenn er es schaffen würde seinen Körper zum Zentaur hoch zutragen, dann... Doch über das Dann musste sich der Feuerdrache zum Glück keine weiteren Gedanken machen, denn weiße Schwingen wuchsen und entfalteten sich zwischen den kräftigen Schulterblättern des menschlichen Oberkörpers. Sie spannten sich und schlugen einmal kurz. Schneeweiße Federn schwebten in die Schlucht. Das strahlende Licht von Starfire, welches nun nicht von den Wolken geschwächt wurde, ließen die Schwingen samtig wie die Flügel der Hermonen, die Boten und Dienern der Götter und vergleichbar mit den irdischen Engels, schimmern. Innerlich jubelte Canzor. Ja! Eine Feder landete auf der Schnauze des Drachens und ließ ihn niesen, doch es war ihm egal. Er wusste nun, wer sein Verbündeter war. Es gab nur einen Zentaur mit himmlischen Schwingen. Es war Parsath, der Himmelspaladin! Parsath war vor ungefähr 5000 Jahren von den drei Ursprungsgöttin mit ihrem heiligen Licht gesegnet worden. Als Dank für seine tapferen Taten im Kampf für Mythna und gegen Oranum hatte er die himmlischen Schwingen erhalten. Seit dem diente er als Führer des Windes, Bote zwischen den Völkern, Ritter des Lichts und war ein unbeugsamer Verfechter für das Gute. Aber vor allem war er einer von Canzors ältesten Vertrauten und Freunden und sein eifrigster Helfer Mythna zu bewahren und die Natur zu erhalten. Die Hoffnung durchströmte wohlig warm den Schlappen Körper von Canzor und je mehr er sich der Situation bewusst wurde, desto mehr stieg sie und somit kehrten auch seine Lebenskräfte wieder. Es fühlte sich so an, als wäre er wieder auf dem Höhepunkt seiner Kraft. Mit schnellen Schlägen flog er zu Parsath hoch, der wohl auf ihn gewartet hatten, denn er sah in seine Richtung. Jetzt, da Starfire ihn nicht mehr blendete, konnte Canzor jeden Zweifel verbannen. Es war Parsath und er hatte sich gar nicht verändert. Parsath war jünger als Canzor. Um wie viel spielte keine Rolle, denn für sie beide war die Zeit ohne Belang, da sie so gut wie unendlich alt werden konnten. Der Körper von dem Himmelspaladin entsprach dem eines Zentauren wie er im Buche stand. Sein Körper war durchtrainiert und anscheinend hatte seit ihrer letzten Bewegung noch mehr trainiert. Ein Sixpack zeichnete sich unter der zarten Haut ab. Die Arme waren ebenso wie die Schultern sehr kräftig. Um die rechte Schulter trug er einen Köcher, der aus einem Metallgerüst bestand, welches von sanft strahlendem Gold umarmt wurde. Die Zwischenräume wurden von blau gefärbten Leder ausgefüllt, welches verzieht mit goldenen Faden war, welcher mit Pfeilen mit weißen Federn gefüllt war. Parsath scharrte. Sein Pferdekörper hatte den Bau eines mächtigen Hengstes. Starke Muskeln spannten sich unter dem glatten, schwarzen Fell. Er hatte mächtige Hufe...sein gesamter Körper war zum Kämpfen ausgelegt. Parsath war eines von diesen Wesen was man nicht zum Feind haben wollte. Da passten die Flügel nicht so ganz ins Bild, obwohl es ihm etwas sehr anmutiges gab. Den Eindruck des Kriegers unterstrich auch das Schwert, was in seiner weißen Scheide an der Hüfte baumelte. Parsath schnaubte. „Hey, Canzor! Ich habe auch noch andere Werte als mein Körper. Obwohl...“, unterbrach der geflügelte Zentaur Canzor in seinen Gedanken und schnalzte mit der Zunge. „Der auch nicht zu verachten ist, da hast du Recht.“ Er lachte. Es war ein schönes Lachen. Verwirrt landete Canzor neben seinem Freund und legte den Kopf schief. Woher hatte er...ach ja! Parsath konnte ja in ihm lesen wie in einem Buch. Die alten Freunde kannten sich in und auswendig. Er hatte gemerkt, dass Canzor nur seinen Körper sah. Canzor bleckte die Zähne was einem Grinsen glich und sah Parsath nun in die Augen. In ihnen war noch immer dieser freche, jugendliche Glanz, dass der Drache mit den Feuerschuppen sich wie ein alter Knacker vorkam. Das strahlende Blau blitzte ihn vergnügt an, dennoch brannte in ihnen auch Mut und Intelligenz, was Canzor so an ihnen mochte. Die viel sagenden Augen wurden vom rabenschwarzen Haar umspielt, welches bis zum Beginn von dem Pferdeleibes herunterfiel. Ein Lächeln flog um die leicht rosafarbigen Lippen. „Da hast wohl Recht. Hast trainiert in letzter Zeit, was?“, gab Canzor betont desinteressiert zurück. Wieder lachte der Himmelspaladin und fuhr sich mit den großen, aber wahrscheinlich warmen Händen durchs Haar, sodass nun alle Haare nach hinten fielen. Die Wiedersehensfreude war so groß, dass der Raizon über ihren Köpfen ganz vergessen wurde, aber dieser beachtete sie auch nicht. „Ein bisschen...man will ja fit sein. Was man von dir nicht sagen kann, armes Canzorlein!“, grinste er und die Hand von Parsath strich mitfühlend an Canzors Wange lang. Mitleid, aber auch gespielter Hohn lag in seinen Augen. „Du würdest auch nicht besser aussehen, wenn du sechs Monate gegen Dragos Schergen allein bestehen müsstest! Apropos Dragos...weißt du was Neues?“ Der Elementdrache hoffte es so sehr. In Informationen sammeln war der Paladin absolute Spitze! Die unangefochtene Nummer Eins! Doch schon Parsaths Gesichtsausdruck trübte das Hochgefühl von Canzor. Die vorher strahlenden Gesichtszüge wurden ernst und er biss sich verbittert auf die Unterlippe. „Nein!“, sagte er verbittert. Das wurmte ihn offensichtlich sehr. Der Drache brummte aufmunternd, doch der Freund von ihm reagierte nicht. „Wenn Dragos etwas macht, dann richtig! Keine Spuren, Keine Zeugen...Nichts...als hätte das Zerstörte nie existiert.“ Die Stimme war eiskalt und voller Verachtung. Blanker Hass blitzte in den Meeresaugen. Canzor betrachtete seinen Freund mit einem langen, nachdenklichen Blick. „Dann denkst du also auch, dass wirklich Dragos dahinter steckt?“, fragte er vorsichtig. Dachte denn keiner so wie er? Glaubten sie denn alle, dass Dragos der Bösewicht war? Dass dieser gute Junge doch vom rechten Weg abgebracht worden war? Das wollte der Drache nicht glauben. Parsath warf dem Elementdrachen einen wehleidigen Blick zu. „Nein...“, flüsterte der Ritter des Himmels und senkte den Blick. „Nicht, dass so was Dragos nicht zuzutrauen wäre. Er ist ein sehr intelligenter Junge...“, setzte Parsath hastig hinterher und wurde leicht rot. Canzor lächelte. Dieser Scherz musste jetzt sein. „Das musst du als sein ehemaliger Schwertmeister ja wissen!“, neckte der Drache. „Tzzz... erinnere mich bloß nicht daran! Wahrscheinlich denke ich nur so, weil ich es nicht wahrhaben will, dass einer meiner Schüler...wohlgemerkt mein Bester... nun Mythna zerstören will!“ „Nicht nur du denkst so!“, sagte Canzor aufmunternd. Parsath sah auf und betrachtete ihn lange, dann fingen beide an zu lachen. „Und, wollen wir hier weiter quatschen oder dieser aufgeblasenen Schlange eine auf die Mütze geben?“ „Du kennst mich doch! „Also die 2. Variante!“ „Exakt!“, lachte Canzor und sah nach oben. „Er ist noch da.“, stellte der geflügelte Zentaur fest. Der Drache nickte und beäugte den Boten des Donners nachdenklich. Wie immer, wenn er aufgeregt oder nervös war, zuckte der Schwanz hin und her. „Schon einen Plan?“ „Nö. Einfach draufhauen.“, sagte Parsath trocken. Canzor drehte den Kopf zu ihm um und beäugte ihn misstrauisch. „Du? Du und keinen Plan? Du bist doch der große Stratege!“ „Der Raizon ist unberechenbar und somit ist ein Plan unmöglich!“, stellte der Bote der Götter nüchtern fest. Der Rubindrache schnaubte verärgert. „Wie immer hast du in solchen Sachen Recht.“ „Ich bin ja auch schon erprobt in Kriegführung.“ Trotz der aufmunternd gemeinten Worte, war Canzor deprimiert. Er war älter und hatte mehr erlebt, mehr Schlachten bestritten und dennoch war Parsath in solchen Sachen einfach besser. Wesentlich besser... Was konnte Canzor überhaupt richtig gut? Ihm fiel nichts ein. Nun zählte aber auch nur die Rettung von Melanie. „Also einfach draufhauen?“, fragte der Drache ungläubig. Parsath da ihn mit entschlossenen Augen an. „Und improvisieren!“ Mit diesen Worten spannte Parsath seine Flügel und flog nach oben. „Na toll!”, motzte Canzor genervt. „Das kann ja heiter werden!“ Auch er spannte nun seine Flügel und folgte seinem Freund. Kapitel 21: Verhör ------------------ 21. Kapitel: Dragos Verhör Dragos ließ sich tiefer in seinen harten Thron sinken. Schweißperlen rannen von seiner Stirn und fielen auf den schwarzen Stoff des Umhanges. Der Fluch, den er auf den Raizon gelegt hatte, verbrauchte mehr Energie als erwartet. Sein Atem ging stoßweise und es fühlte sich so an, als würde das Blut aus seinen Blutbahnen schwinden. Sein sonst schon blasser Teint war nun kreidebleich. Die Anstrengungen der letzten Tage waren ihm deutlich anzusehen. Seine Augen waren eingefallen und trübe. Rot unterlaufen waren sie und die Haut spannte sich wie ein Netz um seine Knochen. Der Herr der Dunkelheit hatte in letzter Zeit viele Zauber wirken müssen um sein Machtgebiet zu vergrößern. Nun stand schon der gesamte Osten der menschlichen Dimension unter seiner Kontrolle. Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine blutleeren Lippen, was ihnen einen Eindruck von einem Vampir verlieh. Endlich war es soweit. Den Plan, den er schon seit vielen langen, mühevollen Jahren vorbereitet hatte, nahm nun langsam Formen an. Bald schon würde er in Erfüllung gehen und dann war er der Herr über Mythna. Sowohl über die göttliche, als auch über die menschliche Ebene. Es war eine geniale Idee gewesen diese zwischen Dimensionen liegende Ebene als Versteck zu wählen. Niemand würde ihn hier finden, weder Canzor, dieser elendige Elementwurm, noch diese Frau von Mutter, aber die war ja sowieso tot. Der Blick von Dragos wanderte nach oben wo eigentlich die Decke sein sollte, doch diese war viel zu hoch als dass das spärliche Licht der Fackeln sie erreichen würde. Der gesamte Thronsaal lag im Dämmerlicht. Die Erinnerungen von dem dunklen Herrscher drifteten zu dem Kampf gegen seine Mutter ab. ~ Die Shurana waren gerade geflüchtet und Dragos schäumte vor Wut, dass er die beiden heiligen Wächter hatte entkommen lassen. Zerberus knurrte unter seinen Füßen und die Krallen fahren über den Boden. Ein knarrendes Geräusch hallte durch den endlos erscheinenden Raum wider. Flammen stoben in einem orangenen Meer aus dem Maul von dem Höllenhund und züngelten an dem schlanken Körper von Narunia vorbei. Die schwarzhaarige Frau stand völlig gelassen da. Die sahen ihm voller beherrschter Wut an. Der Mund war nur noch ein Strich und die Lippen waren aufeinander gepresst. „Dein Plan wird niemals gelingen, Dragos. Das lasse ich nicht zu!“, sprach sie kühl und sah ihm mit einem durchdringenden Blick an. Der Sohn der Schicksalsgöttin brodelte vor Wut. Seine kräftigen Finger ballten sich zur Faust und seine Hand wurde blass. Seine Fingernägel schnitten in die Handfläche. Wie konnte seine Mutter es wagen sich ihm in den Weg zu stellen? Shinsara, das heilige Schwert, klapperte zornig an seiner Hüfte. Zerberus brüllte wütend, dass die Gläser in den Schränken klapperten. Wütend stapften die Vorderpranken auf dem Boden, dass die Erde bebte. Noch immer blieb die Göttin ruhig und wartete seine Reaktion ab. Ihre gesamte Haltung war angespannt und zur Parade bereit. Ihr weißes Schwert Kasum, von den Finsteralben geschmiedet, war auf ihren Wink an ihrer Seite erschienen. Der Knauf war in Form eines Drachen und lag in einer weißen Scheide, die von einem umschlungen Strich in der Mitte geteilt wurde und unten schmiegten sich goldene Weinreben mit Blättern an das weiße Metall. Dragos kannte das Schwert nur zu gut. Früher hatte er den Schwertkampf mit Kasum geprobt. Es war ein eigensinniges Schwert. Ein Einhänder, der zu lang war um ihn mit einem Schild zu benutzen, mit einer drei daumenbreiten Klinge, doch nun ruhte es in seiner Scheide und wartete auf seinen Einsatz. Anscheinend war Narunia nicht bereit den ersten Angriff zu starten. Erbost schnaubte Dragos und stieß den Knauf seines Schwertes auf Zerberus Kopf. Dieser schüttelte den Kopf und ließ ein drohendes Knurren hören. „Kasaro ishte sanas armeth!“, sagte Narunia mit ruhiger Stimme und beschwor einen Luftstrom herauf, der sich zu einer schnell fließenden Kugel formte. Dragos lachte heiser auf. Hatte seine Mutter noch nichts Neues gelernt? Er rollte mit den Augen und nahm sein Schwert wieder richtig in die Hand. Die Kugel hatten nun einen Durchmesser von gut 30 cm erreicht und es sirrte wie ein Schwarm wilder Insekten, als der schnelle Luftstrom die normale Luft zerschnitt. Narunias Haare wehten nach hinten und sie falteten ihre Hände hinter der Luftkugel, murmelte einige schnelle Worte und nahm den Arm zum Schwung nach hinten und stieß gegen die Kugel. Im schnellen Tempo rotierte sie durch die Luft und sirrte. Zerberus reckte zwei seiner drei Köpfe nach oben und zog die Luft in seine Lungen, der dritte Kopf schnellte nach vorne und biss nach der Luftkugel. Diese traf seine Schnauze und wirbelte das winselnde Tier gegen die Wand. Dragos war bereits runter gesprungen und strich sich das lange Haar aus dem Gesicht. Er zog sein Schwert aus der Scheide. Der Schaft blitzte hell auf und blendete seine Mutter. Mit einem Schlachtschrei nutzte der Herr der Dunkelheit die Finsternis aus und stürzte sich auf die Schicksalsgöttin. Zerberus hatte sich mittlerweile wieder aufgerappelt und schüttelte benommen den Kopf. Mit einem Jaulen sprang er seinem Meister hinterher. Trotz der kurzeitigen Blindheit konnte Narunia ausweichen, stieß dabei aber gegen eine Wand. Panisch tastete sie nach einem Ausweg, fand aber keinen. Dragos grinste hämisch. Endlich hatte er sie in der Falle und konnte einen der größten Störfaktoren seines Plans eliminieren. Unheil verkündend gleißte die blutrote Klinge auf und schien das Ende zu bedeutet. Die Todesangst war deutlich in den gelben Augen der Göttin zu sehen. Ihr Körper bebte und zitterte und man sah die Augen huschen, als ob sie versuchten zu flüchten. „Endlich habe ich dich, liebe Mutter!“, grinste er und erhob sein Schwert. Narunia versuchte sich zu fassen, doch ihr Körper war zu berauscht von den vielen Hormonen, die ihr Körper gerade ausschüttete. „Dragos...“, flüsterte sie mit schwacher Stimme. „Ruhe in Ehren!“ Mit diesen Worten holte er aus und die rote Klinge sauste herab. ~ Der Herr der finsteren Armee wurde unsanft durch ein lautes Klopfen geweckt. Er blinzelte kurz und saß dann wieder wie eine Statue in den Thron. Seine ganze Haltung strahlte Stolz und Würde aus. Wie es von dem Führer einer Armee erwartet wurde. Es klopfte erneut, diesmal etwas fordernder. Die Wache vor dem Tor, das bis zur Decke reichte, sah seinen Herren fragend an. Er war sich nicht sicher, ob er öffnen sollte. Mit einem Handwink bedeutete Dragos der Wache nachzusehen, wer vor der Tür stand. Dieser salutierte sofort und ging hinaus. Der Feldherr seufzte und sank in den Thron hinab. Er war einfach nur müde und bräuchte dringend Schlaf, doch in der heißen Phase seines Planes war daran nicht zu denken. Keine Minute später trat die Wache wieder ein, schritt mit großen Schritten durch die lange eile und verbeugte sich vor Dragos. Dieser winkte ihn heran und sah ihn mit seinem leuchtenden roten Augen an. Der Wächter richtete sich auf und trat zu seinem Diener heran. „Herr...Axel hat die Gefangene hergebracht.“, flüsterte der Mann mittleren Alters Dragos zu. Dieser nickte und hieß ihm den Anführer seiner besten Kämpfer hereinzulassen. Die Wache verneigte sich und eilte zurück zum Tor um dieses mit einem lauten Knarren zu öffnen. Geschmeidig schwang das Tor auf. Noch bevor der Anführer der Gerade eintrat war Geschrei und Gefluche zu hören. Dragos richtete sich interessiert auf und war gespannt, was nun passieren würde. Axel trat ein und durchquerte mit schnellen Schritten die Halle. Unter seinem rechten Arm war der schwere Helm mit dem Sichtfenster geklemmt, auf dessen Kopf zwei Phönixfedern thronten. Die linke Hand hatte sich in einen Büschel blonden Haares gekrallt. Mit grimmigen Gesicht schleifte der Shinsara die junge Wasserelfe durch den Raum, welche zappelte und schimpfte und dabei versuchte such aus dem eisernen Griff zu befreien. Ein amüsiertes Lächeln stahl sich nun auf das Gesicht des Herrschers. Auf den rothaarigen Jungen war wirklich Verlass. „Lass mich los, du Verräter! Mistkerl!“, fluchte Karana und wand sich weiterhin. Axel verdrehte die Augen und warf sie auf die Treppe zu Füßen Dragos. „Aah!“ Die Elfe kniff die Augen zusammen und krümmte sich schmerzerfüllt. Der Sohn der Schicksalsgöttin stützte seinen Kopf auf die Hand und musterte die Elfe eingehend. Das vorher sicherlich seidige Haar war nun verfilzt und von Blut und Dreck verklebt. Rote Striemen brannten unter dem zerrissen Wams hervor. Offensichtlich war sein Folterknecht nicht gerade zimperlich zu ihr gewesen und dennoch hatte sie geschwiegen. Ihr ganzer Körper war von schleimigen, gelben Eiterwunden überzogen. Ihre Haut war verdreckt und verkrustet. Die Finger waren blutig vom kratzen an den Wänden. Ihr Körper zittert und ihre Augen wirkten dumpf, als hätte sie Fieber. Wahrscheinlich kam das von den Entzündungen ihrer Wunden. „Herr, ich bringe Ihnen die Wasserelfe Karana, wie sie mir befohlen hatten!“, sagte Axel und verneigte sich vor seinen Meister. Dieser nickte und der Junge zog sich einige Schritte zurück. Er wusste genau, wie er sich Dragos gegenüber verhalten musste. Ein böses und dennoch verzücktes Lächeln legte sich nun auf die Lippen des Halbgottes und er richtete sich auf. Sein langer schwarzer Umhang bauschte sich kurz auf und fiel dann bis zu seinen Füßen herab. Seine Rüstung schimmerte matt im Kerzenlicht des Kronleuchters. Die Dunkelheit in diesem Raum ließen Dragos Augen noch unheilvoller als sonst wirken. Im gesättigten Schwarz wirkten sie wie hungriges Magma, welches nur darauf wartete auszubrechen um Zerstörung zu verbreiten. „So, so. Du bist also die letzte Überlebende der Wasserelfen?“, höhnte Dragos, während er sie musternd, und mit auf den Rücken verschränkten Armen, umkreiste. Als er an Axel vorbeiging, machte dieser automatisch Platz um seinen Herrn vorbei zu lassen. Die Elfe zitterte und versuchte sich aufzurichten, blieb aber dennoch stumm. Sie wandte ihren Kopf und sah flehend zu seinem Schützling hinüber. Dragos grinste. Ja, sollte sie doch auf seine Hilfe hoffen, er würde es eh nicht tun. Der Junge stand voll und ganz unter seinen Einfluss. Auch wenn es damals nicht geplant war, so war es doch eine durchaus positive Entwicklung für seinen Plan. Kurz sah er zu dem Rothaarigen, dessen Haltung sofort angespannt und gerade wurde. Ja, der Shunrana war voll und ganz in seiner Hand und er konnte ihn nach Belieben einsetzen. Nun wandte er sich wieder von dem Anführer seiner Schattengerade ab und trat probehalber gegen die Rippe der Elfe um festzustellen, ob sie nicht vielleicht tot war. Immerhin hatte sie ihm immer noch nicht geantwortet. Sofort schrie diese auf und drehte sich auf die Seite um den Schuhen zu entkommen, die an der Spitze mit eisen verstärkt waren. Sie kauerte sich zusammen und keuchte schnell. „Antworte mir!“, sagte Dragos wütend und starrte finster zu ihr hinunter. Karana zitterte und sah zu ihm hoch, schwieg aber weiterhin, obwohl ihre blauen Augen deutlich zeigten, dass sie panische Angst hatte. Das machte den Herrn der Finsternis allmählich sauer. Was fiel dieser verdammten Elfe ein sich ihm zu widersetzen? Hatte sie überhaupt eine Ahnung mit wem sie es hier zu tun hatte? War ihr klar in was für eine Situation sie sich befand? Ein Wink von ihm und sie würde einen langsamen, grausamen Tod erdulden. Oder war ihr bewusst, dass er das nicht tun konnte, da sie eine Information hatte, die sie so dringen brauchte? Das wäre aber eine verdammt missliche Lage für ihn. Denn dann hatte sie ihm quasi in der Hand...und das machte ihn richtig sauer. Er spürte schon wie die Lava in ihm zu brodeln begann. Vor lauter Wut packte er Karana in ihr Haar und riss sie hoch. „AAAAAH!“, schrie sie und kniff die Augen zusammen. „Hör mal zu, du Miststück! Du redest jetzt sofort mit mir oder du wirst es bitter bereuen.“, knurrte Dragos wütend und zog sie soweit hoch, dass sie mit ihm auf Augenhöhe war und nicht mehr den Boden berührte. Die zappelte und versuchte zu entkommen, womit sie sich nur noch mehr Schmerzen zufügte. Mit der Wut von Dragos vermischte sich auch noch Genervtheit. Diese Elfe trampelte wie ein Riese auf seinen Nerven herum und in diesem Gefühlsgemisch ist Dragos bloß eine tickende Bombe, der man lieber aus dem Weg ging. „ANTWORTE!“, schrie der Herrscher und alle im Saal zuckten merklich zusammen. Nun öffnete sie endlich ihre Augen und sah ihn ernst und unerschrocken an. „Du kannst mir keine Angst machen...Dragos...egal wie sehr du mir drohst...ich werde dir nichts verraten...“, keuchte die Bewohnerin des Meeres und hatte ein überlegenes Grinsen im Gesicht. Nun wurde Dragos fuchsteufelswild und warf sie weg. Der Körper flog durch die Luft. Mit einem dumpfen Knall fiel er auf den Boden und es schien fast als könnte man das Splittern ihres Armknochens hören, der beim Aufprall brach. „Uuuuh...hnnng...“, wimmerte die Elfe vor Schmerzen, aber versuchte dennoch sich aufzurappeln. „Es wäre doch schade um dich. Wenn du das tust was ich von dir verlange, dann geht es dir besser. Du würdest ein Zimmer bekommen mit einem schönen warmen Bett. Danach sehnst du dich doch, oder?“, Dragos hatte nun einen zuckersüßen, ruhigen Klang in seiner Stimme. Einen viel zu ruhigen und jeder wusste, dass er ihr nur Honig ums Maul zu schmieren versuchte. In der Zwischenzeit hatte es Karana geschafft sich auf die Knie zu rappeln. Ihr Arm stand in unnatürlichen Winkel ab. Er war eindeutig mehrfach gebrochen. Das war aber auch kein Wunder bei der unnatürlichen Kraft, die Dragos als Halbgott besaß. Schweiß rann von der Stirn der Elfe und tropfte zu Boden und ihre Hand krallte sich in den gebrochen. „Für...“, setzte sie an und keuchte. Kurz sammelte sie ihre Kräfte und ihre Stimme, die kurzzeitig versagt hatte. „Für...“, setzte sie neu an und diesmal war die Stimme nicht mehr so zittrig und gefasster als zuvor. „Wie blöd hältst du mich eigentlich? Ich werde dir keine Informationen geben. Es ist mir egal was du mit mir machst.“ „So, egal ist es dir?“ Es war nicht zu überhören, dass Dragos wütend war. Die gespielte Freundlichkeit war verschwunden und blanker Zorn entstellte sein Gesicht. Seine Lippen bebten vor Wut und seine Finger krallten sich in seine Handinnenfläche, dass einige Bluttropfen langsam an seinem Handgelenk herunter glitten. „Du würdest auch deinen Tod in Kauf nehmen?“ und da geschah etwas, womit Dragos nie gerechnet hätte. Die Elfe begann schallend zu lachen. Ja, sie kringelte sich regelrecht vor Lachen. Kurz sah er sie verwirrt an, dann nahm die Wut in ihm wieder überhand. Er stürzte auf sie zu und packte sie an der Gurgel. Karana röchelte und spuckte Blut, so fest wurde sie gewürgt. Mit all seiner Kraft riss Dragos sie in die Höhe und starrte ihr wutentbrannt in die Augen. „Was gibt es da zu lachen?“, ein wütendes Zittern lag in der dunklen Stimme von ihm und er sah aus den Augenwinkel wie Axel kaum merklich schluckte. Jedes einzelne Wort kam einer Morddrohung gleich. Seine Gefangene brachte ihm gar keinen Respekt entgegen, geschweige denn Furcht. Anstatt sich ihm zu beugen wie jeder anderer sonst, widersprach sie ihm. „Ich lache...weil gerade der Tod mir keine Angst macht. Schließlich bin ich es bereits.“, lachte die Elfe immer noch, obwohl es nun eher nur noch ein ersticktes Röcheln war, dennoch verfehlten sie ihre Wirkung nicht. In den Thronsaal der Höllenfestung war Totenstille. Wirklich keiner im Raum verursachte nur das kleinste Geräusch. Einige, endlos erscheinende Augenblicke war das einzige Geräusch das Knistern der Kerzen. Alle standen wie erstarrte Salzsäulen da und starrten Karana an. Auch Dragos war geschockt. Das konnte nicht sein. Davon hatte er noch nie etwas gehört! Das war einfach nicht wirklich! Wie konnte diese Elfe tot sein? Schließlich hielt er sie gerade mit seinem kräftigen Händen umklammert und drückte ihre Kehle. Auch ihre Augen waren nun wach und klar und voller Übermut. Wie konnten diese lebendigen Augen die einer Toten sein? Das war unmöglich. Sie log! Das war die einzige plausible Erklärung. Ein Bluff um ihn aus der Fassung zu bringen. Es musste so sein! Es geht gar nicht Anders! Es war ein Trick. Ein Versuch sich aus der Sache zu befreien. Vielleicht wollte sie Dragos damit sogar Angst machen. Möglich war alles. Diese Elfen sind schon immer unberechenbar gewesen und waren es noch immer. Ihre Hinterlist war groß und es war durchaus möglich, dass sie sich all das zurechtgelegt hatte. Endlich fand er seine Fassung wieder und drückte noch fester zu. „Wag es ja nicht mich anzulügen!“, fauchte Dragos und starrte sie aus halb zusammengekniffen Augen an. „Aber gewiss nicht HERR!“, sagte sie liebenswürdig, ironisch. „Das ist mein voller Ernst. Der Tod kann mich nicht schocken, denn er hat mich bereits vor einiger Zeit geholt. Egal was du auch tust, Dragos, du hast keine Macht über mich. Deine Drohungen bringen nichts bei mir. Ich bin dir überlegen!“, das war eine unkluge Äußerung von ihr gewesen, denn sie ließ Dragos explodieren. Ehe man sich versah flog Karana einmal quer durch die Halle und schlug gegen die Wand, an der sie leblos zusammensackte. Rotes schimmerndes Blut tropfte aus ihrem Hinterkopf und rann wie Tränen an ihren Wangen hinab. Dragos keuchte vor Wut und seine Brust hob und senkte sich schnell. Es dauerte einige Zeit, bis der Herrscher sich einigermaßen gefangen hatte und wieder seine würdevolle Haltung annahm. Diese verdammte Elfe hatte ihn völlig aus der Fassung gebracht. Er war zwar schön öfters vor seinen Diener ausgerastet, doch noch nie war er so gedemütigt worden. Das war unglaublich! Wie hatte sie es sich erlauben können ihn so mit ihm umzuspringen? War das zu fassen? Das hatte noch Niemand gewagt. Dafür würde sie büßen. Es war ihm egal wie sehr, aber Dragos war fest entschlossen sie dafür leiden zu lassen. Er ging zum Tisch und riss die Decke herunter. Die Gläser klirrten als sie auf dem harten Boden zersprangen. Glitzernde Splitter flogen in alle Richtungen und Axel hob schützend die Arme vor sein Gesicht, damit die Scherben sein Gesicht nicht verletzten. Dieser Akt der Wut half Dragos nun um endgültig herunterzukommen. „Axel!“ „Jawohl?!“, der Junge salutierte. Er wusste anscheinend, dass er jetzt absolut gehorsam sein musste um nicht eine Strafe auf sich zu ziehen. „Bring sie zurück in ihre Zelle und sorg dafür, dass sie öfters Besuch am Tag kriegt.“, sagte Dragos bestimmt. Axel sah ihn für einen kurzen Moment verwundert an, doch dann nahm er seinen Mut zusammen und sagte: „Ähm...Herr...dürfte ich etwas dazu sagen?“ Der Fürst der Finsternis hatte sich bereits wieder auf seinen Thron gesetzt und musterte Axel nun eingehend. Sollte er ihm das Wort erteilen? Was würde er denn dazu sagen wollen? Dass er ihm widersprechen würde war gänzlich ausgeschlossen. Kurz überlegte Dragos, doch dann winkte er mit der Hand und sagte: „Nur zu. Was hast du zu sagen?“ „Ich...Mich verwundert Ihre Anordnung, Herr.“ „Sie verwundert dich? Wieso das denn?“, man merkte schnell, dass Dragos nun interessierter, aber auch vorsichtiger wurde. Seine Körperhaltung spannte sich an und er lehnte sich vor. Wirkte seine Kontrolle über den Shinsara der Drachenkämpfer, einer alten Rasse der Axel angehörte und nichts von wusste, nicht mehr richtig? Axel verneigte sich rasch, antworte aber nicht. Wahrscheinlich weil Dragos keine direkte Anweisung dafür gegeben hatte. „Sprich weiter!“ Der kontrollierte Shinsara richtete sich auf und sah seinen Herren ernst an. „Diese Elfe hat doch Informationen, die sie dringen benötigen, nicht wahr, Herr?!“ „Durchaus. Nur verstehe ich nicht worauf du hinaus willst, Axel.“ „Wenn sie nun öfters ‚Besuch’ bekommt, dann könnte es schwere Schäden an ihrer Seele zur Folge haben und dann kann sie uns die dringend benötigte Information nicht geben, oder? Wäre es also nicht taktisch unklug ihr noch weitere Qualen zuzufügen.“ „Dein Einwand ist durchaus berechtigt, aber du hast ja gesehen wie sie sich vorhin verhalten hat. Ihre Seele ist zäh, es wird ihr nicht schaden. Es wird sie nur gefügiger machen. Also halte dich einfach daran.“, Dragos Stimme war erneut gefährlich ruhig und sanft. Axel nickte und verneigte sich hastig. „Jawohl, Herr...wie Ihr wünscht.“ Der Shinsara drehte sich um und als er wusste, dass Dragos ihn nicht sehen konnte, runzelte er missmutig die Stirn. Die Metallteile seiner Rüstung klapperten, als er durch die Halle ging. Vor Karana blieb er kurz stehen und betrachtete sie. Sie wirkte nun völlig ruhig und entspannt. Nur der gebrochene Arm erinnerte an die gefährliche Situation von gerade. Sie war für alle gefährlich gewesen, selbst für Dragos treuesten Untergebenen. In rasender Wut war er unberechenbar. Wie ihm befohlen hob er die Elfe hoch, warf sie über seine Schulter und verließ die Halle. Auch wenn es in seinem gehorsamen Bewusstsein noch nicht zu bemerken war, so begann sich Widerstand in seiner Seele zu regen. Kapitel 22: Zwischen den Welten ------------------------------- 22. Kapitel: Canzor Zwischen den Welten Seine kräftigen Schwingen trugen ihn immer weiter in Richtung Himmel. Der Drache spürte den Luftzug unter seinen Flügeln, die ihn nach oben flogen. Dicht neben ihm schlug ein weiteres Paar; immer und immer näher auf die riesige Schlange zu. Der Raizon schlängelte sich ahnungslos oben in der Luft und fühlte sich in Sicherheit. Er ahnte nicht, dass sich Parsath und Canzor von unten an ihn heranschlichen und nur auf ihre Chance warteten. Der Elementdrache spürte wie seine Muskeln arbeiteten und sich spannten, fühlte das Adrenalin, was durch seine Adern raste. Der Schmerz war vergessen, obwohl seine linke Flanke höllisch brennen müsste, so verspürte er dennoch nichts. Wie in einem Rausch gefangen war alles schärfer und seine Ohren noch feiner als zuvor. Er hörte den Luftzug, der an seinen Ohren vorbeisauste und von den Flügen des Luftpaladins erzeugt wurde. Die Felsen der Schlucht rasten an ihnen vorbei. Immer schneller und schneller flogen sie, bis die Felsen nur noch ein brauner Streifen waren, den man nur noch verschwommen wahrnahm. Dann brachen sie aus der Spalte hervor und wurden von gleißendem Sonnenlicht angeschienen. Die beiden Mitstreiter der Gerechtigkeit wurden in strahlendes Licht gehüllt. Canzors rote Schuppen brannten wie das Feuer seines neu entfachten Mutes. Parsaths weiße Schwingen waren von einem reinen weiß wie frisch gefallener Schnee und seine Rüstung schimmerte blau wie das Meer. Sein langes blondes Haar schwang wie ein goldener Fluss um seine Schultern. Ein Schwarm schwarzer Vögel stob in den verhangen Himmel hinauf. Irgendwo in der Ferne war ein lauter Donner zu hören und ein gleißender Blitz erhellte zusätzlich die Kampfszene. Das Gewitter zog von Süden herauf. Bedrohlich bauschten sich die pechschwarzen Wolken auf und drohten die Sonne zu verschlucken, wie ein hungriges Monster. Canzor warf Parsath einen Blick zu, welcher zustimmend nickte. Mit einem mächtigen Brüllen, der dem Donner im Nichts nachstand, legte der Rubindrache seine Flügel an und sauste auf die große Schlange herab. Von alledem völlig überrascht, wandte der Raizon den Kopf, erkannte die Situation jedoch zu spät. Der letzte Drachenhüter hatte ihn bereits mit den scharfen Krallen am Kopf gepackt. Tief gruben sich die geschwungen Krallen in das Fleisch, bis sie auf den Schädelknochen stießen. Bestialisch- einem kreischenden, schrillen Ton gleich- schrie die Donnerschlange auf und schüttelte den Kopf um Canzor loszuwerden, doch dieser ließ nicht locker. So fest es ging klammerte er sich an seinen Gegner und verlagerte sein Gewicht nach vorne. Vor Schmerzen gelähmt, schaffte die riesige Schlange es nicht, sich zu wehren, sodass beide in die Tiefe stürzten. Wie ein Stein fiel das Paket aus umschlungen Körpern in die Tiefe. Canzor schloss die Augen. Der Wind peitschte ihnen so sehr ins Gesicht, dass er sich fast schon wie scharfe Klingen anfühlte. Immer wieder prallten die Kontrahenten gegen die scharfen Felswände, welche ihnen die Haut aufschlitzte. Canzor schrie auf, doch er ließ nicht los. Dies war ihre einzige Chance. Sie mussten dafür sorgen, dass der Raizon auf dem Boden zerschmettert würde, sonst wären sie verloren. Viele Erinnerungen zogen vor dem inneren Auge des Drachens vorbei und brannten sich in seine Lider. Die Zeit mit seinen sieben Meistern, die Einsamkeit und die letzten sechs Monate mit Melanie. All das zog wie ein Nebelschweif an ihm vorbei und verschwand dann im Nichts. Sie verflogen so schnell, wie sie aufgetaucht waren. Es könnte sein, dass er vor dem Aufprall seine Flügel nicht schnell genug öffnen könnte und mit dem Raizon in den Tod stürzen würde, doch das nahm er im Kauf. Dieser Planet musste gerettet werden. Was ist schon ein Leben im Vergleich zu Millionen, vor allem, wenn es schon so lange lebte? Gar nichts...Es war ein Opfer, das erbracht werden musste, zum Wohl des großen Ziels. Nun öffnete Canzor doch die Augen. Sie waren vielleicht noch 100m vom Boden entfernt. Wie eine braune Matte flog er auf sie zu. Ein Zucken unterhalb seiner Krallen verriet Canzor, dass der Raizon allmählich zu Besinnung kam. Benommen schüttelte der Feind seinen Kopf und der rote Drache musste sich noch tiefer festkrallen, um nicht zu fallen. Wieder schrie der Raizon in einem markerschütternden Wehklagen auf. Der helle Ton war so laut, dass Canzor ebenfalls brüllen musste, damit sein Trommelfell nicht zerfetzt würde. Er schüttelte den Kopf um die wie betäubten Gedanken zu beleben. Der Schrei hatte seinen kompletten Gehörsinn lahm gelegt. Noch 50 Meter bis zum Boden. Das Gewitter war nun über ihnen. In einem lauten Knall begann der Regen herabzuprasseln. Als hätte jemand ein Meer über ihnen ausgekippt stürzte das Wasser herunter. Ein erneuter Blitz erhellte die Schlucht und tauchte sie in lange, schemenhafte Schatten. Der Boden wirkte nun wie ein Tor in die ewige Dunkelheit. Das Nichts des Todes und Canzor hatte sich damit abgefunden. Doch eines hatte der Drache nicht bedacht. Die Energiequelle, aus der der Raizon seine Kraft bezog. Durch das Gewitter waren dessen Lebensenergie komplett aufgefüllt und seine Kraft zurückgekehrt. Mit voller Wucht donnerte der lange Schwanz auf Canzors Schädel herab. Dieser schrie und hatte das Gefühl, als würde alles in seinem Blickfeld explodieren. Ein brennender Schmerz raste durch seine Blutbahnen und lähmte seinen Körper. Die Krallen lösten sich aus dem Fleisch des Raizon. Alles erschien ihm wie in Zeitlupe. Die Donnerschlange schwang sich um ihn herum nach oben und war nun über ihn. Er hingegen fiel gelähmt und nicht in der Lage etwas daran zu ändern. „CANZOOOOOOOOOOOOOOOOR!“, hörte er den panischen Schrei von Parsath über sich. Dieser lächelte matt. Noch 15 Meter bis zum Boden. So würde es also enden. Ein ehrenhafter Tod in der Schlacht für das Gute. Es war vorbei. Er hörte den Ruf des Raizon und wie eine Peitsche traf ihn der Schwanz erneut und beschleunigte seinen Aufprall. Mit einer unglaublichen Wucht schlug er auf den Boden auf. Felsen flogen neben ihn in die Luft und er spürte nur noch Schmerzen. Alles brannte und war taub. Canzor spürte wie sein Schädelknochen zerschmetterte. Riesige Steine lösten sich durch die Erschütterung von den Wänden der Schlucht herab und begruben den Körper des Elementdrachen unter sich. Die Kraft aus Canzors Körper. Er schloss die Augen und war bereit das Tor zu durchtreten. Der Kopf landete auf dem Boden und blieb reglos liegen. Alles um ihn herum wurde still. Was er als nächstes sah, war Licht. Ein gleißendes, helles Licht, was ihn blendete. Canzor kniff die Augen zusammen und blinzelte. Verzweifelt versuchte der Elementdrache etwas zu erkennen. Was war hinter dem Vorhang des Lichts? Das Jenseits? Himmel oder Hölle? Er wusste es nicht. Nie hatte sich der Drache ernsthaft mit dem Thema Tod auseinander gesetzt. Sich nie die Gedanken gemacht, was danach kam. War er doch von unendlicher Stille ausgegangen. Doch wo war er nun? Was wird geschehen. „Canzor...“, flüsterte eine leise Stimme. Dieser blinzelte. Wer war das? Wer rief nach ihm? „Canzor...!“, rief ihm nun eine andere, tiefere Stimme. Das Licht am anderen Ende des dunklen Raumes flackerte schwach, sendete dann aber einen gleißenden Strahl aus, welcher ihn blendete. Als der Elementdrache endlich wieder etwas erkennen konnte, sah er, dass das Licht sich noch vergrößert hatte. Es hatte nun ein strahlend helles, leicht flimmerndes Tor gebildet. Verschlungene Säulen stützten den Baldachin, der aus dunklerem Licht gebildet, an Gold erinnerte. Ein sanfter, matter Schimmer lag hinter dem Tor. Fasziniert sah der Drache es sich an und neigte den Kopf. „Komm zu uns!“, wehte eine dritte, fremde Stimme ihm wie eine ruhige Brise entgegen. Canzor schloss die Augen. Diese sanften Stimmen taten so gut und ließen ihn sich unendlich leicht fühlen. Es war als würde er schweben ohne die Flügel zu benutzen. Wie von ihnen angezogen, näherte sich der Drache dem Tor. Ein warmes, kribbelndes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus. Es war ein wunderbares Gefühl. Er schloss die Augen um dieses Gefühl zu genießen. Ihm war wohlig warm und Canzor fühlte sich sehr entspannt. Ein leises, melodisches Summen war zu hören und wieder flüsterten die Stimmen ihm zu. Nun öffnete der Drache doch die Augen, wenn auch widerstrebend. Er wollte wissen, wem diese ruhigen Stimmen gehörten, die fremd und vertraut zu gleich waren. Als er die Landschaft erblickte, in der er sich befand, stockte ihm der Atem. So etwas Idyllisches hatte er noch nie gesehen. Um ihn herum war eine taufrische Wiese auf der kleine Tiere spielten. Das Gras war saftig und smaragdgrün. Fröhliches Gezwitscher von Vögeln kam von den hohen, dicken Bäumen, die in voller Blüte standen und die Lichtung einzäunten. Die Blätter raschelten in der frischen Brise. Eine der schneeweißen Blüten löste sich vom Baum und segelte genau vor Canzors Klauen. Dieser neigte den Kopf und sah sie an. Die Blätter waren völlig weiß, während die Stempel goldig schimmerten. Wenn die Blätter etwas im Schatten lagen, so hatten sie einen leichten lila Schein. Der Drache prustete einmal kräftig gegen die Blüte, sodass sie sich wieder in die Luft erhob und in dem neuen Aufwind tanzte. Ruhig segelte sie durch die Luft wie eine große Schneeflocke. Verträumt sah Canzor ihr nach und vergaß alles um sich herum. Vergessen war der Kampf gegen den Raizon, Melanie und Parsath. Alle Sorgen und Ängste waren wie weggeweht, nichts belastete ihn mehr. So ein Gefühl der Schwerelosigkeit war der Gipfel der Glückseligkeit für jedermann. „Canzor! Wach auf!“ Die sanften Winde der Stimmen rissen den Drachen aus seinen Gedanken. Was war los? Er wollte doch nur schlafen. Für immer diese Emotion genießen. „Du musst wachbleiben oder du wirst für immer vergessen!“ Aber was denn vergessen? Wer war er überhaupt? Dann hörte er plötzlich ein lautes Donnern hintern sich, als wäre etwas Großes auf den Boden geschlagen. Instinktiv warf Canzor sich um die eigene Achse und knurrte angriffslustig. Selbst in diesem dämmrigen Zustand war ihm klar, dass das nichts Gutes bedeutete! Er fauchte, fletschte die Zähne und schlug mit dem Schwanz. Canzor wollte die Eindringlinge sofort verjagen. Das hier war sein Paradies. Hier ließ er sich nicht stören. Nich in dieser wundervollen Welt. Die Muskeln spannten sich unter seinem Schuppen und er war zum Angriff sofort bereit. In seinem Rachen sammelte sich eine Menge Hitze an, die er in Form eines großen Feuerballes auf seine Gegner zu schleudern, ohne überhaupt nachzusehen, wer sie waren. „CANZOR! KRIEG DICH EIN!“, schrie die zuvor sanfte Stimme zornig und Canzor spürte nur, wie im eine über den Kopf gezogen wurde. „Wir sind es doch nur. Komm zu dir, Irunas.“ Canzor stutzt. Irunas? Das war sein Name gewesen, bevor er dem Drachenorden beigetreten war. Aber das...konnte doch nur. Der Drache blinzelte irritiert und schüttelte den Kopf um diesen Zustand von Leichtheit loszuwerden, der seine Sinne und vor allem Gedanken betäubte. Er hob den Kopf und staunte nicht schlecht. In einem Halbkreis vor ihm standen sieben Drachen, die ihn allesamt in Stolz und Erhabenheit bei weitem überragten. Sie waren gut 100 Zoll größer und ihre Schuppen schienen von einem göttlichen Licht erhellt zu werden. Ihre kraftvollen Schwingen waren graziös an ihre Körper geschmiegt und die langen Köpfe mit den intelligenten Augen betrachteten Canzor ruhig. Ein Pfad von Dornen führte von ihrem Kopf über den Rücken bis zur Schwanzspitze hinunter und ihre goldenen Krallen gruben sich in die Wiese. „I....Ihr? Seid...ihr es wirklich?“ Der Elementdrache dachte, er würde halluzinieren. Das war unglaublich. „Ja, wer sonst? Du bist echt blind wie immer.“, feixte Zrias. Er war der Drache des Metalls. Sein Kopf war schmal und die gelben Augen blitzten amüsiert. Sein breiter, muskulöser Körper war vom glänzenden Grau, welches sehr an Metall erinnerte. Er reckte den Kopf und beugte ihn dann vor, sodass er direkt vor Canzors Augen hing. Der Elementdrache murrte. Wie immer einen wunden Punkt getroffen und dann auch noch dieser schelmische Ausdruck in den Augen, das konnte einen ja echt fertig machen. Empört stieß Canzor eine Rauchwolke aus seinem Maul. „Nun sei nicht so gemein, Zrias. Es ist verständlich, dass er verwirrt ist.“, versuchte Orikalco, Drache der Zeit, zu beschwichtigen. Er puffte Zrias mit dem Kopf an, welcher nun schnaubte. Orikalco war einer der schlankste und grazilste Drache der Truppe. Sein Schuppenkleid war von hellem Grün und leuchtete, als stamme er aus einer anderen Galaxie. Die Augen des ruhigen, höflichen Drachens sind in dunkles Blau gehüllt, sodass es wie unmöglich schien, dessen Gedanken zu lesen. Alles in Allem hatte Orikalco eine Aura des mystischen, geheimnisvollen um sich, welche jedes Lebewesen neugierig machte. Canzor erinnerte sich noch gut, dass sein Meister damals nur einen Raum zu betreten brauchte und sofort hielt jeder inne und drehte sich zu ihm um, ohne jedoch so recht zu wissen, weshalb. Eben jene eigenartige Aura des Zeitendrachens war es, die den Elementdrachen in seinem Bann gefangen hielt, egal wann und wo er ihm begegnete. Seine beiden Brüder, Maloras, Drache des Raumes, und Resandris, Herrscher der Lebensenergie von Mythna, des Kiranos, hatten ebenfalls diese ehrfürchtige, stolze Ausstrahlung. Diese drei Drachen, die gerade ihre Köpfe zusammensteckten und Zrias mahnend ansahen, hoben sich von dem beeindruckenden Anblick der sieben Himmelsdrachen nochmal gesondert ab. Die Brüder waren die ältesten und weisesten Drachen auf Mythna und niemand hatte so viel Wissen wie sie. Aber ihr Alter war nicht Grund für diese Aura, sondern es war etwas nicht Greifbares. Etwas, das wie Raum, Zeit und Kiranos nicht fassbar war. Für Canzor erschienen sie immer wie Götter, auch wenn er niemals wagte, dies auszusprechen, immerhin war jeder dieser sieben Drache der Herr über eines der Elemente, welches dabei geholfen hatte Mythna zu erschaffen und nun am Leben zu erhalten. Sie waren Hüter, Wächter, aber keineswegs Götter, lediglich von Arachna, Hyrielia und Neyera erschaffen und beauftragt. Zrias zog seinen breiten Kopf weg, verengte die Augen, doch die drei Drachen, die die nicht greifbaren Elemente regierten, ließen nicht von ihm ab und knurrten kurz fordernd. Um sie herum schien die Energie zornig zu werden, sodass es Zrias nicht mehr aushielt und dann entschuldigend brummte. Sofort entspannte sich die gesamte Energie der Erde, als würde sie erleichtert aufatmen. Auch der Ausdruck auf Orikalco, Maloras und Resandris wurde wieder friedlich und sanft. „Aber...ich dachte ihr wärt...“, setzte Canzor an, der endlich seine Sprache wieder gefunden hatte. „Tot? Aber gewiss...wir sind damals von Dragos in der ersten Schlacht getötet worden.“ Resandris bedachte Canzor mit einem sanften, verständnisvollen Blick. Es war ein Blick wie der eines liebenden Vaters, der die Verwirrtheit seines kleinen Kinders verstand und ihm diese nehmen wolle. Die ebenfalls dunkel blauen Augen verharrten mit ruhigem Schein auf Canzor und dieser musste aufpassen sich nicht in ihren Weiten zu verlieren. Resandris Augen schienen das Tor zu all den anderen Welten und Dimensionen zu sein, von welchen Niemand etwas wusste. „A...aber wie kann das sein? Wieso seid ihr dann hier?“ Der jüngste Drache verstand das alles nicht. Wenn seine Lehrmeister doch tot waren, so wie er es immer dachte, wie konnten sie dann vor ihm stehen? Das ist doch nicht möglich, es sei denn... „Hast du etwa vergessen was geschehen ist, bevor du ins Licht getreten bist? Was war davor, Canzor?“, ergriff nun Shaleng, Drache des Windes, das Wort. Er schüttelte einmal sein Schuppenkleid, welches im Sonnenlicht wie eine Nebelschwade wirkte, frei von jeglicher Kontur. Bloß seine schwefelgelben Augen verharrten als fixer Punkt auf Canzor. Dieser blinzelte verwirrt und versuchte sich zu erinnern. „Melanie und ich haben uns gestritten, das weiß ich noch genau. Sie ging wütend fort und ich habe nicht versucht sie aufzuhalten.“ Diese Erinnerung war allerdings die einzig feste, klare in seinem Kopf. Alle danach folgende waren nichts weiter als eine unförmige Suppe, die er nicht klar voneinander trennen konnte. Sie gingen so nahtlos in einander über, dass er nicht wusste, wo die eine aufhörte und wo die andere begann. Alles war wie Nebel und die jüngsten Erinnerungen waren einfach nur schwarz. „Ich weiß es nicht...sobald ich mich versuche zu erinnern, ist alles dunkel...als hätte einer eine Decke über sie gelegt, damit ich sie nicht sehe.“, flüsterte der Schüler traurig und ließ wehmütig den Kopf sinken. Akarum, dem das Feuer gehorchte, schnaubte eine Fahne Rauch aus, und eine Welle aus Flammen züngelte einmal um seinen Körper. Sein Temperament war ebenso so heiß und unberechenbar wie sein Element. Offensichtlich war er von der ganzen Situation genervt und wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Auch Zrias schnaubte genervt und zog Canzor mit seinem Schweif eine über den Kopf. „Dann streng dich mal etwas mehr an!“, fauchte er und starrte ihn finster an. Canzor schämte sich. Wieso konnte er sich bloß nicht erinnern, was war bloß geschehen? „Zrias, Drache des Metalls, sei nicht zu streng mit ihm. Es ist nur zu verständlich dass man sich nicht erinnern mag.“, mischte sich nun auch zum ersten Mal Jansaro, Hüter der Erde, ein. Seine großen Schuppen, die den Körper bedeckten, hatten ein dunkles braun und insgesamt wirkte er am kompaktesten von der Gruppe. Sein Körper war breit und muskulös. Ideal um sich mit den Felsen zu tarnen. „Woran denn erinnern? Was ist hier los? Ich versteh das alles nicht. Bitte enthüllt es mir!“, schrie Canzor fast verzweifelt. Hilfesuchend wandte er sich an die drei Führer der ehemaligen Elementdrachen. Jeder von ihnen sah ihn traurig und verständnisvoll an. Sie hatten ihre Augen halb geschlossen und Schmerz lag in ihrem Blick. „Was ist hier los?“ „Nun Canzor...“, setzte Orikalco mit schwerer Stimme an. Der Angesprochene sah, wie sein Meister tief Luft holte, ehe er fortfuhr: „Du befindest dich hier in einer Zwischendimension...“ Noch bevor sein Meister weiter erklären konnte, unterbrach die Rotschwinge ihn verwirrt. „In einer Zwischendimension? In welcher genau? Warum bin ich hier? Ich muss Melanie unterstützen...“ „Und eben hier liegt nun das Problem, Canzor. In deinem jetzigen Zustand kannst du dies nicht tun.“, führte Maloras das Werk seines Bruders fort. „Wieso? Ich muss nur zurück. Lasst mich gehen!“ „Von diesem Ort gibt es kein Zurück, sondern nur ein Vorwärts.“, sprach nun Resandris mit seiner weisen, tiefen Stimme. Anstatt dass sie ihn endlich aufklärten, wurde Canzor bloß immer verwirrter. Was meinten sie damit? Es musste doch ein Zurück geben! Er musste ihr helfen. So schnell wie möglich musste er weg, sonst könnte ihr etwas zustoßen, das spürte er genau, tief in seinem Herzen. Das Band zwischen ihm und ihr war noch nicht zerrissen, er fühlte in schmerzhafter Gewissheit, dass sie in Gefahr war. Doch Moment...was dachte er da? Das Band zu IHR? Doch wer war sie? Von wem dachte er da? Nur verschwommen sah er langes schwarzes Haar mit grünen Augen. Doch wer war dieses Mädchen? Wieso fühlte er sich so mit ihr verbunden? „Du spürst es anscheinend schon, das besondere dieses Ortes. Canzor, du musst uns nun gut zuhören.“, die Stimme von Resandris war so ernst, wie der Elementdrache sie noch nie gehört hatte. Voll Kummer und Sorge schwang sie in sein Ohr d ließ ihn erschrecken. „Ja, Meister. Bitte verratet mir endlich, was hier vor sich geht.“ „Du solltest es ihm sagen Maloras, immerhin ist dies hier dein Element, als Herr des Raumes.“, sprach Jansaro mit seiner rauen Stimme. „Du hast wohl Recht, auch wenn ich wünschte, ich müsste nicht.“ Maloras seufzte schwer und sah kurz in den Himmel, so als würde er zum Himmel beten, dass er die folgenden Worte nicht aussprechen müsste. Danach senkte er wieder den Kopf und sah Canzor tief traurig in die Augen. Verwirrt sah dieser zurück. Was war los? Wieso schaute er so traurig? Doch sobald der Drache des Raumes, es aussprach, verstand Canzor die schwere und Endgültigkeit der Worte. „Canzor...ich wünschte, es wäre nie so geschehen und der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig...aber...“, eine kurze Pause folgte, indem Maloras sich sammelte. „Wir befinden uns hier in der Vordimension des Jenseits, wo die Seele gereinigt und auf ihre Wiedergeburt vorbereitet wird. Du bist gestorben, Canzor...und beginnst dein vorheriges Lebens Schritt für Schritt zu vergessen, bis du nicht einmal mehr wissen wirst, wie du heißt und dass du ein Drache bist. Du bist dabei dein Selbst zu verlieren.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)